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Entwicklung eines Sicherheitstrainings zur Unfallminimierung beim Fallschirmspringen

Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen an Fallschirmspringern und Fallschirmspringerinnen mit mehr als 250 Sprüngen

©2004 Doktorarbeit / Dissertation 312 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Entstehung von Fehlverhalten beim Fallschirmspringen ist meistens sehr komplex. Daher ist es notwendig, Bedingungen und Ursachen näher zu bestimmen, um daraus Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung von Fallschirmspringern und Fallschirmspringerinnen ziehen zu können.
Um die Unfallstatistik im Fallschirmsport, insbesondere die der erfahrenen Springer und Springerinnen zu durchleuchten, wurde in dieser Arbeit die Frage gestellt, warum die Unfallzahlen bei erfahrenen Springern und Springerinnen mit mehr als 250 Sprüngen so hoch liegen.
In der vorliegenden Studie wurden drei Probandengruppen (n=39) (Sprung-Sim/PC-Sim/Kontrollgruppe) miteinander verglichen. Die Sprung-Sim Gruppe durchlief ein Training an einem speziell auf die Bedürfnisse der SpringerInnen entwickelten Fallschirmsimulator. Die Zusätze bestanden aus einer individuellen Betreuung und einem verbesserten Simulationsverfahren. Die Auswertung der Messparameter erfolgte anhand einer Videoanalyse und Herzfrequenzmessungen.
Die PC-Sim Gruppe machte ein Training an einem Laptop mit externem Bildschirm. Sie musste auf Bildeinblendungen einer sprungspezifischen Situation verschiedene Lösungsmöglichkeiten durch Mausklick bejahen oder verneinen. Die Auswertung der Messparameter erfolgte anhand einer Videoanalyse, Computerauswertung und Herzfrequenzmessungen.
Die Kontrollgruppe hatte keinerlei Trainingsmöglichkeiten durch angebotene Simulationstechniken erfahren.
Des weiteren wurde mit den Teilnehmern (Sprung-Sim und PC-Sim) eine Interviewstudie vorgenommen, um auch den Bereich der „Beinahe-Unfälle“ zu erfassen und dementsprechend gezielt die ermittelten Unfallursachen zu bekämpfen. Die Angaben der Springer und Springerinnen bei den geführten Interviews machten deutlich, dass die beobachteten und tatsächlich erlebten kritischen Situationen, schwerwiegende Defizite bei der Ausführung von Lösungsmöglichkeiten widerspiegeln.
Die Vergleichsdurchgänge der drei Untersuchungsgruppen fanden an einem virtuellen Sprungsimulator der Fa. Autoflug statt. Die Vergleichsdurchgänge am Autoflug-Simulator sollten einen Erklärungsansatz der Trainingseffektivität, der zwei verschiedenen Simulationsverfahren, darstellen. Von den verschiedenen Simulationsverfahren wurde in dieser Untersuchung ein besonderes Augenmerk auf den selbst entwickelten und konstruierten Sprung-Simulator gelegt.
Die Sprung-Sim Gruppe hatte in den Vergleichsdurchgängen mit 265 richtigen Handlungen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9430
Manz, Volker: Entwicklung eines Sicherheitstrainings zur Unfallminimierung beim
Fallschirmspringen - Theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen an
Fallschirmspringern und Fallschirmspringerinnen mit mehr als 250 Sprüngen
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Deutsche Sporthochschule Köln, Dissertation / Doktorarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



Danksagung
Die Dissertation wurde von Herrn Univ.-Prof. Dr. J.R. Nitsch betreut. Ihm gilt mein besonde-
rer Dank für die wertvolle Unterstützung, seine Anregungen und kritischen Hinweise.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Psychologischen Instituts, insbesondere Werner
Mickler, forderten mich in Diskussionen zur Präzisierung unklarer Gedanken heraus.
Ohne das Engagement und ohne die große Offenheit der Frauen und Männer, die sich an den
Untersuchungen und anschließenden Interviews beteiligt haben, wären die wissenschaftli-
chen Ergebnisse nicht zustande gekommen. Ihnen schulde ich meinen besonderen Dank.
Meinem Vater danke ich für die enorme Hilfe bei der Fertigstellung des entwickelten
Sprung-Simulators.
Einige Menschen waren mitdenkende, geduldige und stützende Begleiter meines Arbeitens:
Inge und Friedrich-Wilhelm Manz (Ingenieur), Julia Corts, Frank Hanfler und Jörg Rem-
scheidt. Ihnen möchte ich von ganzem Herzen danken.
Volker Manz

Inhaltsverzeichnis
V
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...VIII
Tabellenverzeichnis...XI
1
Einleitung ...1
2
Fallschirmsprung und Unfallursachen...4
2.1
Ablauf eines Fallschirmsprungs ...4
2.2 Unfallproblematik ...12
3
Stress...26
3.1
Stress - Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen ...26
3.1.1 Stresstheoretische
Grundlagen ...26
3.1.2 Arbeitsspeicher und Informationsumsatz...34
3.1.3 Bewertung und Gefühle ...41
3.1.4 Zusammenhang von Stress, Wahrnehmung und Handeln ...55
3.2
Ergebnisse aus anderen und eigenen Fallschirmspringerstudien ...58
3.2.1 Die Sportfallschirmspringerstudien von S. Epstein, Ursin, Baade, Levine und
Schedlowski...58
3.2.2 Eigene Studien (Diplomarbeit)...62
3.3 Zusammenfassung...64
4
Untersuchungskonzeption ...65
4.1 Fragestellung ...65
4.2 Untersuchungsplan ...67
4.3 Untersuchungsverfahren...70
4.3.1 Apparative
Verfahren...70
4.3.2 Selbstaussageverfahren ...72
4.3.3 Interview...73
4.3.4 Fragebögen ...73
4.4 Untersuchungsteilnehmer...74
5
Trainingsbedingung 1: PC-Simulator ...77
5.1
Grundlagen der Entwicklung und Aufbau des PC-Simulators...77

Inhaltsverzeichnis
VI
5.2 Trainingsdurchführung...78
5.3 Ergebnisse ...84
5.3.1 Herzfrequenz ...84
5.3.2 Zeitmessung ...88
5.3.3 Fehlerhäufigkeit beim Kappencheck, bei der Schirmfahrt und bei der Landung ...91
5.3.4 Anzahl der zu wiederholenden Anforderung ...94
5.4 Zusammenfassung...95
6
Trainingsbedingung 2: Sprung-Simulator...96
6.1
Grundlagen der Entwicklung und Funktion des Sprung-Simulators ...96
6.2 Trainingsdurchführung...110
6.3 Ergebnisse ...129
6.3.1 Herzfrequenz ... 130
6.3.2 Öffnungs-, Abtrenn- und Entfaltungshöhe der Durchgänge 1-5...135
6.3.3 Cypresauslösung...137
6.3.4 Fehlerhäufigkeit beim Kappencheck, bei der Schirmfahrt und bei der Landung ...138
6.3.5 Anzahl der zu wiederholenden Anforderung ...141
6.4 Zusammenfassung...142
7
Vergleich der Trainingseffekte am Autoflug-Simulator...143
7.1
Auswahl und Funktion des Autoflug-Simulators...143
7.2 Versuchsdurchführung ...146
7.3 Ergebnisse ...154
7.3.1 Herzfrequenz ... 154
7.3.2 Öffnungs-, Abtrenn- und Entfaltungshöhe der Durchgänge 1-7...159
7.3.3 Cypresauslösung...163
7.3.4 Fehlerhäufigkeit beim Kappencheck...166
7.3.5 Fehlerhäufigkeit bei der Schirmfahrt ...172
7.3.6 Fehlerhäufigkeit bei der Landung ...175
7.3.7 Gesamtergebnis aller Anforderungen...180
7.3.8 Auswertung der Interviewdaten ...183
7.4 Diskussion ...195
7.4.1 Diskussion
der
Ergebnisse
des Autoflug-Simulators ...196
7.4.2 Weitere Möglichkeiten der Ausbildungsverbesserung ...217
7.4.3 Ausblick ...221

Inhaltsverzeichnis
VII
8
Zusammenfassung...223
Literaturverzeichnis...231
Anhang
Lebenslauf

Abbildungsverzeichnis
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.
Vorderseite eines Sprunggurtzeuges
(modif. aus: Huber & Kraus, 1997, S. 27). ...6
Abbildung 2. Rückseite eines Sprunggurtzeuges
(modif. aus: Huber & Kraus, 1997, S. 27). ...6
Abbildung 3a. Neutrale Körperhaltung (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 45). ...7
Abbildung 3b.
Abwinken (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46).
... 8
Abbildung 3c.
Ergreifen den Hauptschirmgriffs (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46
... 8
).
Abbildung 3d. Ziehen des Hauptschirmgriffes
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46).
... 9
Abbildung 4. Öffnungsvorgang einer Fallschirmkappe
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 28)...10
Abbildung 5. SpringerIn unter einer vollständig geöffneten Hauptkappe
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 134)...10
Abbildung 6. Acht-Punkte-Maßnahme (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 89)...11
Abbildung 7. Das Reason-Modell I (Sicherheitsnetz für Fallschirmspringer)
(aus: Bastuck, 2003, S. 16)...15
Abbildung 8. Das Reason-Modell II
(Fehlverhalten von Fallschirmspringern) (aus: Bastuck, 2003, S. 16)...16
Abbildung 9. Die Beziehung von Erregungszustand und Wettkampfleistung in Form
der umgekehrten U-Funktion (aus: Budinger & Hahn, 1988, S. 54). ...31
Abbildung 10. Disstress und seine Ursachen (aus: Ungerer, 1997, S. 8). ...33
Abbildung 11. Arbeitsspeicher und Informationsumsatz (aus: Ungerer, 1997, S. 10)...35
Abbildung 12. Mit zunehmender Griff-Geschwindigkeit werden immer
mehr Ressourcen gebunden. Die Restkapazität nimmt ständig ab
(aus: Ungerer, 1997, S. 14). ...40
Abbildung 13. Unterschiedliche Bewertungen derselben Situation aufgrund
individuell variierender Grundhaltungen
(aus: Ungerer, 1997, S. 16). ...42
Abbildung 14. Leistungen bei einfachen und schwierigen Aufgaben.
(aus: Ungerer, 1997, S. 22). ...48
Abbildung 15. PC-Sim Einblendung einer Schirmfahrtsituation
(Springer auf Kollisionskurs). ...80
Abbildung 16. PC-Sim Einblendung einer Gegenmaßnahme (hier: korrekte Lösung)...80
Abbildung 17. PC-Sim Betätigung der Ja-Taste (Pfeil zeigt nach rechts). ...81
Abbildung 18. PC-Sim Betätigung der Nein-Taste (Pfeil zeigt nach links)...81
Abbildung 19. Herzfrequenz-Mittelwerte Exit und Kappencheck (N=13). ...86
Abbildung 20. Herzfrequenz-Mittelwerte Schirmfahrt und Landung (N=13). ...88
Abbildung 21. Benötigte Zeit für den Durchgang Kappencheck, Schirmfahrt
und Landung (N=13)...90
Abbildung 22. Handlung beim Kappencheck (N=13)...91
Abbildung 23. Handlung nach Anforderung Schirmfahrt (N=13). ... ...92
Abbildung 24. Handlung nach Anforderung Landung (N=13). ...93
Abbildung 25. Anzahl der zu wiederholenden Anforderungen beim Kappencheck
bei der Schirmfahrt und bei der Landung (N=13)...94
Abbildung 26. Der Sprung-Simulator (Erläuterungen im Text)...101
Abbildung 27. Der Tandem-Simulator. ...107
Abbildung 28. Befinden kurz nach dem Sprung (N=24)...108
Abbildung 29. Eingesetzte Stresskontrolltechniken (N=24). ...109
Abbildung 30. Sprung-Sim Fangleinenverdrehung
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 88)...114

Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildung 31. Sprung-Sim Springer auf Kollisionskurs...115
Abbildung 32. Sprung-Sim Normale Landung eines Springers. ...116
Abbildung 33. Eine vollständig geöffneten Reservekappe...117
Abbildung 34. Springer sitzt in der Exitattrappe. Höhenmesser, Herzfrequenzmonitor
und Videokamera werden zeitgleich gestartet. ...118
Abbildung 35. Springer wird über eine Seilwinde langsam in die
waagerechte Position gebracht. ...118
Abbildung 36. Springer ist in der Waagerechten und macht Aufziehübungen
und kontrolliert die aktuelle Höhe...119
Abbildung 37a. Der Springer zieht den Aufziehgriff und leitet somit
die Hauptschirmöffnung ein...119
Abbildung 37b. Die Öffnung des Hauptschirmes wird simuliert, indem
der Springer automatisch nach vorne durchschwingt.
...120
Abbildung 37c. Der Springer schwingt weiter nach vorne.
...120
Abbildung 37d. Der Springer befindet sich jetzt in der senkrechten Körperposition.
...121
Abbildung 37e. Der oberer Monitor zeigt die aktuelle Kappensituation an.
...121
Abbildung 38. Je nach Fehlöffnungstyp wird z.B. eine Rotation
(hier abgebildet) automatisch eingeleitet. ...122
Abbildung 39. Springer reagiert (hier: Ausdrehen) auf die Situation. ...122
Abbildung 40. Springer reagiert (hier: Abtrennen und Reserve ziehen) auf die
Situation. Man erkennt, dass der Springer nach dem
Abtrennen ,,durchsackt". ...123
Abbildung 41. Der Springer erhält über den mittleren Monitor
Informationen über die Schirmfahrt...123
Abbildung 42. Springer reagiert (hier: rechts ausweichen) auf die Situation...124
Abbildung 43. Springer erhält über den unteren Videomonitor Informationen zur
Landesituation. ...124
Abbildung 44. SpringerIn befindet sich im ,,Landeanflug"...125
Abbildung 45. SpringerIn landet auf den Matten und muss evtl.
Problemlösungsstrategien ausführen...125
Abbildung 46. Herzfrequenz-Mittelwerte Exit, Kappencheck und
Reserveöffnung (N=13)...132
Abbildung 47. Herzfrequenz-Mittelwerte Schirmfahrt und Landung (N=13). ...134
Abbildung 48. Mittelwerte der Öffnungshöhe, Abtrennhöhe und
Entfaltungshöhe (N=13)...136
Abbildung 49. Cypresauslösung bei Kappenanforderung (N=13). ...137
Abbildung 50. Handlung nach Kappencheck (N=13). ...138
Abbildung 51. Handlung bei der Schirmfahrt (N=13)...139
Abbildung 52. Handlung nach Anforderung Landung (N=13). ...140
Abbildung 53. Anzahl der zu wiederholenden Anforderungen
beim Kappencheck, bei der Schirmfahrt
und bei der Landung (N=13)...141
Abbildung 54. Springer im Autoflug-Simulator...144
Abbildung 55. Springer mit 3D-Brille...145
Abbildung 56. Autoflug Leinenverknotung. ...150
Abbildung 57. Autoflug Kurveneinleitung bei leichtem Nebel...151
Abbildung 58. Autoflug Landung mit Aufwind. ...152
Abbildung 59. Herzfrequenz-Mittelwerte Exit, Kappencheck
und Reserveöffnung (N=39)...156
Abbildung 60. Herzfrequenz-Mittelwerte Schirmfahrt und Landung (N=39). ...158
Abbildung 61. Mittelwerte der Öffnungs-, Abtrenn- und Entfaltungshöhe (N=39)...161

Abbildungsverzeichnis
X
Abbildung 62. Cypresauslösung bei der Anforderung
,,Fangleinenverdrehung" (N=39)...163
Abbildung 63. Cypresauslösung bei der Anforderung ,,Slider-oben" (N=39). ...164
Abbildung 64. Cypresauslösung bei der Anforderung ,,Bag-Lock" (N=39)...164
Abbildung 65. Cypresauslösung bei der Anforderung
,,geschlossene Endzellen" (N=39)...165
Abbildung 66. Gesamtverteilung der Cypresauslösungen (N=39)...166
Abbildung 67. Handlung nach Anforderung Fangleinenverdrehung (N=39). ...167
Abbildung 68. Handlung nach Anforderung Fangleinenüberwurf (N=39). ...167
Abbildung 69. Handlung nach Anforderung gute Kappe (N=39). ...168
Abbildung 70. Handlung nach Anforderung Slider oben (N=39). ...168
Abbildung 71. Handlung nach Anforderung Bag-Lock (N=39). ...169
Abbildung 72. Handlung nach Anforderung geschlossene Endzellen (N=39)...169
Abbildung 73. Handlung nach Anforderung Knoten (N=39)...170
Abbildung 74. Gesamtfehlerhäufigkeit der drei Gruppen bei der
Anforderung ,,Kappencheck" der Sprünge 1-7 (N=39). ...171
Abbildung 75. Handlung nach Anforderung Kollisionskurs (N=39). ...172
Abbildung 76. Handlung nach Anforderung Kurveneinleitung (N=39). ...173
Abbildung 77. Handlung nach Anforderung normale Schirmfahrt (N=39). ...173
Abbildung 78. Gesamtfehlerhäufigkeit der drei Gruppen bei der
Anforderung ,,Schirmfahrt" der Sprünge 1-7 (N=39). ...175
Abbildung 79. Handlung nach Anforderung normale Landung
(gegen Wind) (N=39)...176
Abbildung 80. Handlung nach Anforderung Mit-Wind Landung (N=39). ...176
Abbildung 81. Handlung nach Anforderung Wasserlandung (N=39)...177
Abbildung 82. Handlung nach Anforderung Hochhaus (N=39). ...177
Abbildung 83. Handlung nach Anforderung Auf- und Seitenwinde (N=39). ...178
Abbildung 84. Gesamtfehlerhäufigkeit der drei Gruppen bei der
Anforderung ,,Landung" der Sprünge 1-7 (N=39)...180
Abbildung 85. Richtige Handlungen der Gesamtanforderungen (N=39)...181
Abbildung 86. Richtige Handlungen der Gesamtanforderungen
der Transferdurchgänge (N=39)...182
Abbildung 87. Sprungmotiv, weshalb mit dem Fallschirmspringen
begonnen wurde (N=26)...184
Abbildung 88. Wie hältst Du Dich für kritische Situationen fit (N=26)? ...185
Abbildung 89. Hast Du im Sportbereich/Verein MT oder
Entspannungstechniken kennen gelernt und durchgeführt (N=26)? ...186
Abbildung 90. Hast Du schon kritische Situationen erlebt (N=26)? ...187
Abbildung 91. Was lief innerlich bei Dir ab? Zeigten sich Emotionen bzw.
Angstzustände (N=26)?...188
Abbildung 92. Was hast Du aus der Situation gelernt? Würdest Du noch mal
in dieser Situation so reagieren (N=26)?...189
Abbildung 93. Würdest Du ein Gurtzeug ohne Cypres springen (N=26).?...190
Abbildung 94. Hat sich Dein Verhalten durch den Gebrauch von einem
Höhenwarngerät verändert (N=26).?...191
Abbildung 95. Welche Ursache(n) hatte(n) die Reserve(n) (N=26)?...192
Abbildung 96. Würden Sie Ihre Einschätzung zum Lösen von
Notprozeduren neu bestimmen (N=26)? ...193
Abbildung 97. Deine Meinung zur Simulation (N=26)...194
Abbildung 98. Erlebte kritische Situationen (N=39)...212
Abbildung 99. Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn (N=39). ...216

Tabellenverzeichnis
XI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Bezeichnung und Beschreibung eines Sprunggurtzeuges...5
Tabelle 2. Gesamtüberblick über die unterschiedlichen Trainingsformen und des
Vergleichsdurchgangs (N=39). ...68
Tabelle 3. Messzeitpunkte der Herzfrequenz (N=39). ...72
Tabelle 4. Stichprobenbeschreibung
(Vergleichende Merkmale der Versuchsgruppen) (N=39)...76
Tabelle 5. Herzfrequenz-Mittelwerte bei PC-Sim (N=13)...84
Tabelle 6. Mittelwerte der benötigten Zeit in sec bei PC-Sim (N=13). ...89
Tabelle 7. Inhalt und zeitlicher Ablauf eines Trainingsdurchgangs
(am Beispiel des ersten Sprungs) (N=13). ...111
Tabelle 8. Zeittabelle (Zeit=Freifallstrecke). ...128
Tabelle 9. Höhenverlust beim Abtrennen. ...129
Tabelle 10. Herzfrequenz-Mittelwerte bei Sprung-Sim (N=13). ...130
Tabelle 11. Höhen-Mittelwerte bei Sprung-Sim (N=13). ...135
Tabelle 12. Ablauf der Vergleichsdurchgänge (sortiert) (N=39)...149
Tabelle 13. Herzfrequenz-Mittelwerte bei Autoflug-Sim (N=39). ...154
Tabelle 14. Höhen-Mittelwerte in m (N=39). ...160

Einleitung
1
1 Einleitung
Die erste Zeichnung eines Fallschirms stammt von Leonardo da Vinci, der behauptete, man
könne mit einer entsprechenden Konstruktion, einem ,,Baldachin" aus Leinen, der auf einen
Rahmen gespannt ist (man kann ihn sich in etwa wie eine Pyramide vorstellen) aus jeder be-
liebigen Höhe abspringen, ohne Schaden zu nehmen. In der Folgezeit gab es zahlreiche Ver-
suche, den freien Fall zu bremsen. Die erste Fallschirmöffnung nach einer Phase des freien
Falls von mehreren Sekunden wird auf den 2. August 1819 datiert, als der Franzose Charles
Guille 3000 Meter über New York abspringt und erst nach hundert Metern den Fallschirm
öffnet. Dies kam der Vorstellung vom Fliegen schon näher. Die erste deutsche Fallschirm-
springerin war eine Frau, Käthe Paulus, aus Frankfurt am Main, welche ab 1890 Hunderte
von Sprüngen durchführte und den ersten brauchbaren Rettungsfallschirm für Absprünge aus
antriebslosen Luftfahrzeugen entwickelte. Dieser hatte während des ersten Weltkrieges vie-
len Ballonbeobachtern das Leben gerettet.
Das Fallschirmspringen hat sich zu einer Freizeit- und Wettkampfsportart entwickelt, die
zum Flugsport gerechnet wird. Die Entwicklung neuer Trainingsmethoden und besserer Aus-
rüstung hat zur Sicherheit und Freude an diesem Sport beigetragen. Heute springen Fall-
schirmspringerInnen in der Regel aus einer Höhe von etwa 3500 Metern ab, und der freie
Fall endet bei 800 Metern. In dieser Höhe wird der Fallschirm geöffnet. Die Körperstabilität
im freien Fall kontrolliert man mit Körperbewegungen und die aktuelle Höhe wird optisch
mit Hilfe eines Höhenmesser abgelesen. Mit der Einführung von steuerbaren Fallschirmen,
mit denen man weich und punktgenau landen kann, hat der Sport stark an Attraktivität ge-
wonnen.
Trotz des technischen Fortschritts in dieser Sportart darf man nicht übersehen, dass Fehlver-
halten beim Fallschirmspringen tödlich sein kann. Die Entstehung des Fehlverhaltens ist
meistens sehr komplex. Die technischen Fortschritte im Fallschirmsport stellen einen ganz
besonderen Anspruch an die SportlerInnen. Daher ist es notwendig, die Bedingungen und die
Ursachen von Fehlverhalten näher zu bestimmen, um daraus Konsequenzen für die Aus- und
Weiterbildung von Fallschirmspringern und Fallschirmspringerinnen ziehen zu können. Das
gilt vor allem für die Bereiche, in denen es zu risikoträchtigen Aktionen kommen kann. Da
das Fallschirmspringen zu den Extremsportarten zählt, ist eine intensive Vor- und Nachberei-
tung sehr wichtig. Ein optimales Training wird schon aufgrund der zu entwickelnden Bewe-
gungsvorstellung, die auch unter Stressbedingungen funktionieren muss, zu einer entschei-

Einleitung
2
denden Größe. Da insbesondere der Zustand des freien Falls sehr schwer zu simulieren ist
und der freie Fall eine Extremsituation für den Menschen darstellt, ist eine intensive Vorbe-
reitung auf diesen Zustand unbedingt notwendig. Deshalb müssen Notverfahren, Ausweich-
regeln und die korrekte Reihenfolge bei der Behebung einer Fehlöffnung so verinnerlicht
sein, daß sie jederzeit abrufbar sind.
Mein persönliches Interesse und Engagement gaben mir den entscheidenden Anreiz, im Jahr
1998 eine Diplomarbeit mit folgendem Thema anzufertigen: Erarbeitung und Durchführung
eines Mentalen Trainingsprogramms und Anwendung von Simulationsprozessen im Fall-
schirmsport. Die Ergebnisse der Studie sind im Kapitel 3.2.2 zusammengefasst.
Nach erfolgreichem Abschluss meiner Arbeit wurde mein Anspruch an Verbesserungsmög-
lichkeiten im Fallschirmsport gesteigert, denn folgender Tatbestand in Bezug auf ,,erfahrene"
Springer verwunderte mich.
Bei Springern/Springerinnen mit mehr als 250 Sprüngen (vgl. Bastuck, 2000) reduziert sich
die Fähigkeit, eine korrekte und zeitgerechte Acht-Punkte-Maßnahme (Punkte zur erfolgrei-
chen Hauptkappentrennung und Aktivierung des Reservefallschirms) durchzuführen. Wie in
allen Jahren zuvor liegt die Ursache für die Fallschirmunfälle fast immer bei den Springern
und Springerinnen selbst. Da zu der besonderen Problematik der erfahrenen SpringerInnen
keine Arbeiten vorliegenden, dient diese Feststellung als Gegenstand der Untersuchung.
Folgende grundlegende Frage soll in dieser Arbeit beantwortet werden:
Was macht die Situation von Springern und Springerinnen mit mehr als 250 Sprüngen so be-
sonders und wie muss eine Trainingsmöglichkeit aussehen, damit diese besondere Situation
simuliert und behoben werden kann? (250 Sprünge = ca. 2-3 Jahre im Fallschirmsport)
Der Bearbeitungsansatz der erwähnten Problematik beginnt damit, den erfahrenen Springern
und Springerinnen entsprechende Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Dazu wird mit Unter-
stützung des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln ein Fallschirm-
sprung-Trainingssimulator getestet, der in zweijähriger Arbeit entwickelt und gebaut wurde.
Nachdem im zweiten Kapitel die Besonderheiten eines Fallschirmsprungs erläutert werden,
gibt es anschließend eine Auflistung der Unfallursachen. Die Unfallursachen der aktuellen
Statistiken dienen als Grundlage für die Übungsdurchgänge im Simulator. So werden die An-
forderungen in den Trainingsdurchgängen gezielt auf die Bedürfnisse der ,,erfahrenen"
SpringerInnen zugeschnitten.

Einleitung
3
Im dritten Kapitel werden interessante Einblicke in Stressursachen, Wahrnehmungsfähigkeit
und Informationsverarbeitung gegeben, die relevant für die Untersuchungen sind. Nach der
Darstellung weiterer Fallschirmspringerstudien gibt es eine ausführliche Beschreibung der zu
testenden Simulationstechniken. Des weiteren wird mit den Teilnehmern und Teilnehmerin-
nen eine Interviewstudie vorgenommen, um auch den Bereich der ,,Beinahe-Unfälle" zu er-
fassen und dementsprechend gezielt auf die Vermeidung der ermittelten Unfallursachen ein-
zugehen.
Mein Hauptanliegen an der Untersuchung besteht darin, herauszufinden, wie die Probanden
bei den beiden in Kapitel fünf und sechs vorgestellten Trainingsmöglichkeiten abschneiden.
Es werden drei Probandengruppen (PC-Sim/Sprung-Sim/Kontrollgruppe) miteinander ver-
glichen. Die PC-Sim Gruppe erfährt ein Training an einem Laptop mit externem Bildschirm.
Sie muss auf Bildeinblendung einer sprungspezifischen Situation verschiedene Lösungsmög-
lichkeiten durch Mausklick bejahen oder verneinen. Die Sprung-Sim Gruppe erfährt ein
Training am speziell auf die Bedürfnisse der SpringerInnen entwickelten Fallschirmsimula-
tor. Das Arbeiten und Trainieren mit dem gerade genannten Simulationsverfahren, bildet das
Herzstück der vorliegenden Untersuchung. Die Zusätze bestehen aus einer individuellen
Betreuung und realitätsnahen Simulationsverfahren. Die Kontrollgruppe hat keinerlei Trai-
ningsmöglichkeiten durch angebotene Simulationstechniken erfahren. Die Vergleichsunter-
suchungen der drei Probandengruppen finden an einem virtuellen Sprungsimulator der Fa.
Autoflug statt.
Der wissenschaftlich begründete Erkenntnisgewinn besteht darin, ob durch eine hochwertige
Trainingsmöglichkeit von kritischen Situationen eine Steigerung und die Aufrechterhaltung
der Sicherheit bei Springern und Springerinnen aller Erfahrungsstände gewährleistet werden
kann. Um dieses Ziel zu erreichen wird zusätzlich untersucht, ob das alleinige Wissen für ei-
ne Problemlösung ausreicht, um die praktische Umsetzung erfolgreich auszuüben.
Da ich selber diesen Sport intensiv betreibe, bin ich sehr daran interessiert, das Sicherheitsni-
veau im Fallschirmsport zu optimieren. Ein gezieltes Simulationstraining erscheint sinnvoll,
um die Sicherheit für SpringerInnen im Fallschirmsport zu erhöhen. Die Handlungsfähigkeit,
die Richtigkeit der Handlung und die Reaktionsgeschwindigkeit in kritischen Situationen
könnten ebenfalls positiv beeinflusst werden. Dieses möchte ich in dieser Arbeit analysieren.

Fallschirmsprung und Unfallursachen
4
2 Fallschirmsprung und Unfallursachen
2.1 Ablauf eines Fallschirmsprungs
Ausrüstung
FallschirmspringerInnen verwenden Flächenfallschirme (auch Flügelschirm oder Rechteck-
gleiter genannt). Das sind rechteckige/ellipsenförmige Stauluftfallschirme mit einer tragflü-
gelähnlichen Form und Kammern (Zellen genannt), die sich mit Luft füllen. Diese Konstruk-
tion macht den Fallschirm lenkbar und verringert die Sinkgeschwindigkeit. Durch Bedienen
von Steuerleinen, die mit den äußeren Enden der Kappe (so nennt man den eigentlichen
Schirm) verbunden sind, kann der/die FallschirmspringerIn sowohl die Vorwärtsbewegung
als auch die Sinkgeschwindigkeit verändern.
Ausgerüstet ist der/die FallschirmspringerIn mit einem Gurtzeug aus festem Gewebe, das ü-
ber die Schultern, um den Körper und zwischen den Beinen hindurchgeht. Dieses Gurtzeug
wiederum ist an Ringen befestigt. Ist der Fallschirm nicht in Gebrauch, befindet er sich fest
zusammengelegt in einem Packsack, der von dem/der FallschirmspringerIn getragen wird.
Das Päckchen ist so eingerichtet, dass es sich mit Hilfe von Gummibändern und Metallfedern
öffnet, wenn an einer Verschlussleine gezogen wird, die man auch als Reißleine bezeichnet.
Der/die SpringerIn kann die Schirmöffnung selbst aktivieren oder ihn mit Hilfe einer am
Flugzeug befestigten Leine öffnen lassen. Das Ausziehen des Hauptschirmes wird zusätzlich
durch einen kleineren Schirm, den so genannten Hilfsschirm, unterstützt. Für den Fall, dass
sich der Hauptschirm nicht öffnet, kann der/die SpringerIn nach dem Abtrennen der Haupt-
kappe zusätzlich einen Reservefallschirm manuell öffnen. Um den Ablauf eines Fallschirm-
absprunges und das Bedienen eines Fallschirmsystems zu verdeutlichen, soll folgende Erklä-
rung den Sachverhalt verständlich machen:
Die Tabelle 1 beschreibt die Bestandteile eines Fallschirmsystems (siehe Abbildung 1 und 2).
Leichte Unterschiede sind je nach Hersteller möglich.

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Tabelle 1. Bezeichnung und Beschreibung eines Sprunggurtzeuges.
Bezeichnung
Beschreibung
Verpackung (Container)
Der Haupt- und Reservefallschirm befinden
sich am Rücken.
Gurtzeug (Harness)
Das Gurtzeug besteht aus verstellbaren Gur-
ten.
Hauptfallschirm (Main canopy)
Der Hauptfallschirm wird im untern Teil der
Verpackung verstaut und ist mittels 3-Ring-
System mit dem Gurtzeug verbunden.
Reservefallschirm (Reserve canopy)
Der Reservefallschirm wird im oberen Teil
der Verpackung verstaut und ist fix mit dem
Gurtzeug verbunden.
Hauptschirmgriff (Main ripcord handle)
Der farbige Griff, um den Fallschirm zu öff-
nen, befindet sich am Gurtzeug unten rechts
vorne.
Trenngriff(Cutawayhandle/Trennkissen)
Der farbige Griff ist rechts vorne am Gurt-
zeug (senkrechter Gurt) mittels Klette am
Gurtzeug befestigt. Bei Betätigung wird der
Springer von der Hauptkappe abgetrennt.
Reserveschirmgriff (Reserve ripcord handle) Der Metallgriff befindet sich links vorne am
Gurtzeug (senkrechter Gurt) und öffnet den
Reservecontainer.
Automatisches Öffnungssystem (Automatic
Activation Device ­ AAD)
Das derzeit weltweit am häufigsten eingesetz-
te und sicherste AAD ist ,,Cypres". Das Aus-
löseelement ist im Reservecontainer und das
Bedienteil rechts oben am Gurtzeug (senk-
rechter Gurt) montiert. Das Gerät aktiviert
den Reservefallschirm, wenn die eingestellte
Höhe mit einer gewissen Geschwindigkeit
unterschritten wird.
Steuerschlaufen (Steering Toogles)
Befinden sich auf der Rückseite der hinteren
Haupttragegurte (Haupt- und Reservefall-
schirm) und dienen zum Steuern und Brem-
sen des Fallschirmes.
Hilfsschirm (Pilot chute/Hot dog)
Befindet sich innerhalb der Verpackung
(bzw. Tasche). Durch die manuelle Auslö-
sung gelangt er in den Luftstrom und leitet
damit die Schirmöffnung ein (Haupt- und Re-
servefallschirm).
Packsack POD (Parachute Opening Device) Innere Verpackung für die Fallschirmkappe
(Haupt- und Reservefallschirm).
Hilsschirm-Verbindungsleinen (Bridle)
Verbindung zwischen Pilotchute und POD.

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Abbildung 1.
Vorderseite eines Sprunggurtzeuges (modif. aus: Huber & Kraus, 1997, S. 27).
Abbildung 2.
Rückseite eines Sprunggurtzeuges (modif. aus: Huber & Kraus, 1997, S. 27).

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Sprungausführung
Ein/eine SpringerIn sollte drei Punkte einhalten, um einen Fallschirmabsprung sicher durch-
zuführen:
1.
Ziehen in sicherer Höhe und in stabiler Körperlage,
2. Sichere
Schirmfahrt,
3. Sichere
Landung.
Für die Öffnung des Hauptschirmes gelten folgende Öffnungshöhen:
Für Schüler: mindestens 1000 m über Grund
Für Scheinbesitzer: 800m über Grund
Nach Erreichen der vorgegebenen Öffnungshöhe (am Höhenmesser abgelesen) wird die
Hauptschirmaktivierung folgendermaßen eingeleitet (siehe Abbildung 3a-3d):
Abbildung 3a. Neutrale Körperhaltung
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 45).
Der/die SpringerIn winkt mit beiden Händen vor dem Kopf ab und zeigt damit an, dass jetzt
die Fallschirmöffnung eingeleitet wird (siehe Abbildung 3b).

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Abbildung 3b.
Abwinken (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46).
Anschließend wird mit der rechten Hand der Hautschirmgriff erfasst und mit der linken Hand
erfolgt eine Ausgleichbewegung, damit der/die SpringerIn in einer stabilen Körperlage bleibt
(siehe Abbildung 3c).
Abbildung 3c.
Ergreifen den Hauptschirmgriffs (aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46).
Der Hilfsschirm wird in den Luftstrom gesetzt und setzt somit den Haupt schirm frei.
(siehe
Abbildung 3d).

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Abbildung 3d. Ziehen des Hauptschirmgriffes
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 46).
Die Fangleinen schlaufen aus und strecken sich vollständig (siehe Abbildung 4). Die letzte
Schlaufe der Fangleinen öffnet den POD und der Hauptschirm streckt und öffnet sich. Wäh-
rend der Öffnung des Hauptschirmes rutscht der Slider (Öffnungsbremse) die Fangleinen
herunter. Der Springer löst durch beidseitiges Herunterziehen der Steuerschlaufen die Brem-
se und die Schirmfahrt beginnt.

Fallschirmsprung und Unfallursachen
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Abbildung 4. Öffnungsvorgang einer Fallschirmkappe
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 28).
Bei einer einwandfreier Schirmöffnung befindet sich der/die SpringerIn unter einer vollstän-
dig geöffneten Hauptkappe (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5. SpringerIn unter einer vollständig geöffneten Hauptkappe
(aus: Huber & Kraus,
1997, S. 134).

Fallschirmsprung und Unfallursachen
11
Acht-Punkte-Maßnahme
Sollte es dennoch zu einer Öffnungsstörung kommen, muss situationsangemessen gehandelt
werden (siehe Kapitel 6.2). Erfordert die Situation ein Abtrennen des Hauptfallschirmes (ü-
ber 400 m), dann sollte folgender Vorgang in der dargestellten Reihenfolge (Acht-Punkte-
Maßnahme) durchgeführt werden, um ein einwandfreies Entfalten des Reservefallschirmes
zu gewährleisten (siehe Abbildung 6):
1.
Erkennen der Störungsart!
2. Höhenkontrolle!
3.
Schau Deinen Trenn- und Reservegriff an !
4.
Ergreife mit der rechten Hand das Trennkissen!
5.
Ergreife mit der linken Hand den Reservegriff!
6. Ziehe zuerst rechts, dann links, kräftig am Körper entlang nach vorne unten, bis die
Arme vollständig gestreckt sind!
7. Kappenkontrolle!
8. Luftraumkontrolle!
Eine zweite Ausführungsvariante kann ebenfalls angewandt werden (je nach Ausbildungsbe-
trieb). Die zweite Variante unterscheidet sich lediglich darin, dass jeweils zum Abtrennen
und zum Aktivieren der Reserve beide Hände das Trennkissen bzw. den Reservegriff ergrei-
fen.
Abbildung 6. Acht-Punkte-Maßnahme
(aus: Huber & Kraus, 1997, S. 89).

Unfallproblematik
12
Schirmfahrt
Die Schirmfahrt beinhaltet zwei Schwerpunkte. Zum einen muss ständig eine Luftraumkon-
trolle erfolgen. Während der gesamten Schirmfahrt ist der Luftraum zu beobachten, um Kol-
lisionen mit anderen Springern/Springerinnen oder Luftfahrzeugen zu vermeiden. Zum ande-
ren sollte rechtzeitig eine hindernisfreie Landezone lokalisiert werden, um sich einen optima-
len Landeanflug einteilen zu können.
Landung
Die Berücksichtigung der folgenden vier Punkte gewährleistet eine sichere Landung.
1.
Lokalisieren eines freien Landegebietes;
2.
Landung gegen den Wind, keine Drehungen in Bodennähe;
3. Einnehmen
der
Landehaltung;
4.
Geflarte oder 50-75 % gebremste Landung.
2.2 Unfallproblematik
Bei der Auswertung der Ursachen für ,,besondere Vorkommnisse" im Fallschirmsport be-
gegnen wir oft dem Begriff ,,menschliches Versagen" (Schmidt, 1972, S. 58). Mit diesem
Terminus soll ausgedrückt werden, dass das Vorkommnis durch den/die FallschirmsportlerIn
selbst verursacht wurde, also ohne, dass eine direkte Einwirkung meteorologischer oder
technischer Faktoren oder der Landeplatzbeschaffenheit erkennbar war. Diese etwas unge-
naue Definition ,,menschlichen Versagens" ist aber inhaltsschwerer als allgemein angenom-
men wird. Sie bedarf deshalb einer Erläuterung. Es wäre wichtig, wenn in Zukunft auch die
,,Versagens" auslösenden Faktoren intensiver erforscht und die daraus abzuleitenden
Schlussfolgerungen für die Fortbildungstätigkeit beachtet würden. Unfälle resultieren im All-
tag meist aus dem Fehlverhalten eines Menschen. So gibt es derzeit nur noch etwa 10 %
technisch bedingte Unfälle, die übrigen 90 % der erfassten Unfälle beruhen auf menschli-
chem Fehlverhalten (vgl. Ungerer, 1997, S. 26). Das können Wahrnehmungs- oder Hand-
lungsfehler sein. Sie sind am Arbeitsplatz, im Straßen-, Luft- und Schifffahrtsverkehr sowie
in der Freizeit gleichermaßen zu finden. Die Risiko- und Unfallforschung konzentrierte sich
daher in den letzten Jahren verstärkt auf das menschliche Verhalten. Hier wird nicht nur nach
der Anzahl der Unfälle gefragt, sondern vor allem nach den Risiko- und Unfallprofilen. Ge-
meint ist damit die Art der Unfallentstehung und des Unfallverlaufes. Während das Risiko-

Unfallproblematik
13
profil durch Fehlverhalten charakterisiert ist, ohne schon den Unfall zu umfassen, ist das Un-
fallprofil durch Tod oder Verletzung, z.B. des Fallschirmspringers gekennzeichnet.
In der Statistik tauchten bisher nur die unfallauslösenden Aktionsfehler auf, also Fehler, die
sichtbar sind. So finden sich in den Angaben folgende Bezeichnungen:
· Hauptschirm nicht geöffnet;
· Beine nicht korrekt geschlossen;
· Ausgelöste Reserve wurde nicht mehr wirksam;
· Nach Trennung wurde aus nicht feststellbaren Gründen manuell nicht geöffnet;
· Fehler bei der Landung (Steuer-/Flare-Fehler, Flugfehler, Kollisionsfehler).
In den internationalen Unfallstatistiken sieht es ähnlich aus, und zwar:
· cut-away;
· no reserve activation;
· low reserve activation;
· no pull;
· low pull main;
· other.
Die Hauptmerkmale solcher Risiko- und Unfallprofile lassen sich folgendermaßen klassifi-
zieren:
· falsche Aktionen;
· falsche Reihenfolge der Aktionen;
· verzögerte Aktionen;
· falsche Körperpositionen und Beinhaltungen;
· keine Aktionen.
Hinter solchen Fehlern stecken spezielle Entstehungsprozesse. Dazu ein Beispiel aus dem
Straßenverkehr, das leicht nachvollzogen werden kann: Wird ein Stoppschild überfahren und
anschließend ein Unfall verursacht, dann taucht dieser Vorgang als ,,Stoppschild überfahren"
in der Statistik auf. Aber warum werden Stoppschilder überfahren? Das kann aus folgenden
Gründen geschehen: Stoppschild wurde übersehen, Stoppschild wurde zwar erkannt, aber die
Entscheidung für das Anhalten zu spät gefällt oder das Bremsen vergessen. Damit ist gesagt,
dass bei der Entstehung von Risiko- und Unfallprofilen in entscheidendem Maße die Wahr-

Unfallproblematik
14
nehmungsprozesse des jeweiligen Akteurs, seine Denkfunktionen und seine Handlungsfähig-
keit beteiligt sind (vgl. Ungerer, 1997). Das in den nachfolgenden Abbildungen dargestellte
Modell ist benannt nach dem Sicherheitsforscher, Prof. James Reason, der als einer der ersten
herausarbeitete, dass mehrere, sich anhäufende kleinere Fehler oder Sicherheitsmängel, zu
einem großen, katastrophalen Fehler führen können. Reason entwickelte das Modell (siehe
Abbildung 7 & 8), um zu verdeutlichen, dass es oftmals unterschiedlicher Faktoren bedarf,
um einen Unfall oder Todesfall zu ,,produzieren". (Unfälle ereignen sich nicht, sie werden
verursacht!).
Der Grundgedanke ist, dass die verschiedenen Scheiben, die die meisten Bereiche darstellen,
denen ein/eine sicherheitsbewusster SpringerIn Beachtung schenken sollte, den Freifall si-
cher stoppen sollen. Gibt es aber Defizite, dann fällt der/die SpringerIn durch die ,,Löcher"
ungebremst zu Boden. Häufig entstehen kleine unbedeutende Vorkommnisse, die einzeln be-
trachtet, nicht der Rede wert sind. Aber wenn eine unangemessene Handlung, die zu einem
Fehler führt und überlagert wird von Zeitproblemen oder niedriger Höhe, dann wird plötzlich
alles sehr ernst. An diesem Punkt bedarf es nur noch eines weiteren Bestandteils (z.B. unge-
nügende Entscheidungsfähigkeit) und die Einleitung zu einem sehr ernsten Unfallbericht ist
geschehen. Mögen die Abbildungen 7 u. 8 dazu beitragen, die Vielschichtigkeit von sicher-
heitsbewusstem Verhalten zu verdeutlichen, um das Sicherheitsdenken verstärkt anzuregen.

Unfallproblematik
15
Abbildung 7. Das Reason-Modell I (Sicherheitsnetz für Fallschirmspringer)
(aus: Bastuck,
2003, S. 16).

Unfallproblematik
16
Abbildung 8. Das Reason-Modell II (Fehlverhalten von Fallschirmspringern)
(aus: Bastuck,
2003, S. 16).
Unfallproblematik bei den erfahrenen Springern und Springerinnen
Bei Springern und Springerinnen mit mehr als 250 Sprüngen (vgl. Bastuck, 2000) reduziert
sich die Fähigkeit, eine korrekte und zeitgerechte Acht-Punkte-Maßnahme (Punkte zur er-
folgreichen Hauptkappentrennung und Aktivierung des Reservefallschirms) durchzuführen.
Wie in allen Jahren zuvor liegt die Ursache für die Fallschirmunfälle fast immer bei den
Springern und Springerinnen selbst. In 94 % aller Fälle konnte im Jahr 2000 der Mensch als
Fehlerquelle für den tödlichen Ausganges eines Sprunges ausgemacht werden. Wie in den
Vorjahren zieht sich die Todesstatistik durch alle Erfahrungsstufen, wobei die Gruppe der er-
fahrenen SpringerInnen (mehr als 250 Sprünge) an der Spitze liegt, obwohl sich auch in die-
ser Gruppe immer mehr der Gebrauch von Öffnungsautomaten (AAD) durchsetzt. Bei be-
stimmten Unfällen, z.B. an geöffneten Schirmen, nützen allerdings auch diese nichts.
Es ist anzunehmen, dass auf ihr Konto die Überzahl der Unfälle mit schnellen Kappen geht,
die als Kategorie für tödliche Unfälle beginnen, dem bisherigen Spitzenreiter ,,keine oder zu
späte Hauptschirmöffnung" den Rang abzulaufen. 44 % der tödlichen Unfälle wurden im
Jahr 2000 von erfahrenen Springern und Springerinnen verursacht, die damit einen Höchst-
stand erreichten. 51 % aller Sprünge wurden von dieser Gruppe gemacht. Die häufigste Un-

Unfallproblematik
17
fallursache (25 %) liegt im zu niedrigen oder Nichtöffnen des Hauptfallschirmes. Der zweit-
größte Unfallanteil war mit 23 % vertreten und als Unfallursache lag eine Kappentrennung in
zu geringer Höhe vor (vgl. Sitter, 2001).
Es stellt sich die Frage, auf welche Fortbildungsschwerpunkte besonders eingegangen wer-
den muss bzw. wo das meiste Fehlverhalten entstehen kann. Eine Antwort soll in der vorlie-
genden Arbeit gefunden werden.
Wären in den letzten 10 Jahren die ,,Hochgeschwindigkeits"-Kappen nicht so in Mode ge-
kommen, dann wiese die Unfallstatistik das moderne Fallschirmspringen als eine der sichers-
ten Sportarten überhaupt aus. Mehr als ein Drittel der tödlich verunglückten SpringerInnen
im Jahr 2000 starben unter tragenden Kappen bei der Landung. Wie jedes Jahr wurden die
Unfallursachen in Kategorien eingeteilt, um Trends besser analysieren zu können. In jeder
Kategorie werden die Unfälle (nicht zwingend mit tödlichem Ausgang) analysiert und im
Anschluss Vermeidungsstrategien vorgeschlagen. Es hat sich allerdings auch das Ursachen-
spektrum in den letzten Jahren signifikant gewandelt. Die häufigste Todesart im Fall-
schirmsport, No Pull/Low Pull (keine Fallschirmaktivierung/zu späte Fallschirmaktivierung),
tritt immer mehr in den Hintergrund; während der Anteil der tödlichen Unfälle bei der Lan-
dung von durchschnittlich weniger als einem pro Jahr bis 1993, auf 18 Tote im Jahre 1996
hinaufgeschnellt ist; dies ist ein Anteil von 46 % aller Unfälle im Jahr 1996. Folgende
Hauptunfallursachen lassen sich unterscheiden:
Es folgt eine Zusammenfassung des Unfallberichtes der USPA (United State Parachute As-
sociation) 2001 von Paul Sitter:
1. Keine Fallschirmaktivierung/zu späte Fallschirmaktivierung
(15 %)
2.
Fehlöffnungen
(18
%)
3.
Probleme
mit
der
Reserve
(6
%)
4.
Kollisionen
(24
%)
5.
Landeprobleme
(37
%)
Keine Fallschirmaktivierung /zu späte Fallschirmaktivierung
Der steigenden Verwendung von Öffnungsautomaten ist es zu verdanken, dass einerseits die
Anzahl derer, die weder Haupt- noch Reserveschirm rechtzeitig aktivieren, sinkt. Eine Situa-
tion kehrt immer wieder, seit es diesen Sport gibt. Ein Springer oder eine Springerin findet
das Hand-Deploy nicht und sucht danach, bis es für die Reserve zu spät ist. Eine Variante

Unfallproblematik
18
dieser Unfallursache ist der unstabile Springer oder die Springerin, der sich so lange bemüht
wieder stabil zu werden, bis die Zeit abgelaufen ist.
Öffnungsautomaten gehören immer mehr zur Grundausstattung im Fallschirmsport. Damit
hat sich aber auch die Einstellung geändert. Lehrer bilden nicht geeignete Schüler weiter aus,
weil sie mit einem Cypres ausgerüstet sind. Erfahrenere Springer machen sich weniger Ge-
danken über Separation und Öffnungshöhe, weil das Cypres da ist. Es macht sich eine gewis-
se Lässigkeit breit. Jeder Öffnungsautomat ist nur ein Backup für den Notfall, es kann versa-
gen, es kann falsch eingebaut sein, die Batterie kann versagen, vielleicht ist es nicht einge-
schaltet, etc. Das Auslösen des Reservefallschirms durch den Öffnungsautomaten Cypres
deutet auf ein gravierendes Defizit bei der zeitlichen Anwendung einer Handlung durch den
Probanden hin. Die größte Gefahr einer Cypresauslösung besteht darin, dass der Hauptschirm
zu spät aktiviert wird und es gleichzeitig zu einer Cypresauslösung kommt. Die Gefahr einer
Kappenverwicklung ist enorm hoch, begünstigt dadurch, dass der Reservefallschirm nicht
abgetrennt werden kann. Letztendlich ist jeder Springer für seine Verhalten in der Luft selbst
verantwortlich. Berichte von Springern, die durch einen Öffnungsautomaten gerettet wurden,
tragen viel zur Erforschung der Umstände bei, dass jemand nicht, zu spät oder falsch rea-
giert. Diese Erkenntnisse helfen, die Schulung, Ausbildung und Fortbildung effizienter zu
gestalten. Vor der Einführung verlässlicher Öffnungsautomaten waren in dieser Kategorie bis
zu 50 % der jährlichen Todesfälle zu finden.
Vorbeugung:
· Ein Öffnungsautomat ist immer nur ein Backup. Der Springer ist immer selbst für seinen
Sprung verantwortlich.
· Gegenmaßnahmen mindestens einmal pro Jahr im Hängegurtzeug üben. Im Kopf vor je-
dem Sprung!
· Kein Abtrennen unter 300 m!
Fehlöffnungen
Diese Zahl entspricht dem langjährigen Durchschnitt von 6,9 Toten pro Jahr in dieser Kate-
gorie. Die Ursachen für den tödlichen Ausgang einer Störung am Hauptschirm waren entwe-
der eine fehlerhafte Gegenmaßnahme (Reserve ziehen, ohne vorher zu trennen, Abtrennen
beim Bag-Lock, ohne die Reserve zu ziehen) oder ein zu spätes Einleiten derselben (Abtren-
nen unter 220 m).

Unfallproblematik
19
Statistisch gesehen kommt es alle 300 bis 1000 Sprünge (vgl.
Bastuck
, 2000) zu einer Fehl-
öffnung des Hauptschirmes. In der Praxis muss man bei jedem Sprung mit einer Störung
rechnen. Umsomehr, wenn Gegenstände mitgeführt oder unübliche Manöver geplant werden.
Überschneidungen mit anderen Unfallursachen sind aber gerade in diesen Fällen, in denen es
zu Fehlöffnungen kommt, häufig. Die Zuordnung erfolgt dann, wenn eine adäquate Reaktion
auf eine Fehlöffnung, aus welcher Ursache auch immer, den tödlichen Ausgang verhindert
hätte, aber nicht oder nicht rechtzeitig erfolgte.
Vorbeugung:
· Bei komplizierten oder ungewöhnlichen Sprungvorhaben ist eine genaue Planung und
schnelle Umsetzung der Gegenmaßnahmen besonders wichtig.
· Höhere Öffnungshöhe bei solchen Sprüngen.
· Kein Abtrennen unter 300 m!
Probleme mit der Reserve
Obwohl die Reserveschirme so konstruiert sind, dass sie verlässlicher als Hauptschirme sind,
sind sie doch nicht unfehlbar. Besonders, wenn sie nicht richtig eingesetzt werden. Der 10-
Jahresdurchschnitt für Reserveprobleme mit tödlichem Ausgang liegt bei 4,5 pro Jahr(vgl.
Bastuck
, 2000). Weitere Ursachen bei Problemen mit der Reserve sind das Aktivieren der
Reserve zu Fehlöffnungen, ohne zuvor zu trennen. Diese falsche Reihenfolge bei der Behe-
bung von Problemen ist fatal, weil sich Haupt- und Reserveschirm verwickeln können.
Vorbeugung:
· Gegenmaßnahmen mindestens einmal pro Jahr im Hängegurtzeug üben. Im Kopf vor je-
dem Sprung!
· AAD´s sind Lebensretter, ihre Auslösung muss jedoch einberechnet werden. Bei einer
,,High-Speed" Störung nach einer Öffnung in 650 m ist die Wahrscheinlichkeit, in die
Cypresöffnungshöhe zu fallen, sehr hoch.
Kollisionen
Zusammenstöße im Freifall oder unter dem Schirm enden nicht immer tödlich. Trotzdem
sind durchschnittlich etwas über vier Tote pro Jahr in dieser Kategorie zu beklagen. Freifall-
kollisionen resultieren aus zu geringem Überblick über den Luftraum um, unter und über ei-

Unfallproblematik
20
nem. Ein schlecht geplanter und schlecht ausgeführter Sprung erhöht dieses Risiko. Schirm-
kollisionen passieren in der Öffnungsphase nach schlechter Separation, verschärft eventuell
durch nicht richtungsstabile Schirmöffnungen. Während der Schirmfahrt und im Landeanflug
ist es meist mangelnder Überblick (Tunnelblick) und eine uneinheitliche Landerichtung. Zu-
sätzlich dazu kommen die modernen, schnellen Schirme und häufiges Kurvenfliegen in Bo-
dennähe.
Vorbeugung:
· Jeder Springer ist für den Überblick in seinem Umfeld selbst verantwortlich. Wie ist die
Position anderer Flieger und deren Springer bei Formationen, wie sieht der Luftraum un-
ter dem Exit aus, wo befinden sich andere Springer im Freifall, in der Separation, bei der
Öffnung und beim Landeanflug.
· Der Tunnelblick auf den voraussichtlichen Landeplatz ist ein bekanntes Phänomen. Mit
den alten Schirmen waren kleine Kollisionen kein sehr großes Problem. Die neuen Hoch-
leistungskappen verzeihen solche Fehler jedoch nicht mehr. Es kommt also der rechtzei-
tigen Wahl eines geeigneten Landeplatzes mehr Bedeutung zu.
Landeprobleme
Vor 1993 gab es alle zwei Jahre einmal einen tödlichen Landeunfall, meistens durch überse-
hene Stromleitungen oder Wasserlandungen. Das hat sich mit der Entwicklung neuer Schir-
me grundlegend geändert. Die Flugeigenschaften der Fallschirme wurden revolutionär ver-
bessert, damit aber auch die enthaltene Energie. Auch Hochleistungsflieger landen so lang-
sam wie möglich, um sowenig Energie wie nötig in einen eventuellen Unfall mitzunehmen.
Ein Landefehler bei 5 km/h wirkt sich weit weniger schwer aus als bei 80 km/h. Je höher die
Geschwindigkeit, desto größer die Energie, desto dramatischer die Auswirkungen. Manche
Springer beschleunigen auch noch zusätzlich in der Landephase. Ungeplanter Kontakt mit
dem Boden kann dann verheerende Folgen haben. Es herrscht die Annahme vor, dass gute
Ausbildung und Erfahrung einen Springer oder eine Springerin sicherer machen. Das ist
nicht unbedingt richtig. Die durchschnittliche Sprungzahl in dieser Unfall-Kategorie liegt bei
1367! Einer der Springer hatte über 4700 Sprünge. Probleme bei der Landung sind von sehr
seltenen Ereignissen abhängig und sind mit zu über einem Drittel Haupttodesursache des
Fallschirmsportes geworden.

Unfallproblematik
21
Vorbeugung:
· Benutze die richtige Ausrüstung. Überladene Hochleistungsschirme im Grenzbereich
sind zwar sehr beeindruckend, aber sicher nicht für jedermann geeignet. Auch genau die
Springer und Springerinnen, für die solche Schirme gebaut werden, sterben unter ihnen.
Der Kunde hat die Entscheidungsfreiheit das Produkt zu wählen, das seinen Ansprüchen
und seinen Fähigkeiten entspricht. Unter idealen Bedingungen 100 gute Landungen hin-
gelegt zu haben bedeutet gar nichts, wenn genau diese Schirmeigenschaften unter
schlechteren Voraussetzungen fatale Folgen haben können.
· Niemals die Steuerleinen loslassen! Ob Front- oder Backriser Turns, immer die Steuer-
schlaufen in der Hand behalten!
· Man sollte den Schirm, den man springt, gründlich kennen. Drehungen, Flaren und das
Landeverhalten des Schirms können in ausreichender Höhe geübt werden.
· Schlechter Absetzpunkt? Rechtzeitig nach alternativen Landeplätzen suchen!
· Hochleistungsschirme verlangen feinfühlige Behandlung; eine radikale Drehung in Bo-
dennähe ist genauso tödlich wie eine Hochspannungsleitung. Um einem Hindernis aus-
zuweichen, muss eine gebremste 90 Grad Drehung genügen.
· Bei fraglichen Wetterbedingungen ist es allemal besser am Boden zu bleiben, als in der
Luft dann keine Alternative zu haben.
Statistik
Das Durchschnittsalter der tödlich Verunglückten 2001 betrug 39 Jahre mit 873 Sprüngen
(Median: 450 Sprünge), 65 Monate im Fallschirmsport (Median 48 Monate). 80 % der Ver-
unglückten waren Männer; die meisten Unfälle ereigneten sich bei oder nach Formations-
sprüngen. Der Erfahrungsstand der verunglückten SpringerInnen hat sich im Lauf der Jahre
verschoben. Früher war ein Drittel der Toten Schüler, ein weiteres Drittel Anfänger und nur
ein schwacher Rest erfahrene Springer (kaum je einer mit über 1000 Sprüngen). Im Jahr
2001 waren mehr als 30 % der tödlich Verunglückten erfahrene Springer; neun der 12 bei
Landeunfällen verstorbenen Springer hatten mehr als 200 Sprünge, fünf davon mehr als 1000
(in den anderen Kategorien finden sich vier weitere mit mehr als 1000 Sprüngen).
Mögliche Unfallursachen bei den erfahrenen Springern und Springerinnen
Was sind die Ursachen dafür, dass die erfahrenen SpringerInnen in einem solchen Ausmaß
nicht in der Lage sind, ihr Leben selbst zu retten, indem sie mindestens einen Schirm selb-
ständig zu öffnen versuchen?

Unfallproblematik
22
Selbst bei vorsichtigen Schätzungen kann man davon ausgehen, dass in 95 % aller tödlichen
Unfälle 2001, die SpringerInnen mindestens einen funktionsfähigen Schirm auf dem Rücken
hatten. Ebenfalls vorsichtig geschätzt, haben 31 % der Springer den Tod gefunden, nachdem
sie erfolgreich ihren Hauptschirm geöffnet hatten (Landeunfälle, Kollision). Vielleicht fühlt
sich der erfahrene Fallschirmspringer zu sicher mit den technisch sehr guten Systemen und
beschäftigt sich infolgedessen zu wenig mit Notsituationen und den daraus resultierenden
Folgen, die im schlimmsten Fall tödlich enden können. Eine mögliche Ursache wäre viel-
leicht auch, dass Programme gelernt werden aber nach einer gewissen Zeit (mehr als 250
Sprünge) verblassen und zum notwendigen Zeitpunkt nicht mehr abrufbar oder nur noch be-
dingt abrufbar sind. Emotionen spielen bei diesem Phänomen ebenfalls eine entscheidende
Rolle.
Mit der rasanten technischen Entwicklung im Sicherheitsbereich des Fallschirmsports einer-
seits, durch den Einsatz von immer mehr Öffnungsautomaten und mit der steigenden Zahl
von Hochleistungsschirmen andererseits, müssen sowohl an die Aus- und Weiterbildung der
SpringerInnen, als auch an die Industrie neue Ansprüche gestellt werden. Die Schulung darf
nicht mit dem Erlangen des Sprungscheines enden. Der Umgang mit schnellen Fallschirm-
kappen verlangt ein fundiertes Training. Dies beginnt beim Packen. Um schwere Verletzun-
gen durch harte Öffnungen zu vermeiden, geht über den Umgang mit eingedrehten Öffnun-
gen, die früher höchstens lästig waren, jetzt aber auf Grund der Drehungen und der Fliehkraft
lebensgefährlich sein können, bis zu einer gründlichen Ausbildung in den Flug-, Steuer- und
Landeeigenschaften dieser Hochgeschwindigkeitsgeräte.
Sprungplatzbetreiber sind ebenfalls aufgefordert, an der Lösung der Probleme mitzuarbeiten.
Hochgeschwindigkeitsschirme sind mit schnellen Flugzeugen zu vergleichen. Es gibt keinen
Flugplatz ohne vorgegebene Anflug- und Landerichtung. Ein einheitliches Anflugmuster hat
sich auf vielen Sprungplätzen bereits bewährt. Es gibt auch Sprungplätze, auf welchen Hook-
Turns (Steilkurven in Bodennähe) verboten sind.
Lehrer und Instruktoren haben eine doppelte Aufgabe. Sie sind Ausbilder und Vorbild
zugleich. Letztendlich sind aber die Konsumenten, die Springer und Springerinnen, der
Schlüssel zum richtigen Umgang mit moderner Ausrüstung. Jeder ist für sich selbst
verant-
wortlich. Die Entscheidung für einen bestimmten Schirm muss in erster Linie von der kriti-
schen Einschätzung der eigenen Erfahrung und Leistungsfähigkeit abhängen. Es liegt auch in

Unfallproblematik
23
der Verantwortung des Springers, sich über seine Ausrüstung genau zu informieren, den
Umgang damit zu trainieren und seine Sprungplanung in ausreichendem Maße anzulegen,
um nicht bei Abweichungen vom Idealfall sofort in unlösbare Schwierigkeiten zu geraten.
Nur mehr Aufmerksamkeit, kritische Selbsteinschätzung und eine verbesserte Aus- und Wei-
terbildung können letztendlich dazu führen, dass wir in Zukunft weniger Tote und Verletzte
im Fallschirmsport zu beklagen haben.
Die Zahl der Unfälle mit mindestens einem guten Schirm auf dem Rücken nimmt seit Jahren
zu und es scheint gewiss, dass die Zahl der Toten ohne den Gebrauch von Öffnungsautoma-
ten weit höher liegen würde. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich der Fall-
schirmsport immer mehr zu einer Art Trendsport entwickelt, den man mal gemacht haben
möchte und so ernst nimmt wie Bungeespringen oder Wildwasserrafting, wo die Verantwor-
tung für Sicherheit und das eigene Handeln zunächst auf den Anbieter und die Technik ab-
gewälzt werden. Vielleicht spielen Fragen der Sicherheit auch eine immer geringer werdende
Rolle im Bewusstsein der Aktiven, die einen Sport betreiben und erleben, der von Professio-
nalität, Vielfalt und Abwechselung bestimmt ist. Vielleicht sind die Ausbildungsinhalte, ohne
eine vorangegangene Auffrischung ab einer Sprunganzahl von mehr als 250 Sprüngen, nicht
mehr genügend präsent? Dies sind aber alles nur Spekulationen, die in diesem Projekt unter-
sucht werden. Zusätzlich wird die Tatsache untersucht, warum es zu einer Reduktion des Si-
cherheitsgedankens kommt. Als Ursachen stehen hier die Veränderung der Motivation und
der Technik gegenüber: Es wird immer mehr Zeit aufgebracht, um noch mehr zu springen,
Sprünge noch effektiver vorzubereiten oder sich mit neuen Flugtechniken zu befassen, anstatt
sich mit sicherheitsrelevanten Dingen, wie der Acht-Punkte-Maßnahme und dem Verhalten
in besonderen Fällen zu beschäftigen, zumal wirklich gefährliche Ausnahmesituationen im
Verhältnis zum Sprungaufkommen immer noch die Ausnahme von der Regel sind. Nur,
wenn die Dinge dann einmal schief gehen, bleibt meist keine Zeit zum Nachdenken mehr,
sondern nur noch zum Handeln. Und in solchen Situationen macht es keinen Unterschied, ob
der/die mit Problemen konfrontierte erfahrene SpringerIn Schüler oder Weltmeister ist. 44 %
von den tödlichen Unfällen im Jahr 2000 waren erfahrene Springer. Das macht deutlich, dass
zunehmende Sprungerfahrung nicht gleichzeitig eine Lebensversicherung in Extremsituatio-
nen ist.
Es ist von Interesse, den Einfluss automatischer Sicherheitsöffner auf das Bewusstsein und
Verhalten von Springern zu untersuchen (vergleichbar mit dem Verhalten der Autofahrer bei

Unfallproblematik
24
der Einführung des Anti-Blockier-Systems). Die Öffnungsautomaten waren in ihrer Funktion
ursprünglich als absolute Notbremse gedacht, die dem/der SpringerIn bis zum letztmöglichen
Moment die Möglichkeit lassen, eigenverantwortlich zu handeln. Der Eindruck macht sich
breit, dass die ,,erfahrenen" Aktiven diesen Notbremsencharakter der Öffnungsautomaten so
nicht mehr wahrnehmen und die Technik stattdessen als virtuelles Bungeeseil bewerten, die
ihren Nutzen und die Investition auch schon mal bei Unachtsamkeit oder Unkonzentriertheit
unter Beweis stellt und rechtfertigt.
Aufbauend auf dem Kenntnisstand zur Ausprägung dieser psychomotorischen und psychi-
schen Leistungsvoraussetzungen und deren Wechselbeziehungen bleibt es dieser Untersu-
chung vorbehalten, Möglichkeiten der weiteren Abklärung der den Prozess der Handlungsre-
gulation beeinflussenden Faktoren zu finden. Es erscheint dringend erforderlich, die Flexibi-
lität des Handelns zu fördern. Nur den Ablauf zu wiederholen wird langweilig und weniger
effektiv. Sinnvoll und vielversprechend ist ein Aufbau und Ablauf des Sprungtrainings und
der Ausnahmesituationen (Öffnungsstörungen, Acht-Punkte-Maßnahme, Veränderung der
Umweltbedingungen) unter Stressbedingungen. Zur drittgrößten Gruppe der Unfälle ist die
Kategorie ,,schnelle Kappen" aufgestiegen, mit denen 17 % der Verunglückten ums Leben
kamen. Bemerkenswert bleibt die Fortsetzung des Trends, dass zunehmend tödliche Unfälle
geschehen, nachdem sich Springer bereits unter einem funktionsfähigen Hauptschirm befan-
den. Eigentlich grotesk, dass sich erfahrene Springer nur durch eigenes Verschulden in
höchste Gefahr bringen. Die größte Gruppe der Unfallursachen war mit 25 % das Nichtakti-
vieren oder zu späte Aktivieren des Hauptschirmes. Im Jahr 1995 wurden mindestens 92
Springer durch automatische Öffnungssysteme gerettet (vgl. Sitter, 1997). Auch wenn sich
die Zahlen ändern, Unfallhäufigkeiten sich von Jahr zu Jahr möglicherweise verschieben,
wird immer wieder deutlich, der größte Risikofaktor im Sport sind die Springer und Springe-
rinnen selbst. Wiedereinmal erwies sich menschliches Versagen in 94 % aller Unfälle im Jahr
2001 als Todesursache. Es kann daraus geschlossen werden, dass Ausbildung und Wiederho-
lung der Sicherheitsregeln und Gegenmaßnahmen bei Öffnungsstörungen für alle Erfah-
rungsstände wichtig und unabläßlich sind.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, die methodische Reihe in der Ausbildung so zu
verändern, dass die Aufrechterhaltung der Sicherheit bei Springern und Springerinnen aller
Erfahrungsstände gewährleistet werden kann. Die automatisierten Programme müssen so
trainiert werden, dass sie jederzeit abrufbar sind und somit die SpringerInnen effektiv han-

Unfallproblematik
25
deln. Die SportlerInnen sollen die normale und störungsfreie Situation noch besser handha-
ben und kritische Situationen besser und ruhiger lösen.
Als eine Lösungsmöglichkeit zur Reduzierung der aufgeführten Unfallhäufigkeit (vgl. Sitter,
2001), bietet sich eine hochwertige Fallschirmsprung-Simulation an. Durch diese spezielle
Simulationsform soll erreicht werden, dass die SpringerInnen auf ein optimales Handlungs-
niveau gebracht werden. Weiterhin sollten die internen ,,Programme" der SpringerInnen ver-
bessert werden, um die Störanfälligkeit der Handlungen zu reduzieren bzw. auszuschalten.
Um den Springern und Springerinnen das Erlernen bestimmter Handlungsmöglichkeiten zu
bieten, wurde ein speziell auf die Bedürfnisse der Springer entwickelter Simulator eingesetzt.
Die Anwendung dieses Simulators wird im Kapitel 6 detailliert beschrieben.
Bevor speziell auf die Bedeutung des Simulatortrainings bei der Fortbildung von Fallschirm-
erstspringern und -springerinnen eingegangen wird, muss zuvor zum besseren Verständnis,
ein Einblick in die Stressursachen, in die Wahrnehmungsfähigkeit und in die Informations-
verarbeitung gegeben werden, auf die sich die Untersuchungen zum großen Teil beziehen.

Stress ­ Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
26
3 Stress
3.1 Stress - Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
3.1.1 Stresstheoretische
Grundlagen
Schon seit mehreren Jahrhunderten findet sich in der englischen Umgangssprache der Begriff
,,Stress". Dennoch wurde er erst im Anschluss an die in den 30er Jahren durchgeführten
Hormonuntersuchungen des österreichisch-kanadischen Mediziners und Biochemikers Hans
Selye, der seither als ,,Vater der modernen Stressforschung" gilt, populär und in den Wort-
schatz aufgenommen. Selye beobachtete, dass der Organismus offenbar auf beliebige Belas-
tungen, z. B. Infektionen, Verletzungen, Hitze, Lärm, mit einem stereotypen Muster unspezi-
fischer Anpassungsreaktionen antwortet. Dies definierte er mit dem Begriff ,,Stress". Mitt-
lerweile ist der Stressbegriff international gebräuchlich und wird in den verschiedensten Wis-
senschaftsdisziplinen verwendet. Unter anderem auch in der Physik und der Technik, der
Medizin, der Psychiatrie und der Psychologie, der Soziologie. Niemand scheint davon ver-
schont zu bleiben. Was ist damit gemeint, wenn man sich ,,im Stress" befindet?
Fasst man die wesentlichen Forschungsergebnisse zusammen, so sind damit vor allem drei
Sachverhalte angesprochen (vgl. Nitsch, 1987):
1.
Eine bestimmte Lebenssituation, in der man sich befindet.
2.
Der Versuch, sie zu bewältigen, d. h. sich ihr anzupassen oder sie ,,passend" zu ma-
chen.
3.
Eine besondere psychophysische Verfassung, die sich aus eingetretenen (z.B. aktueller
Fallschirm-Fehlöffnung, Verletzungen, Niederlagen, Blamagen) oder erwarteten Ereig-
nissen (z.B. bevorstehender Fallschirmsprung und dessen mögliche Konsequenzen) er-
gibt und die zugleich die Ausgangslage für das weitere eigene Handeln bildet.
Stress als Lebenssituation
Die Anpassung von Lebewesen an ihre Umwelt hat in ganz allgemeiner Sicht schon mit
Stress zu tun. Situationen, in denen sich ein Anpassungsproblem stellt, sind im wesentlichen
immer mit Stress verbunden. Es muss ein erreichter, aber gefährdeter Anpassungszustand
verteidigt werden. Gleichzeitig muss man sich an neue oder veränderte Umweltgegebenhei-
ten anpassen und gegen Widerstände sein Leben gestalten. In diesem Sinne ist Stress unver-

Stress ­ Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
27
meidbar: Viele Lebensereignisse verursachen in gewissem Maße Stress, viele Tätigkeiten
sind mit Stress verbunden. Dies kann bedeuten, dass ,,im Stress sein" heißt, sich in einer kri-
tischen Lebenssituation (oder zeitlich eingegrenzt: Handlungssituation) zu befinden. Im wis-
senschaftlichen Verständnis hingegen, wird jedoch der Stressbegriff nicht allein auf extrem
belastende Situationen eingeschränkt. Stress ist also nicht bloß ein Ausnahmezustand, son-
dern der Mensch ist stets mehr oder weniger im Stress. ,,In psychologischer Sicht entsteht
Stress dann, wenn die Aufrechterhaltung oder die (Wieder-) Herstellung einer günstigen Si-
tuation gefährdet erscheint, man also die eigene Handlungsfähigkeit und -möglichkeit oder
sogar seine Existenz in physischer, psychischer oder sozialer Hinsicht als bedroht oder beein-
trächtigt erlebt" (Nitsch, 1987, S. 5).
Was nun als günstig oder weniger günstig gilt, sowie der Grad der erlebten Gefährdung hän-
gen nicht so sehr von objektiven Gegebenheiten, sondern vor allem von subjektiven Wahr-
nehmungen und Bewertungen ab (vgl. Nitsch, 1981). Wie man sich und seine Situation ein-
schätzt, so fühlt man sich auch. Dementsprechend steht die Untersuchung und systematische
Beeinflussung subjektiver Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse im Zentrum der psycho-
logischen Stressforschung. Ob und wie stark man eine Situation als ,,stressend" erlebt, hängt
davon ab, inwieweit man sich durch sie betroffen sieht. Folgende subjektive Feststellungen
sind hierfür ausschlaggebend (vgl. Nitsch, 1987):
1.
Die Situation ist persönlich hoch bedeutsam.
Das heißt, die Situationsbewältigung ist mit hohen positiven, die Nicht-Bewältigung mit ho-
hen negativen Konsequenzen verbunden. Der Stress wird besonders hoch sein, wenn die
Aufmerksamkeit auf die mögliche Nicht-Bewältigung und deren negative Folgen fixiert
wird.
2. Die
Situationsbewältigung erscheint problematisch.
Das heißt, die Erfolgsaussichten sind fraglich. Man ist unsicher, ob man mit der Situation fer-
tig werden kann. Man hat sie nicht ,,fest im Griff", nicht voll ,,unter Kontrolle". In diesem
Zusammenhang ist es wichtig, sich klarzumachen, dass gerade mittlere Erfolgsaussichten mit
starkem Stress und maximale, als auch minimale Erfolgswahrscheinlichkeiten mit geringem
Stress verbunden sind (vgl. Nitsch, 1987). In den letztgenannten Fällen finden sich wesent-
lich andere Erscheinungsbilder als bei starkem Stress. Allerdings können die Leistungsvor-
aussetzungen ungünstig werden durch:

Stress ­ Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
28
·
Leichtsinnsfehler auf Grund von Erfolgssicherheit;
·
Resignation;
·
Apathisches Verhalten durch Sicht auf minimale Erfolgschancen.
3.
Die Situationsänderung ist von einem selbst abhängig.
Das heißt, man kann sich einer kritischen Situation nicht einfach entziehen, eine Situations-
verbesserung stellt sich nicht von alleine ein, sondern man muss Selbst etwas dafür tun. Man
erlebt sich als (mit-) verantwortlich für die weitere Situationsentwicklung. Stressverstärkend
wirkt dabei, wenn eine Person die Situationsänderung und die Entstehung der kritischen Si-
tuation auf sich selbst zurückführt. Man muss dann zugleich vorangegangene eigene Fehler
wieder wettmachen.
An diesen Feststellungen setzen sowohl Maßnahmen der Stressverstärkung als auch der
Stressverminderung an, nämlich durch Veränderung der subjektiven Bedeutung einer Situati-
on, ihrer subjektiven Bewältigung und der Zuschreibung der Selbst- und Fremdverantwort-
lichkeit für ihre Entstehung und Veränderung (vgl. Nitsch, 1987).
Eine weitere wichtige Differenzierung beschreibt Nitsch, wenn der Situationsbegriff noch
etwas genauer gefasst wird. Jede Situation ist durch drei Komponenten bestimmt:
1.
nämlich durch die eigene Person,
2.
die zu bewältigende Aufgabe
3. und die jeweiligen Rahmenbedingungen der materiellen und sozialen Umwelt (vgl.
Nitsch, 1987).
Die subjektive Einschätzung dieser Komponenten und ihrer Beziehung zueinander macht ei-
ne Situation mehr oder weniger stressend. So kann eine Stresssituation dadurch begründet
sein, daß man z. B. seine eigenen Fähigkeiten als unzureichend bewertet, die gestellte Auf-
gabe zu schwierig erscheint oder die Rahmenbedingungen, unter denen man sie zu bewälti-
gen hat, als besonders ungünstig betrachtet werden. Genau hier setzen wiederum die psycho-
logischen Maßnahmen der Stresskontrolle an. Durch die Veränderung des ,,Bildes", das man
von sich selbst, seinen Aufgaben und den Umweltbedingungen hat sowie durch Veränderung
der tatsächlichen Gegebenheiten. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei - personenbezogen -
die Änderung ungünstiger, aufgrund früherer Erfahrungen ausgebildeter Bewertungs- und
Erklärungsmuster, die realistische Einschätzung eigener Fähigkeiten, die Korrektur überzo-
gener, oft unerfüllbarer Ansprüche, die Verbesserung des Zielsetzungsverhaltens und der

Stress ­ Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
29
zeitlichen/inhaltlichen Organisation des eigenen Tagesablaufs. Aufgabenbezogen geht es vor
allem um eine angemessene Anforderungsdosierung und den Abbau überhöhten Zeitdrucks.
Unter den vielfältigen Möglichkeiten, die umweltbezogenen Rahmenbedingungen zu verbes-
sern, haben in psychologischer Sicht die Eröffnung eines angemessenen Handlungsspiel-
raums, der Abbau überhöhter Fremderwartungen, die auf die jeweilige Person abgestimmte
Verwendung von Lob oder Tadel und die Gestaltung des sozialen ,,Klimas" besondere Be-
deutung. Um die umweltbezogenen Rahmenbedingungen zu verbessern, werden gezielt Si-
mulationsprozesse in der erfahrenen SpringerInnen-Untersuchung eingesetzt. Maximaler
Stress wird häufig dann ausgelöst, wenn Ungewissheit darüber besteht, welche Anforderun-
gen auf einen zukommen, ob man ihnen dann gewachsen sein wird und welche Folgen
eintreten könnten (z.B. Fallschirmsprung mit Problemen). Der Akzent liegt darauf, ein
ausreichendes, d. h. gut strukturiertes Situationsbild aufzubauen, das auf die Aspekte
beschränkt ist, die ein zuversichtliches, schnelles und sicheres Entscheiden und Handeln
ermöglichen. Allgemeines Ziel ist es dabei, eine - gerade aus der Sicht des Betroffenen -
klare und angemessene Abstimmung der Personen-, Aufgaben- und Umweltfaktoren zu
erreichen. Eine solche optimale Abstimmung wird bei verschiedensten Tätigkeiten als
,,Aufgehen in der Sache" beschrieben und von Sportlern als ,,flow feeling" erlebt (vgl.
Nitsch, 1987). Mit dem Verständnis von Stress als besondere Lebenssituation ist schließlich
verbunden, dass man keineswegs zufällig in Stress gerät und ihm passiv ausgeliefert ist.
Wenn Stress von unseren selbstgesetzten Zielen, der Art, wie wir sie zu erreichen versuchen
und mit auftretenden Problemen umgehen, und nicht zuletzt von unseren
Situationsbewertungen abhängt, dann ist Stress nur bedingt unser Schicksal (vgl. Nitsch,
987).
1
Wird Stress als Prozess verstanden, so ergibt sich der zweite Aspekt des Stressbegriffs, näm-
lich der Versuch, sich auf eine kritische Situation einzustellen und sie zu bewältigen (vgl.
Nitsch, 1987). Die vorbereitende Mobilisierung des Organismus für die Bewältigung anste-
hender (Anpassungs-) Probleme ist der archaische biologische Sinn von Stress. Neben der
akuten Steigerung der körperlichen und geistigen Anpassungs- und Leistungsfähigkeit, ist ein
gewisses Maß an Stress zur grundsätzlichen Erhaltung und Verbesserung der Funktionstüch-
tigkeit, Verbesserung der allgemeinen körperlichen und psychischen Verfassung durch Trai-
ning notwendig. Für den Zugriff auf körperliche und psychische Leistungsreserven, d. h., um
das ,,Letzte aus sich herausholen" zu können, wie dies z. B. in lebensbedrohlichen Situatio-
nen notwendig ist und nicht nur für sportliche Höchstleistungen wichtig wird (z.B. Fall-
schirmsprung), ist Stress ebenfalls hilfreich (vgl. Nitsch, 1987).

Stress ­ Entstehungsbedingungen, Symptome, Maßnahmen
30
Stress entwickelt sich zum Leistungsrisiko, wenn trotz intensiver Anstrengung langfristig
keine Anpassung erreicht werden kann. Die Anpassungsreaktionen sind zu stark (Verlust der
Kontrolle über das Handeln durch zu hohe Aktivierung), die Anpassungsversuche unange-
messen (z. B. Entziehen der Probleme durch Meidung, Flucht, Verdrängung oder Verantwor-
tungsabschiebung), der Anpassungsaufwand zu hoch (Erschöpfung) und die Aufmerksamkeit
wird immer stärker auf die Kontrolle der Stresssymptome, statt auf die konstruktive Bewälti-
gung der Situation gelenkt (vgl. Nitsch, 1981). Die Zuwendung zu den eigenen Stresssym-
ptomen verstärkt das Stresserleben und verschlechtert zugleich die Voraussetzungen für die
Situationsbewältigung. Beides erhöht den Stress, verstärkt somit die entsprechenden Sym-
ptome, die nun die Aufmerksamkeit noch mehr auf sich ziehen. Dieser Punkt birgt die Gefahr
für die SpringerInnen.
Auf die insgesamt veränderte psychophysische Verfassung, die wir schon in der Alltagsspra-
che zutreffend damit beschreiben, dass wir ,,aus dem inneren Gleichgewicht geraten"
(Nitsch, 1987, S. 7) seien, bezieht sich der folgende Gesichtspunkt des Stressbegriffs. Durch
eine Reihe von Symptomen auf der physiologischen, der psychischen, der Verhaltens- und
der Leistungsebene wird die psychophysische Destabilisierung signalisiert. Stresssymptome
begründen sich auf der physiologischen Ebene im wesentlichen aus der Mobilisierung des
Organismus im Sinne der energetischen Vorbereitung auf Muskelarbeit und der Abwehr
schädlicher Einflüsse. Diese Mobilisierung ist maßgeblich durch die unspezifische Aktivie-
rung der Körperperipherie gekennzeichnet, die durch das vegetative Nervensystem (Sympa-
thikusinnervierung) erfolgt und der Hirnrinde durch das ,,Aufsteigende Retikuläre Aktivie-
rungssystem" (ARAS), sowie durch vielfältige hormonelle Veränderungen (Erhöhung des
Cortisolspiegels durch Anregung der Nebennierenrinden, vermehrte Ausschüttung der Kate-
cholamine Adrenalin und Noradrenalin durch das Nebennierenmark) bestimmt.
Drohender oder eingetretener Kontrollverlust und der Versuch der Wiedererlangung, lösen
auf der psychischen Ebene Symptome aus. Um die Situation in den Griff zu bekommen, wird
notfalls unter Verzicht auf Optimallösungen gehandelt. Charakteristisch für den kognitiven
Bereich ist die Beeinträchtigung der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -abgabe. Die
Konzentration ist zunehmend geschwächt, die Aufmerksamkeit auf die eigenen Stresssym-
ptome und die negativen Konsequenzen des Versagens, anstatt auf die eigentliche Aufgabe
ausgerichtet. Das Denken wird stereotyp, es stellen sich Gedankenleere oder Verwirrung ein.
Die Handlungsplanung verliert an Umsichtigkeit, während sich die Planungsperspektive ver-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832494308
ISBN (Paperback)
9783838694306
DOI
10.3239/9783832494308
Dateigröße
18 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – Psychologisches Institut
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
3,0
Schlagworte
sportpsychologie extremsport simulation stress unfall
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Titel: Entwicklung eines Sicherheitstrainings zur Unfallminimierung beim Fallschirmspringen
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