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Organisationsentwicklung in Netzwerken

Netzwerkkompetenz und Kompetenzentwicklung

©2005 Diplomarbeit 78 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Als man in den 1960er Jahren das ARPANET entwickelte, hat man in den Kreisen des US-Verteidigungsministerium sicherlich nicht geahnt, welche Ausmaße die Schaffung eines verteilten Kommunikationssystems wohl haben mochte. Es ist noch nicht so lange her, Anfang der 1990er, als das WorldWideWeb erfunden wurde, das man heute unter dem Namen Internet kennt. Inzwischen gelten 52,7% der deutschen Bevölkerung als „Onliner“, also als Nutzer des Internets, unabhängig von Ort und Grund der Nutzung. Die Vernetzung der Gesellschaft, sozial wie ökonomisch, schreitet voran.
Im Grunde geht es um die elementarsten Grundlagen der Betriebswirtschaft – was bedeutet Management, was eine Organisation? Lateinisch manum agere, an der Hand führen, wird Management heute mit unterschiedlichsten Begriffen und Bedeutungen in Zusammenhang gebracht, was nicht unbedingt zum Verständnis der ablaufenden Vorgänge und Prinzipien beiträgt. Zudem leben wir in einer Organisationsgesellschaft, d.h. einer Gesellschaft, in der die relevantesten Entscheidungen in Organisationen getroffen werden.
Management bezeichnet demzufolge das Gestalten, Lenken und Entwickeln von gesellschaftlichen Institutionen. Deren innere Ordnung, formale wie informale Organisation, entsteht und entwickelt sich ähnlich zu natürlichen Systemen selbst bzw. selbstorganisierend. Somit können wir uns von traditionellen Ansichten wie der einfachen und linearen Verbindung von Ursache und Wirkung verabschieden. In den Mittelpunkt rücken dafür die Beziehungen der einzelnen Mitglieder einer Organisation sowie die Kommunikation als Verbindung zwischen eben diesen.
Eine Organisation ist ein soziales System, ein soziales Netzwerk, das sich durch eigene, individuelle Regeln von der Umwelt abgrenzt, ohne die Verbindung nach außen zu kappen. Dem Management kommt nun die Aufgabe zu, in dynamischer Umwelt den Wandel zu handhaben, d.h. die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Kommunikation ermöglicht wird.
Die Unternehmung ist dabei in ein Supersystem eingebettet und lässt sich un Subsysteme unterteilen. Sei es eine Tochterfirma oder Abteilung, jedes System hat eigene Regeln und Prozesse. Es handelt sich hier um die Evolution aus einem Netzwerk heraus. Letzteres stellt ein Potenzial dar, mit einem personenbezogenen Beziehungsgeflecht als tragende Infrastruktur. Netzwerke sind, wie oftmals in der Literatur angenommen wird, jedoch nicht beobachtbar. Dafür aber das Ergebnis von gelungener Kommunikation […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Netzwerke
1.1 Vorübungen
1.1.1 Organisation und Organisationsentwicklung
1.1.1.1 Klassische Ansätze
1.1.1.2 Neoklassische Organisationstheorien
1.1.1.3 Moderne Organisationstheorien
1.1.1.4 Mikroökonomische Organisationsanalyse
1.1.1.5 Systemtheoretische Ansätze
1.1.1.6 Post-Moderne Ansätze
1.1.2 Management
1.2 Netzwerktheorie & Netzwerkforschung
1.2.1 Soziologische Perspektive
1.2.2 Ökonomische Perspektive
1.2.3 Politikwissenschaftliche Perspektive
1.3 Schlussfolgerungen

2 Kompetenz & Kompetenzentwicklung
2.1 Vorübungen
2.2 Individuelles Lernen
2.2.1 Einfache Lernarten
2.2.2 Komplexe Lernarten
2.3 Organisationales Lernen
2.4 Kompetenz
2.5 Kompetenzentwicklung

3 Netzwerkkompetenz
3.1 Netzwerkkompetenz als Erfolgsfaktor
3.2 Netzwerkkompetenz als Kompetenz
3.3 Ausblick

4 Fazit

5 Anhang
5.1 Abbidlungsverzeichnis
5.2 Tabellenverzeichnis
5.3 Literaturquellen
5.4 Eidesstattliche Erklärung

0 Einleitung

Mikroskop und Teleskop stehen für die großen wissenschaftlichen Errungenschaften im Bereich des Kleinsten und des Kosmos: Das Mikroskop hat tiefe Einblicke in den Bereich des Lebendigen eröffnet, zur Entdeckung der Zelle, der Mikroben und der Viren geführt und damit die Fortschritte auf dem Gebiet der Biologie und der Medizin möglich gemacht; das Teleskop hat den Blick in die Unendlichkeit des Kosmos erweitert, ließ die Bahnen der Planeten und der Sterne erkennen und hat die Menschen auf die Eroberung des Weltraums vorbereitet.

Heute stehen wir vor einem anderen, noch weitgehend unbekannten Gebiet: dem der unbegrenzten komplexen Systeme, diesmal jedoch ohne Instrument. Nur unsere Gehirne, unsere bloße Intelligenz und Logik sollen die unbegrenzte Vielfalt des Lebens und der Gesellschaft durchschauen. Verwirrend sind Anzahl und Vielfalt der Elemente, der Beziehungen und Wechselwirkungen sowie der Kombinationsmöglichkeiten, auf denen die Funktion der großen Systeme beruht, in denen wir nur winzige Rädchen sind. Dem Spiel der Wechselwirkungen und ihrer Eigendynamik können wir nicht folgen, denn sie verändern sich in dem Augenblick, in dem wir sie zu erfassen suchen. Wir müssen sie aber besser verstehen, wenn wir sie beeinflussen wollen. Joël de Rosnay[1]

Als man in den 1960er Jahren das ARPANET entwickelte, hat man in den Kreisen des US-Verteidigungsministerium sicherlich nicht geahnt, welche Ausmaße die Schaffung eines verteilten Kommunikationssystems wohl haben mochte. Es ist noch nicht so lange her, Anfang der 1990er, als das WorldWideWeb erfunden wurde, das man heute unter dem Namen Internet kennt. Inzwischen gelten 52,7% der deutschen Bevölkerung als „Onliner“, also als Nutzer des Internets, unabhängig von Ort und Grund der Nutzung.[2] Wir haben bereits einen Boom von Internet-Unternehmen erlebt wie auch einen Niedergang der sog. New Economy. Ob dies nun alleinig ausschlaggebend für die Aktualität des Themas Netzwerk ist, vor allem in Wissenschaft und Forschung, sei dahingestellt. Fest steht jedoch, dass keine Generation derartige Infrastrukturen vorfand wie in heutigen Zeiten, nie war man stärker mit Netzwerken in Kontakt. Wohin die Reise führen wird, ist ungewiss. Dem Ruf nach Flexiblität und Handhabung von hoher Dynamik folgend, hat die Vernetzung die Betriebswirtschaft erreicht.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Netzwerke. Ziel ist es, aus betriebswirtschaftlicher Sicht den Nutzen und die Möglichkeiten von Netzwerken aufzuzeigen. Da sie als Form der Organisation gesehen werden können und die Literatur hauptsächlich aus diesem Bereich stammt, wird dies den ersten Teil der Arbeit ausmachen. Es wird der Frage nachgegangen, wie Unternehmungen strukturiert sind, nach welche Prinzipien und zu welchem Ergebnis dies führt. Die Welt verändert sich, und mit ihr Teile wie Wirtschaft, Kultur oder auch Kommunikation. Demnach ist das Thema nicht ohne die Entwicklung zu sehen, die die Organisationsforschung genommen hat. Netzwerke in der Betriebswirtschaft zu untersuchen hat noch keine lange Tradition. Es scheint, als hätte die Praxis durch neue Strukturen und innovative Konzepte den Anstoss gegeben. Dazu wird an dieser Stelle ein theoretisches Konzept präsentiert.

Der zweite Schritt wird, einem Mikroskop gleich, das Objekt vergrößern und sich den Elementen einer Organisation widmen, den Menschen. Diese üben gewisse Tätigkeiten aus, übernehmen Verantwortung und leisten einen Beitrag. Damit sie dies besser tun, der Unternehmung zu Vitalität verhelfen, untersuchen wir Konstrukte des Lernens und der Kompetenz. Kurz gesagt, diese Arbeit handelt um die Struktur von Arbeitsplätzen und dem Umgang mit den Menschen. Im letzten Teil entfernen wir uns wieder ein wenig, benutzen das Makroskop, um das Zusammenspiel der Menschen mit der Netzwerkkompetenz zu verstehen.

Die Schwierigkeit besteht jedoch, den bisherigen, traditionellen theoretischen Rahmen zu verlassen und geeignete Disziplinen einzufügen, damit ein stimmiges und verständliches Bild entsteht. Wir beschäftigen uns mit einem neuartigen, interdisziplinären Konstrukt. Es liegt auf der Hand, dass das nicht unbedingt mit konventionellen Ansichten zu verstehen ist. Deswegen soll diese Arbeit auch dazu dienen, eine andere Sichtweise einzunehmen um Raum zu schaffen für eigene Reflexion und Ansichten. Lehnen sie sich zurück, lassen sie sich mitnehmen auf eine Reise in die Funktionsmechanismen der Menschen und der Gesellschaft.

Siegen, Juni 2005

Bernd Speicher

1 Netzwerke

1.1 Vorübungen

„Bevor Management als Gesamtheit bestimmter Tätigkeiten charakterisiert werden kann, muss das zu 'managende' Objekt verstanden werden, denn nur darauf bezogen haben die Tätigkeiten überhaupt einen Sinn.“[3]

Die Organisation gehört zu den elementaren Managementfunktionen. Es wird ein Regelsystem geschaffen, das die grundlegenden Spielregeln für den Einsatz personeller, materieller und informatorischer Ressourcen festlegt. Es handelt sich um eine originäre Führungsaufgabe. Zum Erreichen von Effektivität und Effizienz sollte sie Gegenstand eines umfassenden Managementkonzeptes sein.[4] Demnach befassen wir uns zuerst mit diesen zwei Disziplinen, der Organisation und folgend dem Management.

Diese Arbeit basiert vor allem auf zwei grundlegenden Prinzipien: der Systemtheorie und der Kybernetik, beides Wissenschaften, die zu Beginn der 1940er Jahre entstanden sind. Ziel der allgemeinen Systemtheorie sollte es sein, die Erkenntnisse der unterschiedlichsten Wissenschaften vergleichbar und übertragbar zu machen[5], mit dem Begriff System als Basis. So werden fachfremde und gesellschaftswissenschaftliche Ansätze wie eben die Kybernetik, die Theorie autopoietischer Systeme, die Evolutionstheorie und Chaostheorie vermengt.[6]

Systemtheoretiker behandeln prinzipiell jeden sozialen Kontakt als System: das Warten in einer Schlange im Supermarkt, die Abteilungsleitersitzung im Unternehmen oder die Interaktion zwischen Schülern und Lehrern im Unterricht[7]. Wenn sich das Verhalten zweier Menschen aneinander orientiert und dies Auswirkungen auf den Fortgang der Ereignisse hat, wird von einem sozialen System ausgegangen. Das trifft demnach auf Organisationen wie eine Unternehmung zu. Diese können dann folgendermaßen dargestellt werden:

Abb.1: Übersicht über die Systembegriffe[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie die Grafik[9] zeigt, weisen Systeme verschiedene Ebenen auf. Dabei werden vor allem zwei Paradigmen kombiniert – die Unterscheidung zwischen Umwelt und System sowie die sog. Selbstreferenz. Das bedeutet, dass sich Systeme ihre Elemente und Strukturen selbst herstellen. Diese, nach eigenen Vorstellungen oder 'Plänen' gewählten Teile, dienen dazu, sich von der Umwelt zu unterscheiden. Jede Organisation ist einzigartig. Es macht einen Unterschied, ob ich beim 1.FC Köln Fußball spiele oder bei Bayer Leverkusen.

Allgemein wird von isoliertem, rein kausalanalytischem Denken Abstand genommen. Vielmehr gilt es, in Systemen zu denken. Es lässt sich eine einfache Vorgehensweise finden. Wird das Zusammentreffen von Menschen betrachtet, fragt man sich zuerst nach dem aktuellen System, in dem sich diese Beziehung ereignet, also die Abteilung im Unternehmen, der Sportverein oder die Schulklasse. Die zweite Frage gilt dem Supersystem. Damit wird das übergeordnete, größere System und deren weitere Komponenten bezeichnet. Als drittes werden die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten untersucht. Insbesondere bei Problemen, Misserfolgen oder Fehlleistungen des Gesamtsystems wird die Ursache nicht bei einem einzigen Element gesucht, sondern in der Struktur des Systems. Als Beispiel nehme ich den Fussballverein, der schlecht spielt. Die Schuld kann alleinig beim Trainer gesucht werden. Eine systemische Vorgehensweise ist das nicht.

Unternehmen bilden dabei eine Kategorie von zweckorientierten sozialen Institutionen. Sie werden als Ganzheiten begriffen, die aus vielfältig vernetzten Teilen bestehen.[10] Eine zentrale Rolle nimmt die Kommunikation ein. Ereignisse jedweder Art erlangen nur dann eine Relevanz, wenn sie wahrgenommen werden. Diese Ereignisse entstehen durch kommunikative Prozesse, sind also gestaltete Kommunikation, an die sich weitere Kommunikation anschließt. Dieses Denken in Ganzheiten[11] ist also von zentraler Bedeutung für ein neues Problembewusstsein. Der zweite, wichtige Aspekt ist der grundsätzliche Einbezug der Umwelt in alle Überlegungen. Kurz: Im Mittelpunkt stehen die Lenkung und die Gestaltung eines Systems. Dies entspricht auch dem Wesen der Kybernetik, die ihren Ursprung in konkreten Konstruktionsaufgaben hat.

Die Kybernetik, die Wissenschaft von der Gestaltung und Lenkung dynamischer Systeme, wurde von Norbert Wiener entwickelt[12], um konkrete Probleme zu lösen, die bis dato große Schwierigkeiten bereiteten. So fand er heraus, dass diese komplexen Probleme eine Gemeinsamkeit haben. Man stand stets vor der Aufgabe, Lenkungsvorgänge zu verstehen, wie sie in der Natur zu finden sind bzw. Maschinen zu konstruieren, die sich selbst lenken konnten. Folgende Ergebnisse konnten gewonnen werden:

- Unter sich verändernden Umweltbedingungen besteht Lenkung aus einem erfolgreichen Anpassungsprozess des Systems an seine Umwelt
- Lenkung bedeutet Informationsverarbeitung und kann nur auf informationeller Ebene erfasst werden
- Ein System beschränkt seine Lenkungsmöglichkeiten durch seine eigene Struktur
- Rückkopplungen sind für die Lenkung von großer Bedeutung
Das bedeutet, dass sich natürliche Systeme nicht nur selbst lenken, sondern auch selbst organisieren. Diese Ergebnisse blieben nicht auf den Bereich der Technik beschränkt, sondern wurden auch auf das Gebiet der Gesellschaftswissenschaften übertragen. Wir werden später insbesondere auf die Selbstorganisation eingehen. Nicht minder bedeutsam für die folgenden Ausführungen ist der Gedanke, dass jegliche zu untersuchende Objekte als Systeme aufgefasst werden können, die aus sehr vielen Teilen bestehen. Sie wirken zusammen, was man auch als Synergie bezeichnet. Daraus entwickelte sich die Synergetik, die Lehre vom Zusammenwirken. Das folgende Schaubild zeigt eine Zusammenfassung:

Abb.2: Systemtheorie, Kybernetik und Managementlehre[13]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Welt der Unternehmung die Unternehmensführung auch als Lenkung betrachtet werden kann – die Lenkung spezieller dynamischer Systeme.

Als Basis der oben angesprochenen Disziplinen kann der sog. Konstruktivismus oder Wirklichkeitsforschung gesehen werden. Es handelt sich hierbei aber nicht, um eine einheitliche Doktrin oder Denkschule, sondern um eine Entwicklungsrichtung sozialwissenschaftlicher Disziplinen.[14] Im Kern geht es um eine Konzeption des menschlichen Erkennens, einem wichtigen Baustein des menschlichen Lebens. Wie sehen wir die Welt, wie entdecken, verarbeiten wir sie? Als Voraussetzung für Wissen und Erkennen – das haben schon Vorsokratiker der Antike wie Demokrit, Xenophanes und Heraklit im 5. Jahrhundert v.Chr. nachgewiesen – gelten die Sinneswahrnehmungen. Doch gerade hierdurch ist dem Menschen eine unabhängige Realität nicht zugänglich. Wissen geht aus menschlichen Erfahrungen hervor und wird durch diese auch stetig geprüft. Damit kann nicht mehr von einer Übereinstimmung von Wissen und Wirklichkeit gesprochen werden.[15] Somit ist Wissen nicht das Erkennen von äußerer Wirklichkeit, sondern das Ergebnis eines Erfindens von Wirklichkeit. Es existiert keine Wahrheit menschlichen Wissens, denn Individuen können ihre Vorstellungen nicht mit der gesamten Realität vergleichen, sondern nur bestimmte Vorstellungen mit anderen Vorstellungen.

Eine spezielle Art des Konstruktivismus ist der sog. radikale Konstruktivismus, der der Frage nachgeht, wie Individuen aus der individuellen Erkenntnis eine dauerhafte, regelmäßige Welt konstruieren. Ausgangspunkt ist, dass Objektivität im Sinne einer vollständigen Erkennbarkeit der Welt nicht existiert, eine Illusion ist. Eine Überprüfung der Erkenntnisse über die Welt hinsichtlich ihrer Wahrheit ist nicht möglich.[16] Durch Erkenntnisse der Neurobiologen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela konnte festgestellt werden, dass das Gehirn ein Bild von der Welt erzeugt, jedoch kein vollständiges 1:1-Abbild. Dort werden unspezifische Signale registriert, die erst vom Gehirn als Wärme, Geruch, Schall usw. interpretiert werden. Die neuronalen Reize unterscheiden sich lediglich hinsichtlich eines 'wieviel' und eines 'woher'.[17] Daher resultiert der Gedanke, die menschliche wahrgenommene Erfahrungswelt sei lediglich konstruiert.[18] Weiter kann das Gehirn die eigenen Funktionen nicht wegdenken oder vernachlässigen – wir können uns nicht neben uns stellen und uns unabhängig von uns selber beobachten. Im Verlauf dieser Arbeit werde ich dieses Thema erneut aufgreifen und die theoretischen Konstrukte besprechen, die auf dieser Ansicht basieren.

1.1.1 Organisation und Organisationsentwicklung

Wir alle verbringen große Teile des Lebens in Organisationen. Wir werden darin geboren (Krankenhäuser), sie bilden uns aus (Kindergarten, Schule, Universitäten) und sie sorgen für unseren Lebensunterhalt (Unternehmen), unsere Sicherheit und Grundbedürfnisse. Simsa (2004)[19] stellt fest: wir leben in einer Organisationsgesellschaft, d.h. in einer Gesellschaft, in der die relevantesten Entscheidungen in Organisationen getroffen werden. Organisation macht Probleme lösbar, die Welt überschaubar. Sie überführt eine ungewisse Umwelt in formale Organisation. Praktisch gesehen soll dem einzelnen Menschen ein fester Platz in dem System eingeräumt, eine stabile Umwelt im Kleinen geboten , seine Aufgaben und Tätigkeiten festgelegt und seine Beziehungen zu anderen Mitgliedern in der Organisation geordnet werden.[20] Dennoch stecken alle Organisationen in einem Dilemma – der unbestreitbare Erfolg besteht darin, dort Rationalität einzuführen, wo zuvor Ungewissheit herrscht.[21] Gleichzeitig aber findet man eine Tendenz jeder erfolgreichen Organisation, bürokratisch zu werden. So kehren Komplexität, Ungewissheit und Unlösbarkeit der Probleme, die man beherrschbar gemacht hat, innerhalb und in der Form der Organisation wieder.

Was sind eigentlich Organisationen? Aus der Organisationssoziologie stammen bestimmte Charakteristika, die trotz der großen Unterschiede in den jeweiligen Organisationen ausreichend Elemente finden, die allen gemein sind. Dabei handelt es sich um 'Muster des Funktionierens.'[22] Alle Theorien gehen davon aus, dass ganz allgemein Organisation etwas ist, was die Koordination von Arbeitsleistung vollbringt und soziale Verhältnisse konstituiert. Folgende Merkmale lassen sich nennen:[23]

- Organisationen sind auf spezifische Ziele ausgerichtet
- Rationalität galt lange Zeit als entscheidendes Merkmal von Organisationen – nicht alles ist rational, aber Rationalität wird angestrebt, ist offizielles Ziel
- Die Mitgliedschaft in Organisationen ist klar geregelt (Eintritt in Verein, Unterzeichnung Arbeitsvertrag) und der Mitgliederkreis ist immer eindeutig angebbar
- Organisationen haben immer eine gewisse Struktur und sind in sich gegliedert. Oft findet sich auch eine gewisse Rollendifferenzierung

Der Grundgedanke hinter den verschiedenen Ansätzen ist recht einfach – der Versuch, Organisationen zu erklären und zu verstehen. Die unterschiedlichen Sichtweisen resultieren jeweils aus der wissenschaftlichen Disziplin, sei es eine Teildisziplin der Betriebswirtschaft oder auch weiter entfernte wie Soziologie, Psychologie, Biologie usw., aus deren Standpunkt man eine Organisation betrachtet.

Organisation kann nicht als etwas statisches, unbewegliches bezeichnet werden. Die Umwelt unterliegt teilweise starken Veränderungen, seien es technische Weiterentwicklungen, industrielle Standards, Kundenwünsche, gesetzliche Anweisungen oder soziale Veränderungen in der Gesellschaft. Da eine Organisation in ein Umfeld eingebettet ist, mit einem Kontext agiert, muss sie sich auch den Anforderungen anpassen. Das Konzept und die Methode des geplanten Wandels von Organisationen bezeichnet man als Organisationsentwicklung. [24] Der Prozess der Veränderung beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrungen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der Organisation und die Qualität der Arbeitslebens, die sog. Humanität, zu verbessern.[25]

Die Beschäftigung mit den Entwicklungsstufen der Organisation ist kein geschichtlicher Rückblick.[26] Die Organisationstheorie ist ein Entwicklungsprozess, in deren Verlauf Perspektiven ausgeweitet und differenziert wurden. Da die Typolisierungen so zahlreich sind, beschränken wir uns hier auf eine weit verbreitete von R. Scott,[27] der drei Stufen der Organisationstheorie benennt:

- Organisation als rationales System (historisch ältester Begriff, an Verfolgung spezifischer Ziele orientierte Kollektivität, stark formalisierte Sozialstruktur)
- Organisation als natürliches System (natürliche Kollektive, gemeinsames Interesse am Fortbestand des Systems, Beteiligung an Kollektivitätsaktivitäten)
- Organisation als offenes System (Koalition wechselnder Interessengruppen, starke Prägung von Struktur, Aktivitäten und Resultate durch Umweltfaktoren)

Jede dieser Perspektiven verwendet einen anderen Organisationsbegriff, allerdings bietet dieses Modell die Möglichkeit, die wichtigsten Ansätze der Organisationstheorie Gruppen zuzuordnen. Sie verbildlichen den Entwicklungsprozess, der einmal eine Zunahme der Erkenntnis aber auch der Komplexität abbildet.[28]

Für ein Verständnis für die Entwicklung folgt ein Überblick über die Organisationstheorien. Dabei beschränke ich mich der Übersicht halber auf eine chronologische Unterteilung in drei Phasen: Klassik, Neoklassik und Moderne .[29] Zu beachten ist jedoch, dass letztere nicht exakt und relativ grob abgegrenzt ist, da es sich nur um eine zeitliche Bestimmung handelt. Es wird damit ein Prozess beschrieben, der die Effektivität und gleichzeitig die Humanität einer Organisation erhöht. Über viele Zwischenformen erreichen wir später das Netzwerk.

1.1.1.1 Klassische Ansätze

Die Pionierphase oder Globalauffassungsphase des 18. und 19. Jahrhunderts betrachtet die Organisation unter den Aspekten Ordnung und Organismus[30]. Damit wird ein komplexer, gesamtgesellschaftlicher Bereich mit einer Vielfältigkeit von Beziehungen verstanden. Betrachten wir den Zustand der Wirtschaft in dieser Epoche - Angebotsüberhänge auf den Arbeitsmärkten, Entlohnung am Rande des Existenzminimums, starke Überbeanspruchung des Menschen durch lange Arbeitszeiten und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse – so können diese Auswirkungen der industriellen Revolution als Basis für die Entwicklung dieser Theorien angesehen werden. Durch die voranschreitende Mechanisierung der Arbeit kam die Frage nach Effizienzsteigerung der menschlichen Arbeitsleistung auf. Die eigentlichen Wurzeln der heutigen Organisationstheorie gehen auf drei Ansätze zurück.

Der Bürokratie-Ansatz von Max Weber (1864-1920) in seinem Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ entstand über die Untersuchungen zur „bürokratischen Herrschaft“ und lieferte wichtige Grundlagen zum Verständnis der Funktionsweise moderner Großorganisationen.[31] Weber entwickelt jedoch keine Prinzipien zur Optimierung betrieblicher Organisationen, sondern untersucht explikativ. Sein Erklärungsziel ist das Funktionieren von großen Organisationen mit einem Idealtypus, der Bürokratie als technisch gesehen rationalste Form der Herrschaftsausübung.

Ein weiteres, wichtiges Werk der klassischen Organisationstheorie nach Schreyögg (2004) ist das von Henri Fayol (1841–1925). Im Gegensatz zu Weber betont er mit seinen 14 Managementprinzipien den Führungsprozess. Er unterscheidet 5 elementare Aufgaben: Planung, Organisation, Befehl, Koordination und Kontrolle. Organisieren wird hier erstmals als logisch-konstruktive Aufgabe beschrieben, als Mittel zum Zweck. Als Grundlage dient eine technische Struktur, in die später die Menschen einzupassen sind. Trotz Weiterentwicklungen stößt diese Theorie auf starke Kritik, u.a. von Simon und March.[32]

Die dritte zentrale Theorie der klassischen Ansätze stammt von Fredercik W. Taylor (1856-1915).[33] Nicht die Gesamtorganisation, sondern die Analyse und Gestaltung konkreter Arbeitsabläufe sind Ausgangspunkt dieser Arbeit. Er glaubt, Management, Arbeit und Unternehmen mit einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise (Scientific Management) zu optimieren und damit soziale Probleme lösen und "Wohlstand für Alle" erreichen zu können.[34] Im Kern finden wir eine Konzentration auf Standardisierung, Routinisierung und Spezialisierung. Zusammen mit anderen Erfindungen wie dem Fließband revolutionierte dieser Ansatz die industrielle Arbeitswelt.

Gemeinsamkeiten der drei Ansätze finden sich, wenn wir das zugrunde liegende Menschenbild betrachten. Es ist durch einen starken Dualismus geprägt – der Mensch wird einerseits als rational-ökonomisches, kognitives Wesen angesehen, gleichzeitig aber auch als träge, inaktiv und verantwortungsscheu.[35] Ein Arbeiter wird so auf seinen biologischen Mechanismus reduziert, soziale bzw. emotionale Bedürfnisse fließen nicht mit ein.

Die Erfindung des Fliessbandes und die Organisation von Arbeitsprozessen auf Basis dieser Erkenntnisse stellt einen wichtigen Schritt in der Betriebswirtschaftslehre dar. Durch die Erkenntnisse dieser Methoden wurde der Weg für die Entstehung von Industrienationen gelegt und kann als Basis des heutigen Wohlstandes verstanden werden. Die Evolution der Organisationsformen nahm hier ihren Anfang. Kritisch ist vor allem die Betrachtung des einzelnen Menschen. Seine Tätigkeiten und sein Ansehen beschränken sich auf rein mechanische Fertigkeiten.

1.1.1.2 Neoklassische Organisationstheorien

Auslöser für ein Abwenden von den klassischen Ansätzen sind nach Schreyögg (2004) vor allem die sog. Hawthorne-Experimente[36], die die Grundlage für den sog. Human- Relations -Ansatz [37] bilden.

Die Hawthorne-Experimente starteten mit einer klassisch-arbeitswissenschaftlichen Fragestellung – die Erforschung von physischen Einflussfaktoren auf die Arbeitsproduktivität. Da man im Versuchsverlauf unerwartete Produktivitätssteigerungen registrierte, die mit den herkömmlichen Theorien nicht erklärbar waren, machten diese Experimente einen Wendepunkt in der Organisationstheorie aus. Ursache für die Steigerung der Produktivität waren folglich nicht Lohnsystem oder äußere Arbeitsbedingungen, sondern im sozio-emotionalen Bereich zu finden, den human relations. Hier richtete sich das Augenmerk erstmals auch auf die informelle Organisation.

Exkurs : formelle und informelle Organisation

Informelle bzw. informale Organisation beschreibt ein Organisationsphänomen, das sich auf soziale Prozesse und Strukturen bezieht, die eher spontan und ungeplant aus den Bedürfnissen und Interessen der Organisationsmitglieder sowie ihren Kontakten und Interaktionen erwachsen. Sie stellt einerseits eine Ergänzung formaler Strukturen dar und dient dem Erhalt, der Steuerung und der Entwicklung einer Organisation.[38] Schon Gutenberg beschrieb 1962 informelle Organisationsstrukturen, die den Ablauf und Vollzug der formellen Organisation beeinflussen, stören oder fördern.[39] Über einen langen Zeitraum beschränkte sich die Forschung auf die Annahme, informelle Netzwerke seien exogen vorgegebene, unbeeinflussbare Störgrößen. Zurecht wird das Interesse an diesen Strukturen seit einiger Zeit wieder stärker.[40]

Exkurs: Ende

Als zentrale Erkenntnis gilt die Auffassung des Menschen als „ human resource “, als Potenzial an geistigen Fähigkeiten und körperlichen Fertigkeiten, das zu fördern und weiterentwickeln gilt. Damit verabschiedete man sich von der Auffassung, die Organisationsmitglieder als einfache „Vollzugsorgane“, als Quasi-Maschine, zu betrachten.

Nicht minder wichtig im historischen Kontext sind die Arbeiten von Chester Barnard (1886-1961).[41] Aufbauend auf der Human-Relations-Bewegung und den Erkenntnissen der informellen Organisation, untersuchte er Unternehmungen als System von Handlungen. Betrachtet werden vor allem die kognitiven und motivationalen Kapazitäten des Entscheiders. Diese Theorie basiert auf zwei Prämissen: Menschen verfügen nur über beschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten und beschränkte Bereitschaft, sich in Organisationen zu engagieren. So fand Barnard heraus, dass zur Sicherung des Bestandes nicht nur der Zweck der Organisation zu erfüllen sei. Gleichzeitig muss ein Gleichgewicht zwischen formalen und informalen Beziehungen, internen und extern Ansprüchen sowie Anreizen und Beiträgen geschaffen werden. Dies gab dieser Theorie, in der die Umwelt erstmals eine zentralere Rolle spielt, den Namen: Anreiz-Beitrags-Theorie.

Wichtig an diesen Ansätzen ist vor allem der Prozess der Veränderung. Der Fortschritt liegt hier vor allem in der Entwicklung der Humanität, also der Qualität der Abreitsplätze. Menschen wurden nicht mehr, einer Maschine gleich, in ihren körperlichen Fertigkeiten gemessen. Intellektuelle Fähigkeiten waren nun nicht mehr in der Unternehmensspitze wichtig, sondern wurden schrittweise auf untere Hierarchieebenen übertragen. Das Feld wurde für weitere Theorien geöffnet, neben der Quantität nahm die Qualität Platz.

1.1.1.3 Moderne Organisationstheorien

Wie schon anfangs erwähnt, ist dieser Bereich durch viele, unterschiedliche Ansätze und Perspektiven nicht homogen und durch Konkurrenz geprägt. Ich werde mich an die Klassifizierung von Schreyögg (2004) halten.

Als erste große Richtung der modernen Theorien gilt der Human-Ressourcen-Ansatz, einer Weiterentwicklung des Human-Relation-Ansatzes. Betrachtete letzterer die formale Organisation noch als gegebener Rahmen, geht es hier[42] um eine „motivationsorientierte Neugestaltung organisationaler Strukturen und Prozesse“. Ausgangspunkt ist die Kritik an der traditionellen Organisationsgestaltung – traditionelle Strukturen mit der Betonung auf Abhängigkeit und Regeltreue hindern den Menschen, Initiative und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Die Umsetzung dieser Programme stieß jedoch in der Praxis auf große Schwierigkeiten. Daraus entwickelte sich die Organisationsentwicklung als eigenständiger Forschungsbereich der Organisations-theorie.

Im Gegensatz dazu knüpft der Strukturalistische Ansatz an die klassische Organisationstheorie an. Im Zentrum steht die empirische Erfassung und Erklärung von Organisationsstrukturen auf systematische Art und Weise. Dazu entwickelte man Messinstrumente, die den Anforderungen naturwissenschaftlicher Forschung entsprachen. Ausgangspunkt ist oftmals Webers Bürokratiemodell. Die in den Untersuchungen entdeckten Unterschiede in den Strukturen mussten daraufhin erklärt werden, um Aussagen zur Optimierung zu gewinnen. Bekannt wurde diese Theorie unter dem Namen Kontingenztheorie der Organisation. Das Neue an diesem Ansatz ist, dass eine unabhängige Determinante vermutet wurde – Umwelt, Technologie, usw. - die die unterschiedlichen Ausprägungen der Strukturen verursacht. Dieser Ansatz ist aber ebenso nicht frei von Spannungen, da die Handlungsspielräume der Organisations-gestalter integriert werden müssen. Man verabschiedet sich von dem Bild der Organisation als einheitliches, homogenes Gefüge und greift auf die Idee Barnards zurück, der die Organisation als Verbund potenziell widerstreitenden Interessen sieht. Daraus entwickelt sich der Neo-Institutionalistische Ansatz, der Entstehung und Entwicklung von Organisationen durch kulturell-gesellschaftliche Phänomene erklärt. Der Unterschied zur oben genannten Kontingenztheorie ist, dass hier die Umwelt nicht als objektive Determinante dasteht. Vielmehr wird sie als gesellschaftlich konstruierte Wirklichkeit interpretiert. Diese wird dann von Organisationen als Teilsystem von Gesellschaften reproduziert. Technisch ausgedrückt sind formale Strukturen das Ergebnis einer Anpassung an institutionalisierte Erwartungen.[43]

Die dritte Gruppe ist die organisatorische Entscheidungsforschung. Hier finden sich einmal empirische Entscheidungstheoretiker, die faktisch beobachtbare Entscheidungsprozesse in Organisationen erklären. Vor allem der Einfluss organisatorischer Merkmale auf Entscheidungen wurde untersucht. Dabei geht man nicht von einem punktuellen Ereignis aus, sondern sieht die Entscheidung als Prozess. Daneben finden sich formalwissenschaftliche Organisationstheoretiker, die von dem Einzug mathematischer Modelle profitierten. Im Kern geht es um Gestaltungsentscheidungen, die unter Anwendung von mathematischen Modellen oder formal logischen Operationen optimiert werden sollen. Als Beispiel sei hier das Operations Research genannt, das mithilfe der Linearen Programmierung die Organisationsgestaltung optimieren soll.[44]

Von zentraler Bedeutung dieser Ansätze ist, dass die Betrachtung der Organisation erstmals das eigentliche Unternehmen verließ und nun auch die Umwelt mit einbezog. Für die Betrachtung von Netzwerken und Systemen ist das ein entscheidender Schritt. Beide können nicht ohne das sie umgebende Umfeld betrachtet werden.

1.1.1.4 Mikroökonomische Organisationsanalyse

Auch als Neue Institutionenökonomik bekannt, flossen Ende der 70er Jahre Ideen aus der Volkswirtschaftslehre, insbesondere der Mikroökonomie, in die Organisationstheorie ein. Eine Grundannahmen dieses Ansatzes ist das opportunistisches Verhalten der Beteiligten. Den Menschen stehen nur unvollkommene Informationen zur Verfügung, dennoch wird die Berechenbarkeit aller Handlungsalternativen angenommen. Drei Ansätze haben sich herausgebildet:

- Transaktionskosten-Ansatz
- Verfügungsrechtliche Ansatz
- Prinzipal-Agenten-Ansatz

Der Transaktionskosten-Ansatz wendet sich gegen die These der Neoklassik, dass die Koordination von Transaktionen über den Markt keine Kosten verursache und somit das Preissystem kostenneutral sei.[45] Da hiervon nichr ausgegangen werden kann, rücken andere Mechanismen in den Vordergrund, vor allem die organisatorische Abwicklung von Transaktionen (Hierarchie). Im Rahmen der Netzwerkforschung werde ich diese Theorie näher erläutern. Der verfügungsrechtliche Ansatz ist auch unter dem Namen Property - Rights -Theorie bekannt. Im Mittelpunkt steht die Verfügung über Ressourcen einer Organisation und unterschiedliche Regelungen zur Verteilung der Verfügungsrechte, die hinsichtlich Ausprägung und Wirkung der untersucht werden.[46] Ziel ist es, die ökonomisch optimale Struktur zu ermitteln. Schließlich konzentriert sich die Prinzipal-Agenten-Theorie auf organisatorische Probleme, die durch eine ungleiche Verteilung von Informationen entstehen. Hier findet sich auch der Opportunismus wieder, d.h. vereinfacht ausgedrückt, die Gefahr, dass der Agent den Prinzipal betrügt.

Der Transaktionskosten-Ansatz stellt ohne Zweifel eine der wichtigsten Theorien der Betriebswirtschaft dar. Auch die Prinzipal-Agenten-Theorie ist aus der heutigen Lehre nicht wegzudenken. Dennoch hat die Forschung diese Ansätze bereits hinter sich gelassen. Gewisse Phänomene, insbesondere im Verhalten der Konsumenten, lassen sich nicht mehr damit erklären. Es sei beispielsweise die freie Entwicklung von Software erwähnt, Open Source genannt. Benutzer und Entwickler verwenden viel Zeit [ = Kosten] auf die Verbesserung einer Software, ohne dafür einen materiellen Nutzen zu haben. Weiter sei das Shopping-Vergnügen genannt. Einkaufen ist heute ein Erlebnis, das Nutzen bringt und nicht die Minimierung der Transaktionskosten zum Ziel hat.

1.1.1.5 Systemtheoretische Ansätze

Insbesondere auf aktuelle Organisationstheorien scheinen systemtheoretische Überlegungen einen großen Einfluss zu haben. Dabei gilt zu beachten, dass System-theorie heute ein Sammelbegriff für viele verschiedene Bedeutungen und Analyseebenen darstellt.[47] Fortan wird mit diesem Begriff die allgemeine Systemtheorie verstanden. Nach Schreyögg (2004) lassen sich vier Phasen erkennen:

Die erste Phase systemtheoretischen Denkens betraf hauptsächlich die äußere Form, d.h. Systeme wurden als Ganzheiten definiert, die aus untereinander verbundenen Teilen bestehen. Durch den Einfluss der Kybernetik wurde die zweite Phase eingeläutet. Vor allem Steuerungsmechanismen etablierten sich, die in Anlehnung an natürliche Systeme autonom funktionierten. Über den funktionalistischen Ansatz flossen in einer dritten Phase Ideen zur Selbsterhaltung bzw. Bestandserhaltung von Systemen ein. Damit wurde die Organisationsstruktur im wesentlichen als Mittel angesehen, die Komplexität der Umwelt zu reduzieren, allerdings nicht über das ganze System hinweg, sondern nur an verschiedenen Stellen. Dazu wurde die Theorie offener Systeme entwickelt, die ein System nicht nur als „Anpasser“ sieht, sondern von einem interaktivem System-Umwelt-Verhältnis ausgeht. Ein System ist also von der Umwelt beeinflusst, kann aber gleichzeitig auf die Umwelt einwirken. Die vierte Phase schließt an diese Überlegungen an und betrachtet vor allem die Grenzen eines Systems. Diese werden interessanterweise von dem System selbst definiert und gezogen, d.h. eine Trennung von System und Umwelt wird eigenständig durch eigene Operationen hergestellt, was man auch als Selbstreferenz bezeichnet. Daran schließt sich der Begriff der Autopoiesis [48] von Maturana an. Systeme erzeugen nicht nur Strukturen selbst, sondern auch die Elemente, aus denen sie bestehen. Im Anschluss entwickelten sich spezielle Ansätze, von denen vor allem der evolutionstheoretische Ansatz genannt sei.[49] Analog zur Autopoiesis wurde auf Aspekte der Biologie zurückgegriffen, vor allem auf die Frage nach dem evolutionären Ausleseprozess.[50]

Auf dem Weg zu Netzwerken stellt diese Richtung den letzten und entscheidenden Schritt dar. Organsationen werden demnach vereinfacht und abstrakt dargestellt, es werden jedoch Prozesse und Mechanismen aufgedeckt, die der traditionellen Management- und Organisationslehre nicht zugänglich sind.

1.1.1.6 Post-Moderne Ansätze

In den letzten Jahren sieht Schreyögg (2004) eine große Anzahl neuerer Ansätze, die sich jedoch noch nicht in ein geschlossenes Bild einfügen lassen. Deswegen charakterisiert er drei Kernelemente:

- Die Rationalität als herkömmliches Weltbild wird aufgegeben, ebenso die objektive Qualität
- Die organisationale Welt wird als symbolisch konstituiert angesehen, d.h. Bedeutungen und Interpretationen leiten das Handeln der Organisationsmitglieder
- Unter Rückgriff auf den Konstruktivismus ist das, was wir Wirklichkeit nennen, sozial konstruiert, objektive Wirklichkeit existiert nicht

[...]


[1] J. de Rosnay (1977), S 13

[2] Vgl. (N)ONLINER Atlas 2004,
http://www.nonliner-atlas.de/pdf/NONLINER-Atlas2004_TNS_Emnid_InitiativeD21.pdf

[3] H. Ulrich (2001), S. 62

[4] Vgl. Thom/Wenger (2004)

[5] Vgl. H. Ulrich (2001), S. 42

[6] Vgl. Kiefel/Wille, (2002), S.3

[7] Vgl. Lang/Weik (2003) S. 122

[8] in Anlehnung an H. Ulrich (2001), S. 46

[9] Anm.d.Verf.: Anhand dieser Grafik wird auch die Vorgehensweise dieser Arbeit verdeutlicht. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Systemen, also Organisationen, und deren Verbindungen nach auén, ins Supersystem. Der zweite Schritt verengt die Sichtweise und betrachtet die Elemente, also die Menschen und deren Kompetenzen. Der dritte Teil ist dann nah und weit zugleich und betrachtet die Elemente in ihren Verbindungen nach außen.

[10] ebenda

[11] ebenda

[12] N. Wiener, Kybernetik, Düsseldorf, 1963

[13] H. Ulrich (2001), S. 44

[14] Vgl. A. Fried (2005), S. 33-51

[15] ebenda

[16] Vgl. A. Fried (2005), S. 47

[17] ebenda

[18] Vgl. A. Fried (2005), S. 48: als neuropsychologisches Experiment sei beispielsweise ein sog. Kitzel-Apparat von Weiskrantz genannt. Dieser Apparat stimulierte mithilfe eines Metallstiftes die Fusssohlen einiger Probanden. Die Reaktion unterschied sich einzig davon, wer diesen Apparat bediente. Wurde er von einem Forscher gesteuert, wurde ein Kitzeln hervorgerufen, war es dagegen der Proband selber, zeigte der Reiz keinerlei Wirkung. Neuste Forschungen gehen davon aus, dass das Gehirn den Zeitpunkt des Kontaktes voraus berechnet und alle Nervensignale dämpft, die um diesen Zeitpunkt vom entsprechendem Körperteil ausgesendet werden. Vgl. Spiegel.de: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,361357,00.html 21.06.2005

[19] Vgl. R. Simsa (2004), S. 137

[20] Vgl. H. Ulrich (2001), S. 346 ff.

[21] Vgl. Meyer M.W. (1990) The Growth of Public and Private Bureaucracies; in: DiMaggio P. [Hrsg.] Structures of Capital: The Social Organization of the Economy, Cambridge, 153-172; aus: N. Wendisch (2004)

[22] Vgl. R. Simsa (2004), S. 138

[23] ebenda

[24] Vgl. K. Trebusch (2004), S. 988

[25] ebenda

[26] Vgl. W. Häfele (1990), S. 39

[27] Scott, W.R.: Grundlagen der Organisationstheorie, 1986; aus: Ortmann/Sydow/Türk (1997), S. 17

[28] Vgl. E. Walter-Busch (1996), S. 58-59

[29] Vgl. G. Schreyögg (2004), S. 1069-1087 in Anlehung an: Scott, W. Richard: O rganization theory: An overview and an appraisal, in: AMJ, Jg. 4, 1961, S. 7-26

[30] Vgl. W. Häfele (1990), S. 35

[31] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen ,1976 (zuerst 1921)

[32] Simon, Herbert A.: Administrative Behaviour, New York, 1945 und: March, James G./Simon, Herbert A.: Organizations, New York et al. 1958

[33] Vgl. Taylor, F.W.: The Principles of Scientific Management, 1911 , http://melbecon.unimelb.edu.au/het/taylor/sciman.htm 11.05.2005 13:05h

[34] Vgl. Wikipedia.de: http://de.wikipedia.org/wiki/Taylorismus 11.05.2005 13:07h

[35] Vgl. W. Häfele (1990), S.41

[36] (...)Im Jahr 1923 initiierte das amerikanische National Research Council ein Forschungsprogramm, in dessen Verlauf zunächst die Zusammenhänge zwischen der Arbeitsplatzbeleuchtung und der Arbeitsplatzleistung untersucht werden sollte. Einige Experimente fanden in den Hawthorne-Werken der Western Electric Company statt, einer Tochter der AT&T. In dem Zeitraum zwischen 1942 bis 1932 liefen sechs Untersuchungsreihen . Im Laufe der Untersuchungen zeigte sich, dass die erbrachten Leistungen auch dann ansteigen (um bis zu 30%), wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht verbesserten oder gegenüber der Ausgangssituation sogar verschlechterten. Dieses Ergebnis wurde nicht erwartet und war zunächst auch nicht erklärbar. Es lenkte die Aufmerksamkeit der Forscher auf die beobachteten sozialen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation. Die Leistungssteigerung wurde damit erklärt, dass die Anwesenheit und das Interesse der Forscher und die im Versuchsverlauf intensivierten sozialen Kontakte das Klima in den Gruppen verbessert und die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitglieder erhöht hatte. Daraus schlossen die Forscher, dass die Veränderung der sozialen Bedingungen auch das Arbeitsverhalten und damit die Arbeitsergebnisse verändert(...) Vgl. Vahs (2005), S.33

[37] Hauptvertreter u.a. Elton Mayo und F.J. Roethlisberger

[38] Vgl. R. Lang (2004), S. 497 ff.

[39] in: Gutenberg, Erich: Unternehmensführung: Organisation und Entscheidung, Wiesbaden 1962

[40] Vgl. Kiefel/Wille (2002), S. 24

[41] Barnard, Chester: The Functions of the Executive, 1938

[42] Vgl. G. Schreyögg (2004), S. 1069-1087

[43] ebenda

[44] ebenda

[45] Vgl. G. Schreyögg (2004), S. 1069-1087

[46] ebenda

[47] Vgl. N. Luhmann (1987)

[48] Autopoiesis [griech.]: auto = selbst; poiesis/poien = Produktion

[49] Vgl. G. Bergmann (2001), S. 236 ff. : „(...) Ein soziales System wählt im trial & error-Prozess eine passende, stimmige Lösung aus und praktiziert sie dann aus Effizienzgründen weiterhin. Es besteht also eine Art natürliche Tendenz zur Chronifizierung, die wir Gewohnheit, Routine, Vertrautheit usw. Nenne und das Sytsem stabilisiert (...)„

[50] Vgl. G. Schreyögg (2004), S. 1069-1087

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832491611
ISBN (Paperback)
9783838691619
DOI
10.3239/9783832491611
Dateigröße
870 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
organisation kommunikation kybernetik systemtheorie kooperation
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Titel: Organisationsentwicklung in Netzwerken
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