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Modellierung und Prognose der deutschen Zinsstruktur

Implikationen für die Makroökonomie und das Portfoliomanagement

©2005 Diplomarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Analyse der Zusammenhänge an den Zins- und Rentenmärkten ist bereits seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Aktivitäten. Die Anzahl der zu diesem Thema veröffentlichten Arbeiten wächst von Jahr zu Jahr, was dieses Forschungsfeld mit neuen wertvollen Erkenntnissen bereichert. Die Untersuchung der Zinsentwicklung in der Zeit, der Interaktion der Zinssätze untereinander und mit makroökonomischen Variablen verlangt umfangreiches interdisziplinäres Wissen ab, vor allem aus dem Bereich Mikro-, Makroökonomie und Ökonometrie. Das Verständnis der zu Grunde liegenden Prozesse ist sowohl für die Kapitalmärkte als auch für die reale Wirtschaft von ausgesprochener Bedeutung. Aus der theoretischen aber auch aus der praktischen Perspektive erscheint es wichtig, über das rein Deskriptive hinausgehen und zukünftige Entwicklungen vorhersagen zu können. Für die Bewältigung dieser Aufgabe ist eine systematische Herangehensweise notwendig, die sich in der Aufstellung neuer beziehungsweise Verbesserung bereits existierender Modelle widerspiegelt.
In den Wirtschaftswissenschaften wird der Zinsentwicklung eine große Bedeutung beigemessen. Dieses starke Interesse wird damit gerechtfertigt, dass sie eine wichtige ökonomische Grundlage für viele Entscheidungen bildet, wie z.B. Investition, Produktion oder Konsum, die sowohl in einem Haushalt als auch in einem Großunternehmen getroffen werden müssen. Zum anderen lässt es sich dadurch begründen, dass die Zinssätze Informationen beinhalten können, die die zukünftige Entwicklung der Ökonomie beschreiben. Ein starkes Argument dafür ist, dass die Zinssätze vor allem durch die Wirkung der Marktkräfte zu Stande kommen. Auf dieser Information basierend werden Erwartungen gebildet, die das spätere Handeln der Wirtschaftssubjekte bestimmen.
Die Zinswelt ist vielfältig und spannend. Es gibt viele Zinsen, die ständig am Markt im Umlauf sind: Effektiv-, Termin-, Laufzeitzinsen oder Renditen. Das Verständnis der Zusammenhänge zwischen diesen Größen hilft einem sich ein schärferes Bild über Marktgeschehnisse verschaffen. Für die Finanzwelt stellen die Zinsen eine enorm wichtige Rolle. In den meisten Finanzhäusern widmen sich die Fachleute der Zinsprognose, woraus sich die Bewertung von festverzinslichen Wertpapieren, Aktien abgeleitet wird. Auf den Währungsmärkten werden auf Basis der Zinsparitäten Modelle entwickelt, die zur Währungsprognose eingesetzt werden. Auch in der makroökonomischen Welt […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Teil A: Einleitung
A.1. Einführung
A.2. Nullkupon- vs. kupontragende Anleihen; Stripping
A.3. Laufzeit-, Terminzins und Rendite
A.4. Zins- vs. Renditekurve
A.5. Klassische Theorien zur Erklärung der Zinsstrukturkurve

Teil B: Das Modell
B.1. Anforderungen an ein (Zinsstruktur-) Modell
B.2. Vorstellung ausgewählter Modelle
B.3. Das modifizierte Nelson-Siegel Modell
B.4. Vorgehensweise und Datenbeschreibung
B.5. Interpretation der Zinsstrukturfaktoren
B.6. Evaluation der In-Sample Analyse
B.7. Modellierung der Zinsstrukturfaktoren
B.8. Überprüfung der Ergebnisse auf Konsistenz
B.9. Prognose der Zinsstruktur
B.10. Analyse der Perioden nachlassender Prognosegüte
B.11. Dynamische Asymmetrie der Informationsaufnahme
B.12. Einschließung makroökonomischer Variablen
B.13. Konzept verallgemeinerter Duration
B.14. Bedeutung der Zinsstrukturkomponenten im Portfoliomanagement

Teil C: Zusammenfassung
C.1. Fazit
C.2. Ausblick

Appendix

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabellen

Grafiken

Tabellen-und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Entscheidung über die Ordnung der VAR und die Schätzstatistiken.

Tabelle 2: Entscheidung über die Ordnung in GARCH und die Schätzstatistiken des besseren Modells.

Tabelle 3: Auswertung der Prognose (1).

Tabelle 4: Auswertung der Prognose (2).

Tabelle 5: EGARCH für die Untersuchung dynamischer Asymmetrien.

Tabelle 6: Makro-Finance Modell: Schätzergebnisse.

Tabelle 7: „Reaktionsfunktion“ der Zentralbank.

Grafik 1: Faktorsensitivitäten.

Grafik 2: Vergleich der Steilheitsfaktoren nach der Schätzmethode von Svensson (S) und Diebold-Li (DL).

Grafik 3: Unterschiedliche Kurvenverläufe nach Diebold und Li.

Grafik 4: „Durchschnittliche“ Kurve nach Svensson (S) und Diebold-Li (DL).

Grafik 5: Unterschiedliche Volatilitäten der Laufzeitzinsen.

Grafik 6: Kurvenverlauf und Zinsniveau.

Grafik 7: Langfristzins und empirische Approximation.

Grafik 8: Steilheit und empirische Approximation.

Grafik 9: Wölbung und empirische Approximation.

Grafik 10: Tagesgeld und empirische Approximation.

Grafik 11: Einfluss historischer Ereignisse auf den 10J-Zins.

Grafik 12: Beta1 als Indikator langfristiger Inflationserwartungen.

Danksagungen

Ich möchte mich herzlich bei allen Mitarbeitern des Seminars für Finanzökonometrie, besonders bei dem Herrn Prof. Stefan Mittnik, Ph.D., Herrn Dipl.-Volkswirt Christian Pigorsch und Frau Helga Wintermantel für ihre fachliche und organisatorische Beratung und Unterstützung während der Bearbeitung dieser Diplomarbeit bedanken.

Außerdem gelten die Worte des Dankes meinen Eltern Irina und Vjacheslav Boychuk, meinem Bruder Alexander Boychuk, meinen nächsten Angehörigen Marina Megerdicheva und Sergej Megerdichev, die mir immer den treusten Beistand leisteten und meinen Freunden für ihre moralische Unterstützung.

Teil A. Einleitung.

A.1. Einführung

Die Analyse der Zusammenhänge an den Zins- und Rentenmärkten ist bereits seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Aktivitäten. Die Anzahl der zu diesem Thema veröffentlichten Arbeiten wächst von Jahr zu Jahr, was dieses Forschungsfeld mit neuen wertvollen Erkenntnissen bereichert. Die Untersuchung der Zinsentwicklung in der Zeit, der Interaktion der Zinssätze untereinander und mit makroökonomischen Variablen verlangt umfangreiches interdisziplinäres Wissen ab, vor allem aus dem Bereich Mikro-, Makroökonomie und Ökonometrie. Das Verständnis der zu Grunde liegenden Prozesse ist sowohl für die Kapitalmärkte als auch für die reale Wirtschaft von ausgesprochener Bedeutung. Aus der theoretischen aber auch aus der praktischen Perspektive erscheint es wichtig, über das rein Deskriptive hinausgehen und zukünftige Entwicklungen vorhersagen zu können. Für die Bewältigung dieser Aufgabe ist eine systematische Herangehensweise notwendig, die sich in der Aufstellung neuer beziehungsweise Verbesserung bereits existierender Modelle widerspiegelt.

In den Wirtschaftswissenschaften wird der Zinsentwicklung eine große Bedeutung beigemessen. Dieses starke Interesse wird damit gerechtfertigt, dass sie eine wichtige ökonomische Grundlage für viele Entscheidungen bildet, wie z.B. Investition, Produktion oder Konsum, die sowohl in einem Haushalt als auch in einem Großunternehmen getroffen werden müssen. Zum anderen lässt es sich dadurch begründen, dass die Zinssätze Informationen beinhalten können, die die zukünftige Entwicklung der Ökonomie beschreiben. Ein starkes Argument dafür ist, dass die Zinssätze vor allem durch die Wirkung der Marktkräfte zu Stande kommen. Auf dieser Information basierend werden Erwartungen gebildet, die das spätere Handeln der Wirtschaftssubjekte bestimmen.

Die Zinswelt ist vielfältig und spannend. Es gibt viele Zinsen, die ständig am Markt im Umlauf sind: Effektiv-, Termin-, Laufzeitzinsen oder Renditen. Das Verständnis der Zusammenhänge zwischen diesen Größen hilft einem sich ein schärferes Bild über Marktgeschehnisse verschaffen. Für die Finanzwelt stellen die Zinsen eine enorm wichtige Rolle. In den meisten Finanzhäusern widmen sich die Fachleute der Zinsprognose, woraus sich die Bewertung von festverzinslichen Wertpapieren, Aktien abgeleitet wird. Auf den Währungsmärkten werden auf Basis der Zinsparitäten Modelle entwickelt, die zur Währungsprognose eingesetzt werden. Auch in der makroökonomischen Welt kann die Zinsprognose für Inflationsvorhersagen auf Grund des Zusammenhanges, den die Fisher Gleichung beschreibt, oder andere Zwecke verwendet werden.

Das Thema dieser Diplomarbeit wendet sich der Analyse der deutschen Zinsstrukturkurve zu. Diese Kurve stellt die Gesamtheit der Zinssätze in Abhängigkeit von ihrer Restlaufzeit dar. Die Einschließung der Laufzeit- oder Terminzinsen und nicht der Renditen ist sowohl durch theoretische als auch praktische Überlegungen untermauert. Die Renditekurve hat auf Grund ihrer Berechnungsmethode das Manko, dass sie nicht in allen Fällen mit den Zinserwartungen kompatibel ist beziehungsweise diese über- oder unterschätzt. Auf die Ursachen wird im Verlauf dieser Arbeit näher eingegangen. Außerdem ist in diesem Fall der internationale Vergleich der Zinsstrukturen leichter anzustellen und seine Ergebnisse sind zugleich aussagekräftiger. Die Untersuchung beruht auf dem Zinsstrukturmodell, das in der Arbeit von Diebold und Li (2006*) entwickelt wurde. Es unterscheidet zwischen drei Faktoren, die für den Verlauf der Kurve ausschlaggebend sind. Es lässt sich zeigen, dass diese Faktoren mit dem Niveau, der Steigung und der Wölbung der Kurve korrespondieren. Die Existenz beobachtbarer empirischer Approximationen für diese Faktoren füllt das Modell mit Leben und erweitert den Interpretations- und Anwendungsspielraum. Dieses Konzept nimmt seinen Ursprung bei Nelson und Siegel (1987), die eine derartige Parametrisierung vorschlugen und damit auf breite Akzeptanz stießen. Viele Zentralbanken, z. B. die in den USA, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland benutzen das Nelson-Siegel Modell in reiner oder (leicht) modifizierter Form.[1]

Das Hauptaugenmerk dieser Diplomarbeit richtet sich auf der Frage, wie die einzelnen Faktoren der Zinsstruktur modelliert und prognostiziert werden können. Um die Stellung dieses Modells in der modernen Literatur zu verdeutlichen, bietet man zunächst einen Überblick zu den bereits existierenden Ansätzen. In dieser Arbeit werden die populären VAR- und GARCH-Modelle verwendet, welche sich bei den empirischen Untersuchungen auf Grund ihrer Flexibilität und strukturellen Eigenschaften großer Beliebtheit erfreuen. Die Evaluation der Ergebnisse wird im Rahmen von In-Sample- und Out-of-Sample Analyse durchgeführt. Bei der Bewertung der Prognosegüte des Modells werden unter anderem die Perioden unter die Lupe genommen, in denen die Fehler systematisch und überdurchschnittlich groß waren. Dies soll die Auskunft geben, ob das entsprechende Prognosemodell in bestimmten Marktphasen versagt oder es die Sondereinflüsse waren, die die Verzerrungen in den Vorhersagen verursachten.

Man wandte sich auch der Überlegung zu, ob positive und negative Nachrichten von den Märkten unterschiedlich aufgenommen werden. Ein Zeichen dafür wären asymmetrische Volatilitätsmuster als Reaktion auf das Eintreffen neuer Informationen. Es werden die Möglichkeiten diskutiert, die sich zur Überprüfung dieser Hypothese bieten und in diesem Rahmen die wichtigen Ergebnisse erörtert.

Außerdem wird es hier versucht, eine Verbindung zwischen der Zinsstruktur und den makroökonomischen Größen, wie Inflation, Produktion, Geldmengenwachstum oder Refinanzierungszins herzustellen. In der empirischen Literatur letzter Jahre schenkt man der Einflussstärke, -richtung und der Interaktion zwischen den Makro- und Finanzvariablen eine große Aufmerksamkeit. So wird beispielsweise gefragt, wie eine Zentralbank auf die Veränderungen in den Zinsstrukturfaktoren beziehungsweise Makrovariablen reagiert und welche Anpassungsprozesse diese Reaktion auf den Märkten und in der Volkswirtschaft als Ganzes auslöst. Die passenden Rahmenbedingungen für solche Analyse werden durch VAR-Modelle geschaffen, die entsprechende Tools wie Impulse-Response-Analyse oder Varianzdekomposition, ergänzt durch den Granger-Kausalitätstest, bieten.

Ein wesentlicher Vorteil der Modellvariante von Diebold und Li ist die ökonomische Interpretierbarkeit der ermittelten Faktoren. Diese Tatsache findet ihre Anwendung auch im Portfoliomanagement und drückt sich in dem Konzeptes verallgemeinerter Duration aus. Die klassischen Durationsmaße, wie z. B. Macaulay-Duration, unterschätzen das Zinsänderungsrisiko, indem sie nur für parallele Bewegungen in der Zinsstruktur konzipiert sind. Die verallgemeinerte Duration schließt in die Betrachtung auch andere Komponenten ein und zeigt auf, in welchem Ausmaß eine Anleihe den Einzelrisiken im Zusammenhang mit den Veränderungen in dem Niveau, der Steilheit und der Wölbung der Kurve ausgesetzt ist. Diese drei Größen entsprechen den im Rahmen des Modells zu ermittelnden Faktoren, die ihrerseits prognostiziert werden können. Die Möglichkeit, diese Risiken zu steuern, bietet eine Existenzberechtigung für den aktiven Ansatz im Assetmanagement und schafft Voraussetzungen für die Outperformance eines einzelnen Portfoliomanagers.

Die in den Schätzungen verwendeten Daten werden von der Deutschen Bundesbank auf ihrer Internetseite veröffentlicht.[2] Es handelt sich um Renditen der hypothetischen Nullkuponanleihen, deren Spektrum die Laufzeiten von eins bis zehn Jahren einschließt. Die Untersuchung wurde mit den Monatsdaten durchgeführt und umfasst den Zeitraum von Januar 1975 bis August 2005. Die makroökonomischen Zeitreihen wurden von Datastream, Thomson Financial bezogen.

Diese Diplomarbeit wird in drei wichtige Teile aufgegliedert, die die Einleitung (Teil A), den Hauptteil, in dem eigentlich das Modell vorgestellt wird (Teil B) und die Zusammenfassung (Teil C) umfassen. Im Teil A werden für die Fragestellungen dieser Arbeit wichtige Definitionen eingeführt. Sie sollen über die grundlegenden Begriffe und Zusammenhänge Klarheit verschaffen und den Leser in die anschließende Diskussion einführen. Des Weiteren erörtert man in einem Kapitel konzeptuelle Unterschiede zwischen der Rendite- und der Zinsstrukturkurve. Auch die klassischen Modelle zur Erklärung der Zinsstruktur finden dort ihren Platz. Im Teil B werden die Anforderungen an den Modellierungsprozess formuliert und ausgewählte Modelle vorgestellt. Den zentralen Platz in diesem Teil und in der ganzen Arbeit nimmt aber das Modell von Diebold und Li ein, das aus verschiedenen Perspektiven (In- und Out-of-Sample) evaluiert und in den angrenzenden Disziplinen wie Makroökonomie und Portfoliomanagement beispielhaft verwendet wird. Im Teil C werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick für weitere Untersuchungen geboten. Im Appendix werden Rechnungen durchgeführt, die einige der Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit besser erklären sollen. Der Anhang beinhaltet Tabellen und Grafiken, die empirische Befunde dieser Arbeit visualisieren.

A.2. Nullkupon- vs. kupontragende Anleihen; Stripping

Eine Nullkuponanleihe, auch Zerobond genannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass während der Laufzeit dieses Wertpapiers keine Kuponzahlungen anfallen. Die Tilgung inklusive Verzinsung erfolgt in einer Zahlung am Endfälligkeitstermin. Hiermit stellt ein Zerobond eine Diskontanleihe dar, die unter dem Nominalbetrag (principal amount) emittiert und dessen kumulierte Verzinsung in diesem Preisabschlag eingepreist wird. Eine kupontragende Anleihe unterscheidet sich von der Nullkuponanleihe in der Hinsicht, dass der Investor außer dem am Endfälligkeitsdatum getilgten Nominalbetrag auch periodisch durch die Kuponhöhe bestimmte Zahlungen erhält.

Trotz dieser strukturellen Unterschiede beider Instrumente lässt sich ein kupontragendes Wertpapier als Portfolio von Zerobonds mit unterschiedlichen Restlaufzeiten interpretieren. Um ein besseres Verständnis für den Zusammenhang zwischen den beiden Arten der Schuldverschreibungen zu entwickeln, wird an dieser Stelle ein Beispiel angeführt. So kann beispielsweise die Zahlungsstruktur einer neu emittierten 30-jährigen Bundesanleihe in 30 Kuponzahlungen und eine endfällige Tilgung zerlegt werden. Im ökonomischen Sinne stellen diese Zahlungen 30 Zerobonds (Zins-Strips) mit den Laufzeiten von 1 bis 30 und ein Zerobond (Kapital-Strip) mit der Laufzeit von 30 Jahren dar.[3]

Seit 1997 räumt die Bundesbank die Möglichkeit ein, die aus der Zahlungsstruktur einer Bundesanleihe abgeleiteten Ansprüche zu trennen und separat zu handeln. Zur Verfügung stehen die Staatsanleihen mit den Zinsterminen 4. Januar und 4. Juli, wobei der Mindestwert der neu entstandenen Produkte 50.000 Euro betragen soll. Die Zins-Strips gleicher Endfälligkeit werden unabhängig von dem Bond und seinem Kupon zwecks Liquiditätssteigerung unter einer Wertpapier-Kennnummer zusammengefasst und gehandelt. Die separierten Zahlungsströme können wiederum zu „synthetischen“ Anleihen zusammengefasst werden,[4] die einen Anhaltspunkt in der Beurteilung des Marktpreises bieten: falls die am Markt bestehenden Anleihen nicht korrekt gepreist sind, werden sich dadurch Arbitragemöglichkeiten so lange bieten, bis die Fehlbewertung beseitigt wird. Die Konstruktion derartiger Anleihen ist aber nur Kreditinstituten erlaubt.[5]

A.3. Laufzeit-, Terminzins und Rendite

Laufzeit- (spot rate), Terminsatz (forward rate) und Rendite (yield-to-maturity) sind in der Welt der festverzinslichen Papiere die Schlüsselwörter, die das Geschehen an den Märkten und das Handeln der Wirtschaftssubjekte im Wesentlichen bestimmen. Deswegen gilt es zunächst eine Abgrenzung dieser Begriffe vorzunehmen.

Als Laufzeitzins bezeichnet man den Zinssatz, der zum Zeitpunkt t bis zur Fälligkeit in T gelten wird. Der Terminsatz dagegen stellt eine zum Zeitpunkt t abgeschlossene Zinsvereinbarung dar, die für ein Investment angewandt wird, dessen Laufzeit in der Zukunft beginnt. Das Problem dabei ist, dass die Terminsätze nicht direkt beobachtbar sind und deswegen aus den Laufzeitsätzen geschätzt werden müssen. Aus diesem Grund hat sich auch der Terminus „impliziter Terminsatz“ eingebürgert. Die Rendite kann als durchschnittliche Verzinsung bis zur Fälligkeit angesehen werden. Dabei wird explizit unterstellt, dass die Wiederanlage der frei gewordenen Mittel zum konstanten Zinssatz erfolgt, was an die Definition des internen Zinsfußes erinnert.[6]

Die Kalkulation des Laufzeitzinses gestaltet sich im Falle der Nullkuponanleihen relativ einfach. Der Grund dafür ist, dass er als einzige Unbekannte in der Bewertungsgleichung vorkommt. Eine der Möglichkeiten, dies vor Augen zu führen, ist die Darstellung dieses Sachverhaltes mittels Diskontfaktors. Periodenspezifische Diskontfaktoren sind konkrete Realisationen einer Diskontfunktion. Zu den grundlegenden Eigenschaften einer solchen Funktion zählt, dass sie stetig, monoton fallend und überall differenzierbar ist. Der Diskontfaktor ist in diesem Kontext als Preis eines Investments zu interpretieren, das zum Zeitpunkt t und bei seiner Fälligkeit in [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] eine Rückzahlung in Höhe von Eins verspricht und sich aus folgender Gleichung berechnen lässt:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.1] mit: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]: Restlaufzeit.

Aus der Gleichung [A.1] folgt, dass

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.2]

Es gilt zu vermerken, dass die Rendite r einer Nullkuponanleihe dem Laufzeitzins i wegen der Nichtexistenz der zwischenzeitlichen Zahlungen entspricht:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.1’] beziehungsweise [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.2’]

Der Zusammenhang, der zwischen einem Laufzeit- und Terminsatz besteht, lässt sich anhand folgenden Beispieles erläutern. Ein Investor möchte einen Zinssatz sichern, der zum zukünftigen Zeitpunkt t’ bis Ende seines Anlagehorizontes gelten wird. Dafür kauft er in t Zerobonds mit der Fälligkeit in T. Gleichzeitig geht er eine Short-Position in Höhe des investierten Betrages in Zerobonds ein, die in t’ fällig werden. Da sich beide Positionen finanziell ausgleichen, ist der Zahlungsstrom in t gleich Null. Wenn die verkauften Nullkuponanleihen nach [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Perioden ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]) abgelaufen sind, geht er seinen finanziellen Verpflichtungen nach. Nach [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Perioden ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]) erhält er aber eine Rückzahlung aus seiner Long-Position. Der Gesamtertrag dieser Strategie entspricht dem impliziten Terminsatz, der in für die Periode von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bis [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gilt, was seinem Investmenthorizont entspricht. Formal lässt sich dieser intuitive Zusammenhang wie folgt zum Ausdruck bringen:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten][7] [A.3]

Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass Nullkuponanleihen nicht für alle Laufzeiten verfügbar sind und man meistens mit den Kuponanleihen zu tun hat. Ihre Bewertung erweist sich wesentlich komplexer, sobald die Restlaufzeit sich über ein Jahr erstreckt. Stellt man sich so eine Anleihe i zum Zeitpunkt t mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Perioden bis zur Endfälligkeit, in denen Zahlungen anfallen, und mit einem Nominalwert 1 und einem Kupon c vor, dann nimmt die Preisfunktion folgende Gestalt:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.4]
Gleichzeitig muss es bei der Ermittlung des Laufzeitzinssatzes [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gelten:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.5] mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]definiert wie in der Gleichung [A.1].

Anders als im Falle der Nullkuponanleihen kann hier nicht gefolgert werden, dass die Rendite und der Laufzeitzins gleichgesetzt werden dürfen. Der Grund hierfür ist die Zahlungsstruktur der Kuponanleihe, die Periodenzahlungen liefert. Die Rendite in Gleichung [A.4] stellt definitionsgemäß die durchschnittliche Verzinsung eines Investments dar. Bei der Barwertberechnung der während der Restlaufzeit anfallenden Zahlungsströme bleibt sie aus der heutigen Sicht unverändert. Dagegen werden [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] periodenspezifische Diskontierungsfaktoren und damit Laufzeitzinssätze benötigt, um die Anleihe korrekt zu bewerten - die Preisfunktion [A.5] hat also mehrere Unbekannte. Der zweite Grund liegt in dem so genannten Kuponeffekt. Bei der bestehenden Struktur der Laufzeitzinsen hängt die Rendite unmittelbar von der Kuponhöhe der jeweiligen Anleihe ab. Zwei mit unterschiedlichen Kupons ausgestattete Bonds gleicher Laufzeit werden auch voneinander differierende Rendite abwerfen, denn ein höherer Kupon impliziert höhere und früher anfallende Zahlungen, bei deren Diskontierung kürzere Laufzeitzinsen stärker ins Gewicht fallen, was bei der normalen (inversen) Zinsstrukturkurve eine niedrigere (höhere) Rendite bedeutet. Folglich sollen die Laufzeitsätze aus den Preisen beziehungsweise Renditen der im Umlauf sich befindenden Anleihen ermittelt werden.

Einer der möglichen Wege führt über die Ermittlung der Terminsätze hin zu Laufzeitsätzen. Dabei bedient man sich der bereits definierten aber leicht modifizierten Zusammenhänge. Der Terminsatz wird durch die Modifikation der Gleichung [A.3] ermittelt. Hier basiert aber die funktionale Abhängigkeit nicht mehr auf der Restlaufzeit, sondern auf dem Konzept der Duration. Sie ist (u. a.) ein Maß für die durchschnittliche Bindungsdauer des Kapitals.[8] Die Duration einer Nullkuponanleihe ist genau gleich der Restlaufzeit, weil während des Schuldverhältnisses nur eine Zahlung am Fälligkeitstermin erfolgt. Die Zahlungsstruktur eines kupontragenden Titels lässt, wie bereits erwähnt, Periodenzahlungen zu, so dass die Duration immer kleiner als die Restlaufzeit sein wird. Die Formulierung des Durationskonzeptes geht auf Macaulay (1938) zurück. In ihrer ursprünglichen Version berechnet sie sich als Summe der zeitpunktgewichteten Barwerte und ist definiert als

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.6]

Ausgehend davon ergibt sich der Terminsatz als

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten][9] [A.3’]

Nachdem der Terminsatz ermittelt wurde, lässt er auch auf den Laufzeitsatz schließen.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.7]

Somit kann er als Durchschnitt der Terminsätze kalkuliert werden, die im Zeitintervall von t bis zur Fälligkeit gelten.

A.4. Zins- vs. Renditestruktur.

Die Zinsstruktur bildet den Zusammenhang zwischen den Laufzeitzinsen unterschiedlicher Laufzeit ab. Die Gewinnung dieser Struktur wäre problemlos gewesen, falls der Markt für Zerobonds vollständig und liquide wäre. Solange es nicht zutrifft, muss die Zinsstruktur approximiert werden.

In den Jahren vor 1997 schätzte die Bundesbank eine Renditestruktur. Die Schätzungen für das Wertpapier i beruhten auf einem linear-logarithmischen Modell, das folgende Variable einschloss:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.8] mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]: weißes Rauschen.

Die Schätzung wurde nach dem Prinzip Kleinster Quadrate durchgeführt, dessen Minimierungsproblem lautet:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.8.1]

Damit ergab sich die zu schätzende Gleichung folgender Form:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [A.8’] mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]: Durchschnittskupon.

Die Formulierung des Modells in dieser linearen Form war sehr restriktiv. Die Linearität ließ keine Flexibilität der Kurve zu - damit konnten komplexere, beispielsweise buckelförmige, Verläufe nicht wiedergeben werden. Außerdem offenbart die approximative Darstellung der Zinsstruktur mittels einer Renditestrukturkurve einige Mängel. Wie bereits angedeutet wurde, unterscheiden sich die Rendite und die Verzinsung einer Kuponanleihe voneinander, sobald der Diskontierungsfaktor über die Zeit variiert und folglich keine flache Zinsstruktur vorliegt. Dies impliziert, dass die Rendite den abzubildenden Laufzeitzins überschätzt (unterschätzt), wenn über die Zeit fallende (steigende) Zinsen erwartet werden - die Renditekurve verläuft oberhalb (unterhalb) der Zinskurve.

Seit 1997 veröffentlicht die Bundesbank ihre Schätzungen der Zinsstruktur, die meistens durch Laufzeitzinssätze in Abhängigkeit von der Restlaufzeit ausgedrückt wird. Dieses Konzept weist entscheidende Vorteile gegenüber der Renditestruktur auf. Zum einen können die Laufzeitsätze für die Ermittlung des Diskontierungsfaktors aus der Gleichung [A.1] eingesetzt werden. Dadurch ist auch deutlich bessere internationale Vergleichbarkeit gewährleistet. Zum anderen lassen sich aus den Laufzeitzinssätzen unter der Voraussetzung der Arbitragefreiheit zwischen den Laufzeitsegmenten implizite Terminsätze ableiten, die die zukünftige Marktverzinsung darstellen. Üblicherweise werden dabei einjährige Investments zu Grunde gelegt. Somit bringt diese alternative Darstellungsform zusätzliche Informationen für Marktteilnehmer mit sich: die Terminzinsstrukturkurve wird oberhalb (unterhalb) der Laufzeitzinsstrukturkurve verlaufen, wenn in der Zukunft steigende (fallende) Laufzeitzinsen erwartet werden. An der strikten Auslegung der Terminzinsstruktur im Sinne der Erwartungshypothese ist aber zu bemängeln, dass die Existenz von zeitvariierenden Risikoprämien die impliziten Terminsätze stark beeinflussen können.[10]

A.5. Klassische Theorien zur Erklärung der Zinsstruktur.

In diesem Kapitel werden theoretische Ansätze vorgestellt, die die Zinsstruktur und ihre typischen Verläufe aus der klassischen Perspektive zu erklären suchen. In der Vergangenheit wurden normale (steigende), inverse (fallende), flache und buckelförmige Kurven beobachtet. Es lassen sich vier Theorien aufstellen, die von unterschiedlichen Seiten an das Problem herangehen:

1. Die Erwartungstheorie
2. Die Marktsegmentationstheorie
3. Die Liquiditätspräferenztheorie
4. Die Preferred Habitat Theorie

Die Erwartungstheorie

Die Grundlagen der Erwartungstheorie wurden Irving Fisher (1896) entworfen und dann vor allem von Lutz (1940) weiterentwickelt. Diesem Konzept liegen die Theorie der rationalen Erwartungen und eine einfache Arbitrageüberlegung zu Grunde. Demnach wird der langfristige Zins als Durchschnitt der in der Zukunft zu erwartenden kurzfristigen Zinssätze angesehen, so dass die Terminsätze die beste Schätzung die zukünftigen Zinsen bilden. An dieser Stelle bietet sich folgendes Beispiel. Es sei ein Anlageuniversum mit zwei Nullkuponanleihen gegeben, nämlich eine Anlage in ein Wertpapier mit der Restlaufzeit von einem Jahr und ein ähnlich strukturiertes Wertpapier mit der Restlaufzeit von zwei Jahren, wobei die einjährige Anlagestrategie sukzessiv gefahren werden kann. Laut der Erwartungstheorie ist ein Investor zwischen den beiden Alternativen indifferent, weil beide Anlagen nach zwei Jahren gleichen Ertrag abwerfen sollen. Andernfalls werden Arbitragestrategien so lange eingesetzt, bis der Markt wieder ins Gleichgewicht gebracht wird. Anders formuliert, die Rendite für einen Zeitraum ist unabhängig von der Restlaufzeit der zur Verfügung stehenden Wertpapiere. Daraus kann man schlussfolgern, dass die Form der Zinsstrukturkurve allein von den Erwartungen über die zukünftige Zinsentwicklung abhängig ist: nämlich eine steigende (fallende) Kurve tritt auf, wenn die Investoren in der Zukunft steigende (fallende) Zinsen erwarten. Die Kurve wird flach verlaufen, wenn man von einem stabilen Zinssatz ausgeht.

Die Gültigkeit der Erwartungstheorie wird durch die Beobachtung unterstützt, dass die Zinsen am kurzen Ende eine höhere Volatilität aufweisen als die am langen Ende.[11] Außerdem kann man damit auch die im Durchschnitt steigende Zinsstrukturkurve erklären, denn die restriktive Geldpolitik, die mit dem starken Anhieb der kurzfristigen Zinsen einhergeht, von den Marktteilnehmern als vorübergehend angesehen wird.

Neben den Standardannahmen wie Risikoneutralität, vollkommener Kapitalmarkt, Nicht-Berücksichtigung der Transaktionskosten und Homogenität der Erwartungen, geht diese Theorie von der Annahme der perfekten Substitutionalität der Wertpapiere, was vor allem unter der Berücksichtigung der steuerlichen Aspekte als restriktiv erscheint.[12]

Die Erwartungstheorie stellt ein relativ einfaches und intuitives Konzept zur Beschreibung der Zinsstruktur. Ihre Gültigkeit konnte aber empirisch für die Länder wie die USA oder Deutschland nicht nachgewiesen werden. Jedoch zeigt eine der letzten großen Untersuchungen der deutschen Zinsstruktur von Robert Perl (2002), dass unter Berücksichtigung der variablen Zeitprämie[13] und der Regimeunsicherheiten (Regime Switching) diese Theorie durch die Daten bestätigt wird.

Die Marktsegmentationstheorie.[14]

Im Gegensatz zu der Erwartungstheorie wird in der Marktsegmentationstheorie die Annahme der Risikoneutralität aufgehoben. Dafür wird den Wirtschaftssubjekten ein risikoaverses Verhalten unterstellt. Dabei gilt es zwischen zwei Risikoquellen zu unterscheiden: zum einen ist es das Zinsänderungsrisiko (interest rate risk), das positiv von der Restlaufzeit abhängt; zum anderen ist es Wiederanlagerisiko (re-investment risk), das bei den kurzfristigen Anlageformen steigt. Betrachtet man die Situation von der Seite eines Kapitalgebers, können beide Risikoquellen eliminiert werden, wenn der Anlagehorizont T und die Restlaufzeit des Investments t’ übereinstimmen. Wenn dagegen die Restlaufzeit größer ist als der Anlagehorizont, T<t’, dann unterliegt das Investment dem Zinsänderungsrisiko. Ein Beispielsfall dafür wäre, wenn der Markwert des zur Verfügung gestellten Kapitals auf Grund des in der Periode t[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten][T, t’) gestiegenen Zinssatzes sinkt. Wenn aber die Restlaufzeit kleiner ist, dann ist der Kapitalgeber mit dem Wiederanlagerisiko konfrontiert, weil es ohne zusätzliche Absicherung mit anderen Instrumenten[15] nicht mehr garantiert werden kann, dass die neue Anlage zu den alten Marktkonditionen getätigt werden kann. Ein ähnliches Überlegungsmuster gilt auch für Kapitalnehmer. Somit gestaltet sich die Situation, in der die Anbieter und Nachfrager des Kapitals unabhängig von den Zinserwartungen nur auf bestimmten Abschnitten der Zinsstrukturkurve agieren und dadurch den Gesamtmarkt in laufzeitspezifische Segmente aufteilen. Die einzelnen Zinssätze und die Zinsstruktur als Ganzes ergeben sich dabei als Produkt der Marktkräfte, die das Angebot und die Nachfrage in den jeweiligen Laufzeitsegmenten zusammenbringen. Dabei spielen die Erwartungen über die Zinsentwicklung keine ausschlaggebende Rolle.

Einer der Argumente, die die Marktsegmentationstheorie eigentlich belegen sollten, ist das so genannte „Golden Rule of Banking“. Diese Regel besagt die Notwendigkeit der Fristenkongruenz des eingesetzten Kapitals und erfordert die Bedienung kurz- beziehungsweise langfristiger Verbindlichkeiten durch die entsprechende Finanzierung. In der Realität ist es aber anzutreffen, dass die Banken tendenziell langfristige Kredite vergeben, die sie durch kurzfristige Mittel refinanzieren. Die Idee dahinter ist von der Steilheit der Zinsstrukturkurve und damit von der Zinsdifferenz zwischen den kurzen und langen Zinsen zu profitieren. Diese Beobachtung und die Nicht-Berücksichtigung der Erwartungskomponente machen die Marktsegmentationstheorie verwundbar.

Die Liquiditätspräferenztheorie.

Diese Theorie ist eng mit dem Namen von John R. Hicks (1939) verbunden und versucht die Erwartungs- und die Marktsegmentationstheorie aufeinander abzustimmen. Ähnlich wie in der Marktsegmentationstheorie wird auch hier die Risikoneutralität durch risikoaverses Verhalten der Wirtschaftssubjekte ersetzt. Währenddessen lockert man die eher unrealistische Annahme der vollkommenen Substituierbarkeit der Wertpapiere auf.

Die Liquiditätspräferenztheorie führt ein Unsicherheitsfaktor ein, der Abweichungen von den erwarteten Zinssätzen zulässt. Auf Grund dessen wird einem Kapitalgeber eine Präferenz für kurzfristige Anlagen unterstellt, weil die Unsicherheit über die weit in der Zukunft liegenden Zinsen und damit das Risiko generell steigen wird. Gegen einen angemessenen Aufschlag, eine Liquiditätsprämie, sind aber die Kapitalgeber bereit auch längerfristig zu investieren. Damit stellen sie die Ausschaltung des Zinsänderungsrisikos in den Vordergrund ihrer Anlagestrategie. Aus der Perspektive der Kapitalnehmer herrscht eine Präferenz für langfristige Kredite vor, um das mit der Mittelbeschaffung verbundene Risiko in der Zukunft zu vermeiden.

Die eben beschriebene Situation nannte Hicks „konstitutionelle Schwäche“ auf dem Kapitalmarkt. Sie entsteht, weil sich bei der Gleichheit der Verzinsung eine Überschussnachfrage am langen Ende und ein Überschussangebot am kurzen Ende der Kurve entwickelt. In diesem Fall kann die Nachfrage seitens Kapitalnehmer nur dann befriedigt werden, wenn die Kapitalgeber einen Aufschlag erhalten, der sie für die Aufnahme des Zinsänderungsrisikos und die gesunkene Dispositionsfreiheit entlohnt. Dieser Aufschlag wird als Zeit- beziehungsweise Liquiditätsprämie bezeichnet. Die Höhe dieser Prämie hängt positiv von der Bindungsdauer des Kapitals ab. Der zweite Einflussfaktor, den Keynes (1936) in die Diskussion gebracht hat, ist das aktuelle Zinsniveau: in den Phasen, in denen das Niveau über (unter) dem historischen Durchschnitt liegt, wird der geforderte Aufschlag niedriger (höher) ausfallen, weil die Markteilnehmer die Rückkehr zum „Normalzins“ erwarten.

Im Gegensatz zur reinen Erwartungstheorie ist der erwartete Ertrag bei Erwartung eines konstant bleibenden Zinssatzes nicht mehr unabhängig von der Restlaufzeit. In diesem Kontext kann man den zukünftig erwarteten Zins nicht direkt aus dem Verlauf der Zinsstrukturkurve ablesen, weil er um die Höhe der Liquiditätsprämie „verzerrt“ ist. Auf Grund dieser Überlegungen kann man einen steigenden Verlauf der Zinsstrukturkurve ohne genauere Spezifikation der Markterwartungen über die Zinsentwicklung rechtfertigen. Es ist nämlich eine Konstellation denkbar, dass trotz den Erwartungen fallender Zinsen die Kurve normal verlaufen wird. Dies kommt dann zu Stande, wenn der Rückgang im Zinsniveau durch die Prämie überkompensiert wird. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Liquiditätsprämientheorie als Erweiterung der Erwartungstheorie angesehen werden kann.

Die Preferred Habitat Theorie.

Die Aufstellung der Preferred Habitat Theorie geht auf Modigliani und Sutch (1966) zurück. Ähnlich wie die Liquiditätsprämientheorie, geht dieser Ansatz auch von Präferenzen der Wirtschaftssubjekte für bestimmte Laufzeitsegmente der Zinsstruktur aus. Der Unterschied besteht aber darin, dass im Mittelpunkt des Anlegerinteresses nicht ausschließlich kurzfristige Anlageformen stehen.

Basierend auf der goldenen Bankregel werden beispielsweise die Investoren mit einem langen Anlagehorizont auch langfristige Wertpapiere bevorzugen. Dadurch wird das Wiederanlagerisiko (größtenteils) ausgeschlossen. Die Investoren bleiben aber nicht starr in dem in dem für sie in Frage kommenden Segment. Gegen Erhalt einer Prämie sind sie bereit auch in einen kürzeren Laufzeitbereich der Kurve zu investieren. Die Prämie ist in diesem Fall eine Ausgleichzahlung für die Übernahme des Wiederanlagerisikos fällig.

Generell werden die Prämien in den Segmenten gezahlt, in denen ein Überschussangebot an Wertpapieren herrscht. Ist zum Beispiel die Mehrheit der Investoren langfristig orientiert, so kann die Attraktivität der Kurzläufer nur durch die Zahlung der Prämie erhöht werden. Wie man diesem Beispiel entnehmen kann, muss die Prämie nicht automatisch mit der Restlaufzeit ansteigen – auch andere Muster sind unter diesen Umständen denkbar.

Aus diesem Kapitel kann man das Fazit ziehen, dass die vorgestellten Erklärungsansätze meistens nur eine Einflusskomponente hervorheben, auf der auch weitere Argumentation aufgebaut wird. Damit erscheint so eine Betrachtungsperspektive einseitig und damit realitätsfremd, was den Erklärungsbeitrag wesentlich einschränkt. Auf der anderen Seite lassen sich diese Hypothesen nicht endgültig verwerfen, weil sie auf oft nicht direkt beobachtbaren Größen wie Erwartungen oder Nachfrage basieren.

Teil B. Das Modell.

B.1. Anforderungen an ein (Zinsstruktur-)Modell.

In den vorigen Kapiteln wurde aus den theoretischen Überlegungen heraus die Aufgabe formuliert, die Laufzeitzinssätze aus den Renditen der Kuponanleihen zu extrahieren. Jetzt werden die dafür benutzten Modelle vorgestellt. Zunächst wird es aber die Beschaffenheit und Eigenschaften diskutiert, die ein Modell besitzen sollte, um eine adäquate Abbildung der Realität präsentieren zu können.

Sinngemäß erwartet man von einem Modellierungsverfahren, das die Zinsstruktur widerspiegeln soll, dass es die Realität möglichst präzise beschreibt. Es wurde auch bereits eingangs erwähnt, dass die ausreichende Flexibilität von besonderer Bedeutung ist, um empirisch beobachtbare Verläufe abbilden zu können. Zur gleichen Zeit ist das Modell auch so zu gestalten, dass die Ergebnisse immun gegenüber den Ausreißern bleiben und damit die möglichen Sprünge in dem Verlauf glätten. Außerdem ist es sehr wichtig, die Zahl der in die Modellierung eingehenden Faktoren zu berücksichtigen. Einerseits kann man durch die Aufnahme neuer Parameter einen besseren Fit erzielen, wie es sich durch das Maß der Anpassungsgüte [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]zum Ausdruck bringen lässt – mit der Aufnahme einer zusätzlichen, wenn auch nicht sinnvollen Einflussgröße ist das [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Andererseits führt die Überparametrisierung des Modells zu negativen Konsequenzen. Es ist damit zu begründen, dass Modelle nicht nur für rein deskriptive, sondern vielmehr für Prognosezwecke entwickelt werden. Die Erfahrung zeigt, dass bei Prognosen „sparsame“ Modelle leistungsfähiger im Vergleich zu "variablenreicheren" Spezifikationen sind. Wünschenswert für ein Modell ist, dass die Ergebnisse theoretisch untermauert und die Parameter ökonomisch sinnvoll interpretierbar sind.

B.2. Vorstellung ausgewählter Modelle.

Moderne Theorien der Zinsstruktur lassen sich in zwei große Klassen unterteilen. Zur ersten Klasse gehören Ansätze, die auf dem Gleichgewichtskonzept aufbauen. Sie modellieren die Zinskurve aus einer Nutzen- beziehungsweise einer Produktionsfunktion eines rationalen Agenten. In diesem Zusammenhang sind die Namen von Cox, Ingersoll und Ross (1985) oder Duffee und Kan (1996) zu erwähnen. Die zweite Modellklasse bilden die so genannten spline-basierten Modelle. Die Idee wurde von McCulloch (1971) vorgestellt und anschließend in den Arbeiten von Vasicek und Fong (1981) und Shea (1984) weiterentwickelt.

[...]


[1] Quelle: Bank für Internationalen Ausgleich (BIZ), „Meeting on the estimation of the zero-coupon yield curves” am 05.06.1996

[2] Quelle: www.bundesbank.de

[3] Deutsche Staatsanleihen erbringen im Unterschied von z. B. US-amerikanischen Treasurypapieren ihre Kuponzahlungen nur einmal im Jahr. Das wird auch in Verlauf dieser Arbeit unterstellt, falls nichts Gegenteiliges vermerkt ist.

[4] Aus Transparenzgründen ist die Kreation synthetischer Anleihen durch Verbindung zweier unterschiedlicher Kapital-Strips nicht gestattet.

[5] Vgl.: Deutsche Bundesbank (Jul. 1997): Stripping Bunds, Monthly Report, S. 17-22.

[6] Der interne Zinsfuß ist der Zinssatz, unter dessen Anwendung der Wert aller künftigen Zahlungsströme dem Preis einer Anleihe angleicht.

[7] Die Gleichung dieser Form ist die Folge der linearen Approximation, die unterstellt, dass ln(1+x)≈ x. Die Linearisierung ist zulässig, wenn x betragsmäßig bedeutend kleiner als Eins ist.

[8] Die Auslegung der Duration als Risikomaß erfolgt in den folgenden Kapiteln.

[9] Die Linearisierung dieser Gleichung wurde von Shiller, Campbell und Schoenholz (1983) vorgeschlagen und mittels Taylorentwicklung durchgeführt.

[10] Vgl.: Deutsche Bundesbank (Okt. 1997): Schätzung der Zinsstrukturkurven, Monatsbericht, S. 61-66.

[11] Dieser Gedanke leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die langfristigen Laufzeitzinssätze als Durchschnittswerte der erwarteten kurzfristigen Zinsen berechnet werden. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass die Schwankungen des Mittelwertes kleiner bzw. genauso groß sein können wie die der Datenreihe, aus der dieser Mittelwert berechnet wurde..

[12] Die Kuponhöhe hängt u. a. von der Restlaufzeit des Wertpapiers. Wegen unterschiedlicher steuerlicher Behandlung der Zins- und Kursgewinne ist die Substitutionalitätsannahme schwer vertretbar.

[13] In der Literatur wird die Zeitprämie nicht eindeutig definiert. Sie lässt sich darstellen entweder als Differenz zwischen dem Termin- und dem erwarteten kurzfristigen Laufzeitzinssatz beziehungsweise der erwarteten Periodenrendite und dem entsprechenden Laufzeitzinssatz. Vgl: Perl R. (2002) S. 34.

[14] Vgl.: Culbertson J, M (1957).

[15] Als Beispiel für derartige Instrumente können die Futureskontrakte angeführt werden.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494681
ISBN (Paperback)
9783838694689
DOI
10.3239/9783832494681
Dateigröße
808 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Volkswirtschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
1,3
Schlagworte
diebold-faktorisierung nelson-siegel-modell fundamentalgröße zentralbank generalized duration
Produktsicherheit
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Titel: Modellierung und Prognose der deutschen Zinsstruktur
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