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Vertragsanpassung und Streitbeilegung bei internationalen Bauprojekten auf Basis der FIDIC-Standardvertragsmuster

Ein Vergleich mit den deutschen Regelungen der VOB/B

©2005 Diplomarbeit 314 Seiten

Zusammenfassung

Die Abwicklung von Bauverträgen erfolgt in den industrialisierten Ländern bzw. bei Großprojekten unabhängig von ihrer geografischen Orientierung stets unter dem Gesichtspunkt besonderer Rahmenbedingungen, die man als strukturelle Besonderheiten der Bauprojektentwicklung bezeichnen kann. Jedoch stehen diesen Rahmenbedingungen national unterschiedliche Branchen-, Organisations- und Vertragsstrukturen zur Projektabwicklung gegenüber. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Situation der Projektbeteiligten in Deutschland derzeit nicht allein aufgrund konjunktureller Einflussfaktoren problematisch. Gewandelte Rahmenbedingungen der Bauwirtschaft zeigen zurzeit deutlich, dass hier die traditionellen Modelle der Vertragsabwicklung an zentralen Punkten ineffizient bzw. suboptimal geworden sind. Vor diesem Hintergrund gilt es, neue Konzepte zu formulieren, die den veränderten Anforderungen besser gerecht werden und den Weg für eine effizientere Projektabwicklung ebnen.
Ein Ansatz dafür ist die Reformierung der Bauvertragsstrukturen in Deutschland. Hier bieten etwa die ausländische Bauwirtschaft oder international etablierte Vertragsformen entsprechende Innovationspotentiale. Ein Beispiel für eine erfolgreiche auf Deutschland adaptierte Vertragsalternative liefern die aus dem angelsächsischen Recht stammenden GMP-Verträge. Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass es aufgrund verschiedener Rechtssysteme und Branchenstrukturen in den einzelnen Ländern schwer bzw. unmöglich ist jede effiziente Vertragsform auf die nationale Ebene zu übertragen. Dennoch können ggf. Lösungsansätze für die operative bzw. strukturelle Abwicklung typischer Vertragsprobleme gefunden werden, um sie dann mittels geeigneter Vertragsklauseln auch in Deutschland einzusetzen, sofern sie nicht gegen gültige Rechtsprinzipien verstoßen.
Das Ziel der Arbeit ist es, in diesem Zusammenhang die internationalen gebräuchlichen FIDIC-Vertragsmuster vorzustellen und im Hinblick auf ihre Adaption von Verfahrensregeln zur Lösung zentraler Kernprobleme des Bauvertrages zu analysieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I. Anlass/ Zielsetzung/ Vorgehensweise

II. Probleme der Bauvertragsabwicklung
1. Ökonomische Rahmenbedingungen
2. Organisationale Rahmenbedingungen
3. Rechtliche Rahmenbedingungen
4. Lösungsansätze

III. Grundzüge und Strukturen der FIDIC-Standardvertragsmuster
1. Vorstellung der FIDIC
2. Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
2.1. Vertragsart
2.1.1. Der Bauvertrag
2.1.2. Der Anlagenvertrag
2.2. Art der Leistungsbeschreibung
2.2.1. Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (Bill of Quantities)
2.2.2. Funktionale Leistungsbeschreibung (Employer’s Requirements)
2.3. Art der Vergütung
2.3.1. Einheitspreisvertrag (Re-Measurement Contract)
2.3.2. Pauschalpreisvertrag (Turnkey-Lump-Sum-Contract)
2.3.3. Selbstkostenerstattungsvertrag (Cost-Reimbursable-Contract)
2.3.4. Stundenlohnvertrag
2.4. Unternehmereinsatzformen
2.4.1. Fachunternehmer
2.4.2. Der Generalunternehmer (General Contractor)
3. Die FIDIC-Standardvertragsmuster
3.1. Die traditionellen FIDIC-Vertragsmuster
3.2. Die neuen FIDIC-Vertragsmuster von 1999
3.2.1. Das Neue Red Book (Conditions of Contract for Construction) – Der Bauvertrag
3.2.2. Das Neue Yellow Book (Conditions of Contract for Plant and Design-Build) – Der Anlagenvertrag
3.2.3. Das Silver Book (Conditions of Contract for EPC/Turnkey Projects) – Der EPC Vertrag
3.2.4. Das Green Book (The Short Form of Contract)
3.3. Aufbau und Struktur der neuen FIDIC-Vertragsmuster
3.3.1. Foreword
3.3.2. General Conditions
3.3.3. Guidance for the Preparation of the Particular Conditions
3.3.4. Forms
3.4. Überlegungen zur Vertragsgestaltung
3.5. Regelungen und Abwicklung bei der Auftragsvergabe
3.5.1. Die einzelnen Vergabeverfahren
3.5.2. Die Ausschreibung mit den Formularen von FIDIC
3.5.3. Auswahl des Bieters und anschließende Vertragsverhandlungen
3.5.4. Besonderheiten bei der Auftragsvergabe auf Grundlage des EPC Vertrags (Silver Book)
3.6. Der Vertrag
3.6.1. Die Vertragsbestandteile
3.6.2. Hierarchie der Vertragsbestandteile

IV. Hauptakteure und vertragliche Institutionen
1. Der Auftraggeber (The Employer)
1.1. Vertragliche Pflichten des Auftraggebers
1.1.1. Vergütungspflicht
1.1.2. Mitwirkungs- und Kooperationspflichten
1.1.2.1. Recht auf Zugang zur Baustelle und Besitzverschaffung
1.1.2.2. Konzessionen, Lizenzen und Genehmigungen
1.1.2.3. Angaben zur Baustelle
1.1.3. Abnahmepflicht
1.1.4. Prüfung nach Fertigstellung
1.1.5. Absicherung der Auftraggeberpflichten
1.1.6. Nachweispflicht der Liquidität des Auftraggebers
2. Der Auftragnehmer (The Contractor)
2.1. Generalunternehmereinsatzformen nach FIDIC
2.1.1. Der Subunternehmer (The Subcontractor)
2.1.2. Der benannte Subunternehmer (The nominated Subcontractor)
2.1.3. Vertreter des Auftragnehmers (Contractor’s Representative)
2.2. Vertragliche Pflichten des Auftragnehmers
2.2.1. Herstellung des vertragsgerechten Werkes
2.2.2. Planungs- und Projektierungsleistung
2.2.3. Anforderungen an die Leistungserbringung
2.2.4. Zeitaspekt bei der Leistungserbringung
2.2.5. Dokumentation des Baufortschritts
2.2.6. Duldungspflicht bei Anordnung vorübergehender Suspendierung der Arbeiten
2.2.7. Prüfung bei Fertigstellung
2.2.8. Absicherung der Auftragnehmerpflichten
2.2.9. Nebenpflichten
3. Der Beratende Ingenieur (The Engineer)
3.1. Die Stellung des Engineer in den traditionellen FIDIC-Vertragsmustern
3.1.1. Die administrativen Aufgaben des Engineer
3.1.2. Die Streitentscheidungsfunktion des Engineer im Verfahren nach Klausel 67 des alten Red Book
3.1.3. Kritik an der Stellung des Engineer in den traditionellen FIDIC-Vertragsmustern
3.2. Die Stellung des Engineer in den neuen FIDIC-Vertragsmustern von 1999
3.2.1. Anforderungsprofil des Engineer und seine Bestellung
3.2.2. Pflichten und Befugnisse des Engineer
3.2.3. Streitentscheidungen des Engineer
3.3. Die Stellung des Engineer im Vergleich zu Deutschland
4. Der Bauherrenvertreter im EPC Vertrag (The Employer’s Representative)
5. Die Streitschlichtungsstelle (The Dispute Adjudication Board)
6. Das Schiedsgericht (The Arbitration)

V. Untersuchung von FIDIC-Kernklauseln und Vergleich mit der VOB
1. Vertragsanpassung
1.1. Vertragsanpassung bei Behinderungen
1.1.1. Regelungen zur Behinderung nach VOB/B
1.1.1.1. Vertragsrechtliche Probleme aus den Anforderungen der VOB/B
1.1.1.2. Praxisprobleme im Umgang mit den Anforderungen nach VOB/B und BGH
1.1.2. Regelungen zur Behinderung nach FIDIC
1.1.2.1. Verfahren zur Anmeldung von Ansprüchen nach FIDIC
1.1.2.2. Bewertung der Regelungen zur Behinderung nach FIDIC
1.2. Vertragsanpassung bei Leistungsmodifikationen
1.2.1. Regelungen zur Leistungsmodifikation nach VOB/B und ihre Problematik
1.2.1.1. Problematik der unvollständigen und fehlerhaften Leistungsbeschreibung
1.2.1.2. Problematik der Vereinbarung zur Vergütung
1.2.1.3. Ankündigungspflicht als Anspruchsvoraussetzung
1.2.1.4. Trennung der geänderten von der zusätzlichen Leistung
1.2.1.5. Problematik opportunistischen Verhaltens aufgrund ungleicher Informationsverteilung
1.2.2. Regelungen zur Leistungsänderung nach FIDIC
1.2.2.1. Recht zur Leistungsänderung
1.2.2.2. Inhalt einer Leistungsänderung
1.2.2.3. Änderungsvorschlag des Auftragnehmers
1.2.2.4. Verfahren zur Durchführung der Leistungsänderung
1.2.2.5. Anpassung der Vergütung
1.2.2.6. Bewertung der Regelungen zur Leistungsänderung nach FIDIC
1.3. Streitbeilegung bei der Vertragsanpassung
1.3.1. Regelungen zur Streitbeilegung nach VOB/B
1.3.2. Regelung zur Streitbeilegung nach FIDIC
1.3.2.1. Streitbeilegung durch den Engineer
1.3.2.2. Streitbeilegung durch das Dispute Adjudication Board (DAB)
1.3.2.3. Streitbeilegung durch das Schiedsgericht (Arbitration)
1.3.2.4. Dauer des Streitbeilegungsverfahrens
1.3.2.5. Bewertung der Regelungen zur Streitbeilegung nach FIDIC

VI. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Konsultationsverzeichnis

Adressverzeichnis

Verzeichnis der verwendeten Internetadressen

Danksagung

Erklärung der selbständigen Abfassung der Arbeit

Anlagenverzeichnis
Anmerkung zu Anlage 1-7 (Garantieformulare für Sicherheiten):
Anlage 1: Parent Company Guarantee – Beispielformular für die Garantie der Muttergesellschaft
Anlage 2: Tender Security – Beispielformular für eine Bietungsgarantie
Anlage 3: Performance Security – Beispielformular für eine Erfüllungssicherheit (Garantieerklärung)
Anlage 4: Performance Security (surety bond) – Beispielformular für Erfüllungssicherheit (Bürgschaftserklärung)
Anlage 5: Advance Payment Guarantee - Beispielformular für eine Vorauszahlungsgarantie
Anlage 6: Retention Money Guarantee - Beispielformular für eine Garantie für zurückbehaltene Summen
Anlage 7: Payment Guarantee by Employer - Beispielformular für eine Zahlungsgarantie durch den Auftraggeber
Anlage 8: Appendix to Tender am Beispiel des Red Book

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strukturelemente unvollständiger Verträge

Abbildung 2: Risiko des Bauherrn bei der Vergabe nach Einheitspreisvertrag

Abbildung 3: Die Entwicklung von FIDIC

Abbildung 4: Aktivitäten und Ziele von FIDIC

Abbildung 5: Bedarf von internationalen Standardvertragsmustern

Abbildung 6: Interaktion bei der Vertragsgestaltung

Abbildung 7: Institutionen der Weltbankgruppe

Abbildung 8: Die Aufgabenstellung bei der Neukonzeption der FIDIC-Standardvertragsmuster

Abbildung 9: Gegenüberstellung der alten und neuen FIDIC-Vertragsmuster

Abbildung 10: Die Wahl des richtigen FIDIC-Vertragsmuster

Abbildung 11: Die drei Hauptteile der FIDIC-Vertragsmuster

Abbildung 12: Zusammenhang zwischen der Abfolge der Bauereignisse und der Reihenfolge der Unterklauseln

Abbildung 13: Übersicht über die FIDIC-Garantieformulare für Sicherheiten

Abbildung 14: Letter of Tender am Beispiel des Red Book

Abbildung 15: Contract Agreement am Beispiel des Red Book

Abbildung 16: Prioritätenliste der Vertragsbestandteile nach FIDIC

Abbildung 17: Prioritätenliste der Vertragsbestandteile nach VOB/B

Abbildung 18: Mögliche Vertragsbeziehungen der Hauptakteure nach FIDIC

Abbildung 19: Die Abläufe bei der Abnahme nach FIDIC

Abbildung 20: Rechtsfolgen der Abnahmebescheinigung

Abbildung 21: Verfahren zur technischen Ausführung (Workmanship)

Abbildung 22: Überlegungen zur Festlegung des Zeitplans

Abbildung 23: Regelungen zur Zeitplanung des Baufortschritts nach FIDIC

Abbildung 24: Vorteil des kooperativen Verhaltens der Vertragsbeteiligten

Abbildung 25: Pflichten und Befugnisse des Engineer

Abbildung 26: Vergleich der Stellung des Engineer in den traditionellen und neuen FIDIC-Vertragsmustern

Abbildung 27: Vergleich zwischen Employer’s Representative und Engineer

Abbildung 28: Vergleich der unterschiedlichen DAB-Konstituierungsformen

Abbildung 29: Dispute Adjudication Agreement am Beispiel des Red Book

Abbildung 30: Änderung der Faktoren während der Vertragslaufzeit

Abbildung 31: Hindernde Umstände für eine effektive Vertragsanpassung

Abbildung 32: Gründe der Behinderung und deren Verantwortungsbereich

Abbildung 33: Formen der Einflussnahme des Auftraggebers und ihre vertragsrechtlichen Folgen

Abbildung 34: Anforderungen an eine Behinderungsanzeige nach VOB/B und ihre Funktionen

Abbildung 35: Anspruchsgrundlagen und ihre Rechtsfolgen im Behinderungsfall aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers

Abbildung 36: Unproduktive Mehrkosten bei der Lösung einer Behinderung

Abbildung 37: Verfahren zur Anmeldung von Ansprüchen des Auftraggebers

Abbildung 38: Die drei Säulen zur Geltendmachung von Ansprüchen nach FIDIC

Abbildung 39: Verfahren zur Anmeldung von Ansprüchen bei FIDIC-Verträgen

Abbildung 40: Unterschiede der Anspruchsverfahren nach VOB/B und FIDIC

Abbildung 41: Trägt das „Early Warning“ zur Verringerung von Bauzeit und Kosten bei drohenden Behinderungen bei?

Abbildung 42: Die vier „formalen“ Stufen des Anspruches auf Mehrvergütung gemäß VOB/B

Abbildung 43: Problematik der Anspruchssicherung bei zusätzlichen oder geänderten Leistungen in VOB/B-Verträgen

Abbildung 44: Reformierungsbedarf der Regelungen zur geänderten und zusätzlichen Leistung nach VOB/B

Abbildung 45: Flussdiagramm zum Verfahren bei der Leistungsänderung nach FIDIC

Abbildung 46: Gegenüberstellung der Regelungen zur Leistungsmodifikation bzw. Leistungsänderung nach VOB/B und FIDIC

Abbildung 47: Die ungeklärte Problematik einer unvollständigen und fehlerhaften Leistungsbeschreibung beim EPC Vertrag

Abbildung 48: Die drei Stufen der Streitbeilegung nach FIDIC

Abbildung 49: Ablauf eines DAB-Verfahrens

Abbildung 50: Dokumenationsfluss bei den Verfahren zur Streitbeilegung

Abbildung 51: Das FIDIC-Arbitration-Verfahren nach den Schiedsgerichtsregeln der ICC

Abbildung 52: Die Abläufe der Streitbeilegung bei FIDIC-Verträgen

Abbildung 53: Argumente für die dreistufige Streitbeilegung nach FIDIC

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Inhaltsübersicht der General Conditions (20 Klauseln)

Tabelle 2: Inhaltsübersicht der General Provisions

Tabelle 3: Anwendungsfälle des Entscheidungsverfahrens nach Klausel 3.5

Tabelle 4: Verklausulierter Anspruch bei Behinderungsereignissen nach FIDIC

Tabelle 5: Formel zur Vergütungsanpassung bei Kostenänderung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Anlass/ Zielsetzung/ Vorgehensweise

Die Abwicklung von Bauverträgen erfolgt in den industrialisierten Ländern bzw. bei Großprojekten unabhängig von ihrer geografischen Orientierung stets unter dem Gesichtspunkt besonderer Rahmenbedingungen, die man als strukturelle Besonderheiten der Bauprojektentwicklung bezeichnen kann. Jedoch stehen diesen Rahmenbedingungen national unterschiedliche Branchen-, Organisations- und Vertragsstrukturen zur Projektabwicklung gegenüber. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Situation der Projektbeteiligten in Deutschland derzeit nicht allein aufgrund konjunktureller Einflussfaktoren problematisch. Gewandelte Rahmenbedingungen der Bauwirtschaft zeigen zurzeit deutlich, dass hier die traditionellen Modelle der Vertragsabwicklung an zentralen Punkten ineffizient bzw. suboptimal geworden sind. Vor diesem Hintergrund gilt es, neue Konzepte zu formulieren, die den veränderten Anforderungen besser gerecht werden und den Weg für eine effizientere Projektabwicklung ebnen.

Ein Ansatz dafür ist die Reformierung der Bauvertragsstrukturen in Deutschland. Hier bieten etwa die ausländische Bauwirtschaft oder international etablierte Vertragsformen entsprechende Innovationspotentiale. Ein Beispiel für eine erfolgreiche auf Deutschland adaptierte Vertragsalternative liefern die aus dem angelsächsischen Recht stammenden GMP-Verträge. Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass es aufgrund verschiedener Rechtssysteme und Branchenstrukturen in den einzelnen Ländern schwer bzw. unmöglich ist jede effiziente Vertragsform auf die nationale Ebene zu übertragen. Dennoch können ggf. Lösungsansätze für die operative bzw. strukturelle Abwicklung typischer Vertragsprobleme gefunden werden, um sie dann mittels geeigneter Vertragsklauseln auch in Deutschland einzusetzen, sofern sie nicht gegen gültige Rechtsprinzipien verstoßen.

Das Ziel der Arbeit ist es, in diesem Zusammenhang die internationalen gebräuchlichen FIDIC-Vertragsmuster vorzustellen und im Hinblick auf ihre Adaption von Verfahrensregeln zur Lösung zentraler Kernprobleme des Bauvertrages zu analysieren.

Im zweiten Teil dieser Arbeit werden zunächst die Probleme der Bauvertragsabwicklung aufgezeigt. Dabei werden im Wesentlichen die Schwierigkeiten herausgestellt, die aus den ökonomischen, branchenstrukturellen und rechtlichen Rahmenbedingen von Bauverträgen resultieren.

In dem dritten Teil dieser Arbeit werden die Grundzüge und Strukturen der FIDIC-Vertragsmuster erläutert. Hier beginnt der Autor mit die Vorstellung der publizierenden Organisation und deren Entstehungsgeschichte. Ferner werden die neuen Vertragsmuster von 1999 als Mittelpunkt dieser Untersuchung präsentiert, nicht ohne auf die älteren Auflagen Bezug zu nehmen. Bei der Beschreibung der neuen Regelwerke wird besonders auf die formellen und inhaltlichen Besonderheiten eingegangen.

Der vierte Teil stellt die Hauptakteure und die besonderen Formen vertraglicher Institutionen bei der Vertragsabwicklung nach FIDIC vor. In diesem Zusammenhang sollen die in den FIDIC-Vertragsmustern normierten Rechte und Pflichten, die zur Durchführung des Vertrages erforderlich sind und die zur Absicherung der Hauptleistungspflichten dienen, in ihrem Zusammenwirken systematisch dargestellt und analysiert werden.

Der Schwerpunkt des fünften Teils ist die Darstellung und die Analyse einzelner wichtiger Kernklausen und ihr Vergleich mit der VOB. Dabei wird untersucht, wie die typischen Problemstellungen hinsichtlich der Vertragsanpassung bei Bauverträgen in den jeweiligen Werken berücksichtigt werden. Anschließend erfolgt eine Bewertung, welche Vor- und Nachteile mit dem Verfahren nach den FIDIC-Vertragswerken verbunden sind.

Das letzte Kapitel beantwortet in einer Schlussfolgerung die Frage, welche Vertragsprobleme mit den FIDIC-Vertragsbedingungen besser gelöst werden. Es gibt Aufschluss darüber, ob die Absicht der Vertragsväter, mit den FIDIC-Vertragsdokumenten eine Grundlage für funktionierende Ingenieurkunst zu schaffen im Einzelnen erreicht wurde[1] und ob eine eventuelle Adaption einzelner Vertragspunkte auch in Deutschland sinnvoll wäre.

Zur Lektüre dieser Diplomarbeit kann es nur förderlich sein, neben den entsprechenden FIDIC-Standardvertragsmustern und ihrem „Contracts Guide“ auch die VOB/B 2000 griffbereit zu halten.

II. Probleme der Bauvertragsabwicklung

Aufgrund ökonomischer, branchenstruktureller und rechtlicher Rahmenbedingungen ist die Bauvertragsabwicklung mit einer Vielzahl von Problemen behaftet. Die individuellen Rahmenbedingungen machen das Maßschneidern eines jeden Vertrags auf das jeweilige Projekt unabdingbar. Die Anpassung des Bauvertrags auf eine spezifische Projektsituation lässt sich jedoch nach dem deutschem Standardvertragswerk der VOB/B nicht problemlos vollziehen, da dieses Vertragswerk nur dann rechtssicher anwendbar ist, wenn es als Ganzes unverändert bleibt, also nicht durch abweichende ZVB oder BVB angegriffen wird.[2] So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil über die Privilegierung der VOB/B für Bauverträge Folgendes festgestellt:

„Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat.“[3]

Ein weiteres Problem besteht in der traditionellen Ausrichtung der VOB/B auf den öffentlichen Auftraggeber und den Einheitspreisvertrag, wodurch sich moderne Abwicklungsstrukturen nur mit geringem Erfolg unterstützen lassen. So wird z.B. der vertraglich zentrale Änderungsprozess der Leistung nur unzureichend geregelt. Ferner wird der Aspekt baubegleitender Planung in der VOB weitgehend vernachlässigt. Deshalb gestaltet sich die Bauvertragsabwicklung in vielen Punkten der nachfolgend ausführlicher dargestellten Rahmenbedingungen ineffizient.

1. Ökonomische Rahmenbedingungen

Eine wichtige Rahmenbedingung sind die ökonomischen Verhältnisse, denen die Vertragsparteien unterworfen sind. In Bauverträgen wird kein Produkt gehandelt, sondern das Leistungsversprechen des Bauunternehmers geregelt, das Produkt „Bauwerk“ zu erstellen. Der Charakter eines Bauvertrags ist also nicht durch einen rein punktuellen Leistungsaustausch gekennzeichnet, wie es bei einen Kaufvertrag oder einen einfachen Werkvertrag der Fall ist.[4] Das bedeutet, dass der Bauvertrag im Wesentlichen den Herstellungsprozess eines Produkts beschreiben muss, das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht existiert, zu dem aber Überlegungen, Pläne und Erfahrungen vorhanden sind.

Eine weitere Besonderheit des Bauvertrages gegenüber anderen Werkverträgen besteht darin, dass die Parteien über einen längeren Zeitraum rechtlich miteinander verbunden sind. Die Langfristigkeit macht es unmöglich im Vertrag alle auftretenden Probleme vorausschauend zu regeln. Überdies ist der Herstellungsprozess von Bauwerken technisch so komplex und wegen mangelnder Vorhersehbarkeit aller zukünftigen Ereignisse, wie Baugrundrisiken oder Witterungseinflüsse, so unsicher, dass sich kaum alle notwendigen Ablaufregeln für die Vertragsabwicklung vorab definieren lassen. Die eingeschränkte Rationalität der Vertragspartner infolge der Komplexität des Bauwerks als Produkt lässt es kaum zu, dieses vollständig und widerspruchsfrei in einer Leistungsbeschreibung zu definieren. Häufig stellt sich erst im Laufe der Durchführungsphase heraus, dass die ursprüngliche Planung nicht oder nur verändert realisiert werden kann, so dass eine Anpassung des Vertrags an die neuen Bedürfnisse durch Nachverhandlungen vollzogen werden muss.[5]

Eine erfolgreiche Erfüllung des Bauvertrags erfordert also zu jeder Zeit ein hohes Maß an Kooperation und Kommunikation unter den Vertragspartnern (z.B. durch Planlieferungen und –freigaben, Bemusterungen, Gewerke- und Mieterkoordination), die sich im Einzelnen einer detailvertraglichen Regelung entzieht. Andererseits wird der Bauunternehmer sonst kaum in der Lage sein, die geschuldete Bauleistung zu erbringen und auch der Bauherr wird bei der Auftragserteilung nicht überblicken können, welche Probleme im Laufe der Baumaßnahme akut werden können.[6]

Ferner führt eine nicht geförderte informelle Zusammenarbeit der Vertragspartner dazu, dass Bauverträge für Dritte nur begrenzt überprüfbar sind. Die Folge dessen ist eine erschwerte Vertragsdurchsetzung vor Gericht und damit verbunden, sind erhebliche Kosten für die anklagende Partei.[7]

Zudem sind Bauwerke i.d.R. mit hohen Investitionen verbunden und für beide Parteien ist der Erfolg des Projektes mit hohen Risiken bzw. mit hoher wirtschaftlicher Wichtigkeit behaftet. Der Bauunternehmer ist unter wirtschaftlicher Betrachtung einem massiven Konkurrenz- und Preisdruck ausgesetzt und muss im Wettbewerb zudem verstärkt Auftraggeberrisiken übernehmen. Er ist vor allem im Rahmen seiner hohen Investitionen, z.B. für Arbeitsvorbereitung, Baustelleneinrichtung, Sondermaschinen oder Vorleistungen bis zur Werklohnzahlung ökonomisch an den Vertragspartner gebunden (Lock-in-Effekt) und setzt sich damit der Gefahr einer möglichen Ausbeutung (Hold-up) im Zuge von Vertragsänderungen aus.[8] Auf der anderen Seite hat der Bauherr aufgrund der von ihm gelieferten wesentlichen Vorgaben der Projektrealisierung, einen erheblichen Einfluss auf den Projekterfolg. Des Weiteren führen notwendige Planänderungen zu Änderung der Leistungen und damit zu Preisänderungen, was wiederum eine finanzielle Mehrbelastung des Bauherrn und zusätzliches Konfliktpotential zur Folge hat, da der Bauherr regelmäßig versucht sein wird, berechtigte und unberechtigte Nachforderungen abzuwehren. Der Bauherr muss sein Objekt mitgestalten, um auf Unvorhersehbares flexibler reagieren und so seine wirtschaftlichen Risiken besser eingrenzen zu können. Er ist oftmals aufgrund sich rasch verändernder Kundenanforderungen gezwungen, das Bauobjekt häufig noch bis während der Bauausführung flexibel an die aktuelle Marktsituation anzupassen.[9]

Unter Berücksichtigung der genannten spezifischen ökonomischen Rahmenbedingungen sind Bauverträge deshalb unvollständige Verträge, die eine erfolgreiche und effiziente Bauvertragsabwicklung nur unter Berücksichtigung besonderer Anforderungen erlauben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Strukturelemente unvollständiger Verträge[10]

2. Organisationale Rahmenbedingungen

In Deutschland existieren, ausgehend von der Nachfragestruktur der Bauwirtschaft und ihren spezifischen Zielen, zahlreiche unterschiedliche Organisationsmodelle für die Projektabwicklung, repräsentiert durch die Einsatzformen der Beteiligten.

Die Entwicklung zeigt, dass das traditionelle Nebeneinander von Grossbetrieben auf der einen und kleineren Betrieben auf der anderen Seite, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtung bisher nicht in unmittelbarer Konkurrenz zueinander stehen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Begründen lässt sich diese Tendenz mit der seit Jahren anhaltend schlechten konjunkturellen Lage im Bausektor, die sich vor allem in den rückläufigen Auftragszahlen im Wirtschafts- und öffentlichen Bau bemerkbar macht, dem klassischen Betätigungsfeld der Grossbetriebe.[11]

Das Bild der deutschen Bauwirtschaft wird traditionell durch den Mittelstand, kleinere und kleinste Betriebe geprägt. Dabei haben 50 % der heimischen Baubetriebe lediglich bis zu 49 Beschäftigte und weitere 23 % entfallen auf Betriebe mit bis zu 200 Beschäftigten. Der Anteil der Grossbetriebe mit einer Beschäftigungszahl von über 200, liegt dagegen bei 20 %.[12] Trotz der Abnahme der absoluten Anzahl der Baubetriebe als Folge der immer noch andauernden rezessiven Entwicklung in der Baubranche, ist die prozentuale Zusammensetzung des Marktes relativ konstant geblieben.

Diese strukturellen Gegebenheiten haben Folgen auf die organisatorischen Vorrausetzungen der einzelnen Betriebe, die auf die veränderten Anforderungen des Marktes reagieren müssen. Leistungsstarke Bauunternehmen, die i.d.R. auf der Seite der Grossbetriebe angesiedelt sind, bieten neben der reinen Bauplanung und –ausführung zunehmend zusätzliche Dienstleistungen, wie die Generalunternehmertätigkeit, die Projekt- und Systementwicklung, Systemangebote und Totalunternehmerleistungen bis hin zum Betreiben von Bauanlagen.[13] Nur ein marginaler Anteil kleinerer und mittlerer Bauunternehmen ist aufgrund fachlicher, technischer und finanzieller Möglichkeiten in der Lage, den geänderten Auftraggeberanforderungen der funktionalen Ausschreibung und des Schlüsselfertigbaus zu genügen.[14] Aufgrund dieser Tatsache agieren kleinere Betriebe im Rahmen von Einzelleistungsträgeraufträgen, von denen sich der Bauherr sich verspricht, das Projekt zum kostengünstigsten Preis zu vergeben. Unberücksichtigt des für den Bauherrn vorteilhaften extremen Preiswettbewerbs bei der Einzelvergabe nach Einheitspreisvertrag, sollten aber nicht die inhärenten Risiken außer Acht gelassen werden, die vom Bauherrn zu tragen sind:[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Risiko des Bauherrn bei der Vergabe nach Einheitspreisvertrag

Die Bauunternehmer wiederum werden versuchen, ihre durch den harten Preiskampf geschmälerten Gewinnaussichten, durch Ausnutzen der Schwachstellen der Einzelleistungsträgerabwicklung über ein Nachtragsmanagement wieder zu verbessern. Nachtragsforderungen an den Bauherren sind in den traditionellen Projektabwicklungsformen daher die Regel.

Bauherren verfolgen vermehrt die Strategie, ihr wirtschaftliches Risiko durch den Abschluss von Pauschalverträgen mit Komplettheitsklausel z.B. im Rahmen des Schlüsselfertigbaus auf die ausführenden Firmen zu verteilen. Ziel ist es, dadurch frühzeitig eine Kostensicherheit zu erreichen.[16]

Bei der Projektabwicklung mit einem Generalunternehmer, bei denen die kleineren bis mittleren Betriebe als Nach- oder Subunternehmer auftreten, übernimmt der Generalunternehmer als Auftraggeber die Erstellung des gesamten Bauwerks oder Teile davon.[17] Der eigene Teil der Bauleistung des Generalunternehmers wird dabei eher gering ausfallen, ist es doch Funktion und Vorteil dieser Form der Projektabwicklung, nicht eine Bündelung der Bauleistung in einer Hand zu erlangen, sondern die Koordinationsverantwortung des Bauherrn zu übernehmen. Im Gegensatz zur Projektabwicklungsform der Einzelleistungsträger liegt also bei der des Generalunternehmers im Allgemeinen das Koordinations-/Schnittstellen- und Terminrisiko beim Unternehmer selbst. Das Massenrisiko wird dem Generalunternehmer übertragen, falls die Ausschreibung mittels eines Leistungsverzeichnis und Gesamtpreis erfolgt. Das Vollständigkeitsrisiko der Ausschreibung verbleibt in dem Fall hingegen weiterhin beim Bauherrn.[18]

Wie bereits erwähnt, setzen Generalunternehmer für die Ausführung der Bauleistungen zu einem großen Teil Subunternehmer ein. Die Beauftragung weiterer Unternehmer wirkt sich günstig auf die Kostenstruktur des als Generalunternehmer tätigen Unternehmens aus und erlaubt es ihm vor allem, Teile des übernommenen Risikos auf den Nachunternehmer abzuwälzen. Kleinere Unternehmen, die meistens über eine geringe Eigenkapitalquote verfügen, zählen im verschärften Preiswettbewerb, besonders im Vergleich zur Konkurrenz aus dem Ausland, die teilweise ihre Leistungen zu wesentlich günstigeren wirtschaftlichen Bedingungen anbieten können, regelmäßig zu den Verlierern. Sie sind folglich auch im Rahmen dieser Projektabwicklungsform gezwungen, Preise zu akzeptieren, die praktisch keinen Gewinn versprechen. In ihrer Abhängigkeit zum Generalunternehmer, der die Leistung quasi aus zweiter Hand vergibt, sind sie faktisch von einem fairen und transparenten Wettbewerb ausgeschlossen.[19]

Als weitere negative Begleiterscheinung des verheerenden Preiskampfes ist teilweise zu beobachten, dass Bauleistungen in einer Kette von Subunternehmern zu einem jeweils niedrigeren Preis weiter vergeben werden. Die Folge dieser zu beklagenden Preisentwicklung liegt darin, dass Bauunternehmer, die gezwungen sind, ihren Vertragspreis derart gering anzubieten, immer versucht sein werden, den Vertrag über Nachtragsforderungen und Behinderungsanzeigen nachträglich in die Gewinnzone zu fahren.[20] Das daraus Konflikte entstehen, die zu wirtschaftlichen Nachteilen beider Vertragsseiten führen und kaum zu vermeiden sein werden, liegt auf der Hand. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der einzelnen Unternehmer im Rahmen einer Projektabwicklung mit einem Generalunternehmer wird durch die häufig schlechte Zahlungsmoral vieler Auftraggeber noch verschärft.[21]

Im Zentrum entstandener Konflikte agieren Ingenieure als Planer und Projektsteuerer. Innerhalb einer baubegleitenden Planung, sollen sie die Projektumsetzung und die Modifikation der Bauherrenziele gewährleisten. Des Weiteren sind sie im Kundeninteresse zur Abwehr von Ansprüchen der Auftragnehmer aus Behinderungen, geänderten und zusätzlichen Leistungen gefragt.[22]

Interessant in Bezug auf die organisationalen Rahmenbedingungen ist die Entwicklung bei öffentlichen Bauvorhaben. Die Planung und Realisierung öffentlicher Bauvorhaben sowie Betrieb und Instandhaltung von öffentlichen Anlagen zählte bis vor einigen Jahren traditionell zum Aufgabengebiet des Staates.[23] Aufgrund zunehmender leerer Kassen, kann der Staat diese Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrnehmen, so dass sich dies bezüglich von einem immensen Investitionsstau im Bereich der baulichen Infrastruktur sprechen lässt.[24] Vor dem Hintergrund der sich in einer tiefen Depression befindlichen deutschen Bauindustrie – ein Zustand der nicht zuletzt von stetig sinkenden Bauinvestitionen der öffentlichen Hand negativ beeinflusst wurde – wird als Lösungsansatz vermehrt eine auf einen langen Zeitraum angelegte Kooperation zwischen öffentlicher Hand und privaten Unternehmen gewählt. Erfolgreiche Projektabwicklungen zeigen, dass sich so öffentliche Bauvorhaben mit privatem Kapital und Know-how ohne Reduzieren des Bauumfangs und der Qualität realisieren lassen. Der private Unternehmer übernimmt dabei die Planung, Erstellung, Instandhaltung, Finanzierung und Bewirtschaftung von Infrastruktureinrichtungen, die der Aufgabenerfüllung einer Kommune dienen. Es entsteht bei dieser Art der Kooperation durch Planung, Bau und den über Jahre hinweg andauernden Betrieb, ein komplexes langfristiges Leistungspaket.

3. Rechtliche Rahmenbedingungen

Trotz der Vielfalt der Organisations- und Vertragsformen existiert verbindlich in Deutschland nur das allgemeine Werkvertragsrecht nach BGB als rechtliche Grundlage, das aber keine speziellen Regelungen für den Bau enthält:

„Das BGB-Werkvertragsrecht der §§ 632 ff. BGB ist in keiner Weise auf die spezifischen Bedürfnisse und Besonderheiten des Baugeschehens zugeschnitten. Es enthält (…) allgemeine Regeln für die Rechtsbeziehung zwischen dem Besteller und dem Unternehmer, der eine bestimmte Sache herzustellen hat.“[25]

Daneben hat sich die VOB mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B als allgemeine Geschäftsbedingung etabliert, die nur von den öffentlichen Auftraggebern verbindlich zu nutzen ist. Der VOB wird im Rahmen von Verbraucherverträgen mit privaten Bauherren fehlende Europarechtskonformität nach der sog. Klauselrechtslinie bescheinigt.[26] Einzelnen VOB/B-Paragrafen wird hierbei eine unzulässige Benachteiligung privater Bauherren attestiert.[27]

Die VOB/B gilt ferner für nicht versierte private Bauherrn als schwer durchschaubar.[28] Des Weiteren wird auf die Regelungslücken durch die Verlagerung der Planungsverantwortung auf die Hauptunternehmerseite sowie auf die Regelung des Vertragsverhältnisses von Haupt- zu Nachunternehmer hingewiesen:

„Ähnlich wie das Vertragsrecht des BGB stellt die VOB auf den Handwerker und den mittelständischen Unternehmer als Auftragnehmer ab, den die heutige Baupraxis in die Rolle des „Nach-Nachunternehmers“ gedrängt hat.“[29]

Die VOB ist jedoch für alle Organisationsformen der Bauabwicklung das zentrale – weil einzig geeignete – Vertragswerk. Aufgrund ihres Charakters der „Einkaufsvorschrift der öffentlichen Hand“[30], die primär auf die gewerkeweise Vergabe ausgerichtet ist, benötigt die VOB jedoch dringend grundlegende Änderungen hinsichtlich der Abwicklung privater bzw. gewerblicher Bauprojekte.[31]

4. Lösungsansätze

Zur Bewältigung der aus den zuvor genannten Rahmenbedingungen entstehenden Probleme bei der Bauvertragsabwicklung, ist als ein Lösungsansatz die Adaption innovativer Organisations- bzw. Wettbewerbsmodelle, wie diese etwa durch das Bauteam oder das GMP-Wettbewerbsmodell gelungen ist, zu nennen. Dennoch bedarf es hierzu spezifischer Verfahrensregeln, um den Prozesscharakter des Vertrages besser zu integrieren. Denn auch die o.g. Modelle basieren im Wesentlichen auf den Regelungen der VOB/B. Daher bleibt zu prüfen, wie ggf. etablierte ausländische Vertragsmodelle zumindest in Kernbereichen adaptiert und für zentrale Probleme des Bauvertrags umgesetzt werden können. Ein System liefern hierzu die FIDIC-Vertragsbedingungen, die sich international als ausgewogen und fair bewährt haben und z.B. bei allen von der Weltbank finanzierten Projekten eingesetzt werden.

III. Grundzüge und Strukturen der FIDIC-Standardvertragsmuster

Im Folgenden wird FIDIC als Organisation unter Berücksichtigung ihrer Aktivitäten und Ziele vorgestellt, um dann ihre Hauptaufgabe, die Entwicklung und Publikation von Standardvertragsmustern, genauer zu betrachten. Hierzu ist es jedoch vorab erforderlich, klare Kriterien zu skizzieren, die die Möglichkeiten zur Gestaltung von FIDIC-Verträgen verdeutlichen und einen Vergleich zur Vertragssystematik der VOB erlauben.

Um Wiederholungen zu umgehen, wird im Folgenden von den FIDIC-Standardvertragsmustern auch als Standardvertragsbedingungen, Standardverträgen, Musterverträgen, Vertragsmustern, Vertragswerken oder Vertragsbedingungen gesprochen.

1. Vorstellung der FIDIC

Die „Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils“, abgekürzt durch das Akronym FIDIC, auch bekannt unter „International Federation of Consulting Engineers“ wurde 1913 in Belgien als Vereinigung nationaler Ingenieurverbände gegründet. FIDIC repräsentiert heute als internationaler Dach­verband die nationalen Organisationen von beratenden Ingenieuren mit Sitz im schweizerischen Lausanne.[32]

Als erstes kontinentaleuropäisches Land organisierte sich Deutschland 1903 national im „Verein Beratender Ingenieure“. Um die Unabhängigkeit bei der Beratung zu gewährleisten, schrieb die Vereinssatzung vor, dass der beratende Ingenieur unter seinem natürlichen Namen auftreten müsse und sich keiner Firma bedienen dürfe. Weitere Verbandsgründungen folgten in Dänemark (Privat-Ingeniør-Foreningen, 1903), Belgien (Chambre des Ingénieurs-Conseils et Ingénieurs-Experts de Belgique, 1909), den Vereinigten Staaten (The American Institute of Consulting Engineers, 1910), den Niederlanden (Nederlandsche Vereeniging van Adviserende Electro technische Ingenieurs, 1910), Schweden (Svenska Teknologföreningen, 1910), Großbritannien (Association of Consulting Engineers, 1912), Frankreich (Chambre des Ingénieurs-Conseils et Ingénieurs-Experts de France, 1912), der Schweiz (Association Suisse des Ingénieurs-Conseils, 1913), Russland (1914) und Norwegen (1919).[33] Das Selbstverständnis der dort zusammengeschlossenen Ingenieure war geprägt von Unabhängigkeit und Neutralität, was sich bis heute in den Statuten und Verhaltenskodices wieder findet.[34]

Auf Einladung der belgischen und französischen Ingenieursvereinigungen zum „Premier Congrés International des Ingénieurs-Conseils et Ingénieurs-Experts“ trafen sich mit ihnen im Jahre 1913 Vertreter der Verbände aus Deutschland, Dänemark, der Schweiz sowie den Niederlanden im belgischen Gent. Dort gründeten sie FIDIC, den ersten Zusammenschluss internationaler Verbände beratender Ingenieure. Als Anlass der Initiative der französischsprachigen Nationen wird die Kooperation beider Verbände auf der Weltausstellung 1913 in Gent vermutet.[35] Als Ausdruck dieser Initiative hält FIDIC auch heute noch an der französischen Bezeichnung fest, trotz herrschender Dominanz der englischen Sprache im internationalen Wirtschaftsverkehr. Interessant ist die anfängliche Zurückhaltung der britischen Association of Consulting Engineers (ACE), da, wie im weiteren Verlauf der Arbeit ersichtlich, letztendlich der Einfluss der englischen Stan­dard­verträge auf die FIDIC-Bauvertragsbedingungen unumstritten ist.[36] Das Fernbleiben des englischen Verbandes vom Gründungskongress ist damit zu erklären, dass England zu dieser Zeit eine unangefochtene Dominanz im internationalen Baugeschäft ausübte und sich somit keine Vorteile aus einer Kooperation mit anderen Verbänden versprach.[37] Zu einem Beitritt kam es erst 1948, nachdem FIDIC mehrfach beim ACE angefragt hatte. Gefolgt wurde dieser Beitritt durch den US-amerikanischen Verband im Jahre 1959.

FIDIC bemühte sich in den folgenden Jahren ständig um die Aufnahme weiterer nationaler Verbände, wobei jede Nation sich immer nur durch einen Verband vertreten lassen kann. Erst in den siebziger Jahren stieg FIDIC jedoch zu einem wirklich internationalen Verband auf, da es in diesem Zeitraum zu vermehrten Beitritten aus den neuindustrialisierten Staaten kam. Heute repräsentiert FIDIC als Weltverband 68 Länder durch deren nationale Verbände der beratenden Ingenieure. FIDIC ist somit die wohl meist bekannteste Organisation im Bereich von internationalen Bauprojekten weltweit.[38] In den 68 Mitgliedsverbänden sind ca. 700.000 Mitglieder organisiert. Das entspricht ca. 20 bis 30 % der gesamten Beschäftigten aus dem Sektor des Ingenieurbaus weltweit und belegt damit die immense wirtschaftliche Bedeutung von FIDIC.

Bei den in FIDIC organisierten Unternehmen handelt es sich zumeist um kleinere bis mittlere Ingenieurbüros mit bis zu 50 Beschäftigten. Die meisten FIDIC-Organisationen sind in den ehemaligen Ostblockstaaten und Staaten mit einem geringen wirtschaftlichen Aufkommen zu finden, während in stark industrialisierten Ländern der FIDIC-Organisierungsgrad eher gering ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Entwicklung von FIDIC

Mit der Gründung von FIDIC verfolgten die Mitgliedsstaaten das Ziel, die Interessen des Berufsstandes der beratenden Ingenieure auf internationaler Ebene zu vertreten. Auf der Gründungskonferenz ging es zunächst um die klare Definitionsfindung dieses Berufsstandes. In diesem Zusammenhang wurde darüber nachgedacht, den Titel des Engineer, also des beratenden Ingenieurs, gesetzlich schützen zu lassen. Bei der Findung wurden mehrere Arbeitsgruppen, sog. Task Groups, installiert, die den Kurs und die Politik von FIDIC prägen sollten. Eine Arbeitsgruppe hatte zur Aufgabe, die Wichtigkeit und Bedeutung des Engineer als unabhängiger Berater und Sachverständiger für die Industrie und Gerichte herauszustellen und dabei aufzuzeigen, dass er befähigt sei, als Experte oder Einzelschiedsrichter gerichtliche Verfahren sowie herkömmliche Schiedsverfahren zu ersetzen.[39] Um dieser Rolle gerecht zu werden, mussten die verschiedenen Schiedsregeln und Schiedsgesetze der Mitgliedsstaaten gesammelt und studiert werden. Eine weitere Arbeitsgruppe sollte sich schon zu diesem frühen Zeitpunkt in der Geschichte von FIDIC mit der Überwachung von Vertragstexten aus dem Bereich des Bau- und Anlagenvertrages befassen.

Heute ist FIDIC als moderner Interessenverband angesehen, dessen Aufgabenbereich hauptsächlich darin besteht, das Ansehen der Branche der beratenden Ingenieure zu fördern und zu ihrer Ausdehnung beizutragen. Hierzu hat FIDIC mit dem „Code of Ethics“ eine Art Verhaltenskodex aufgestellt, der von allen Mitgliedern einzuhalten ist. Der Code of Ethics steht für sachliche Beratung, Fachkompetenz, faire Konkurrenz und Bekämpfung der Korruption. Ferner unterstützt FIDIC die Geschäftsinteressen ihrer Mitglieder, indem sie Konferenzen für beratende Ingenieure organisiert, das Verständnis für kritische Themen weckt und v.a. dadurch dass sie seit mehr als vierzig Jahren standardisierte Vertragsdokumente und Vereinbarungsmuster für Bauprojekte entwickelt und veröffentlicht. Diese werden heute weltweit für die unterschiedlichsten Baumaßnahmen nach dem so genannten FIDIC-Vertrag von internationalen Banken und Finanzierungsinstituten für Vergabe und Durchführung angewendet. FIDIC fördert hierzu ständig aktiv die Bereiche der nachhaltigen Entwicklung der Vertragsmuster durch die Arbeitsgemeinschaften.[40] So hatte eine von 1996 bis 1998 installierte Task Group zum Ziel, das Selbstverständnis und die Aufgaben von FIDIC in Zukunft zu entwickeln. Ihr Abschlussbericht machte deutlich, dass es auch weiterhin die Aufgabe sein muss, internationale Standardverträge zu veröffentlichen und gegenüber der Welt­bank und vergleichbaren Institutionen die Interessen der Bauindustrie zu vertreten.[41]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Aktivitäten und Ziele von FIDIC

[...]


[1] vgl. Wade (2000), S. 6.

[2] vgl. Sundermeier (2004b), S. 54.

[3] BGH, Urteil v. 22.01.2004 – VII ZR 419/02.

[4] vgl. Nicklisch (1979), S. 533.

[5] vgl. Blecken/Nister/Sundermeier (2003), S. 45.

[6] vgl. Rüchardt (2000), S. 6 f.

[7] vgl. Blecken/Nister/Sundermeier (2003), S. 45.

[8] vgl. Blecken/Nister/Sundermeier (2003), S. 45.

[9] vgl. Sundermeier (2004b), S. 54.

[10] Eigene Darstellung nach Rüchardt (2000), S. 6.

[11] BW Heft 2/2001, S. 12

[12] BW Heft 9/1999, S. 11

[13] vgl. Refisch (1993), S. 2.

[14] vgl. Gralla (1999), S. 73.

[15] vgl. Girmscheid (2003), S. 70.

[16] vgl. Sundermeier (2004b), S. 55.

[17] vgl. Vygen (1997), Rdn. 287 ff.

[18] vgl. Girmscheid (2003), S. 71.

[19] vgl. Schelle (1999), S. 129.

[20] vgl. Wirth (2002), S. 87.

[21] BW Heft 7-8/2001 S. 14.

[22] vgl. Sundermeier (2004b), S. 55.

[23] vgl. Schlicht (2003), S. 4.

[24] vgl. Wegener (2002), S. 4.

[25] Vygen (1997), Rdn. 114.

[26] vgl. Micklitz (1993).

[27] vgl. Sundermeier (2004b), S. 54.

[28] vgl. Lang (1995), S. 2069.

[29] Kraus (1997), S. 31.

[30] vgl Kratzenberg (2002), S. 343.

[31] vgl. Kniffka/Quack (2000), S. 18.

[32] Die Adresse von FIDIC ist dem Anhang zu entnehmen.

[33] vgl. Widegren (1988), S. 23 ff.

[34] vgl. FIDIC (Hrsg.) (1996b).

[35] vgl. Widegren (1988), S. 35.

[36] vgl. Bunni (1997), S. 3 ff.

[37] vgl. Widegren (1988), S. 38.

[38] vgl. Jaeger, Member of Executive Committee of FIDIC, in Hök (2004), S. 3 f.

[39] vgl. Widegren (1988), S. 39 f.

[40] vgl. FIDIC (Hrsg.) (2004), S. 13 ff.

[41] vgl. FIDIC (Hrsg.) (1998), S. 9.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832492236
ISBN (Paperback)
9783838692234
DOI
10.3239/9783832492236
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dortmund – Bauwesen
Erscheinungsdatum
2006 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
vertragsbedingungen vertragsmuster standardvertragsbedingungen fidic book
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Titel: Vertragsanpassung und Streitbeilegung bei internationalen Bauprojekten auf Basis der FIDIC-Standardvertragsmuster
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