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Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel

Eine agenturtheoretische Analyse der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern

©2004 Diplomarbeit 119 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Schon in den dreißiger Jahren tauchten Handelsmarken im deutschen Lebensmitteleinzelhandel auf. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden sie wiederholt eingestellt und eingeführt, bis 1978 der Deutsche Supermarkt so genannte no-names lancierte und damit den Auftakt zur Entwicklung weiterer Handelsmarken gab. Nach permanentem Wachstum verzeichneten die Handelsmarken in den letzten Jahren besonders starke Zuwächse.
Horst Prießnitz, Geschäftsführer des Markenverbands, sieht in dieser Tendenz eine Gefahr: „Handelsmarken-Kunden sind die Aldi-Kunden von morgen.“ Tatsächlich gehen 80% des Handelsmarkenwachstums auf den Einkaufsstättenwechsel zu Discountern zurück, während die anderen 20% dem Wechsel vom Kauf einer Marke zur Handelsmarke der gleichen Einkaufsstätte zuzuschreiben sind.
Der Erfolg der Handelsmarken variiert nach Produktkategorie. Vorzufinden sind die höchsten Marktanteile in ausgereiften, preisempfindlichen Produktkategorien, deren Produkte sich durch kurze Anwendungsdauer, leicht einschätzbare Qualität, oder geringem Risiko bei einer Fehlentscheidung charakterisieren. Dennoch ist mittlerweile auch in ursprünglich handelsmarkenkritischen Segmenten eine höhere Präsenz und Akzeptanz der Handelsmarken zu beobachten, wie z.B. bei Babypflegeartikel oder bei Sonnenschutzmitteln.
Stark betroffen vom Handelsmarkenwachstum sind die schwachen Zweit- und Dritt-Marken sowie Me-too-Produkte. Sie werden von der Popularität der Handelsmarken bei Handel und Verbraucher unter Druck gesetzt oder ganz vom Markt verdrängt. Die Folge ist eine Schwächung des Markenmittelsegments.
Fördernde Faktoren des Handelsmarkenwachstums sind sowohl in wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Bereichen zu sehen:
Zuerst ist dem Discounter Aldi eine große Rolle für die Verbreitung und Akzeptanz der Handelsmarken zuzuschreiben. Abbildung 1 zeigt einen besonders starken Erfolg der Aldi Handelsmarken. Durch hochwertige Artikel und ein überzeugendes Preis-Leistungsverhältnis baute Aldi das Misstrauen der Verbraucher gegenüber Handelsmarken ab und ebnete mit zunehmender Popularität den Weg für die Akzeptanz der „anderen“ Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel. Die „Aldi-induzierte“ Erkenntnis, Qualität bedinge nicht immer einen hohen Preis, wurde des Weiteren durch bessere Verbraucheraufklärung, höhere Bildung und einen besseren Zugang zu Informationen und Qualitätsuntersuchungen durch unabhängige Institute wie Stiftung Warentest oder Öko-Test […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8640
Kaindl, Christina: Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel - Eine
agenturtheoretische Analyse der Interessenskonflikte zwischen Handel und
Markenherstellern
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Augsburg, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1
1.1
Problemstellung und Untersuchungsgegenstand
1
1.2. Zielsetzung der Arbeit
6
1.3
Vorgehensweise
6
2.
Handelsmarken und die Vertriebsbeziehung von Handel und Hersteller im
Lebensmitteleinzelhandel 8
2.1
Handelsmarken im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
8
2.1.1 Definition und Klassifikation der Handelsmarken
8
2.1.2 Der Handelsmarkenanteil im Lebensmitteleinzelhandel nach Vertriebslinie
11
2.2
Die Bedeutung der Handelsmarken für die Akteure im
Lebensmitteleinzelhandel
13
2.2.1 Der Handel als Auftraggeber zur Handelsmarkenproduktion
13
2.2.2 Die Hersteller als Produzenten der Handelsmarken
15
2.2.3 Die Markenhersteller als Konkurrenten der Handelsmarken
18
2.3
Der indirekte Vertrieb von Konsumgütern im
Lebensmitteleinzelhandel
21
2.3.1 Zielsetzung und Gründe für den indirekten Vertrieb von Konsumgütern
21
2.3.2 Unterschiede in der Zielsetzung und Strategie zwischen Handel und
Markenhersteller
23
2.3.2.1 Unterschiede in der Sortimentsgestaltung
23
2.3.2.2 Unterschiede in der Preispolitik
24
2.3.2.3 Unterschiede bei der Distribution und Platzierung
25
2.3.2.4 Unterschiede bei der Werbung und Kommunikation
26
2.3.3 Beschreibung der Vertriebsbeziehung
28
2.3.3.1 Informationsgenerierung im Handel
28

2.3.3.2 Die Listungsmacht des Handels im Absatzkanal
29
2.3.3.3 Die Konditionenpolitik des Handels
31
2.3.3.4 Die Zusammenarbeit von Handel und Markenhersteller
33
2.3.4 Bewertung des indirekten Vertriebs für die Markenhersteller
35
3.
Agenturtheorie
36
3.1
Einführung in die Agenturtheorie
36
3.2. Grundannahmen und Bedingungen der Agenturtheorie
38
3.3
Agenturprobleme
41
3.3.1 Hidden Characteristics
41
3.3.2 Hidden Intention
42
3.3.3 Hidden Action und Hidden Information
42
3.4
Mechanismen zur Lösung von Agenturproblemen
44
3.4.1 Interessenangleichung durch Anreizsysteme
44
3.4.2 Mechanismen zur Reduzierung der Informationsasymmetrie
46
3.4.2.1 Kontroll- und Informationssysteme
46
3.4.2.2 Signalling
47
3.4.2.3 Screening
48
3.4.2.4 Self-Selection
48
3.5
Agenturkosten
50
3.6
Grenzen und kritische Würdigung der Agenturtheorie
51
4.
Analyse der Interessenkonflikte zwischen Handel und
Hersteller mit der Agenturtheorie
55
4.1. Die Handel-Hersteller Beziehung im Rahmen der Agenturtheorie
55
4.2
Agenturprobleme durch Informationsasymmetrie
56
4.2.1 Probleme durch Unbekanntheit der Eigenschaften eines Handelspartners
56

4.2.2 Probleme aufgrund von Unkenntnis der Absichten eines Handelspartners
57
4.2.3 Probleme durch Informationsdefizite des Herstellers
59
4.2.4 Probleme aus nicht beobachtbarem Verhalten des Handels
60
4.3
Agenturtheoretische Mechanismen für die Konfliktlösung zwischen
Handel und Herstellern
62
4.3.1 Anreizsysteme für den Handel zur Verfolgung der Interessen des
Herstellers
62
4.3.1.1 Ergebnisbeteiligung des Handels als Anreizsystem
62
4.3.1.1.1 Umstrukturierung der vorliegenden Konditionen
62
4.3.1.1.2 Weitere Anreizsysteme zur Vertragsgestaltung
68
4.3.1.2 Qualitative Anreizsysteme
72
4.3.2 Kontrollsysteme
74
4.3.3 Informationssysteme
76
4.3.4 Signalling, Screening und Self-Selection
79
4.4
Strategien zur optimalen Gestaltung der Vertriebsbeziehung basierend
aufagenturtheoretischen Mechanismen
83
4.4.1 Konfliktstrategie des Herstellers
83
4.4.2 Kooperationsstrategie des Herstellers
84
4.4.3 Anpassungsstrategie des Herstellers
85
4.5
Bewertung der Strategien und Implementierung
86
5.
Schlussbetrachtung
89
5.1
Zusammenfassung der Arbeit
89
5.2
Kritische Würdigung
90
5.3
Ausblick
92

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung der Handelsmarkenanteile in Westdeutschland
1
Abbildung 2: Entwicklung der Marktanteile von 1998-2002 in Deutschland
2
Abbildung 3: Generationen von Handelsmarken nach der Boston Consulting Group 9
Abbildung 4: Mozzarella als Beispiel zur Einordnung von Handelsmarken als no-
name, Quasi- Marke, Dachmarke und Premium Handelsmarke.
10
Abbildung 5 Umsatzanteil (in Prozent) der Handelsmarken nach Vertriebsschienen in
2002
11
Abbildung 6: Kennzeichnung der Handelsmarken durch Hinweise, Regalstopper und
Qualitätssiegel
19
Abbildung 7: Nachahmung von `Brunch' mit paralleler Platzierung von `Mibell
Breakfast` der Edeka
20
Abbildung 8: Produktnachahmungen der Marke `Nivea'
20
Abbildung 9: Entscheidungsszenario für Maßnahmen zur Gewährung von Listungs-,
Platzierungs-,
Werbekosten-
und
Aktionspreisvergütungen
67
Abbildung 10: Beispielhafte Darstellung des dem Handelsmarke-Marke-Absatzratios
zugrunde
liegenden
Tarifsystems
71

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
1
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Untersuchungsgegenstand
Schon in den dreißiger Jahren tauchten Handelsmarken
1
im deutschen Lebensmittel-
einzelhandel auf. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden sie wiederholt eingestellt und
eingeführt, bis 1978 der Deutsche Supermarkt so genannte no-names lancierte und
damit den Auftakt zur Entwicklung weiterer Handelsmarken gab.
2
Nach permanentem
Wachstum verzeichneten die Handelsmarken in den letzten Jahren besonders starke
Zuwächse (siehe Abbildung 1).
3
29,0
24,8
23,2
21,6
21,3
20,9
20,7
20,5
20,2
19,5
19,3
18,9
18,9
19,1
19,0
18,8
18,9
18,3
18,1
18,2
18,3
15,8
13,6
14,5
13,3
11,1
10,9
11,1
8,1
8,5
9,5
10,6
11,4 12,1 12,2 12,6
12,8 12,7 12,7 13,0
13,1 13,4
13,5 13,6 13,4 13,0
13,1
14,0
15,3
17,9
5,2
6,4 6,8
7,0 7,1
7,5
8,3 8,5
9,2 9,5
11,1
6,3
6,2
6,2
6,3
6,4
6,6
6,8
6,9
7,0
7,3
7,2
5,2
5,0
5,1
0
10
20
30
78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02
M
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ch
U
m
s
a
tz
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%
Total Handelsmarken
Abbildung 1: Entwicklung der Handelsmarkenanteile in Westdeutschland
Horst Prießnitz, Geschäftsführer des Markenverbands, sieht in dieser Tendenz eine Ge-
fahr: ,,Handelsmarken-Kunden sind die Aldi-Kunden von morgen."
4
Tatsächlich gehen
80% des Handelsmarkenwachstums auf den Einkaufsstättenwechsel zu Discountern
zurück, während die anderen 20% dem Wechsel vom Kauf einer Marke
5
zur Handels-
marke der gleichen Einkaufsstätte zuzuschreiben sind.
6
1
Handelsmarken sind Marken, deren Eigentümer Handelsunternehmen sind. Zu einer genaueren
Erläuterung siehe 2.1.1
2
Oehme 2001, S. 36 u. S. 158-159; Kornobis 1993, S. 526
3
Daten des GfK Haushaltspanels Consumer Scan für 17 FMCG-Warengruppen (Wildner 2003, S. 109)
4
Hannen 2003, S. 21
5
Als ,,Marke" wird in dieser Arbeit eine Marke im Eigentum der Markenartikelindustrie verstanden.
6
o.V., GfK 2003, S. 1; GfK zitiert nach Twardawa 2003, S. 26; GfK zitiert nach Lange 2003, S. 26
Sonstige Handelsmarken
Handelsmarken Aldi

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
2
Der Erfolg der Handelsmarken variiert nach Produktkategorie. Vorzufinden sind die
höchsten Marktanteile in ausgereiften, preisempfindlichen Produktkategorien, deren
Produkte sich durch kurze Anwendungsdauer, leicht einschätzbare Qualität, oder
geringem Risiko bei einer Fehlentscheidung charakterisieren.
7
Dennoch ist mittlerweile
auch in ursprünglich handelsmarkenkritischen Segmenten eine höhere Präsenz und Ak-
zeptanz der Handelsmarken zu beobachten, wie z.B. bei Babypflegeartikel oder bei
Sonnenschutzmitteln.
8
Stark betroffen vom Handelsmarkenwachstum sind die schwachen Zweit- und Dritt-
Marken sowie Me-too-Produkte
9
. Sie werden von der Popularität der Handelsmarken
bei Handel und Verbraucher unter Druck gesetzt oder ganz vom Markt verdrängt.
10
Die
Folge ist eine Schwächung des Markenmittelsegments.
11
Abbildung 2
12
verdeutlicht
diese Marktanteilsverluste.
9,8
9,7
10,4
11,2
13,5
8,9
10,1
10,8
11,9
13,6
37,7
36,1
36,0
35,3
32,2
7,4
7,3
7,2
6,8
6,7
12,3
12,3
11,6
11,1
11,1
23,9
24,5
24,0
23,7
22,9
0
20
40
60
80
100
1998
1999
2000
2001
2002
M
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rkt
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n
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n
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Umsat
z
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n
%
Aldi
Sonstige Handelsmarken
Sonstige Marken
3. Marke
2. Marke
Marktführer
Abbildung 2: Entwicklung der Marktanteile von 1998-2002 in Deutschland
7
Wildner 2003, S. 117-120; Raeber 1997, S. 373; Kornobis 1997, S. 243
Beispiele für solche Kategorien sind: Papiertaschentüchern (Marktanteil von bis zu 60%), Quark
(45,7%), Waschlotion (39,7%), Eiskrem-Familienpackungen (41,2%) oder Toilettenpapier (63,7%).
(GfK zitiert nach Wildner 2003, S. 117-120)
8
Aufgrund der Vergleichbarkeit durch die Einführung von Sonnenschutzfaktoren und der guten
Bewertung durch Stiftung Warentest, stieg der Handelsmarkenanteil von 14,6% in 1989 auf 48% in
2002 (GfK zitiert nach Wildner, 2003, S. 119)
9
Als Me-too-Produkte werden Produkte verstanden, die nach dem Vorbild einer Produktinnovation eines
anderen Unternehmens entwickelt werden. Meist ähneln sie der Innovation in Bezug auf Inhaltstoffe,
Aussehen, Name oder Wirkung.
10
Mei-Pochtler 2003, S. 94; Hannen 2003, S. 21; Raeber 1995, S. 332; Eggert 1999, S. 204-205
11
Lindenberg 2001, S. 6
12
Daten des GfK Verbraucherpanels (Ost- und Westdeutschland) für 68 FMCG-Warengruppen (Wildner
2003, S. 110)

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
3
Fördernde Faktoren des Handelsmarkenwachstums sind sowohl in wirtschaftlichen als
auch gesellschaftlichen Bereichen zu sehen:
Zuerst ist dem Discounter Aldi eine große Rolle für die Verbreitung und Akzeptanz der
Handelsmarken zuzuschreiben. Abbildung 1 zeigt einen besonders starken Erfolg der
Aldi Handelsmarken. Durch hochwertige Artikel und ein überzeugendes Preis-
Leistungsverhältnis baute Aldi das Misstrauen der Verbraucher gegenüber Handelsmar-
ken ab und ebnete mit zunehmender Popularität den Weg für die Akzeptanz der ,,ande-
ren" Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel. Die ,,Aldi-induzierte" Erkenntnis,
Qualität bedinge nicht immer einen hohen Preis, wurde des Weiteren durch bessere
Verbraucheraufklärung, höhere Bildung und einen besseren Zugang zu Informationen
und Qualitätsuntersuchungen durch unabhängige Institute wie Stiftung Warentest oder
Öko-Test gestützt.
13
Darüber hinaus ist ein wachsendes Vertrauen der Konsumenten in Handelsmarken zu
beobachten, während das Vertrauen in die Marke sinkt: eine aktuelle Umfrage des Al-
lensbacher Instituts zeigt, dass 35% der Deutschen denken, der Kauf von Markenarti-
keln lohne sich nicht.
14
Sie halten Handelsmarke und Markenartikel für gleichwertig
15
und entwickeln sogar eine Überzeugung, die Ulrich Lehner, Vorsitzender der Henkel
Geschäftsführung, für ausschlaggebend hält: ,,Die Kunden glauben, dass die Handels-
marken ohnehin alle von Markenartikelherstellern produziert werden."
16
Da von vielen
bekannten Firmen diese Praxis den Verbrauchern längst bekannt ist, wird diese Mei-
nung nur schwer aus den Köpfen zu verdrängen sein.
17
Gestützt wird das Handelsmarkenwachstum zudem durch eine veränderte Nachfrage.
Diese drückt sich in einem polarisiertes Einkaufsverhalten der Verbraucher aus - durch
den Kauf entweder besonders billiger oder teurer Artikel.
18
Bewusst gespart wird beim
Lebensmittelkauf mit billigen no-name Produkten einer Kategorie, um in einer anderen
teure Markenprodukte zu kaufen. Spriwald, Group Manager bei BAT, spricht von ,,
,,Smart Shopper", die nach Belieben Handelsmarken mit Top-Marken kombinieren und
mit dem Porsche beim Discounter vorfahren, um dort Champagner zu kaufen...".
19
13
Stach 1993, S. 582-583; Martino 1995 S. 329; Raeber 1995, S. 333
14
Seiwert 2003, S. 18; Lingelbach 2004, S. 37
15
Gordon 1994, S. 56; Drexel 1997, S. 7; Klein 1993, S. 115
16
Weber 2002, S. 24;
17
Barthel/Münzberg 2003, S. 23; Perzborn 2003, S. 18; Hannen 2003, S. 21
18
Ohlwein/Schiele 1995, S. 331
19
Garber 2003, S. 22

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
4
Bislang wenig Beachtung fand das von Forschern in mehreren Ländern entdeckte Phä-
nomen der ,,consumer confusion."
20
Für viele Konsumenten wird der Einkauf durch
ständige Angebotsausweitungen, Neuheiten, Design-Relaunchs und Umbau der Regale
zu einem stressigen Erlebnis, in dem die gewohnten Produkte neu gesucht, Preise abge-
wägt werden müssen und Konsumenten wortwörtlich die ,,Qual der Wahl"
21
haben.
Diese Überlastung nimmt der Gang zum Discounter oder die Wahl der Handelsmarke
als günstige, leicht erkennbare Alternative mit geringem Verlustrisiko ab.
22
Wirtschaftlich gesehen, findet die Akzeptanz der Handelsmarken in Deutschland seine
Begründung durch schlechte konjunkturelle Bedingungen, der politischen Lage, und
dem Euro-Preisschock. Diese führen zu Unsicherheit, verstärktem Preisbewusstsein und
zur Konsumzurückhaltung,
23
die sich beim täglichen Einkauf äußern: ,,der deutsche
Konsument spart bekanntermaßen zuerst am Essen", meint Rewe-Vorstand Schmitt.
24
Etwa 30% der Haushalte decken den Großteil ihres täglichen Bedarfs mit Einkäufen bei
Aldi oder mit anderen Handelsmarken.
25
Als Antwort auf das Konsumentenverhalten
bietet der Handel mit Handelsmarken ,,Aldinativen".
26
Nicht zu vernachlässigen ist die zunehmende Handelskonzentration. Die Top zehn
Handelsfirmen kontrollierten 1995 80% des Umsatzes im Lebensmitteleinzelhandel,
während im Jahr 2000 allein die Top fünf Handelsunternehmen 63% des Umsatzes auf
sich vereinten.
27
Durch höhere Distributionsnetze und simultanem Machtzuwachs be-
sitzt der Handel immer breitere Beschaffungs- und Absatzwege für Handelsmarken.
28
Die hohe Präsenz von Discountern ist dabei nicht außer Acht zu lassen. Von 14.600
europäischen Harddiscounterfilialen
29
sind mehr als 7.500 in Deutschland vertreten,
wobei Aldi (ca. 3.800 Filialen) mit fast 90% die höchste Käuferreichweite unter allen
Lebensmittelgeschäften erzielt.
30
Es ist einleuchtend, dass eine breite Distribution und
ein großes Angebot von Handelsmarken ebenfalls deren Absatz fördern.
20
Lange 2003, S. 26
21
Lange 2003, S. 26
22
Barthel/Münzberg 2003, S. 23
23
Raeber 1995, S. 333; Quelch/Harding 1996, S. 99-100; Kornobis 1993, S. 526; Martino 1995, S. 329;
Twardawa 2003, S. 26
24
Garber 2003, S. 22
25
Mihr 2000, S. 37
26
Hannen 2003, S. 20
27
Schögel/Tomczak 2004, S. 41; Prießnitz 1996, S. 96
28
Martino 1995, S. 329
29
Zu Harddiscountern gehören z.B. Aldi und Lidl.
30
o.V., GfK 2003, S. 1

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
5
Diese Aspekte erklären Erfolg und Wachstum der Handelsmarken im deutschen Le-
bensmitteleinzelhandel. Für die Markenhersteller werden die Auswirkungen der Han-
delsmarken auf die eigenen Marken signifikanter denn je. Die aktuelle Entwicklung der
Premium Handelsmarke, welche u.a. durch Nachahmung und Qualitätsverbesserung zur
direkten Konkurrierung der Markenartikel ausgerichtet ist, bedroht nun auch den Erfolg
der bislang verschonten führenden Marken.
31
Mit wachsendem Handelsmarkenerfolg und Abhängigkeit vom Handel sehen Herstel-
ler
32
zudem die Durchsetzung ihrer Interessen in Gefahr. Fungierte früher der Handel
als Absatzkanal der Industrie, wird die Industrie heute zunehmend zum Produktionska-
nal für den Handel.
33
Manche Firmen, die Produktauslistungen und somit starke, teils
existenzielle Umsatzverluste in Kauf nehmen müssen, entscheiden sich zur Handels-
markenproduktion, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, oder machen diese auf-
grund zu schwacher eigener Marken zu ihrem Kerngeschäft. Unabhängige Firmen hin-
gegen konzentrieren sich auf das Vorgehen gegen das Handelsmarkenwachstum und
forcieren simultan Marketing und Werbung für ihre Markenartikel.
Für die Industrie ergibt sich die Forderung nach zielgerechten Lösungen, die an der
Quelle des Problems, den Handelsmarken und Handelspartnern, ansetzen. Das Han-
delsmarkenwachstum und die kritische Beziehung zwischen Handel und Herstellern
stellen den Untersuchungsgegenstand für die vorliegende Arbeit dar.
31
Hannen 2003, S. 20
32
In dieser Arbeit werden mit ,,Hersteller" i.d.R. Markenartikelhersteller bezeichnet.
33
Hannen 2003, S. 19

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
6
1.2. Zielsetzung der Arbeit
Hauptziel dieser Arbeit ist, in Anbetracht wachsender Handelsmarkenanteile und der oft
schwierigen Verhandlungsposition der Markenartikelhersteller, geeignete Strategien
und Mechanismen für das Vorgehen gegen Handelsmarken und die Durchsetzung der
Herstellerinteressen aufzuzeigen. Diese Strategien und Mechanismen sollen direkt in
der Beziehung zwischen Handel und Markenhersteller greifen und letzterem stärkere
Einsicht und Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten des Handelspartners ermöglichen.
Denn vom Verhalten und der Leistungserfüllung des Handelspartners hängen sowohl
der absatzwirtschaftliche Erfolg der Markenprodukte, als auch die weitere Ausbreitung
und der Erfolg der Handelsmarken ab. Um eine geeignete Strategieformulierung zu er-
zielen, werden zwei Unterziele erarbeitet:
Erstens sollen durch die Anwendung der Agenturtheorie kritische Punkte und Konflikte
beim Vertrieb von Markenartikeln und Handelsmarken in der Handel-Hersteller-
Beziehung identifiziert und analysiert werden. Zweitens sollen anhand dieser Konflikt-
quellen agenturtheoretische Lösungsmechanismen aufgestellt werden, die diese vermin-
dern und beseitigen können.
1.3 Vorgehensweise
In der vorliegenden Arbeit wird die Konsumgüterindustrie im deutschen Lebensmittel-
einzelhandel betrachtet. Der Schwerpunkt der Analyse soll auf den größeren, meist in-
ternational aktiven Markenherstellern liegen, die über eine höhere Verhandlungsmacht
als kleinere Mitbewerber verfügen. Da das Handelsmarkenwachstum ein ,,Branchen-
phänomen" und quasi omnipräsent ist, wurde keine Einschränkung auf eine Produktka-
tegorie oder ein Unternehmen gewählt. Die Bearbeitung dieser Thematik soll zu einer
Strategiebasis führen, die branchenweit einsetzbar und an individuelle Strategien der
Markenhersteller anpassbar ist.
In Kapitel zwei wird eine Grundlage für die Analyse in den folgenden Kapiteln geschaf-
fen. Die Handelsmarken und ihre Bedeutung für die von ihr betroffenen Akteure werden
erläutert. Nach einer Darlegung der Ziele und Gründe der Markenhersteller zum indi-
rekten Vertrieb werden die Interessen und Zielsetzungen von Handel und Herstellern
gegenübergestellt. In einem weiteren Schritt werden die für die Thematik relevanten
Teile der Vertriebsbeziehung und die Zusammenarbeit von Handel und Hersteller be-
schrieben. Abschließend wird die indirekte Vertriebsform bewertet.

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
7
In Kapitel drei wird die Agenturtheorie zur Analyse der Handel-Hersteller-Beziehung
vorgestellt. Nach einer Einführung und Erklärung der Theorie werden die in einer
Agenturbeziehung auftretenden Probleme, Kosten und Lösungsmechanismen der Agen-
turtheorie erläutert.
In Kapitel vier wird die Agenturtheorie als Analyseinstrument auf die Handel-Herstel-
ler-Beziehung angewandt. Nach einer Einordnung der Handel-Hersteller-Beziehung im
Rahmen der Agenturtheorie werden Konflikte und Störungen in dieser Beziehung als
Agenturprobleme abgeleitet und analysiert. Im Weiteren werden einzelne Mechanismen
zur Lösung oder Verbesserung der jeweiligen Konflikte erarbeitet und einer Konflikt-,
Kooperations- und Anpassungsstrategie zugeordnet. Schließlich erfolgt eine Bewertung
der erarbeiteten Strategien und ihrer Anwendbarkeit.
Kapitel fünf gibt einen Überblick über die vorliegende Arbeit und ihre Ergebnisse. Die
Erreichung der Zielsetzung wird überprüft, kritische Aspekte sowie Grenzen der Arbeit
werden betont. Zum Abschluss der Untersuchung wird die Notwendigkeit einer Vertie-
fung der wissenschaftlichen und praktischen Analyse der Handel-Hersteller-Beziehung
erläutert. Die stetig wachsende Handelsmacht sollte für die Markenartikelindustrie aus-
schlaggebend sein, in Zukunft neue Strategien gegenüber dem Handel zu forcieren.

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
8
2. Handelsmarken und die Vertriebsbeziehung von Handel
und Hersteller im Lebensmitteleinzelhandel
2.1 Handelsmarken im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
2.1.1 Definition und Klassifikation der Handelsmarken
Zur Definition der Handelsmarke ist der Begriff der Marke zu erläutern. Eine Marke
trägt eine Herkunftsfunktion für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens und
signalisiert deren Unterscheidung zu Waren und Dienstleistungen eines anderen.
34
Sie
zeichnet sich durch eine gleich bleibende Aufmachung, unveränderte oder verbesserte
Qualität, sowie eine Garantie-, Qualitäts-, und Werbefunktion aus.
35
In der Literatur wird die Handelsmarke als Unterbegriff des Markenartikels bezeichnet,
als dessen Gegenpol, oder es wird unterschieden in Markenartikel der Industrie und des
Handels.
36
Formal unterscheiden sich Handelsmarken und Marke der Industrie nach
dem Eigentümer der Marke und des Rechts, diese zu verwenden, zu bewerben und
deren angehörigen Produkte zu gestalten.
37
Während Marken der Markenartikelindustrie
durch Verbraucherwerbung, einen hohen Bekanntheitsgrad und einer weiten Verbrei-
tung am Markt gekennzeichnet sind, prägt die Handelsmarke eine exklusive Distribu-
tion im Filialverbund einer Handelsorganisation.
38
Die Handelsfirmen treffen alle Ent-
scheidungen der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik für die
Handelsmarken. Zuweilen führen sie Marktforschung, Entwicklung und Produktion
selbstständig durch,
39
jedoch ist die Lohnfertigung die meist verbreitete Variante der
Handelsmarkenproduktion.
40
Als Absender treten in den meisten Fällen die Handelsun-
ternehmen oder unbekannte Firmennamen auf, während die ,,wahren" Produzenten un-
bekannt bleiben.
41
Auf der Produktverpackung ist die Herkunftsangabe der Art ,,Herge-
stellt für: " geläufig.
34
§ 3 Abs. 1 Markenrecht nach Schultz 2002, S. 2
35
o.V. Markenlexikon 2004; §3 Abs. 1 nach Schultz 2002, S. 2
36
Bruhn 1997 (a), S. 9
37
Müller Hagedorn 1997, S. 156; o.V. Markenlexikon, 2004
38
Ausnahmen sind bei supranationalen Verbundgruppen vorzufinden, wenn erfolgreiche Handelsmarken
eines Unternehmens im Ausland durch ein anderes der Verbundgruppe vertrieben werden. Bekannte
Fälle sind der Austausch zwischen Argyll und Casino, Rewe und Vendex Food der Verbundgruppen
Eurogroup und AMS. (Lingenfelder/Dann 1997, S. 95)
39
Die Edeka produziert ihre Handelsmarken in eigenen Produktionsstätten. Als Hersteller fungieren die
Euco-GmbH und die Kofur Handelsgesellschaft, die beide 100%-ige Tochterunternehmen der Edeka
sind. (Peters 1998, S. 47); Aldi besitzt eigene Kaffeeröstereien. (Wildner 2003, S. 126-127)
40
Dichtl 1992, S. 11
41
Oehme 2001, S. 38; Ohlwein/Schiele 1995, S. 329

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
9
Die Erläuterung verschiedener Handelsmarkentypen erfolgt anhand der von der Boston
Consulting Group erstellten und häufig übernommenen Übersicht (siehe Abbildung 3).
Erste Generation
Zweite Generation Dritte Generation
Vierte Generation
1. Marke
No-name
"Quasi Marke"
Dachmarke des
Handels
Segmentierte
Handelsmarken
"Gestaltmarken"
2. Produkte
Basislebensmittel
Großvolumige
Einzelartikel
Große
Kategorie
Imagebildende
Produkte
3. Technologie
Basistechnologie
mit niedrigen
Barrieren
Eine Generation
im Rückstand
gegenüber Markt-
führer
Näher an
Marktführer
Innovativ
4. Qualität/Image
Geringer als
Herstellermarken-
produkt
Mittel, aber als
geringer
wahrgenommen
Wie führende
Marken,
Qualitätsgarantie
des Herstellers
Besser/genauso
gut wie führende
Marke,Imageaura
des Handels
5. Kaufmotivation
Preis
Preis
Produktqualität/
Preis
Besseres Produkt
6. Hersteller
National,
meist nicht
spezialisiert
National,
z.T. auf
Handelsmarken
spezialisiert
National,
meist auf
Handelsmarken
spezialisiert
International,
meist auf
Handelsmarken
spezialisiert
Abbildung 3: Generationen von Handelsmarken nach der Boston Consulting Group
42
Die erste Generation der no-names, auch Generics oder Gattungsmarken genannt, waren
ursprünglich weiße Produkte niedriger Qualität, die lediglich mit einer Warenbezeich-
nung versehen wurden und auf dem Preisniveau von Aldi lagen.
43
Selbst heute heben
sie sich noch durch einfache Gestaltung und einem Preisvorteil von Markenartikeln ab,
jedoch ist ein Qualitätsrückstand nicht immer feststellbar. Typische no-names sind die
Marken `A&P' (Tengelmann), `ja!' (Rewe) oder die `Sparsamen' (Spar). Die geringe
Profitabilität der no-names und deren fehlende Markenwirkung veranlassten den Handel
zu einer Überarbeitung vieler Handelsmarken.
44
Mit der Generation der Quasi-Marken wie `Tandil' (Aldi) oder `Kaiser´s Kaffee' (Ten-
gelmann) folgte eine Entwicklung verbesserter Handelsmarken mit Markenname und
-charakter, die erstmals keinen Hinweis mehr auf das Handelsunternehmen enthielten.
45
Die Quasi-Marken blieben weiterhin im Niedrigpreissegment positioniert und waren,
verglichen mit Markenartikeln, immer noch von untergeordneter Qualität. Es stellte sich
heraus, dass auch diese Generation dem Handelsgeschäft keine neuen Impulse verleihen
konnte.
46
42
Bruhn 1997 (b), S. 126; Kornobis 1993, S. 527; Oehme 2001, S. 156
43
Bruhn 1997 (b), S. 124 ff.; Dichtl 1992, S. 13; Kornobis 1997, S. 245; Peters 1998, S. 50
44
Peters 1998, S. 51
45
Kornobis 1993, S. 527-528; Kornobis 1997, S. 245; Oehme 2001, S. 448-449
46
Peters 1998, S. 51

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
10
Als dritte Stufe gilt die Entwicklung von Dachmarken einzelner Warengruppen oder
eines ganzen Sortiments. Diese Handelsmarken unterscheiden sich in ihrer Qualität
kaum mehr von Markenartikeln und bieten ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.
47
Den
Dachmarken kommt erstmals Unterstützung durch Kommunikation, und Verkaufsförde-
rung des Handels zu.
48
Die Marken `Tip' (Metro), `Klassik' (Markant) oder `Schlecker
AS' (Markant) sind sortimentsweite Dachmarken, während `Backstube' (Edeka) oder
`Naturkind' (Tengelmann) Dachmarken von Warengruppen sind.
Die jüngste Entwicklung der Gestalt- oder Premium Handelsmarke mit hohem Quali-
tätsniveau, Innovativität, höheren Preisen und gut etabliertem Image ist heute die stärks-
te Konkurrenz der Markenartikel. Durch Nischenpositionierung und eigenen marktna-
hen Entwicklungen kann sie sogar die Angebotsattraktivität mancher Herstellermarken
übertreffen. Im ökologischen und biologischen Bereich sind Nischen-Handelsmarken
besonders aktiv und erfolgreich.
49
Aber auch Handelsmarken wie `Salto Deluxe' (Re-
we) oder die Haarpflegemarke `réell´e' (Markant) können aufgrund ihrer hohen Quali-
tätsstandards und Preise als Premium Handelsmarken bezeichnet werden.
Diese vier Handelsmarkengruppen sind im Lebensmitteleinzelhandel präsent. Aller-
dings fällt die exakte Einordnung von Handelsmarken nach den Kriterien der Abbildung
3 im Einzelnen schwer, da die Produkte stetig überarbeitet und optimiert werden, so
dass die Grenzen zwischen einzelnen Typen verschwimmen. Eine exemplarische Zu-
ordnung von Handelsmarken nach diesen Kategorien soll dennoch Abbildung 4 visuali-
sieren. Weitere Beispiele sind im Anhang 1 zu finden.
Abbildung 4: Mozzarella als Beispiel zur Einordnung von Handelsmarken als no-name, Quasi-
Marke, Dachmarke und Premium Handelsmarke.
50
47
Es können auch einige Generics (mit hoher Produktanzahl) als Dachmarken des Handels bezeichnet
werden. In Deutschland wird der Handelsname jedoch kaum als Dachmarke benutzt, so wie es in
Frankreich und England (Handelsmarken `Safeway', `Tesco' oder `Casino') üblich ist.
48
Peters 1998, S. 51
49
Beispiele: `Füllhorn' (Rewe), `alnatura' (Markant), `Wertkost' (Edeka) oder `Naturkind' (Tengelmann)
50
Handelsmarken:
`
Die Sparsamen
'
(Spar),
`
Mibell
'
(Edeka),
`
Tip
'
(Metro),
`
Ökologisch Füllhorn
'
(Rewe); (Bilder: Real; Ökotest)

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
11
2.1.2 Der Handelsmarkenanteil im Lebensmitteleinzelhandel nach Vertriebslinie
Wurden einst Handelsmarken hauptsächlich in Discountern vertrieben, so sind sie heute
fester Sortimentsbestandteil aller Vertriebsschienen. Abbildung 5
51
zeigt, dass Han-
delsmarken mit 51,3% einen besonders hohen Umsatzanteil in Discountern vorweisen.
Bezieht man Aldi, der mit einem Handelsmarkenanteil von 95% der handelsmarken-
stärkste Discounter ist,
52
mit ein, so erzielen Discounter sogar 81% ihres Umsatzes mit
Handelsmarken.
53
Für die anderen Vertriebslinien sind die Werte deutlich niedriger,
wobei Supermärkte und kleine Verbrauchermärkte sowie SB-Warenhäuser und große
Verbrauchermärkte nach Umsatzanteilen zusammen betrachtet werden können. Der
Unterschied der beiden Gruppen liegt mitunter an der Größe
54
der Outlets.
55
Tendenziell
nimmt der Umsatzanteil der Handelsmarken mit zunehmender Verkaufsfläche ab.
8,7
8,8
12,2
13,3
51,3
0
10
20
30
40
50
SB-Warenhäuser
große Verbrauchermärkte
kleine Verbrauchermärkte
Supermärkte
Discounter (ohne Aldi)
Abbildung 5: Umsatzanteil (in Prozent) der Handelsmarken nach Vertriebsschienen in 2002
Es ist anzunehmen, dass Kunden größere Einkaufsstätten aufgrund der Produktvielfalt
besuchen und daher verhältnismäßig weniger Handelsmarken kaufen, als bei einem
Discounter, kleinen Verbrauchermarkt oder Supermarkt. Außerdem ist davon auszuge-
hen, dass in den größeren Verkaufsflächen weniger Handelsmarken angeboten werden,
da diese sich eher über ein ,,breites, warenhausähnliches Sortiment des Lebensmittel-
und Nichtlebensmittelbereichs",
56
als über Niedrigpreise profilieren.
51
AC Nielsen nach Hannen 2003, S. 18
52
Horbert 1998, S. 45;
Im Jahr 2003 wurden allein 54% der Gesamtumsätze mit Handelsmarken von Aldi generiert. (GfK
zitiert nach Twardawa 2004, S. 63)
53
GfK zitiert nach Twardawa 2003, S. 26
54
Supermärkte verfügen über eine Verkaufsfläche von 400-799m², kleine Verbrauchermärkte über
800-1499m², während große Verbrauchermärkte zwischen 1500-4999m² und SB-Warenhäuser
mindestens 5000m² groß sind (o.V., AC Nielsen 2002, S. 13)
55
Outlet wird in dieser Arbeit im Sinne von Verkaufsstelle/Geschäft verwendet.
56
o.V., AC Nielsen 2002, S. 13

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
12
Abgesehen von den Premium Handelsmarken, die vom Preisniveau nahe oder sogar
über den Markenartikeln liegen,
57
ist ein fixer Teil der Handelsmarkenstrategie neben
ähnlicher Qualität einen Preisabstand von mindestens 10% zu einer vergleichbaren Her-
stellermarke zu halten.
58
Im Durchschnitt liegt der Preis einer Handelsmarke 42% unter
dem einer Herstellermarke. Dabei ist zu beobachten, dass die Preisdifferenz in Discoun-
tern deutlich geringer ist, als in den anderen Betriebstypen.
59
Da im Discounter bereits ein tiefes Preisniveau vorliegt, ist die Preisdifferenz der Han-
delsmarke zur Marke kleiner, während Handelsmarken in breit sortierten Betriebstypen
verhältnismäßig viel billiger sein müssen, um sich im Wettbewerb gegen die Marke zu
behaupten. Im Lebensmitteleinzelhandel - ohne Einbezug der Discounter - ist festzustel-
len, dass in einer Warengruppe der Preisabstand der Handelsmarke zur Herstellermarke
umso größer ist, je umfangreicher die Artikelanzahl einer Warengruppe ist, je mehr
starke Marken und Produktneuheiten in der Warengruppe präsent sind, und je geringer
der Umsatzanteil der Handelsmarken in dieser Warengruppe ist. Beispiele für preisag-
gressive Handelsmarkenkategorien sind Körperpflegeprodukte und Süßwaren.
60
Hier
scheint die Preisniedrigkeit die einzige Möglichkeit für eine Durchsetzung gegenüber
Markenartikeln zu sein.
57
Mihr 2000, S. 39; Horbert 1998, S. 46
58
Oehme 2001, S. 156
59
Daten des Madakom-Scanningpanels für 47 Warengruppen nach Horbert 1999, S. 6
60
Madakom zitiert nach Horbert 1999, S. 6-8

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
13
2.2 Die Bedeutung der Handelsmarken für die Akteure im
Lebensmitteleinzelhandel
2.2.1 Der Handel als Auftraggeber zur Handelsmarkenproduktion
Lang galt der Handel als Absatzmittler mit der Aufgabe des Ausbaus flächendeckender
Distributionsnetze und Logistiksysteme für den Vertrieb von Markenware. Durch die
Entwicklung von Handelsmarken schuf er sich neue Aufgabenbereiche. Interessant ist,
dass der Handel durch Markenhersteller auf diese Bahn gelenkt wurde, als letztere sich
aus Imagegründen weigerten, die neu entstandenen Warenhäuser mit Markenware zu
beliefern. Manche der Hersteller lieferten ihre Waren in neutraler Verpackung, die der
Handel unter eigenem Namen anbot. So begann der Einstieg in die Handelsmarkenpro-
duktion.
61
Diese Tatsache soll jedoch als Auslöser gelten, denn die Handelsmarke traf
viele Ziele des Handels gegenüber folgenden Interessengruppen:
den Handelswettbewerbern
den Endverbrauchern
den Lieferanten
Mit der Einführung der Handelsmarken lancierte der unter Aldi leidende Handel eine
preisgünstige Alternative zum Discount, um verlorene Marktanteile zurück zu gewin-
nen, und die weitere Abwanderung von Kunden zu vermeiden.
62
Sprecher der Edeka
begründen heute den Ausbau der Handelsmarken mit der Aussage, das Angebot günsti-
ger Handelsmarken werde von den Kunden erwartet
63
und sei eine Notwendigkeit: ,,Es
bleibt uns nichts anderes übrig, als den Preiswettbewerb mitzumachen (...) und das
funktioniert nun mal am besten über die Handelsmarken."
64
Weiteres Einführungskriterium der Handelsmarken war die Eigenprofilierung
65
des
Handels zur Differenzierung gegenüber Einzelhandelswettbewerbern. Durch Handels-
marken entzog er sich der direkten Vergleichbarkeit von Produkt und Preis.
66
Außerdem
sollte die exklusive Erhältlichkeit im jeweiligen Handelsbetrieb eine neue Determinante
für die Einkaufsstättenwahl schaffen und die Kundenbindung erhöhen.
67
61
Oehme 2001, S. 38
62
Kornobis 1993, S. 526-527; Hallier 1997, S. 294; Lingenfelder/Dann 1997, S. 93
63
Martin Wiedersich (Leiter Marketing Eigenmarken der Edeka) zitiert aus Hannen 2003, S. 19
64
Thiede 2002, S. 17
65
Peters 1999, S. 76; Kornobis 1993, S. 526-527; Batzer/Greipl 1992, S. 197-198;
66
Volker Gromer zitiert aus Hannen 2003, S. 20; Haller 2001, S. 151
67
Batzer/Greipl 1992, S. 198; Czech-Winkelmann 2002, S. 76; Roeb 1997, S. 353; Mihr 2000, S. 39

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
14
Letzteres war bislang mit Markenartikeln nie erfolgreich gelungen, da diese aufgrund
ihrer Ubiquität nur durch Preisaktionen die Kompetenz des Handels, als sog. ,,loss-
leader",
68
hervorheben können, worauf sich langfristig als negative Folge, die Preissen-
sibilität der Konsumenten erhöht.
69
Gegenüber internationalen Großkonzernen wie Nestlé, Unilever oder Procter & Gamble
reduzierte die Einführung der Handelsmarke die Lieferantenmacht und Abhängigkeit
von Herstellermarken für die Sortimentsgestaltung des Handels. Durch den Einsatz
einer Handelsmarke anstatt mehrerer kleiner Marken kann der Handel die Entstehung
von Parallelsortimenten unterbinden. Im Gegenzug können Sortimentslücken durch
Handelsmarken als Nischenprodukte und Preisalternativen, die Markenartikelhersteller
nicht liefern möchten oder können,
70
geschlossen werden.
71
Finanziell eröffnen Handelsmarken dem Handel höhere Profite. Unrentable, platzinten-
sive oder arbeitsaufwendige Artikel können schnell durch besser angepasste Alternati-
ven aus eigener Produktion ersetzt werden. Als Auftraggeber der Produktion sichert der
Handel sich außerdem eine höhere Handelsspanne und Rendite, da Teile der hohen
Margen der Industrie sowie des Marketingaufwands wegfallen.
72
Die neue Macht und
Kostentransparenz der Produktion bringt dem Handel mehr Verhandlungsstärke gegen-
über den Markenherstellern sowie bessere Konditionen und Einstandspreise.
Die Vorteilhaftigkeit der Handelsmarken ist im Einzelnen jedoch auch anzuzweifeln. Es
kann angenommen werden, dass Einzelhändler die Attraktivitätswirkung der Handels-
marken auf die Einkaufsstätte überschätzen. Zudem sind die genauen Kosten und Ren-
diten der Handelsmarken nur schlecht nachkalkulierbar. Zuletzt kann die Handelsmar-
kenpolitik auf lange Sicht den Interessen des Handels widersprechen:
73
Die GfK stellte
fest, dass sich bei einem Wechsel von der Marke zur Handelsmarke letztere als eine
,,Durchgangsstation"
74
zum Überlauf der Konsumenten zu Aldi erweist. Die Einführung
68
Batzer/Greipl 1992, S. 195
69
Diese verbreitete Behauptung konnte in einer Studie nachgewiesen werden. (Ailawadi 2001, S. 300)
70
Die dm Geschäftsführung klagt über die mangelnde Innovationsfähigkeit vieler Industriepartner. Die
Industrie gehe oft nicht auf die wahren Bedürfnisse der Verbraucher ein, sondern beschäftige sich eher
damit, die x-te Variante einer Produktlinie zu vermarkten. (Heitkämper 1992, S. 60) Es ist davon
auszugehen, dass diese Aussage der Meinung mehrerer Handelsunternehmen entspricht.
71
Oehme 2001, S. 153-154; Peters 1998, S. 74
72
Czech-Winkelmann 2002, S. 76; Oehme 2001, S. 153; Hallier 1997, S. 294-295; Peters 1998, S. 74
73
Von einer weiteren Ausführung wird abgesehen, da in dieser Arbeit die Interessen des Herstellers
im Vordergrund stehen. Die Problematik wird jedoch angesprochen, da der Hersteller von den
Praktiken des Handels betroffen ist und auf diese reagieren muss.
74
Wildner 2003, S. 117

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
15
der ,,Preiskeule Handelsmarke"
75
entfachte eine noch stärkere Preisschlacht, sowohl
innerhalb des Handels, als auch gegen die Industrie,
76
so dass Deutschland schließlich
zum Land mit den tiefsten Lebensmittelpreisen in Europa wurde.
77
Beide Tendenzen
widersprechen dem langfristigen Interesse des Handels.
Es ist davon auszugehen, dass sich der Kampf um die Konsumenten in Form von Preis-
kriegen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel weiter verschärfen wird. Unter diesen
Bedingungen ist anzunehmen, dass sich auch die Beziehung zwischen Handel und Han-
delsmarkenhersteller als problematisch erweisen wird. Vorstellbar ist die Übernahme
von Produktionsstätten durch den Handel oder die ausschließliche Zusammenarbeit mit
reinen Handelsmarkenlieferanten. Der Handel wird sich verstärkt auf die Führung der
Handelsmarken konzentrieren und internationale Beschaffungs- und Absatzwege voran-
treiben.
2.2.2 Die Hersteller als Produzenten der Handelsmarken
Die Strategie von Herstellern, sowohl Marken als auch Handelsmarken zu produzieren,
wird in der Literatur als ,,duale Markenstrategie", ,,duale Markenpolitik" oder, die Un-
ternehmen selbst, als ,,Dual Trackers" bezeichnet.
78
In dieser Thematik stellt sich
schnell die Frage, wer als Produzent der Handelsmarken fungiert. Es ist bekannt, dass
sowohl mittelständische und ausländische Hersteller, als auch große Markenartikelkon-
zerne Handelsmarken produzieren. Nestlé ist einer der wenigen Giganten, die sich zur
Handelsmarkenproduktion bekennen. Andere Konsumgüterriesen wie Unilever, Kel-
logg´s,
79
Procter & Gamble und Henkel verneinen die Frage auf ein Engagement.
80
Die größte Gefahr einer Handelsmarkenproduktion für Markenhersteller ist, durch eige-
ne Aktivität ihren Marken in Form von Image- oder Umsatzverlusten zu schaden. Dies
ist besonders wahrscheinlich, wenn die produzierte Handelsmarke der Marke gleicht
oder ihr sehr ähnlich ist. Der Verbraucher betrachtet die Marke dann nicht differenziert,
sondern wählt den günstigeren Artikel.
81
Dennoch nehmen viele Markenhersteller die-
ses Risiko in Kauf.
75
Koppe 1997, S. 21
76
Koppe 1997, S. 21
77
Lindenberg in Einecke 2002, S. 20
78
Ohlwein/Schiele 1995, S. 326; Huber 1988, S. 179; Mei-Pochtler 2003, S. 96
79
Kellogg´s verfechtet seine Position sogar mit direkter Ansprache in der Werbung: ,,We don´t make
Corn Flakes for anyone else" (Murphy 1997, S. 21; Collins-Dodd/Zaichkowsky 1999, S. 101)
80
Weber 2002, S. 24; Murphy 1997, S. 20-21; Raeber 1995, S. 332 u. 336
81
Wildner 2003, S. 126; Ohlwein/Schiele, 1995, S. 336-337

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
16
Die Autoren Dunne and Narasimhan identifizieren drei Motive für die Handelsmarken-
produktion
82
:
ökonomische Motive
wettbewerbspolitische Motive
beziehungsrelevante Motive
Ökonomische Aspekte, wie Gewinnpotenziale, der Abbau von Überkapazitäten und
eine Fixkostendegression sind Anreize für die Handelsmarkenproduktion.
83
Nach dem
Markenverbandsvorsitzenden Lindenberg handelt es sich um Unternehmen, die ,,...aus
wirtschaftlichen Gründen beides machen müssen."
84
Marktführern wird unterstellt, sie
produzierten in der Regel keine Handelsmarken, da sie nicht auf die resultierenden öko-
nomischen Vorteile angewiesen seien.
85
Vor allem mittelständische Unternehmen sind aufgrund von Auslistungen des Handels,
zu schwachen Marken, Marktanteilsverlusten oder Konsumrückgang, dazu gezwungen,
die Produktion von Handelsmarken zu übernehmen. Genauso können aber Firmen erst
durch die Handelsmarkenproduktion zu wichtigen Herstellern werden, wie z.B. die Ro-
sen Eiskrem GmbH, die mit einem internen Handelsmarkenanteil von 85% heute viert-
größter Speiseeishersteller Deutschlands ist.
86
Die Firma gibt klar ihre Trittbrettfahrer-
strategie zu: ,,eigene Produkte entwickeln wir so gut wie nie".
87
Unternehmen wie
Stollwerk, Dr. Scheller oder die Grabower Süßwaren führen die Profitabilität durch die
Präsenz im Discounter sowie generelle Umsatzvorteile durch Handelsmarken als Grün-
de für ihr Engagement an.
88
Zu beachten ist außerdem auch die Chance für Markenher-
steller, eine günstige Produktvariante ohne Marketingaufwand zu ,,launchen" und somit
eine Zielgruppe zu erreichen, die zuvor der teuren Herstellermarke verschlossen blieb.
89
Die Ertragssituation, sowie Marktanteile und Marktmacht des Herstellers können sich
erheblich durch eine Handelsmarkenproduktion erhöhen.
82
Dunne/Narasimhan 1999, S. 42 u. 48 u. 50; Verhoef/Nijssen/Sloot 2002, S. 1313
83
Czech-Winkelmann 2002, S. 76
84
Roth 2003, S. 14
85
Collins-Dodd/Zaichkowsky 1999, S. 101
86
Produzent u.a. der Marken `Rios', `Salto' und `Grandessa' (Katenkamp 2002, S. 46)
87
Peter Trumpfheller, Firma Rosen, zitiert aus Katenkamp 2002, S. 46
88
Bein 2002, S. 20; Seiwert 2003, S. 14 u. S. 16
89
Huber 1988, S. 180-181

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
17
Neben ökonomischen Gründen ist auch die wettbewerbspolitische Sicht zu beachten.
Die spekulative Überlegung, der Handel finde in der Konkurrenz oder im Ausland so-
wieso einen Handelsmarkenhersteller, lässt es vorteilhaft erscheinen, statt Marktan-
teilseinbußen, selbst von der Handelsmarkenproduktion zu profitieren, um die eigene
Macht zu vergrößern, oder Wettbewerber vom Markt fernzuhalten.
90
In den 80er Jahren
kam es zu einem Dilemma in Kanada, als Pepsi-Cola und Coca-Cola eine Handelsmar-
kenproduktion verweigerten, woraufhin die lokale Firma Cott den Auftrag erhielt und
einen Marktanteil von 30% in Kanada erreichte. Gleichzeitig reduzierten sich die Ge-
winnspannen beider Giganten erheblich.
91
Cott wurde später zu einem internationalen
Handelsmarkenlieferant, der u.a. Sainsbury England
92
und Spar Österreich belieferte.
93
Ein weiteres, in den USA genutztes wettbewerbspolitisches Instrument, ist die gezielte
Schädigung der Konkurrenz durch eine Produktion von Handelsmarken, die deren Er-
folgsprodukten stark ähneln. Lever Ponds produzierte gezielt eine Waschmittelvariante
für den Handel, um die Marke `Tide' von Procter & Gamble zu rivalisieren.
94
Ob und
von wem derartige Strategien ebenfalls in Deutschland verfolgt werden, kann durch
genaue Untersuchung der Herkunft besonders markenähnlicher Produkte festgestellt
werden. Beispielsweise verfolgt das mittelständische Unternehmen Walter Rau eine
solche Strategie.
95
Das letzte Motiv für die Handelsmarkenproduktion liegt in der Hoffnung, durch die
Kooperation eine bessere Beziehung und Verhandlungsposition mit dem Handel zu
bewirken.
96
Diese kann sich durch Informations- und Platzierungsvorteile oder der Aus-
listung konkurrierender Herstellermarken bezahlt machen.
97
Breite Erfahrungen der
90
Murphy 1997, S. 20-21; Stach zitiert aus Seiwert 2003, S. 18; Batzer/Greipl 1992, S. 191; Huber
1988, S. 183
91
Dunne/Narasimhan 1999, S. 44 u. S. 48
92
1994 erreichte die Cola Handelsmarke von Sainsbury in wenigen Wochen einen Marktanteil von 75%
innerhalb der Sainsbury Handelsorganisation während der Marktanteil von `Coca-Cola' von 44% auf
9% und von `Pepsi-Cola' von 21% auf 10% zurückging (Kornobis 1997, S. 252)
93
Walsh 2002, S. 110-111;
Seitdem findet zwischen
`
Cott Cola
'
und
`
Coca-Cola
'
ein Kleinkrieg statt, in dem sich
`
Cott Cola
'
mit Slogans wie ,,When you can´t taste the difference, why pay it" oder ,,same quality for less"
behauptet. (Koppe 1997, S. 24)
94
Dunne/Narasimhan 1999, S. 48 u. S. 51
95
Für die Entwicklung eigener Markenartikel orientiert sich das Unternehmen an den Margarinemarken
von Unilever Bestfoods und verkauft ähnliche Produkte unter der Marke `Deli Reform' zu einem
günstigeren Preis. Gleichzeitig engagiert Walter Rau sich im Handelsmarkengeschäft mit ,,Unilever-
ähnlichen" Margarinen. Bei Aldi sind unter der Marke `Bellasan' Margarinevarianten zu finden, die
stark an `Lätta' und `Bertolli' Margarine erinnern und von Walter Rau produziert werden
96
Murphy 1997, S. 20-21; Huber 1988, S. 182; Ohlwein/Schiele 1995, S. 330; Dunne/Narasimhan 1999,
S. 50
97
Huber 1988, S. 182

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
18
Grabower Süßwaren sowie von Dr. Scheller zeugen von einer intensiveren Zusammen-
arbeit bei der Handelsmarkenproduktion, die gemeinsame Entwicklungen und Innovati-
onen mit dem Handel einschließen.
98
Hersteller, die eine duale Strategie erfolgreich verfolgen, geben i.Allg. keine Innovatio-
nen, Stammprodukte und patentierte Entwicklungen für Handelsmarken frei. Oft achten
sie darauf, dass Handelsmarken- und Markenmanagement von getrennten Teams gelei-
tet werden, die Handelsmarkenproduktion nur bei Überkapazität durchgeführt wird und
nur eine komplementäre Rolle für den Unternehmenserfolg einnimmt.
99
2.2.3 Die Markenhersteller als Konkurrenten der Handelsmarken
Wie in Kapitel 1.1 dargelegt, stellen die Handelsmarken für Markenhersteller eine Prob-
lemgröße dar, die sich mitunter durch folgende Faktoren ausdrückt:
Umsatz- und Marktanteilsverluste der Markenartikel
Hohe Akzeptanz der Handelsmarken beim Verbraucher
Preisdruck durch Handelsmarken
Verstärkte Marketingaktivitäten des Handels
Auslistungen kleinerer Marken zugunsten von Handelsmarken
Qualitätsverbesserung von Handelsmarken und Annäherung an die Marken
Stark zu spüren ist die Konkurrenz durch den markenähnlichen Auftritt von Handels-
marken, sowie eigenen Produktentwicklungen des Handels. Nischenprodukte wie die
ökologische Marke `Füllhorn' (Rewe), zeugen von einer neuen Marketingkompetenz.
Die Marke `Erlenhof' (Rewe) wurde so gut entwickelt, dass sie von vielen Konsumen-
ten als ,,richtige" Marke gesehen wird.
100
Qualitätssiegel am Produkt, Handelsmarken in
Anzeigen, handelseigene Prospekte, Einkaufstüten und Aktionen am Point of Sale (PoS)
werden bewusst forciert, um den Markencharakter der Handelsmarken zu unterstrei-
chen. Parallel werden bessere und größere Regalflächen, Regalstopper mit Hinweis auf
die Handelsmarke, Mehrfachplatzierungen und breitere Facings
101
für die Verkaufsför-
98
Seiwert 2003, S. 16
99
Dunne/Narasimhan 1999, S. 51; Raeber 1995, S. 336
100
Roth 2003, S. 12
101
Facing bezeichnet die Frontfläche eines Produkts im Regal. Fünf Facings bedeutet, dass ein Produkt
fünf Mal nebeneinander aufgestellt wird. Je höher Umschlaggeschwindigkeit und Marktanteil eines
Produkts sind, desto höher ist im Normalfall die Anzahl der Facings.

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
19
derung der Handelsmarken bereitgestellt.
102
Abbildung 6 verdeutlicht verschiedene Ar-
ten der Hervorhebung von Handelsmarken.
Abbildung 6: Kennzeichnung der Handelsmarken durch Hinweise, Regalstopper und Qualitätssiegel
103
Zur Veranschaulichung des aggressiven Vorgehens des Handels können die Anzeigen
in Anhang 2, sowie Platzierungsschemen und Regalflächen von Handelsmarken,
präsentiert in Anhang 3, herangezogen werden.
Die Konkurrenz wird durch imitierende Handelsmarken immer direkter. Es wird sowohl
inhaltlich, als auch äußerlich in Bezug auf ,,Markenname, Design, Verpackung und Far-
be..."
104
die Ähnlichkeit zu erfolgreichen Markenartikeln angestrebt. Der Vorteil einer
Imitation liegt für den Handel in einer schnellen Bekanntheit und Akzeptanz der Han-
delsmarke, sowie Annahmen des Konsumenten, sie werde vom entsprechenden Mar-
kenhersteller produziert.
105
Dies kann besonders dem Abbau von Akzeptanzbarrieren in
handelsmarkenkritischen Segmenten dienen.
Gleichzeitig reduzieren sich die notwendigen Aktivitäten zur Kommunikation und
Vermarktung der Handelsmarke.
106
Die zur Imitation notwendige Technologie ist oft
transparent, so dass nur geringe Kosten für Forschung und Entwicklung von Handels-
102
Hallier 1997, S. 295;
Edeka räumt seinen Handelsmarken breite Facings ein: `Mibell' Milch erhielt 80% des Regalplatzes,
`Rio Grande' Konserven, hatte den größten Anteil im Regal und `Elkos' bedeckte 20% der Regalflä-
che (Knothe 2002, S. 2-4)
103
von links nach rechts: Edeka, Schlecker, Intermarché, Tengelmann, Handelshof und dm
(Bilder: Edeka_1, Schlecker_1, Intermarché, sonst eigene Aufnahmen)
104
Walsh 2002, S. 111
105
Eine empirische Untersuchung zur Wahrnehmung der Ähnlichkeit des Handelsmarkenprodukts `Isana
Creme' (Markant) zu `Nivea Creme' (Beiersdorf) zeigte, dass Konsumenten Handelsmarken direkt
mit der ,,kopierten" Herstellermarke verbinden. (Walsh 2002, S. 110 ff.)
106
Walsh 2002 S. 111

Strategien gegen Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel ­ Eine agenturtheoretische Analyse
der Interessenskonflikte zwischen Handel und Markenherstellern
20
marken entstehen und der Preis der Markenartikel leicht unterboten werden kann.
107
Markenverbandsvorsitzender Lindenberg unterstreicht die Relevanz dieser Problematik:
Für die Markenhersteller seien besonders günstige Produkte, die ihre Marke im Ausse-
hen kopieren, ein heikles Thema.
108
Oft sind diese Produkte neben den passenden Mar-
ken platziert und verschärfen dadurch die Konkurrenzwirkung. In Abbildung 7 und 8
sind Beispiele gezielter Nachahmungen der Marken Nivea und Brunch zu sehen.
Weitere Beispiele sind im Anhang 4 zu finden.
Abbildung 7: Nachahmung von `Brunch' mit paralleler
Platzierung von `Mibell Breakfast' der Edeka
109
Abbildung 8: Produktnachahmungen der
Marke `Nivea'
110
Die Konkurrenz durch einen meist deutlichen Preisabstand der Handelsmarke zur Her-
stellermarke (siehe 2.1.2) und die für die Handelsmarke überproportionalen Regalflä-
chen wirken sich auf die Absätze der Markenartikel spürbar negativ aus.
Markenhersteller sehen ihre Marketingführerschaft und ihren Innovationsvorsprung
durch diese Entwicklungen der Handelsmarken und des Handelsmarketing bedroht und
haben ihre Anstrengungen bereits auf mehreren Ebenen intensiviert: Rationalisierun-
gen
111
bei Produktion und Verpackung, sowie eine schnellere Entwicklung und stärkere
Performance der Produkte und der Kommunikation sollen den Qualitätsvorsprung der
Markenartikel ständig belegen.
112
107
Bruhn 1997 (b), S. 130
108
Roth 2003, S. 14
109
Photo: eigene Aufnahme
110
Photos aus Schmidt 2003, S. 12-14
111
Unilever Bestfoods stellte z.B. europaweit für seine Margarinemarken zwei einheitliche
Verpackunkungsgrößen (250 und 500g-Variante) ein, um Kosteneinsparungen zu realisieren.
112
Lindenberg zitiert aus Roth 2003, S. 14

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832486402
ISBN (Paperback)
9783838686400
DOI
10.3239/9783832486402
Dateigröße
18.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Unternehmensführung / Umweltökonomie
Erscheinungsdatum
2005 (März)
Note
2,0
Schlagworte
konsumgüter vertrieb agenturtheorie prinzipal-agent-theorie markenartikel
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