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Rationalisierung von Dienstleistungsarbeit

Strategien, Methoden und innerbetriebliche Konsequenzen

©2005 Diplomarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nahezu alle Dienstleister versuchen, den zunehmenden Markt- und Konkurrenzdruck rationalisierend zu verringern. Im Vergleich zu den hohen Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen ist ihr tatsächlicher Nutzen jedoch fraglich. Es bringen „etwa zwei Drittel aller Merger nicht die erhofften Ergebnisse....“ und sind „am Ende oft viel teurer als geplant oder sprengen den vereinbarten Zeitrahmen“. Darüber hinaus geht der Zustand nach Rationalisierung, der möglicherweise ökonomischer, rentabler und effizienter ist, für die abhängig Beschäftigten häufig mit einer Verschlechterung gegenüber dem vorherigen Zustand einher.
Gegenstand der Betrachtung dieser Arbeit ist die aktuelle Rationalisierungswelle in hochqualifizierten, wissensintensiven Dienstleistungsberufen. In dem sehr heterogenen Feld von Dienstleistungsanbieter ermöglicht diese Beschränkung eine aussagekräftige Beschreibung der konkreten Merkmale von und Anforderungen an Dienstleistungsarbeit.
Der Untersuchungsgegenstand umfasst komplexe Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung (F&E), Unternehmensberatung, Finanzdienstleistungen und Softwareentwicklung. Er betrifft ebenso Ingenieure, Anwälte und Architekten. Die von ihnen erstellten Leistungen dienen dem Endverbraucher, sind aber auch intermediärer Input für weitere Produktionsprozesse. Sie können gleichermaßen auf die Produktion von Sachgütern und von Diensten bezogen sein.
Das Rationalisierungshandeln qualifizierter Dienstleistungsanbieter bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Bewahren und Aufgeben ihres wichtigsten Kapitals – der menschlichen Arbeitskraft. Qualifizierte Mitarbeiter sind „Mitträger einer wichtigen Produktkomponente von Dienstleistungen“. Ihnen kommt eine Schlüsselfunktion zu. Als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden bilden sie aufgrund ihrer Qualifikationen und Eigenschaften eine wichtige Grundlage für das Angebot und die Entwicklung Kundenwünsche befriedigender Dienstleistungen. Deshalb müssen die Konsequenzen für die von Rationalisierung betroffenen Mitarbeiter immer berücksichtigt werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, wichtige Ursachen für das Fehlschlagen von Rationalisierung im Dienstleistungsbereich aufzuzeigen. Die zentrale Fragestellung lautet: Warum sind Rationalisierungsmaßnahmen im Bereich qualifizierter Dienstleistungen innerbetrieblich so wenig erfolgreich? Die Hypothese dazu ist, dass Unternehmen nach Mustern rationalisieren, die den spezifischen Charakter von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9292
Müller, Ria: Rationalisierung von Dienstleistungsarbeit - Strategien, Methoden und
innerbetriebliche Konsequenzen
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Universität Lüneburg, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


,,Eine Dienstleistung ist eine Aktivität, und es ist in der Regel schwer,
die Aktivität vom handelnden Menschen zu trennen."
(Berry/Parasuraman 1999, 89)

R
ATIONALISIERUNG
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
I
NHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS...V
TABELLENVERZEICHNIS... VI
EINLEITUNG... 1
Hintergrund und Fragestellung... 1
Aufbau der Arbeit... 2
1 DIE SITUATIONSLOGIK VON DIENSTLEISTUNGSARBEIT...4
1.1 Verständnis: Hochqualifizierte, wissensintensive Dienstleistungen...4
1.2 Arbeitsbedingungen...5
1.2.1 Aufgabeninhalte und Organisation von Anwälten, Architekten und Steuer-
beratern...6
1.2.2 Typische Beschäftigungsverhältnisse...7
1.2.3 Selbstverständnis der Arbeitnehmer...8
1.3 Allgemeine Kenngrößen der Leistungserstellung...10
1.3.1 Integration des Externen Faktors...11
1.3.2 Notwendigkeit des Kontaktes...12
1.3.3 Immaterialität des Leistungsergebnisses...12
1.3.4 Individualität des Leistungsergebnisses...13
1.3.5 Zwischenfazit...14
1.4 Tätigkeitsmerkmale...14
1.4.1 Wissensintensive, komplexe Arbeitsaufgaben...14
1.4.2 (Kreativer) Problemlösungsprozess...15
1.4.3 Kommunikative und interaktive Leistungserstellung...16
1.4.4 Projektcharakter...16
1.4.5 Zwischenfazit...17
1.5 Personale Arbeitsanforderung: eine besondere Verhaltensleistung...17
1.5.1 Einsatz­ bzw. Leistungsbereitschaft...19
1.5.2 Kompetenz...19
1.5.3 Lernorientierung...20
1.5.4 Loyalität...20
1.6 Fazit...21
III

R
ATIONALISIERUNG
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
2 DIE HANDLUNGSLOGIK BETRIEBLICHER RATIONALISIERUNG...22
2.1 Das Grundprinzip von Rationalisierung...22
2.2 Betriebliches Rationalisierungshandeln...23
2.2.1 Begriffsverständnis...23
2.2.2 Übergeordnete Handlungsmotive...25
2.2.3 Zentrale Handlungsmuster...26
2.2.4 Welche Dynamik ist Rationalisierung inhärent?...33
2.3 Fazit...35
3 DAS WESEN DER DIENSTLEISTUNGSRATIONALISIERUNG...37
3.1
Strategien und Methoden...37
3.1.1 Vermarktlichung/Ökonomisierung...38
3.1.2 Dezentralisierung von Kompetenz und Verantwortung...39
3.1.3 Kostensenkung...42
3.1.4 Zwischenfazit:...44
3.2
Mit weniger mehr...45
3.3
Fazit...46
4 ERFOLGSMESSUNG TROTZ BEGRENZTER RATIONALITÄT...47
4.1
Rationalität und Rationalisierung: Zwei Paar Schuhe?...48
4.2
Rationalisierungs­ und Geschäftserfolg: Ein Zusammenhang?...49
4.3
Kriterien innerbetrieblich erfolgreicher Dienstleistungsrationalisierung...51
5 BEWERTUNG DER INNERBETRIEBLICHEN KONSEQUENZEN...52
5.1
Auswirkungen von Downsizing-Maßnahmen...52
5.2
Auswirkungen von Offshoring-Entscheidungen...54
5.3
Fazit...55
6 WARUM IST DIENSTLEISTUNGSRATIONALISIERUNG INNERBETRIEBLICH
SO WENIG ERFOLGREICH?...56
QUELLENVERZEICHNIS...VII
Literatur...VII
Internet...XV
IV

R
ATIONALISIERUNG
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
A
BBILDUNG
1: S
CHEMATISCHER
A
UFBAU
DER
A
RBEIT
... 3
A
BBILDUNG
2: A
UFEINANDERBEZOGENHEIT
DER
R
ATIONALISIERUNGSTYPEN
... 33
A
BBILDUNG
3: I
DENTIFIZIERTE
R
ATIONALISIERUNGSSTRATEGIEN
UND
­
METHODEN
IM
D
IENSTLEISTUNGSBEREICH
... 45
V

R
ATIONALISIERUNG
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
T
ABELLENVERZEICHNIS
T
ABELLE
1:
S
PEZIFIKATION
DER
V
ERHALTENSLEISTUNG
... 18
T
ABELLE
2:
M
ERKMALE
TAYLORISTISCHER
R
ATIONALISIERUNG
... 28
T
ABELLE
3:
M
ERKMALE
SYSTEMISCHER
R
ATIONALISIERUNG
... 30
T
ABELLE
4:
M
ERKMALE
KOMMUNIKATIVER
R
ATIONALISIERUNG
... 32
T
ABELLE
5:
S
YSTEMATIK
ELEMENTARER
R
ATIONALISIERUNGSMUSTER
... 35
T
ABELLE
6:
V
ERMARKTLICHUNG
VERFOLGENDE
R
ATIONALISIERUNGSMETHODEN
... 39
T
ABELLE
7:
Z
UR
D
EZENTRALISIERUNG
EINGESETZTE
R
ATIONALISIERUNGSMETHODEN
... 41
T
ABELLE
8:
Z
UR
K
OSTENSENKUNG
EINGESETZTE
R
ATIONALISIERUNGSMETHODEN
... 42
VI

E
INLEITUNG
E
INLEITUNG
H
INTERGRUND
UND
F
RAGESTELLUNG
Nahezu alle Dienstleister
1
versuchen, den zunehmenden Markt­ und Konkurrenzdruck
(Sauer 2003, 6) rationalisierend zu verringern. Im Vergleich zu den hohen Investitionen
in Rationalisierungsmaßnahmen ist ihr tatsächlicher Nutzen jedoch fraglich. Es bringen
,,etwa zwei Drittel aller Merger nicht die erhofften Ergebnisse..." und sind ,,am Ende
oft viel teurer als geplant oder sprengen den vereinbarten Zeitrahmen" (Claßen 2005,
71). Darüber hinaus geht der Zustand nach Rationalisierung, der möglicherweise ,,öko-
nomischer, rentabler und effizienter ist, (...) für die abhängig Beschäftigten häufig mit
einer Verschlechterung gegenüber dem vorherigen Zustand einher" (Jansen/Köhler
1996, 22). Das zeigt sich unter anderem daran, dass Rationalisierungsprozesse ,,nerven
und hakeln, sie sind sperrig und träge, vergeuden Zeit und Geld" (Capgemini 2004, 46).
Gegenstand der Betrachtung dieser Arbeit ist die aktuelle Rationalisierungswelle in
hochqualifizierten, wissensintensiven Dienstleistungsberufen.
2
In dem sehr heterogenen
Feld von Dienstleistungsanbieter ermöglicht diese Beschränkung eine aussagekräftige
Beschreibung der konkreten Merkmale von und Anforderungen an Dienstleistungs-
arbeit. Der Untersuchungsgegenstand umfasst komplexe Tätigkeiten in Forschung und
Entwicklung (F&E), Unternehmensberatung, Finanzdienstleistungen und Softwareent-
wicklung. Er betrifft ebenso Ingenieure
3
, Anwälte und Architekten. Die von ihnen
erstellten Leistungen dienen dem Endverbraucher, sind aber auch ,,intermediärer Input
für weitere Produktionsprozesse" (Littek 1991, 270). Sie können gleichermaßen auf die
Produktion von Sachgütern und von Diensten bezogen sein. Das Rationalisierungs-
handeln qualifizierter Dienstleistungsanbieter bewegt sich auf dem schmalen Grat
zwischen Bewahren und Aufgeben ihres wichtigsten Kapitals ­ der menschlichen
Arbeitskraft. Qualifizierte Mitarbeiter sind ,,Mitträger einer wichtigen Produkt-
komponente von Dienstleistungen" (Oberbeck 2001, 77). Ihnen kommt eine Schlüssel-
funktion zu (Wilkens 2004, Erbel 2003, Bettencourt/ Gwinner/Meuter 2001, Horstmann
2001, Weiss/Udris 2001, Berry/Parasuraman 1999). Als ,,Schnittstelle" zwischen
Unternehmen und Kunden bilden sie aufgrund ihrer Qualifikationen und Eigenschaften
eine wichtige Grundlage für das Angebot und die Entwicklung Kundenwünsche
1
Als Dienstleister werden im Folgenden Dienstleistungsanbieter bzw. Dienstleistungsunternehmen
verstanden. Die in ihnen Beschäftigten werden auch als Mitarbeiter bezeichnet.
2
Auf diese Tätigkeiten wird im Folgenden als qualifizierte Dienstleistungsarbeit verwiesen.
3
Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird im Folgenden auf MitarbeiterInnen in Dienst-
leistungsunternehmen und andere Personen und Personengruppen in der männlichen Form verwiesen.
1

E
INLEITUNG
befriedigender Dienstleistungen. Deshalb müssen die Konsequenzen für die von
Rationalisierung betroffenen Mitarbeiter immer berücksichtigt werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, wichtige Ursachen für das Fehlschlagen von Rationalisierung
im Dienstleistungsbereich aufzuzeigen. Die zentrale Fragestellung lautet: Warum sind
Rationalisierungsmaßnahmen im Bereich qualifizierter Dienstleistungen innerbetrieb-
lich so wenig erfolgreich? Die Hypothese dazu ist, dass Unternehmen nach Mustern
rationalisieren, die den spezifischen Charakter von Dienstleistungsarbeit ignorieren.
Insbesondere misslingt es ihnen, die Verhaltensleistung der Mitarbeiter während und
nach Rationalisierung zu sichern.
Die vorliegende Arbeit basiert auf der Analyse einschlägiger empirischer Unter-
suchungen und dem Studium aktueller Fachliteratur der Organisationssoziologie, Perso-
nalforschung, Psychologie und der Wirtschaftswissenschaften i m Allgemeinen. Die
Autorin untersucht die Form, d.h. das ,,Wie" der Rationalisierung. Anstelle konkreter
Handlungsanleitungen liefert sie einen ,,Denkrahmen", der die Alternativen der Ziel-
erreichung aufzeigt.
4
Um das theoretische Thema für den Leser anschaulich zu gestalten,
werden wichtige Aussagen anhand von Beispielen aus der aktuellen Unternehmens­ und
Managementpraxis illustriert.
A
UFBAU
DER
A
RBEIT
Der Aufbau dieser Arbeit wird anhand der Inhalte der einzelnen Kapitel beschrieben
und in Abbildung 1 veranschaulicht.
Das Kapitel 1 bildet die Basis der Argumentation. Hier wird die Situationslogik von
Dienstleistungsarbeit typisierend beschrieben. Gegenstand der Betrachtung sind die
allgemeinen Dienstleistungscharakteristika sowie die Bedingungen des Erstellungs-
prozesses hochqualifizierter, wissensintensiver Dienstleistungen. Auf der Grundlage der
identifizierten Tätigkeitsmerkmale wird die zur Erbringung von Dienstleistungsarbeit
notwendige personale Arbeitsanforderung abgeleitet.
Ziel des zweiten Kapitels ist es, die hinter betrieblicher Rationalisierung stehende Hand-
lungslogik zu beschreiben. Dazu ist das Grundprinzip der Rationalisierung zu erläutern,
bevor in einem weiteren Schritt die allgemeinen Beweggründe und die zentralen
4
Der Autorin liegt fern zu argumentieren, ob oder ob nicht rationalisiert werden soll. Aus den
vielfältigen, wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Organisationen und ihrer Umwelt erwachsen
,,Sachzwänge" für betriebliche Rationalisierung, die hier nicht ob ihrer Gerechtfertigtheit geprüft
werden können und sollen.
2

E
INLEITUNG
Handlungsmuster betrieblicher Rationalisierung betrachtet werden. Zusätzlich wird
erklärt, mit welcher Dynamik Rationalisierungshandeln einher geht.
Dienstleistungsarbeit wird in Kapitel 3 vor dem Hintergrund betrieblicher Rationalisie-
rungslogik beleuchtet. Hier zeigt sich das Wesen der Dienstleistungsrationalisierung, die
heute auch in hochqualifizierten Berufen gängige Praxis unternehmerischen Handelns
ist. Von den Rationalisierungszielen ausgehend, werden die Strategien und Methoden
erläutert, mit denen heute im Dienstleistungsbereich rationalisiert wird.
Das vierte Kapitel hat die Funktion eines Exkurses. Zur Beantwortung der zentralen
Fragestellung dieser Arbeit ist es unumgänglich, die Kriterien zur Messung erfolgreicher
Dienstleistungsrationalisierung festzulegen. Diese Aufgabe gestaltet sich aufgrund der
Begrenztheit individueller rationaler Entscheidungen und des auf qualitativen Faktoren
beruhenden Zusammenhangs zwischen Rationalisierungs­ und Geschäftserfolg
schwierig. Der ,,weiche" Charakter der verwendeten Erfolgsindikatoren lässt den Zirkel
als Symbol der Darstellung geeignet erscheinen.
Im fünften Kapitel wird beschrieben, mit welchen konkreten innerbetrieblichen Konse-
quenzen Downsizing und Offshoring einher gehen. Vor diesem Hintergrund werden
Aussagen über den Erfolg von Dienstleistungsrationalisierung getroffen. Dieser Arbeits-
schritt der Erfolgsmessung bzw. ,,Abtragens" wird in Abbildung 1 als gestrichelte Linie
dargestellt. Das Fehlschlagen bzw. der ,,Misserfolg" von Rationalisierungsmaßnahmen
äußert sich in der Differenz zwischen den zur Erstellung von Dienstleistungsarbeit
erforderlichen und den praktisch realisierten personalen Funktionskriterien.
3
Abbildung 1: Schematischer Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
Das Kapitel 6 bildet den Abschluss dieser Arbeit. Es dient der Zusammenfassung der
gewonnenen Erkenntnisse und der Beantwortung der Fragestellung. Die zusammenge-
tragenen Informationen erlauben darüber hinausreichende Schlussfolgerungen.
1 D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
Das Anliegen dieses Kapitel ist es, die Bedeutung des mit-
arbeiterseitigen Verhaltens für das Wesen qualifizierter
unternehmensbezogener Dienstleistungsarbeit zu erklären.
Dazu erscheint ein Vorgehen zielführend, welches die
,,objektive" Situation unter Einbeziehung der subjektiven
Motive und Einstellungen aller Akteure typisierend beschreibt. Eine solche Heran-
gehensweise formuliert das Konzept der Situationslogik von Popper (1977, 114ff.). An
ihm orientiert sich die Argumentation dieses Kapitels, wendet es jedoch nicht in seiner
gesamten Komplexität an. Die Dienstleistungserstellung wird von einer Vielzahl tief
liegender Bedingungen materieller, institutioneller, individueller und kultureller Art
bestimmt (Esser 1999, 388), deren vollständige Berücksichtigung nicht im Rahmen
einer Diplomarbeit zu leisten ist. Ein Verständnis der Situationslogik qualifizierter
Dienstleistungsarbeit wird durch die Beschreibung der Arbeitssituation in hochquali-
fizierten, wissensintensiven Dienstleistungsberufen aufgebaut. Hier werden zunächst die
Bedingungen von Arbeit und Beschäftigung betrachtet sowie das Selbstverständnis der
Arbeitnehmer versucht zu beschreiben. Aus diesen Erkenntnissen und den allgemeinen
Kenngrößen der Dienstleistungserstellung werden die charakteristischen Tätigkeits-
merkmale von Dienstleistungsarbeit abgeleitet. In einem abschließenden Schritt wird die
wesentliche personale Arbeitsanforderung identifiziert: Die besondere mitarbeiterseitige
Verhaltensleistung ist die zentrale Voraussetzung für die Erstellung qualifizierter
Dienstleistungen.
1.1
V
ERSTÄNDNIS
: H
OCHQUALIFIZIERTE
,
WISSENSINTENSIVE
D
IENSTLEISTUNGEN
Zur Überprüfung der Untersuchungsthese dieser Arbeit ist zu erklären, was den spezi-
fischen Charakter von Dienstleistungsarbeit ausmacht. Dienstleistungen sind immer
mehr oder weniger individuell, stofflich und spezialisiert. Sie sind derart heterogen in
ihrem Zweck, ihrer Gestalt und ihrem Ergebnis, dass der Charakter von Dienstleistungs-
tätigkeiten nicht allgemein zu beschreiben ist. Er wird über die fachliche Kompetenz der
Mitarbeiter hinaus durch deren Selbstverständnis, Engagement usw. geprägt, variiert
4

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
jedoch unter anderem in Abhängigkeit von der Komplexität der Dienstleistung. Eine
inhaltliche Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes erscheint sinnvoll.
Aus den genannten Gründen bezieht sich die weitere Argumentation auf die Arbeits-
situation in hochqualifzierten, wissensintensiven Dienstleistungsberufen. Wissensarbeit
gilt als intellektuelle Tätigkeit (Amar 2002), was bedeutet, dass Wissensarbeit auch in
der Wissensnutzung bei der Berufsausübung besteht. Als Wissensarbeiter werden
deshalb Arbeitnehmer bezeichnet, deren Beschäftigung in engem Zusammenhang mit
der Produktion und Verbreitung von Wissen steht. Sie werden aufgrund ihrer hohen
fachlichen Qualifikationen, häufig Fachhochschul­ oder Hochschulabschlüsse, auch als
,,wissenschaftlich-qualifizierte Berufsgruppen" (Trautwein-Kalms 1991, 225) bezeich-
net.
Untersuchungsgegenstand sind im Folgenden wissensintensive Tätigkeiten und
Professionen des Kredit­ und Versicherungsgewerbes, Datenverarbeitung und Daten-
banken (IT-Dienstleister), F&E sowie Anwaltschaft, Architektur, Steuerberatung. Hier
kann auf aktuelle empirische Studien zurückgegriffen werden.
Zum besseren Verständnis wird an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass quali-
fizierte, wissensintensive Dienstleistungstätigkeiten nicht ausschließlich von klassischen
Dienstleistern erbracht, sondern zunehmend auch im industriellen Sektor ausgeübt
werden. Der Anteil der hier Beschäftigten bzw. des hier geleisteten Arbeitsvolumens
übersteigt in Deutschland wie in vielen anderen europäischen Staaten den im Dienst-
leistungssektor (Wagner 2003, 38).
5
Diese ,,marktbezogenen Dienstleistungsbereiche in
Industrieunternehmen" (Rock/Ulrich/Witt 1990, 143) haben ,,nichts anderes zum Inhalt,
als die Voraussetzungen für die Güterproduktion zu schaffen, sie zu organisieren, zu
vermarkten und abzusichern" (Rock/Ulrich/Witt 1990, 32). Zu ihnen zählen ,,die
meisten Beratungsfirmen sowie EDV-Unternehmen und Werbeagenturen" (Baethge
1996, 17).
1.2
A
RBEITSBEDINGUNGEN
Eine Vielzahl organisationaler (extrapersonaler) Faktoren beeinflusst die Arbeitsleistung
der Mitarbeiter. Im Folgenden werden die organisatorischen Rahmenbedingungen be-
schrieben, unter denen qualifizierte Dienstleistungsarbeit heute stattfindet. Konkrete
Aufgabeninhalte und daraus sich ergebende Anforderungen bzw. Organisationsformen
werden hier exemplarisch für Anwälte, Architekten und Steuerberater beschrieben.
5
Diese Entwicklung wird als funktionale Tertiarisierung bezeichnet.
5

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
Anschließend wird die in qualifizierten Dienstleistungen typischen Beschäftigungsver-
hältnisse betrachtet, bevor in Abschnitt 1.2.3 versucht wird, ganz allgemein das Selbst-
verständnis der Arbeitnehmer wiederzugeben.
1.2.1
1.2.1
Aufgabeninhalte und Organisation von Anwälten, Architekten und Steuer
Aufgabeninhalte und Organisation von Anwälten, Architekten und Steuer
-
-
beratern
beratern
Die Tätigkeit von Anwälten besteht heute zu großen Bestandteilen aus Beratung und
Vertragsgestaltung (so genannte ,,Brokertätigkeiten") mit besonderem Fokus auf außer-
gerichtliche und internationale Austauschprozesse. Sie wird darüber hinaus dadurch
geprägt, dass es erforderlich wird, neue Märkte zu erschließen und neue Klienten-
gruppen zu gewinnen. Dementsprechend haben Anwälte ein vielfältiges Aufgaben-
spektrum zu bewältigen, ,,das zusätzliche Spezialisierungen und weitgreifende Koopera-
tionen mit sich bringt" (Jacobsen/Voswinkel 2003, 70). Im Zuge der Vereinheitlichung
des europäischen Marktes stieg der Bedarf für verdichtete, netzwerkartige Kooperation
(Jacobsen/Voswinkel 2003, 71). Aus diesem Grund etablierten sich große, überregional
tätige Kanzleien (Sozietäten), die aufgrund ihrer Organisationsform in der Lage sind
großräumig und flexibel zu agieren und komplexe Aufgaben bewältigen können
(Jacobsen/Voswinkel 2003, 70). Die von ihnen erbrachten Leistungen unterliegen einem
Anforderungsspektrum zwischen Standardisierung und Qualitätssicherung (Jacob-
sen/Voswinkel 2003, 71). Gefordert sind vor allem personenbezogene Kompetenzen
wie Beratungs­ und Kommunikationsfähigkeit (Jacobsen/Voswinkel 2003, 71).
Architekten weisen einen hohen Spezialisierungsgrad auf. Die von ihnen bearbeiteten
Inhalte erfordern hohe Fachkenntnis, während sie gleichzeitig gefordert sind, die mit der
Planung von Bauvorhaben verbundene Komplexität zu bewältigen (Jacobsen/Voswinkel
2003, 72). Ihre Rolle ist zunehmend die des Organisators und Koordinators. Die
konkreten Arbeitsabläufe sind meist durch die gleichzeitige Erfüllung mehrerer Projekte
gekennzeichnet. ,,Damit erodiert die traditionell ,hybride' Rolle des Architekten und vor
allem für kleine Architekturbüros wird es notwendig, Expertise von außen einzukaufen
oder (temporäre) Projektgemeinschaften einzugehen" (Jacobsen/Voswinkel 2003, 72).
Vor dem Hintergrund der derzeitigen Vergabepraxis von Projektaufträgen ist der
intensive fachliche Austausch mit Architektur-Kollegen nahezu zwingende Voraus-
setzung zur Existenzsicherung (Jacobsen/Voswinkel 2003, 72).
In der Steuerberatung gewinnt die qualifizierte Beratung und umfassende Betreuung
bezüglich betriebswirtschaftlicher Probleme zugunsten der eigentlichen steuerberaten-
6

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
den Tätigkeiten an Bedeutung (Jacobsen/Voswinkel 2003, 72). Um den beruflichen
Anforderungen an Komplexität, Spezialisierung, Internationalisierung und Flexibilität
sowie fachlichem und persönlichem Unterstützungsbedarf gerecht zu werden, haben
sich im Bereich der Steuerberatung ebenfalls neue Formen der Kooperation und
Organisation als notwendig herausgestellt. Beispielsweise ermöglicht die intensivere
Nutzung neuer Medien, wie Rechtsdatenbanken, einen schnelleren Zugang zu
benötigten Informationen (Jacobsen/Voswinkel 2003, 72). Die wachsende Komplexität
der Aufgabenbewältigung erfordert Kooperationen, entweder im Verbund von
Spezialisten auf einzelnen Gebieten oder in der Art einer Universalberatung innerhalb
einer einzigen Gesellschaft. Die Bildung größerer Gesellschaften und Sozietäten, in
denen Steuerberater gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten arbeiten,
setzt sich aus diesem Grund durch (Jacobsen/Voswinkel 2003, 72).
1.2.2
1.2.2
Typische Beschäftigungsverhältnisse
Typische Beschäftigungsverhältnisse
Hohe inhaltliche und soziale Arbeitsanforderungen treffen in den hier betrachteten
Dienstleistungsberufen auf flexibel gestaltete oder auch entsicherte Beschäftigungs-
verhältnisse (Sauer 2003, 23). Sie betreffen v.a. die Arbeitsverträge und ­zeiten.
Zu den Grundlagen der Beschäftigung in den ,,Büroberufen" gehört traditionell ein
unbefristetes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Mit einer gewissen Ver-
zögerung gegenüber anderen Dienstleistungsarbeitsbereichen verliert diese stark regu-
lierte Form der Beschäftigung gegenwärtig an Gewicht. Wie in der restlichen Wirtschaft
werden heute häufig befristete Verträge ausgestellt. Vor allem im Software-Bereich und
der Unternehmensberatung arbeiten so genannte freelancer. Das sind Selbständige, die
für einen festgelegten Zeitraum mit der Erfüllung konkreter Projekte betraut werden. Sie
haben in der Regel keiner oder geringe Anbindung an die restliche Organisation, was
sich auch darin niederschlägt, dass sie per se keine Ansprüche auf eigene Büroräume,
Urlaub oder Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall haben. Die Ausgestaltung der
Arbeitsverträge unterliegt insbesondere in kleinen und kleinsten Unternehmen ,,nicht
mehr ohne weiteres den gesetzlichen und tariflichen Regelungen" (Heß/Jacobsen 1999,
10). Ebenso wie die feste Vereinbarung von Arbeitszeiten verliert das feste
Monatsgehalt an Gewicht. Denn in der Regel ist eine objektive Bestimmung von
,,Leistung" an vielen Dienstleistungsarbeitsplätzen schwierig. In den Mittelpunkt der
Bewertung und Kontrolle der Leistung rückt statt dessen das Ergebnis der Arbeit.
Unternehmen und Beschäftigte vereinbaren Ziele ,,über das in einem bestimmten
Zeitraum zu erbringende Arbeitsergebnis" (Heß/Jacobsen 1999, 18). Diese Zielverein-
7

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
barungen werden den vielfältigen zu bewältigenden Arbeitsaufgaben eher gerecht und
kommen als Führungsinstrument immer häufiger zum Einsatz. In der Folge werden
Arbeitsentgelte meist individuell ausgehandelt. Woran es derzeit noch mangelt sind
,,Formen der Entgeltfindung, die Elemente erfolgsabhängiger Bezahlung mit Mindest-
standards sozialer Sicherung verbinden" (Heß/Jacobsen 1999, 18).
,,Flexible Arbeitszeiten haben in den Büroberufen eine gewisse Tradition" (Heß/Jacob-
sen 1999, 17): hier wurden mit Gleitzeitregelungen erste Formen der Individualisierung
von Arbeitszeiten umgesetzt. Viele Beschäftigte in qualifizierten Dienstleistungsberufen
teilen sich ihre Arbeitszeiten im Unternehmen unabhängig von den Betriebszeiten selbst
ein. Dies ist häufig im Sinn der Geschäftsführung, ,,solange der Betriebsablauf nicht
gestört und das Arbeitsergebnis termin­ und anforderungsgerecht geliefert wird"
(Trautwein-Kalms 1991, 222). Mitunter sind jedoch unternehmensseitig so genannte
,,Kernarbeitszeiten" festgelegt, in denen die Anwesenheit der Mitarbeiter explizit
erwünscht ist.
,,Flexible Arbeitszeiten und ­orte, unsichere Auftragslagen, schwer konkret zu definie-
rende Leistungsanforderungen und ­inhalte führen dazu, dass der Arbeitsplatz häufiger
als in anderen Berufen gewechselt wird. Die Beschäftigten haben Bewältigungs-
strategien zum Umgang mit diesen Unsicherheiten entwickelt. Das geht soweit, dass die
Beschäftigten sich für ihre Employability (...) selbst verantwortlich" (Wilkens 2004,
191) sehen.
1.2.3
1.2.3
Selbstverständnis der Arbeitnehmer
Selbstverständnis der Arbeitnehmer
Die Arbeitnehmer identifizieren sich vorrangig über ihre Arbeitsaufgabe. Sie wird von
ihnen als besonders interessant, erfüllend und zufriedenstellend erlebt. Diese Orientie-
rung wird begleitet vom Interesse an der Beschäftigung mit neuen Techniken und
Informationen (Lernorientierung). Aus dem Arbeitsinhalt erwächst eine ,,sehr hohe
Eigenmotivation" (Jäger 1999, 136), die mit selbstverantwortlichem und aufgabenbezo-
genem Handeln einher geht (Müller/Bierhoff 1994, 370) und damit prinzipiell hoch-
wertige Dienstleistungsarbeit und Innovationen ermöglicht. Es ist bereits angeklungen,
dass die Mitarbeiter in qualifizierten Dienstleistungsberufen bereit sind, länger und
flexibel zu arbeiten, sich in atypischen Arbeitsverhältnissen zu bewegen und eine
Patchwork-Biographie zu verfolgen, sie zumindest als Karriereweg in Betracht zu
ziehen. Dieses so genannte Extra-Rollenverhalten, das über die vertraglich festgelegten
Inhalte hinaus geht (Müller/Bierhoff 1994, 368), unterstützt im Allgemeinen auch das
8

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ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
effektive Funktionieren der Organisation. Erst durch funktionales Extra-Rollenverhalten
können Projektpartner interagieren oder die Qualität der Dienstleistung dem Kunden
gegenüber kommunizieren (Matiaske/Weller 2003, 96).
Um die Einstellungen der Arbeitnehmer konkreter zu veranschaulichen, wird hier auf
die Ausführungen von Wilkens (2004, 105) zurückgegriffen. Sie bezieht sich auf die
von Kotthoff (1998) empirisch ermittelten Einstellungen und Erwartungen der Mitarbei-
ter qualifizierter Dienstleister, die:
- ,,eine identifizierbare Adresse für ein bestimmtes Aufgaben­ oder Kompetenzfeld sein
wollen
- nach sozialen Kontakten; dazu zählen Kollegenkontakte (Arbeitsklima) streben und
Ressortkontakte, die dem Bedürfnis nach Macht und Einfluss Rechnung tragen
- nach hoher Autonomie streben
- ein prozessförderndes, leistungsstimulierendes Umfeld erwarten und
- vom Top Management und ihren direkten Vorgesetzten ein ebenso hohes Commit-
ment und Involvement erwarten, wie sie selber in die Organisation einbringen"
(Wilkens 2004, 105).
Das Prinzip der Selbstorganisation fordert die Beschäftigten förmlich zu unternehme-
rischem Handeln auf, weshalb die zahlreichen, o.g. Anforderungen ,,im Dienstleistungs-
bereich auf eine gewisse Tradition des Einzelkämpfertums" (Heß/Jacobsen 1999, 17)
treffen. Mit Fachkollegen bestehen eher lose, informelle Kontaktstrukturen. Damit
gewinnen jedoch inner­ und außerbetriebliche personale Vernetzungen an Bedeutung
(Jacobsen/Voswinkel 2003, 75f.). Die stark ausgeprägte Individualität der Beschäftigten
stellt auf zweifache Weise einen zentralen produktiven Faktor im Dienstleistungsbe-
reich: Unternehmen setzen implizit voraus, dass die für die Erfüllung der Arbeitsauf-
gaben notwendige Selbständigkeit auch für die Steuerung der eigenen Arbeitskraft und
Leistungsverausgabung eingesetzt wird. Zum anderen fordern sie im Arbeitsprozess die
subjektiven, individuellen Ressourcen menschlicher Arbeitskraft ein, die traditionell in
der privaten Lebenssphäre liegen. Kreative, problemlösende und kommunikative Fähig-
keiten, Motivation und Engagement werden intensiv und explizit ökonomisch genutzt.
Dabei ,,scheinen sie sich darauf verlassen zu können, daß die Menschen das Leistungs-
prinzip internalisiert haben" (Siegel 1995, 193).
9

D
IE
S
ITUATIONSLOGIK
VON
D
IENSTLEISTUNGSARBEIT
Die besprochenen Prozesse der Subjektivierung und Flexibilisierung von Arbeit werden
von Prozessen einer neuen Objektivierung und Standardisierung überformt. Neue
Steuerungs­ und Anreizsysteme setzen und kontrollieren in indirekter Form Leistungs-
ziele und objektivieren auf diese Weise die Arbeitskontrolle. Ohnehin reduzieren die
kontinuierlich anfallenden Statusberichte, Projektkonferenzen und Deadlines in der
Praxis die Wahrscheinlichkeit auf autonome, individuelle Selbststeuerung. Vereinheit-
licht und standardisiert werden Dienstleistungsangebote und Dienstleistungs-
beziehungen durch Entpersonalisierung (Oberbeck 2001, 77). Die hier nur ansatzweise
beschriebene aktuelle Arbeitssituation in qualifizierten Dienstleistungsberufen bezeich-
net Sauer (2003, 23) als industrialisiert mit erheblichen Folgen für Leistungsdruck,
Arbeitshetze und Gesundheitsverschleiß.
1.3
A
LLGEMEINE
K
ENNGRÖSSEN
DER
L
EISTUNGSERSTELLUNG
Als Hauptaufgabe von Dienstleistungen wird die Befriedigung eines persönlichen
Bedürfnisses verstanden: ,,Der Bediente tritt mit dem spezialisierten Dienstleister in
Kontakt, beide mit dem Ziel, das Problem des Bedienten zu lösen" (Nerdinger 1994,
46f.). Darüber hinaus fällt die exakte definitorische Bestimmung des Dienstleistungs-
begriffs aus mehreren Gründen schwer: Zum einen existieren Dienstleistungen in so
großer Vielfalt, dass bereits die Einteilung in homogene Klassen und Typen eine
Herausforderung darstellt. Sie sind andererseits ,,auf komplizierte Weise miteinander
und mit der Produktion verzahnt" (Jäger 1999, 128). Institutionell repräsentieren
Dienstleistungen wiederum alles, ,,was nicht zur industriellen (...) Produktion gehört"
(Hentschel 1992, 19) und erscheinen damit als ,,abhängige Variablen des sekundären
Bereichs" (Cornetz 1991, 35). Entsprechend dieser Denkweise erfasst die amtliche
Statistik die Entwicklung der Erwerbstätigkeit im und die wirtschaftliche Bedeutung des
Dienstleistungssektors mit Hilfe der von Clark (1960, 253ff.) entwickelten Sektoren-
gliederung und subsummiert sämtliche produktions­, konsum­ und personenbezogenen
Dienstleistungen in der Kategorie ,,Sonstige Dienstleistungen". Für die weitere Argu-
mentation ist diese Einteilung wenig aussagekräftig, da sie unternehmensintern erstellte
Dienstleistungen wie F&E vernachlässigt. Der Sektorengliederung der amtlichen
Statistik fehlt der unmittelbare Bezug auf die dienstleistenden Mitarbeiter und deren
Funktionen. Mit ihrer Hilfe lassen sich weder direkte Rückschlüsse auf den tatsäch-
lichen Charakter der Tätigkeiten noch die Qualität der Arbeitsplätze ziehen. Im weiteren
Verlauf der Argumentation wird deshalb von der rein institutionellen Sichtweise
Abstand genommen. Im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit erscheint die
10

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2005
ISBN (eBook)
9783832492922
ISBN (Paperback)
9783838692920
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Note
1,3
Schlagworte
arbeitnehmer personal veränderung organisation
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Rationalisierung von Dienstleistungsarbeit
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