Direct-to-Consumer (DtC): Historische Entwicklung und Möglichkeiten auf dem deutschen Pharmamarkt
©2004
Diplomarbeit
93 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die pharmazeutische Industrie sieht sich zu Beginn des neuen Jahrtausends einer Vielzahl von Problemen gegenüber gestellt. Auslaufende Schutzfristen und Patente für die bereits auf dem Markt eingeführten Präparate, generelle Positionierungs- und Penetrierungsprobleme für neue Therapiekonzepte sowie das hohe finanzielle Risikopotenzial bei der Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente sind nur ein Teil dieser Problematik.
Trotz Fusionen und Kooperationsstrategien der global agierenden Pharmaunternehmen wird die Situation auf dem Pharmamarkt immer schwieriger. In den nächsten zwei Jahren verlieren über 50% der 100 Top Produkte ihren Patentschutz und fallen als wesentliche Einnahmequelle für die Hersteller weg. Angesichts der immensen F&E-Ausgaben sind die Hersteller versucht, vorrangig sog. Blockbuster-Medikamente mit einem Umsatz im ersten Jahr von 1 Mrd. US-Dollar auf dem Markt zu bringen.
Die bei der Einführung entstehenden Kosten übersteigen oftmals die F&E-Ausgaben. Relativ hohe Margen von mehr als dreißig Prozent, die auch kritisiert werden, sind zu einem gewissen Teil notwendig, um als Ausgleich das hohe Risiko bei der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Zudem besteht insbesondere in den USA ein riesiges Verlustpotenzial durch Medikamente, die sich nachträglich tatsächlich oder sogar nur angeblich als gesundheitsschädigend erweisen. Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe, wie einer der jüngeren Fälle mit Lipobay von Bayer zeigt, sind nichts Ungewöhnliches.
Die in der EU weitaus stärkeren und strikteren Eingriffe in das Gesundheitswesen und den Markt für ethische (verschreibungspflichtige) Medikamente als in den USA bilden auf dem europäischen Markt ein zusätzliches Risiko. Mit den gesteigerten Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen und dem massiven Kostendruck bei der Entwicklung, Zulassung und Einführung eines Medikaments auf dem Absatzmarkt rückt auch die Bedeutung von Kommunikation und Marketing zwischen Hersteller und seinen möglichen Abnehmern immer weiter in den Vordergrund.
An der Debatte um mögliche Kommunikationsformen sind Mediziner, medizinische Fachorganisationen, Patientenverbände und -hilfsorganisationen, Verbraucherschützer, verschiedenste Kommissionen und Vereinigungen auf EU- wie auf nationaler Ebene, Patienten sowie auch die Hersteller beteiligt. Es herrscht vor allem jedoch Uneinigkeit über die Vorzüge und Nachteile von direkt auf den Konsumenten gerichteten […]
Die pharmazeutische Industrie sieht sich zu Beginn des neuen Jahrtausends einer Vielzahl von Problemen gegenüber gestellt. Auslaufende Schutzfristen und Patente für die bereits auf dem Markt eingeführten Präparate, generelle Positionierungs- und Penetrierungsprobleme für neue Therapiekonzepte sowie das hohe finanzielle Risikopotenzial bei der Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente sind nur ein Teil dieser Problematik.
Trotz Fusionen und Kooperationsstrategien der global agierenden Pharmaunternehmen wird die Situation auf dem Pharmamarkt immer schwieriger. In den nächsten zwei Jahren verlieren über 50% der 100 Top Produkte ihren Patentschutz und fallen als wesentliche Einnahmequelle für die Hersteller weg. Angesichts der immensen F&E-Ausgaben sind die Hersteller versucht, vorrangig sog. Blockbuster-Medikamente mit einem Umsatz im ersten Jahr von 1 Mrd. US-Dollar auf dem Markt zu bringen.
Die bei der Einführung entstehenden Kosten übersteigen oftmals die F&E-Ausgaben. Relativ hohe Margen von mehr als dreißig Prozent, die auch kritisiert werden, sind zu einem gewissen Teil notwendig, um als Ausgleich das hohe Risiko bei der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Zudem besteht insbesondere in den USA ein riesiges Verlustpotenzial durch Medikamente, die sich nachträglich tatsächlich oder sogar nur angeblich als gesundheitsschädigend erweisen. Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe, wie einer der jüngeren Fälle mit Lipobay von Bayer zeigt, sind nichts Ungewöhnliches.
Die in der EU weitaus stärkeren und strikteren Eingriffe in das Gesundheitswesen und den Markt für ethische (verschreibungspflichtige) Medikamente als in den USA bilden auf dem europäischen Markt ein zusätzliches Risiko. Mit den gesteigerten Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen und dem massiven Kostendruck bei der Entwicklung, Zulassung und Einführung eines Medikaments auf dem Absatzmarkt rückt auch die Bedeutung von Kommunikation und Marketing zwischen Hersteller und seinen möglichen Abnehmern immer weiter in den Vordergrund.
An der Debatte um mögliche Kommunikationsformen sind Mediziner, medizinische Fachorganisationen, Patientenverbände und -hilfsorganisationen, Verbraucherschützer, verschiedenste Kommissionen und Vereinigungen auf EU- wie auf nationaler Ebene, Patienten sowie auch die Hersteller beteiligt. Es herrscht vor allem jedoch Uneinigkeit über die Vorzüge und Nachteile von direkt auf den Konsumenten gerichteten […]
Leseprobe
ID 8201
Bülhoff, Daniel: Direct-to-Consumer (DtC):
Historische Entwicklung und Möglichkeiten auf dem deutschen Pharmamarkt
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Technische Universität Berlin, Diplomarbeit, 2004
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Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ...I
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ... III
Anhangsverzeichnis... IV
1. Einleitung... 1
2. Ausgangslage von DTC... 3
2.1 Begriffsdefinition ... 5
2.2 Drei Arten von DTC... 6
2.3 Regularien der drei Anzeigentypen... 8
2.4 Internationale Erfahrungen... 10
2.4.1 DTC in den USA... 10
2.4.2 DTC in Neuseeland... 18
2.4.3 Erfolg von DTC-Werbung... 22
3. Aktueller Stand in Deutschland und der EU...24
3.1 Rechtliche Situation in Deutschland... 24
3.2 Genutzte Formen der Patientenansprache durch Pharmaunternehmen... 30
3.3 Pro und Contra... 33
4. Informations- und Kommunikationsverhalten...40
4.1 Arzt-Patienten-Verhältnis... 40
4.2 Kommunikation Pharmahersteller und Ärzte... 44
5. Innovative Formen der Patientenansprache ...49
5.1 Public Relations ... 49
5.2 Internet-Informationen... 50
5.3 Einsatz alternativer Marketinginstrumente und Formen... 55
6. Fazit & Ausblick...60
Literaturverzeichnis... V
Anhang ... XVII
I
Abkürzungsverzeichnis
Ads
Advertisements
AMA
American Medical Association
AMG
Arzneimittelgesetz
ANZA
Association of New Zealand Advertisers
ASA
Advertising Standards Authority
CDER
Center for Drug Evaluation and Research
CRM
Patient Relationship Management
DDMAC
Division of Drug Marketing, Advertising, and
Communications
DFC
Direct From Consumer
DRC
Direct-Response-Campaign
DTC
Direct-To-Consumer
DTCA
Direct-To-Consumer-Advertising
EFPIA
European Federation of Pharmaceutical Indus-
tries and Associations
EMEA
European Agency for the Evaluation of Medici-
nal Products
e-MR
Electronic Medical Record
EPHA
European Public Health Alliance
FDA
Food & Drug Administration
FFDCA
Federal Food, Drug and Cosmetic Act
FTC
Federal Trade Commission
HAI
Health Action International
HWG
Heilmittelwerbegesetz
IMS
Intercontinental Medical Statistics
JTA
Joint New Zealand Australia Therapeutic Pro-
ducts Regulatory Agency
II
JZM
Johnston, Zabor, McManus
M&A
Mergers & Acquisitions
MPG
Medizinproduktegesetz
NHC
National Health Council
NIHCM
National Institute for Health Care Management
OTC
Over-the-Counter
PGEU
Pharmaceutical Group of the European Union
PR
Public Relations
PRM
Patient Relationship Management
RMI
Researched Medicines Industry Association of
New Zealand
ROI
Return On Investment
TAAS
Therapeutic Advertising Advisory Service
UWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
WHO
World Health Organization
III
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1 Beispiele Help-seeking Ads ... 7
Abb. 2 Beispiele Reminder Ads ... 7
Abb. 3 Beispiele Product Claim Ads... 8
Abb. 4 DTC-Ausgaben in den USA ... 15
Abb. 5 Beispiele für Verstöße... 18
Abb. 6 Vergleich Top-DTC-Präparate und beim Arzt am meisten nachgefragte
Präparate... 23
Abb. 7 Viagrakampagne... 31
Abb. 8 Bildende Funktion von verschiedenen Anzeigen: Lipitor und Singulair... 34
Abb. 9 Unterschied im Verhalten von Betroffenen und Nicht-Betroffenen... 36
Abb. 10 Ausgaben für rezeptpflichtige Medikamente in den USA... 37
Abb. 11 Präparate mit den höchsten DTC-Budgets 2000... 39
Abb. 12 Umsatzveränderung der Top-Ten Produkte 2000... 40
Abb. 13 Absolute Werbeaufwendungen im Jahr 2000... 46
Abb. 14 Prozentuale Aufwendungen pharmazeutische Werbung... 47
Abb. 15 Präferenzen der Patienten bzgl. Internetinformationen... 52
IV
Anhangsverzeichnis
Top50 DTC-Produkte Umsatz und Benutzung (1999-2000)... XVII
Heilmittelwerbegesetz ... XVIII
Richtlinie 92/28/EWG (Artikel 3)... XXIV
Direktive 2001/83/EG (Artikel 86 & 88)... XXV
1
1. Einleitung
Die pharmazeutische Industrie sieht sich zu Beginn des neuen Jahrtausends einer
Vielzahl von Problemen gegenüber gestellt. Auslaufende Schutzfristen und Patente
für die bereits auf dem Markt eingeführten Präparate, generelle Positionierungs- und
Penetrierungsprobleme für neue Therapiekonzepte sowie das hohe finanzielle Risi-
kopotenzial bei der Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente sind nur
ein Teil dieser Problematik.
Trotz Fusionen und Kooperationsstrategien der global agierenden Pharmaunterneh-
men wird die Situation auf dem Pharmamarkt immer schwieriger. In den nächsten
zwei Jahren verlieren über 50% der 100 Top Produkte ihren Patentschutz und fallen
als wesentliche Einnahmequelle für die Hersteller weg (HARMS/DRÜNER 2003,
S. X). Angesichts der immensen F&E-Ausgaben sind die Hersteller versucht, vor-
rangig sog. ,,Blockbuster"-Medikamente mit einem Umsatz im ersten Jahr von 1
Mrd. US-Dollar auf dem Markt zu bringen.
Die bei der Einführung entstehenden Kosten übersteigen oftmals die F&E-
Ausgaben. Relativ hohe Margen von mehr als dreißig Prozent, die auch kritisiert
werden, sind zu einem gewissen Teil notwendig, um als Ausgleich das hohe Risiko
bei der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zu kompensieren (STEINER
et al. 2001, S.9). Zudem besteht insbesondere in den USA ein riesiges Verlustpoten-
zial durch Medikamente, die sich nachträglich tatsächlich oder sogar nur angeblich
als gesundheitsschädigend erweisen. Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe, wie
einer der jüngeren Fälle mit ,Lipobay' von Bayer zeigt, sind nichts Ungewöhnliches.
Die in der EU weitaus stärkeren und strikteren Eingriffe in das Gesundheitswesen
und den Markt für ethische (verschreibungspflichtige) Medikamente als in den USA
bilden auf dem europäischen Markt ein zusätzliches Risiko. Mit den gesteigerten
Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen und dem massiven Kostendruck bei der
Entwicklung, Zulassung und Einführung eines Medikaments auf dem Absatzmarkt
rückt auch die Bedeutung von Kommunikation und Marketing zwischen Hersteller
und seinen möglichen Abnehmern immer weiter in den Vordergrund.
An der Debatte um mögliche Kommunikationsformen sind Mediziner, medizinische
Fachorganisationen, Patientenverbände und -hilfsorganisationen, Verbraucherschüt-
zer, verschiedenste Kommissionen und Vereinigungen auf EU- wie auf nationaler
Ebene, Patienten sowie auch die Hersteller beteiligt. Es herrscht vor allem jedoch
2
Uneinigkeit über die Vorzüge und Nachteile von direkt auf den Konsumenten ge-
richteten Werbe- und Kommunikationsstrategien, kurz DTC-Kommunikation
(Direct-To-Consumer).
In den USA wie auch in Neuseeland, in denen DTC-Werbung seit Beginn der 80er
ein Thema ist, wird mittlerweile eine kontroverse Diskussion über die Auswirkungen
von DTC auf die Branche geführt. Die Ausgaben für DTC-Kommunikation sind seit
geraumer Zeit überproportional im Verhältnis zu den restlichen Werbeausgaben ge-
stiegen, was als Indikator für die von der Industrie beigemessene Wichtigkeit gewer-
tet werden könnte. Deshalb stellen sich angesichts dieses Trends auch für Deutsch-
land bzw. die Europäische Union (EU) verschiedene Fragen: Soll die Gesetzgebung
gelockert oder sogar dem amerikanischen Vorbild angepasst werden? Lassen sich
DTC-Konzepte aus den USA einfach nach Europa transferieren? Herrscht in Euro-
pa ein anderes Verständnis von Verbraucherschutz und dem Ausmaß des Entge-
genkommens auf die Interessen der Hersteller? Schützt die deutsche bzw. europäi-
sche Gesetzgebung den Verbraucher wirklich oder bevormundet sie ihn eher? Lässt
sich DTC überhaupt angesichts der Möglichkeiten des Internets aufhalten und in-
wieweit werden DTC-Maßnahmen bereits umgesetzt?
Trotz des unterschiedlichen Aufbaus des amerikanischen und europäischen Gesund-
heitssystems, vor allem in der Finanzierung, wird davon ausgegangen, dass sich Imp-
likationen und Erfahrungen mit DTC aus den USA auch in Europa niederschlagen
würden. Ob dies realistisch ist, kann derzeit nicht beantwortet werden.
Da rezeptpflichtige Präparate das wachstumsstärkste und profitabelste Segment in
der Branche ausmachen, stellt sich auch unter der Annahme, dass DTC weiterhin
keine Option in Deutschland sein wird, die Frage, welche generellen Kommunikati-
onsmaßnahmen ergriffen werden können. Dabei sollen rechtliche Rahmenbedingun-
gen, der Schutz des Verbrauchers wie auch die Interessen der Pharmaunternehmen
berücksichtigt werden.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, einen ausführlichen Überblick über DTC-
Kommunikation in der Pharmabranche zu geben und die unterschiedlichen Positio-
nen und Meinungen der Beteiligten differenziert zu überprüfen. Vorrangig werden
aufgrund des Mangels an deutschen Quellen angloamerikanische Studien zur Analy-
se und Bewertung von DTC und seinen Auswirkungen herangezogen.
3
Das 2. Kapitel beginnt mit der Beschreibung der Ausgangslage von DTC für die
Hauptbeteiligten. Nach einem Definitionsversuch und der Beschreibung der ver-
schiedenen Arten und Regularien von DTC wird die internationale Entwicklung in
den USA sowie Neuseeland geschildert. Im 3. Kapitel wird die aktuelle Situation in
Deutschland und der EU vorgestellt. Hier wird vor allem auf den rechtlichen Rah-
men in Deutschland eingegangen, gefolgt von einer Darstellung der möglichen und
genutzten Formen der Patientenansprache seitens der Hersteller. Anschließend folgt
eine kritische Auseinandersetzung mit den Argumenten für und gegen DTC. Ge-
genstand des 4. Kapitels bilden die Informations- und Kommunikationsbeziehungen
zwischen Arzt und Patient sowie zwischen Herstellern und Ärzten. Im 5. Kapitel
werden innovative Formen der Patientenansprache vorgestellt, die teilweise bereits
eingesetzt werden, jedoch ausbaufähig und optimierbar sind. Besonderer Fokus liegt
hier auf den Möglichkeiten und dem Potenzial des Internets. Zum Abschluss wird
aus den vorangegangenen Ausführungen ein Fazit gezogen und ein Ausblick für die
weitere Entwicklung von DTC gegeben.
Wenn im Rahmen dieser Arbeit von DTC-Maßnahmen jedweder Art gesprochen
wird, beziehen sich diese Ausführungen ausschließlich auf den Markt für ethische
Medikamente, falls nicht anders angegeben.
2. Ausgangslage von DTC
Die drei Hauptbeteiligten an der kontroversen Debatte um DTC-Werbung sind die
Patienten, die Ärzte und die Pharmakonzerne. Alle haben unterschiedliche und den-
noch nachvollziehbare Standpunkte zur DTC-Problematik:
·
Patienten fordern mehr Informationen über gesundheitsspezifische Produkte;
zudem wollen sie mehr Entscheidungskontrolle und Eigenverantwortlichkeit be-
züglich ihrer Gesundheit. Sie fordern akkurate wie auch vollständige und aus-
gewogene Informationen (Vgl. EthicAd[1a] 2001 und PROF. HOMBURG &
PARTNER 2001).
·
Ärzte befürchten durch DTC-Werbung vorrangig einen Eingriff in ihre Ver-
schreibungsautonomie. Wenngleich DTC-Werbung den Patienten zum Kontakt
und Dialog mit dem Arzt anregen mag, fördert sie u. U. auch Komplikationen
im Arzt-Patienten-Verhältnis. Es besteht die Gefahr, dass Patienten Informati-
onen einer Anzeige missverstehen und trotz der Aufklärung durch den Arzt die
4
Verschreibung des (eigentlich nicht benötigten) Präparats fordern (siehe aus-
führlich 4.1) (EthicAd[1a] 2001).
·
Für die Pharmaunternehmen ist DTC nach wie vor ein relativ neues Thema.
Trotz bestehender FDA-Regularien hinsichtlich der Gestaltung von DTC-
Anzeigen und -Spots (siehe 2.1.2) existieren gegenwärtig keine Standards oder
eindeutige Richtlinien, welche Rolle die Pharmaunternehmen in punkto
Verbraucheraufklärung am besten übernehmen sollen oder wie diese am ehes-
ten ermöglicht wird (EthicAd[1a] 2001). Für Europa fordert die Industrie die
Gleichbehandlung gegenüber anderen Industrien bezüglich der Möglichkeit, für
ihre Produkte auch beim Endabnehmer zu werben. Sie nennt die derzeitigen
Regelungen Verstöße gegen das Informationsrecht des Bürgers bei ethischen
Präparaten und führt Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der Behand-
lungsqualität, der Therapietreue und des Therapieerfolges durch transparenten
Wettbewerb und mehr Information an (O.V. 2002[b]).
Die bereits angesprochene Entwicklung zu einer Krise in der Pharmabranche be-
antwortet auch die Frage, weshalb die Hersteller so stark auf eine Änderung in der
EU-Gesetzgebung drängen. Der europäische Binnenmarkt bietet ein Absatzpotenzi-
al, welches sogar das der USA übersteigt (HARMS/DRÜNER 2003, S. XI). Die
Hersteller sind nicht mehr in der Lage genug innovative Produkte mit entsprechen-
der Absatzkraft zu generieren, um weiter zu wachsen (MEDAWAR 2001, S. 1).
Ein Teil der Unternehmen hat auf diese Situation in den vergangenen Jahren durch
M&A-Aktivitäten reagiert (Bsp.: 1998: Hoechst und Rhône-Poulenc verschmelzen
zu Aventis, Astra und Zeneca zu AstraZeneca; Sanofi und Synthelabo zu Sanofi-
Synthelabo (LESSAT 1999, S. 91); 2000: Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham
zu Glaxo Smith Kline (MAAG 2001)), welche vor allem höhere Erfolgschancen und
Kostensenkungspotenziale in der Forschung und Entwicklung sowie der gemeinsa-
men Vermarktung bringen (AGARWAL et al. 2001, S. 65).
Durch Einführung und Nutzung von DTC-Konzepten wird eine weitere Möglichkeit
geschaffen auf die Wachstumsanforderungen zu reagieren. Direkt auf den Verbrau-
cher abzielende Maßnahmen bieten einerseits die Möglichkeit bestehende Märkte
auszubauen, neue zu schaffen und einen höheren Anteil an ,Blockbuster'-Produkten
im Unternehmensportfolio zu realisieren, und andererseits dem steigenden Informa-
tionsbedürfnis und der zunehmenden Emanzipation der Patienten gerecht zu werden.
5
Die Zahlen einer Studie des National Institute for Health Care Management
(NIHCM) verschaffen einen Eindruck von Bedeutung und Ausmaß der Werbung
für ethische Medikamente. Von 1999-2000 nahm auf dem US-Markt die Zahl der
Verschreibungen der 50 am stärksten beworbenen ethischen Medikamente um
knapp 25% zu; die der übrigen nur um etwas über 4%. Der Umsatz dieser 50 Prä-
parate stieg im selben Jahr um ca. 32%, im Gegensatz zu nur ca. 14% beim Rest
(O.V. 2002, S.1).
2.1 Begriffsdefinition
DTC ist die Abkürzung für Direct-To-Consumer. Der in den USA geprägte Begriff
DTC beinhaltet sämtliche direkt auf den Konsumenten bzw. Patienten gerichteten
Kommunikationsformen der Pharmahersteller. Teilweise wird DTC auch als Direct-
To-Patient bezeichnet (NESLIN 2001). Eine einheitliche Definition für DTC exis-
tiert in der Literatur nicht.
Ein weiterer Begriff ist DTCA, der für Direct-To-Consumer-Advertising bzw.
DTC-Werbung steht. Unter DTCA fallen alle Werbemaßnahmen, die direkt auf den
Verbraucher gerichtet sind.
Man sollte meinen, dass DTCA daher nur einen Teil von DTC abbildet (Werbung
als nur ein Teil von Kommunikation). Im Umgang mit den beiden Termini herrscht
jedoch Unklarheit bzw. Ungenauigkeit. Die Autoren verwenden DTC wie auch
DTCA synonym, beziehen ihre Ausführungen zumeist aber auf DTC-Werbung.
Obwohl man die Begriffe DTC wie auch DTCA theoretisch auf rezeptfreie wie
auch rezeptpflichtige Medikamente beziehen könnte, so verwendet sie die Literatur
recht einheitlich nur für rezeptpflichtige Medikamente.
DTC wird in der vorliegenden Arbeit angelehnt an das Verständnis von
MAIR/KANN (2001) als jede Art der Kommunikationsmaßnahme bezüglich ethi-
scher Medikamente mit dem Patienten verstanden und geht demnach über DTC-
Werbung hinaus.
In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, den Begriff Werbung bzw. speziell
pharmazeutische Werbung ausführlicher zu erklären. Dazu sei die umfangreiche
Definition aus New Zealand's Medicines Act von 1981 herangezogen:
,,'Advertisement' means any words, whether written, printed, or spoken, and any pictorial representa-
tion or design, used or appearing to be used to promote the sale of medicines or medical devices or the
use of any method of treatment; and includes any trade circular, any label, and any advertisement in a
6
trade journal; and `advertising' and `advertised' have corresponding meanings. `Medical advertisement'
means an advertisement relating, or likely to cause any person to believe that it relates, to any medicine
or medical device or any ingredient or component thereof, or to any method of treatment."
(Section
56, New Zealand's Medicines Act 1981)
Die World Health Organization (WHO) hat Arzneimittelwerbung bzw. "Drug Pro-
motion" wie folgt definiert:
"All informational and persuasive activities by manufacturers and distributors, the effect of which is to
induce the prescription, supply, purchase and/or use of medicinal drugs.
" (WHO 1988, S.2)
Das vorrangige und bekannte Ziel von Werbung ist die Absatzförderung des bewor-
benen Produkts.
2.2 Drei Arten von DTC
In den USA reguliert die Food & Drug Administration (FDA) über den Federal
Food, Drug and Cosmetic Act (FFDCA) sämtliche Werbung für ethische Medika-
mente, dieser beinhaltet auch ganz spezifische Regulierungsmaßstäbe für DTC-
Werbung (GAO 2002, S. 2). Innerhalb der FDA ist das CDER (Center for Drug
Evaluation and Research) bzw. dessen Abteilung DDMAC (Division of Drug Mar-
keting, Advertising, and Communications) für die Regulierung der Werbung ethi-
scher Präparate verantwortlich (WOODCOCK 2003).
Unterschieden werden drei Typen von DTC-Anzeigen:
1)
,,Help-seeking Advertisements" (die ratgebende Anzeige)
2)
,,Reminder Advertisements" (die erinnernde Anzeige)
3)
,,Product Claim Advertisements" (das Produktversprechen betreffende Anzei-
gen)
Zu 1) ,,Help-seeking Ads" informieren den Verbraucher über eine Krankheit oder
einen Gesundheitszustand, weisen auf verfügbare Therapeutika und Behand-
lungsformen hin und empfehlen die Konsultation des Arztes. Der spezielle
Name des Medikaments darf nicht genannt werden; hingegen aber der des
Herstellers. Ziel dieses Anzeigentyps ist es, den Patienten zum Arzt zu diri-
gieren, in der Hoffnung, dass dessen Beschwerden oder Symptome die An-
wendung des beworbenen Produkts verlangen (EthicAd[2] 2001).
7
Beispiele für ,,Help-seeking Ads"
Kampagne gegen die Grippe
von Roche 1999
Imagekampagne von
Johnson & Johnson 2002
Kampagne gegen Herz-Kreislauf -
Erkrankungen von Aventis 2002
Abb. 1 Beispiele Help-seeking Ads
Zu 2) ,,Reminder Ads" offenbaren den Namen und andere nicht spezifische Infor-
mationen des Produktes. Sie erwähnen jedoch nicht dessen bezweckten Nut-
zen bzw. seine Wirkung und geben keine Sicherheitshinweise. Dieser Anzei-
gentyp zielt darauf ab, den Markennamen ins Bewusstsein des Verbrauchers
zu bringen, damit dieser bei seinem Arzt nach weiteren Informationen ver-
langt. Letztliches Ziel ist dann die Anwendung des beworbenen Präparats
(EthicAd[2] 2001).
Beispiele für ,,Reminder Ads"
VIOXX von Merck 2002
MOTRIN von McNeil 2000
VIAGRA von Pfizer 1999
Abb. 2 Beispiele Reminder Ads
8
Zu 3) ,,Product Claim Ads" erwähnen den Markennamen und beschreiben auch die
beabsichtigte Wirkweise und Anwendungsformen. Zweck dieses Anzeigen-
typs ist es, umfangreichere Informationen über das Präparat bereitzustellen,
so dass der Verbraucher animiert wird, von seinem Arzt dessen Verschrei-
bung zu fordern (EthicAd[2] 2001).
Der Großteil der DTC-Anzeigen sind ,,Product Claim Ads" (WILKES et al.
2000, S. 114). Dieser Anzeigentyp wird am kontroversesten diskutiert, da er
das höchste Potenzial hat, vom Durchschnittsverbraucher missverstanden zu
werden. Er unterliegt daher strikteren FDA-Regularien (NIHCM 2002, S.
34).
Beispiele für ,,Product Claim Ads"
VIAGRA gegen erektile
Dysfunktionen von Pfizer 2001
AVANDIA gegen Diabetes 2001 von
Bristol Myers Squibb beworben, heute
vertrieben von GlaxoSmithKline
NEXIUM gegen Sodbrennen
von AstraZeneca 2002
Abb. 3 Beispiele Product Claim Ads
2.3 Regularien der drei Anzeigentypen
Allen Anzeigentypen ist gemein, dass sie (a) wissenschaftliche Daten nicht falsch
wiedergeben, (b) klinische Überlegenheit des Medikaments nicht ohne unterstützen-
de wissenschaftliche Daten deklarieren oder (c) ein Medikament nicht ohne FDA-
Zulassung als Behandlungsmöglichkeit präsentieren dürfen (EthicAd[1b] 2001).
Darüber hinaus hat die FDA (siehe auch 2.4.1) noch weitere Richtlinien für DTC-
Anzeigen von ethischen Medikamenten erlassen:
9
1)
Kurze Zusammenfassung Nach dieser Richtlinie muss die Anzeige eine kurze
Zusammenfassung beinhalten, welche über die Nebenwirkungen, Vorsichtsmaß-
nahmen, Risikogruppen und Anwendungshinweise informiert. Es wird als kurze
Zusammenfassung bezeichnet, da nicht die kompletten Dosierungs- und pharma-
kologischen Informationen aufgeführt werden müssen wie auf dem Beipackzet-
tel. In der Praxis sind diese Produktinformationen oft sehr lang. Sie können je-
doch auf einer separaten beigelegten Seite (dies ist meist der Fall) abgedruckt
werden, so dass die Informationen viel weniger sichtbar sind. Außerdem ist seit
1997 die ,kurze Zusammenfassung' nur bei Product Claim Ads von Nöten; bei
den beiden anderen Typen ist sie nicht zwingend (siehe auch 2.4.1) (EthicAd[3]
2001).
2)
Ausgeglichenes Verhältnis Die Anzeigen müssen ein ausgeglichenes Verhält-
nis von Informationen über Vorteile sowie Risiken des Medikaments beinhalten,
d.h., die Vorteile und Risiken müssen ähnlich detailliert und ausführlich behandelt
werden. Zum Beispiel darf in einer Printanzeige keine große fette Schrift die Pro-
duktvorzüge anpreisen, während die Risiken und Nebenwirkungen nur in ganz
kleiner Schrift darunter oder an der Seite erscheinen. Ebenso darf ein einminüti-
ger TV-Spot nicht 50 Sekunden lang die Vorteile darstellen und sich nur zehn Se-
kunden mit den Risiken auseinandersetzen (Ethic-Ad[3] 2001).
3)
Adäquate Informationsbereitstellung Diese Vorgabe der adäquaten Informa-
tionsbereitstellung kann in der Praxis durch unterschiedliche Maßnahmen erreicht
werden:
·
Zur Verfügung stellen einer kostenlosen Info-Hotline bzw. Servicenummer
·
Auslegen von Informationsbroschüren an öffentlichen Stellen wie Bibliothe-
ken, Apotheken, Arztpraxen und Ämtern etc.
·
Hinweise auf die Nachfragemöglichkeit beim Arzt oder Apotheker
·
Verweis auf eine Website (EthicAd[3] 2001)
4)
Hauptaussage Im TV oder Radio ausgestrahlte Spots müssen grundsätzlich
eine Hauptaussage zu Risiken und Nebenwirkungen machen und bedeutende
Kon-traindikationen auffällig präsentieren (EthicAd[3] 2001).
Da diese Regularien von der FDA erlassen wurden, nehmen die meisten Verbrau-
cher an, dass DTC-Werbung vor der Ausstrahlung bereits von der FDA kontrolliert
und somit genehmigt ist. Die FDA verlangt aber kein vorheriges Beantragen einer
10
Sendegenehmigung. Es bleibt den Pharmaunternehmen freigestellt, ihre DTC-
Anzeigen der FDA zur Überprüfung vorzulegen. Im Falle eines Verstoßes gegen die
Richtlinien hat die FDA die nötige Befugnis, den Pharmakonzern zum sofortigen Er-
greifen von korrektiven Maßnahmen aufzufordern und dem beworbenen Produkt die
Marketinglizenz zu entziehen (Ministry of Health New Zealand 2000, S. 5).
Die meisten anderen Formen der Werbung, inklusive der Werbung für OTC-
Produkte, unterliegen anderen hier nicht näher erläuterten Richtlinien der Federal
Trade Commission (FTC) (NORDENBERG 1998 und CALFEE 2002, S. 1).
2.4 Internationale Erfahrungen
Die USA sowie Neuseeland sind derzeit die einzigen Industrienationen auf der Welt,
die DTCA von ethischen Medikamenten erlauben (Vgl. MINTZES 2003, S. 11 und
SMITH 2000, S. 1). In den folgenden zwei Abschnitten wird auf die spezifische
Entwicklung der beiden Länder eingegangen. Zudem soll anhand eines Überblicks
über die Ausgabenverläufe für DTC die Relevanz und Brisanz des Themas für das
Gesundheitssystem verdeutlicht werden.
2.4.1 DTC in den USA
In den USA existierte nie eine spezielle Gesetzgebung, welche DTC von ethischen
Medikamenten verbot. Kontrolliert und reguliert wird pharmazeutische Werbung sei-
tens der FDA seit den ,,Kefauver-Harris Amendments" von 1962 durch den ,,Fede-
ral Food, Drug, and Cosmetic Act" (Ministry of Health New Zealand 2000, S. 5;
CALFEE 2002, S. 174 und WILKES et al. 2000, S. 113). Diese beinhalteten die in
2.3 erläuterten Bedingungen (1-4), allerdings noch nicht derartig spezifiziert für
DTC.
Seit 1981 ist DTC in den USA ein Thema (BASARA 1996, S. 716). Es herrscht
Uneinigkeit bei den Autoren, welche die erste DTC-Kampagne war. PINES führt
Boot Pharmaceuticals Fernseh- und Zeitungskampagne für ihr verschreibungspflich-
tiges Präparat ,Rufen' gegen Arthritis an, während HARMS/DRÜNER Merck,
Sharp und Dohme mit ihrer Aufmerksamkeitskampagne für die vorbeugende Grip-
peschutzimpfung mit ,Pneumovax' zitieren (Vgl. HARMS/DRÜNER 2003 und
PINES 1999, S. 491).
11
Die Aufklärungskampagne für Pneumovax wurde von den amerikanischen Behör-
den und der US-Bevölkerung insgesamt positiv aufgenommen, und bei Bürgern über
65 Jahre übernahm Medicare sogar die Kosten für die Impfung. Zum einen wirkte
die Anzeige nicht allein auf Absatz gerichtet, sondern sie implizierte auch ein ge-
meinnütziges Interesse der Hersteller an einer Immunisierung gegen Grippe
(HARMS/DRÜNER 2003, S. 223).
Boot Pharmaceutical's Kampagne für Rufen hingegen wurde von der FDA als un-
ausgewogen und irreführend verurteilt und wurde daher noch am Erscheinungstag
eingestellt (HARMS/DRÜNER 2003, S. 223).
Diese ersten beiden Kampagnen mit ihrer unterschiedlichen Resonanz verdeutlichen
schon das Dilemma, in dem sich DTC-Kommunikation befindet. Forscher begannen
in Frage zu stellen, ob DTC-Werbung die Interessen der Pharmahersteller und auch
das Gesundheitsinteresse der Öffentlichkeit in gleichem Maße berücksichtigt. Wei-
tere Kampagnen weiteten die Diskussion um DTC aus (Ministry of Health New
Zealand 2000, S. 5).
1982 startete Eli Lilly eine aggressive Werbekampagne für ihr Arthritispräparat
,Oraflex'. Zielgruppe waren sowohl Patienten als auch Ärzte. Behauptungen, dass
das Präparat das Fortschreiten der Erkrankung hemmen würde, führten zu schnellen
Umsätzen. Die Anzahl der wöchentlichen Verschreibungen stieg von 2.000 auf
55.000 und der Umsatz stieg auf mehr als eine Million Dollar pro Woche. Nach fünf
Monaten nahm Eli Lilly das Medikament vom Markt, da schwerwiegende Neben-
wirkungen (sogar Todesfälle) überwiegend bei Älteren aufgetreten waren (Vgl.
MINTZES 1998, S. 3 und ALPER 1999).
Diese beiden Vorfälle führten seitens der FDA zur Forderung nach einem Moratori-
um, um genügend Zeit für eine umfangreiche Evaluierung künftiger DTC-
Maßnahmen zu haben. Die Pharmabranche akzeptierte die Forderung, und von 1983
bis 1985 wurde ein freiwilliges zweijähriges Moratorium eingehalten (CALFEE
2002, S. 174).
Während einer von der Industrie organisierten Konferenz 1984 drückten fast 80%
der Unternehmen ihre Abneigung gegenüber DTC aus. Sie führten hauptsächlich
Gründe wie Angst vor gewachsener Produkthaftung, vor steigenden Marketingkos-
ten und geringerer Rentabilität an (Ministry of Health New Zealand 2000, S. 5).
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Nach Ende der zweijährigen Moratoriums-Phase gab die FDA bekannt, dass DTC
stetiger Regulierung unterliegen und richtungweisende Grundsätze für die Industrie
geschaffen werden sollten. Man versah DTC mit Auflagen wie sie ähnlich für die
Bewerbung von Apothekern und Ärzten galten (CALFEE 2002, S. 174 und PINES
1999, S. 493).
Auf Seiten der Hersteller wurde nach wie vor über den Sinn und Zweck von DTC
diskutiert. Bei einer 1985 durchgeführten Befragung von 88 Pharmaunternehmen
mit einer Rücklaufquote von 62,5% gab die Mehrzahl (80%) an, dass ihrer Meinung
nach DTC zu höheren Umsätzen des beworbenen Produktes führen würde
(BASARA 1996, S. 717). Dennoch betrachteten es die meisten Unternehmen kri-
tisch, da sie eine Gefährdung des Arzt-Patienten-Verhältnisses wie auch generell
negative Auswirkungen auf das Gesundheitssystem befürchteten. Das Gros der
Hersteller war nicht bereit DTC-Kommunikation einzusetzen, selbst wenn andere
Konkurrenten dies täten (PINES 1999, S. 491).
In den anschließenden Jahren änderte sich wenig an dieser Skepsis, bis Merrel Dow
1989 eine DTC-Anzeige zur Steigerung der Nachfrage nach ihren Nikotinpflastern
initiierte. In der Werbung wurde dem Patienten angeraten seinen Arzt zu konsultie-
ren und mit diesem die Verschreibung der Pflaster aktiv zu erörtern. Hier wurde
auch schon eines der künftigen Hauptprobleme von DTC feststellbar. Viele Ärzte
fühlten sich durch einen Patienten bevormundet, der mit einer beeinflussten und u
.U. vorgefertigten Meinung zum Termin erscheint (HARMS/DRÜNER 2003, S.
223).
1992 war es wieder Merrel Dow, die abermals mit einer DTC-Kampagne für ihre
Nikotinpflaster auf sich aufmerksam machten. Neu war diesmal aber das Ausmaß.
Sie schalteten ihren Fernsehspot zu einem amerikanischen Großevent (Super Bowl),
also zur besten Sendezeit, und lösten damit ,,eine vorher nicht gekannte Werbe-
schlacht" aus (Vgl. HARMS/DRÜNER 2003, S.224 und MANSFIELD 1999, S.
25). In den nächsten Monaten investierten mehrere Hersteller über 100 Mio. $US in
ähnliche Präparate.
Zwei Jahre später schaltete Merck Sharp und Dohme zu Schulungszwecken über
die Prostata-Hyperplasie erstmals eine Direct-Response-TV-Campaign (DRC) für
ihr Präparat ,Proscar'. Den Patienten standen gebührenfreie Hotlines zur Verfü-
gung, über die sie weitere Informationen zur Anwendung dieses Medikaments erhal-
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ten konnten. In der Folge ahmten viele pharmazeutische Hersteller solche DRCs er-
folgreich nach (HARMS/DRÜNER 2003, S. 224).
Im Jahre 1995 hielt die FDA eine zweite Reihe von Konferenzen und öffentlichen
Untersuchungen zum Thema DTC ab. Wenig neue Erkenntnisse über seine Aus-
wirkungen konnten gewonnen werden, jedoch war eine deutliche Veränderung
gegenüber vorherigen Untersuchungen aufgetreten. Der Befürworteranteil unter
den Herstellern war deutlich gewachsen und ein Großteil der Unternehmen betrieb
bereits aktiv DTC-Kommunikation. Eine weitere Neuerung war das Verlangen der
Hersteller nach Änderungen und Lockerungen der Regulierungen für Fernseh- und
Rundfunkkampagnen. Dieses Änderungsverlangen betraf vor allem die Pflicht, bei
jedem Spot die komplette ,kurze Zusammenfassung' einzublenden, da diese die TV-
Werbung extrem teuer und damit unattraktiv machte (Vgl. Ministry of Health New
Zealand 2000, S. 6 und WILKES et al. 2000, S. 114).
Wegen fortschreitender Entwicklung der DTC-Kommunikationsversuche seitens der
Hersteller gab die FDA 1997 die in 2.2 und 2.3 beschriebenen offiziellen Richtlinien
zum Umgang mit DTC heraus. Dem Änderungsverlangen der Hersteller bezüglich
der ,kurzen Zusammenfassung' wurde insofern Rechnung getragen, als dass sie bei
Reminder - und Help-Seeking Ads nicht aufgeführt werden muss (FFDCA Section
502(n)). Stattdessen wurden die Hersteller dazu verpflichtet, bei TV- und Rund-
funkspots die Hauptrisiken zu erwähnen und zusätzliche Informationsmöglichkeiten
wie gebührenfreie Hotlines, eine Internetadresse und simultanes Schalten von Prin-
tanzeigen mit ,kurzer Zusammenfassung' bereit zu stellen (Ministry of Health New
Zealand 2000, S.6).
Diese Änderungen führten zu einem rasanten Anstieg von DTC-Werbung - vor al-
lem von TV-Spots - und bereits im darauf folgenden Jahr wurden mehr als 30 Prä-
parate im Fernsehen beworben (Vgl. HARMS/DRÜNER 2003, S. 224 und
STEGMAIER 2001). Ein Beispiel ist die 15-20 Millionen Dollar teure Printkam-
pagne von Eli Lilly für ihr Antidepressivum ,Prozac' (MINTZES 1998, S. 2).
Im August 1999 gab die FDA eine weitere Meldung bezüglich DTC heraus. Sie be-
tonte nochmals die Notwendigkeit für eine zeitlich und inhaltlich ausgeglichene Dar-
stellung von Vor- wie auch Nachteilen bei Werbung mit Produktnamen. Darüber
hinaus erließ sie noch folgende Regelungen:
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·
Das Faxen von Produktinformationen auf Wunsch an Konsumenten ist keine
Option der Informationsbereitstellung mehr.
·
Die Unternehmen müssen während einer TV-Kampagne ebenfalls Printwer-
bung in umfangreichem Maße verbreiten, so dass der Fernsehzuschauer detail-
liertere Risikohinweise erhalten kann.
·
Über Ärzte und Apotheker hinaus dürfen auch weitere Gesundheitsdienstleister
als zusätzliche Informationsquelle aufgeführt werden (Ministry of Health New
Zealand 2000, S.6).
Die FDA hat trotz Kritik an DTC und seinen möglichen negativen Auswirkungen
immer wieder darauf verwiesen, dass keine konkreten Daten vorliegen, die negative
Effekte eindeutig belegen. Ihrer Ansicht nach überwiegen die Vorteile einer kom-
munikationsfördernden Medienlandschaft die nicht eindeutig nachgewiesenen und
nur vermuteten Nachteile für den Patienten (Ministry of Health New Zealand 2000,
S. 7).
Mittlerweile kann DTC in den USA als etabliert angesehen werden. Dies ist auch
auf ein verstärktes Bemühen der Hersteller um Akzeptanz und Verständnis zurück-
zuführen. Schon bei der Entwicklung eines DTC-Konzepts werden Meinungsführer
frühzeitig eingebunden (HARMS/DRÜNER 2003, S.225 f.).
Durch die Möglichkeit der Stellungnahme von Ärzten und Apothekern will man
schon im Vorfeld etwaigen Konflikten entgegenwirken. Darüber hinaus werden Pa-
tientenorganisationen bei der Entwicklung von Werbemaßnahmen beteiligt, da diese
den größten Fokus auf verbraucherschutzrechtliche Aspekte legen. Die Marketing-
abteilungen der Unternehmen sind angehalten, ihre Aussagen wissenschaftlich fun-
diert zu formulieren und diese kritisch auf ihre Werbewirkung zu hinterfragen. Sie
suchen für die Implementierung der Patientenbedürfnisse aktiv Gespräche mit den
Verbrauchern. Der dadurch entstehende Vertrauensfaktor trägt primär zum Erfolg
und einer positiven Entwicklung eines Medikaments bei (HARMS/DRÜNER 2003,
S. 226).
Nach Meinung einiger Autoren wurde den Bedürfnissen der Kunden und des Mark-
tes mit der regulierten Genehmigung von DTC letztendlich Rechnung getragen
(HARMS/DRÜNER 2003, S. 225).
In jüngster Zeit streben einige Verfechter des freien Marktes eine weitere Locke-
rung zu noch freizügigeren Werbebestimmungen an. Konservative Anwälte und