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Social Marketing in der Sozialwirtschaft

Ein Instrument zur Unterstützung von Innovationsprozessen in Einrichtungen und Verbänden der Sozialen Arbeit

©2005 Diplomarbeit 166 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In den vergangenen Jahren zeichneten sich diverse politisch initiierte Reformen für Umstrukturierungen in der Gesellschaft verantwortlich. Merkmal dieser Reformen sind in erster Linie weitreichende Strukturveränderungen im System der sozialen Sicherung der Bundes Republik Deutschland. Hier verschiebt sich das traditionelle Verständnis vom Wohlfahrtsstaat zunehmend dahingehend, dass die Verantwortung des Staates bei der sozialen Sicherung durch ein mehr an Eigenverantwortung in der Gesellschaft ersetzt wird. Insbesondere soziale Unternehmen der Sozialwirtschaft, zu denen auch die Einrichtungen und Verbände der Sozialen Arbeit zu zählen sind, waren und sind dabei von den Reformen betroffen. Denn ihre Aufgaben und Funktionen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen, bringen per se eine starke Abhängigkeit von staatlichen Leistungen und Zuwendungen mit sich.
Darüber hinaus, erfüllen sie mit ihren sozialen Dienstleistungen Aufgaben, die von gesamtgesellschaftlichem Interesse sind. Dieses Interesse bringt es mit sich, dass sich soziale Unternehmen kontinuierlich den Veränderungen in ihrer Umwelt anpassen müssen, die Lebenswelt der Individuen zu berücksichtigen haben, um sich so fortwährend auf die Bedürfnisse und sozialen Anliegen der Gesellschaft einzustellen.
Der politische Paradigmenwechsel und Veränderungen in der Lebenswelt der Individuen wirken sich also zugleich auf das Handeln sozialer Unternehmen aus. Auf der einen Seite hielten so in den vergangenen Jahren zunehmend neue Steuerungsinstrumente, wie das Kostencontrolling und das Qualitätsmanagement, Einzug in die Sozialwirtschaft, womit primär die steigende Verantwortung zum wirtschaftlichen Agieren sozialer Unternehmen unterstrichen wird. Auf der anderen Seite, und dies kann auch als Ausdruck der Reformpolitik betrachtet werden, wirkten sich zugleich die veränderte Akzeptanz von sozialen Anliegen, ein neues Wertebewusstsein und veränderte Bedürfnisstrukturen in der Gesellschaft auf ihre Arbeit aus.
Im Sinne eines nachhaltigen Bestehens sozialer Unternehmen unter den gegebenen Bedingungen, sind also Steuerungsinstrumente gefragt, die notwendige Innovationsprozesse vor den o.g. Hintergründen begleiten und unterstützen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll sich so dem Social Marketing angenommen werden.

Gang der Untersuchung:
Dazu werden in Kapitel 2 diejenigen Indikatoren und veränderten Rahmenbedingungen für soziale Unternehmen herausgestellt, die die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9182
Reinfelder, Eike Christian: Social Marketing in der Sozialwirtschaft - Ein Instrument zur
Unterstützung von Innovationsprozessen in Einrichtungen und Verbänden der Sozialen
Arbeit
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Lüneburg, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis- Übersicht
Abbildungsverzeichnis ... IV
Abkürzungsverzeichnis ... V
1.
Einleitung...1
2.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der
Sozialwirtschaft...4
2.1
Begriff und Gegenstand der Sozialwirtschaft ...4
2.1.1
Träger der Sozialwirtschaft ...5
2.1.2
Soziale Dienstleistungen ...9
2.2
Strukturveränderungen in der Sozialwirtschaft...12
2.2.1
Finanzierung sozialer Dienstleistungen ...12
2.2.2
Exkurs: Neue Steuerungsmodelle ...15
2.2.3
Rechtliche Rahmenbedingungen...17
2.2.4
Das Umfeld sozialer Unternehmen ...19
2.2.5
Marktprinzipien sozialer Dienstleistungen...21
2.3
Zusammenfassung...23
3.
Social Marketing...25
3.1
Begriff und Gegenstand des kommerziellen Marketings ...25
3.2
Begriff und Gegenstand des Social Marketings ...27
3.2.1
Social Marketing als Ansatz zur Unterstützung
sozialer Anliegen in der Gesellschaft...27
3.2.2
Social Marketing in der Erwerbswirtschaft ...28
3.2.3
Social Marketing als Marketing
sozialer Unternehmen...29
3.3
Die Austauschbeziehungen im Social Marketing ...30
3.4
Social Marketing und die Entscheidungsorgane ...33
3.5
Zusammenfassung...35

Inhaltsverzeichnis
II
4.
Angewandtes Social Marketing ...37
4.1
Die Marketingkonzeption...38
4.2
Die Aufgabenteilung der Planungsschritte ...41
5.
Strategische Planung...43
5.1
Umweltanalyse...44
5.1.1
Allgemeine Umwelt ...45
5.1.1.1
Politisch- rechtliche Umwelt ...46
5.1.1.2
Soziokulturelle Umwelt...46
5.1.1.3
Technologische Umwelt...48
5.1.1.4
Makro- ökonomische Umwelt...50
5.1.2
Aufgaben Umwelt ...51
5.1.2.1
Stakeholderanalyse ...52
5.1.2.2
Konkurrenzanalyse ...56
5.1.2.3
Analyse der vor- und nachgelagerten
Leistungen ...59
5.1.3
Bewertung der Umweltanalyse ...60
5.2
Organisationsanalyse...61
5.2.1
Ressourcenanalyse ...62
5.2.2
Wertketten- Analyse ...64
5.2.3
Leitlinien sozialer Unternehmen ...66
5.2.4
Exkurs: Corporate Identity ...68
5.2.5
Bewertung der Organisationsanalyse ...70
5.3
Zielbestimmung sozialer Unternehmen...71
5.3.1
Grundsätzliche Probleme der Zielbestimmung ...74
5.3.2
Methodik der Zielbestimmung...75
5.3.3
Bewertung der Zielbestimmung ...79
5.4
Strategienbestimmung sozialer Unternehmen ...80
5.4.1
Grundsätzliche Probleme
der Strategiebestimmung...81
5.4.2
Methoden der Strategienbestimmung...81
5.4.3
Bewertung der Strategiebestimmung...89

Inhaltsverzeichnis
III
6.
Operative Planung ...90
6.1
Konzeptionelle Zusammenhänge im Marketingprozess...91
6.2
Marketingmix...93
6.2.1
Leistungspolitik ...93
6.2.1.1
Leistungsarten und Leistungsnutzen ...94
6.2.1.2
Leistungsstruktur ...97
6.2.1.3
Berücksichtigung des Produktlebenszyklus ...98
6.2.1.4
Entscheidungstatbestände in der
Leistungspolitik ...99
6.2.2
Preispolitik ...104
6.2.3
Distributionspolitik...107
6.2.4
Kommunikationspolitik ...109
6.2.4.1
Gegenstand der Kommunikationspolitik...110
6.2.4.2
Grundlagen der Kommunikationspolitik ...112
6.2.4.3
Maßnahmen der Kommunikationspolitik ...115
6.2.4.3.1
Werbung...115
6.2.4.3.2
Public- Relations ...119
6.2.4.3.3
Social- Sponsoring ...123
6.2.4.3.4
Direkt Marketing ...133
6.3
Bewertung des Marketingmix ...142
7.
Allgemeine Anmerkungen zum Social Marketing ...144
Literaturverzeichnis: ...153

Abbildungsverzeichnis
IV
Abbildungsverzeichnis
Abb.1:
Gesellschaftlicher Bezugsrahmen der Sozialwirtschaft...6
Abb.2:
Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis ...13
Abb.3:
Erwerbswirtschaftliche Austauschbeziehungen und
sozialwirtschaftliche Austauschbeziehungen ...32
Abb.4:
Die Marketingkonzeption...39
Abb.5:
Unterscheidungsmerkmale in der strategischen- und ...42
operativen Planungsphase...42
Abb.6:
Merkmale der Umweltanalyse ...45
Abb.7:
Zielsysteme in Organisationen ...73
Abb.8:
Darstellung einer Leistungspalette am Beispiel
der Lebenshilfe Lüneburg ...85
Abb.9:
Grundformen der Kommunikation ...113

Abkürzungsverzeichnis
V
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
allg.
allgemein
Anm.
Anmerkung
BRD
Bundes Republik Deutschland
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
d.h.
das heißt
etc.
et cetera (und so weiter)
EU
Europäische Union
gem.
gemäß
ggf.
gegebenenfalls
gesell.
gesellschaftlichen
max.
maximal
m.a.W.
mit anderen Worten
m.E.
meines Erachtens
o.g.
oben genannt
SGB
Sozialgesetzbuch
sog.
so genannt
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
usw.
und so weiter
vgl.
vergleiche
z.B.
zum Beispiel

1. Einleitung
1
1.
Einleitung
In den vergangenen Jahren zeichneten sich diverse politisch initiierte Re-
formen für Umstrukturierungen in der Gesellschaft verantwortlich. Merkmal
dieser Reformen sind in erster Linie weitreichende Strukturveränderungen
im System der sozialen Sicherung der Bundes Republik Deutschland. Hier
verschiebt sich das traditionelle Verständnis vom Wohlfahrtsstaat zuneh-
mend dahingehend, dass die Verantwortung des Staates bei der sozialen
Sicherung durch ein mehr an Eigenverantwortung in der Gesellschaft er-
setzt wird. Insbesondere soziale Unternehmen der Sozialwirtschaft, zu
denen auch die Einrichtungen und Verbände der Sozialen Arbeit zu zäh-
len sind, waren und sind dabei von den Reformen betroffen. Denn ihre
Aufgaben und Funktionen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen, brin-
gen per se eine starke Abhängigkeit von staatlichen Leistungen und Zu-
wendungen mit sich.
Darüber hinaus, erfüllen sie mit ihren sozialen Dienstleistungen Aufgaben,
die von gesamtgesellschaftlichem Interesse sind. Dieses Interesse bringt
es mit sich, dass sich soziale Unternehmen kontinuierlich den Verände-
rungen in ihrer Umwelt anpassen müssen, die Lebenswelt der Individuen
zu berücksichtigen haben, um sich so fortwährend auf die Bedürfnisse und
sozialen Anliegen der Gesellschaft einzustellen.
Der politische Paradigmenwechsel und Veränderungen in der Lebenswelt
der Individuen wirken sich also zugleich auf das Handeln sozialer Unter-
nehmen aus. Auf der einen Seite hielten so in den vergangenen Jahren
zunehmend neue Steuerungsinstrumente, wie das Kostencontrolling und
das Qualitätsmanagement, Einzug in die Sozialwirtschaft, womit primär die
steigende Verantwortung zum wirtschaftlichen Agieren sozialer Unter-
nehmen unterstrichen wird. Auf der anderen Seite, und dies kann auch als
Ausdruck der Reformpolitik betrachtet werden, wirkten sich zugleich die
veränderte Akzeptanz von sozialen Anliegen, ein neues Wertebewusst-
sein und veränderte Bedürfnisstrukturen in der Gesellschaft auf ihre Arbeit
aus.

1. Einleitung
2
Im Sinne eines nachhaltigen Bestehens sozialer Unternehmen unter den
gegebenen Bedingungen, sind also Steuerungsinstrumente gefragt, die
notwendige Innovationsprozesse vor den o.g. Hintergründen begleiten und
unterstützen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll sich so dem Social
Marketing angenommen werden.
Dazu werden in Kapitel 2 diejenigen Indikatoren und veränderten Rah-
menbedingungen für soziale Unternehmen herausgestellt, die die Not-
wendigkeit neuer Handlungsinstrumente, wie des Social Marketings, be-
gründen.
In Kapitel 3 wird auf das Instrument selbst eingegangen. Dazu wird sich
einer Ableitung aus dem kommerziellen Marketing bedient, wobei zugleich
die Besonderheiten des Marketings in der Sozialwirtschaft herausgestellt
werden. Darüber hinaus, wird auf die Entscheidungsebene des ange-
wandten Social Marketings eingegangen.
Kapitel 4, 5 und 6 befassen sich mit dem Prozess des angewandten Soci-
al Marketings. In Kapitel 4 wird die Grundmethodik der Marketingplanung
vorgestellt. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der strategischen Marketingpla-
nung. Inhaltlich geht es hier um Methoden zur Analyse der IST- Situation
von sozialen Unternehmen und darauf aufbauend um die Ziel- und Strate-
giebestimmung im Marketingprozess. In Kapitel 6 werden dann mit der
operativen Planung die Entscheidungstatbestände und Maßnahmen vor-
gestellt, die sozialen Unternehmen mit der Anwendung von Social Marke-
ting zur Verfügung stehen. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die
kommunikationspolitischen Maßnahmen gelegt, die insbesondere die Be-
ziehungen sozialer Unternehmen zu ihrer Umwelt beeinflussen können.
In einem letzten Teil, mit Kapitel 7, werden dann einige allg. Bemerkungen
zum Marketing folgen, wobei insbesondere auf die Chancen und Perspek-
tiven des Marketings eingegangen wird.

1. Einleitung
3
Zur Bearbeitung der Diplomarbeit wurden darüber hinaus drei Interviews
geführt. Die Interviewpartner waren Geschäftsführer von im Bereich Lüne-
burg ansässigen sozialen Unternehmen. Das Ziel der Interviews war es,
die Umsetzungsmomente des Social Marketings in der Praxis näher zu
betrachten. Ihre inhaltliche Aufnahme finden die Ergebnisse der Interviews
in den jeweiligen Kapiteln der vorliegenden Arbeit. Die Interviews werden
dabei keinen repräsentativen Ansprüchen gerecht und entsprechen der
qualifizierten Interviewform. Die Interviewprotokolle sind der im Anhang
beigefügten CD zu entnehmen. Um die Anonymität der Interviewpartner
zu wahren, werden die Interviews aber nur den berechtigten Personen, in
diesem Fall dem Erst- und Zweitprüfer der vorliegenden Arbeit, zur Verfü-
gung gestellt.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
4
2.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der
Sozialwirtschaft
In diesem Teil der Arbeit sollen die wichtigsten Indikatoren der veränder-
ten Rahmenbedingungen für das Handeln sozialer Unternehmen heraus-
gearbeitet werden. Ausgehend von der Sozialwirtschaft als Oberkategorie
und in einer weiteren Differenzierung den sozialen Unternehmen sowie
den sozialen Dienstleistungen, wird sich zunächst den Begrifflichkeiten
genähert. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es für den Bereich der
Sozialwirtschaft und auch der sozialen Unternehmen unterschiedliche
Begriffsverständnisse und Erklärungsansätze gibt, so dass eine allg. gülti-
ge Begriffsklärung nicht möglich ist (vgl. Z
IMMER
/
N
ÄHRLICH
2003: 65;
W
ENDT
1999: 15ff.; W
ÖHRLE
2003:79ff.). Im Folgenden wird sich nur den-
jenigen Bedeutungen und Beschreibungen angenommen, die für den
weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit als wichtig erachtet wurden.
2.1
Begriff und Gegenstand der Sozialwirtschaft
Begrifflich kann mit Sozialwirtschaft zunächst ein Bereich des Wirtschaf-
tens bezeichnet werden, der institutionell Organisationen, Dienste und
Einrichtungen umfasst, die zu sozialen Zwecken betrieben werden (vgl.
W
ENDT
2000: 13). Der soziale Zweck als Gegenstand der Sozialwirtschaft
lässt sich definieren in einem Nutzen für die Gemeinschaft, der in der
Hinwendung zur Lebenswelt der Individuen durch Versorgung und Unter-
stützung verschiedener Lebensbereiche, durch ein solidarisches Handeln
zum Zwecke der Ausgestaltung eines friedlichen, gedeihlichen und ge-
meinschaftlichen Zusammenlebens der Bevölkerungsgruppen besteht
(vgl. W
ENDT
1999: 7). Die wesentlichen Bestandteile sind dabei Gemein-
wohlverpflichtung und öffentliche Verantwortung (ebd.).

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
5
Inhaltlich geht es um die Bearbeitung sozialer Anliegen der Gemeinschaft
durch die Absicherung gegen Risiken des Lebens, der Lösung und Bewäl-
tigung von Problemlagen einzelner Individuen und auch Gruppen, der
Gestaltung von Teilhabe und Lebensqualität trotz vorhandener Beein-
trächtigungen, Bildung und Gesundheit (vgl. W
ENDT
2000: 13).
Die Funktionen und Aufgaben der Sozialwirtschaft können so im umfas-
senden Sinne in der Schaffung von einem sozialen Ertrag in der Gesell-
schaft auf unterschiedlichste Art und Weise gesehen werden. Nach die-
sem Verständnis erschließen sich in der Praxisorientierung der Sozialwirt-
schaft entsprechende Tätigkeitsfelder aus dem Bereich der Sozialen Ar-
beit und weiteren Feldern der sozialen Grundversorgung.
Eine Parallele zum Begriff und Gegenstand der Sozialwirtschaft ist im eu-
ropäischen Kontext mit dem Begriff der ,,Economie Soziale" gegeben, der
gleich wie die Sozialwirtschaft als Oberkategorie für ein institutionelles
Handeln zur sozialen Zweckerfüllung gesehen werden kann (Anm.: Zur
weiteren Bedeutung vgl. W
ENDT
1999: 23ff.; W
ENDT
2000:15; W
ÖHRLE
2003: 101ff.).
2.1.1 Träger der Sozialwirtschaft
Prinzipiell wird der unter Kapitel 2.1 benannte Gegenstand der Sozialwirt-
schaft in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen erfüllt (Abb. 1).
Soziale Zwecke werden so bspw. im informellen Bereich einer Gesell-
schaft, also im Bereich ohne formaler Aufgabenbestimmung und in der
privaten Sphäre, durch ehrenamtliches Engagement, Selbsthilfegruppen,
familiäre Unterstützung und nachbarschaftliche Hilfe verfolgt.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
6
Abb.1: Gesellschaftlicher Bezugsrahmen der Sozialwirtschaft
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an W
ENDT
1999: 22)
Gleichfalls nimmt sich der Staat sozialen Angelegenheiten in der Gesell-
schaft an. Ihm obliegt z.B. eine gewisse Definitionsmacht darüber, was
soziale Probleme sind, wie sie zu lösen sind und mit welchen Mitteln dies
geschehen soll. Auf dieser Ebene werden im Kontext einer Funktionszu-
weisung bestimmte gesellschaftspolitische Aufgaben erfüllt (Formaler Be-
reich), die die wesentlichen Strukturen, Aufgabenbereiche und Zusam-
menhänge der jeweiligen gesellschaftlichen Teilbereiche ausformen.
Ein dritter Teilbereich der sozialen Zweckerfüllung ergibt sich aus der Tä-
tigkeit erwerbswirtschaftlicher Unternehmen, soweit sie sich in ihrem Han-
deln sozialen Anliegen der Gesellschaft annehmen. Sie agieren dabei im
sog. Markt. Beispielhaft gilt dies aktuell für den Bereich der ambulanten-
und stationären Altenversorgung, wo vereinzelt erwerbswirtschaftliche Un-
ternehmen auftreten (vgl. W
ENDT
2000: 92).
Sozialwirtschaft
Staat
Zivilgesellschaft
Markt
(Öffentliche Wirtschaft)
(Dritter Sektor)
(Erwerbswirtschaft)
Gemeinnützige Vereine,
Unternehmen
weitere Organisationen
Informeller Sektor
(Zivile Betätigung)
(Private Haushalte)
Ehrenamt, Selbsthilfegruppen
Familien

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
7
Neben den genannten gesell. Teilbereichen werden eine Vielzahl sozialer
Anliegen der Gesellschaft aber durch die Aktivitäten von gemeinnützigen
Vereinen, von Diensten und Einrichtungen in freier Trägerschaft sowie
weiteren, nicht am Profit ausgerichteten Organisationen, erfüllt (vgl.
W
ENDT
2003: 26). Sie werden dem sog. dritten Sektor bzw. Non Profit
Sektor als gesell. Teilbereich zugeordnet und sind inhaltlich im Kontext
dieser Arbeit auch unter dem Begriff der sozialen Unternehmen, in Analo-
gie zu den Einrichtungen und Verbänden der Sozialen Arbeit, zu fassen
(Anm.: Weitere Zuordnungen sozialer Unternehmen vgl. W
ENDT
2000:
86ff., zur Volkswirtschaftlichen Bedeutung des dritten Sektors bzw. Non
Profit Sektors, Beschäftigtenzahlen und Ausgabenstruktur vgl. A
NHEINER
1997: 29ff., Merkmale und Typologien des dritten Sektors bzw. Non Profit
Sektors vgl. A
RNOLD
2003a: 193ff.).
Soziale Unternehmen in diesem Bereich lassen sich dabei durch folgende,
wesentliche Merkmale charakterisieren:
Soziale Unternehmen im dritten Sektor sind bezogen auf ihr Han-
deln primär auf einen sozialen Ertrag in der Gesellschaft aus, den
sie gemeinnützig, also nicht- gewinnorientiert, im Rahmen eines
politisch- und gesellschaftlich legitimierten Versorgungsauftrages
wahrnehmen (vgl. W
ENDT
2000:12).
Ihre gesell. Position ist intermediär in dem Sinne, dass sie prinzi-
piell jene sozialen Bedürfnisse in der Gemeinschaft kompensieren
und auffangen, die durch staatliches- und erwerbswirtschaftliches
Handeln wie auch durch die Gemeinschaft selbst nicht hinreichend
befriedigt werden können (ebd.: 13).
Die Einbindung in ein gesellschaftlich- und politisch legitimiertes
Versorgungssystem setzt soziale Unternehmen in ein spezifisches
Abhängigkeitsgefüge, was sie im Verhältnis zum Staat als Träger
sozialer Leistungen in Abhängigkeit zu den dortigen gesetzlichen-

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
8
und ökonomischen Rahmenbedingungen setzt, wollen sie soziale
Bedürfnisse der Gemeinschaft befriedigen. Dies geschieht vor dem
Hintergrund eines staatlich initiierten Systems der sozialen Siche-
rung, was sich wesentlich durch Versorgung, Förderung und Hilfe
bzw. Fürsorge einzelner Bedürftiger auszeichnet (vgl. B
ACKHAUS
-
M
AUL
2003: 32). Da der Staat dies aber weder organisatorisch noch
finanziell auf Dauer in Eigenverantwortung bewältigen kann, über-
trägt er diese Aufgaben in einzelnen Teilbereichen gem. dem Sub-
sidiaritätsprinzip u.a. auf soziale Unternehmen des dritten Sektors,
die diese Leistungen für ihn erbringen (vgl. P
ABST
2003: 83).
Die intermediäre Stellung sozialer Unternehmen lässt ihnen eine
sozialanwaltliche Funktion zukommen (vgl. N
ÄHRLICH
1998: 6). Ne-
ben ihrer Nähe zu den gesetzlichen- und ökonomischen Rahmen-
bedingungen des Staates vertreten sie die Interessen der Gemein-
schaft in Bezug auf soziale Anliegen. Sie nehmen teils auch aus ei-
nem in der Historie gewachsenem Selbstverständnis heraus die In-
teressen von Minderheiten, sozial Bedürftigen und gesell. Rand-
gruppen waren (Anm.: Zu dem historischen Selbstverständnis sozi-
aler Unternehmen am Beispiel von Einrichtungen und Verbänden
der Sozialen Arbeit vgl. T
IEBEL
1998 23ff.). Damit stehen sie nicht
nur in Abhängigkeit zur staatlichen Definitionsmacht über den Um-
fang und die Tragweite in Bezug auf dessen, was soziale Anliegen
in der Gesellschaft sind und wie ihnen nachgekommen wird, son-
dern sie stehen zugleich unter dem Einfluss der Lebenswelt der In-
dividuen selbst und müssen sich den dortigen Wandlungsprozes-
sen anpassen. Dies gilt bezogen auf die Werteorientierung in der
Gemeinschaft sowie auch auf die Akzeptanz von sozialen Unter-
nehmen in der selbigen.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
9
Im Verständnis für diese Arbeit gilt der Begriff der sozialen Unternehmen
dabei als Oberkategorie für Einrichtungen und Verbände der sozialen Ar-
beit. Bevor nun auf die wesentlichen Veränderungen im dritten Sektor
ausgehend von Umstrukturierungen im staatlichen System der sozialen
Sicherung eingegangen wird, soll zunächst auf die Art der Leistungs-
erbringung und Tätigkeit sozialer Unternehmen eingegangen werden. Die
folgenden Ausführungen dienen dabei als Grundlage für die späteren Ü-
berlegungen zum Social Marketing (vgl. Kapitel 3- 6).
2.1.2 Soziale Dienstleistungen
Die Leistungserbringung von sozialen Unternehmen weist einen spezifi-
schen Charakter aus. Ausgehend von der Zielbestimmung sozialer Unter-
nehmen, der Hinwendung zur Gemeinschaft und der Schaffung eines so-
zialen Ertrages, kann davon ausgegangen werden, dass sie in erster Linie
mit Individuen bzw. am Individuum wirkt. Diese Besonderheit unterschei-
det soziale Unternehmen z.B. zu den im erwerbswirtschaftlichen Feld a-
gierenden Unternehmen, die der Logik ihres Wirtschaftens nach Konsum-
güter bzw. Produkte fertigen, diese lagern oder zum Zwecke der Gewinn-
maximierung verkaufen (vgl. W
ÖHRLE
2003: 119). In diesem Zusammen-
hang bezeichnet Wend das Handeln sozialer Unternehmen als Dienstleis-
tungserbringung (vgl. W
ENDT
2000:13).
Auch Wöhrle nimmt sich dieser Zuschreibung an und schlägt folgende
Merkmale zur Typologisierung von Dienstleistungen vor (vgl. W
ÖHRLE
2003: 119; zur weiteren Typologisierung auch M
EFFERT
/
B
RUHN
1997:
23ff.):
Immaterialität: Dienstleistungen sind nicht sichtbar.
Unteilbarkeit: Dienstleistungen sind nicht speicherbahr- oder la-
gerbar.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
10
Produktion und Konsumtion fallen zusammen: Der Moment der
Leistungserstellung und des Verwertens fallen zusammen.
Dienstleistungen sind Ortsgebunden: Dienstleistungen sind im-
mobil und die anbietende Seite sowie die nachfragende Seite müs-
sen zusammentreffen.
Dienstleistungen sind individuelle Vorgänge: Dienstleistungen
werden im Zusammenwirken der Akteure immer wieder neu ge-
schaffen.
Da soziale Unternehmen primär einen sozialen Zweck verfolgen, kann mit
Bauer ausgehend von den genannten Merkmalen der Dienstleistungen
auch von ,,sozialen Dienstleistungen" gesprochen werden (vgl. B
AUER
2001: 20). Hierunter können diejenigen ,,Handlungen, Aktivitäten und
Maßnahmen verstanden werden, die die physische und psychische Le-
bensweise sowie die Sozialfähigkeit der Individuen in der Gemeinschaft
herstellen oder verbessern" (B
AUER
2001: 20).
Die Charakterisierung der Tätigkeit sozialer Unternehmen als soziale
Dienstleistungserbringung schafft dabei im Gegensatz zum traditionellen
Verständnis in der Sozialen Arbeit, wo häufig vom Helfen, der therapeuti-
schen- und pädagogischen Arbeit sowie weiteren Tätigkeitsbeschreibun-
gen die Rede ist, einen erweiterten Handlungsspielraum. Denn bezogen
auf das Verhältnis sozialer Unternehmen zu den Empfängern einer sozia-
len Dienstleistung, d.h. den Individuen in der Gemeinschaft, sind theore-
tisch ähnliche Verhältnisse wie im erwerbswirtschaftlichen Bereich anzu-
treffen. Auch bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen bestehen auf
der einen Seite die fachlichen- und professionsbezogenen Kompetenzen,
die insgesamt zur Herstellung des Produktes der sozialen Dienstleistung
führen und auf der anderen Seite die Bedürfnisse in der Gemeinschaft.
Der Moment der Produktion und Konsumtion stellt somit ein ähnliches

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
11
Verhältnis dar wie im erwerbswirtschaftlichen Feld zwischen den Produ-
zenten und Nachfragern bzw. Kunden (vgl. M
EINHOLD
1998: 20f.).
Die damit vollzogene Zuordnung des klassischen Klientelbegriffes in der
Sozialen Arbeit zu den Kunden sowie die Charakterisierung von Trägern
der Sozialarbeit als soziale Dienstleistungserbringer ist indes nicht unprob-
lematisch. Denn in der Praxis sprechen verschiedenen Indikatoren, wie
das historische Selbstverständnis der Profession, die verschiedenen
Funktionszuweisungen der Sozialen Arbeit (u.a. die genannte sozialan-
waltliche Funktion) und die Vorbehalte gegenüber den Methoden und Be-
grifflichkeiten aus dem erwerbswirtschaftlichen Bereich oftmals gegen eine
solche Betrachtungsweise.
Aus zwei Gründen aber soll sich im Kontext dieser Arbeit den Begriffen
der sozialen Dienstleistungen und Kunden angenommen werden. Zum
Einen ist mit dieser Sichtweise eine Aufwertung der Profession selbst ver-
bunden, da qualifizierte und professionelle Arbeit auch mit einem entspre-
chenden Wert verbunden ist, der sich m.E. in der Beschreibung der sozia-
len Dienstleistung eher wieder spiegelt als in dem klassischen Helfen.
Einen Beitrag dazu leisten gerade die in den vergangenen Jahren einge-
führten Methoden wie das Qualitätsmanagement, das Kostencontrolling
und viele weitere strukturgebende Standards in der Sozialen Arbeit, was
insgesamt zu einer steigenden Fachlichkeit und Professionalität führt
(Anm.: vgl. dazu auch S
CHWARZ
1997: 34- 69. Hier werden die Entwick-
lungslinien anhand einer Professionalisierungsdebatte der Sozialen Arbeit
in einem Rückblick und anhand der verschiedenen Einflussfaktoren dar-
gestellt).
Zum Anderen bereitet, bezogen auf den erweiterten Handlungsspielraum,
ein solches Verständnis auch den Weg zu neuen Methoden und Ansätzen
in der Sozialen Arbeit, was sich insbesondere auf die folgenden Ausfüh-
rungen zum Social Marketing bezieht. Denn wie noch zu zeigen sein wird,
schließt sich Marketing der genannten Sichtweise vom Klientel als Kunden

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
12
sozialer Dienstleistungen an. In der Folge sollen dabei aber erwerbswirt-
schaftliche Methoden, zu denen auch Marketing zu zählen ist, nicht vor-
behaltlos auf den sozialen Bereich übertragen werden. Vielmehr sollen
unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Feld der Sozialwirtschaft
mit dem Social Marketing sinnvolle Verbesserungsvorschläge unterbreitet
werden, so dass die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden
können.
Bevor nun aber auf die Methodik selbst eingegangen wird, sollen nachste-
hend zunächst die wesentlichen Strukturveränderungen in der Sozialwirt-
schaft erörtert werden.
2.2
Strukturveränderungen in der Sozialwirtschaft
In den vergangenen Jahren zeigte sich eine Vielzahl von staatlich initiier-
ten Umstrukturierungen im System der sozialen Sicherung für einen Wan-
del der gesetzlichen- und ökonomischen Rahmenbedingungen sozialer
Unternehmen verantwortlich. Darüber hinaus, sind soziale Unternehmen
aufgrund ihrer intermediären Stellung zugleich verschiedensten Interessen
und Erwartungshaltungen in der Gemeinschaft ausgesetzt, so dass auch
die dortigen Wandlungsprozesse bei der Darstellung der Strukturverände-
rungen in der Sozialwirtschaft mit berücksichtigt werden müssen. Im Fol-
genden werden nun einige ausgewählte Indikatoren der Strukturverände-
rungen vorgestellt, die primär die Notwendigkeit einer Anwendung des
Social Marketings in der Praxis begründen sollen.
2.2.1 Finanzierung sozialer Dienstleistungen
Soziale Unternehmen sind, wie bereits in Kapitel 2.1.1 genannt, bei der
Erbringung sozialer Dienstleistungen zum größten Teil von staatlicher
Förderung abhängig. Öffentliche Zuschüsse für den dritten Sektor insge-
samt nehmen nach Tiebel ca. 68 % des Gesamtvolumens ein, 28 % der

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
13
Gelder werden dort selbst erwirtschaftet (u.a. Mitgliedsbeiträge, Selbstkos-
tenbeiträge) und 4 % stellen private Spenden dar (vgl. T
IEBEL
1998: 31).
Die enorme finanzielle Abhängigkeit ergibt sich aus einem hochgradig
staatlich und gesetzlich reglementierten Feld der sozialen Sicherung, in
dem der Staat quasi als Kostenträger fungiert (Anm.: Und in einer weite-
ren Ausdifferenzierung die beteiligten öffentlichen Träger, vgl. H
OTTELET
2003: 100f.).
Bei einem Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherung (durch die
Leistungsempfänger) erbringt nicht der Staat selbst die Leistungen, son-
dern er überträgt diese Aufgaben im Rahmen des sog. sozialrechtlichen
Dreiecksverhältnisses (Abb. 2) auf die von ihm gesetzlich anerkannten
Leistungsträger (vgl. Z
IMMER
/
N
ÄHRLICH
2003: 72).
Abb.2: Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Z
IMMER
/
N
ÄHRLICH
2003: 73)
Leistungsempfänger
Leistungsträger
Kostenträger
Rechtsanspruch
Kostenerstattung
Leistungserbringung

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
14
Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis hat sich aufgrund eines veränder-
ten Ausgabebewusstseins des Staates bei der Finanzierung von Leistun-
gen der sozialen Sicherung in den vergangenen Jahren nun dahingehend
verändert, dass es eine strengere Ressourcenverwaltung auf Seiten der
Kostenträger gibt. Wöhrle sieht die Gründe dafür u.a. in einem defizitären
Staatshaushalt, der sich aufgrund von Indikatoren wie a) der steigenden
Arbeitslosigkeit, b) dem demographischen Wandel in der BRD und c) der
fortschreitender Technologisierung in der Arbeitswelt mit tendenziell weni-
ger zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen ergibt (vgl. W
ÖHRLE
2003:
66).
Zugleich bestehen im Rahmen der fortschreitenden Europäisierung für die
BRD Vorgaben auf Ebene der Europäischen Union (EU), was sich u.a. auf
bestimmte ökonomische Zugangskriterien der Beitrittsländer bezieht. So
wird z.B. die max. Höhe der Staatsverschuldung bzw. des Haushaltsdefi-
zits dort vorgegeben (vgl. S
CHUBERT
2001: 28). Sicherlich sind dies nur
einige ausgewählte Indikatoren, die in der Konsequenz zu einer strenge-
ren Ressourcenverwaltung staatlicher Finanzen führen. Für soziale Unter-
nehmen im dritten Sektor bedeutet dies aber folgenreiche Veränderungen,
da die Leistungen des Staates, im Zuge einer generell einhaltenden Öko-
nomisierung im Bereich der sozialen Sicherung, einem wachsenden
Rechtfertigungsdruck unterliegen (ebd.).
Als Ausdruck dieser Ökonomisierungstendenzen im staatlichen Bereich
gilt auch die Aufnahme von den sog. Neuen Steuerungsmodellen (New
Public Management), als Konzept der leistungsorientierten- und bürgerna-
hen Verwaltung auf Seiten der Kostenträger.
Nachstehend werden nun in einem Exkurs die Neuen Steuerungsmodelle
und die Folgen für soziale Unternehmen dargestellt.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
15
2.2.2 Exkurs: Neue Steuerungsmodelle
Die Diskussion um Neue Steuerungsmodelle wird seit den 90er Jahren in
der BRD geführt. Bei der Einführung der Neuen Steuerungsmodelle geht
es in erster Linie um die Modernisierung des Verwaltungssystems und des
öffentlichen Sektors der BRD. Angesprochen sind somit auch die Kosten-
träger der sozialen Dienstleistungen. Mit Nährlich streben Neue Steue-
rungsmodelle eine Verringerung der Komplexität öffentlicher Verwaltung
bei einer gleichzeitig strengeren Ausgabenüberwachung an (vgl. N
ÄHRLICH
1998: 48). ,,Die Reorganisation der Verwaltungsstrukturen (öffentliche
Verwaltung) zielt dabei auf eine Markt- und Wettbewerbsorientierung von
Veraltungstätigkeiten ab" (ebd.: 48).
Dies bezieht sich auf die interne Verwaltungstätigkeit und den dortigen
Ressourcenzuteilungen zwischen den einzelnen Verwaltungsbreichen so-
wie auf das Verhältnis zu externen Leistungserbringern, zu denen auch
soziale Unternehmen zu zählen sind.
Ebenso wie nun innerhalb der Verwaltung die Prinzipien und Mechanis-
men einer bürgernahen- und leistungsorientierten Vergabe staatlicher Mit-
tel gültig sind, durch Instrumente des Kostencontrollings und des Quali-
tätsmanagements, durch eigenverantwortliche Ressourcenverwaltung der
Fachbereiche sowie der Option zur Privatisierung staatlicher Leistungen,
so wirken sich diese Mechanismen nun auch auf die externen Durchfüh-
rungsträger aus (vgl. N
ÄHRLICH
1998: 50ff.; S
CHUBERT
2001: 30ff.).
In der Folge beeinflussen die Neuen Steuerungsmodelle somit das er-
wähnte sozialrechtliche Dreiecksverhältnis. Denn im Vergleich zur frühe-
ren Finanzierung sozialer Dienstleistungen durch die Kostenträger, müs-
sen soziale Unternehmen in der Gegenwart diesen nun einen genauen
Nachweis ihrer Leistungen erbringen. In der Durchführung ihrer Arbeit be-
zieht sich dies auf die Merkmale der Wirtschaftlichkeit und dem Nutzen für
die Leistungsempfänger (Kunden) wie auch auf die Qualität der einzelnen
Leistungen. In der Praxis findet sich dieser Aspekt in vielen Bereichen im

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
16
Instrument des Kontraktmanagements zwischen Leistungsträgern und
Leistungserbringer wieder, in dem diese Punkte ihre inhaltliche Aufnahme
finden (vgl.
K
NORR
/
S
CHEPPACH
1999).
Abschließend kann zu den Neuen Steuerungsmodellen gesagt werden,
dass sie insgesamt zu einem steigenden Wettbewerb in vielen Bereichen
der sozialen Dienstleistungserbringung führen. Dafür verantwortlich zeigen
sich die erwähnten Merkmale der strengeren Ressourcenüberwachung
sowie die Einführung des Kontraktmanagements, was soziale Unterneh-
men für die Kostenträger vergleichbarer macht und die dortigen Hand-
lungsspielräume bei der Bestimmung der Leistungsträger erweitert. Vor
diesem Hintergrund sie die Neuen Steuerungsmodelle sicherlich auch kri-
tisch zu betrachten, da die ökonomischen Sachzwänge auf Seiten der
Verwaltung den Druck auf die Leistungsträger, sich in ihrem Handeln an-
zupassen, erhöhen (Anm.: Zur ausführlichen Darstellung der Neuen Steu-
erungsmodelle und den Folgen für soziale Unternehmen vgl. N
ÄHRLICH
1998: 36ff.; K
NORR
/
S
CHEPPACH
1999, W
ÖHRLE
2003: 74ff.).
Auf eine differenziertere Darstellung der Neuen Steuerungsmodelle und
der Folgen für soziale Unternehmen wird hier verzichtet. Das veränderte
Ausgabeverhalten des Staates bei der Finanzierung sozialer Dienstleis-
tungen, die europäischen Rahmenbedingungen und die Neuen Steue-
rungsmodelle sind aber in einen Zusammenhang zu bringen und begrün-
den mit die Notwendigkeit für soziale Unternehmen, sich neuen Hand-
lungsinstrumenten wie des Social Marketings zu bedienen.
Nachstehend soll nun explizit auf die veränderten rechtlichen Rahmenbe-
dingungen bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen und die Verände-
rungen im näheren Umfeld sozialer Unternehmen eingegangen werden.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
17
2.2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Veränderung des rechtlichen Rahmens bei der Erbringung sozialer
Dienstleistungen im dritten Sektor ist zum Teil vor den in Kapitel 2.2.1-
2.2.2 genannten Hintergründen zu verstehen. Ergänzend kommen jedoch
noch weitere Vorgaben auf europäischer Ebene hinzu. Im Folgenden wer-
den dabei die wesentlichen Veränderungen im Vergleich zur davor gelten-
den Gesetzgebung dargestellt.
Zum Einen wurde bestimmten sozialen Unternehmen in der Vergangen-
heit ein Vorrang bei der Leistungserbringung zugesprochen. Dies bezieht
sich insbesondere auf die Wohlfahrtsverbände, denen aufgrund einer in
der Historie der BRD gewachsenen Nähe zum Staat, per Gesetz verankert
und mit dem Subsidiaritätsprinzip legitimiert, einen bedingter Vorrang vor
anderen sozialen Unternehmen zugesprochen wurde (vgl. N
ÄHRLICH
1998:
2). Nährlich fügt hier an, dass dieser Vorrang inzwischen aber teilweise
aufgehoben, eingeschränkt oder durch Wirtschaftlichkeitskriterien wie
Preis, Leistung und Qualität übersteuert ist (ebd.). ,,Infolge dieser Liberali-
sierung ist privatgewerblichen Anbietern der Zugang zum Sozialmarkt er-
leichtert worden und eine neue Konkurrenz entsteht" (N
ÄHRLICH
1998: 2).
Die klassische Aufgabenteilung zwischen dem Staat und dem dritten Sek-
tor verschiebt sich so zugunsten privatgewerblicher Anbieter, die zwar
auch soziale Dienstleistungen erbringen, dies aber gewinnorientiert tun
(Anm.: Am Beispiel der Jugendhilfe, also den Leistungen nach dem Kin-
der- und Jungendhilfegesetz und dem dortigen Verhältnis zwischen pri-
vatgewerblichen Anbietern und den der freien Wohlfahrtspflege vgl. auch
I
NTERVIEW
I
2005: 10f.. Am Beispiel der Pflegeversicherung und dem dorti-
gen Verhältnis zwischen privatgewerblichen Anbietern und den der freien
Wohlfahrtspflege vgl. auch P
ABST
2003: 87f.) (vgl. S
CHUBERT
2001: 28).
Neben dieser quasi Gleichschaltung der Leistungsträger im sozialrechtli-
chen Dreiecksverhältnis, führt die bereits erwähnte Aufnahme der Neuen
Steuerungsmodelle bei den Kostenträgern zu einer verschärften Konkur-
renzsituation zwischen den Anbietern sozialer Dienstleistungen. Wo in der

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
18
Vergangenheit noch einzelne Träger, wie die Wohlfahrtsverbände, geson-
derte Subventionen erhielten und sogar Defizite im dortigen Haushalt
durch die Kostenträger kompensiert wurden, existieren nun auf Basis von
Leistungskategorien kalkulierte Kontrakte. Diese geben dabei Auskunft
über den Inhalt, den Umfang, die Qualität und die Kosten der sozialen
Dienstleistung und machen somit die Anbieter sozialer Dienstleistungen
für die Kostenträger vergleichbarer (vgl. N
ÄHRLICH
1998: 27).
Die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen im sozialrechtlichen
Dreiecksverhältnis richtet sich zunehmend an fachlichen, wirtschaftlichen-
und bedarfsorientierten Kriterien aus, die von den Kostenträgern vorgege-
ben werden (ebd.: 29). In der Folge müssen sich die Anbieter sozialer
Dienstleistungen entsprechend gegenüber Mitanbietern positionieren, wol-
len sie auf die einzelnen Kontrakte zurückgreifen.
Sehr eindeutig sind diese Punkte mittlerweile bspw. in den §§ 77ff. des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes geregelt (SGB VIII), in denen die Bedin-
gungen der Zusammenarbeit zwischen den Leistungs- und Kostenträgern
der Jugendhilfe vor den o.g. Hintergründen mittlerweile sehr differenziert
geregelt sind.
Des Weiteren wirkt sich auch der Einfluss von Europa auf die sozialrechtli-
chen Rahmenbedingungen in der BRD aus. Die bereits genannte Gleich-
schaltung der Leistungsträger kann so dahingehend erweitert werden,
dass es zukünftig auch sozialen Unternehmen in weiteren Mitgliedsstaa-
ten möglich sein könnte, unter den gleichen gesetzlichen Rahmenbedin-
gungen in der BRD ihre Leistungen anzubieten (vgl. T
IEBEL
1998: 37;
S
CHUBERT
2001: 29). Hierfür stehen auf Seiten der EU Regelungen zum
Wettbewerbsrecht, also dem Verbot staatlicher Beihilfen, die zu einer
Wettbewerbsverzerrung führen. Weitere Regelungen beinhalten kartell-
rechtliche Aspekte, was insbesondere die starke Stellung der Wohlfahrts-
verbände und die in der Vergangenheit häufig vorgenommenen Preis- und
Gebietsabsprachen beeinflusst. Darüber hinaus, greift auch der Grundsatz
vom freien Verkehr der Dienstleistungen innerhalb der EU (vgl. L
ANGE

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
19
2002: 442f.). Insbesondere bei dem letztgenannten Punkt des freien Ver-
kehrs von Dienstleistungen innerhalb der EU ist langfristig die Gefahr ge-
geben, dass soziale Dienstleistungen nicht nur von Anbieter aus weiteren
Mitgliedsstaaten angeboten werden, sondern auf Basis der dortigen Lohn-
und Gehaltsstrukturen u.U. auch um ein vielfaches günstiger erbracht
werden könnten (vgl. I
NTERVIEW
III 2005: 5).
Die aufgezeigten Veränderungen sind hier nicht abschließend benannt
und in ihrer Komplexität auch nicht ausführlich behandelt, zumal gerade
die Auswirkungen der europäischen Rechtssprechung auf das System der
sozialen Sicherung, insbesondere für den Bereich des dritten Sektors,
noch nicht endgültig abgesehen werden können. Dennoch dürfte deutlich
geworden sein, dass die Indikatoren der gesetzlichen Rahmenbedingun-
gen das Verhältnis sozialer Unternehmen zu den Kostenträgern maßgeb-
lich beeinflussen und zukünftig im Kontext der fortschreitenden Europäi-
sierung noch mit weiteren Auswirkungen zu rechnen ist.
2.2.4 Das Umfeld sozialer Unternehmen
Soziale Unternehmen in der Sozialwirtschaft verfolgen in ihrer Arbeit oft-
mals bestimmte Werte- und Leitbilder, die letztlich als Ausdruck ihrer Nähe
zur Gemeinschaft betrachtet werden können. An dieser Stelle profitieren
sie oftmals von der Tätigkeit ehrenamtlicher Mitarbeiter sowie von Mit-
gliedsbeiträgen und Spenden (vgl. Kapitel 2.2.1). In vielen Fällen werden
damit soziale Bedürfnisse der Gemeinschaft befriedigt, die nicht im Rah-
men des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses erfüllt werden und die
soziale Unternehmen in ihrer Rolle als Interessenvertretung der Gemein-
schaft wahrnehmen.
Von daher sind sie auch vom Stimmungsbild und der Resonanz ihres
Handelns in der Gemeinschaft abhängig. Dies bezieht sich auf Wohl-
fahrtsverbände genauso wie auf kleinere, regionale Anbieter sozialer
Dienstleistungen. Vertrauensverluste durch z.B. Misswirtschaft im Umgang

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
20
mit Geldern aber auch die zunehmenden Zwänge für soziale Unterneh-
men auf profitable Leitungsfelder zu setzen, können an dieser Stelle nega-
tive Auswirkungen haben. Häufig geht es hierbei um einen Disput zwi-
schen den eigenen Werten- und Leitbildern sozialer Unternehmen sowie
den ökonomischen Notwendigkeiten, der im starken Maße das Verhältnis
zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern, Mitgliedern und Spendern beeinflus-
sen kann (vgl. T
IEBEL
1998: 32- 38).
Des Weiteren führen auch die Wertewandel in der Gemeinschaft in Bezug
auf soziale Anliegen in ihr zu einer veränderten Akzeptanz sozialer Unter-
nehmen. Insbesondere die Spendenbereitschaft der Bevölkerung wird hier
immer wieder vom jeweiligen Bewusstsein der Gemeinschaft beeinflusst.
Bei aktuellen Themen, die zugleich eine Vielzahl von Personen in der
Gemeinschaft betreffen, kann bspw. von einer höheren Spendenbereit-
schaft ausgegangen werden als bei weniger präsenten Themengebieten
(vgl. I
NTERVIEW
II 2005: 6).
Soziale Unternehmen erbringen oftmals auch Leistungen, die in Abhän-
gigkeit vom Anliegen und der Zielgruppe (Kunden) entweder erwünscht
und gefordert werden, oder aber sie widmen sich gesell. Randgruppen
und in ihrer Bekanntheit weniger stark ausgeprägten sozialen Anliegen in
der Gesellschaft (Anm.: Mit Blick auf den demographischen Wandel fällt in
der Gegenwart gerade der Versorgung Hochaltriger eine hohe Akzeptanz
zu, um ein Beispiel zu nennen). Wie noch zu zeigen sein wird, sind auch
dies Aspekte, die die Akzeptanz sozialer Unternehmen an vielen Stellen
beeinflusst und sich entsprechend auf ihr Handel auswirkt. Davon beein-
flusst werden kann z.B. das Spendenaufkommen einer Organisation,
wenn etwa Zielgruppen angesprochen werden, die auf eine geringe Ak-
zeptanz in der Gesellschaft treffen (z.B. Sucht- und Drogenkranke Men-
schen, vgl. auch I
NTERVIEW
I 2005: 1; 7).
Noch ein weiterer Aspekt des Wandels im Umfeld sozialer Unternehmen
begründet sich in ihrer eigenen Zielgruppe. Denn auch die Bedürfnisse,
Wünsche und Anforderungen, die Kunden an eine soziale Dienstleistung

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
21
herantragen, können sich im Laufe der Zeit wandeln (vgl. I
NTERVIEW
III
2005: 6f.). Zu berücksichtigen ist hier sicherlich die Art der Dienstleistung
und die Zielgruppe selbst. So sind Wohnungslose anders konstituiert und
tragen andere Anforderungen an die Dienstleister heran wie hochaltrige
Menschen, denen bspw. aufgrund ihrer finanziellen Situation u.U. mehr
Gestaltungsspielräume bei der Wahl der Dienstleistung zukommen.
Grundsätzlich sind aber auch dies Aspekte, die ständig neue Anforderun-
gen an soziale Unternehmen stellen können.
2.2.5 Marktprinzipien sozialer Dienstleistungen
In einem letzten Kapitel über die Strukturveränderungen in der Sozialwirt-
schaft soll sich noch einmal dem wachsenden Wettbewerb in diesem Be-
reich angenommen werden.
Zunächst unterscheiden sich die Strukturen in der Sozialwirtschaft von
den Strukturen der Erwerbswirtschaft. So sind reine Marktstrukturen, die
sich in erster Linie durch eine Preisbildung durch Angebot und Nachfrage,
der Wahlmöglichkeit der Kunden zwischen verschiedenen Anbietern und
einer direkten Leistungsbeziehung zwischen Kunden und Anbietern aus-
zeichnen, im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis nicht oder nur bedingt
gegeben (vgl. N
ÄHRLICH
1998: 27; vgl. R
EISS
1993: 28). An diese Stelle
treten, wie in den vorangegangen Kapitel beschrieben, die Kostenträger,
die Leistungsträger und die Leistungsempfänger.
Dennoch lassen sich einzelne typische Marktmechanismen, wie sie im
Bereich der Erwerbswirtschaft anzutreffen sind, auch in der Sozialwirt-
schaft wieder finden. Kennzeichnend dafür sind u.a. die genannten Merk-
male des steigenden Konkurrenzdrucks zwischen den Anbietern sozialer
Dienstleistungen, der Wettbewerb um die Kontrakte und somit auch um
die beste Qualität der Leistungen, der Wirtschaftlichkeit und dem Nutzen
für die Kunden.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
22
Was die Wirkungsmechanismen betrifft, agieren soziale Unternehmen
somit sehr wohl in marktähnlichen Strukturen, zumal an dieser Stelle auch
der Einfluss der fortschreitenden Europäisierung zu berücksichtigen ist
(vgl. N
ÄHRLICH
1998: 27ff.; T
IEBEL
1998: 29ff.).
Hinzukommen in Teilbereichen der Finanzierung sozialer Dienstleistungen
Tendenzen der direkten Mittelvergabe an die Leistungsempfänger anstelle
der Leistungsträger. Dies würde damit die individuellen Wahl- und Ent-
scheidungsmöglichkeiten der Kunden bei der Auswahl der Anbieter sozia-
ler Dienstleistungen erhöhen, was sich aktuell am Bespiel der Behinder-
tenversorgung mit der Einführung des persönlichen Budgets abzeichnet
(Anm.: Die gesetzliche Grundlage stellt hier das SGB IX) (vgl. B
ADELT
2002: 670; H
AGELSKAMP
2004: 1ff.). Davon betroffen wäre in der Zukunft
bspw. die Lebenshilfe als gemeinnütziger Verein, der sich primär der Ziel-
gruppe von Menschen mit geistiger Behinderung annimmt und bundesweit
agiert (I
NTERVIEW
II 2005: 6).
Des Weiteren zeichnen sich auch die beschriebenen Strukturveränderun-
gen im Umfeld sozialer Unternehmen für den Einzug von marktähnlichen
Strukturen verantwortlich. Das bereits erwähnte Spendenaufkommen von
sozialen Unternehmen hängt nämlich nicht nur von der Akzeptanz einer
Organisation in der Gemeinschaft ab und dem dortigen Bewusstsein in
Bezug auf Soziales in ihr, sondern auch von den Aktivitäten weiterer An-
bieter sozialer Dienstleistungen im Bereich der Spendenaquise (vgl.
S
TEMMLE
1992: 54; D
EUTSCHER
F
UNDRAISING
V
ERBAND
2005; I
NTERVIEW
II
2005: 5).
Insgesamt lassen sich also, an den verschiedenen Schnittstellen sozialer
Unternehmen zu ihrer weiteren Umwelt, zunehmend wettbewerbsähnliche
Mechanismen feststellen.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
23
2.3
Zusammenfassung
Abschließend zum Kapitel über die gesellschaftlichen Rahmenbedingun-
gen der Sozialwirtschaft kann folgendes gesagt werden:
1.
Der Gegenstand der Sozialwirtschaft ist die Befriedigung sozialer
Bedürfnisse in der Gemeinschaft.
2.
Zu einem wesentlichen Teil sind es gemeinnützige soziale Unter-
nehmen, die sich im Rahmen ihrer intermediären Stellung den so-
zialen Anliegen in der Gemeinschaft annehmen. Diesem Bereich
sind auch die Einrichtungen und Verbände der Sozialen Arbeit zu-
zuordnen. Primär verfolgen sie dabei einen sozialen Ertrag, was sie
von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen unterscheidet.
3.
Soziale Unternehmen erbringen soziale Dienstleistungen. Damit
verbunden ist zugleich die Charakterisierung von sozialen Unter-
nehmen als Dienstleister. In der Folge können die Abnehmer der
Dienstleistungen auch als Kunden bezeichnet werden.
4.
Soziale Unternehmen sind gegenwärtig aufgrund ihrer Einbindung
in das System der sozialen Sicherung von folgenreichen Verände-
rungen betroffen. Dafür ausschlaggebend sind insbesondere die
gesetzlichen- und ökonomischen Rahmenbedingungen ihres Han-
delns, aber auch Veränderungsprozesse in der Gemeinschaft
selbst.
5.
In der Konsequenz handeln soziale Unternehmen zunehmend in
marktähnlichen Strukturen, in denen sie sich gegenüber ihren wei-
teren Mitbewerbern entsprechend positionieren müssen. Zugleich
sind sie aufgrund ihrer intermediären Stellung in der Gesellschaft
verschiedensten Interessen ausgesetzt, die an vielen Stellen im
Handeln sozialer Unternehmen zu berücksichtigen sind.

2. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen der Sozialwirtschaft
24
6.
Aufgrund der vielfältigen Umstrukturierungen im System der sozia-
len Sicherung, müssen sich soziale Unternehmen in der Gegenwart
und zukünftig noch in einem gesteigerten Maße den veränderten
Rahmenbedingungen anpassen, um auf gesellschaftliche Entwick-
lungen entsprechend reagieren zu können. Gefordert sind an die-
ser Stelle entsprechende Steuerungsinstrumente, die zugleich
mehrere Anforderungen erfüllen müssen. Zum Einen gilt es, die
komplexen Ansprüche und Wirkungsfaktoren im Umfeld sozialer
Unternehmen genau bestimmen zu können. Nur auf dieser Basis
scheinen Entwicklungen vorhersehbar und sind entsprechende Lö-
sungswege zu entwickeln. Zum Anderen sind darauf aufbauend In-
strumente gefordert, die unter den gegebenen Bedingungen ein
nachhaltiges Bestehen gewährleisten und zugleich die verschiede-
nen Interessenlagen berücksichtigen. In diesem Sinne wird in den
folgenden Kapiteln das Social Marketing als Instrument zur Unter-
stützung von Innovationsprozessen sozialer Unternehmen vor den
in Kapitel 2 genannten Hintergründen vorgestellt.

3. Social Marketing
25
3.
Social Marketing
In diesem Teil der Arbeit soll nun näher auf das Social Marketing einge-
gangen werden. Ausgehend vom Marketing und im Weiteren vom Social
Marketing, wird sich zunächst wieder den Begrifflichkeiten genähert. Dass
hier zwischen beiden Begriffen unterschieden wird, hängt damit zusam-
men, dass Marketing in seiner Entstehungsgeschichte dem erwerbswirt-
schaftlichen Bereich zuzuordnen ist (vgl. S
CHEIBE
-
J
AEGER
2002: 22ff.). Im
weiteren Verlauf sollen dann die Unterschiede der Austauschbeziehungen
im erwerbswirtschaftlichen Bereich und im Bereich der Sozialwirtschaft
dargestellt werden. Damit soll auf die Besonderheit sozialen Unternehmen
hingewiesen werden, wenn es um die Anwendung von Marketing geht.
Darüber hinaus wird auch der Frage nachgegangen, welche Bedeutung
Social Marketing im Zusammenhang mit dem Management sozialer Un-
ternehmen zugeschrieben werden kann. An dieser Stelle wird die Ent-
scheidungsebene beim Marketing angesprochen.
3.1
Begriff und Gegenstand des kommerziellen Marketings
Mit Bruhn/ Tilmes ist Marketing allg. eine Domäne erwerbswirtschaftlicher
Unternehmen und beschreibt in diesem Feld eine Führungsphilosophie
und Denkhaltung von Unternehmen (vgl. B
RUHN
/
T
ILMES
1994: 15). Auch
Meffert sieht im Marketing eine Führungsphilosophie von erwerbswirt-
schaftlichen Unternehmen und gibt folgende Definition: ,,Marketing ist die
bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder
marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung...[.]...und
meint die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und
potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine
dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unterneh-
mensziele verwirklicht werden" (M
EFFERT
2000: 8).

3. Social Marketing
26
In diesem Sinne richten erwerbswirtschaftliche Unternehmen, deren
Zweck wie bereits erwähnt in der Gewinnmaximierung durch den Verkauf
ihrer Produkte liegt, ihr Handeln auf die Bedürfnisse und Zielgruppen der
jeweiligen Märkte aus. Marketing bzw. kommerzielles Marketing, stellt da-
bei nicht ausschließlich eine punktuelle Bearbeitung einzelner unterneh-
mensinterner Teilbereiche oder Produkte dar, sondern ein generelles und
ganzheitliches Unternehmensleitbild.
Erweitert wird dieser Begriff und Gegenstand vom Marketing durch die
Aufnahme des sog. generischen Konzeptes. Hierbei bezieht sich Marke-
ting auf jegliche Form eines Austausches zwischen zwei Kontrahenten,
auf Austauschformen aller Art, bei dem beide Parteien durch den Aus-
tauschprozess ihre Bedürfnisse befriedigen wollen (Anm.: Der Begriff der
Kontrahenten bezieht sich hier auf die gegensätzlichen Interessenlagen
der Produzenten und Kunden) (vgl. M
EFFERT
2000: 9; N
IESCHLAG
2002:
13). Es wird die Gesamtheit aller Austauschbeziehungen zwischen Markt-
partnern betrachtet, wobei sämtliche Marktakteure mit berücksichtigt wer-
den (HHL 2005: 1).
Somit wird die Ausrichtung der Unternehmen auf aktuelle und potentielle
Märkte mit der Aufnahme des generischen Marketingkonzeptes ergänzt.
Nicht nur die Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und Märkten
(Kunden) stehen im Vordergrund der Betrachtungen, sondern ebenfalls
nicht direkt am kommerziellen Tauschprinzip und am Markt beteiligte Um-
felder. Kennzeichnend ist dafür die Annahme, dass sich auch Verände-
rungen im weiteren Umfeld eines Unternehmens (Sozio- kulturelle-, poli-
tisch- rechtliche- und technologische Veränderungen) auf die Austausch-
beziehungen auswirken.
Ein weiteres Merkmal des generischen Konzeptes ist insbesondere die
Prozesshaftigkeit der einzelnen Marketingschritte, was sich auf unterneh-
mensinterne- und unternehmensexterne Faktoren bezieht (vgl. M
EFFERT
2000: 10). An dieser Stelle wird man der Dynamik des Unternehmensum-

3. Social Marketing
27
feldes gerecht und den dortigen Veränderungen, so dass einzelne Marke-
tingentscheidungen zu keinem Zeitpunkt entgültig sind.
Die Aufnahme des generischen Konzeptes im kommerziellen Marketing ist
somit in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum Einen konnten mit seiner
Aufnahme im Bereich des kommerziellen Marketings neue Methoden ihre
Anwendung finden, die neben den Bedürfnissen und Wünschen der Kun-
den (Märkte) auch das weitere Umfeld von Unternehmen mit einbezogen.
Darüber hinaus, ergaben sich durch die Aufnahme des erweiterten Bezie-
hungsumfeldes aus Marketingsicht nun auch Handlungsfelder im Non Pro-
fit Bereich (vgl. B
RUHN
/
T
ILMES
1994: 20f.). Denn wie bereits in Kapitel 2
gezeigt werden konnte, bestehen bei sozialen Unternehmen komplexe
Beziehungsumfelder und diverse Einflussfaktoren, die aus Marketingsicht
mit in die jeweiligen unternehmerischen Entscheidungen einzubeziehen
sind.
Nachstehend soll nun das Social Marketing näher beschrieben werden.
3.2
Begriff und Gegenstand des Social Marketings
Social Marketing wird in der Literatur trotz seiner Ableitung aus dem kom-
merziellen Marketing mitunter sehr unterschiedlich definiert, so dass zu-
nächst ein Überblick über die möglichen Zugänge gegeben werden soll.
3.2.1 Social Marketing als Ansatz zur Unterstützung sozialer Anlie-
gen in der Gesellschaft
Mit Kotler kann Social Marketing als eine Methode zur Veränderung von
Verhaltensweisen verstanden werden. Bei ihm steht der Begriff ,, für eine
Managementtechnik, die sozialen Wandel einleiten soll und sich aus Pla-
nung, Umsetzung und Kontrolle von Programmen zusammensetzt, die das
Ziel haben, die Akzeptanz einer gesellschaftspolitischen Vorstellung oder

3. Social Marketing
28
einer Verhaltensweise bei einer oder mehrer Zielgruppen zu erhö-
hen...[.]... Das Social Marketing handelnde Organ handelt in dem Glau-
ben, die von ihm geförderten Ziele seien im besten Interesse des Einzel-
nen oder der Gesellschaft" (K
OTLER
1991: 37). Um dies zu verwirklichen,
bedienen sich die beteiligten Akteure den Methoden und Prinzipien des
kommerziellen Marketings (vgl. F
ISCHER
2000: 19).
Nach diesem Verständnis gibt es beim Social Marketing im Vergleich zum
kommerziellen Marketing eine Unterscheidung im Inhalt und in den Zielen.
Im Vordergrund steht nämlich die Vermarktung sozialer Anliegen, die von
einem gesamtgesellschaftlichem Interesse und Nutzen sind. Als Beispiel
für diese Form des Social Marketings können Aktionen gegen Gewalt an
Schulen gelten oder aber im Bereich der Gesundheitsprävention Kampag-
nen zu den Themen Aids, Rauchen und Drogenmissbrauch. Im Bereich
der Erwerbswirtschaft würde indes die Vermarktung einzelner Produkte
mit dem Ziel der Gewinnmaximierung Priorität haben.
3.2.2 Social Marketing in der Erwerbswirtschaft
Ein weiterer Zugang zum Social Marketing ergibt sich in der Zuschreibung
einer gesellschaftlichen Verantwortung von erwerbwirtschaftlichen Unter-
nehmen. So richten einige Unternehmen ihre Marketingaktivitäten nicht
nur am Markt und am Konsumenten orientiert aus, sondern berücksichti-
gen zur Förderung ihrer unternehmerischen Akzeptanz auch soziale An-
liegen in der Gemeinschaft (vgl. F
ELDMANN
1971: 54 In: B
RUHN
/
T
ILMES
1994: 22). Kennzeichnend für die Ausweitung der Marketingaktivitäten
erwerbswirtschaftlicher Unternehmen auf soziale Anliegen sind die daraus
entstehenden Wettbewerbsvorteile, so dass auch weiterhin die Gewinn-
maximierung im Vordergrund steht (vgl. M
EFFERT
2000: 1277). Mit Arnold
ist in diesem Zusammenhang auch häufig von gesellschaftlich verantwort-
lichem Handeln oder Societal Marketing die Rede (vgl. A
RNOLD
2003b:
283).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832491826
ISBN (Paperback)
9783838691824
DOI
10.3239/9783832491826
Dateigröße
988 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2005 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
strukturveränderungen sozialwirtschaft neue steuerungsinstrumente strategisches marketing operatives explorative interviews
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