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Das Phänomen der begrenzten Rationalität

Konkretisierung und Implikationen für die Hersteller-Handel-Beziehung

©2004 Diplomarbeit 73 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Beziehung zwischen Hersteller und Handel im Lebensmitteleinzelhandel zeichnete sich in der Vergangenheit durch Machtgewinn des Handels aus. Gefördert wurde dieser Machtgewinn durch Konzentration aufgrund von Übernahmen und Zusammenschlüssen auf der Handelsseite. Regalplatzverknappung aufgrund diversifizierter Hersteller-sortimente schwächte die Verhandlungsposition der Hersteller zusätzlich.
Nach Zeiten der Konfrontation ist das Verhältnis von Hersteller und Handel heute zunehmend kooperativ geprägt. Bedingt durch starken Wettbewerb um Konsumenten und damit verbundenen Marktanteilen haben die Akteure erkannt, dass Zusammenarbeit im Absatzkanal zur Verbesserung der Position des Herstellers, des Handels und des Konsumenten beitragen kann, weshalb hier auch von Win-Win-Win Strategie gesprochen werden kann. Das 1993 in den USA entwickelte Konzept des Efficient Consumer Response (ECR), welches zur Verbesserung der Geschäftsbeziehung dienen soll, vereint die bereits bekannten Elemente der direkten Produktrentabilität, Business Process Reengineering, Just-In-Time-Distribution und Space Management um den Austauschprozess zwischen Hersteller und Handel systematisch zum besseren Konsumenten-nutzen zu verbessern.

In der durch mehr äußeren Wettbewerb geprägten Hersteller-Handel-Beziehung kommt Gewinnung und Austausch relevanter Informationen eine immer bedeutendere Rolle zu. Gleichsam verspricht Zusammenarbeit u.a. in Logistik, Vertrieb, Verpackung und Verkaufsförderung Einsparpotentiale. Begründet werden diese Sachverhalte durch sich schnell verändernde Rahmenbedingungen wie Gewohnheiten der Konsumenten, gesellschaftliche Entwicklungen und internationale Konkurrenz, welche in zeitlich engen Abständen wichtige Entscheidungen fordern. Zeitliche, finanzielle und kognitive Restriktionen auf sowohl Hersteller- als auch Handelsseite erfordern Zusammenarbeit mit dem Ziel, gemeinsam mehr zu erreichen. Die Qualität der Zusammenarbeit wird dabei am Wettbewerb mit anderen Kooperationsgemeinschaften gemessen. Es kann daher auch von einem Wettbewerb der Absatzkanäle gesprochen werden.
Vergangene und zu erwartende Entwicklungen in und um die Geschäftsbeziehung von Hersteller und Handel rücken den Restriktionenaspekt ins Blickfeld des Interesses. Da dem Akteur der Realität entgegen den Annahmen der Neoklassischen Theorie nur begrenzt Informationen zur Verfügung stehen, deren Suche mit Kosten verbunden ist, und überdies Zeit und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8208
Westebbe, Anna: Das Phänomen der begrenzten Rationalität - Konkretisierung und
Implikationen für die Hersteller-Handel-Beziehung
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2004
Zugl.: European Business School Schloß Reichartshausen, Oestrich-Winkel, Diplomarbeit,
2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...III
Abkürzungsverzeichnis...IV
1 Einleitung ...1
1.1
Problemstellung... 2
1.2
Gang der Untersuchung... 6
2 Delegationsproblematik
durch
Zieldivergenzen in
Hersteller-Handel-Beziehungen...7
2.1
Unterschiedliche Ziele von Hersteller und Handel im Absatzkanal ... 7
2.2
Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Handel und die
Bedeutung von Win-Win-Win... 10
3 Heterogenes
Begriffsverständnis begrenzter Rationalität ­
Konzeptionalisierung traditioneller Annahmen und neuer Modelle...11
3.1
Begrenzte Rationalität in der Neuen Institutionenökonomie... 12
3.1.1
Wichtige Ansätze in der Neuen Institutionenökonomie ... 12
3.1.1.1
Property-Rights-Ansatz und Annahmen begrenzter Rationalität... 13
3.1.1.2
Transaktionskosten-Ansatz und damit verbundenes Menschenbild ... 14
3.1.1.3
Prinzipal-Agenten-Ansatz: Perfekte Rationalität unter Restriktionen ... 15
3.2
,Optimising' ausgeschlossen: Begrenzte Rationalität nach Simon... 19
3.2.1
Inhaltliche Abgrenzung von Simons Annahmen ... 20
3.2.2
Ziel der Theorie begrenzter Rationalität nach Simon ... 22
3.2.3
Modellierung begrenzter Rationalität in der Tradition Simons ... 22
3.2.3.1
Anspruchanpassungstheorie- Modell begrenzter Rationalität nach
Selten und Sauermann ... 22
3.2.3.2
Adaptive Toolbox ­ Verarbeitung von Hinweisen und Zeichen nach Gigerenzer ... 25
4 Vertragsgestaltung
in
Prinzipal-Agenten-Beziehungen unter Annahme
begrenzter Rationalität traditionellen Verständnisses...28
4.1
Opportunismus in dynamischen Geschäftsbeziehungen... 28
4.2
Sequentielles Monopol und eindeutige Rollenzuteilung im Prinzipal-Agenten-Ansatz... 30
4.3
Dyadisches Verhältnis zwischen Hersteller und Handel ... 34

II
5
Austausch der Annahmen: Modelle in Simons Tradition begrenzter
Rationalität und Implikationen für die Prinzipal-Agenten-Beziehung ...35
5.1
Von ergebnis- zu prozessgesteuerten Entscheidungen der Akteure ... 37
5.1.1
Neue Annahmen im Prinzipal-Agenten-Ansatz: Selten und Sauermanns
Anspruchanpassungstheorie ... 37
5.1.2
Neue Annahmen im Prinzipal-Agenten-Ansatz II: Gigerenzers
Adaptive Toolbox ... 40
5.2
Entscheidungsqualität unter Annahme begrenzter Rationalität nach Simon ... 43
5.3
Kritik an Simons Verständnis begrenzter Rationalität und dessen Bedeutung im ...
Prinzipal-Agenten-Ansatz ... 45
6 Zusammenfassung
und
Schluss...50
Verzeichnis des Anhangs ...54
Anhang ...55
Literaturverzeichnis...57

III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Graphische Darstellung der Problemstellung...3

IV
Abkürzungsverzeichnis
Def.
-
Definition
ECR
- Efficient
Consumer
Response
GfK
- Gesellschaft
für
Konsumforschung
Habl.-Schr.
- Habilitationsschrift
i.d.R.
- in
der
Regel
LEH
- Lebensmitteleinzelhandel
NIÖ
- Neue
Institutionenökonomie
PAA
- Prinzipal-Agenten-Ansatz
POS
- Point
of
Sale
PRA
- Property-Rights-Ansatz
SPSS
- Statistical
Package of Social Sciences
TKA
- Transaktionskosten-Ansatz
Vol.
-
Volume

1
1 Einleitung
Die Beziehung zwischen Hersteller und Handel im Lebensmitteleinzelhandel zeichnete
sich in der Vergangenheit durch Machtgewinn des Handels aus.
1
Gefördert wurde dieser
Machtgewinn durch Konzentration aufgrund von Übernahmen und Zusammenschlüssen
auf der Handelsseite. Regalplatzverknappung aufgrund diversifizierter Herstellersorti-
mente schwächte die Verhandlungsposition der Hersteller zusätzlich.
2
Nach Zeiten der Konfrontation ist das Verhältnis von Hersteller und Handel heute zu-
nehmend kooperativ
3
geprägt.
4
Bedingt durch starken Wettbewerb um Konsumenten
und damit verbundenen Marktanteilen haben die Akteure erkannt, dass Zusammenarbeit
im Absatzkanal zur Verbesserung der Position des Herstellers, des Handels und des
Konsumenten
5
beitragen kann, weshalb hier auch von Win-Win-Win Strategie
6
gespro-
chen werden kann. Das 1993 in den USA entwickelte Konzept des Efficient Consumer
Response (ECR)
7
, welches zur Verbesserung der Geschäftsbeziehung dienen soll, ver-
eint die bereits bekannten Elemente der direkten Produktrentabilität, Business Process
Reengineering, Just-In-Time-Distribution und Space Management
8
um den Austausch-
prozess zwischen Hersteller und Handel systematisch zum besseren Konsumenten-
nutzen zu verbessern.
In der durch mehr äußeren Wettbewerb geprägten Hersteller-Handel-Beziehung kommt
Gewinnung und Austausch relevanter Informationen eine immer bedeutendere Rolle
zu.
9
Gleichsam verspricht Zusammenarbeit u.a. in Logistik, Vertrieb, Verpackung und
Verkaufsförderung Einsparpotentiale.
10
Begründet werden diese Sachverhalte durch
sich schnell verändernde Rahmenbedingungen wie Gewohnheiten der Konsumenten,
gesellschaftliche Entwicklungen und internationale Konkurrenz, welche in zeitlich en-
1
Vgl. Bergmann (1988), S. 256, Diller (1993); S. 58, Kadiyali et al. (2000), S. 2.
2
Vgl. Information Resources GfK GmbH (2003), Klein (1993), S. 105, Franke (1997), S. 57. Eine Abbil-
dung der Filterfunktion des Handels verdeutlicht dessen Macht. Vgl. Anhang, S. 55.
3
Kooperativ, Kooperation: Bezeichnet hier eine auf Dauer ausgelegte, freiwillige, zielorientierte Zusam-
menarbeit von rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen durch Harmonisierung wichtiger
Bereiche. Vgl. Tietz (1993), S. 254.
4
Vgl. Homburg et al. (1997), S. 1.
5
Der Konsument profitiert durch ein besseres Angebot und niedrigere Preise bei Einsparungen durch
effiziente Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel.
6
Win-Win-Win Strategie bedeutet hier, dass Hersteller, Handel und Konsument entweder direkt oder
indirekt von der Geschäftsbeziehung profitieren.
7
Vgl. Homburg (1997), S. 1, Ehrl (1997), S. 2. Das Organisationskonzept ECR wurde von der Unter-
nehmensberatung Kurt Salomon Associates entworfen. Vgl. Ehrl (1997), S. 5.
8
Vgl. Mattmüller/ Tunder (2001), S. 14-17.
9
Vgl. Homburg et al. (1997), S. 2.
10
Vgl. Klein (1993), S. 119-121.

2
gen Abständen wichtige Entscheidungen fordern. Zeitliche, finanzielle und kognitive
Restriktionen auf sowohl Hersteller- als auch Handelsseite erfordern Zusammenarbeit
11
mit dem Ziel, gemeinsam mehr zu erreichen. Die Qualität der Zusammenarbeit wird
dabei am Wettbewerb mit anderen Kooperationsgemeinschaften gemessen. Es kann
daher auch von einem Wettbewerb der Absatzkanäle gesprochen werden.
12
Vergangene und zu erwartende Entwicklungen in und um die Geschäftsbeziehung von
Hersteller und Handel rücken den Restriktionenaspekt ins Blickfeld des Interesses. Da
dem Akteur der Realität entgegen den Annahmen der Neoklassischen Theorie nur be-
grenzt Informationen zur Verfügung stehen, deren Suche mit Kosten verbunden ist, und
überdies Zeit und kognitive Grenzen
13
eine Rolle spielen, können Entscheidungen nur
unter Berücksichtigung dieser Restriktionen als rational gelten.
14
Simon entwickelte
1955 das Konzept der begrenzten Rationalität
15
, welches sich mit Annahmen befasst,
die dem Modell des unbegrenzt perfekt rational handelnden homo oeconomicus
16
ent-
gegenstehenden. Der Gegensatz der traditionellen normativen
17
Modellannahme, nach
der ein Akteur rationale und sogar für ihn nutzen- bzw. gewinnmaximale Entscheidun-
gen
18
treffen kann, und der eher deskriptiven
19
Vorstellung Simons, wonach ein Akteur
nur begrenzt rationale Entscheidungen zu treffen in der Lage und dabei eine Maximie-
rung nicht möglich ist, wird dabei offenkundig.
20
Dieser Gegensatz ist Ausgangspunkt
für den Verlauf der Arbeit.
1.1 Problemstellung
Die Formulierung der Problemstellung wird durch das folgende Schaubild unterstützt.
Ausgang der Betrachtung ist die Hersteller-Handel-Beziehung der Praxis.
11
Vgl. Cohen Kulp (2002), S. 654.
12
Vgl. Ehrl (1997), S. 20-21.
13
,,Selbst wenn der Mensch wollte und ausreichend Zeit hätte, könnte er [...] reale Entscheidungssituati-
onen aufgrund ihrer Komplexität nicht vollständig erfassen." Nitzsch (2002), S. 19.
14
Vgl. Dolles (1997), S. 199.
15
Vgl. Simon (1955), S. 99-118, Dulleck (2000), S. 2.
16
Der homo oeconomicus, erstmalig von Vilfredo Pareto 1906 erwähnt, verkörpert perfekt rationales
Verhalten. Vgl. Kaletsch (1998), S. 42-45.
17
Normativ hier: Wie es sein sollte.
18
Dem homo oeconomicus wird unterstellt, dass er als Produzent seinen Gewinn und als Konsument
seinen Nutzen zu maximieren versucht. Diese Annahmen machen eine gewisse Uneinheitlichkeit der
Definition des homo oeconomicus deutlich. Vgl. Kaletsch (1998), S.46. In dieser Arbeit werden Nutzen-
und Gewinnmaximierung jedoch synonym verwendet und auf eine genaue Untersuchung der Unterschie-
de verzichtet. Dies führt nicht zu inhaltlichen Verzerrungen.
19
Deskriptiv hier: Wie es ist.
20
Vgl. Dillon (2004), S. 1-3.

3
Hersteller-
Handel-
Bezie-
hung
...
...
Delegation
Informationsasymmetrie
Verträge
Praxis
Theorie
Entscheidungen
Aufhebung der Preisbindung zweiter Hand
Konzentration
Änderungen der Kundenwünsche
Wettbewerb
...
Quelle: Eigene Darstellung
PAA
Begrenzte
Rationalität
Begrenzte Ratio-
nalität nach Simon
Abb. 1
Abb. 1
Gedankenschritte können dabei bildlich verfolgt werden, wodurch das Verständnis er-
leichtert werden soll.
Veränderungen der Hersteller-Handel-Beziehung, welche u.a. auf die Aufhebung der
Preisbindung der zweiten Hand
21
, Konzentrationstendenzen im Handel und schneller
wechselnde Kundenwünsche zurückzuführen sind, stellen die Gestaltung der Geschäfts-
beziehung zwischen Hersteller und Handel vor Herausforderungen.
22
Um diesen
systematisch zu begegnen macht es Sinn, die Geschäftsbeziehung zunächst auf einer
theoretischen Ebene zu betrachten. Auf diese Weise können Szenarien in Modellen er-
probt werden, welche an späterer Stelle Basis von Handlungsempfehlungen sein
können.
23
Aufgrund der Merkmale, durch welche sich eine Hersteller-Handel-Beziehung aus-
zeichnet, bietet sich die Abbildung der Geschäftsbeziehung im Prinzipal-Agenten-
Ansatz (PAA)
24
an.
25
Dieser wird für den Verlauf der Arbeit erkenntnisleitend.
21
Aufhebung 1973.
22
Herausforderungen wirken auf die Hersteller-Handel-Beziehung. Angedeutet durch den gelben Kasten,
dessen Pfeil auf die Beziehung zeigt.
23
Angedeutet durch den Pfeil von der Theorieebene zurück auf die Praxisebene.
24
Bedeutende Vertreter: Ross, Jensen und Meckling.
25
Vgl. Richter (1991), S. 400-420, Ordelheide/ Rudolph/ Büsselmann (1991), S. 1, Tunder (2003), S.
206-208.

4
Der Ansatz beschäftigt sich mit Problemen der Delegation von Aufgaben aufgrund a-
symmetrischer Informationsverteilung zwischen Prinzipal und Agent. Verträge, welche
zwischen den Geschäftsparteien geschlossen werden, spielen eine wichtige Rolle. Für
diese Arbeit gilt das Interesse den Entscheidungen, die Prinzipal und Agent im Rahmen
von Vertragsverhandlungen treffen.
Der Prinzipal-Agenten-Ansatz gehört neben dem Property-Rights-Ansatz (PRA)
26
und
dem Transaktionskosten-Ansatz (TKA)
27
zu den wichtigsten Elementen der Neuen In-
stitutionenökonomie (NIÖ). Die NIÖ hat ihren Ursprung in der Kritik am Menschenbild
der Neoklassischen Theorie.
28
Diese ging von einem perfekt rational handelnden homo
oeconomicus aus, welcher über alle existierenden Informationen verfügt. Das Men-
schenbild der NIÖ ist im Gegensatz zum homo oeconomicus der Neoklassik u.a. durch
begrenzte Informationen geprägt
29
. Die Veränderung der Grundannahme perfekter Rati-
onalität zu einer als begrenzte Rationalität bezeichneten Annahme wirkt sich auf darauf
gründende Wirtschaftsmodelle aus.
Im Schaubild steht der Prinzipal-Agenten-Ansatz im Zentrum. Annahmen und Hand-
lungsempfehlungen, welche von dieser Theorieebene in die Praxis und auf Hersteller-
Handel-Beziehungen übertragen werden können, bauen auf verschiedenen konstituie-
renden Grundannahmen auf. Begrenzte Rationalität stellt eine wichtige Grundannahme
dar.
30
Das Problem, welches sich nun ergibt, ist folgendes: Es stellt sich heraus, dass begrenz-
te Rationalität kein eindeutig definierter Sachverhalt
ist. Vielmehr finden sich
unterschiedliche Interpretationen. Selbst Ansätze innerhalb der NIÖ weisen heterogene
Interpretationen auf. Die Überlegung ist nun zu untersuchen, worin Unterschiede zwi-
schen Annahmen begrenzter Rationalität bestehen. Hier wird Simons Verständnis
begrenzter Rationalität interessant. Wenn man nach Identifikation von Unterschieden
begrenzter Rationalität zugrunde liegender Annahmen Simons Annahmen in den Prin-
26
Bedeutende Vertreter: Alchian und Demsetz.
27
Bedeutende Vertreter: Coase und Williamson.
28
Vgl. Richter (1991), S. 420.
29
Vgl. Richter (1991), S. 400-420. Die Ansätze der NIÖ zeichnen sich durch voneinander abweichende
Vorstellungen des Menschenbildes aus, die in ihrer Gesamtheit aber einen deutlichen Kontrast zur Vor-
stellung des homo oeconomicus bilden, und alle von unvollkommener Information der Akteure ausgehen.
30
Im Schaubild werden der Prinzipal-Agenten-Ansatz und ihn bedingende Grundannahmen durch das
blaue Oval gekennzeichnet.

5
zipal-Agenten-Ansatz einbringt, indem man ihn, bildlich gesprochen, gegen bestehende
Annahmen austauscht, so ließen sich daraus neue Erkenntnisse ableiten lassen.
31
Veränderte Grundannahmen, durch Integration eines neuen Verständnisses begrenzter
Rationalität nach Simon, wirken sich auf den Prinzipal-Agenten-Ansatz aus. Es gilt zu
untersuchen, welche Implikationen sich daraus für die Darstellung der Delegation zwi-
schen Prinzipal und Agent und das Treffen von Entscheidungen in Verhandlungen
zwischen den Geschäftspartnern ergeben. Dies ist Ziel der vorliegenden Arbeit.
Das durch die Praxis induzierte Problem durch Veränderungen der Hersteller-Handel-
Beziehung wird auf Ebene der Theorie behandelt. Es wird versucht durch Simons Ver-
ständnis begrenzter Rationalität Erkenntnisse auf Basis des Prinzipal-Agenten-Ansatzes
zu erweitern.
32
Diese können in einem weiteren Schritt auf die praktische Ebene zu-
rückgeführt werden, indem aus gewonnenen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen für
die Gestaltung der Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Handel abgeleitet wer-
den. Ein durch die Praxis induziertes Problem wird damit in einem ersten Schritt auf
Modellebene durch Veränderung von Annahmen betrachtet und in einem zweiten
Schritt durch Rückwärtsinduktion in Form von Handlungsempfehlungen zur Problemlö-
sung in die Praxis zurückgeführt. Vorliegende Arbeit beschränkt sich auf den ersten
Schritt.
Dabei wird am Rande auf Elemente der Entscheidungs- und Spieltheorie
33
hingewiesen,
welche in der NIÖ traditionell zur Untersuchung von Prinzipal-Agenten-Beziehungen
und dabei modellierten Entscheidungs- und Vertragsbeziehungen dienen.
34
Da sowohl
Entscheidungs- als auch Spieltheorie stark normativ geprägt sind, und die Abbildung
der Realität in mathematischen Formeln zu nahezu unlösbaren und unübersichtlichen
31
Ein Tausch wird durch das rote Oval dargestellt. Es ist vergleichbar mit dem Austausch einer Variablen
in einer Gleichung, woraus sich ein anderes Ergebnis einstellen kann, aber nicht muss. Es handelt sich in
dieser Arbeit um ein hypothetisches Laborexperiment. Vgl. Meyer (2000), S. 16-17. Dieses versucht der
Realität möglichst nah zu sein.
32
Vgl. Gabaix et al. (2003), S. 4.
33
Es kann zwischen normativer und positiver Spieltheorie unterschieden werden. Normative Spieltheorie
setzt sich kaum mit begrenzter Rationalität auseinander. Positive Spieltheorie hingegen schon, ist aber in
dieser Arbeit nicht erkenntnisleitend, obwohl auch dies ein denkbarer Ansatz wäre. Vgl. Keck (1993), S.
41-43. Entscheidungstheorie und Spieltheorie bieten Ansätze und Modelle zur Darstellung von Entschei-
dungen und damit verbundenen Prozessen der Überlegung und Abwägung. Es werden
Verhaltensmaßnahmen vorgestellt, nach denen sich Akteure bei Sicherheit, Unsicherheit und Risiko theo-
retisch verhalten könnten. Vgl. Meyer (2000), S. 17-20.
34
Zur Betrachtung des Prinzipal-Agenten-Ansatzes in der Entscheidungstheorie vgl. Meyer (2000), S.
123-134.

6
mathematischen Gleichungssystemen führen würde
35
, werden sie nur durch Aufzeigen
ihres konzeptionellen Vorgehens genutzt um Simons Verständnis begrenzter Rationali-
tät durch Abgrenzung zu verdeutlichen.
36
Damit soll aber der Wert quantitativ geprägter
Theorien für das Grundverständnis betriebswirtschaftlichen Handelns
37
nicht angezwei-
felt werden.
38
1.2
Gang der Untersuchung
Kapitel zwei vermittelt praktische Eindrücke einer Hersteller-Handel-Beziehung und
zeigt praktische Probleme einer Delegation von Aufgaben in Prinzipal-Agenten-
Beziehungen auf. Zieldivergenzen beteiligter Akteure sind potentiell konfliktär und er-
klären, weshalb opportunistisches Verhalten bei nicht beobachtbarer Handlung als
rationales Verhalten gelten kann.
In Kapitel drei wird begrenzte Rationalität als Annahme menschlichen Verhaltens in der
Neuen Institutionenökonomie, besonders innerhalb des Prinzipal-Agenten-Ansatz be-
handelt. Weiterhin wird begrenzte Rationalität nach Simon vorgestellt und Unterschiede
zum voran stehenden Verständnis herausgearbeitet. Ziel dieses Grundlagenkapitels ist
es, die existierende Heterogenität im Verständnis begrenzter Rationalität zu veranschau-
lichen und zu zeigen, worin Hauptunterschiede bestehen.
Kapitel vier behandelt Konsequenzen begrenzter Rationalität traditionellen Verständnis-
ses näher, indem die Beziehung zwischen Hersteller und Handel als fiktives
sequentielles Monopol im Rahmen des Prinzipal-Agenten-Ansatzes genommen, und
institutionelle Strukturen und damit verbundene Überlegungen untersucht werden. Es
werden spezifische, für eine Hersteller-Handel-Beziehung relevante, Überlegungen be-
handelt und sich daraus ergebende Konsequenzen aufgezeigt.
39
Um eine zu einseitige
Betrachtung zu vermeiden, wird die Behandlung des durch Wandel gekennzeichneten
35
Vgl. Gigerenzer (1999), S. 40-41, Schoppe et al. (1995), S. 187, Krapp (2000), S. 28.
36
Vgl. Wurche (1994), S. 145, Doyle (1992), S. 393-394.
37
Vgl. Kaletsch (1998), S. 45. ,,Wenn sich die Wirtschaftsakteure nicht entsprechend dem ökonomischen
Rationalitätsprinzip verhalten, sollten sie sich jedoch danach verhalten, um effizient zu wirtschaften."
Held (1991), S.13.
38
,,[...] Stigler implies, [that] [...] theory will not be abandoned until an acceptable (superior) alternative
is available." Russel/ Thaler (1994), S. 254. Die Betrachtung von Aspekten, welche in existierenden The-
orien nicht vorkommen, stellt diese damit nicht automatisch grundsätzlich in Frage.
39
Die Betrachtung eines sequentiellen Monopols ist dabei der Kritik ausgesetzt, realistische Verhältnisse
unzureichend abzubilden. Dieser Einwand ist berechtigt. Da es aber Ziel dieser Arbeit ist, Grundannah-
men über das Verhalten von Akteuren zu diskutieren, ist das Heranziehen einfacher Prinzipal-Agenten-
Konstellationen zur Verdeutlichung dieser Diskussion zu rechtfertigen und sinnvoll.

7
Verhältnisses zwischen Hersteller und Handel in der Realität und damit verbundene
Auswirkungen auf eine theoretische Betrachtung mit einbezogen.
Kapitel fünf befasst sich mit Simons Annahmen begrenzter Rationalität. Es wird unter-
sucht, wie sich in seiner Tradition entwickelte Modelle, welche inhaltlich in Kapitel
zwei vorgestellt wurden, von traditionellen Annahmen unterscheiden, und wie sich die-
se auf eine institutionelle Gestaltung einer Geschäftsbeziehung zwischen Prinzipal und
Agent auswirken können. Dabei wird zur Klärung stets auf in den Kapiteln zwei, drei
und vier dargelegte Elemente zurückgegriffen.
Zum Ende des Kapitels kommt einer Kritik begrenzter Rationalität nach Simon und
damit verbundener Modelle große Aufmerksamkeit zu.
Zusammenfassung und Schluss greifen die Problemstellung der Einleitung wieder auf
und zeigen, welchen Beitrag zum Verständnis von Prinzipal-Agenten-Beziehungen die-
se Arbeit leisten soll.
2
Delegationsproblematik durch Zieldivergenzen in Hersteller-Handel-
Beziehungen
Durch Untersuchung existierender Zieldivergenzen zwischen Hersteller und Handel und
daraus entstehender Konfliktpotentiale soll verdeutlicht werden, worin Herausforderun-
gen institutioneller Gestaltung einer Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und
Handel bestehen.
Vor diesem Hintergrund wird eine in Kapitel drei und vier behandelte Anreizgestaltung
verständlich, die den Handel dazu veranlassen soll, im Sinne des Herstellers zu agieren.
Die Gestaltung so genannter Anreizmechanismen ist dabei vom Kontext abhängig, in
welchem sie angewendet werden
40
2.1
Unterschiedliche Ziele von Hersteller und Handel im Absatzkanal
Um das übergeordnete Gesamtziel eines hohen Ab- und Umsatzes beim Konsumenten
41
und eine bestmögliche Position im Wettbewerb zu erreichen, arbeiten Hersteller und
40
Vgl. Neus (2003), S. 100.
41
Ein Konsument wird hier als Kunde des Handels verstanden. Dieser muss nicht notwendigerweise auch
der Endverbraucher sein.

8
Handel im Absatzkanal mit unterschiedlichen Zwischenzielen.
42
Diese sind nicht
zwangsläufig konfliktär, sondern können auch parallel realisiert werden. Konfliktpoten-
tial ergibt jedoch sich aus dem Grad, zu welchem sich Ziele der Akteure entgegenstehen
können und aus dem Stellenwert, den das jeweilige Zwischenziel für den betreffenden
Akteur hat. Am Ende sind allerdings beide aufeinander in dem Maße angewiesen
43
, dass
potentielle Konflikte in Kauf genommen und proaktiv
44
bearbeitet werden müssen.
Nach Franke lassen sich Ziele und daraus entstehende Konflikte zwischen Hersteller
und Handel in vier Bereiche einteilen. Zu unterscheiden sind produktpolitische Ziele,
distributionspolitische Ziele, kommunikationspolitische Ziele und kontrahierungs-
politische Ziele der Akteure im Austauschprozess.
45
Im Rahmen produktpolitischer Zielsetzungen unterscheiden sich Hersteller und Handel
insofern, als dass Hersteller Intentionen bezüglich des Produkt- oder Markenimages
haben und Händler hingegen am Image des Verkaufsbetriebs und dahinter stehender
Ketten interessiert sind.
46
Diese Zieldivergenz birgt Probleme, wenn Zielerreichung und
dazu eingesetzte Mittel des einen Akteurs Ziele des Kooperationspartners negativ beein-
flussen. Weiterhin ist es im Interesse des Herstellers, sein Warenprogramm möglichst
geschlossen beim Handel zu platzieren. Dieser wiederum ist bestrebt, sein Sortiment auf
die erfolgreichen Produkte des Herstellers zu beschränken.
47
Darüber hinaus versucht
der Handel über eigene und andere Produkte Konsumentenwünschen zu entsprechen
und stört somit potenziell das Vorhaben von Herstellern ihre Markenprodukte zu beto-
nen.
48
Schließlich ist es für Hersteller von Vorteil, Testeinführungen im Handel zu
platzieren, um Kundenverhalten und Nachfrage am Point of Sale (POS) zu testen und
42
Vgl. Klein (1993), S. 105.
43
Durch die Möglichkeiten des Internets war zunächst die Erwartung groß, durch Nutzung dieses Medi-
ums den Handel zu entmachten, indem man ihn potentiell übergehen konnte. Dazu kam es jedoch bis
heute nicht.
44
Bearbeitung des Problems vor Eintreffen; zielt auf die Berücksichtung des potentiellen Konfliktes bei
Vertragsgestaltung ab.
45
Vgl. Franke (1997), S. 52-53. Krapp führt in seiner Ausarbeitung Arbeiten von Blümle/ Bannier
(1975), Dingeldey (1975), Engelhard (1990), Kirsch (1987), Marx (1976), Pepels (1988), Schneider
(1989), Steffenhagen (1975) und Thies (1976) zusammen.
46
Vgl. Franke (1997), S. 52, Klein (1993), S. 114. Probleme ergeben sich insbesondere, wenn das Mar-
kenimage eines Herstellers durch Dumpingangebote des Händlers konterkariert wird, weil Hersteller
negative Implikationen für den Markenwert darin sehen. In diesem Fall profiliert sich ein Händler auf
Kosten einer Marke. Hier handelt es sich um die Verquickung produktpolitischer und kommunikationspo-
litischer Ziele.
47
Vgl. Franke (1997), S. 52, Klein (1993), S. 112-113.
48
Vgl. Franke (1997), S. 52.

9
Erkenntnisse für eine spätere Produktgestaltung zu nutzen.
49
Der Handel hingegen ist
weniger an Testeinführungen interessiert, da sie von ungewissem Erfolg sind und zieht
die Listung von bereits erfolgreichen Produkten vor.
50
Distributionspolitische Ziele bergen gleichsam Konfliktpotential. Händler versuchen
Lagerkosten gering zu halten und bevorzugen Lieferungen in kleinen Losgrößen.
51
Die
damit verbundene Verlagerung von Lagerkosten
52
und Verkaufsrisiko auf Hersteller
kann nicht in deren Interesse sein.
53
Zusätzlich sehen Händler durch exklusive Beliefe-
rung mit einem erfolgreichen Produkt in ihrem Absatzgebiet Chancen eines
Wettbewerbsvorteils, welcher mit dem Herstellerziel der möglichst hohen Distributi-
onsdichte nicht problemlos zu vereinbaren ist.
54
Insgesamt versuchen Händler ihr
Gesamtsortiment mit der Absicht zu optimieren, Kundenwünsche besser als die Kon-
kurrenz zu befriedigen und können daher dem Herstellerwunsch der Hervorhebung des
einzelnen Markenproduktes nicht bedingungslos nachkommen.
55
Hohe Konfliktgefahr bergen divergierende kommunikationspolitische Ziele. Dazu zäh-
len Realisation von Einkaufsstättentreue auf Händlerseite und Stärkung von
Markentreue aus Herstellersicht.
56
Der Zielerreichungsgrad dieser potentiell entgegen-
laufenden Interessen wird verstärkt durch die Wahl des Werbestils, welcher auf das
Sortiment (Händler) oder ein spezielles Produkt (Hersteller) ausgelegt sein kann
57
, wo-
durch zusätzliche Probleme entstehen können. Im Hinblick auf die zeitliche Dimension
kann das Erzeugen kurzfristiger Kaufimpulse durch Sonderaktionen des Handels dem
meist langfristig angelegten Plan der Hersteller, beim Kunden eine positive Gesinnung
gegenüber dem Markenprodukt zu erzeugen, schaden.
58
49
Vgl. Franke (1997), S. 52. Für die erfolgreiche Auswertung von POS Daten ist eine Informationstech-
nische Vernetzung zwischen Hersteller und Handel sehr wichtig. Sie wird in der Literatur als
Warenwirtschaftssystem(e) bezeichnet. Vgl. Münzberg (1995), S. 25-27, Klein (1993), S. 113. Die durch-
schnittliche Flopquote von Neueinführungen kann gesenkt werden, indem echte Produktinnovationen aus
Käufersicht in den Handel kommen Vgl. Ehrl (1997), S. 25.
50
Vgl. Franke (1997), S. 52.
51
Vgl. Ehrl (1997), S. 23, Klein (1993), S. 117, 121.
52
Lagerkosten entstehen durch hohe Kapitalbindungskosten und Kosten der physischen Lagerung. Durch
einen schnellen Warenumschlag wird der Cash-Conversion-Cycle beschleunigt und Kapitalbindungskos-
ten gesenkt.
53
Vgl. Franke (1997), S. 52. Die Realität zeigt, dass Händler immer öfter in der Lage sind diese Span-
nung zwischen Produktion und Abverkauf auf Hersteller zu übertragen. Vgl. Ehrl (1997), S. 23.
54
Vgl. Franke (1997), S. 52.
55
Vgl. Franke (1997), S. 52. Zudem versuchen Händler auch eigene Handelsmarken bestmöglich zu prä-
sentieren. Da der beste Regalplatz nur einmal vergeben werden kann, kann es in diesem Punkt zu
Konflikten kommen.
56
Vgl. Franke (1997), S. 52, Klein (1993), S. 114-115.
57
Vgl. Franke (1997), S. 52.
58
Vgl. Franke (1997), S. 52.

10
Kurzfristige Kaufbereitschaft kann u.a. durch aggressive Preisgestaltung des Handels
initiiert werden, wodurch seriöse und planvoll gestaltete Preispolitik der Hersteller ver-
wässert würde. Diese Zieldivergenz zählt zu dem Bereich kontrahierungspolitischer
Ziele.
59
Konflikte zwischen Hersteller und Handel entstehen, wenn sich Ziele nicht vereinbaren
lassen, oder sogar ein direkter Verteilungskonflikt besteht, und Gewinn einer Partei di-
rekten Verlust für die andere bedeutet.
60
Vorgestellte Zieldivergenzen können nicht
eindeutig einem Bereich zugeordnet werden, sondern gleichzeitig in mehreren Berei-
chen relevant sein.
61
2.2
Entwicklung der Geschäftsbeziehung zwischen Hersteller und Handel
und die Bedeutung von Win-Win-Win
Das strategische Konzept Efficient Consumer Response, welches zum Organisations-
prinzip des Category-Managements zählt
62
, stellt eine Möglichkeit dar, Zusammenarbeit
zwischen Hersteller und Handel als eine Win-Win(-Win)
63
Konstellation zu modellie-
ren, d.h. sowohl Hersteller und Handel als auch der Konsument profitieren von der
Kooperation, so die Modellvorstellung. Eine Win-Win-Win Strategie zielt auf eine bes-
sere Zusammenarbeit ab, wodurch neben einem gut funktionierenden Waren- und
Geldfluss auch effizienter Informationsaustausch angestrebt wird. Damit ist eine solche
Strategie das Ergebnis der Existenz realer Informationsasymmetrien aufgrund begrenz-
ter Rationalität. Denn handelte es sich bei den Akteuren um perfekt rational agierende
homines oeconomicos, gäbe es keinen Bedarf Informationen auszutauschen, denn jeder
wüsste alles, und Delegation wäre nicht nötig.
64
. Informationsasymmetrien sind Ur-
sprung für unterschiedliches Wissen.
65
Die Erkenntnis Restriktionen ausgesetzt und auf
Informationen anderer Akteure angewiesen zu sein, kann somit als Voraussetzung für
Geschäftsbeziehungen betrachtet werden, da nur so Wissensdefiziten entgegengewirkt
werden kann.
59
Vgl. Franke (1997), S. 53.
60
Vgl. Franke (1997), S. 53.
61
Zudem erhebt die vorgestellte Auswahl potentieller Konfliktbereiche nicht den Anspruch auf Vollstän-
digkeit. Sie soll spezifische Konfliktbereiche der Hersteller-Handel-Beziehung hervorheben und dadurch
Delegationsschwierigkeiten einer Prinzipal Agenten Konstellation praktisch verdeutlichen.
62
Vgl. Mattmüller (2000), S. 204-205.
63
Kern der Win-Win-Win Strategie: Wenn Hersteller und Handel durch Zusammenarbeit im Absatzkanal
einen höheren Kundennutzen induzieren, und dieser Kunde durch Marken und Einkaufsstättentreue Um-
satz und Gewinn von Handel und Hersteller sichert, haben alle von guter Zusammenarbeit profitiert.
64
,,We would be smarter, if only we could." Todd (1999), S. 51.
65
Vgl. Meyer (2002), S. 88.

11
,,Die Delegation einer Aufgabe ist eine der wichtigsten Formen der kollektiven Ent-
grenzung der Reichweite individuellen Handelns; weder die heutige enorme
Spezialisierung noch der Fernhandel im Mittelalter wären sonst möglich gewesen."
66
Das Modell der Delegation von Entscheidungen und Handlungen ist somit geschichtlich
mit Fortschritt verknüpft. Es kann unterstellt werden, dass auch Hersteller und Handel
durch Delegation von Aufgaben und Entscheidungen Fortschritt aktiv gestalten möch-
ten. Nach Annahmen des traditionellen Verständnisses begrenzter Rationalität
versuchen dabei beide Parteien ihren individuellen Nutzen
67
zu maximieren.
Die Realität zeigt, dass durch den Austausch wichtiger Informationen Entscheidungen
verbessert werden können, weshalb dem Austausch von Informationen eine wichtige
Rolle zukommt.
Die in jeder Prinzipal-Agenten-Beziehung bestehende Gefahr, durch opportunistische
Aktionen des Geschäftspartners übervorteilt zu werden, darf dabei nicht vernachlässigt
werden und kann das Übermitteln von Informationen behindern und den Erfolg aus der
Zusammenarbeit hemmen und mindern.
3 Heterogenes
Begriffsverständnis begrenzter Rationalität ­
Konzeptionalisierung traditioneller Annahmen und neuer Modelle
Austausch- und Delegationsbeziehungen werden in der Literatur unter Annahme be-
grenzt rational handelnder Akteure in Modellen abgebildet um unter diesen fiktiven
Laborbedingungen Szenarien zu erproben, welche sich durch Veränderung einzelner
Variablen eines Modells ergeben können. Grundannahmen
68
werden dabei konstant
gehalten werden.
69
Das Verständnis begrenzter Rationalität lässt sich nicht auf eine ide-
altypische Annahme
70
reduzieren. Es können inhaltliche Differenzen identifiziert
werden.
66
Meyer (2003), S. 55 zitiert nach Ross (1973), S. 134.
67
Obwohl Nutzen- und Gewinnmaximierung in der Literatur nicht immer als austauschbare Begriffe
behandelt werden, so gilt es jedoch für diese Arbeit. Da das Interesse dabei dem Maximierungssachver-
halt gilt, soll eine synonyme Behandlung dieser Begriffe daher gerechtfertigt sein.
68
Grundannahmen sind vergleichbar mit Spielregeln eines Spiels. Verändert man diese, so handelt es sich
nicht zwangsläufig um ein neues Spiel. Der Verlauf des Spiels und Strategien, welche sich aus diesen
veränderten Spielregeln ableiten lassen, können aber u.U. ganz andere sein.
69
Vgl. Königstein (2001), S. 541.
70
Obwohl auch Annahmen über einen homo oeconomicus nicht vollkommen konsistent sind, wird im
Bezug auf einen homo oeconomicus von einer idealtypischen Annahme gesprochen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832482084
ISBN (Paperback)
9783838682082
DOI
10.3239/9783832482084
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel – unbekannt
Erscheinungsdatum
2004 (August)
Note
1,1
Schlagworte
efficient consumer response maximierung agent prinzipal
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Titel: Das Phänomen der begrenzten Rationalität
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