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Kundenbindung im Lebensmitteleinzelhandel

Eine Analyse der Möglichkeiten und Instrumente zur Quantifizierung, Implementierung und Optimierung als Entscheidungsgrundlage für Unternehmen mit konkreten Fallbeispielen (ALDI Süd und TESCO)

©2002 Diplomarbeit 123 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Der Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland sieht sich seit Jahren mit einem tief greifenden strukturellen Wandel konfrontiert. Die Unternehmen agieren in hochgradig gesättigten Märkten, wodurch sich Marktanteilsgewinne nahezu ausschließlich über einen Verdrängungswettbewerb unter Anwendung einer Preis-Mengen-Strategie erzielen lassen, was im deutschen LEH zu einem intensiven, zum Teil ruinösen Preiskampf führte und sich im weltweit geringsten Niveau der Umsatzrendite widerspiegelt.
Die zunehmende Austauschbarkeit der Sortimentskategorien, die in den verschiedenen Einzelhandelsbranchen angeboten werden, mindern für die agierenden Unternehmen die Möglichkeit der Generierung von Alleinstellungsmerkmalen über das Sortiment und münden oftmals in eine Profillosigkeit und Austauschbarkeit der Einzelhandelsunternehmen aus Kundensicht.
Es besteht in Wissenschaft und Praxis heute kein Zweifel mehr daran, dass die Fähigkeit von Unternehmen, Kundenorientierung intern wie extern durchzusetzen, einen der zentralen Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung darstellt, besonders angesichts der demografischen Entwicklung der kommenden Dekaden mit signifikant abnehmenden Umsatzpotentialen.
Vor dem Hintergrund sich stetig verändernder Rahmenbedingungen - Globalisierung, Individualisierung des Konsums, hohes Ausrüstungsniveau der Haushalte, Verschiebung des Konsums von Waren hin zu Dienstleistungen oder sinkende reale Kaufkraft seien exemplarisch genannt – nimmt die Kundenbindung als strategisches Marketingziel branchenübergreifend einen stetig wachsenden Stellenwert ein.
Im LEH, der von demografisch bedingten Marktsättigungserscheinungen in besonderem Maße betroffen sein wird, da Bevölkerungsentwicklung und Lebensmittelkonsum positiv korrelieren, gewinnt die Pflege und Erhaltung bestehender Kundenbeziehungen zunehmend an Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe vorliegender Arbeit darin, kritisch zu untersuchen, welche Möglichkeiten und Instrumente im LEH existieren, freiwillige Kundenbindung im Sinne echter Kundenloyalität zu quantifizieren, zu optimieren und als strategische Option im Sinne marktorientierter Unternehmensführung zu nutzen. Dazu werden diverse, in der Literatur als besonders wirksam angesehene Kundenbindungsmaßnahmen und Messmethoden dargestellt und kritisch beleuchtet. Zudem werden elementare Verhaltensmuster von Kunden im LEH aufgezeigt, um denkbare, kundentypenorientierte Grundstrategien der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8226
Lindner, Jens: Kundenbindung im Lebensmitteleinzelhandel - Eine Analyse der
Möglichkeiten und Instrumente zur Quantifizierung, Implementierung und Optimierung
als Entscheidungsgrundlage für Unternehmen mit konkreten Fallbeispielen (ALDI Süd
und TESCO)
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Munich Business School (MBS), Diplomarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

V
ORWORT
Die Erstellung vorliegender Diplomarbeit bildet den Abschluss meines vierjährigen
Studiums an der Europäischen Betriebswirtschafts-Akademie München. Deshalb möchte
ich mich an dieser Stelle bei allen Personen bedanken, die mir von Seiten der Hochschule
durch ihr persönliches Engagement einen erfolgreichen Studienverlauf ermöglicht haben.
Ich möchte zudem denjenigen danken, die mich bei der Arbeit an diesem Manuskript
maßgeblich unterstützt haben.
Besonderer Dank gebührt Herrn Dipl. Kfm. Michael Losberg, Leiter Verkauf der Unter-
nehmensgruppe ALDI Süd, Regenstauf, der die vorliegende Arbeit als Tutor betreut hat
und von dem ich entscheidende Wegleitungen für den gedanklichen Rahmen dieser Arbeit
erhielt, der mir aber zugleich die notwendigen Freiräume für die Füllung dieses Rahmens
ließ.
Darüber hinaus möchte ich Herrn Prof. Dr. Harald Müllich für seine methodische
Unterstützung und engagierte Betreuung danken, die mir in unterschiedlichen Phasen der
Erstellung dieser Arbeit eine große Hilfe war.
Ein ganz besonderer Dank geht, last but not least, an meine Eltern, Heinz und Augustine,
die mir dieses Studium und eine sorgenfreie Studentenzeit ermöglicht haben.
München, im Oktober 2002
Jens Philipp Lindner

I
I
NHALTSVERZEICHNIS
I
NHALTSVERZEICHNIS
... I
A
BBILDUNGS
-
UND TABELLENVERZEICHNIS
...IV
A
NHANGSVERZEICHNIS
... V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
... VII
1.
Ziel, Aufbau und Hintergrund dieser Arbeit ...1
1.1
Problemstellung und Zielsetzung ...1
1.2
Vorgehensweise und Aufbau...2
1.3
Entwicklung der Kundenbindung als Marketingziel ...3
2.
Konzeptionelle Grundlagen der Kundenbindung...5
2.1
Definition und begriffliche Abgrenzung ...5
2.2
Messkonzepte zur Quantifizierung ...7
2.2.1 Behavioristische
Ansätze ...8
2.2.2 Einstellungsorientierte
Ansätze ...11
2.2.3 Kombinierte
Verfahren ...13
2.3
Bestimmungsfaktoren...14
2.3.1 Involvement ...15
2.3.2 Commitment ...16
2.3.3 Vertrauen...17
2.4
Kundenorientierung als Grundvoraussetzung...17
2.5
Kundenzufriedenheit als Indikator für Kundenorientierung...19

II
3.
Kundenbindung als Zielgröße im LEH...22
3.1
Begriffliche Abgrenzung und aktuelle Situation in Deutschland ...22
3.2
Integration in das Zielsystem...26
3.3
Auswirkung auf die Rentabilität ...28
3.4
Kundentypenbezogene Loyalitätsverhaltensmuster...31
3.4.1
Das notorische Ladenwechseln...32
3.4.2
Das unregelmäßige Ladenwechseln...33
3.4.3
Die eingefahrene Ladentreue ...34
3.4.4
Das unvermeidbare Ladenwechseln...35
3.5
Kundentypenspezifische Grundsatzstrategien...35
4.
Instrumente zur Verbesserung der Kundenbindung im LEH...38
4.1
Produktpolitische Ansatzpunkte ...39
4.1.1
Sortimentspolitik als Basis langfristiger Geschäftsbeziehungen ...39
4.1.2
Handels- und Gattungsmarkenpolitik ...41
4.1.3 Serviceleistungen ...42
4.2
Kommunikationspolitische Aktivitäten ...44
4.2.1 Interne
Kommunikation ...44
4.2.2 Aktives
Beschwerdemanagement ...46
4.2.3 Kundenclub ...49
4.2.4 Kundenzeitschrift...50
4.2.5 Database
­
Marketing ...51
4.3
Preispolitische Optionen...52
4.3.1 Preispolitik ...52
4.3.2 Konditionenpolitik ...54
4.3.2.1 Kundenkartensysteme ...55
4.3.2.2 Bonus- und Treueprogramme ...57
4.4
Kundentypenspezifisches Grundraster für Instrumentalentscheidungen ..58

III
5.
Anwendungsbeispiele von Kundenbindungsstrategien im LEH...60
5.1
Fallbeispiel Tesco ...61
5.1.1
Individualisierung von Loyalitätskonzepten...61
5.1.2
Integrative Analyse kundenbezogener Informationen ...63
5.1.3 Mehrdimensionales
Kunden-Controlling...64
5.1.4 Kundensegmentbezogene
Bindungsstrategien...66
5.2
Fallbeispiel ALDI Süd ...68
5.2.1 Qualität...70
5.2.2 Vertrauenswürdigkeit...72
5.2.3 Convenience...73
5.2.4 Abwechslung...76
5.2.5
Zufriedenheits-Matrix zur Ableitung weiterer Handlungsoptionen...77
6.
Schlussbemerkungen ...79
6.1
Zusammenfassung...79
6.2
Ausblick ...80
A
NHANG
... VIII
L
ITERATUR
-
UND
Q
UELLENVERZEICHNIS
... XXIX

IV
A
BBILDUNGS
-
UND TABELLENVERZEICHNIS
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb.1:
Das
Zufriedenheitsportfolio
21
Abb.2:
Wertschöpfungskette
der
Ernährungsindustrie
23
Abb.3:
Markenprofile führender Unternehmen im deutschen LEH
25
Abb.4:
Kundenbindung im Zielsystem von Lebensmitteleinzelhandels-
unternehmen
27
Abb.5:
Ursachen steigender Rentabilität bei zunehmender Dauer
einer
Kundenbeziehung
30
Abb.6:
Dominante
Motive
und
Verhaltensweisen 32
Abb.7:
Basis-Strategien der Kundenbindung im LEH
36
Abb.8:
Bindungseignung
kundenpolitischer
Instrumente 38
Abb.9:
Teilziele
einer
bindungsorientierten
Preispolitik
53
Abb.10:
Informationsmanagement durch Integration interner und
externer
Informationen
64
Abb.11:
Der
"Loyalitätswürfel"
von
Tesco
65
Abb.12:
Haupterfolgsfaktoren des Unternehmens ALDI Süd
70
Abb.13:
Kundenzufriedenheits-Portfolio von ALDI Süd
78
TABELLENVERZEICHNIS
Tab.1:
Beispielhafte Kaufsequenz für das Häufigkeitskonzept
9
Tab.2:
Beispielhafte Anteilswerte für Sortimentsbereiche
10
Tab.3:
Beispielhafte Kaufsequenz für das Gesamtanzahlkonzept
10
Tab.4:
Hauptvertriebsformen
des
LEH
24
Tab.5:
Kundentypenspezifisches Grundraster für Instrumentalentscheidungen 60

V
A
NHANGSVERZEICHNIS
A
NHANG
A: A
BBILDUNGEN UND
T
ABELLEN
A-1:
Exemplarische Skizze eines Messansatzes für Kundenbindung im LEH
VIII
A-2:
Determinanten
der
Kundenbindung
VIII
A-3:
Bestimmung des stationären LEH als Gegenstand dieser Arbeit
IX
A-4:
Umsatzentwicklung im deutschen LEH nach Vertriebsformen
IX
A-5:
Umsatzentwicklung im Geschäftsjahr 2000 in Prozent
X
A-6:
Die Top 10 des deutschen LEH 2000
X
A-7:
Gesamtumsatz des deutschen LEH im Geschäftsjahr 2000
XI
A-8:
LEH-Ranking des Deutschen Servicebarometers im Geschäftsjahr 2000
XI
A-9:
Determinanten des Kaufverhaltens im LEH
XII
A-10: Chancen und Risiken durch den Wegfall des Rabattgesetzes
und
der
Zugabe-VO
XII
A-11: Kundenprofile mit unterschiedlicher Aussagekraft
XIII
A-12: Basisstrategien zur Kundenentwicklung am Beispiel Tesco
XIII
A-13: Gegenüberstellung führender deutscher Lebensmittel-Discounter
XIV

VI
A
NHANG
B: E
RGEBNISSE EINER EIGENEN EMPIRISCHEN
E
RHEBUNG UNTER
ALDI S
ÜD
­ K
UNDEN
B-1:
Attraktivität
der
Aktionsartikel
XV
B-2:
Aussagekraft
der
Erhebung
XVI
B-3:
Geschlechterverteilung
der
Probanden
XVII
B-4:
Altersstruktur
der
Probanden
XVII
B-5:
Haushaltsstruktur und soziodemografisch dominierender Kundentyp
XVIII
B-6:
Globalzufriedenheit
XIX
B-7:
Kundenzufriedenheit mit diversen Leistungsmerkmalen
XX
B-8:
Weiterempfehlungstendenz
XXI
B-9:
Wichtigkeit
diverser
Leistungskriterien
XXII
B-10:
Beschwerdeverhalten
XXIII
B-11:
Verbesserungsnotwendigkeiten
XXIV
B-12:
Divergenz in der Kundenwahrnehmung zwischen ALDI Süd und LIDL XXV
B-13:
Haupterfolgsfaktoren
aus
Kundensicht
XXVI
B-14:
Mehrpreisakzeptanz
bei
Ökoprodukten
XXVI
B-15:
Wunsch
nach
bargeldloser
Zahlung
XXVII
B-16:
Aufmerksamkeit
für
neue
Artikel XXVII
B-17:
Angebot
von
Finanzprodukten
XXVIII

VII
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
BCG
Boston
Consulting
Group
BSE
Bovine
Spongiforme
Enzephalopathie
CM
Category
Management
DBW
Die
Betriebswirtschaft
Diss.
Dissertation
E-
Commerce
Electronic
Commerce
ECR
Efficient
Customer
Response
EDV
Elektronische
Datenverarbeitung
E/V-Hypothese Einstellungs-Verhaltens-Hypothese
FfH
Forschungsstelle für den Handel (Berlin)
GDI
Gottlieb
Duttweiler
Institut
(Zürich)
GfK
Gesellschaft
für
Konsumforschung
(Nürnberg)
Habil.-Schrift
Habilitationsschrift
IfH
Institut
für
Handelsforschung
(Köln)
IT
Informationstechnologie
JMR
Journal
of
Marketing
LEH
LEH
MKS
Maul-
und
Klauenseuche
PC
Personal-Computer
plc
Public
Limited
Company
PM
Performance
Management
POS
Point
of
Sale
PR
Public
Relations
QS
Qualität
und
Sicherheit
GmbH
SB
Selbstbedienung
TQM
Total
Quality
Management
WISU
Das
Wirtschaftsstudium
Zugabe-
VO
Zugabe-Verordnung

1
1.
Ziel, Aufbau und Hintergrund dieser Arbeit
1.1
Problemstellung und Zielsetzung
Der Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland sieht sich seit Jahren mit einem tief
greifenden strukturellen Wandel konfrontiert.
1
Die Unternehmen agieren in hochgradig
gesättigten Märkten, wodurch sich Marktanteilsgewinne nahezu ausschließlich über einen
Verdrängungswettbewerb unter Anwendung einer Preis-Mengen-Strategie erzielen lassen,
was im deutschen LEH zu einem intensiven, zum Teil ruinösen Preiskampf führte und
sich im weltweit geringsten Niveau der Umsatzrendite widerspiegelt.
2
Die zunehmende Austauschbarkeit der Sortimentskategorien, die in den verschiedenen
Einzelhandelsbranchen angeboten werden, mindern für die agierenden Unternehmen die
Möglichkeit der Generierung von Alleinstellungsmerkmalen über das Sortiment und
münden oftmals in eine Profillosigkeit und Austauschbarkeit der Einzelhandels-
unternehmen aus Kundensicht.
Es besteht in Wissenschaft und Praxis heute kein Zweifel mehr daran, dass die Fähigkeit
von Unternehmen, Kundenorientierung intern wie extern durchzusetzen, einen der
zentralen Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung darstellt, besonders angesichts der
demografischen Entwicklung der kommenden Dekaden mit signifikant abnehmenden
Umsatzpotentialen.
Vor dem Hintergrund sich stetig verändernder Rahmenbedingungen - Globalisierung,
Individualisierung des Konsums, hohes Ausrüstungsniveau der Haushalte, Verschiebung
des Konsums von Waren hin zu Dienstleistungen oder sinkende reale Kaufkraft seien
exemplarisch genannt ­ nimmt die Kundenbindung als strategisches Marketingziel
branchenübergreifend einen stetig wachsenden Stellenwert ein.
3
Im LEH, der von demografisch bedingten Marktsättigungserscheinungen in besonderem
Maße betroffen sein wird, da Bevölkerungsentwicklung und Lebensmittelkonsum positiv
korrelieren, gewinnt die Pflege und Erhaltung bestehender Kundenbeziehungen
zunehmend an Bedeutung.
1
Vgl. Rehmann, K.; Gierl, H. (1985): Die Marktbedeutung der Betriebsformen des Einzelhandels in
Vergangenheit und Zukunft, in: Markenartikel, 1985, Heft 2, S.69.
2
Vgl. Esch, F.-R. (1992): Strategieoperationalisierung in Handelsunternehmen zur effizienten Abgrenzung
von Konkurrenzunternehmen ­ Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz, in: Trommsdorff, V. (Hrsg.),
Handelsforschung ­ Jahrbuch der Forschungsstelle für den Handel (FfH) e.V. 1992-93, Wiesbaden 1993,
S.299.
3
Vgl. Wolf, S. (1997): Kundenbindung durch Qualitätsmanagement in Einzelhandelsbetrieben, Diss.
Universität Göttingen 1996, Göttingen, S.2.

2
Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe vorliegender Arbeit darin, kritisch zu
untersuchen, welche Möglichkeiten und Instrumente im LEH existieren, freiwillige
Kundenbindung im Sinne echter Kundenloyalität zu quantifizieren, zu optimieren und als
strategische Option im Sinne marktorientierter Unternehmensführung zu nutzen. Dazu
werden diverse, in der Literatur als besonders wirksam angesehene
Kundenbindungsmaßnahmen und Messmethoden dargestellt und kritisch beleuchtet.
Zudem werden elementare Verhaltensmuster von Kunden im LEH aufgezeigt, um
denkbare, kundentypenorientierte Grundstrategien der Kundenbindung zu erläutern. Zwei
kontrastiv gewählte, praxisorientierte Fallbeispiele von Unternehmen im In- und Ausland
stellen die jeweiligen Kernelemente verschiedenartiger Bindungsansätze im LEH dar und
verdeutlichen die Flexibilität in der strategischen und operativen Gestaltung dauerhafter
Kundenbeziehungen. Dabei wird sich vorliegende Arbeit punktuell auf persönlich
erhobene Erkenntnisse aus einer unveröffentlichten Studie zum Einkaufsverhalten von
Kunden der Unternehmensgruppe ALDI Süd beziehen, die in Exzerpten dem Anhang
dieser Arbeit beigefügt ist.
1.2
Vorgehensweise und Aufbau
Um die genannte Zielsetzung zu erreichen, wird im nachfolgenden Abschnitt einleitend
die historische Entwicklung der Kundenbindung als Marketingziel dargestellt, um dem
Leser zu verdeutlichen, dass Kundenbindung erst im Zuge von Marktveränderungs-
prozessen als Unternehmensziel Bedeutung erlangte.
Da eine Optimierung der Kundenbindung unmöglich wäre, ohne diese quantifizieren zu
können beziehungsweise elementare Bestimmungsgrößen zu kennen, werden im nächsten
Schritt zentrale konzeptionelle Grundlagen der Kundenbindung dargestellt. Außerdem
wird eine für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit sinnvolle Definition der
Kundenbindung festgelegt. Schließlich werden die zentralen Begriffe Kundenorientierung
und Kundenzufriedenheit hinsichtlich Funktion und Begriffzusammenhang mit der
Thematik dieser Arbeit untersucht.
Im Sinne weiter gehender Fokussierung wird in Kapitel 3 die Kundenbindung im
deutschen LEH untersucht und es werden grundlegende Bindungsstrategien, die sich aus
verschiedenen Loyalitätsverhaltensmustern ableiten, entwickelt, um zu unterstreichen,
dass die Wirksamkeit diverser Bindungsinstrumente maßgeblich vom jeweiligen Kunden-
typus abhängt.
Darauf aufbauend, stellt Kapitel 4 die aus Sichtweise der Unternehmenspraxis
wirksamsten Instrumente zur Optimierung der Kundenbindung aus den Bereichen

3
Sortimentspolitik, Kommunikationspolitik und Preispolitik dar und untersucht diese
kritisch.
Zwei Fallbeispiele der Unternehmen Tesco und ALDI Süd erweitern vorliegende Arbeit
um eine praxisorientierte wie aktuelle Dimension, indem die jeweiligen Kernelemente der
Bindungsstrategien zweier Marktführer herausgestellt und, im Falle ALDI Süd, durch
konkrete Handlungsvorschläge, abgeleitet aus einer eigenen empirischen Arbeit, ergänzt
werden. Mit der Zusammenfassung der Ergebnisse und dem Ausblick schließt diese
Arbeit.
Die Herangehensweise an die Themenstellung wird durch die duale Funktion der selbst
erstellten, empirischen Studie zum Einkaufsverhalten von ALDI Süd - Kunden bestimmt:
Einerseits werden dadurch bestimmte theoretische Konstrukte, wie beispielsweise die
Bindungswirkung der Preispolitik, empirisch belegt, andererseits bietet die Erhebung
zahlreiche Ansatzpunkte für denkbare Handlungsoptionen zur Verbesserung der
Kundenbindung, die punktuell in der Fallstudie ALDI Süd dargestellt werden. Aufgrund
eigener Erfahrungen im Zuge der empirischen Erhebung, unterstützt durch zahlreiche
Gespräche mit Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen des Unternehmens ALDI
Süd und somit dank der besseren Informationslage, steht der deutsche LEH unter
besonderer Berücksichtigung des Discount-Segments im Vordergrund der Betrachtungen.
1.3
Entwicklung der Kundenbindung als Marketingziel
Die wachsende Bedeutung ganzheitlicher Kundenorientierung als normative Leitebene
unternehmerischen Denkens und Handelns, ausgerichtet auf das "Finalziel" dauerhafter
Kundenbindung, ist nicht zuletzt auf die Veränderung der Märkte im Zeitverlauf
zurückzuführen.
Die strategische Entscheidungsfindung im Rahmen von Marktveränderungsprozessen
gehört zu den unternehmerischen Kernaufgaben, die dem Marketing als Unternehmens-
funktion zugeordnet werden. Insofern besteht zwischen den Themenbereichen Kunden-
orientierung und Marketing von jeher ein enger Zusammenhang.
4
In den fünfziger Jahren, welche die Marketinglehre nach Meffert als Phase der
Distributionsorientierung bezeichnet, stellte die Bereitstellung ausreichender Produktions-
kapazitäten den entscheidenden Engpassfaktor dar, da im ,,Nachkriegsdeutschland" ein
konsumtiver Nachfrageüberhang bestand. Das Hauptziel der Unternehmen war
dementsprechend dahingehend orientiert, ihre Produktionskapazitäten auszubauen und die
4
Vgl. Bruhn, M. (1999): Kundenorientierung ­ Bausteine eines exzellenten Unternehmens, Basel, S.2.

4
hergestellte Ware effizient zu vertreiben, wobei Kundenorientierung lediglich einen
untergeordneten Stellenwert einnahm.
5
Die Neukundenorientierung in den sechziger Jahren war durch den Wandel von
Verkäufer- zu Käufermärkten bedingt, wodurch die Neukundenakquisition in der
unternehmerischen Zielplanung eine Schlüsselstellung einnahm. Der zeitliche Horizont
der Marketingaktivitäten war eher kurzfristiger Natur, wobei der Fokus der Bemühungen
im Sinne des so genannten Transaktions-Marketing ausschließlich auf der Vorkaufphase
lag. Dementsprechend war die Zufriedenheit des Kunden und der Aufbau langfristiger
Kundenbeziehungen nur in Ausnahmefällen von erhöhter Wichtigkeit.
6
In der Phase der Handelsorientierung Anfang der siebziger Jahre vollzog sich ein Wandel
im Rollenverständnis zwischen Herstellern und dem Handel, der aufgrund des fort-
schreitenden Konzentrationsprozesses und bedingt durch eine Professionalisierung der
Betriebskonzepte die Stellung eines äquivalenten Partners der Industrie einnahm. Mit
wachsender Bedeutung der "Gatekeeper-Funktion" des Handels, welcher mittels seiner
Sortimentspolitik die "Tür" zum Verbraucher öffnen oder schließen kann, erfolgte ein
Richtungswechsel in der Marketingstrategie der Hersteller, um auf die gestiegene
Marktmacht des Handels zu reagieren.
7
In den achtziger Jahren, der Phase der Wettbewerbsorientierung, entwickelte sich
aufgrund steigender Marktsättigung, wachsender Akquisitionskosten und einer sich
verschärfenden Konkurrenzsituation ein bedingungsloser Verdrängungswettbewerb, der
dazu führte, "(...) dass der Kampf um den Kunden mehr und mehr zum Null-Summen-
Spiel wurde"
8
. Die Abgrenzung und Profilierung des eigenen Leistungsangebotes
gegenüber Mitbewerbern gewann angesichts zunehmend gleichgerichteter Marketing-
aktivitäten und wachsender Homogenität der Produkte zunehmend an Bedeutung,
während die Orientierung an den eigentlichen Bedürfnissen des Kunden in den
Hintergrund rückte.
9
Erst in den neunziger Jahren, dem Beginn der Phase externer und interner
Kundenorientierung, erfolgte eine Veränderung im Beziehungsgefüge zwischen Anbieter
und Kunde aufgrund sinkender Nachfragerloyalität. Zahlreiche hierfür verantwortliche
5
Vgl. Meffert, H. (1994): Marketing Management ­ Analyse, Strategie, Implementierung, Wiesbaden, S. 3-
4.
6
Vgl. Schneider, W. (2000): Kundenzufriedenheit ­ Strategie, Messung, Management, 1.Auflage,
Landsberg/Lech, S. 13.
7
Vgl. ebenda, S.14.
8
Ebenda.
9
Vgl. Bruhn, M. (1999), S. 5.

5
Entwicklungen im ökonomischen, technologischen und gesellschaftspolitisch-sozialen
Umfeld erschwerten den Unternehmen die Generierung von Alleinstellungsmerkmalen
und damit die, ökonomisch bedeutsame, Bindung des bestehenden Kundenkreises.
10
Um im gegenwärtigen, in der Literatur oftmals als "Hyperwettbewerb"
11
bezeichneten
Wettbewerbsumfeld bestehen zu können, versprechen langfristige Anbieter-Nachfrager-
Beziehungen mehr Erfolg als die nachweislich kostenintensivere Akquisition neuer
Kunden. Vor diesem Hintergrund erscheint nachvollziehbar, warum die nachhaltige
Bindung des Kunden branchenübergreifend zum zentralen Marketingziel avancierte.
2.
Konzeptionelle Grundlagen der Kundenbindung
2.1
Definition und begriffliche Abgrenzung
Im Interesse der Eindeutigkeit nachfolgender Ausführungen erscheint es geboten,
zunächst die Begrifflichkeit ,,Kunde" näher zu untersuchen, da dieser gemeinhin durch
ähnliche Begriffe und vermeintliche Synonyme wie Abnehmer, Nachfrager, Käufer oder
Konsument ersetzt wird. Einschlägigen Nachschlagewerken zufolge wird ein Kunde als
,,reale, im weiteren Sinne auch als potentielle Partei auf der Nachfrageseite eines
Marktes"
12
definiert, die aus einer Einzelperson, einer Institution oder einer Organisation
mit mehreren Entscheidungsträgern im Sinne des so genannten ,,buying center" bestehen
kann, welche bei einem Anbieter mit einem gewissen Maß an Regelmäßigkeit ihren
Bedarf deckt.
13
Der Begriff ,,Kundenbindung" bezieht sich gleichermaßen auf den Aufbau, die
Aufrechterhaltung und die Absicherung einer Geschäftsbeziehung
14
, die als nicht zufällige
Folge von Markttransaktionen zwischen Lieferant und Kunde angesehen werden kann.
15
,,Nicht zufällig" bedeutet in diesem Zusammenhang einerseits, dass auf Anbieter- oder
Nachfragerseite Gründe existieren, die eine planmäßige Verknüpfung zwischen
Markttransaktionen sinnvoll und notwendig erscheinen lassen, oder andererseits, dass
Wechselbarrieren vorliegen, die notwendigerweise zu einer Verknüpfung führen.
16
10
Vgl. Schneider, W. (2000), S. 15.
11
Bruhn, M. (1999), S. 5.
12
Siehe Schlagwort ,,Kunde" in Dichtl, E.; Issing, O. (1993): Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 1,
überarbeitete und erweiterte Auflage, München, S.1253.
13
Vgl. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hoerschgen, H. (1997): Marketing, 18. Auflage, Berlin, S.40.
14
Die Begriffe Anbieter-Abnehmer-Beziehung, Lieferanten-Kunden-Beziehung sowie Geschäftsbeziehung
werden im Folgenden synonym verwendet.
15
Vgl. Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, in: Kleinaltenkamp, M.;
Plinke, W. (Hrsg.): Geschäftsbeziehungsmanagement, Berlin u.a.1997, S.23, und Rieker, S. (1995):
Bedeutende Kunden, Wiesbaden, S.1 u. S.11.
16
Vgl. ebenda, S.23.

6
Wenngleich der Begriff Kundenbindung in der Marketingliteratur in vielfältiger Weise
Verwendung findet, bleibt festzustellen, dass eine präzise Konzeptionalisierung der
Kundenbindung bislang selten ist. Eine der wenigen intensiven Auseinandersetzungen mit
der Thematik stellt die Arbeit von Diller dar, wonach Kundenbindung drei zentrale
Komponenten beinhaltet, die situationsbezogen unterschiedliches Gewicht erlangen
können: Anbieter, Kunde und die Geschäftsbeziehung selbst.
17
Dementsprechend finden
sich in der Literatur sowohl angebots-, nachfrage- sowie geschäftsbeziehungsorientierte
Definitionen der Kundenbindung.
So betonen Nieschlag, Dichtl und Hörschgen die anbieterorientierte Sichtweise, indem sie
Kundenbindung als das ,,(...) Bemühen, Abnehmer mit ökonomischen, sozialen,
technischen oder juristischen Mitteln an einen Lieferanten zu ketten (...)"
18
, bezeichnen.
Bei dieser Begriffsterminierung steht das Bestreben des Anbieters, den Kunden mittels
gezielter Marketingstrategien an einem Wechsel zu Konkurrenten zu hindern und zum
Wiederholungskauf zu bewegen, im Vordergrund.
Bei stärkerer definitorischer Bezugnahme auf die Käuferpartei lässt sich Kundenbindung
als Einstellung eines Abnehmers zu einer Geschäftsbeziehung mit einem bestimmten
Anbieter definieren, die sich in seiner Bereitschaft zu Folgetransaktionen mit eben diesem
niederschlägt.
19
Diese Sichtweise betonen auch Meyer und Oevermann, indem sie
Kundenbindung als ,,das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten eines Kunden
und dessen zukünftige Wiederkauf-, Zusatzkauf- und Weiterempfehlungsabsicht
gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen, das seinerseits aus psychologischen,
situativen, rechtlichen, ökonomischen oder technologischen Bindungsursachen resultieren
kann (...)"
20
, bezeichnen.
Steht die Geschäftsbeziehung im Zentrum der Begriffsbestimmung, so lässt sich
Kundenbindung über das Ausmaß des tatsächlichen Kontakt- und Kaufverhaltens eines
Kunden gegenüber einem Anbieter definieren, wobei als Indikator der Grad der
Einkaufskonzentration, im LEH als ,,Anteil am Geldbeutel" bezeichnet, fungieren kann.
21
Für vorliegende Arbeit, in deren Mittelpunkt die freiwillige Kundenbindung als Zielgröße
von Unternehmen im LEH steht, erscheint es zweckmäßig, bei der Begriffsbestimmung an
17
Vgl. Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungsmarketing, Arbeitspapier Nr.40,
Lehrstuhl für Marketing, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, S.6-50.
18
Vgl. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hoerschgen, H. (1994): Marketing, 17. Auflage, Berlin, S.125.
19
Vgl. Diller, H. (1995), S.6.
20
Meyer, A.; Oevermann, D. (1995): Kundenbindung, in: Tietz, B. (Hrsg.): Handwörterbuch des Marketing,
2. Auflage, S.1342.
21
Vgl. Diller H. (1995), S.8

7
leicht beobachtbaren Transaktionsmerkmalen einer Geschäftsbeziehung anzusetzen und
dementsprechend der Begriffsdefinition von Diller zu folgen:
,,Kundenbindung liegt dann vor, wenn innerhalb eines zweckmäßig definierten
Zeitraums wiederholte Informations-, Güter- oder Finanztransaktionen zwischen zwei
Geschäftspartnern stattgefunden haben (ex post) oder geplant sind (ex ante),
unabhängig davon, ob diese verhaltens- oder einstellungsbedingt erfolgen."
22
Die Bestimmung des relevanten Zeitraums, innerhalb dessen sich Transaktionen
wiederholen müssen, um den Tatbestandsvoraussetzungen per Definition zu entsprechen,
orientiert sich an der Art des Leistungsgegenstandes.
23
So erstreckt sich die Zeitspanne im
Automobilbereich häufig auf mehrere Jahre, während sie im LEH lediglich wenige Tage
oder Wochen umfasst.
2.2 Messkonzepte zur Quantifizierung
Der gewählten Definition der Kundenbindung nach Diller folgend, die sowohl eine
einstellungs- als auch eine verhaltensbezogene Komponente einschließt, stellt
Kundenbindung ein kundenpolitisches Marketingziel dar, infolgedessen Handels-
unternehmungen die Intention verfolgen, langfristige Geschäftsbeziehungen zu Kunden
aufzubauen und letztere in künftigen Kaufsituationen zu Wiederholungskäufen zu
bewegen.
24
Eine elementare Voraussetzung für die Identifikation relevanter Bestimmungsgrößen der
Kundenbindung, auf die in Kapitel 3.3 noch näher einzugehen sein wird, besteht in der
Messbarkeit des Phänomens, da ohne Quantifizierungsmöglichkeit die Entwicklung
zentraler Einflussfaktoren weder dargestellt noch verglichen werden kann.
Da es sich hinsichtlich messbarer Variablen der Kundenbindung sowohl in der
Marketingliteratur als auch in der Unternehmenspraxis um eine bis dato wenig untersuchte
Thematik handelt, erscheinen für die Identifikation von Messgrößen die Verfahren aus
dem verwandten Untersuchungsfeld der Markentreue am vielversprechendsten und
können als Ansatzpunkte grundsätzlich herangezogen werden.
25
Dabei lassen sich die
22
Ebenda, S.10.
23
Vgl. Peter, S. (1999), S.9.
24
Vgl. Diller, H. (1996), S.84 ff.
25
Vgl. Diller, H. (1994): Einkaufsstättentreue, in: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes Marketing Lexikon,
München 1994, S.241 f.

8
verwendeten Messverfahren entsprechend ihrem Ansatzpunkt in behavioristische,
einstellungsorientierte und kombinierte Verfahren untergliedern.
26
2.2.1 Behavioristische
Ansätze
Behavioristische Messkonzepte sind dadurch gekennzeichnet, dass die jeweiligen
Indikatoren der Kundenbindung am beobachtbaren Wiederkaufverhalten von Kunden
innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ansetzen, um Kundenbindung zu quantifizieren.
Bildet das physisch beobachtbare Kaufverhalten der Konsumenten die Bezugsbasis, so
werden zur Evaluierung der Kundenbindung häufig Konzepte herangezogen, die an der
Kaufreihenfolge, der Einkaufshäufigkeit, dem Anteil einer erworbenen Marke am Gesamt-
einkaufsvolumen, der Gesamtzahl gewählter Marken oder der Wiederkauf-
wahrscheinlichkeit ansetzen.
27
Das Kaufreihenfolgekonzept
Dieses Messverfahren betrachtet die Sequenz, mit der die jeweilige Einkaufsstätte von
Kunden innerhalb einer bestimmten Periode frequentiert wird. Dabei wird lediglich
festgehalten, in welchen Einkaufsstätten und in welcher Reihenfolge der Kunde innerhalb
des Betrachtungszeitraumes eingekauft hat.
28
Entsprechend der dabei erhobenen
Einkaufssequenzen werden dem Kunden unterschiedliche Treuegrade zugeordnet.
Brown als Begründer dieses Ansatzes, der ursprünglich zur Quantifizierung von
Markentreue konzipiert war, unterscheidet dabei vier Abstufungen der Einkaufsstätten-
treue:
29
ungeteilte Einkaufsstättentreue, nach der ein Konsument die entsprechenden
Sortimentskategorien innerhalb einer bestimmten Periode ausschließlich in einem
Geschäft einkauft (,,single sourcing").
geteilte Einkaufsstättentreue, wonach ein Konsument in zwei aufeinander folgenden
Perioden gleiche Sortimentskategorien in zwei unterschiedlichen Geschäften einkauft.
instabile Einkaufsstättentreue, infolge derer dem mehrmaligen Einkauf bestimmter
Sortimentskategorien in einem Geschäft der wiederholte Einkauf derselben in
mehreren Geschäften folgt.
Fehlen von Einkaufsstättentreue, da der Konsument nach dem Zufallsprinzip einkauft.
26
Vgl. Peter, S. (1997), S.74.
27
Vgl. ebenda, S.75.
28
Vgl. Diller, H. (1994), S.242.
29
Vgl. Brown, G. (1953): Brand Loyalty ­ Fact or Fiction?, in: Advertising Age, Vol. 24, S. 75 f.

9
Das elementare Problem dieses Messkonzeptes liegt in einer etwaigen Verzerrung von
Seiten des Betrachters, dessen Subjektivität es zu bestimmen beliebt, ab welcher Sequenz
ein Kunde als einkaufsstättentreu bezeichnet werden kann, und zum anderen, ab welcher
zeitlichen Distanz zwischen den Einkaufsvorgängen ein Kunde als untreu einzustufen ist.
Das Häufigkeitskonzept
Das Häufigkeitskonzept betrachtet, ähnlich dem Kaufreihenfolgekonzept, die Sequenz der
Einkaufsstättenwahl, wobei nicht die Struktur der Sequenz, sondern die in einer
Kaufsequenz unmittelbar aufeinander folgenden Käufe in einer Einkaufsstätte für die
Bildung eines Treueindex herangezogen werden.
30
Gegensätzlich zum Kaufreihenfolgekonzept ist bei diesem Messansatz auch die in der
Zukunft zu erwartende Entwicklung prognostizierbar. Die Nachvollziehbarkeit dieser
These soll dem Leser folgende Kaufsequenz, bei der die unterschiedlichen Einkaufsstätten
durch Buchstaben repräsentiert werden, verdeutlichen:
Tabelle 1: Beispielhafte Kaufsequenz für das Häufigkeitskonzept
Kaufsequenz 1: aabaababaa
Kaufsequenz 2: aaaaaaabbb
Quelle: Eigene Darstellung.
Vergleicht man beide Sequenzen, so ergibt sich jeweils ein Treueindex von 70 Prozent für
die Einkaufsstätte A, während die Wahrscheinlichkeit für einen Einkaufsstättenwechsel zu
B bei der zweiten Sequenz zweifellos höher erscheint.
31
Die Kernproblematik dieses Ansatzes besteht in der Nichtberücksichtigung der
Ausgabenhöhe in der jeweiligen Einkaufsstätte, da diese zwar über eine hohe Kunden-
frequenz verfügen kann, die dabei getätigten Umsätze jedoch eine unbefriedigende Höhe
aufweisen können.
Das Anteilskonzept am Einkaufsgesamtvolumen
Das Anteilskonzept bezieht sich auf den wertmäßigen Ausgabenanteil der in einer
bestimmten Einkaufsstätte erworbenen Waren in Relation zu den Gesamtausgaben für
diese Waren beziehungsweise Produktkategorien.
32
30
Vgl. Diller, H. (1994), S.242.
31
Vgl. Heinemann, M. (1976): Einkaufsstättenwahl und Firmentreue des Konsumenten, Münster, S.36,
zitiert bei: Jungwirth, G. (1997): Geschäftstreue im Einzelhandel ­ Determinanten, Erklärungsansätze,
Meßkonzepte, Diss. Universität Graz 1995, Wiesbaden, S.96.
32
Vgl. Jungwirth, G. (1997), S.95; und Cunningham, R. (1956): Brand Loyalty ­ What, where, how much?,
in: Harvard Business Review, Vol. 34, S. 118.

10
Tabelle 2: Beispielhafte Anteilswerte für Sortimentsbereiche
z.B.
Anteil am Frühstücksbedarf:
0,29
Anteil am Obst-/Gemüsebedarf:
0,45
Quelle: Eigene Darstellung.
Bezogen auf den LEH wird in diesem Zusammenhang oftmals vom ,,Anteil am
Geldbeutel" oder ,,Anteil am Kunden" gesprochen, um auszudrücken, welchen Anteil am
Gesamtlebensmittelbedarf ein Kunde bei einem bestimmten Anbieter deckt.
33
Durch
Ermittlung des kundenindividuellen Ausgabenanteils einer Sortimentskategorie wird der
Grad der Intensität in einem Intervall von 0 (keine Treue) bis 1 (ungeteilte Treue)
bestimmt. Der wesentliche Vorteil dieses Messansatzes besteht darin, dass ein kardinaler
Vergleich der individuellen Geschäftsstättentreue anhand der unterschiedlichen
Anteilswerte ermöglicht wird.
34
Nachteilig erscheint an diesem Messkonzept die fehlende
Berücksichtigung der Einkaufshäufigkeit bei der Bestimmung des Treuegrades sowie die
Absenz eines zuverlässigen Schwellenwertes, ab dem ein Kunde als ,,einkaufsstättentreu"
einzustufen ist.
35
Das Gesamtanzahlkonzept
Eine weitere Möglichkeit zur quantitativen Ermittlung der Einkaufsstättentreue besteht in
der Bestimmung der Einkaufskonzentration eines Konsumenten in einer bestimmten
Einkaufsstätte, bezogen auf die Gesamtzahl verschiedener Einkaufsstätten, die vom
Kunden innerhalb des Betrachtungszeitraumes frequentiert wurden.
36
Diesem Ansatz
zufolge wird davon ausgegangen, dass mit abnehmender Größe der Anzahl genutzter
Einkaufstätten die Einkaufsstättentreue steigt. Die aus Sicht des Verfassers bestehende
Fragwürdigkeit dieser Annahme wird anhand folgender Kaufsequenz, bei der die
unterschiedlichen Einkaufsstätten durch Buchstaben repräsentiert werden, deutlich:
Tabelle 3: Beispielhafte Kaufsequenz für das Gesamtanzahlkonzept
Kaufsequenz 1: abcdbacdcabd
Kaufsequenz 2: abcdeeeeeeeee
Quelle: Eigene Darstellung.
Legt man die Anzahl der frequentierten Einkaufsstätten als Beurteilungskriterium
zugrunde, deutet Sequenz 1 mit vier genutzten Einkaufsstätten fälschlicherweise auf ein
33
Vgl. Meyer, A.; Fend, L.; Specht, M. (Hrsg.) (1999): Kundenorientierung im Handel, Frankfurt a.M.,
S.134.
34
Vgl. Jungwirth, G. (1997), S.95.
35
Vgl. Diller, H. (1994), S.242.
36
Vgl. Farley, J.U. (1964): Why does "Brand Loyalty" vary over Products?, in: JMR, Vol.1, S.9.

11
höheres Maß an Einkaufsstättentreue hin als Kaufsequenz 2 mit fünf Einkaufsstätten.
Aufgrund der Anfälligkeit für Fehlinterpretationen sollte von diesem Messansatz bei der
Bestimmung der Kundenbindung abgesehen werden.
37
Das Konzept der Wiederkaufwahrscheinlichkeit
Divergent zu den bislang erörterten Messkonzepten handelt es sich hierbei um einen
probabilistischen Ansatz, demzufolge die Einkaufsstättentreue anhand der Wahr-
scheinlichkeit angegeben wird, mit der ein Kunde die von ihm bereits in der
Vergangenheit ein- oder mehrmals aufgesuchte Einkaufsstätte beim nächsten Einkauf
wieder aufsuchen wird.
Theoretischer Ausgangspunkt ist der Bereich stochastischer Prozessmodelle des
Markenauswahlverfahrens.
38
Dabei wird die chronologische Folge der von einem
Konsumenten in der Vergangenheit getätigten Markenkäufe als Stichprobe eines
stochastischen Modells angesehen und davon ausgegangen, dass man aufgrund der
unvollständigen Kenntnis über die beim Kaufvorgang ablaufenden psychischen Prozesse
lediglich eine mathematische Wahrscheinlichkeit dafür angeben kann, ob ein Konsument
beim nächsten Einkauf dieselbe Marke erneut erwirbt.
39
Abschließend bleibt kritisch festzustellen, dass durch die Nutzung ausschließlich
behavioristischer Messkonzepte lediglich beobachtbare Variablen erfasst werden, während
emotionale Vorgänge innerhalb des menschlichen Organismus unberücksichtigt bleiben,
obwohl diese maßgeblichen Einfluss auf das Bindungsverhalten ausüben. Somit kann sich
ein isolierter, nicht zuverlässiger Rückschluss auf die Kundenbindung ergeben, da der
wiederholte Erwerb bei einem Anbieter nicht notwendigerweise auf tatsächlicher
Kundenloyalität basieren muss, sondern auch rechtlich oder situativ bedingt sein kann.
40
2.2.2 Einstellungsorientierte
Ansätze
Neben behavioristischen Konzepten finden sich in der Literatur einstellungsorientierte
Ansätze, die dem Versuch dienen, die Einkaufsstättentreue eines Konsumenten
abzubilden. Die Messung der Kauf- und Besuchsabsichten der Kunden im LEH wird umso
schwieriger, je länger sich die Zeitspanne zwischen den Kaufakten erstreckt, je mehr
37
Vgl. hierzu auch Peter, S.(1997), S.76 ff.
38
Einen Überblick über stochastische Modelle des Markenauswahlverhaltens finden sich bei Herrmann, A.
(1992): Produktwahlverfahren, Erläuterung und Weiterentwicklung von Modellen zur Analyse des
Produktwahlverfahrens aus marketingtheoretischer Sicht, Stuttgart, S.96 ff.; und Nieschlag, R.; Dichtl, E.;
Hoerschgen, H. (1994), S.193 ff.
39
Vgl. Peter, S. (1997), S.76.
40
Vgl. ebenda, S.77 f.; und Stahl, H. (1998): Modernes Kundenmanagement, Renningen, S.84 f.

12
situative Faktoren die Kaufentscheidung beeinflussen und je weniger planvoll
Kaufentscheidungen getroffen werden.
41
Die Einstellung des Kunden ist ein bewährtes Konstrukt der verhaltenswissenschaftlichen
Marketingtheorie und bezeichnet die Prädisposition einer Person gegenüber einem
Gegenstand, dem Objekt der Einstellung.
42
Gemäß der ,,Drei-Komponenten-Theorie" nach
Hirschman bestehen Einstellungen aus einer kognitiven (Wissen über den
Einstellungsgegenstand), einer affektiven (das mit dem Gegenstand verbundene Gefühl)
sowie einer konativen (Aktionsbereitschaft des Konsumenten) Komponente.
43
Je
nachdem, welche Einstellungskomponente des Kunden vorrangig betrachtet wird, lassen
sich die Messkonzepte anhand der Indikatoren Präferenz, Wiederkaufabsicht und
Substitutionsbereitschaft unterscheiden.
Das Präferenzkonzept
Dieser Messansatz, bei dem die affektive Komponente im Vordergrund steht, geht von der
Überlegung aus, wonach sich die Einkaufsstättentreue eines Kunden darin niederschlägt,
dass dieser eine bestimmte Einkaufsstätte über einen längeren Zeitraum hinweg
präferiert.
44
Ein Vergleich konsumentenbezogener Daten über eine längere Zeitperiode
ermöglicht eine Aussage darüber, ob und in welchem Maße ein Kunde einkaufsstättentreu
ist. Allerdings unterliegt dieses Konzept einem hohen Maß an Subjektivität, da die
Bestimmung eines Schwellenwertes für die Einkaufsstättentreue willkürlich erfolgt.
45
Das Wiederkaufabsichtskonzept
Das Verfahren setzt an der konativen Komponente der Einstellung, also der
Aktionsbereitschaft des Konsumenten, an. Dessen, beispielsweise mittels Kunden-
befragung, erhobene Absicht, im Rahmen der nächsten Kaufhandlung eine bestimmte
Einkaufsstätte erneut zu frequentieren, fungiert als Indikator seiner Einkaufsstättentreue.
46
Kritisch anzumerken ist dabei, dass bei ausschließlicher Anwendung dieser globalen
Bestimmung die Beweggründe für die bekundete Aktionsbereitschaft diffus bleiben.
41
Vgl. Diller, H. (1995), S.15.
42
Vgl. Kroeber-Riehl, W. (1990): Konsumentenverhalten, 4.Auflage, München, S.162 ff.
43
Vgl. ebenda, S.163 ff.; und Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hoerschgen, H. (1997), S.169.
44
Das Konzept wurde von Guest (1942), bezogen auf Marken, bereits in den vierziger Jahren entwickelt und
an Markenpräferenzen von Jugendlichen, die bis ins Erwachsenenalter Bestand hatten, verdeutlicht. Eine
Reihe von Autoren griff diese Erkenntnisse auf; vgl. exemplarisch Jacoby, J.; Kyner, D. B.(1973): Brand
Loyalty vs. Repeat Purchasing Behaviour, in: JMR, Vol. 10, S.1 ff.
45
Vgl. Peter, S. (1997), S.80.
46
Vgl. Nolte, H. (1976), S.75 ff.

13
Das Substitutionsbereitschaftskonzept
Ähnlich dem Wiederkaufsabsichtkonzept, allerdings in diametraler Umkehr, wird die
Einkaufsstättentreue hierbei über die vom Kunden bekundete Bereitschaft ermittelt, die
üblicherweise aufgesuchte Einkaufsstätte unter bestimmten Umständen, die kognitiv
bedingt sind, bei zukünftigen Kaufhandlungen durch alternative Einkaufsstätten zu
ersetzen.
47
Bezogen auf den LEH stellen Preiserhöhungen einen essentiellen Substitutions-
grund dar, insbesondere aufgrund der durch die Währungsumstellung bedingten erhöhten
Sensibilisierung der Verbraucher.
48
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sämtliche einstellungsorientierten Messansätze
von der Annahme ausgehen, dass die Einstellung des Konsumenten sich in seinem
Verhalten widerspiegelt. Die eingeschränkte Validität dieser ,,E/V ­ Hypothese" belegt die
Existenz situativer Faktoren, wie beispielsweise ein plötzlich aufkommendes
Hungergefühl oder die Heimfahrt aus dem Urlaub, welche zu einem von der Einstellung
abweichenden Wahlverhalten der Einkaufsstätte führen können. Man spricht in diesem
Zusammenhang von einer Inkongruenz von Einstellung und Verhalten.
49
2.2.3 Kombinierte
Verfahren
Aufgrund der beschriebenen Unzulänglichkeiten der isolierten Anwendung
behavioristischer oder einstellungsorientierter Messkonzepte kommen zur Messung von
Kundenbindung primär kombinierte Verfahren zum Einsatz, welche das Kaufverhalten in
der Vergangenheit (Verhaltenskomponente) und die Kaufabsichten in der Zukunft
(Einstellungskomponente) miteinander verbinden.
50
Der Vorteil besteht darin, dass
exaktere Aussagen zur Einkaufsstättentreue eines Konsumenten möglich sind als mit der
Konzentration auf lediglich eine Komponente. Kritisch anzumerken ist hierbei, dass der
Zusammenhang zwischen Einstellung und Kaufverhalten ebenso ungeklärt bleibt wie die
Ermittlung der Faktoren, welche neben einer positiven Einstellung das Vorliegen von
Einkaufsstättentreue bedingen beziehungsweise ihre Entstehung verhindern.
51
Eine generelle Verknüpfung einstellungs- und verhaltensorientierter Kriterien ist nicht
möglich, da nicht bei allen Erscheinungsformen der Kundenbindung ein funktionaler
47
Vgl. Peter, S. (1997), S.80.
48
Vgl. Stahl, H. (1998), S.95.
49
Vgl. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hoerschgen, H. (1997), S.169 f.; und Bänsch, A. (1996): Käuferverhalten,
7.Auflage, München, S.40 ff. Beide Autoren setzen sich kritisch mit der ,,E/V-Hypothese" auseinander.
50
Vgl. Diller, H. (1995), S.15; und Nolte, H. (1976), S.82 ff.
51
Vgl. Peter, S. (1997), S.81.

14
Zusammenhang zwischen beiden Messkonzepten besteht.
52
So kann beispielsweise im
LEH die Bindung eines Kunden an einen Anbieter allein auf dessen Treueprogramm
beruhen, was die Kundenbindung erhöht, ohne dass eine positive Einstellung gegenüber
dem Unternehmen als solchem besteht. Entgegengesetzt fällt die geäußerte Wiederkauf-
absicht eines Supermarkt-Kunden in den Bereich einstellungsinduzierter Kundenbindung,
auch wenn dieser, beispielsweise aufgrund eines Umzuges, bei dem betreffenden
Unternehmen trotz positiver Einstellung künftig nicht mehr einkauft.
Bei der Entwicklung praktikabler Messverfahren sollten Spezifika der Branche,
einstellungs- wie auch verhaltensorientierte Indikatoren sowie retrospektive und
prospektive Aspekte der Geschäftsbeziehung berücksichtigt werden, da sich
Kundenbindung sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft beziehen kann.
53
2.3 Bestimmungsfaktoren
Im Zentrum der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Kundenbindung
steht die Frage nach den Bestimmungsgrößen des Beziehungserfolges. In der Fachliteratur
werden folgende Determinanten genannt, die gleichermaßen Ausmaß und Qualität der
Kundenbindung beeinflussen:
54
Psychologische Determinanten im Sinne subjektiver Aspekte im Anbieter-Nachfrager-
Verhältnis. Diese psychologisch induzierten Bindungen beruhen beispielsweise auf
dem Vertrauen des Kunden zum Anbieter, der Kundenzufriedenheit, dem Involvement
und dem Commitment.
Situative Determinanten, die innerhalb konkreter Kaufsituationen einer freiwilligen
Bindung entgegenwirken oder diese begünstigen. Sie beinhalten beispielsweise die
Verfügbarkeit von Einkaufsstätten oder die persönlichen Lebensumstände eines
Kunden.
Faktische Determinanten im Sinne objektiver Größen, die zu einer Bindung führen
können, beispielsweise bedingt durch langfristige vertragliche, technologische oder
ökonomische Wechselbarrieren.
Wettbewerbsinduzierte Determinanten, sofern aufgrund einer monopolistischen
Angebotsstruktur keine Wechselalternativen bestehen.
52
Vgl. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hoerschgen, H. (1994), S.169 f.
53
Vgl. Peter, S. (1997), S.82; und Anh. A-1, S.VIII.
54
Vgl. Tomczak, T.; Dittrich, S. (1997): Strategien zur Steigerung der Kundenbindung, in: Ergebnisse 4.
CPC Trendforum (Hrsg.), Wiesbaden 1997, S.13 ff.; und Meyer, A.; Oevermann, D. (1995), S.1341 f.;
sowie Anh. A-2, S.XIII.

15
Kundenbindung muss somit nicht notwendigerweise auf Freiwilligkeit beruhen, sondern
kann extrinsisch bedingt sein. Reichheld differenziert in diesem Zusammenhang zwischen
gebundenen und loyalen Kunden, wobei die Auffassung vertreten wird, dass die
Schaffung loyaler Kunden einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen sollte. Der
Unterschied liegt nach dieser Sichtweise in der Freiwilligkeit der Entscheidung eines
Kunden bezüglich der Beziehung zu einem Anbieter.
55
Folgt man dieser Auffassung, so
erscheint nahe liegend, dass vornehmlich psychologische Determinanten die Intensität
echter Kundenloyalität beeinflussen, weshalb im Folgenden die drei aus Sicht des
Verfassers für den LEH bedeutsamsten psychologischen Bestimmungsgrößen
Involvement, Commitment und Vertrauen näher dargestellt werden. Die Kunden-
zufriedenheit als vierte elementare Determinante wird in Abschnitt 3.5 aufgrund ihrer
Sonderstellung im Kausalzusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kunden-
bindung gesondert dargestellt.
2.3.1 Involvement
Unter Involvement versteht man den ,,inneren Zustand der Aktivierung, der in
Abhängigkeit von der persönlichen Relevanz beim Individuum unterschiedliche
Wirkungen auf die Informationsaufnahme, -verarbeitung und ­speicherung auslöst"
56
. Der
Kunde wird infolge dieses Zustandes dazu animiert, sich gedanklich und emotional mit
dem Handlungsgegenstand auseinander zu setzen, wodurch maßgeblich dessen
Bereitschaft bestimmt wird, mit einem Anbieter eine kontinuierliche Geschäftsbeziehung
einzugehen.
57
Bei einem hohen Grad an Involvement ist eine intensive und emotionale
Bindung an einen Geschäftspartner zu erwarten.
Eine involvementorientierte Kundenbindung würde beispielsweise dann vorliegen, wenn
ein an Umweltfragen stark interessierter Kunde seinen Lebensmittelbedarf ausschließlich
in Einkaufsstätten deckt, die sich im Rahmen der Unternehmensführung an ökologischen
Gesichtspunkten im Sinne der Nachhaltigkeit orientieren.
Eine Strategie zur Erhöhung des Involvement, welches als dynamische und anbieterseitig
beeinflussbare Größe anzusehen ist, kann die Intensität der Kundenloyalität nachhaltig
positiv beeinflussen.
58
55
Vgl. Reichheld, F. F. (1993): Treue Kunden müssen auch rentabel sein, in: Harvard Business Manager,
Heft 3, 1993, S.106 f.
56
Meffert, H. (1992): Marketingforschung und Käuferverhalten, 2. Auflage, Wiesbaden, S.66.
57
Vgl. Jeschke, K. (1995): Nachkaufmarketing ­ Kundenzufriedenheit und Kundenbindung auf
Kosumgütermärkten, Diss. Universität Hannover 1994, Frankfurt a.M. u.a., S.138.
58
Vgl. Jungwirth, G. (1997), S.215.

16
2.3.2 Commitment
Die emotionale Beteiligung eines Kunden an seinen Kaufentscheidungen, das
Commitment, kann zu einer intensiven Hinwendung zu einem Lebensmitteleinzelhandels-
unternehmen führen, die bis hin zu einer ,,Anhängerschaft" reichen kann, infolge derer
kundenseitig selbst ,,kurzfristige finanzielle und psychologische Nachteile"
59
in Kauf
genommen werden, um die Bindung aufrecht zu erhalten, wie eine aktuelle, nicht
repräsentative Kundenbefragung unter Kunden der Unternehmensgruppe ALDI Süd
belegt.
60
Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die Existenz so genannter ,,ALDI-Fanclubs"
sowie unabhängiger ,,ALDI-Publikationen" verwiesen, die ein extrem hohes Maß an
Commitment widerspiegeln und gleichzeitig belegen, dass der LEH durchaus über
entsprechende Commitment - Potentiale verfügt.
61
Das Commitment eines Kunden kann als Ergebnis vergangener Entwicklungen in einer
Geschäftsbeziehung angesehen werden, welches auf den Erfahrungen des Kunden mit
dem Geschäftspartner basiert und gleichzeitig die kundenseitige Bereitschaft impliziert, an
einer stabilen und dauerhaften Beziehung aktiv mitzuwirken.
62
Die Entstehung von Commitment kann beispielsweise aus Dankbarkeitsempfindungen des
Kunden resultieren, welche etwa durch unkomplizierte Reklamationsbearbeitung oder
kundenorientiertes Beschwerdemanagement bewusst hervorgerufen werden können.
Kundenloyalität, welche auf starker Ausprägung an Commitment basiert, fördert die
Toleranz und Treue gegenüber einem Geschäftspartner und erhöht damit die
Austrittsbarrieren einer Geschäftsbeziehung, wobei gleichzeitig die Suche nach
alternativen Geschäftspartnern eingeschränkt wird.
63
Das Commitment kann
dementsprechend als Grundlage loyalen Kundenverhaltens und Basis freiwilliger
Kundenbindung angesehen werden.
59
Diller, H. (1995), S.19.
60
Vgl. hierzu Anh. B-1, S.XV. Ergänzend sind Geschlechterverteilung, Altersstruktur und Haushaltsstruktur
der Erhebung, die, wie in Anh. B-2, S.XVI erläutert, keine repräsentative Meinung wiedergibt, in Anh. B-3
bis B-5, S.XVII-XVIII dargestellt.
61
Exemplarisch seien an dieser Stelle diverse ALDI - Fanclubs wie beispielsweise
http://www.ALDIbaran.de/index981654857.html,http://www.linkhitlist.com/cgi/LHL_D.exe?G2L&LinkNo=
64192&ListNo=6423 oder http://privat.schlund.de/U/ULLI/ALDI.html sowie diverse Veröffentlichungen
wie Rudolph, H. : ,,ALDIdente-Schnäppchen-Planer", Fronek, H.: ,,Kochen mit ALDI" oder Elsner, W:
,,Fatburner- Die 100 besten ALDI-Rezepte" genannt.
62
Vgl. Tomczak, T.; Dittrich, S. (1997), S.21.
63
Vgl. Diller, H.; Kusterer, M. (1988): Beziehungsmanagement ­ Theoretische Grundlagen und explorative
Befunde, in: Marketing ZFP, Heft 3, 1988, S.218.

17
2.3.3 Vertrauen
Jede Form loyalen Einkaufsverhaltens setzt ein Mindestmaß an Vertrauen voraus, was in
diesem Zusammenhang bedeutet, sich auf jemanden zu verlassen und in Erwartung eines
Zugewinns bewusst ein bestimmtes Risiko einzugehen.
64
Ein hohes Maß an
Kundenvertrauen erlaubt es Lebensmitteleinzelhändlern, Non-Food-Artikel wie zum
Beispiel Personal-Computer, die weit vom ursprünglichen Markenkern des Unternehmens
entfernt sind, ohne jegliche Beratungsleistung sehr erfolgreich zu verkaufen.
65
Das Vertrauen eines Kunden zu seinem Geschäftspartner kann einerseits als entscheidende
Wechselbarriere verstanden werden, die von individuellen Kundenerwartungen abhängt
und im Laufe von Geschäftsbeziehungen durch Erwartungserfüllung entsteht, andererseits
stellt es eine Art Vorleistung des Kunden im Sinne eines Vertrauensvorschusses dar.
66
Für die Vertrauensbildung sind dabei insbesondere Erfahrungen aus vergangenen
Transaktionen relevant, aus denen der Kunde Informationen über die Leistungsfähigkeit
und den Leistungswillen des Anbieters ableitet. Werden seine zuvor determinierten
Erwartungen übertroffen, kann als Reaktion der Aufbau von Kundenvertrauen und
Kundenzufriedenheit erfolgen.
Bezogen auf das Beispiel von Personal-Computern im LEH bedeutet dies, dass durch eine
positive Erfahrung beim Kauf eines Fernsehgerätes die Hemmschwelle für den Kauf eines
Computers deutlich herabgesetzt wird. Das Vertrauen, das sukzessive im Laufe einer
Geschäftsbeziehung aufgebaut wird, stellt für den Kunden eine bedeutsame Wechsel-
barriere dar, da er bei einer neuen Geschäftsbeziehung nicht über Vergangenheits-
informationen verfügt und dementsprechend potentielle Opportunitätskosten eines
Wechsel hoch wären, wodurch die Bindungsbereitschaft des Kunden progressiv ansteigt.
67
2.4 Kundenorientierung als Grundvoraussetzung
Definitorisch betrachtet bedeutet Kundenorientierung die uneingeschränkte Ausrichtung
sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf die Anforderungen des relevanten Marktes, was
beinhaltet, auf mögliche Wünsche und Bedürfnisse des Kundenkreises einzugehen, aus
Erfahrungen mit Kunden kontinuierlich zu lernen und das unternehmerische Denken und
64
Vgl. ebenda, S.219 f.
65
Beispielhaft kann auf die Unternehmensgruppe ALDI Süd verwiesen werden, die als Discounter im LEH
mittlerweile ein sehr beachtliches Umsatzniveau beim Verkauf von Personal-Computern erreicht hat.
66
Vgl. Preß, B. (1997): Kaufverhalten in Geschäftsbeziehungen, in: Kleinaltenkamp, M.; Plinke, W. (Hrsg.):
Geschäftsbeziehungsmanagement, Berlin u.a. 1997, S.86.
67
Vgl. ebenda, S.89.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832482268
ISBN (Paperback)
9783838682266
DOI
10.3239/9783832482268
Dateigröße
997 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Munich Business School – Internationale BWL
Erscheinungsdatum
2004 (August)
Note
1,57
Schlagworte
aldi kundenorientierung einzelhandel tesco handel
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