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Determinismus oder Willensfreiheit?

Ein Vergleich der Theorien von Arthur Schopenhauer und Peter Bieri

©2004 Diplomarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Eine wesentliche Gemeinsamkeit der Theorien von Schopenhauer und Bieri ist das deterministische Weltbild, das beide vertreten. Beide glauben, dass Ereignisse, aber auch menschliche Handlungen grundsätzlich kausal determiniert sind. Der größte Unterschied besteht darin, dass Bieri davon ausgeht, dass Freiheit und Determinismus miteinander vereinbar sind, während Schopenhauer meint, Determinismus schließe Freiheit aus. Dies ist eine Folge ihrer unterschiedlichen Freiheitsbegriffe. Bieri meint, dass Freiheit Determiniertheit oder Bedingtheit voraussetzt, da eine unbedingte Freiheit zufällig wäre und kein Handelnder sich als Urheber seiner Handlungen fühlen könnte, wenn sie ihm zufällig zustößt. Deshalb wäre eine unbedingte, zufällige Freiheit gar keine Freiheit. Bieri lehnt nicht nur die Existenz, sondern auch die Idee einer unbedingten Freiheit ab. Schopenhauer dagegen kann sich nur eine unbedingte Willensfreiheit vorstellen. Determinismus ist bei ihm gleichbedeutend mit Unfreiheit. Da es aber in der Welt der Erscheinung nichts geben kann, das ohne Ursache ist, weil unser Erkenntnisvermögen so beschaffen ist, dass es nur im Rahmen von Raum, Zeit und Kausalität funktioniert, kann es diese Freiheit in der Welt der Erscheinung nicht geben.
Bieri meint, dass wir uns unsere Freiheit aneignen können, indem wir unseren Willen verstehen, ihn artikulieren und gutheißen. Ein wichtiges Kriterium der Freiheit ist bei ihm die Identifikation mit dem eigenen Willen. Dies geschieht, indem wir Wünsche zweiter Stufe ausbilden, die Urteile über die Wünsche erster Stufe oder Selbstbilder sind. Im Lichte dieses Selbstbildes identifizieren wir uns entweder mit unserem Willen oder lehnen ihn ab. Ein Wille wird dabei als handlungswirksamer Wunsch verstanden. Es ist auch möglich, dass wir etwas wollen und tun, das wir verurteilen. In diesem Fall würde Bieri uns als unfrei bezeichnen. Zum Kriterium der Identifikation kommt hinzu, dass das Nachdenken nicht übergangen wird und dass wir unsere Phantasie dazu gebrauchen, uns andere Alternativen vorzustellen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung, die bei Schopenhauer eine bloße Illusion war, ist bei Bieri eine echte Entscheidung. Bieri gibt zu, dass seine angeeignete Freiheit eine relative Freiheit ist. Wir können nie sagen, ein für alle Mal die Freiheit erreicht zu haben, sondern wir müssen uns unsere Freiheit ständig neu erarbeiten, indem wir uns um ein besseres Verständnis […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8915
Schultz, Susanne: Determinismus oder Willensfreiheit? -
Ein Vergleich der Theorien von Arthur Schopenhauer und Peter Bieri
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1. Zur Fragestellung... 1
2. Arthur Schopenhauer... 2
2.1. Was ist eine Handlung?... 2
2.2. Wollen, Wille und Erkenntnis des Willens... 4
2.3. Freiheitsbegriffe...6
2.4. Kausalität und Determinismus...7
2.5. Die Täuschung der Freiheit... 15
2.6. Der Charakter und die Motive, die auf ihn wirken... 19
2.7. Die Folgen des Determinismus für Ethik und Rechtslehre... 21
2.8. Die transzendentale Freiheit des Willens... 25
2.9. Die Verneinung des Willens zum Leben... 31
2.10. Kritik an transzendentalen Freiheitsarten... 35
3. Peter Bieri... 42
3.1. Von Schopenhauer zu Bieri... 42
3.2. Die Idee einer Handlung... 47
3.3. Der Wille... 49
3.4. Handlungsfreiheit und Entscheidungsfreiheit...52
3.5. Bedingte Freiheit... 61
3.6. Lebensgeschichte und Verantwortung...69
3.7. Angeeignete Freiheit...75
4. Zusammenfassung... 84
Anhang
Abkürzungsverzeichnis... I
Literaturverzeichnis...II
Lebenslauf...V
Erklärung... VI

1. Zur Fragestellung
In dieser Magisterarbeit geht es darum, inwiefern Schopenhauer uns heute noch
etwas über die Willensfreiheit sagen kann. Ist seine Theorie zur Willensfreiheit
heute noch vertretbar, oder muss man an bestimmten Stellen Abstriche machen?
Oder sind wir heute vielleicht schon weiter in unserer Erkenntnis, so dass wir
Schopenhauer widerlegen können? Diese Fragen werden unter anderem zu
untersuchen sein. Zum Vergleich ziehe ich Peter Bieris im Jahre 2001
erschienenes Buch Das Handwerk der Freiheit heran. Bieris Werk habe ich als
Beispiel dafür herausgegriffen, auf welche Weise heute ein Nachdenken über die
Willensfreiheit möglich ist. Es hat mich gereizt, einerseits Schopenhauer in
unsere Zeit zu holen, wobei mir Bieri eine Hilfe war, und andererseits Bieris
optimistischen Gedanken, dass wir uns unsere Freiheit aneignen können, durch
die Brille des Pessimisten Schopenhauer zu betrachten.
Zuerst ist es nötig, Schopenhauer zu verstehen. Er wird meistens als
Paradebeispiel eines Deterministen dargestellt. Das ist nicht falsch, aber es wäre
zu einfach, bei dieser Feststellung stehenzubleiben, denn er vertritt darüber hinaus
die transzendentale Freiheit bzw. den intelligiblen Charakter und die Freiheit zur
Verneinung des Willens, denen er in seinem Werk viel Raum widmete und die
ihm offenbar wichtig waren. Auch diese will ich in meine Untersuchung mit
einbeziehen.
Was Bieri betrifft, so werde ich zusätzlich zur Darstellung seines Werkes kurz auf
seine Einflüsse eingehen, um seine Theorie im philosophischen Denken verorten
zu können. Außerdem möchte ich untersuchen, ob es möglicherweise eine
Kontinuität der Ideen von Schopenhauer zu Bieri gibt.
Grundsätzlich geht es natürlich um die Frage nach der Freiheit des Willens, wie
sie in der Philosophiegeschichte immer wieder gestellt wurde. Es geht darum, ob
der Mensch zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten frei wählen kann.
Ist es uns möglich, statt einer Handlung, die wir wollen und vollziehen, etwas
anderes zu wollen und tun?
Die Frage nach der Willensfreiheit spielt in der Ethik eine Rolle, wenn es darum
geht, ob es dem Menschen möglich ist, einer Handlungsnorm zu folgen oder ob
er, im Gegenteil, durch seine persönliche Geschichte determiniert ist und nicht
1

anders handeln kann, als er handelt. Sind wir für unsere Handlungen
verantwortlich? Ist es für die Rechtfertigung der Idee der Verantwortung nötig,
dass wir auch anders handeln können?
Ein deterministisches Weltbild ist sowohl für Schopenhauer als auch für Bieri die
Grundlage der Überlegungen. Aber folgt aus einem deterministischen Weltbild,
dass wir unfrei sind? Was folgt aus dem Ergebnis dieser Überlegungen für die
Ethik und was für unsere Praxis des Strafens? Auf diese und damit verwandte
Fragen und Probleme möchte ich in dieser Arbeit eingehen.
2. Arthur Schopenhauer
2.1. Was ist eine Handlung?
Eine zusammenhängende Handlungstheorie hat Schopenhauer nicht formuliert,
aber aus verschiedenen Äußerungen, vor allem in seiner Schrift Über die
vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, lässt sich erschließen,
was Schopenhauer unter einer Handlung verstanden hat.
Folgende Fragen sollen dazu dienen, einem Verständnis von Schopenhauers
Handlungsbegriffs näher zu kommen: Was unterscheidet eine Handlung von einer
bloßen Bewegung? Wieso werden Menschen für ihre Taten verantwortlich
gemacht und daraufhin gelobt oder getadelt, ein Stein aber nicht für seine
Bewegungen? Sind auch Unterlassungen Handlungen, und gelten rein innere
Vorgänge wie Kopfrechnen als Handlungen? Ist jedes Handeln für die Ethik
relevant, oder müssen bestimmte Bedingungen gegeben sein?
Handlungen sind für Schopenhauer ,,die äußern, mit Bewußtsein geschehenden
Aktionen aller tierischen Wesen"
1
. Als erstes lässt sich daraus entnehmen, dass es
Schopenhauer um äußere, beobachtbare Handlungen geht. Innere Aktionen wie
das Lösen einer Rechenaufgabe im Kopf, die nicht beobachtet werden können,
sind für Schopenhauer keine Handlungen. Er würde sie vermutlich als bloße
Gedanken ansehen. Weiter kann man aus Schopenhauers Handlungsdefinition
ablesen, dass jemand etwas bewusst tun muss, um ein bestimmtes Ziel zu
erreichen. Wenn das zutrifft, ist die betreffende Aktion eine Handlung.
1
G, S. 47.
2

Kulenkampff
2
sieht Handlungen gegenüber Ereignissen durch einen
Bedeutungsüberschuss charakterisiert. Handlungen haben nicht nur einen
äußeren, sondern auch einen inneren Aspekt. Wahr ist eine
Handlungsbeschreibung dann, wenn die enthaltenen Ereignisbeschreibung wahr
ist und darüber hinaus das Ereignis einem Handlungssubjekt zugeschrieben
werden kann.
3
Eine Handlung unterscheidet sich also von einem bloßen Ereignis
dadurch, dass sie von einem Subjekt als Urheber mit einer bestimmten Absicht
hervorgerufen wird. In diesem Sinne ist sie mehr als ein Ereignis. Ein Stein ist
kein Subjekt, ein Mensch oder ein Tier laut Schopenhauer aber schon, da beide
Bewusstsein haben. Ohne Bewusstsein ihrer Folgen, z. B. im Affekt, ausgeführte
Aktionen kann man nach Schopenhauer nicht als Handlungen bezeichnen.
Schon in Schopenhauers Dissertation wird klar, daß es bei seiner Vorstellung von
Kausalität um Veränderungen von Zuständen geht, nicht um das Beharren,
woraus man schließen kann, dass er seine Aufmerksamkeit vor allem auf
Aktivitäten richtete, die Veränderungen der äußeren Realität zur Folge haben. In
Über den Satz vom Grunde schreibt Schopenhauer: ,,[...] das Gesetz der
Kausalität [steht] in ausschließlicher Beziehung auf Veränderung und hat es stets
nur mit diesen zu tun."
4
Wenn ein Zustand gleich bleibt, ist das für die Kausalität,
die es mit Ursachen und Folgen zu tun hat, irrelevant. Auch wenn es um die
Motivation geht, welche die für Tiere und Menschen charakteristische Kausalität
ist, beschränkt sich Schopenhauer auf die Betrachtung des Handelns allgemein.
Schopenhauer vernachlässigt den Unterschied zwischen Handeln und Unterlassen
und die Tatsache, dass es auch Handlungen gibt, die keine Veränderung der
äußeren Realität zur Folge haben, sondern einen gegenwärtigen Zustand erhalten
wollen. Wenn man z. B. die Leiter festhält, auf der jemand steht, um sie vor
einem möglichen Umkippen zu bewahren, ist das eine Handlung, obwohl sich die
äußere Realität nicht ändert. Das zeigt, dass es Handlungen gibt, die keine äußere
Veränderung anzeigen, die aber dennoch Handlungen sind.
Schopenhauer geht davon aus, dass es, wenn es keine Veränderung gibt, a priori
auch keine Frage nach der Ursache eines gegenwärtigen Zustandes geben kann,
2
KULENKAMPFF, Arend: Hätten wir anders handeln können? Bemerkungen zum Problem der
Willensfreiheit. 59. Jb. Frankfurt am Main 1978, S. 15 - 28.
3
A. a. O., S. 19.
4
G, S. 34.
3

denn es gebe keinen Grund a priori, vom Vorhandensein eines Dinges, z. B. eines
Zustandes von Materie, auf dessen vorheriges Nichtvorhandensein zu schließen.
Die Frage nach der Ursache eines statischen Zustandes sei erst a posteriori
vermittelt, aus früherer Erfahrung.
5
Wahrscheinlich sind wegen dieses
Kausalitätskonzeptes, das schon in seiner Doktorarbeit ausgeführt ist und später
für seine gesamte Philosophie relevant wird, auch in Bezug auf das menschliche
Handeln Unterlassungen und solche Handlungen, die keine Veränderungen
anzeigen, aus seinem Blickfeld verschwunden.
Das Motiv einer Handlung ist immer ein Leiden, auch ein mögliches oder
erwartetes Leiden. Handlungen zielen darauf ab, eigenes Leiden zu verhindern,
und sind daher im allgemeinen egoistisch. Davon abgesehen gibt es aber
moralische Handlungen, in denen der Egoismus überwunden wird. Wie ich später
noch ausführlicher erläutern werde, beruht Schopenhauers Ethik auf dem Mitleid
mit anderen Wesen und damit auf einer Überwindung des Egoismus. Daher ist
eine Handlung nur dann ethisch relevant ist, wenn andere empfindungsfähige
Wesen
6
von den Folgen der Handlung direkt oder indirekt betroffen sind. Wenn
eine Handlung den Willen eines anderen Wesen nicht nur nicht verneint, sondern
sogar fördert, ist sie eine moralisch gute Handlung. Es macht ethisch gesehen
keinen Unterschied, was für Folgen das Handeln für einen selbst hat. Ob es dem
Handelnden selbst nützt oder schadet, ist gleichgültig, so weit niemand außer ihm
von den Folgen seines Handelns betroffen ist. Erst wenn ein anderer ins Spiel
kommt, dem man - aus dessen Sicht - Gutes oder Schlechtes tun kann, ist die
Ethik gefragt.
2.2. Wollen, Wille und Erkenntnis des Willens
Schopenhauer ist davon überzeugt, dass erst mit einer Handlung die Entscheidung
zu dieser Handlung getroffen wird. Bewusste Entscheidungen, wie sie unserem
Alltagsverständnis entsprechen, sind also für Schopenhauer in Wirklichkeit keine
Entscheidungen. Erst mit der Tat und ebenso mit der Unterlassung in dem
Moment, in dem man etwas hätte tun können, wird klar, was man gewollt hat.
5
W II, S. 49.
6
Es ist Schopenhauer sehr wichtig zu betonen, dass auch Tieren gegenüber moralisches
Handeln geboten ist. E II, S. 238 ­ 245.
4

Vorher weiß man es nicht. Erst der Vollzug einer Handlung ­ oder ihr
Nichtvollzug ­ ist die Entscheidung.
Wollen ist vom Wünschen zu unterscheiden: Wünschen kann man mehreres, auch
Entgegengesetztes, aber nur eines wollen, nämlich das, was man tut. Der Intellekt
erfährt die Beschlüsse des Willens erst a posteriori, durch die Erfahrung. Er weiß
vorher nicht, wie sich der Wille entscheiden wird.
7
Vorher, auch wenn man
subjektiv der Meinung ist, dass man sich zu einer Handlung bereits entschieden
hat, kann der Entschluß noch immer verändert werden.
Der Wille ist in Schopenhauers Philosophie ein zentraler Begriff. Das Wort
,,Wille" steht für mehr als bloß das Wollen eines menschlichen Individuums. Im
Bereich der anorganischen Körper nennt Schopenhauer diese Kraft ,,Qualität"
oder ,,Naturkraft", im Bereich der Pflanzen ,,Lebenskraft" und beim Menschen
und Tier ist es der Wille - aber das Wort ,,Wille" ist bei Schopenhauer
gleichzeitig der Oberbegriff für all diese Phänomene. Die ganze Welt ist nichts
als Wille und Vorstellung. Die Vorstellung ist die empirisch wahrnehmbare
Realität. Der Wille ist dasjenige, das der gesamten Welt der Vorstellung zu
Grunde liegt, aber nicht erkennbar oder sinnlich wahrnehmbar ist. Für
Schopenhauer ist er das Ding an sich im Sinne Kants. Kant hatte das Ding an sich
nicht näher bestimmt. Schopenhauer erkennt es als den Willen.
Wollen - das individuelle menschliche Wollen - lässt sich nicht weiter definieren,
sondern ist uns unmittelbar gegeben. Es ist die unmittelbarste der menschlichen
Erkenntnisse, die sogar noch auf andere, mittelbare Erkenntnisse Licht werfen
kann. Wir erfahren vom Vorhandensein unseres Willens durch den inneren Sinn,
das Selbstbewusstsein. Der Wille ist vor dem Selbstbewusstsein da, ist also
unbewusst. Er ist das eigentliche Selbst, der Kern unseres Wesens.
8
Die
Erkenntnis ist etwas Sekundäres, ein bloßes Werkzeug des Willens, da der
Mensch mit seinen vielfältigen und komplizierten Bedürfnissen diese besser
befriedigen kann, wenn er bewusste Erkenntnis besitzt.
9
Pflanzen benötigen kein
Erkenntnisvermögen, da sie ihre Bedürfnisse auch ohne dieses befriedigen
können. Zum Wollen ist es nicht notwendig, einen Intellekt zu haben. So ist es
7
W I, S. 342 f.
8
E I, S. 21.
9
E I, S. 31.
5

auch zu erklären, dass der Wille des einzelnen Menschen zuerst durch die
Handlung geschieht, bevor er erkannt wird. Es gibt keine andere Möglichkeit für
den Intellekt, vom jeweiligen Willen zu erfahren, als die Entscheidung des
Willens, die getroffen wird, indem man handelt.
2.3. Freiheitsbegriffe
Für das Verständnis von Schopenhauers Vorstellung von der Freiheit ist vor
allem seine Preisschrift über die Freiheit des Willens relevant. Schopenhauer
definiert dort Freiheit als negativen Begriff, nämlich als Abwesenheit von
Hindernissen. Wie ein Hindernis auch immer beschaffen sei, immer sei es der
Wille, der behindert werde. Deshalb habe man den Begriff von der positiven Seite
gefasst und spreche dann von Freiheit, wenn der Wille nicht behindert wird.
10
Nach Schopenhauer gibt es drei Arten von Freiheit: die physische, die
intellektuelle und die moralische Freiheit. Physische Freiheit ist die Abwesenheit
materieller Hindernisse. Physisch frei sind Tiere oder Menschen dann, wenn ihre
Handlungen ,,ihrem Willen gemäß vor sich gehen".
11
Dies sei der ursprünglichste
Freiheitsbegriff, der stets durch die Erfahrung bestätigt werde, weshalb es über
ihn keine Zweifel oder Kontroversen geben könne. Auch die politische Freiheit
zählt Schopenhauer dazu, da man politische Unfreiheit als Androhung physischer
Unfreiheit betrachten kann.
12
Als mit der physischen Freiheit verwandte Art betrachtet Schopenhauer die
intellektuelle Freiheit. Dabei geht es um die Abwesenheit von Hindernissen, die
auf den Intellekt, das Erkenntnisvermögen, wirken. Da dieser das Medium der
Motive ist, durch das sie auf den Willen des Menschen wirken, ist der Mensch
nur dann frei, wenn der Intellekt normal funktioniert und so die Motive
unverfälscht auf den Charakter des Menschen wirken können. Hindernisse dieser
Art von Freiheit können ,,Wahnsinn, Delirium, Paroxysmus und
Schlaftrunkenheit"
13
sein. Dann ist das Erkenntnisvermögen auf Dauer oder
vorübergehend zerrüttet. Außerdem können äußere Umstände die Auffassung der
10 E I, S. 3 f.
11 E I, S. 4.
12 Siehe WEIMER, Wolfgang: Schopenhauer. Darmstadt 1982, S. 103 f.
13 A. a. O., S. 245.
6

Motive verfälschen, was bei einem Irrtum der Fall ist. Hier ist die intellektuelle
Freiheit ganz aufgehoben. Sie kann aber auch vermindert sein, z. B. im Affekt
und im Rausch, was sich auch in der juristischen Beurteilung von unter solchen
Umständen begangenen Verbrechen widerspiegelt.
14
Die beiden genannten Freiheitsbegriffe kommen in der Preisschrift über die
Freiheit des Willens nur am Rande vor. Das eigentliche Thema ist die von
Schopenhauer so genannte moralische Freiheit. Dies ist die eigentliche
Willensfreiheit, das liberum arbitrium der Scholastik. Kant definiert die
Willensfreiheit als das Vermögen, eine Reihe von Veränderungen von selbst
anzufangen.
15
Schopenhauer interpretiert dieses ,,von selbst" in der Bedeutung
von ,,ohne vorhergegangene Ursache", was für ihn identisch mit ,,ohne
Notwendigkeit" ist. Ein freier Wille wäre durch keinen Grund, also durch gar
nichts bestimmt. Diesen Begriff können wir nicht denken, ,,weil der Satz von
Grunde [...] die wesentliche Form unseres gesamten Erkenntnisvermögens ist,
hier aber aufgegeben werden soll"
16
. Wenn die Freiheit besagt, dass etwas ohne
Gründe anfängt, also das Gesetz der Kausalität dafür nicht gilt, kann man sie
nicht logisch begründen und muss sie fallenlassen. Also folgt aus Schopenhauers
Freiheitsbegriff beinahe zwangsläufig die Konsequenz, dass es keine Freiheit
gibt.
2.4. Kausalität und Determinismus
Schopenhauers Kausalitätsbegriff ist für seine gesamte Philosophie relevant, und
das ist gar nicht anders denkbar, wenn man seine Erkenntnistheorie betrachtet.
Kausalität ist für Schopenhauer neben Zeit und Raum eine der Formen des
menschlichen Verstandes, ohne die uns keine Erkenntnis möglich ist. Die Frage
nach dem Warum, nach dem Grund ist uns a priori gegeben, und wir können uns
nichts denken, das keinen Grund hat. Deshalb kann es nichts geben, das ,,von
selbst" anfängt, also auch keine Willensfreiheit.
Schon in Schopenhauers Doktorarbeit Über die vierfache Wurzel des Satzes vom
14 A. a. O., S. 245-247.
15 ,,Dagegen verstehe ich unter Freiheit, im kosmologischen Verstande, das Vermögen, einen
Zustand von selbst anzufangen, deren Kausalität also nicht nach dem Naturgesetze wiederum
unter einer anderen Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimmte." KrV, S. 488.
16 E I, S. 9.
7

zureichenden Grunde fällt auf, dass das Gesetz der Kausalität ohne Ausnahme für
menschliches Handeln gelten soll. Dieser Gedanke wird in der Preisschrift über
die Freiheit des Willens weiter ausgeführt.
Nach Schopenhauers Stufenordnung der Ursachen gibt es die Ursache im engeren
Sinne, den Reiz und das Motiv. Obwohl sie verschieden sind, ziehen alle drei mit
gleicher Notwendigkeit ihre Folgen nach sich.
Die Ursachen im engeren Sinne gelten für die Veränderungen an leblosen,
anorganischen Körpern. Es sind diejenigen, die Thema von Mechanik, Physik und
Chemie sind oder, allgemein ausgedrückt, der Naturwissenschaften. In diesem
Bereich gilt das dritte Newtonsche Grundgesetz, das besagt, dass Ursache und
Wirkung einander in der Größe gleich sind. Das Bestimmtwerden durch Ursachen
dieser Art ist das wesentliche Merkmal anorganischer Körper.
Der Reiz beherrscht die Welt der Pflanzen und den Teil des Lebens der Tiere, der
nicht bewusst vor sich geht. Auf diese Weise wirken Licht, Wärme, Luft,
Nahrung, Berührung und Befruchtung auf den pflanzlichen oder tierischen
Organismus und, als besonders anschauliches Beispiel, Arzneimittel und Drogen
auf den Menschen. Hier sind die Intensität der Wirkung und der Ursache
einander nicht gleich. Bei Verstärkung der Ursache kann die Wirkung auch in ihr
Gegenteil umschlagen, wenn ein bestimmter Punkt überschritten wird. Eine
Pflanze geht z. B. ein, wenn sie zu viel Wasser bekommt. Wein und Opium
können ,,unsere Geisteskräfte anspannen und beträchtlich erhöhen: wird aber das
rechte Maß des Reizes überschritten; so wird der Erfolg gerade der
entgegengesetzte sein"
17
.
Tiere und Menschen haben einen Intellekt, d. h. ein Vorstellungsvermögen.
Deshalb sind sie für Motive empfänglich. Motive sind Vorstellungen, die sich
dem Selbstbewußtsein als Antrieb zu Handlungen darbieten. Die Motivation ist
die ,,durch das Erkennen hindurchgehende Kausalität"
18
. Das Tier ist nach
Schopenhauer geradezu als Wesen zu definieren, ,,was erkennt", keine andere
Definition treffe das Wesentliche.
19
Wir sehen die physikalischen und chemischen Vorgänge immer nur von außen
17 E I, S. 31.
18 E I, S. 31.
19 G, S. 47.
8

und verstehen sie nicht bis ins Detail. Wir schreiben die Ursachen den
Eigenschaften der Körper und den Naturkräften zu, über diese selbst wissen wir
jedoch gar nichts. Dagegen kennen wir die Vorgänge der Motivation aus unserer
eigenen, an uns selbst gemachten inneren Erfahrung. Wenn wir von uns auf
andere schließen, wissen wir, dass die Handlungen der Tiere und Menschen aus
einem Willensakt hervorgehen, der durch ein Motiv verursacht wird, das in einer
Vorstellung besteht.
20
Ursache und Wirkung werden immer heterogener, je höher man in der
Stufenfolge der Naturwesen kommt, und ihr Zusammenhang wird immer
unverständlicher, da sich die Ursache weniger materiell und offensichtlich zeigt.
Ursache und Wirkung sind beim Tier keinesfalls der Größe nach proportional
zueinander, sondern können extrem verschieden sein. Die Ursache braucht keine
Berührung mit dem Organismus zu haben, um zu wirken, und sie hat kein
vorherbestimmtes Verhältnis zur Dauer oder Intensität, wie bei der Pflanze. Das
Motiv muss nur einmal wahrgenommen werden, dann wirkt es auf ganz gleiche
Weise.
Den Vorteil der Fähigkeit, auf Motive zu reagieren, sieht Schopenhauer darin,
dass das Tier die Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse aktiv aufsuchen kann
und nicht darauf angewiesen ist, einen Reiz abzuwarten. Das Auftreten der
Motivation war auf dieser Stufe der Objektivation des Willens nötig, da das Tier
kompliziertere und vielfältigere Bedürfnisse hat als die Pflanze.
21
Der Intellekt des Menschen ist doppelt: Der Mensch hat nicht nur den Verstand
wie das Tier, er verfügt also nicht nur über anschauliche Erkenntnis, sondern
darüber hinaus hat er Vernunft, d. h. abstrakte Erkenntnis. Er kann Begriffe, also
nichtanschauliche, abstrakte, allgemeine Vorstellungen bilden. Schopenhauer
nennt diese auch ,,Inbegriffe der Dinge"
22
. Jeder von ihnen fasst viele einzelne
anschauliche Dinge in einem Wort zusammen. Die Operation mit Worten und
Begriffen ist das, was man ,,denken" nennt. Der Mensch ist nicht an die
Gegenwart gebunden wie die Tiere, und er ist empfänglich für abstrakte Motive,
die aus bloßen Begriffen bestehen. Diese Fähigkeit verleiht dem Menschenleben
20 G, S. 144 f.
21 E I, S. 31.
22 E I, S. 34.
9

allerhand Vorzüge, z. B. ,,Sprache, Besonnenheit, Rückblick auf das Vergangene,
Sorge für das Künftige, Absicht, Vorsatz, planmäßiges, gemeinsames Handeln
vieler, Staat, Wissenschaften, Künste".
23
Beim Menschen wie beim Tier wirkt ein Motiv auf den Willen. Dadurch wird das
Handeln ohne Ausnahme kausal determiniert. ,,Alle Motive [...] sind Ursachen,
und alle Kausalität führt Notwendigkeit mit sich."
24
Der Mensch ist dem Tier gegenüber nur relativ frei. Er hat durch die abstrakte
Erkenntnis eine viel größere Sphäre der Einwirkung von Motiven, die auf den
Willen wirken können, und deshalb mehr Wahlmöglichkeiten als das Tier. Was
sein Handeln bestimmt, ist nicht auf das Gegenwärtige beschränkt, sondern er
kann seine Motive in Form von Gedanken ständig mit sich herum tragen. Der
Mensch kann überlegen, d. h. die Motive, deren Einfluss auf seinen Willen er
spürt, sich abwechselnd vergegenwärtigen und sie jeweils seinem Willen zur
Prüfung vorhalten. Das heißt aber nicht, dass daraus eine absolute Freiheit folgt,
die durch nichts kausal bewirkt werden würde. Die Art der Motivation ist nur
eine andere als die in der Welt der mechanischen Ursachen herrschende, die
Notwendigkeit der Wirkung der Motive wird dadurch nicht geringer. Der
Gedanke - das abstrakte Motiv als äußere, auf den Willen einwirkende Ursache -
ist eine Ursache wie jede andere. Der so oft als Beleg für die Freiheit angeführte
Konflikt der Motive ist für Schopenhauer unproblematisch und fügt sich in das
bisher Gesagte ein: Das Bewusstsein wird zum Kampfplatz der Motive, die alle
ihre Kraft auf den Willen ausüben; am Ende wird aber der Entschluß zugunsten
des stärksten Motives getroffen, und zwar mit Notwendigkeit. Schopenhauer
vergleicht den Menschen in dieser Situation mit einem Körper, der
verschiedenen, in entgegengesetzte Richtungen wirkenden Kräften ausgesetzt ist
und abwechselnd in unterschiedliche Richtungen schwankt, bevor er - notwendig
­ zu einer Seite hin umfällt.
25
Der Beobachter mag z. B. sagen, dass eine Stange
nach der rechten oder linken Seite umfallen kann, aber dieses ,,kann" ist rein
subjektiv, nach der Kenntnis der Daten, die er zu dem Ereignis hat. Objektiv
gesehen ist die Fallrichtung vorherbestimmt. Ebenso ist die Entscheidung zur
23 E I, S. 34.
24 E I, S. 35.
25 E I, S. 36.
10

Handlung bloß für den eigenen Intellekt, das Subjekt des Erkennens, nicht
determiniert. Der Intellekt ist hier verlgeichbar mit dem Zuschauer aus dem oben
genannten Beispiel. An sich selbst und objektiv ist die Entscheidung determiniert
und notwendig. Die Determination kommt aber erst durch die erfolgte
Entscheidung, durch die Tat, ins Bewusstsein.
Der Intellekt kann bei einer Wahlentscheidung nichts weiter tun, als die
verschiedenen Motive zu entfalten und sie dem Willen vorhalten. Die
Entscheidung selbst muss er passiv abwarten.
26
Wie ernst Schopenhauer es mit der Determiniertheit des menschlichen Handelns
und aller weiteren Lebensäußerungen meint, sieht man am deutlichsten im
Kapitel Über die Gedankenassoziation im zweiten Band seines Hauptwerks. "Die
Gegenwart der Vorstellungen und Gedanken in unserm Bewußtsein ist dem Satze
vom Grund, in seinen verschiedenen Gestalten, so streng unterworfen, wie die
Bewegung der Körper dem Gesetze der Kausalität. So wenig ein Körper ohne
Ursache in Bewegung geraten kann, ist es möglich, daß ein Gedanke ohne Anlaß
ins Bewußtsein trete."
27
Dieser Anlass muss entweder ein äußerer sein, also ein
Eindruck auf die Sinne, was zu einer anschaulichen Vorstellung führt, oder ein
innerer, selbst ein Gedanke, der durch die Assoziation einen anderen herbeiführt.
Dies geschieht entweder durch ein Verhältnis von Grund und Folge, oder durch
Ähnlichkeit, manchmal bloße Analogie, oder durch Gleichzeitigkeit ihrer ersten
Auffassung, die ihren Grund in der räumlichen Nachbarschaft ihrer Gegenstände
haben kann. So braucht jeder Gedanke einen Anlass um zu erscheinen. Scheinbar
gibt es zwar Fälle, die eine Ausnahme bilden, wo ein Gedanke oder ein
Fantasiebild plötzlich und ohne bewussten Anlass ins Bewusstsein kommt.
Schopenhauer glaubt aber, dass dies auf einer Täuschung beruht. Der Anlass sei
so gering, der Gedanke selbst aber erscheine als so interessant, dass der Anlass
sofort aus dem Bewusstsein verschwinden würde. Ein Teil dieser plötzlich
auftretenden Vorstellungen werde durch innere körperliche Eindrücke verursacht,
z. B. von Teilen des Gehirns aufeinander oder des Nervensystems auf das Gehirn.
Hier kommt Schopenhauers Vorstellung vom Unbewussten ins Spiel. Er glaubt,
dass die Verarbeitung eines großen Teils der äußeren Eindrücke und deren
26 W I, S. 343 f.
27 W II, S. 145 ­ 149.
11

Umformung in Gedanken unbewusst geschehe, weshalb man sich darüber keine
Rechenschaft geben könnte. ,,Das Bewusstsein ist die bloße Oberfläche unsers
Geistes, von welchem, wie vom Erdkörper, wir nicht das Innere, sondern nur die
Schale kennen."
28
Ebenso vergleicht Schopenhauer unser Bewusstsein mit einem
tiefen Gewässer, von dem das Bewusstsein nur die Oberfläche bildet, von dem
der darunter liegende, größte Teil uns jedoch unbekannt ist. Hier ist also vieles
vorhanden, von dem wir nichts wissen; was davon jedoch an die Oberfläche des
Bewusstseins steigt, wird durch die oben genannten Gesetze der
Gedankenassoziation bestimmt. Diesem liegt der Wille des Individuums zu
Grunde. Ihm kommt nur das zu Bewusstsein, was ihm nützt. Der Intellekt ist für
Schopenhauer nur der Diener des Willens. Der Wille treibt den Menschen zum
Denken an, damit er möglichst orientiert und auf alle Fälle vorbereitet ist. Auch
hier geht es, wie bereits oben für das Tier im Unterschied zur Pflanze gesagt
wurde, um eine bessere Möglichkeit der Befriedigung der Bedürfnisse des
Individuums, die auf dieser höheren Stufe der Naturwesen nötig geworden ist.
Das Gesetz der Motivation ist diejenige Gestalt des Satzes vom Grunde, die für
die Gedankenassoziation gilt. Kausalität beherrscht also alle menschlichen
Regungen, alle Gedanken haben eine zureichende Ursache, und Freiheit sucht
man auch im Kleinsten und Unbedeutendsten vergeblich.
Die Erklärung aus Ursachen ist allerdings nie erschöpfend, sondern weist zurück
auf Naturkräfte, deren Wesen der Wille als Ding an sich ist. Diesen kann man
nicht weiter erklären oder aus Ursachen herleiten.
Man kann einwenden, dass einige Ergebnisse der modernen Physik dem
widersprechen, dass der Satz vom Grunde ausnahmslos gelten muss. Vollmer
29
weist darauf hin, dass es in der modernen Physik den von Schopenhauer
geleugneten absoluten Zufall im Sinne von Ereignissen ohne Ursache doch gibt.
Viele Quantenereignisse seien in diesem Sinne zufällig, da sie keine Ursache zu
haben scheinen. Wann ein bestimmtes isoliertes Neutron zerfalle, sei in keiner
Weise festgelegt. Wann ein angeregtes Aton unter Aussendung eines Photons in
28 W II, S. 149.
29 VOLLMER, Gerhard: Schopenhauer als Determinist. In: Spierling, Volker (Hg.):
Schopenhauer im Denken der Gegenwart. 23 Beiträge zu seiner Aktualität. München 1987, S.
171 ­ 174.
12

den Grundzustand übergehen wird, können wir nach Vollmer nicht wissen, und
das Atom selbst kann es auch nicht ,,wissen", sein innerer Zustand legt den
Zeitpunkt des Zerfalls in keiner Weise fest.
Was folgt nun aus der Existenz von ursachenlosen Ereignissen? Es ist meiner
Ansicht nach fragwürdig, ob man Ereignisse, die im Quantenbereich stattfinden,
ohne weiteres auf makroskopische Ereignisse und auf Ereignisse, die in der
menschlichen Psyche stattfinden, übertragen kann. Bezüglich der Ereignisse im
Bereich über Atomgröße meint der Atomphysiker Oppenheimer: ,,Aber wo die
Vorgänge groß sind im Vergleich zum Wirkungsquantum, gelten die klassischen
Gesetze Newtons [...] In diesem Fall führen die statistischen Gesetze der
Atomphysik zu Wahrscheinlichkeiten, die mehr und mehr Gewißheiten
gleichkommen, und die akausalen Züge der Atomtheorie sind ohne Bedeutung."
30
Es ist auch ganz sicher nicht so, dass aus der Existenz ursachenloser Ereignisse in
einzelnen Atomen die Existenz des absoluten Zufalls im Bereich des
menschlichen Willens, also eine absolute Willensfreiheit, folgen muss. Man kann
einen Zusammenhang im Verhalten von Quanten und dem menschlichen Handeln
weder beweisen noch widerlegen.
Birnbacher
31
betont die Vorteile des Determinismus. Es erscheine diffus
bedrohlich, keine Willensfreiheit zu haben, aber der Determinismus sei kein
Fatalismus und behaupte nicht, dass die Zukunft bereits unabhängig von unseren
eigenen Willensentscheidungen feststeht. Der wesentliche Unterschied sei, dass
die Kausalketten, an denen die Zukunft hängt, zu einem kleinen, aber
signifikanten Teil durch die menschlichen Willensentscheidungen hindurch
gehen. Nach Birnbachers Ansicht sind die theoretischen Alternativen zum
Determinismus nicht attraktiv. Das Gegenteil von Notwendigkeit sei Zufälligkeit,
aber es sei viel schwieriger, jemanden für Zufallsereignisse verantwortlich zu
machen, als für Willensentscheidungen. Wer sich auf die Quantenphysik beruft,
um die Willensfreiheit plausibel zu machen, hätte keinen Vorteil, sondern müsste
sich fragen lassen, ,,was [...] eigentlich wünschenswert an einer
Willensentscheidung [ist], die auf ein einzelnes Atom zurückgeht, das zufällig
30 Zitiert nach BAUER, Fritz: Schopenhauer und die Strafrechtsproblematik. In: 49. Jb. Frankfurt
am Main 1968, S. 16.
31 BIRNBACHER, Dieter: Freiheit durch Selbsterkenntnis. Spinoza, Schopenhauer, Freud. In:
74. Jb. Würzburg 1993, S. 87 ­ 102.
13

von seiner Bahn abweicht".
32
Diese Vorstellung weckt bei mir persönlich keine Assoziation von Freiheit,
sondern lässt eher an eine andere Form von Unfreiheit denken. Ob man nun von
Quantenbewegungen auf Willensentscheidungen schließen kann, was die
Zufälligkeit des Willensaktes belegen würde, sei dahingestellt. Zufälligkeit hat
auf jeden Fall mit Freiheit wenig zu tun, kann also nicht als Beweis einer
Willensfreiheit gelten.
Moralische Werturteile sind nach Birnbacher sogar mit dem krassesten
Fatalismus vereinbar: Dass der eine ein Engel und der andere ein Teufel ist,
werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der eine dazu verdammt ist, ein Teufel
zu sein, und dass der andere damit gesegnet ist, ein Engel zu sein. Moralische
Zuschreibungen haben aber trotz des Determinismus einen Sinn, denn solange
jemand noch vor der Wahl steht, hat es für ihn einen Sinn zu fragen, was er tun
soll, und auch für jeden anderen, der den Handelnden durch Kritik, Ermahnung
oder Ermutigung beeinflussen kann.
33
Vor der Handlung ist er beeinflussbar, aber
hinterher wird der Akteur wissen, welche Ermahnungen seine Einsicht änderten,
und welche Motive schließlich (streng kausal!) zu der Handlung geführt haben.
Determination ist für Birnbacher eine notwendige Voraussetzung für
Verantwortung. Wenn menschliche Handlungen zufällig wären, gäbe es Probleme
bei der Zurechnung. Die Zurechnung selbst sieht Birnbacher nicht als
Naturtatsache an. Für ihn ist es ein ,,Sprachspiel", sich selbst und anderen
Verantwortung zuzuschreiben, das dem pragmatischen Zweck diene, bestimmte
sozial erwünschte Bewusstseins- und Verhaltensänderungen herbeizuführen bzw.
zu unterstützen.
34
Kausale Notwendigkeit ist für Birnbacher die Vorbedingung für Freiheit und
Verantwortlichkeit, sowohl im üblichen Sinne als auch für die Freiheit als Ziel
der Psychoanalyse, die im spätantiken Sinne eine Anleitung zu einem guten, d. h.
erfüllten oder gelingenden Leben sein will. Sie führt zu einem Zuwachs an
innerer Freiheit durch die Einsicht in die Notwendigkeit. Freiheit gilt danach als
Ideal: als innere Souveränität des Ichs gegenüber den eigenen bewussten und
32 A. a. O., S. 90.
33 A. a. O.
34 A. a. O., S. 91 f.
14

unbewussten Motiven und Triebansprüchen. Selbstbefreiung ist möglich durch
Selbsterkenntnis.
35
2.5. Die Täuschung der Freiheit
Ein nicht philosophisch gebildeter Mensch neigt Schopenhauers Ansicht nach
dazu, seinen Willen für absolut frei zu halten. Sein Selbstbewußtsein, sein innerer
Sinn hält ihm die einzige ihm mögliche Einsicht vor, nämlich ,, ich kann tun was
ich will", es zeigt aber nicht, daß dieses ,,ich will" durch Ursachen bedingt ist, da
es weiter nichts erkennen kann als den Willen des Individuums selbst. Der Wille
ist das einzige uns unmittelbar gegebene Objekt, alles andere wird durch die
äußeren Sinne vermittelt. Oft wird das ,,Ich will" des Selbstbewusstseins falsch
interpretiert, als absolute Freiheit, wo es doch nur eine physische Freiheit
bedeutet. So hält sich der philosophisch nicht gebildete Mensch für frei, ohne es
tatsächlich zu sein. Schopenhauer erklärt diese verbreitete Täuschung durch ein
anschauliches Beispiel, das ich hier wiedergebe:
Um die Entstehung dieses für unser Thema so wichtigen Irrtums speziell und aufs
deutlichste zu erläutern und dadurch die im vorigen Abschnitt angestellte
Untersuchung des Selbstbewußtseins zu ergänzen, wollen wir uns einen Menschen
denken, der, etwa auf der Gasse stehend, zu sich sagte: ,,Es ist 6 Uhr Abends, die
Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spaziergang machen; oder ich kann
in den Klub gehn; ich kann auch auf den Turm steigen, die Sonne untergehn zu
sehn; ich kann auch diesen, oder jenen Freund besuchen; ja, ich kann auch zum
Tor hinauslaufen, in die weite Welt, und nie wiederkommen. Das Alles steht allein
bei mir, ich habe völlige Freiheit dazu; tue jedoch davon jetzt nichts, sondern gehe
ebenso freiwillig nach Hause, zu meiner Frau." Das ist gerade so, als wenn da
Wasser spräche: ,,Ich kann hohe Wellen schlagen (ja! nämlich im Meer und
Sturm), ich kann reißend hinabeilen (ja! nämlich im Bette des Stroms), ich kann
schäumend und sprudelnd hinunterstürzen (ja! nämlich im Wasserfall), ich kann
frei als Strahl in die Luft steigen (ja! nämlich im Springbrunnen), ich kann endlich
gar verkochen und verschwinden (ja! bei 80° Wärme
36
); tue jedoch von dem allen
jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche."
37
Schopenhauer will zeigen, dass der Mensch eine bestimmte Handlung nur dann
35 A. a. O., S. 92.
36 Grad Reaumur, siehe WEIMER 1982, S. 107.
37 E I, S. 42.
15

vollziehen kann, wenn die Umstände eintreten, die ihn dazu in Bewegung setzen.
Wenn die Ursachen nicht da sind, ist es ihm unmöglich. Wenn sie aber eintreten,
muss er es tun. Der Grund für die Täuschung der Willensfreiheit liegt
Schopenhauer zufolge darin, dass der Mensch in seiner Fantasie zu einem
bestimmten Zeitpunkt nur ein Bild gegenwärtig haben kann. Für diesen Moment
sind alle anderen Bilder ausgeschlossen. Wenn er sich ein Motiv zu einer
Handlung vorstellt, spürt er dessen Wirkung auf seinen Willen, so dass er meint,
er könnte auch danach handeln. Dies ist aber eine Täuschung, denn es muss
notwendig die Besonnenheit eintreten und ihm die entgegenstehenden Motive in
Erinnerung bringen, worauf er sehen kann, dass es nicht zur Tat kommt. Es ist
also nicht so, dass der Wille irgendwie unbewusst steuert, zu welcher Handlung
es kommt, sondern er sorgt dafür, dass die ihm nützlichen Gedanken dem
Handelnden zu Bewusstsein kommen müssen. Nicht umsonst weist Schopenhauer
auf die intellektuelle Unfreiheit hin, die dann gegeben ist, wenn dem betreffenden
Menschen momentan oder dauerhaft die Fähigkeit zur Besonnenheit fehlt.
Der Satz ,,ich kann dies wollen" ist Schopenhauer zufolge hypothetisch; es
kommt immer noch das ,,wenn ich nicht lieber etwas anderes wollte" dazu,
welches das Wollenkönnen aufhebt.
38
Ich erinnere noch einmal daran, dass es
einen Unterschied zwischen Wünschen und Wollen gibt. Wünschen kann man
Entgegengesetztes, Wollen aber nur Eines, und welches dies ist, offenbart auch
dem Selbstbewusstsein erst die Tat.
39
Man kann mit dem Mann aus Schopenhauers Beispiel einwenden, dass er auch
anders handeln könnte, um demjenigen, der gerade seine Freiheit bestreitet, zu
beweisen, dass er doch frei ist. Dann ist aber nach Schopenhauer eben die Absicht
des Beweises das zureichende Motiv der Handlung, und es wird klar, dass auch in
diesem Fall alles kausal bestimmt ist. Es wäre zwar möglich, den Mann auf diese
Weise zu einer der leichteren Handlungen zu bewegen, z. B. ins Theater zu
gehen, aber niemals, aus der Stadt hinaus zu gehen und nie wieder zu kommen.
Dazu wäre das Motiv nicht stark genug. Ebenso ist es unmöglich, sich mit einer
geladenen Pistole zu erschießen, wenn das Motiv dazu fehlt. Das wenigste gehört
zur mechanischen Ausführung der Handlung. Wenn das Motiv fehlt, ist es
38 E I, S. 43.
39 E I, S. 17.
16

unmöglich, die Handlung zu vollziehen. In diesem Fall muss es ein äußerst
starkes Motiv sein, das die Angst vor dem Tod überwinden kann. Erst wenn es
ein solches gibt, kann man die Handlung begehen und muss es dann auch.
40
Ludwig Fulda
41
illustriert Schopenhauers Gedanken von der Täuschung der
Willensfreiheit durch das in Bezug auf Willensentscheidungen benutzte Wort
,,abwägen", das bei ihm sinnbildlich für eine ,,Willenswaage" steht, deren
Gewichte die Motive sind. Genauso wie ein Gewicht von einer bestimmten
Schwere notwendig die eine oder die andere der Waagschalen nach unten sinken
lässt, genauso notwendig müsse sich auch der Wille bei gegebenen Motiven
entscheiden. Es sei vor der Entscheidung jederzeit möglich, neue Gewichte auf
die Waagschalen zu legen und eine der Waagschalen schwerer zu machen. Es sei
möglich, den Willen durch Gegengewichte (also Gegenmotive) zu beeinflussen.
Als Beispiel nennt Fulda das bereits oben im Schopenhauer-Zitat genannte Motiv,
das daraus entspringt, dass dem Wählenden die Wahlfreiheit abgesprochen wird.
Das Motiv, dass er beweisen möchte, dass er doch frei ist, ist ein sehr schwaches
,,künstliches Gegengewicht", das die Motive, die gegen die folgenschwere
Handlung, in die weite Welt gehen, auf der Waagschale liegen, nicht überwiegen
kann.
Um Experimente mit der ,,Willenswaage" zu machen, ist es nach Fulda
besonders nützlich, die Schwere der Gewichte in Zahlen angeben zu können,
wozu sich Geld eignet. Auch Schopenhauer sagte schon: ,,Wer mit 10 Dukaten
nicht zu bestechen ist, aber wankt, wird es mit 100 sein."
42
Nach Fulda sind aber
auf der Geldseite auch oft moralische Motive zu finden, wenn z. B. jemand für
kranke Angehörige Geld braucht.
Wenn die Willenswaage schwankt, das heißt wenn auf beiden Seiten die
Gewichte ähnlich schwer sind, kommt es zur Unentschlossenheit. Der Wille muss
dann zusehen, bis das Schwanken der Gewichte beendet ist. Er kann es nicht
willkürlich, durch freien Entschluss beenden. So ergibt sich bei Fulda die Frage,
ob es zur Entschlussunfähigkeit kommt, wenn die Gewichte auf beiden Seiten der
40 E I, S. 43.
41 FULDA, Ludwig: Schopenhauer und das Problem der Willensfreiheit. In: 19. Jb. Heidelberg
1932, S. 115 ­ 138, Zitat auf S. 119.
42 Zitiert nach FULDA, S. 121.
17

Willenswaage genau gleich sind. Schopenhauer nahm dieses Problem nicht recht
ernst, führte aber zur Verdeutlichung das Sophisma von Buridans Esel an, das bei
Dante mit gleichem Inhalt, aber mit Menschen statt Eseln vorkommt und auf
Aristoteles zurückgeht:
43
Gleich nah zwei Bissen, gleich verlockt von beiden,
Stirbt Hungers, eh er einen führt zum Mund,
Ein Menschenkind, das frei, sich zu entscheiden.
44
Ludwig Fulda löst die Frage so: Wenn der Hungernde beide Speisen mit einem
Blick überschauen kann, sind sie für seinen Willen keine gegensätzliche
Zweiheit, sondern eine Einheit. Er schwankt daher ebenso wenig, wie man
schwankt, von welcher Seite man einen Apfel anbeißen soll. Wenn er nur
abwechselnd eine der beiden Speisen ins Auge fassen kann, gibt es Fuldas
Ansicht nach einen kritischen Moment, in dem der Hunger ihn daran hindert,
länger hin und her zu schauen, so dass er die Speise nimmt, die er in dem
Moment im Blick hat. Dieser Blick bedeutet dann ein vorher nicht dagewesenes
Zusatzgewicht auf der Waagschale und führt eine Entscheidung mit
Notwendigkeit herbei.
45
Meiner Meinung nach ist Fuldas Darstellung überzeugend, denn es ist sehr
unwahrscheinlich, dass jemand dauernd vor zwei gleichermaßen gewünschten
Dingen untätig bleibt. Er wird sicher einige Augenblicke oder auch länger
abwägen, so dass es aussieht, als sei er entscheidungsunfähig, aber auf Dauer
wird sich der Mensch eher für etwas von dem, was er wünscht, entscheiden als
für gar nichts davon. Davon abgesehen ist ja auch eine Unterlassung eine
Entscheidung. Es ist durchaus plausibel, dass es in einem bestimmten kritischen
Moment, in dem sich der Mensch von einer anschaulichen Vorstellung zur
Handlung bewegen lässt, zu einer Entscheidung für eines der gewünschten Dinge
kommt. Damit stimmt Schopenhauers Ansicht überein, dass anschauliche
Vorstellungen als Motive mehr vermögen als abstrakte, und dass der Mensch eher
nach den Motiven handelt, die ihm gerade gegenwärtig sind, als nach Motiven,
43 E I, S. 58 f.
44 DANTE: Die Göttliche Komödie. Frankfurt am Main 1974, S. 320.
45 FULDA, S. 122 f.
18

die ihm in der Vergangenheit gegenwärtig waren.
2.6. Der Charakter und die Motive, die auf ihn wirken
Jeder Mensch hat einen angeborenen, unveränderlichen Charakter. Dieser wird
durch die Motive, die auf ihn wirken, zwingend in Bewegung gesetzt. Wenn alle
Umstände einer Situation vorherbestimmt sind, wozu auch die Kenntnis dieser
Umstände gehört, muss die Handlung notwendig eintreten. Daraus folgt auch,
dass ein Mensch in zwei Situationen mit völlig gleichen Umständen auch gleich
handeln muss. Wenn er nicht gleich handelt, sind eben die Umstände andere
gewesen. Es kommt dabei auf jede Kleinigkeit an. Ändern kann sich das
Verhalten eines Menschen nur, wenn er zwischen beiden Situationen die Einsicht
gewonnen hat, dass er seinen Motiven besser gerecht werden kann, indem er
anders handelt. Durch die Einsicht gewinnt er aber auch wieder nur eine relative
Freiheit. Alle Gedanken, also auch die, die zur Einsicht und Verhaltensänderung
führen, sind ja streng kausal bestimmt, wie im Abschnitt über die
Gedankenassoziation (S. 11 f.) gezeigt wurde.
In seiner Preisschrift über die Grundlage der Moral führt Schopenhauer drei
Arten von Motiven an, die auf den menschlichen Charakter wirken können.
46
Die
Grundtriebfeder von Handlungen überhaupt ist für ihn der Egoismus.
Schopenhauer hat einen sehr weiten Begriff davon. Egoismus bedeutet für ihn das
eigene Wohl zu wollen. Auch eine scheinbar altruistische Handlung oder das
Unterlassen der Schädigung eines anderen können egoistische Handlungen sein,
wenn sie aus Angst vor Strafe oder um die Ehre zu bewahren oder aus Ruhmsucht
begangen werden. Daneben gibt es noch eine weitere ,,antimoralische"
Triebfeder, nämlich die Bosheit, die das Leid des anderen will. Diesen beiden
steht als moralische Triebfeder das Mitleid gebenüber. Auf die drei Triebfedern
Egoismus, Bosheit und Mitleid führt Schopenhauer alle Handlungen zurück.
Dabei können auch mehrere Motive zusammen wirken. Von moralischen
Handlungen spricht Schopenhauer aber nur dann, wenn sie aus reinem Mitleid
geschehen.
Der große Unterschied im moralischen Verhalten der Menschen hat seine
46 E II, S. 196 ­ 212.
19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832489151
ISBN (Paperback)
9783838689159
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg – Philosophische Fakultät III
Note
2,0
Schlagworte
wille handeln freiheit kausalität verantwortung
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Titel: Determinismus oder Willensfreiheit?
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