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Kompetenzerwerb in der Beratung

Vergleich von angehenden Beratungslehrern und psychologischen Beratern in der Erziehungsberatung

©2006 Diplomarbeit 93 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Erziehung heißt immer, sich mit dem Menschen zu beschäftigen.“ (Katharina Saalfrank, Dipl.-Pädagogin und „Super-Nanny“, 2005).
Mit dem Wort Erziehungsberatung verbindet man meist eine Organisation, die vorhandene Erziehungsnotstände durch Beratung der Eltern zu beheben versucht. Die Familie wird dabei unterstützt, ihre Situation deutlicher zu sehen und die unterschiedlichen Sichtweisen auszutauschen, um zusammen mit dem Berater neue Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Wenn Eltern die Erziehungsberatung aufsuchen, ist die Zeit, in der man Schwierigkeiten bei der Erziehung hätte verhindern können, längst verstrichen; sie sind wütend und verzweifelt. In der Regel erscheinen die Eltern erst dann, wenn sie nicht mehr Rat, sondern Hilfe erwarten. Je weniger dabei von ihnen selbst verlangt wird, desto zufriedener sind sie mit dem Erziehungsberater. Erziehen ist schwieriger geworden. Eltern können durch den immer schneller vollzogenen Wandel der Gesellschaft nicht abschätzen, in welcher Situation der junge Mensch, wenn er erwachsen ist, leben wird.
Sie werden konfrontiert mit einer Vielfalt von erzieherischen Vorstellungen, was die Ursache des stetig steigenden Bedarfs von Erziehungsberatung darstellt. Eltern stoßen in Erziehungsfragen immer öfter an ihre Grenzen und resignieren. Es entsteht ein starker Konflikt zwischen Kindern und Eltern und die Erwartung an die Beratung besteht in einer möglichst einfachen Lösung des Problems. Den Eltern ist dabei völlig gleichgültig, ob dies mit Gewalt, durch Drohung, durch Einjagen von Angst oder mit Hilfe höchst raffinierter psychologischer Methoden geschieht.
Doch welche Eigenschaften zeichnen einen „guten“ Erziehungsberater aus? Welche Kompetenzen werden von ihm benötigt? Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik des Kompetenzerwerbs in der Erziehungsberatung anhand des wissenschaftlichen Projekts ‚Wissenserwerb und Wissensnutzung in der Beratung’ der Universität Regensburg (2001).

Zusammenfassung:
Auf dem theoretischen Hintergrund der Beschreibung der Domäne Erziehungsberatung und den Erkenntnissen aus der Expertiseforschung sollen angehende Beratungslehrer ohne Berufserfahrung in der beraterischen Praxis und psychologische Berater mit Berufserfahrung hinsichtlich ihrer Kompetenz miteinander verglichen werden.
Die Stichprobe umfasst insgesamt 83 Personen, davon 16 angehende Beratungslehrer. Aus den Ergebnissen wird der Schluss gezogen, dass das […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9449
Wunderle, Tanja: Kompetenzerwerb in der Beratung -
Vergleich von angehenden Beratungslehrern und psychologischen Beratern
in der Erziehungsberatung
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Universität Regensburg, Diplomarbeit, 2006
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Z
USAMMENFASSUNG
... 1
I EINLEITUNG ... 2
1
E
RZIEHUNGSBERATUNG UND IHRE
B
EDEUTUNG
... 3
2
Z
IELE DER
A
RBEIT
... 5
3
G
LIEDERUNG DER
A
RBEIT
... 7
II THEORIETEIL ... 9
4
D
IE
D
OMÄNE
E
RZIEHUNGSBERATUNG
... 10
4.1 Begriffsklärung... 10
4.2 Aufgaben der Erziehungsberatung... 12
4.3 Institutionelle Voraussetzungen ... 16
4.4 Beratungslehrer versus psychologischer Berater ... 17
4.4.1 Berufliche Ausbildung... 17
4.4.2 Unterschiede zwischen Beratungslehrern und psychologischen Beratern... 18
4.5 Ablauf von Beratungssitzungen... 19
4.6 Berufserfahrung ... 25
4.6.1 Berufskompetenz als Schlüsselqualifikation ... 25
4.6.2 Weitergabe von Erfahrung... 26
4.7 Statistische Fakten zur Erziehungsberatung ... 27
5
D
IE
F
ALLKONZEPTION
... 30
5.1 Was sind Fallkonzeptionen?... 30
5.2 Der Einfluss von Erfahrungswissen ... 32
5.3 Bezug zur eigenen Arbeit... 33
6
D
ER
B
EGRIFF
E
XPERTISE
... 35
6.1 Definition von Expertise... 35
6.2 Expertiseforschung... 36
6.3 Gut und schlecht strukturierte Problemstellungen... 41
6.4 Wissenserwerb... 42
6.5 Vom Novizen zum Experten... 43
6.6 Flexibilität in der Situationsinterpretation ... 46
6.7 Bezug zur eigenen Arbeit... 47

III EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ... 49
7
M
ETHODE DER
D
ATENERHEBUNG
... 50
7.1 Die Fallpräsentation ... 51
7.2 Versuchspersonen... 52
8
H
YPOTHESEN
... 54
9
K
ATEGORIENSYSTEM
... 56
IV ERGEBNISSE... 59
V DISKUSSION DER ERGEBNISSE ... 66
VI AUSBLICK ... 73
A
NHANG
... 75
Anhang A: Einleitungstext der computergestützten Fallpräsentation ... 75
Anhang B: Erstgespräch mit Frau B. und Sohn H... 76
Anhang C: Beratungsgespräch mit Frau B... 78
Anhang D: Erziehungsberatung mit Herrn und Frau B. ... 79
Anhang E: Telefonat mit der Lehrerin ... 80
Anhang F: Beispiel für ein Logfile in Schriftform ... 81
L
ITERATURVERZEICHNIS
... 83

A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Beispiel für die Aufzeichnung eines
Genogramms... 24
Abbildung 2: Erziehungsberatung in Bayern (Bayerisches
Landesjugendamt 2003) ... 29
Abbildung 3: Erwerb von Expertise ... 43
Abbildung 4: Kategoriensystem ... 56
T
ABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Versuchspersonengruppe ... 53
Tabelle 2: Analyse der Variable ,,Gesamtbearbeitungszeit"... 60
Tabelle 3: Analyse der Variable ,,Zeit für Gesprächs-
protokolle"... 61
Tabelle 4: Analyse der Variable ,,Zeit für Diagnostikseiten" ... 61
Tabelle 5: Analyse der Variable ,,Zeit für Überblicksseiten" ... 61
Tabelle 6: Analyse der Variable ,,Gesamtzahl der Aussagen"... 62
Tabelle 7: Analyse der Variable ,,Angesprochene Themen-
kategorien" ... 63
Tabelle 8: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Sohn"... 63
Tabelle 9: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Mutter" ... 64
Tabelle 10: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Vater" ... 64
Tabelle 11: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Familiensituation"... 64
Tabelle 12: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Beratungssituation" ... 65
Tabelle 13: Analyse der Variable ,,Anzahl der Aussagen zum
Thema Lehrerin" ... 65

Zusammenfassung 1
Zusammenfassung
Auf dem theoretischen Hintergrund der Beschreibung der Domäne
Erziehungsberatung
und
den
Erkenntnissen
aus
der
Expertiseforschung sollen angehende Beratungslehrer ohne
Berufserfahrung in der beraterischen Praxis und psychologische
Berater mit Berufserfahrung hinsichtlich ihrer Kompetenz
miteinander verglichen werden. Die Stichprobe umfasst insgesamt 83
Personen, davon 16 angehende Beratungslehrer. Aus den
Ergebnissen wird der Schluss gezogen, dass das Erfahrungswissen
der Probanten einen Einfluss auf deren Diagnostik besitzt und dass
die beiden Probantengruppen hinsichtlich ihrer Vorgehensweise in
der Fallbearbeitung Unterschiede aufweisen.
Schlagwörter: Erziehungsberatung - Fallkonzeptionen - Expertise -
Familientherapie - Berufskompetenz - Erfahrungswissen


Einleitung 3
1 Erziehungsberatung und ihre Bedeutung
,,Erziehung heißt immer, sich mit dem Menschen zu beschäftigen."
(Katharina Saalfrank, Dipl.-Pädagogin und ,,Super-Nanny", 2005)
Mit dem Wort Erziehungsberatung verbindet man meist eine
Organisation, die vorhandene Erziehungsnotstände durch Beratung
der Eltern zu beheben versucht. Die Familie wird dabei unterstützt,
ihre Situation deutlicher zu sehen und die unterschiedlichen
Sichtweisen auszutauschen, um zusammen mit dem Berater neue
Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Wenn Eltern die Erziehungsberatung aufsuchen, ist die Zeit, in der
man Schwierigkeiten bei der Erziehung hätte verhindern können,
längst verstrichen; sie sind wütend und verzweifelt. In der Regel
erscheinen die Eltern erst dann, wenn sie nicht mehr Rat, sondern
Hilfe
erwarten. Je weniger dabei von ihnen selbst verlangt wird, desto
zufriedener sind sie mit dem Erziehungsberater (Aichhorn, 1972).
Erziehen ist schwieriger geworden. Eltern können durch den immer
schneller vollzogenen Wandel der Gesellschaft nicht abschätzen, in
welcher Situation der junge Mensch, wenn er erwachsen ist, leben
wird. Sie werden konfrontiert mit einer Vielfalt von erzieherischen
Vorstellungen, was die Ursache des stetig steigenden Bedarfs von
Erziehungsberatung darstellt. Eltern stoßen in Erziehungsfragen
immer öfter an ihre Grenzen und resignieren. Es entsteht ein starker
Konflikt zwischen Kindern und Eltern und die Erwartung an die
Beratung besteht in einer möglichst einfachen Lösung des Problems.
Den Eltern ist dabei völlig gleichgültig, ob dies mit Gewalt, durch

Einleitung 4
Drohung, durch Einjagen von Angst oder mit Hilfe höchst raffinierter
psychologischer Methoden geschieht (Aichhorn, 1972).
Doch
welche
Eigenschaften
zeichnen
einen
,,guten"
Erziehungsberater aus? Welche Kompetenzen werden von ihm
benötigt?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik des
Kompetenzerwerbs in der Erziehungsberatung anhand des
wissenschaftlichen Projekts ,Wissenserwerb und Wissensnutzung in
der Beratung' der Universität Regensburg (2001).

Einleitung 5
2 Ziele der Arbeit
Die vorliegende Arbeit vergleicht angehende Beratungslehrer und
erfahrene psychologische Berater anhand einer authentischen
Fallsituation aus der Erziehungsberatung, welche von allen Probanten
beurteilt werden musste.
Beratungslehrer und psychologische Berater weisen hinsichtlich ihrer
jeweiligen Ausbildung große Unterschiede auf, worauf später näher
eingegangen werden soll. Die angehenden Beratungslehrer waren im
Vorfeld noch nicht beratend tätig; ihre Berufserfahrung beschränkt
sich auf das Unterrichten der Schüler. Im Gegensatz dazu erhielten
die psychologischen Berater eine fundierte theoretische Ausbildung
und können auf langjährige Berufserfahrung zurückblicken.
Erfahrung spielt bei der Urteilsbildung eine wichtige Rolle, sodass es
sinnvoll erscheint, die Domäne Erziehungsberatung hinsichtlich
dieses Merkmals zu untersuchen. Da sich Lehrer aufgrund ihrer
beruflichen Tätigkeit permanent mit Kindern und somit auch mit
Erziehungsproblemen
auseinandersetzen
müssen,
ist
davon
auszugehen, dass sie dieses Erfahrungswissen ebenfalls in eine
Beratungssituation einbringen.
Es wäre daher möglich, dass Lehrer trotz ihrer fehlenden
Berufserfahrung hinsichtlich Erziehungsberatung dennoch die nötige
Kompetenz aufweisen, um eine zutreffende Diagnose zu stellen und
sich mit ihrer Beurteilung einer Fallsituation den erfahrenen
psychologischen Beratern annähern.
Aufgrund dieser Annahme ergeben sich folgende Grundfragen, auf
welche diese Arbeit aufgebaut ist:

Einleitung 6
o
Hat Erfahrungswissen einen Einfluss auf die Beurteilung
einer Beratungssituation?
o
Unterscheiden sich Berater ohne Berufserfahrung von
Beratern, die auf ihr Erfahrungswissen zurückgreifen können,
hinsichtlich ihres Vorgehens bei der Beurteilung einer
Beratungssituation?

Einleitung 7
3 Gliederung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende Bereiche:
o
Einleitung
o
Theorieteil
o
Empirische Untersuchung
o
Ergebnisse
o
Diskussion der Ergebnisse
o
Ausblick
Der Theorieteil soll zunächst die Grundlagen der Erhebung klären.
Dazu wird zuerst näher auf die Domäne Erziehungsberatung
eingegangen. Sowohl die gesetzliche Lage als auch die Aufgaben der
Erziehungsberatung und die Ausbildung von Beratern spielen im
Kapitel 4 eine wichtige Rolle.
Mit Fallkonzeptionen in der Erziehungsberatung und deren Bezug zu
vorliegender Arbeit beschäftigt sich Kapitel 5.
Kapitel 6, der letzte Abschnitt des Theorieteils, befasst sich mit dem
Begriff Expertise und verschafft einen Überblick über die Anfänge
der Expertiseforschung bis heute. Außerdem werden gut und schlecht
strukturierte Problemstellungen definiert.
Die empirische Untersuchung, beginnend ab Kapitel 7, beschreibt
zunächst die verwendete Methode der Datenerhebung durch eine
hypertextbasierte
Computerpräsentation
und
welche
Versuchspersonengruppen zur Untersuchung herangezogen wurden.
Nachfolgend werden in Kapitel 8 die Forschungshypothesen
vorgestellt, während Kapitel 9 auf das Kategoriensystem eingeht,
welches zur Datenerhebung benutzt wurde.

Einleitung 8
Anschließend werden die Ergebnisse vorgestellt.
Die Diskussion der Ergebnisse schließt die Untersuchung ab.
Hierbei werden die Resultate interpretiert und mögliche Ursachen für
diese aufgeführt.


Die Domäne Erziehungsberatung 10
4 Die Domäne Erziehungsberatung
Die Probanten, deren Daten für die vorliegende Arbeit erhoben
wurden, sind in der Domäne Erziehungsberatung tätig. Daher soll das
folgende Kapitel näher erläutern, worum es sich bei der
Erziehungsberatung eigentlich handelt, welche Aufgaben sie verfolgt,
oder welche Zielgruppe Erziehungsberatung ansprechen soll.
Abschließend beschäftigt sich dieser Abschnitt mit einigen
Statistiken aus der Erziehungsberatung. Dabei handelt es sich sowohl
um aktuelle Zahlen, als auch um Erhebungen aus der jüngeren
Vergangenheit, die zur Veranschaulichung der Entwicklung in dieser
Domäne miteinander verglichen werden.
4.1 Begriffsklärung
In der Literatur findet man bisher keine einheitliche Definition zur
Erziehungsberatung. Der Begriff ,Beratung' wird jedoch vielfältig
verwendet und unterschiedlich beschrieben. Mit Beratung wird
versucht, dem Ratsuchenden eine Änderung seiner Einstellung und
seines Verhaltens zu ermöglichen, um ihn dadurch in die Lage zu
versetzen, seine Probleme besser zu lösen (Olbrich, 1998). Als Ziel
der Beratung kann also die Hilfe bei der Lösung aktueller Konflikte
gesehen werden. Es handelt sich um eine soziale Interaktion
zwischen mindestens zwei Personen, bei der der Berater sein Wissen
zur Verfügung stellt.
Jede Beratungssituation besteht aus den folgenden drei
Komponenten: Ratsuchender, Berater und das Beratungsproblem
(Alterhoff, 1994):

Die Domäne Erziehungsberatung 11
Ein Ratsuchender ist eine Person, die mit ihren Problemen nicht
mehr alleine fertig wird und beratungsfähig ist. Unter
Beratungsfähigkeit versteht man die Bereitschaft, sich helfen zu
lassen und den Umstand, dass die zu beratende Person das
vorhandene Problem nicht ignoriert oder sich nicht bewusst von
niemandem helfen lassen möchte.
Der Berater muss für die Probleme anderer Menschen offen sein und
diese anhand seines Wissens und seiner Berufserfahrung
strukturieren können, sodass er Handlungsmöglichkeiten zur
Bewältigung der Problemsituation entwickeln kann.
Das Beratungsproblem steht im Zentrum der Beratung. Im
Beratungsgespräch
sollen
neue
Handlungs-
bzw.
Entscheidungsmöglichkeiten im Umgang mit pädagogischen
Situationen verfügbar oder sichtbar gemacht werden.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Differenzierung zwischen
Beratung und Therapie. Obwohl die Grenzen oft fließend sind,
existieren einige Kriterien der Unterscheidung.
Nach § 1 Absatz (3) des Psychotherapeutengesetzes (1998) ist die
Ausübung von Psychotherapie ,,jede mittels wissenschaftlich
anerkannter
psychotherapeutischer
Verfahren
vorgenommene
Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen
mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Zur
Ausübung von Psychotherapie gehören nicht psychologische
Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer
Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum
Gegenstand haben."
Im Gegensatz hierzu konzentriert sich die Beratung auf
Problembereiche ohne Krankheitswert. Dies bedeutet, dass der
Ratsuchende sein Leben trotz seiner Probleme bewältigt und
psychisch derart gefestigt ist, dass er nach Beratungsgesprächen in

Die Domäne Erziehungsberatung 12
der Lage ist, Lösungsmöglichkeiten für seine Probleme zu erkennen
und auch umzusetzen.
Oft wird anhand der Dauer der Intervention unterschieden: Je länger
dauernder, regelmäßiger und intensiver die Arbeit ist, desto eher
bewegt sich das, was in der Interaktion zwischen Berater und Klient
geschieht, in Richtung Therapie. Es gibt jedoch durchaus
Beratungen, die längerfristig durchgeführt werden (Hundsalz, 1995).
Ein weiterer wichtiger Punkt, der Beratung und Therapie
voneinander abgrenzt, ist die gesetzliche Einstufung der Therapie als
Heilbehandlung. Dies bedeutet, dass die Kosten der Psychotherapie
im Gegensatz zur Beratung vom Gesundheitssystem übernommen
werden, wohingegen Beratung kostenlos und vom Gesundheitswesen
unabhängig ist.
Es stellt sich die Frage, wer eigentlich Erziehungsberatung in
Anspruch nimmt und welche Ziele mit der Erziehungsberatung
verfolgt werden sollen. Zu diesem Thema soll der nächste Abschnitt
Antworten aufzeigen.
4.2 Aufgaben der Erziehungsberatung
Nachdem im letzten Abschnitt der Begriff der Erziehungsberatung
näher erläutert wurde, soll nun auf ihre Aufgaben und spezifischen
Merkmale eingegangen werden.
Grundlage hierfür bildet das Achte Buch des Sozialgesetzbuchs
(Kinder- und Jugendhilfe). Paragraph 28 (Erziehungsberatung)
besagt:
,,Erziehungsberatungsstellen und andere Beratungsdienste und -
einrichtungen sollen Kinder, Jugendliche, Eltern und andere
Erziehungsberechtigte bei der Klärung und Bewältigung individueller

Die Domäne Erziehungsberatung 13
und familienbezogener Probleme und der zugrunde liegenden
Faktoren, bei der Lösung von Erziehungsfragen sowie bei Trennung
und Scheidung unterstützen. Dabei sollen Fachkräfte verschiedener
Fachrichtungen zusammenwirken, die mit unterschiedlichen
methodischen Ansätzen vertraut sind."
Die Erziehungsberatung soll also eine Hilfe darstellen, um die Eltern
bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsauftrages zu unterstützen und
dem Kind eine ihm entsprechende Erziehung zu sichern. Nicht nur
Eltern können die Erziehungsberatung in Anspruch nehmen; auch
anderen Erziehungsberechtigten wie z.B. Pflegeeltern, Stiefeltern
oder
nicht
sorgeberechtigten
Elternteilen
steht
die
Erziehungsberatung offen.
Die Gründe, weshalb die Erziehungsberatung aufgesucht wird, sind
vielfältig. K. Menne (1988) fasst folgende Beratungsanlässe
zusammen:
o
Erziehungsfragen der Eltern: Dazu zählen Fragen des
Erziehungsstiles bzw. Unsicherheiten in Erziehungsfragen.
o
Emotionale Probleme des Kindes oder Jugendlichen:
Hierunter fallen z.B. alle Formen von Ängsten,
Situationsvermeidungen, Traurigkeit, Selbstmordgedanken,
Selbstwertunsicherheit,
Zwangsgedanken,
Zwangshandlungen.
o
Entwicklungsverzögerungen: Dies sind z.B. Verzögerungen
in der motorischen Entwicklung, im Bereich der
Wahrnehmung oder beim Spracherwerb.
o
Auffälligkeiten im Sozialverhalten: z.B. aggressives
Verhalten,
Gehemmtheit,
Isolation,
Stehlen,
Lügen,
Geschwisterrivalität, Drogenmissbrauch.

Die Domäne Erziehungsberatung 14
o
Sprachschwierigkeiten:
z.B.
Stottern,
Stammeln,
Sprachverweigerung, übermäßiges Reden.
o
Schwierigkeiten
mit
Leistungsanforderungen:
z.B.
Konzentrationsstörungen,
Gedächtnisstörungen,
Teilleistungsschwäche, übertriebener Ehrgeiz, Prüfungsangst.
o
Trennung / Scheidung und Verlust: Hierunter fallen die (auch
vorübergehende) Trennung der Eltern, die Scheidung der
Eltern, der Tod eines Elternteiles oder eines Geschwisters.
o
Schwierige Familiensituation: z.B. Konflikte zwischen den
Eltern, Alkoholprobleme bzw. Medikamentenmissbrauch
eines Elternteiles oder eines Geschwisters.
o
Probleme im Sexualverhalten / beim Aufbau von Partner-
beziehungen:
z.B. Probleme bei der Übernahme der eigenen
Geschlechtsrolle, Schwierigkeiten im Verhältnis zum anderen
Geschlecht.
o
Sonstige Probleme: z.B. Suchtprobleme eines Kindes oder
Jugendlichen, Wohnungsprobleme, interkulturelle Probleme.
Es existiert eine Vielzahl von Angeboten, welche die
Erziehungsberatung abdeckt. Schilling (1996) fasst diese in drei
Leistungsgruppen zusammen: Beratung und therapeutische
Unterstützung, einzelfallübergreifende präventive Angebote
und
Vernetzungsaktivitäten.
Auch hier spielt wiederum der Begriff
,Therapie' eine Rolle, was die bereits erwähnten fließenden Grenzen
von Therapie und Beratung weiter unterstreicht.
Bei der Beratung und therapeutischen Unterstützung erfolgt zunächst
eine
psychologische
und
psychosoziale
Diagnostik;
die
Problemsituation wird erörtert. Bestandteil dieser Diagnostik können
bei Bedarf auch metrische Tests (z.B. Intelligenztest) oder projektive

Die Domäne Erziehungsberatung 15
Testverfahren (z.B. Bildergeschichten) sein. Ebenfalls eingeschlossen
werden Interventionen im sozialen Umfeld (z.B. Kontakt zur
Kindertagesstätte oder zu einem Lehrer oder Ausbilder), die nur im
ausdrücklichen Einverständnis mit dem Ratsuchenden erfolgen
dürfen.
Präventive Angebote
bieten Informationen zu Themen des
Familienlebens, bevor sich konkrete Probleme ergeben haben. Dies
bedeutet, dass sich derartige Angebote an Eltern, aber auch an Kinder
und Jugendliche richten, die nicht mit einem eigenen
Beratungsanliegen die Beratungsstelle aufsuchen. Die Prävention
kann beispielsweise in Form von Vorträgen und Elternabenden
erfolgen. Möglich sind auch Unterrichtseinheiten oder Projekte und
Seminare in der Schule. Gezielte Öffentlichkeitsarbeit (z.B.
Informationsstand oder Zeitungsartikel) gehört auch zu den
präventiven
Angeboten.
Oft
finden
diese
Angebote
in
Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Kindertagesstätten,
Schulen oder Volkshochschulen statt. Die Themen reichen von
kindlichen Ängsten und Grenzen setzen in der Erziehung über
Jugendliche in der Pubertät bis hin zu Prävention von Gewalt und
sexuellem Missbrauch.
Vernetzungsaktivitäten
integrieren die beraterischen Tätigkeiten in
ihr regionales Umfeld. Dies bedeutet, dass die Beratungsstellen eng
mit regionalen Einrichtungen (insbesondere Jugendamt, Schule,
Familiengericht, Gesundheitswesen) zusammenarbeiten.

Die Domäne Erziehungsberatung 16
4.3 Institutionelle Voraussetzungen
Nicht nur die inhaltlichen Aspekte kennzeichnen eine gute
Erziehungsberatung; ebenso ist sie an institutionelle Voraussetzungen
gebunden, die zum Teil auch gesetzlich verankert sind.
Kostenfreiheit:
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Sozialgesetzbuch, 2003) ist die
Kostenfreiheit der Erziehungsberatung festgelegt. Dies bewirkt, dass
das Aufsuchen der Beratungsstelle nicht vom Einkommen der
Ratsuchenden abhängig ist.
Freiwilligkeit:
Die Beratung muss immer freiwillig in Anspruch genommen werden.
Wäre dies nicht der Fall, so wäre es schwierig für den Berater, ein
Vertrauensverhältnis zum Klienten aufzubauen und die zu beratende
Person würde sich dem Berater gegenüber nicht öffnen können.
Vertraulichkeit:
Ebenfalls im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Sozialgesetzbuch,
2003) festgelegt ist der Schutz von persönlichen Daten von Klienten
in der Erziehungsberatung. Die Mitarbeiter von Beratungsstellen
unterliegen der Geheimhaltungspflicht.
Multidisziplinarität:
Multidisziplinarität bedeutet, dass in Beratungsstellen Berater aus
verschiedenen
Fachdisziplinen
beschäftigt
sind
(z.B.
Diplompsychologen,
Diplompädagogen,
Sozialarbeiter,
Heilpädagogen, usw.). Damit wird eine große Bandbreite an
unterschiedlichen Konzeptionen gewährleistet, sodass die

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832494490
ISBN (Paperback)
9783838694498
DOI
10.3239/9783832494490
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Regensburg – Philosophische Fakultät II
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
2,0
Schlagworte
fallkonzeptionen expertise familientherapie berufskompetenz erfahrungswissen
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Titel: Kompetenzerwerb in der Beratung
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