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Kosten-/ Nutzenüberlegungen der Zertifizierung nach ISO 9000:2000

Dargestellt für Dienstleistungsunternehmen des Mittelstandes

©2004 Diplomarbeit 113 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die derzeitige Wirtschaftssituation ist vor allem von den Fragen des globalen Wettbewerbes und der Unsicherheit über die mit einer zunehmenden Internationalisierung verbundenen veränderten Bedingungen geprägt. Viele Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung sich von Konkurrenten aus dem Ausland abheben zu müssen, weil diese auf Grund der Kostenstruktur ihres Landes häufig vergleichbare Produkte zu wesentlich geringeren Preisen anbieten können. Die inländischen Unternehmen sind daher gezwungen, neben der Optimierung ihrer eigenen Kostenstrukturen die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen als wesentlichen Wettbewerbsvorteil zu gewährleisten und weiter zu verbessern. Eine Möglichkeit die Vorgänge im Unternehmen strukturiert zu optimieren, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, stellt die Einführung eines Qualitätsmanagements dar. Qualitätsmanagement dient zur Verbesserung aller Unternehmensprozesse.
Die vorliegende Arbeit behandelt die besonderen Erfordernisse bei der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in mittelständischen Unternehmen, die sich aus den Strukturen dieser Betriebe ergeben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung von Dienstleistungsunternehmen.
Besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen bietet sich die Chance, sich durch gute Qualität von den Mitbewerbern abzuheben. Viele große Unternehmen haben bereits ihren Namen als Gütezeichen etablieren können. Die Kunden verbinden den Marken- oder Firmennamen mit einem hohen Qualitätsstandard. So steht z. B. BMW für sportliche Autos von höchster Qualität und Lufthansa für hohe Qualitätsstandards in der Luftfahrt. Kleine und mittelständische Unternehmen haben meist noch keinen derart starken Namen und müssen die gute Qualität ihrer Produkte auf anderem Wege an die Kunden kommunizieren. Alle großen Unternehmen haben bereits Qualitätsmanagement eingeführt. Um ihren Kunden einen Qualitätsstandard des kompletten Produktes garantieren und die zunehmende Produktkomplexität bewältigen zu können, setzen viele Systemanbieter ein Qualitätsmanagement auch für ihre Zulieferer voraus. Auch bei der Vergabe staatlicher Aufträge werden immer häufiger nur Bewerber zugelassen, die bereits ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben und über einen entsprechenden Nachweis verfügen. Die Forderung nach einem Qualitätsmanagement wird also automatisch über die gesamte Wertschöpfungskette weitergegeben. Dies führt dazu, dass zurzeit immer mehr […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8300
Günther, Nathalie: Kosten-/ Nutzenüberlegungen der Zertifizierung nach ISO 9000:2000
- Dargestellt für Dienstleistungsunternehmen des Mittelstandes
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Fachhochschule München, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhalt
-1-
Inhalt
1
Problemstellung... 3
2
Grundlagen... 6
2.1 Definition
Qualitätsmanagement ... 6
2.1.1 Der
Qualitätsbegriff ... 6
2.1.2 Qualitätsmanagement... 9
2.1.3
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess... 13
2.1.4
Deduktive und induktive Integration von Qualitätsmanagementsystemen... 15
2.2
Qualitätsmanagement gemäß DIN EN ISO 9000:2000 ... 17
2.2.1 Allgemeine
Entwicklungen... 18
2.2.2
Voraussetzung und Ablauf der Zertifizierung ... 19
2.2.3
Die Weiterentwicklung zur DIN EN ISO 9000:2000 ... 22
2.2.4 Umsetzungsmöglichkeiten... 30
2.3
Nutzeneffekte des Qualitätsmanagements ... 32
2.3.1
Nutzeneffekte durch die Einführung des Qualitätsmanagements ... 32
2.3.2
Nutzeneffekte durch Prozessoptimierungen ... 34
2.3.3
Nutzeneffekte durch KVP... 37
2.3.4
Besondere Nutzeneffekte mittelständischer Dienstleistungsunternehmen ... 37
2.4 Kosten
des
Qualitätsmanagements... 39
2.4.1
Kosten der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ... 39
2.4.2 Kosten
des
Audits ... 40
2.4.3
Kosten für Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter... 40
2.4.4 Besondere
Kostenpositionen
mittelständischer Dienstleistungsunternehmen. 41
2.5
Umsetzung des Qualitätsmanagements... 43
2.5.1 Allgemeines ... 43

Inhalt
-2-
2.5.2 Führungskräfte ... 45
2.5.3 Mitarbeiter... 47
2.5.4 Organisation... 49
2.5.5 Prozesscontrolling... 51
2.5.6 Prozessmanagement ... 54
2.5.7
Chancen und Risiken bei der Umsetzung in mittelständischen
Dienstleistungsunternehmen ... 62
3 Empirische Fallstudie zur Umsetzung von Prozessoptimierungen bei
mittelständischen Dienstleistungsunternehmen... 64
3.1 Untersuchungsumfeld ... 64
3.2 Untersuchungsablauf... 64
3.3
Methoden und Instrumente der Untersuchung... 64
3.4 Prozess
A... 67
3.4.1
Beschreibung Prozess A... 67
3.4.2
Untersuchung des Prozesses A ... 68
3.4.3
Darstellung und Bewertung der Lösungsalternative... 73
3.5 Prozess
B... 79
3.5.1
Beschreibung Prozess B... 79
3.5.2
Untersuchung des Prozesses B... 81
3.5.3
Darstellung und Bewertung der Lösungsalternative... 85
4
Bewertung... 90
5
Ausblick ... 93
Literaturverzeichnis...95
Bilderverzeichnis...101
Tabellenverzeichnis...102

Einleitung
-3-
1 Problemstellung
Die derzeitige Wirtschaftssituation ist vor allem von den Fragen des globalen Wettbewerbes
und der Unsicherheit über die mit einer zunehmenden Internationalisierung verbundenen ver-
änderten Bedingungen geprägt. Viele Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforde-
rung sich von Konkurrenten aus dem Ausland abheben zu müssen, weil diese auf Grund der
Kostenstruktur ihres Landes häufig vergleichbare Produkte zu wesentlich geringeren Preisen
anbieten können. Die inländischen Unternehmen sind daher gezwungen, neben der Optimie-
rung ihrer eigenen Kostenstrukturen die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen als we-
sentlichen Wettbewerbsvorteil zu gewährleisten und weiter zu verbessern. Eine Möglichkeit
die Vorgänge im Unternehmen strukturiert zu optimieren, die zunehmend an Bedeutung ge-
winnt, stellt die Einführung eines Qualitätsmanagements dar. Qualitätsmanagement dient
zur Verbesserung aller Unternehmensprozesse.
Die vorliegende Arbeit behandelt die besonderen Erfordernisse bei der Einführung eines
Qualitätsmanagementsystems in mittelständischen Unternehmen, die sich aus den Struktu-
ren dieser Betriebe ergeben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung von
Dienstleistungsunternehmen.
Besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen bietet sich die Chance, sich durch gute
Qualität von den Mitbewerbern abzuheben. Viele große Unternehmen haben bereits ihren
Namen als Gütezeichen etablieren können. Die Kunden verbinden den Marken- oder Firmen-
namen mit einem hohen Qualitätsstandard. So steht z. B. BMW für sportliche Autos von
höchster Qualität und Lufthansa für hohe Qualitätsstandards in der Luftfahrt. Kleine und mit-
telständische Unternehmen haben meist noch keinen derart starken Namen und müssen die
gute Qualität ihrer Produkte auf anderem Wege an die Kunden kommunizieren. Alle großen
Unternehmen haben bereits Qualitätsmanagement eingeführt. Um ihren Kunden einen Quali-
tätsstandard des kompletten Produktes garantieren und die zunehmende Produktkomplexität
1
bewältigen zu können, setzen viele Systemanbieter ein Qualitätsmanagement auch für ihre
Zulieferer voraus. Auch bei der Vergabe staatlicher Aufträge werden immer häufiger nur Be-
werber zugelassen, die bereits ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben und über
einen entsprechenden Nachweis verfügen. Die Forderung nach einem Qualitätsmanagement
1
Vgl. Z. B. Berning, R. (2002), S.18; Rajewski, M. (2002), S.1

Einleitung
-4-
wird also automatisch über die gesamte Wertschöpfungskette weitergegeben. Dies führt dazu,
dass zurzeit immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen ein Qualitätsmanagement
einführen und seine tatsächliche Durchführung dann im Rahmen einer Zertifizierung be-
stätigen lassen müssen.
Der so genannte tertiäre Wirtschaftssektor
2
wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung ge-
winnen. Besonders die Betrachtung von Dienstleistungsqualität und deren Verwirklichung
führt aber im Gegensatz zur Produktqualität noch häufig zu Schwierigkeiten. Das hat mehrere
Gründe, vor allem:
· Der Begriff der Dienstleistungsqualität ist im Gegensatz zur Produktqualität noch rela-
tiv neu.
· Es gibt kaum allgemein verwendbare Messgrößen.
· Die Definition von individuellen Messgrößen gestaltet sich häufig schwierig.
In den vergangenen Jahren sind verschiedene Methoden des Qualitätsmanagements ent-
wickelt worden. Der international gültige und in der Praxis verwendete Standard für die Zerti-
fizierung von Qualitätsmanagementsystemen ist die ISO DIN EN 9000:2000. Die Motivation
für die Einführung bei mittelständischen Unternehmen liegt noch überwiegend in dem oben
beschriebenen Vorteil bei der Akquisition von Aufträgen. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit
die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems betrachtet werden, das konform zur ISO
DIN EN 9000:2000 ist und damit die für eine Zertifizierung notwendige Voraussetzung er-
füllt. Nicht immer ist eine Zertifizierung ein dringendes Erfordernis, besonders im B2C
3
Be-
reich, d.h., wenn der Abnehmer des Produktes kein Unternehmen sondern der Konsument ist,
kann die Motivation für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems eher in den mög-
lichen Kostenvorteilen liegen, die durch Optimierungen entstehen können. Bei Unternehmen
mit einer anderen Motivation als der Notwendigkeit einer Zertifizierung können alternative
Qualitätsmanagementsysteme (z. B. EFQM-Modell
4
, Business Excellence
5
) sinnvoll sein. Auf
deren Spezifikationen und Eignungen wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen.
2
Man unterscheidet die verschiedenen Wirtschaftsbereiche nach Sektoren. Der primäre Sektor beschreibt dabei
die Urproduktion, wie z. B. Land- und Forstwirtschaft, der sekundäre Sektor umfasst das produzierende
Gewerbe und der tertiäre Sektor setzt sich aus den Dienstleistungen zusammen.
3
B2C: Business to Consumer; B2B: Business to Business
4
Vgl. z. B. Malorny (1999), S.217 ff
5
Vgl. z. B. Seghezzi (1999), S. 112 ff

Einleitung
-5-
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil.
Im theoretischen Teil werden zunächst wichtige Grundlagen definiert und beschrieben. Im
nächsten Schritt werden Kosten und Nutzen eines Qualitätsmanagements allgemein und im
Besonderen bei Dienstleistungsunternehmen des Mittelstandes untersucht.
Im praktischen Teil werden einige der beschriebenen Potentiale im Rahmen einer Fallstudie
exemplarisch beschrieben. Grundlage dieser Fallstudie sind Prozesse und Daten der Firma
Gillhuber Logistik+Dienste, einem Unternehmen des Mittelstandes, dessen Transportleistun-
gen ausschließlich anderen Unternehmen angeboten werden. Es handelt sich also um logisti-
sche Dienstleistungen im B2B Bereich.
Der abschließende Bewertungsteil dient vor allem der Gegenüberstellung der wichtigsten
Faktoren und ist so die Verbindung von dem theoretischen und dem praktischen Teil. Damit
kann die Untersuchung eine Grundlage für andere unternehmenseigene Studien sein. Die Er-
gebnisse dürfen wegen der Individualität jedes einzelnen Unternehmens nicht einfach unge-
prüft übertragen werden, sie können jedoch eine gute Vorstellung von den charakteristischen
Potentialen, Kosten und dem Vorgehen bei der Einführung eines Qualitätsmanagement-
systems bieten.
Ziel der Arbeit ist es, einen Überblick über Nutzenpotentiale des Qualitätsmanagements zu
geben und diese kritisch zu den entstehenden Kosten und möglichen Schwierigkeiten in Be-
ziehung zu setzen. Die Fallstudie soll insbesondere dazu dienen, beispielhaft die durch die
Umsetzung einiger Optimierungen entstehenden Effekte zu prüfen. Die Übertragung der
Grundlagen auf praktische Sachverhalte soll demonstriert werden. Die untersuchten Effekte
hängen stark von der Unternehmensgröße, -struktur, den Mitarbeitern und weiteren Umstän-
den ab. Die jeweiligen Auswirkungen müssen im Einzelfall geprüft werden. Diese Arbeit
stellt wahrscheinliche oder besonders problematische Effekte zusammen, die im Einzelnen
keinesfalls immer auftreten müssen. Die Liste der beschriebenen Auswirkungen kann eben-
falls nicht abschließend sein, da in der Praxis immer wieder neue Schwierigkeiten oder Chan-
cen auftreten

Grundlagen
-6-
2 Grundlagen
2.1 Definition Qualitätsmanagement
2.1.1 Der Qualitätsbegriff
Für die folgenden Ausführungen ist es wichtig, eine Definition des Begriffs Qualität als
Grundlage festzulegen. In der Literatur findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher De-
finitionen, die sich erheblich unterscheiden. Qualität wird z. B. wie folgt definiert:
· ,,Qualität ist die Gesamtheit aller Merkmale einer Einheit bezüglich ihrer Eignung,
festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen."
6
· "Qualität ist die realisierte Beschaffenheit bezüglich Forderung"
7
· ,,Quality is fitness for use, i.e. freedom from deficiencies and product features that
meet internal and external consumer needs."
8
· "Qualität ist etwas Besseres, Ausgesuchtes mit teuerem Preis"
9
.
Die letzte aufgeführte Definition entspricht zwar am ehesten der herrschenden Meinung,
widerspricht aber dem aktuellen Verständnis über Qualitätsmanagement.
Wichtigste Determinante der Qualität ist der Kundenwunsch. Entsprechend bedeutet eine
Qualitätssteigerung eine Werterhöhung aus Sicht des Kunden
10
. Ein Produkt bzw. eine
Dienstleistung muss dementsprechend nicht objektiv hochwertig sein, um die Kundenanforde-
rungen zu erfüllen. Auch ein geringerwertiges Produkt mit einem entsprechend geringeren
Preis kann für den Kunden ggf. seinen Qualitätsanforderungen entsprechen und einen hohen
Wert haben. Dies wird z. B. bei der Betrachtung von Lebensmitteldiscountern (z. B. Aldi)
deutlich, der Kunde empfindet die Produkte als qualitativ hochwertig, da die Produkt-
eigenschaften dem Kundenwunsch entsprechen. Dem Champagner aus dem Hause Aldi wird
also entgegengesetzt der oben beschriebenen Definition von Becker eine gute Qualität be-
6
ISO 8402
7
Geiger (nicht verfügbar), 1987 zitiert nach: Masing, W. (1999a), S.3.
8
Juran, J.M. (1976)
9
Becker, P. (2000), S. 9
10
Frehr, H. -U. (1999), S.31

Grundlagen
-7-
scheinigt, obwohl er nichts Besseres ist und keinen hohen Preis hat. Dem Kundenwunsch
nach günstigen Verbrauchsgütern wird entsprochen. Eine höhere Wertigkeit würde die
Kundenanforderungen übertreffen.
Die Wertfunktion (Bild 2-1) setzt den Grad der Forderungserfüllung hinsichtlich eines
Qualitätsmerkmals zu dem Wert des Produktes in Beziehung. Sie zeigt, dass eine Untererfül-
lung den Wert sehr stark negativ beeinflusst. Wenn die Kundenanforderungen hinsichtlich
eines oder mehrerer Qualitätsmerkmale nicht erfüllt werden, werden die Kunden dies als
starke Verringerung des Produktnutzens empfinden. Im Gegensatz dazu hat eine Über-
erfüllung der Kundenanforderungen nur geringe Nutzenzuwächse zur Folge
11
. Deutlich wird
dies z. B. am Qualitätsmerkmal der Lieferzeit. Bei einer Online-Bestellung von Büchern er-
wartet der Kunde im Normalfall beispielsweise eine Lieferung innerhalb von 48 Stunden. Der
Kunde wird sehr verärgert sein, wenn die Lieferzeit wesentlich länger z. B. 72 Stunden ist.
Eine Lieferung in 24 Stunden wird den Kunden zwar positiv überraschen, aber keine wesent-
liche Erhöhung des Nutzens mit sich bringen.
Bild 2-1: Wertfunktion
12
Die Kosten verlaufen in den meisten Fällen genau entgegengesetzt. Eine Verbesserung der
Leistung bei einem Qualitätsmerkmal wie z. B. der Lieferzeit führt zu progressiv steigenden
Kosten. Die Erhöhung der Lieferfähigkeit von 95% auf 97% ist mit einem geringeren Kosten-
11
Masing, W. (1999a), S. 7
12
Masing, W. (1999a), S. 7

Grundlagen
-8-
zuwachs verbunden, als eine Erhöhung von 97% auf 99%. Ein derartiger Verlauf ist typisch
und in fast allen Unternehmensbereichen zu finden.
Die Betrachtung von Nutzen- und Kostenverläufen zeigt, dass sich das Qualitätsoptimum
genau bei der Erfüllung der Kundenforderung bildet. In aller Regel führt Übererfüllung zu
wesentlich höheren Kosten, aber nur zu einem geringen Wertzuwachs für den Kunden. Um
die Qualität möglichst gut an die Kundenbedürfnisse anzupassen, kann es daher sinnvoll sein,
die Produkteigenschaften zu verschlechtern, d.h. Überqualitäten abzubauen. Überqualitäten
sind Produkteigenschaften, deren Fehlen den Nutzen des Kunden nicht verschlechtert
13
. Gute
Qualität kann also auch bedeuten, ein Produkt nicht zu gut zu machen. Der Vorgang der Qua-
litätsanpassung wird als Wertanalyse
14
bezeichnet und ist ein in der Industrie bereits übliches
Instrument der Kostensenkung. Die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs erfordert
die Übereinstimmung der Kundenwünsche mit dem Service- und Produktangebot des Unter-
nehmens.
Das Qualitätsverständnis hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. War noch vor wenigen Jah-
ren vor allem die Qualitätssicherung das propagierte Ziel der Bemühungen, wird inzwischen
meist ein übergreifendes Qualitätsmanagement angestrebt
15
. Nachsorgende Instrumente der
Qualitätssicherung (Bild 2-2) sollen durch integrierte und damit weniger kostenintensive Me-
thoden ersetzt werden.
Bild 2-2: Prinzip der nachsorgenden Qualitätssicherung
16
13
Pepels, W. (1996), S. 80
14
Vgl. z. B. Pepels, W. (1996), S. 100
15
Symptomatisch: Titel der von Masing herausgegebenen Standardwerke: 1983 Handbuch Qualitätssicherung;
1999: Handbuch Qualitätsmanagement
16
Kleinsorge, P. (1999), S. 57

Grundlagen
-9-
Ein integriertes Qualitätsmanagement erfordert im Gegensatz zur nachsorgenden Qualitäts-
sicherung die Betrachtung des Herstellungsprozesses anstelle des fertigen Produktes. Der bis-
her übliche Fokus auf die Qualität des Produktes (bzw. der Dienstleistung) wurde zuerst durch
die Betrachtung dazugehöriger Services erweitert. Es wurde erkannt, dass die Kunden-
anforderungen sich nicht ausschließlich auf die Produkteigenschaften beziehen, sondern die
produktverbundenen, so genannten sekundären Dienstleistungen
17
die Kundenzufriedenheit
ebenfalls stark beeinflussen können. Wenn beispielsweise die erwartete Lieferzeit wesentlich
überschritten wird, wird der Kunde den nächsten Kauf eventuell bei einem Konkurrenz-
unternehmen tätigen, obwohl das eigentliche Produkt frei von Qualitätsmängeln ist. Be-
gleitende Prozesse wie die Kundenbetreuung oder das Beschwerdemanagement werden nun
auch als Qualitätsfaktoren betrachtet und müssen so entsprechend gesteuert werden. Nur
durch eine Betrachtung aller für den Kunden relevanten Qualitätsfaktoren kann die Kunden-
zufriedenheit wirklich gewährleistet werden. Diese Veränderung des betrachteten Qualitäts-
objektes hat dazu geführt, dass immer mehr die Prozessqualität anstelle der Produktqualität in
den Vordergrund gerückt ist.
Die Prozessqualität wird durch die Übereinstimmung zwischen Anweisung und Ausführung
der Prozessschritte (Tätigkeiten) bestimmt. Die Steuerung der Prozessqualität ist nur dann
auch eine direkte Steuerung der Produktqualität, wenn die Produktherstellung nur einen Pro-
zess umfasst. Die Kundenanforderung entspricht dann genau der Anweisung
18
. Da die meisten
Produkte nur durch das Zusammenspiel mehrerer Prozesse hergestellt werden können, müssen
alle beteiligten Prozesse eine gute Qualität haben, um eine hohe Produktqualität sicher-
zustellen.
2.1.2 Qualitätsmanagement
Der Begriff des Qualitätsmanagements stellt die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung
dar. Im Gegensatz zur Qualitätssicherung, die eine Abfolge mehrerer Aktivitäten zur
Sicherung und Kontrolle der Qualität beschreibt, wird das Qualitätsmanagement als Kreislauf
verstanden. Die folgenden Aktivitäten werden fortwährend wiederholt:
· Auf ein Ziel hin planen
· Ausführung veranlassen
17
Pepels, W. (1996), S. 25
18
Masing, W. (1999), S. 9

Grundlagen
-10-
· Übereinstimmung von Ergebnis und Ziel prüfen
· korrigierende Maßnahmen treffen
· neue Ziele setzten und wieder von vorn
19
.
Diese Beschreibung des Managements von Qualität verdeutlicht bereits die Forderung nach
einer kontinuierlichen Verbesserung anstelle von punktuellen Maßnahmen. Es wird deutlich,
dass integrierte und vorsorgende Systeme wesentlich weniger kostenintensiv als nachsorgende
Lösungen sind. In vielen Bereichen haben sich die Ansprüche der modernen Wirtschaft stark
gewandelt. Sowohl bei Produktions- als auch bei Dienstleistungsunternehmen gibt es Ent-
wicklungen, die ein umfangreiches Qualitätsmanagement notwendig machen.
Die Wandlung zum Qualitätsmanagement trägt auch der Verlagerung vom sekundären zum
tertiären Wirtschaftssektor Rechnung. Der herkömmliche Begriff der Qualitätssicherung ist
auf Dienstleistungsunternehmen nur sehr begrenzt anwendbar. Dienstleistungen zeichnen
sich unter anderem durch die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum aus
20
. Die Qualität
entwickelt sich während der Leistungserbringung
21
. Qualitätsmängel der Dienstleistung wer-
den für den Kunden stets sichtbar
22
. Der nachsorgende Charakter der Qualitätssicherung
schließt die Anwendung für Dienstleistungsunternehmen häufig aus. Ein Qualitäts-
management soll hier einerseits die Vermeidung von Fehlern bezwecken, es hat aber auch die
wesentliche Aufgabe, dem Kunden ein Bemühen um Fehlervermeidung zu demonstrieren. Da
der Kunde Fehler bei Dienstleistungen auf Grund der Gleichzeitigkeit von Konsum und Pro-
duktion zwangsläufig immer erkennt, ist es wichtig, seinen negativen Eindruck durch ein ent-
sprechendes Verhalten abzuschwächen.
Bei Produktionsunternehmen vieler Branchen findet eine starke Verlagerung der Wert-
schöpfung durch Outsourcing statt. Outsourcing heißt, dass die Eigenfertigung eines oder
mehrerer Teile aufgegeben wird und die Teile fremd bezogen werden. Die Vergabe der Teile-
fertigung führt dazu, dass der Hersteller die Qualitätskontrolle nur noch sehr begrenzt selbst
durchführen kann. Fehler, die erst nach der Anlieferung der Produkte durch eine Qualitäts-
kontrolle sichtbar werden, würden zu enormen Korrekturkosten führen. Die Kosten werden
19
Masing, W. (1999a), S. 5
20
Benninger, M. (1998), S. 6
21
Corsten, H. (1990), S. 25
22
Bretzke, W. -R. (1998), S. 582

Grundlagen
-11-
immer höher, je weiter der Entwicklungs- bzw. Fertigungsprozess voran schreitet (Bild 2-3).
Es entstehen nicht nur die Kosten für den Rücktransport der fehlerhaften Teile, sondern auch
evtl. Kosten für den Ausbau bereits verbauter und dabei evtl. beschädigter bzw. nicht wieder-
verwendbarer Teile. Die Gewährleistung der Qualität muss beim Outsourcing partiell auf den
Teilehersteller übertragen werden. Die notwendige Verlagerung der Qualitätssicherung ist der
Grund dafür, dass immer mehr Systemhersteller die Zertifizierung des Qualitätsmanagement-
systems von ihren Zulieferern verlangen. Der Produkthersteller kann die Qualität seinerseits
nun insbesondere durch ein gutes Beschwerdemanagement
23
und Optimierung der eigenen
Prozesse verbessern.
Bild 2-3: Zusammenhang Fehlerkosten ­ Entdeckungszeitpunkt
24
Ein höherer Anteil an zugekauften Teilen führt häufig auch zur Anwendung alternativer An-
lieferkonzepte wie Just in Time oder Just in Sequence Verfahren. Dies sind Verfahren in
denen die Anlieferung der zugekauften Teile direkt an den Ort der Verbauung entweder sor-
tenrein oder bereits in der Reihenfolge der Fertigung erfolgt. Hier ist die Gewährleistung von
fehlerfreien Produkten besonders wichtig, da zwischen Anlieferung und Verbauung der Teile
nur ein geringer Zeitraum liegt, der die Warenkontrolle durch den OEM
25
unmöglich macht.
23
Biermann, T. (2003), S. 144
24
Pfeifer, T. (2001)
25
OEM: Original Equipment Manufacturer; der Hersteller des Produktes im Gegensatz zu den Zulieferern

Grundlagen
-12-
Die Kosten, die bei der Lieferung fehlerhafter Teile entstehen, sind in diesem Fall besonders
hoch, da sie im Einzelfall sogar mit einem Produktionsstillstand verbunden sind.
In vielen Fällen ist zusätzlich zu einer Verringerung der Wertschöpfungstiefe auch eine Kon-
zentration auf wenige Zulieferer zu beobachten. Mit so genanntem Single Sourcing, d.h. dem
Bezug eines bestimmten Teils von nur einem Zulieferer, versuchen viele Unternehmen De-
gressionseffekte durch Mengenbündelung zu generieren. Diese Strategie macht Investitionen
in unternehmensübergreifende Qualitätsmanagementkonzepte erst möglich. Bei Zukäufen von
vielen verschiedenen Zulieferern wäre es unmöglich, sich mit jedem einzelnen intensiv abzu-
stimmen und große Investitionen zu tätigen. Schon allein wegen der meist kurzfristigen Natur
der Verträge lohnen sich Investitionen kaum. Bei Single Sourcing Strategien ist die Bindung
zwischen OEM und Zulieferer meist auf langfristige Partnerschaften angelegt und hat stra-
tegische Bedeutung. Bei dieser Strategie wird der Einsatz von unternehmensübergreifenden
Qualitätsmanagementsystemen sinnvoll.
Viele Unternehmen stehen heute immer kürzeren Vermarktungszyklen gegenüber. Durch
neue Informationsmedien, wie z. B. das Internet sind die Kunden immer besser informiert und
haben zudem die Möglichkeit, die verschiedenen Produkte von Unternehmen weltweit zu
beziehen. Die Information über technologische Fortschritte oder andere Produkt-
verbesserungen gelangt nun viel schneller zum Kunden, wo dementsprechend schnell die
Nachfrage nach besseren Produkten entsteht. Die Produkte der vorhergehenden Generation
können also nicht mehr oder nur schwer und mit großen Preiseinbußen abgesetzt werden. Die
kürzeren Vermarktungszyklen machen den Markteintrittszeitpunkt immer wichtiger, da durch
einen verspäteten Markteintritt die Amortisation der Entwicklungskosten gefährdet wird.
Durch ein Qualitätsmanagement muss gesichert werden, dass die Informationen in den ver-
schiedenen Phasen der Produktentstehung stets möglichst schnell an der richtigen Stelle ver-
fügbar sind. Fehlleistungen durch schlechte Informationen oder fehlende Rückkopplung kön-
nen zu entscheidenden Zeitverlusten führen. Schlecht abgestimmte Entwicklungsabläufe ver-
zögern den Markteintritt und sind daher sehr teuer. Qualitätsmanagement wird in diesem Be-
reich notwendig, um dem Kunden die stetige Produktaktualität zu gewährleisten.
Instrumente des Qualitätsmanagements werden zunehmend in allen Unternehmens-
bereichen eingesetzt werden, denn die Erlebniswelt des Kunden bezieht sich ebenfalls nicht
nur auf einzelne isolierte Unternehmensbereiche (Bild 2-4). Alle dargestellten Faktoren beein-
flussen die Zufriedenheit des Kunden und damit das Vertrauen zum Unternehmen. Der Kunde
wird auch ein gutes Produkt nicht wieder kaufen, wenn er schlechte Erfahrungen mit un-

Grundlagen
-13-
freundlichen Servicekräften oder langen Lieferzeiten gemacht hat. Charakteristisch ist bei-
spielsweise, dass nur 30 % der Reklamationen bei der Firma Philips ihre Ursache im Produkt
selbst haben. Wesentlich häufiger werden Reklamationen im Zusammenhang mit der Liefe-
rung oder ähnlichen begleitenden Umständen ausgesprochen
26
. Dies zeigt die Notwendigkeit
eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements. Dem Anspruch nach Kundenorientierung würde
nicht genügt, wenn sich die Qualitätsbetrachtung nur auf das Produkt beziehen würde.
Bild 2-4: Erlebniswelt des Kunden
27
Die hier dargestellten Fälle verdeutlichen die wachsende Notwendigkeit einer fehlerfreien
Beherrschung der Prozesse und Abläufe im Gegensatz zu einer reinen Beherrschung der Pro-
duktqualität, wie dies früher üblich war.
2.1.3 Der kontinuierliche Verbesserungsprozess
Ein entscheidender Erfolgsfaktor der japanischen Wirtschaft und Ursache für deren Boom in
den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Anwendung und Beachtung der
Kaizen-Philosophie
28
. Von anderen Industrieländern wurde der Kaizen-Gedanke über-
nommen und unter der Bezeichnung kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) umgesetzt.
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist als Teil des Qualitätsmanagements zu sehen und
26
Frehr, H. -U. (1999), S. 32 ff
27
Frehr, H. -U. (1999), S. 33
28
Vgl. hierzu als Standardwerk z. B. Ishikawa, 1980

Grundlagen
-14-
hat dementsprechend in die zweite Generation der ISO DIN EN 9000 aus dem Jahr 2000 Ein-
gang gefunden.
Kaizen beschreibt ein in vielen kleinen Schritten
29
systematisch betriebenes Verbesserungs-
management, das versucht, die Fähigkeiten aller Mitarbeiter zur ständigen Verbesserung der
Geschäftsabläufe im Sinne der Unternehmensziele zu wecken und zu nutzen. Kennzeichnend
für diese Management-Philosophie sind:
· Kontinuität der Bemühungen
· Identifikation von Verbesserungspotentialen
· Einbindung aller Mitarbeiter
Die Kontinuität der Bemühungen zeigt sich am prägnantesten durch die Darstellung des
Deming-Zyklus oder auch Kaizen-Rades (Bild 2-5). Die typische Managementaufgaben Plan,
Do, Check, Act sind die Elemente eines Kreislaufs, der ständig wiederholt wird. Die Kreis-
laufmetapher verdeutlicht die Tatsache, dass dieser Prozess nie abgeschlossen sondern per-
manent fortgeführt wird.
Bild 2-5: Kaizen Rad
30
Verbesserung bedeutet, festgelegte Ziele schneller oder mit weniger Aufwand zu erreichen
31
.
Verbesserungspotentiale finden sich in Prozessen bei Aktivitäten oder Schnittstellen, wo die
benötigten Ressourcen nicht optimal eingesetzt werden. Sie werden durch Nachdenken über
einzelne Prozessabläufe identifiziert. Verbesserungen sollen mit möglichst geringem Auf-
29
Berning, R. (2002), S. 62
30
Rössler, S.: Seminar Produktivitätssteigerung und Führungskräfteentwicklung. Seminarunterlage (2003)
31
Becker, P. (2000), S.4

Grundlagen
-15-
wand realisiert werden. Häufig ist dies schon mit relativ einfachen Methoden erreichbar. Zur
Beurteilung von Verbesserungsmaßnahmen müssen nicht unbedingt quantitativ messbare
Daten verwendet werden, es können auch qualitative Aussagen in Form von Tendenzen
herangezogen werden.
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess heißt auch, dass der Deming-Zyklus auf allen Unter-
nehmensebenen implementiert wird. Alle Mitarbeiter müssen ihre Tätigkeit laufend über-
prüfen und im jeweiligen Rahmen nach Optimierungen suchen. Ein solches Vorgehen muss
zwar immer von der Geschäftsleitung angestoßen und vorgelebt werden, es bedarf zum Ge-
lingen aber der Mitarbeit jedes einzelnen Unternehmensmitgliedes. Es sollen vorwiegend die
Ideen von den direkt betroffenen Mitarbeitern für konkrete Verbesserungen genutzt werden
(Bottom-up-Methode). Diese Ermutigung der Mitarbeiter zu eigenem Handeln ist auch als
Empowerment bekannt und wird in vielen Firmen zunehmend beliebter
32
.
2.1.4 Deduktive und induktive Integration von Qualitätsmanagementsystemen
33
.
Qualitätsmanagementsysteme können je nach Motivation mit unterschiedlichen Methoden
eingeführt werden. Die deduktive Implementierung ist ein Verfahren nach dem Top-Down
Prinzip. Die Unternehmensleitung erstellt Vorgaben und Regeln, die für jede Ebene in hand-
habbare Ziele übersetzt werden und so den einzelnen Arbeitsplatz gestalten. Die Impulse
kommen ausschließlich von der Unternehmensleitung. Die einzelnen Arbeitsplätze und Mit-
arbeiter sind nur an der Umsetzung, nicht aber an der Entwicklung der Systeme beteiligt. Die
einzelnen Arbeitsbereiche sind nur informativ mit einander verknüpft. Sie bleiben selbst-
ständig, müssen sich also nicht intensiv mit anderen Bereichen abstimmen. Es existieren
lediglich Informationskanäle. Die Informationen werden über festgelegte Dokumentationen
zwischen den Bereichen ausgetauscht.
Der große Vorteil dieses Verfahrens liegt in der hohen möglichen Einführungs-
geschwindigkeit. Die Veränderungsimpulse kommen bei einer deduktiven Einführung von der
Unternehmensleitung. Die Mitarbeiter müssen keine eigenen Ideen und Vorschläge ent-
wickeln. Eine Mitarbeitersensibilisierung bzw. Schulung zu einer aktiven Beteiligung ist nicht
nötig. Es kann so Zeit und damit Geld gespart werden. Durch die fehlende Verknüpfung ist es
32
Biermann, T. (2003), S. 27
33
Bläsing, J. P.(1999), S. 134

Grundlagen
-16-
nicht nötig Schnittstellen zu schaffen bzw. zu gestalten, es werden keine organisatorischen
Veränderungen erforderlich.
Nachteile der deduktiven Implementierung sind unter anderem:
· Hohen Kosten für Schulungsmaßnahmen
Die Gestaltung der Arbeitsplätze geht nicht von den Mitarbeitern selbst aus, sie müs-
sen daher über die Gestaltung informiert und in den einzelnen Anweisungen geschult
werden.
· Fehlendes Änderungsverständnis
Änderungen des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitsgestaltung, die den betroffenen Mit-
arbeitern von oben vorgegeben werden, lassen häufig die nötige Unterstützung der
Basis vermissen. Die Mitarbeiter sind oft nicht von der Wirksamkeit und dem
Nutzen der Änderung überzeugt und unterstützen diese nicht bzw. boykottieren sie
sogar.
· Wissenspotentiale der Mitarbeiter werden nicht genutzt
Sinnvolle Optimierungs- und Verfahrensvorschläge werden am besten dort initiiert,
wo sie tatsächlich zum Einsatz kommen. Die ausführenden Organe sehen auftretende
Unwirtschaftlichkeiten schneller und während des Tagesgeschäftes. Bei nicht aus-
reichender Einbeziehung der unmittelbar Betroffenen besteht die Gefahr von zu theo-
retischen Ideen, die praktisch kaum umsetzbar sind. Die konstruktive Zusammen-
arbeit zwischen Führung und Basis wird belastet.
Als Alternative zum Top-Down-Prinzip, besteht die Möglichkeit ein Qualitätsmanagement
nach dem induktiven Ansatz einzuführen. Charakteristisch für diese Methode ist im Gegen-
satz zum deduktiven Ansatz die starke aktive Beteiligung der Mitarbeiter. Der induktive An-
satz ist weitgehend deckungsgleich mit dem Ansatz der kontinuierlichen Verbesserung. Die
Ideen für Verbesserungen sollen von jeder Stelle im Unternehmen generiert werden. Die ein-
zelnen Bereiche müssen stark miteinander vernetzt sein. Verbesserungsideen müssen mit allen
betroffenen Bereichen abgestimmt und auf mögliche Reibungsverluste hin überprüft werden.
Der induktive Ansatz entspricht eher einer prozessorientierten Sicht, da die Unter-
nehmensprozesse und deren Wechselwirkung im Vordergrund stehen.
Die Vorteile einer Qualitätsmanagementeinführung nach der induktiven Methode liegen vor
allem in der inneren Überzeugung der Beteiligten. Ein Zertifikat als einziger und von oben

Grundlagen
-17-
vorgegebener Anreiz führt dazu, dass die Anstrengungen schnell nachlassen
34
. Viele
Potentiale eines Qualitätsmanagements werden nur bei Anwendung des induktiven Ansatzes
genutzt. Dies sind vor allem Motivations-
35
und Wissenspotentiale. Das Know-how der Mit-
arbeiter wird aufgefangen und verwertet. Die Mitarbeiter werden gefordert und so motiviert.
Die Motivation der Mitarbeiter ist wichtig, da deren Fähigkeiten und Kenntnisse bei man-
gelnder Motivation gar nicht zum Einsatz kommen
36
.
In der Praxis ist trotz der wesentlichen Vorteile des induktiven Ansatzes die deduktive Me-
thode vorherrschend. Dies liegt unter anderem an dem großen Nachteil des hohen Kosten-
und Zeitbedarfs. Die Mitarbeiter müssen geschult werden, um Verbesserungsideen anstoßen
und verwerten zu können. Fehlende Übung führt zu einem erhöhten Zeitbedarf. Beim induk-
tiven Ansatz wird das Qualitätsmanagement als Führungswerkzeug genutzt, die damit ver-
bundenen Vorteile zu generieren ist eine eher langfristige Strategie, die stetig verfolgt werden
muss und daher sehr kostspielig in der Umsetzung ist.
Einige der im Kapitel 2.3 genannten Nutzenpotentiale können nur mit einer induktiven In-
tegration generiert werden. Qualitätsmanagement wird von den Menschen im Unternehmen
getragen, sie müssen am Aufbau und an der Weiterentwicklung beteiligt werden, um eine
Aktivierung der Vorteile zu ermöglichen.
37
2.2 Qualitätsmanagement gemäß DIN EN ISO 9000:2000
Die DIN EN ISO 9000:2000 ist eine Norm der International Organisation for Standardisation
(ISO), die die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem beschreibt. Sie ist im Ge-
gensatz zur oft zu hörenden Vorstellung kein eigenes Qualitätsmanagementsystem, sondern
beschreibt nur die Anforderungen daran
38
. Qualitätsmanagementsysteme, die die An-
forderungen der ISO erfüllen und primär auf das Erlangen eines Zertifikats ausgerichtet sind,
werden aber meist als Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9000:2000 bezeichnet.
Die ISO 9000:2000 ist ein Versuch Qualität zu normen und vergleichbar zu machen. Viele
Kunden können auf Grund der Angebotsvielfalt oder der Einmaligkeit der Leistung die Qua-
34
von Diemer, R. (1999), S. 1108
35
Michaelik, C. (2001), S. 894
36
Schuler, H. / Frintrup, A. (2000), S. 14
37
Bläsing, J. (1999), S. 135
38
Franke, H. (1999), S. 444

Grundlagen
-18-
lität nicht selbst beurteilen. Der Bedarf nach unabhängigen Qualitätsbeurteilungen liegt daher
nahe. Es gibt bereits einige bedeutende Institutionen, die sich die objektive Bewertung von
Produkt- und Dienstleistungsqualität zur Aufgabe gemacht haben, exemplarisch sei hier die
Stiftung Warentest erwähnt. Die ISO 9000:2000 soll nicht nur die Qualität einzelner Produkte
bewerten, sondern die Sicherung der Qualität aller Unternehmensprozesse bescheinigen. Der
Schwierigkeit, dass Qualität sehr subjektiv ist und damit von jedem anders beurteilt werden
kann, soll mit möglichst klaren und überschneidungsfreien Definitionen entgegengewirkt
werden. Grundsätzliche Definitionen sind besonders in Geschäftsbeziehungen sehr sinnvoll
und häufig sogar unverzichtbar
39
. Sie erleichtern das Gespräch und verhindern Uneinigkeiten.
Die deutlichen Definitionen der ISO 9000:2000 haben zu ihrer schnellen Verbreitung bei-
getragen. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Gütezeichen, wie der Zertifizierung von
Qualitätsmanagementsystemen, ist, dass sie nach einem nachvollziehbaren und immer glei-
chen Bewertungsverfahren vergeben werden müssen. Dies soll für die ISO 9000:2000 ge-
währleistet werden, indem die Zertifizierungsstellen akkreditiert, also ihrerseits geprüft und
zertifiziert werden. Durch die ISO 9000:2000 soll ein weltweit einheitliches und objektives
Bewertungsverfahren geschaffen werden.
2.2.1 Allgemeine Entwicklungen
Die ISO 9000 ff ist mit weltweit über 300.000 erteilten Zertifikaten eine der meistgenutzten
Normen überhaupt
40
. Als Gründe für die schnelle Verbreitung der ISO 9000:2000 werden
verschiedene allgemeine wirtschaftliche Entwicklungen der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte
gesehen.
In fast allen Wirtschaftsbereichen ist eine Tendenz von der nationalen zur internationalen Be-
schaffung, dem Global Sourcing festzustellen. Besonders kleinen und mittelständischen Fir-
men fehlt allerdings häufig die Kenntnis über die fremden Märkte und damit die nötige Be-
urteilungskompetenz. Die Qualitätsstandards der Zulieferer können kaum beurteilt werden,
was aber nötig ist, um den eigenen Kunden die Qualität des gesamten Produktes garantieren
zu können. Global Sourcing führt daher zu der Notwendigkeit von allgemein verständlichen
und international vergleichbaren Qualitätsnormen und bietet daher den idealen Nährboden für
die Verbreitung der ISO 9000:2000.
39
Petrick, K./ Reihlen, H. (1999), S. 75
40
IHK Kiel (2003), S.1

Grundlagen
-19-
In die gleiche Richtung wirkt auch die Beschaffungsstrategie des Modular Sourcing. Die
Strategie des Modular Sourcing bezeichnet den Trend vieler Hersteller, ihre Teilevielfalt und
ihren Wertschöpfungstiefe zu reduzieren. Die Einzelteile werden nicht wie bisher von ver-
schiedenen Zulieferern bezogen und dann in den eigenen Werken verbaut, sondern es werden
in zunehmendem Maße vollständige, einbaufertige Teilegruppen (Module) eingekauft. Die
Einzelteile werden bei diesen Strategien nicht mehr an den Hersteller geliefert, sondern an
den Modullieferanten. Die Auswahl der Einzellieferanten obliegt dementsprechend dem Mo-
dullieferanten. Der Hersteller hat keinen bzw. nur einen geringen direkten Einfluss auf die
Auswahl der Einzellieferanten. Um die Qualität der Produkte über die ganze Wert-
schöpfungstiefe garantieren zu können, ohne die Einzellieferanten einzeln zu prüfen, wird
häufig von allen beteiligten Lieferanten eine Zertifizierung nach ISO 9000:2000 und damit
die Bescheinigung guter Qualität verlangt. Ähnlich wie bei vielen Umweltgütezeichen wird
dies in der Regel vertraglich vorausgesetzt.
Die ISO 9000:2000 weist inzwischen eine starke Prozessorientierung auf, was sich besonders
auf die Anwendung in Dienstleistungsunternehmen sehr positiv auswirkt. Dies wird immer
wichtiger, da wie bereits dargestellt, eine Verschiebung vom primären und sekundären zum
tertiären Wirtschaftssektor zu beobachten ist, d.h., der Anteil der Dienstleistungen nimmt
stetig zu. Die Qualität von Dienstleistungen kann der Kunde vor der Kaufentscheidung meist
relativ schlecht beurteilen, da eine Dienstleistung erst dann fundiert bewertet werden kann,
wenn sie bereits erbracht wurde. Basis für Entscheidungen über den Kauf einer Dienstleistung
können daher nur frühere Erfahrungen oder Empfehlungen sein
41
. Gütezeichen, die dem Kun-
den Hinweise über die Qualität geben, sind für den Bereich der Dienstleistungen daher be-
sonders wichtig. Der Bedarf an solchen Dienstleistungsqualität beurteilenden Gütesiegeln
steigt proportional mit der Bedeutungszunahme dieses Wirtschaftssektors.
2.2.2 Voraussetzung und Ablauf der Zertifizierung
In vielen Fällen herrscht ein Informationsdefizit über den Umfang einer Zertifizierung. Es
ist nicht Aufgabe eines Audits, die Qualität, d.h. die Übereinstimmung der Kunden-
anforderungen mit den Produktspezifikationen der einzelnen Produkte und Dienstleistungen,
zu beurteilen und zu prüfen. Es wird auch nicht geprüft und bewertet, wie optimal die ein-
41
Vgl. z. B. Benninger, M.(1998), S.26; Becker, P. (2002), S. 12

Grundlagen
-20-
zelnen Unternehmensprozesse sind. Es wird nicht die einzelne Produktqualität untersucht,
sondern ausschließlich die Qualitätsfähigkeit
42
.
Die Qualitätsfähigkeit beschreibt im Gegensatz zur Produktqualität eine Unternehmens-
eigenschaft und keine Momentaufnahme. Es soll gewährleistet sein, dass das Unternehmen
die Kundenanforderungen ermittelt, Veränderungen erkennt und entsprechende Modifika-
tionen der Leistungen vornimmt. Es ist wichtig die beste Qualität für die jeweiligen Kunden
zu sichern und diese auch über den Zeitablauf und verschiedene Anforderungswechsel zu
erhalten. Hintergrund dieser Herangehensweise ist die Subjektivität von Qualität. Wie gut
oder schlecht die Produktqualität ist, kann nur von den Kunden anhand ihrer jeweiligen
eigenen Maßstäbe beurteilt werden, nicht aber von außen stehenden Auditoren oder anderen
Dritten. Die Zertifizierung ist die Beurteilung eines unparteiischen Dritten, ob die For-
derungen an ein Qualitätsmanagementsystem in einem bestimmten Unternehmen erfüllt sind.
Eine Zertifizierungsstelle prüft mit Hilfe der Qualitätsmanagement (QM)-Dokumente, ob das
Qualitätsmanagementsystem konform zur ISO 9000:2000 ist und entsprechend umgesetzt
wird
43
.
Im Detail ergeben sich die folgenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zertifizierung
nach ISO 9000:2000:
· Die QM-Dokumentation muss vollständig und konform zur DIN EN ISO 9001:2000
sein.
· Das mittels der QM-Dokumentation vollständig und normenkonform beschriebene
QM-System muss in Kraft gesetzt worden sein.
· Das QM-System muss allen Mitarbeitern bekannt sein (vorzugsweise durch eine
Schulung). Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter, insbesondere auch
die Führungskräfte, Qualitätspolitik und deren Umsetzung durch das QM-System ver-
standen haben und sie auch verwirklichen.
· Das QM-System muss effektiv angewendet werden (Nachweis durch interne Audits).
· Die laufende Überprüfung und Verbesserung des QM-Systems muss sichergestellt
sein.
42
Pfitzinger, E. (2000). S. 20
43
Becker, P. (2002), S.93

Grundlagen
-21-
Die Erfüllung der beschriebenen Anforderungen an ein QM-System werden dann von einer
akkreditierten Zertifizierungsstelle überprüft. Die Auswahl der richtigen Zertifizierungs-
stelle sollte vor allem unter dem Gesichtspunkt erfolgen, welche Stelle bei den großen bzw.
wichtigsten Unternehmenskunden das größte Ansehen genießt. Als relativ neutral und daher
Branchen übergreifend akzeptiert ist z. B. der Technische Überwachungsverein (TÜV) zu
nennen.
Der Ablauf der Zertifizierung ist im Bild 2-6 schematisch dargestellt.
Bild 2-6: Ablauf der Zertifizierung
44
44
Bretzke W. -R. (1998)

Grundlagen
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2.2.3 Die Weiterentwicklung zur DIN EN ISO 9000:2000
Die DIN EN ISO 9000 ff hat sich seit ihrem ersten Erscheinen 1987 stark verbreitet.
Branchen übergreifend wurde sie von allen Seiten als gutes Instrument zur Beurteilung von
Qualitätsmanagementsystemen aufgenommen. Trotz oder gerade wegen der häufigen An-
wendung wurden jedoch auch erhebliche Mängel der Norm sichtbar. Diese Schwächen wur-
den durch die Überarbeitung im Jahr 2000 weitgehend beseitigt. Die ISO 9000 ff und deren
20 Qualitätselemente wurden von der neuen ISO 9000:2000 abgelöst.
Wesentliche Probleme der alten Norm waren vor allem:
· der Umfang
· das Checklistenverfahren
· die Bürokratisierung
Die alte DIN 9000 ff ist durch ihre häufige Anwendung und die daraus resultierenden zahl-
reichen Ergänzungen auf einen Umfang von über 1000 Seiten angewachsen. Kaum jemand
war noch in der Lage den gesamten Inhalt zu kennen und ausreichend zu beachten. Besonders
für kleine und mittlere Unternehmen bedeutete dies einen gravierenden Nachteil. Allein um
die Anforderungen der Norm herauszuarbeiten und sie auf das eigene Unternehmen zu über-
tragen, bedurfte es eines immensen Schulungs- und Informationsaufwands. Kaum ein kleines
Unternehmen kann es sich leisten, einen oder sogar mehrere Mitarbeiter für die Umsetzung
der Norm abzustellen. Aus diesem Umstand ergab sich häufig für kleine und mittelständische
Unternehmen die Notwendigkeit einer Implementierung durch externe Berater bzw.
Dienstleistungsunternehmen. Auf die damit verbundenen Kosten und Nachteile wird im
Kapitel 2.2.4 Umsetzungsmöglichkeiten genauer eingegangen. Der enorme Umfang der Norm
hatte noch weitere Konsequenzen: Es konnten im Rahmen einer Zertifizierung kaum alle
Elemente geprüft werden. Häufig wurden nur die Mindestanforderungen beachtet, wodurch
der angestrebte Qualitätsstandard aber keinesfalls gesichert werden konnte
45
.
Die ISO 9000 ff bestand aus 20 Qualitätselementen, die im Checklistenverfahren ab-
gearbeitet und geprüft wurden. Dies ist zwar ein sehr übersichtliches und für den Auditor be-
nutzerfreundliches Vorgehen, es hat aber den entscheidenden Nachteil ein starres System zu
sein. Die 20 Elemente galten für alle Unternehmen und mussten so auch bei allen Unterneh-
45
Pfitzinger, E. (2000), S. 14

Grundlagen
-23-
men abgearbeitet werden. Individuelle Modifizierungen, die zu dem jeweiligen Unternehmen
passen und die Unternehmensbedürfnisse berücksichtigen, waren nicht vorgesehen. Es kam
deshalb in manchen Fällen zu formalen Regelungen und Dokumentationen, die in der Praxis
keinerlei Bedeutung hatten. Exemplarisch sei hier das Produktdesign eines Handels-
unternehmens genannt. Solche Vorgänge entsprechen nicht dem Kerngedanken von
Qualitätsmanagementsystemen.
Der wahrscheinlich am häufigsten angeführte Kritikpunkt war die Bürokratisierung, zu der
eine Zertifizierung zwangsläufig führt. Im Rahmen einer Zertifizierung nach der alten Norm
wurde empfohlen, sich bei der Erstellung der Dokumentation an den 20 Normelementen zu
orientieren. Diese Empfehlung wurde häufig falsch gedeutet und von den Auditoren zu ihrer
völligen Absicherung genutzt. Sie erwarteten oft eine derart umfassende Dokumentation, um
die Erfüllung der Norm zu sichern, dass das eigentliche Ziel der Qualitätssicherung völlig ins
Hintertreffen geriet.
Zur Verbesserung der alten ISO 9000 waren vor allem Maßnahmen zur Stärkung der
Kundenorientierung und zur Verbesserung der Anwendbarkeit für kleine und mittlere Unter-
nehmen geplant. Letzteres sollte in erster Linie durch eine stärkere Individualisierbarkeit er-
reicht werden. Die Qualitätsmanagementsysteme sollten individueller gestaltet werden. Die
Normung sollte stärker im Hinblick auf ihr eigentliches Ziel betrachtet werden, der Nachweis-
führung gegenüber den Zertifizierungsstellen
46
. Konkret wurde dies erreicht, indem man das
Wegstreichen von nicht zutreffenden Teilen der Norm zuließ. Anders als zuvor, muss bei-
spielsweise ein Handelsunternehmen nun keine Maßnahmen zum Produktdesign mehr fest-
legen. Die ISO 9000:2000 sieht außerdem eine Dokumentation im Umfang der eigenen Not-
wendigkeit vor. Die individuellen Unternehmenseigenschaften determinieren also den Um-
fang der Dokumentation. Auch bei der Dokumentation gilt nun: Mussten bisher die 20 QM-
Elemente unabhängig von Größe und Branche des Unternehmens zwingend beachtet werden,
können heute die nicht passenden Elemente ausgeschlossen werden.
Die Ziele und Effekte der neuen Norm liegen insbesondere in dem Anspruch, die Norm
stärker mit ,,echtem" Qualitätsmanagement zu verbinden. Unternehmen, die lediglich auf ein
Zertifikat wert legen, werden es schwerer haben
47
. Alle Unternehmensbereiche werden durch
46
Bläsing, J. (1999), S. 137
47
Becker, P. (2002), S. 43

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832483005
ISBN (Paperback)
9783838683003
DOI
10.3239/9783832483005
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften München – Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2004 (September)
Note
1,0
Schlagworte
prozessoptimierung prozessdarstellung qulitätsmanagement prozessorientierung
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Titel: Kosten-/ Nutzenüberlegungen der Zertifizierung nach ISO 9000:2000
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