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Betriebliche Sozialpolitik in Deutschland

Entwicklung der betrieblichen Sozialleistungen im Allgemeinen und Untersuchung des aktuellen Status sowie der künftigen Ausrichtung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie

©2004 Bachelorarbeit 151 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die zeitliche und inhaltliche Entwicklung der Sozialleistungen in Deutschland von ihren Anfängen bis heute aufzuzeigen und mögliche Perspektiven für die Zukunft herauszuarbeiten. Mittels einer arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Umfrage wird darüber hinaus nicht nur ein Blick auf die derzeitige betriebliche Sozialpolitik, sondern auch ein Ausblick auf deren zukünftige Ausrichtung im Bereich der pharmazeutischen Industrie gewährt. Das Thema wird im Wesentlichen in drei Hauptkapiteln behandelt:
Kapitel 1 liefert einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen vom Zeitalter der Industrialisierung bis zum 21. Jahrhundert. Dabei werden u. a. anhand von historischen Beispielen die Intentionen und die sich ändernden Rahmenbedingungen der Arbeitgeber dargestellt. Definitionen der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, eine aktuelle demographische Bevölkerungsanalyse sowie die Beschreibung und Wirkung der wesentlichen Sozialleistungen runden das Kapitel ab.
Kapitel 2 geht differenziert auf das Motivationsinstrument Compensation & Benefits ein. Es unterscheidet monetäre und nicht-monetäre Anreize, erläutert sonstige betriebliche Sozialleistungen und geht auch auf das Sozialleistungsmarketing ein. Die Arbeit setzt sich u. a. mit Verkaufsprämien, Erfolgsbeteiligungen und Long-Term Incentives auseinander und zeigt detailliert die verschiedenen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung auf. Darüber hinaus werden Stock Option Programme, Deferred Compensation und das Cafeteria Modell, Incentives, Firmenwagen und Zeitsouveränität behandelt.
Trotz der in letzter Zeit geringer gewordenen (finanziellen und gesetzlichen) Spielräume bieten sich den Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, ihre Sozialleistungssysteme entsprechend der Unternehmenslage ertragsorientiert, aber auch leistungssteigernd und motivierend zu gestalten.
In Kapitel 3 werden die Ergebnisse der Unternehmensumfrage in der pharmazeutischen Industrie verbal und mit Hilfe zahlreicher Grafiken dargestellt. Dabei wurden nicht nur die bei den 18 teilnehmenden Unternehmen eingesetzten freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen im einzelnen betrachtet, sondern auch ihre Wirkung auf die Arbeitnehmer untersucht. Die Umfrage ergab u. a., dass viele Sozialleistungen im Bewußtsein der Arbeitnehmer offenbar Selbstverständlichkeiten darstellen und das gesamte, umfangreiche Sozialleistungsspektrum […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8100
Schultz, Peter: Betriebliche Sozialpolitik in Deutschland - Entwicklung der betrieblichen
Sozialleistungen im Allgemeinen und Untersuchung des aktuellen Status sowie der
künftigen Ausrichtung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Bad Homburger Akademie für Internationales Management, BA-Thesis / Bachelor,
2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Seite
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
6
1.1 Arbeitsmarktsituation
in
Deutschland
6
1.2 Problemstellung
und
Begriffsdefinition
7
1.3 Vorgehensweise
8
2
Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
9
2.1
Zeitalter der Industrialisierung
9
2.2
Das 20. und 21. Jahrhundert
13
2.3
Definition und Ziele der betrieblichen Sozialpolitik
14
2.4 Sozialleistungen
als
Kostenfaktor
18
2.5 Demographische
Entwicklung
18
3 Motivationsinstrument
Compensation
&
Benefits
20
3.1 Monetäre
Anreize
25
3.1.1 Vergütungsmanagement
26
3.1.2 Variable
Vergütungsinstrumente
27
3.1.2.1 Verkaufsprovisionen und -prämien
28
3.1.2.2 Erfolgsbeteiligungen
28
3.1.3 Long-Term
Incentives
31
3.1.3.1 Stock Options
31
3.1.3.2 Belegschaftsaktien
32
3.1.4 Betriebliche
Altersversorgung
32
3.1.5 Deferred
Compensation
37
3.1.6 Cafeteria-Modelle
39
3.1.7 Betriebliches
Vorschlagswesen
42
3.2 Nicht-monetäre
Anreize
43
3.2.1 Incentives
43
3.2.2 Zeitsouveränität
44
3.2.3 Status
und
Statussymbole
46
3.2.4 Firmenwagen
47

Seite
3.3 Sonstige
betriebliche
Sozialleistungen
48
3.3.1 Kantine
48
3.3.2 Fort-
und
Weiterbildung
49
3.3.3
Gesundheitsvorsorge und -fürsorge
50
3.4 Unterstützung
durch
Beratungsunternehmen
50
3.5 Sozialleistungsmarketing
51
4
Empirische Untersuchung in der Pharmabranche
53
4.1
Grundlagen und allgemeine Informationen
53
4.2 Arbeitgeberbefragung
54
4.2.1
Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsleistungen
54
4.2.2
Finanzielle Zuwendungen und gesundheitliche Absicherung
55
4.2.3
Variable Vergütungen und Long-Term Incentives
56
4.2.4 Sonstige
betriebliche
Sozialleistungen
57
4.2.5 Worklifebalance
59
4.2.6
Aktuelle und zukünftige C & B-Strategien
61
4.3 Arbeitnehmerbefragung
64
4.3.1 Personenkreis
64
4.3.2
Leistungen zur Absicherung, Vorsorge und Hilfe
65
4.3.3 Einkommenswirksame
Sozialleistungen
66
4.3.4 Erstattungsleistungen
68
4.3.5
Materielle und immaterielle Klimaleistungen
68
4.4 Systementwicklung
und
-einführung
69
5 Schlussbetrachtung
und
Ausblick
70
Literaturverzeichnis
Anhang

Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
AG Aktiengesellschaft
Arbeitg. Arbeitgeber
AT außertarifliche/r
AVmG Altersvermögensgesetz
BAG Bundesarbeitsgericht
BAV Betriebliche
Altersversorgung
BBG Beitragsbemessungsgrenze
BetrAVG
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
C & B
Compensation & Benefits
ca. circa
c.p. ceteris
paribus
d. h.
das heißt
diesbzgl. diesbezüglich
Dr. Doktor
EDV Elektronische
Datenverarbeitung
EStG Einkommensteuergesetz
etc. et
cetera
e. V.
eingetragener Verein
ff. folgende
(Seiten)
gem. gemäß
ggf. gegebenenfalls
GHH Gutehoffnungshütte
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GV Gruppenvertrag
Hrsg. Herausgeber
http
Hypertext Transfer Protocol
iwd
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
i. d. R.
in der Regel
lt. laut
LV Lebensversicherung

Mio. Million
Mrd. Milliarde
m. E.
meines Erachtens
Nr. Nummer
o. ä.
oder ähnliches
PC Personal
Computer
PKW Personenkraftwagen
Prof. Professor
PSV Pensionssicherungsverein
pwc PriceWaterhouseCoopers
p. a.
per anno
RVO Reichsversicherungsordnung
sog. so
genannt
S. Seite
u. a.
unter anderem, und andere, und anderes
U-Kasse Unterstützungskasse
vgl. vergleiche
VWL Vermögenswirksame
Leistung
www.
world wide web
Ziff. Ziffer
zzgl. zuzüglich
z. B.
zum Beispiel

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Seite
Abb. 1 Altenquotient
19
Abb. 2
Mögliche Zusammensetzung der Gesamtvergütung
25
Abb. 3
Ziele und Anforderungen an Verkaufsprämien
28
Abb. 4
Das Drei-Säulen-Prinzip der Altersversorgung
33
Abb.
5
Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung 1996
35
Abb.
6
Faktoren der Attraktivität von Optionen
40
Abb.
7
Arbeitszeit ­ Die zweite Wohlstandsdimension
44
Tabelle 1
Verbreitung von Zusatzleistungen nach Entgeltquintilen 1998
24

Einleitung
Seite 6
1 Einleitung
1.1 Arbeitsmarktsituation
in
Deutschland
Neben der Qualifikation der Erwerbstätigen und der Demographie spielt auch die
Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft eine entscheidende Rolle, wenn es um
ihre Wettbewerbsfähigkeit geht: ,,Nicht mehr die Steigerung der Mengenleistung
alleine entscheidet heute über das Überleben des Unternehmens in einer dynami-
schen multinationalen Industriegesellschaft, sondern die Kreativität und Innovati-
onsfreudigkeit der Mitarbeiter sowie die strategischen Fähigkeiten und die Füh-
rungseigenschaften der Manager. Vor allem diese Aspekte müssen in einem zeit-
gemäßen Anreizsystem Berücksichtigung finden."
1
Die finanziellen Möglichkeiten der Unternehmen, ein diese Gesichtspunkte berück-
sichtigendes Sozialleistungssystem auf- und auszubauen, werden im Zuge der Glo-
balisierung und des Konkurrenzdrucks allerdings immer geringer. Die Quartals- und
Geschäftsjahresergebnisse der internationalen Konzerne weisen bei steigendem
Shareholder Value zwar wieder positive Zuwachsraten aus, aber gleichzeitig ist
festzustellen, dass dieser Aufschwung offensichtlich auf Produktivitätserhöhungen,
technischen Fortschritt und Umstrukturierungen zurückzuführen ist. So betrug die
Arbeitslosenquote bezogen auf abhängig zivile Erwerbspersonen lt. Statistischem
Bundesamt im Dezember 2003 noch 11,5 % und bei allen zivilen Erwerbspersonen
10,4 %.
2
Vor diesem Hintergrund ist es m. E. erstaunlich, dass eine 1998 durchgeführte
repräsentative Umfrage bei rund 6.000 Bundesbürgern ergeben hat, dass ,,zwar
rund 72 % der Westdeutschen der Auffassung [sind], die ,zu hohen' Lohnneben-
kosten stellten eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Gleich-
zeitig aber sind nur 10 % bereit, eine Streichung des Urlaubs- oder Weihnachts-
geldes zu akzeptieren, wenn davon der Erhalt ihres Arbeitsplatzes abhängt und gar
nur 5 % der Befragten glauben, eine Reduktion gesetzlicher, tarifvertraglicher
und/oder freiwilliger Sozialleistungen sei ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit."
3
1
Wagner/Grawert 1993, S. 109
2
Vgl. www.destatis.de/indicators/d/arb210ad.htm (2004-01-11)
3
Frick u. a. 1999, S. 27ff.

Einleitung
Seite 7
1.2
Problemstellung und Begriffsdefinition
In den letzten Jahrhunderten wurde die Gewährung von betrieblichen Sozialleistun-
gen vielfach religiös, karitativ oder politisch begründet. Heute stehen betriebs- und
sozialwirtschaftliche Ziele, die z. B. der Eindämmung der Fluktuation dienen oder als
personalpolitisches Mittel des betrieblichen Qualitätsmanagements eingesetzt wer-
den, im Vordergrund. Die Wettbewerbsfähigkeit wird nicht nur durch Material- und
Energiekosten, Steuern oder die Produktivität beeinflusst, sondern insbesondere
durch Personalkosten und betriebliche Sozialleistungen. Daher hat die Beschäfti-
gung mit Fragen aktueller betrieblicher Sozialpolitik zunehmend an Bedeutung
gewonnen. Zum einen zwingt die allgemeine Kosten- und Wirtschaftssituation die
Unternehmen zu hinterfragen, ob die Gründe, die in der Vergangenheit zur Gewäh-
rung bestimmter Sozialleistungen geführt haben, heute noch relevant sind und von
den Mitarbeitern noch in demselben Maße wie damals geschätzt werden. Zum
anderen müssen die Unternehmen den gesellschaftspolitischen und demographi-
schen Veränderungen verstärkt Rechnung tragen.
Was versteht man unter betrieblichen Sozialleistungen? Hemmer definiert sie als
Leistungen, ,,die den Arbeitnehmern über den vereinbarten Lohn oder das verein-
barte Gehalt hinaus aus Aufwendungen des Arbeitgebers zugute kommen. Dabei
können die Leistungen sowohl während des aktiven Arbeitslebens wie auch nach
dem Ausscheiden aus dem Betriebsprozeß gewährt werden. Die Leistungen können
dabei direkt als Geld gezahlt werden oder indirekt auf Vorteilen beruhen. Für den
Arbeitnehmer bedeuten sie eine Verbesserung und Sicherung seines Lebensstan-
dards oder des Lebensunterhaltes."
4
In der Regel werden auch Leistungen an
Angehörige des Arbeitnehmers und in letzter Zeit auch verstärkt erfolgsabhängige
Entgeltkomponenten mit einbezogen. So definiert Engel betriebliche Sozialleistun-
gen als ,,Summe aller Leistungen, die der Betrieb seinen Mitarbeitern und
deren Familienangehörigen über das Arbeitsentgelt hinaus in Geld- und
Sachwerten sowie in der Form von Dienstleistungen und Nutzungsmöglich-
keiten gewährt."
5
Die Historie zeigt jedoch, dass der Freiraum unternehmerischer Tätigkeit im Hinblick
auf betriebliche Sozialleistungen im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr redu-
ziert wurde. Durch die Festschreibung von ehemals freiwilligen Leistungen durch
Gesetze und Tarifverträge sowie durch die Grundsätze der Gleichbehandlung oder
4
Hemmer 1983, S. 4
5
Engel 1977, S. 15

Einleitung
Seite 8
das Verbot der willkürlichen Differenzierung und Diskriminierung ist der Handlungs-
spielraum der Unternehmen, insbesondere der tarifvertraglich gebundenen, deutlich
eingeschränkt.
Ein zeitgemäßes betriebliches Sozialleistungssystem muss daher als eine Art Paket
verstanden werden, das die gesetzlichen, tarifvertraglichen und ­ teilweise darauf
aufbauenden
­ freiwilligen Leistungen gleichermaßen berücksichtigt.
6
Zwischenzeit-
lich hat sich auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dieser Thematik beschäftigt:
Es definiert in einem 2002 veröffentlichten Urteil (BAG GS AP Nr. 17 zu § 77
BetrVG) freiwillige Leistungen ­ in Abgrenzung zu den gesetzlichen und
tarifvertraglich begründeten und bedingten Sozialleistungen ­ als solche, die der
Arbeitgeber aus freiem Entschluss gewährt und auf die der Arbeitnehmer dem
Grunde nach keinen Rechtsanspruch hat.
7
1.3 Vorgehensweise
Die vorliegende Arbeit soll die Entwicklung der betrieblichen Sozialpolitik in
Deutschland von ihren Anfängen bis heute sowie mögliche Perspektiven für die Zu-
kunft aufzeigen; die finanztechnische Betrachtung einzelner Sozialleistungen ist
nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Neben der Verwendung der einschlägigen
Fachliteratur und Umfrageergebnissen von Personalberatungen wurde darüber
hinaus eine empirische Erhebung bei Personalleitern in 40
Unternehmen der phar-
mazeutischen Industrie durchgeführt. Ziel der Befragung war, den derzeitigen Stand
sowie die mittel- bis langfristigen Strategien dieser Unternehmen im Hinblick auf ihre
betrieblichen Sozialleistungen zu ermitteln. 18 Firmen haben den Fragebogen zu-
rückgesandt; dies entspricht einer Rücklaufquote von 45 %.
Zur Einschätzung der freiwilligen Arbeitgeberleistungen seitens der Arbeitnehmer
wurde ein weiterer Fragebogen entwickelt, der jeweils 10 Mitarbeitern der befragten
Firmen, d. h. insgesamt 400 Beschäftigten vorgelegt wurde. 110 Fragebögen wur-
den zurückgeschickt, was einer Teilnahmequote von 28 % entspricht. Eine
repräsentativere Umfrage war aufgrund der kritischen wirtschaftlichen Situation, in
der sich die pharmazeutische Industrie vor dem Hintergrund einer zunehmend
instabilen Wirtschafts- und Gesundheitspolitik befindet und der damit verbundenen
Zurückhaltung der Personalverantwortlichen, nicht realisierbar. Einen Einblick in die
6
Vgl. Anhang 1, Schaubild 1
7
Vgl. Schmitz-Jansen 2002, S. 328

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 9
Wertschätzung der angebotenen Sozialleistungen der Unternehmen seitens der
Arbeitnehmer ermöglicht die Auswertung der Rückmeldungen dennoch.
Bei der Auswertung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbögen ist die Bezugsgröße
jeweils die Anzahl der Rückläufe, nicht der versandten Fragebögen. Demzufolge
beziehen sich die Werte und errechneten Prozentsätze auf 18 Unternehmen (im
Text Teilnehmer, befragte oder untersuchte Unternehmen genannt) sowie auf
110 Arbeitnehmer (in der Arbeit als Befragte oder befragte Mitarbeiter bezeichnet).
2
Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
2.1
Zeitalter der Industrialisierung
Sozialeinrichtungen sind weder eine Erfindung des 19. Jahrhunderts noch der
Industriegesellschaft von heute. Die Anfänge sozialen Denkens im Sinne einer Ver-
besserung der sozialen Verhältnisse liegen bereits in der Antike, als beispielsweise
die Römer und Griechen für die medizinische Versorgung ihrer Sklaven sorgten
oder Begräbniskosten übernahmen. Auch im Mittelalter, als noch nicht zwischen
Familienhaushalt und Erwerbswirtschaft unterschieden wurde, erbrachten Groß-
familien, das Handwerk, Gewerbetreibende und teilweise auch der Handel ,,beacht-
liche Sozialleistungen in Form von Verpflegung, Kleidung, Unterkunft, Kranken-
fürsorge, Alterssicherung, Freizeitgestaltung etc."
8
So hatte Jakob Fugger im
16. Jahrhundert in Augsburg mehrere Häuser und Wohnungen als Siedlung für
Arbeiter (Fuggerei) errichten lassen, was einem Vorläufer des Werkswohnungsbaus
gleichkommt.
9
Die Trennung zwischen Arbeit und Familie und die mit der
erwerbswirtschaftlichen Denkweise verknüpfte Arbeitsteilung brachte eine Auflösung
der sozialen Bindungen und familiären Absicherungen mit sich. Wenn man im
17. und 18. Jahrhundert vom sog. Pöbel oder der neuen Sozialschicht, dem Proleta-
riat, sprach, war dies eine der Folgen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
kulturellen Wandels. Manufakturen, die z. B. über Zucht-, Waisen- und Armen-
häuser verfügten, führten ihre Fürsorgeeinrichtungen nicht nur unter dem Gesichts-
punkt der Erziehung des Pöbels, also der sozial entwurzelten Gesellschaftsschich-
ten, zum ,,Industriefleiß" durch, sondern vor allen Dingen auch als Maßnahme zur
Erhöhung der Produktion und ihres Gewinns.
10
8
Pohl 1978, S. 8
9
Vgl. Uhle 1987, S. 26
10
Vgl. Fischer 1978, S. 36

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 10
Spätestens im Zeitalter der Industrialisierung, beginnend Mitte der 30er Jahre des
19. Jahrhunderts, änderte sich ­ nicht zuletzt auch aufgrund der drängenden
Massenarmut der Arbeiterschaft ­ der Fokus der betrieblichen Sozialpolitik. Neue
Technologien, die Entwicklung von Spinn- und Webmaschinen sowie der Dampf-
maschine, erforderten zukünftig nicht nur den dienstlichen Gehorsam, sondern auch
qualitativ gut ausgebildete Arbeitnehmer, die diese Maschinen bauen und bedienen
konnten. Die ,,betriebliche Personalführung und damit auch die betriebliche Sozial-
politik gewinnen daher (...) eine neue Qualität."
11
Der ursprüngliche Gedanke der
betrieblichen Sozialpolitik, die zum Wegbereiter der staatlichen Sozialpolitik wurde,
war also die humanitäre und karitative Hilfe sowie die Untermauerung der patriar-
chalischen Führung.
Die Gutehoffnungshütte (GHH) hatte beispielsweise bereits 1809 begonnen, ein-
zelne Not leidende Arbeitnehmer zu unterstützen und gründete 1832 schon eine
eigene Unterstützungskasse. ,,Die [1848 mit anderen Unterstützungskassen zu-
sammengelegte] Kasse zahlte neben Krankengeld, Medizin und ärztlicher Behand-
lung auch Schulgeld für die Kinder der Tagelöhner in niedrigen Lohngruppen und
Prämien für die Arbeiter, die 100 Taler ihres Lohnes in die seit 1842 bestehende
Werkssparkasse einlegten."
12
Auch Alfred Krupp sei in diesem Zusammenhang namentlich erwähnt. ,,Nur wenige
Unternehmer haben so deutlich wie Krupp ausgesprochen, 'daß ich in meinem
Hause, wie auf meinem Boden Herr sein und bleiben will.'"
13
Trotz dieses
patriarchalischen Anspruchs zählte Krupp zu denjenigen, die bereits damals er-
kannten, dass das Humankapital ein wesentlicher Produktionsfaktor war und sich ­
nicht ganz uneigennützig ­ der Bedürfnisse der Belegschaft durch die Zurverfü-
gungstellung von Werkswohnungen, Verpflegung oder Krankenpflege annahm.
Werner Siemens, ebenfalls ein Vorreiter der betrieblichen Sozialpolitik im
19. Jahrhundert, versuchte über die Gewährung von Sozialleistungen seine Arbeiter
und Angestellten fester an das Unternehmen zu binden. Die Einrichtung von Pen-
sions-, Witwen- und Waisenkassen für langjährige und loyale Mitarbeiter sollte von
der Arbeitnehmerschaft als Geschenk der Firma gesehen werden. Nur diejenigen,
die mindestens zehn Jahre Betriebszugehörigkeit aufzuweisen hatten, waren an-
spruchsberechtigt. Außerdem verloren Mitarbeiter den Anspruch auf Pension, wenn
11
Fischer 1978, S. 37
12
Fischer 1978, S. 42
13
Fischer 1978, S. 44

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 11
sie aus der Firma ausgeschieden waren, wenn sie durch eigenes Verschulden er-
werbsunfähig wurden oder absichtlich gegen die Interessen des Unternehmens
gehandelt hatten.
14
Neben der Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Belegschaft im Rahmen der
Vor- und Fürsorge wurden jetzt auch Gesundheits- und Qualifizierungsmaßnahmen
ein wesentlicher Bestandteil der betrieblichen Sozialleistungen. Nicht nur bei
Siemens, Krupp oder der GHH wurden betriebliche Unterstützungssysteme wie
Betriebskrankenkassen und andere Unterstützungskassen eingerichtet. Allein
zwischen 1860 und 1874 stieg die Zahl der Kassen in den alten Provinzen
Preußens von 779 auf 1.654 und die Zahl ihrer Mitglieder von 170.847 auf
420.191.
15
Die Beiträge wurden ­ wie im Krankenversicherungsgesetz von 1883
geregelt ­ meistens zu zwei Dritteln von den Versicherten und lediglich zu einem
Drittel von den Arbeitgebern gezahlt. ,,Als Mindestleistung waren vor allem ärztliche
Behandlungskosten, Arzneimittel, Heilmittel und Krankengeld vom 3. Tag bis zur
13. Woche von der Versicherung zu tragen."
16
Darüber hinaus errichteten größere Unternehmen firmeneigene Konsumanstalten, in
denen die Arbeitnehmer Lebensmittel, Haushaltswaren oder Kleidung verbilligt er-
werben konnten. Betriebliche Aus- und Fortbildungseinrichtungen wurden gegrün-
det, Kantinen eingerichtet und Werkswohnungen gebaut. Eine 1876 veröffentlichte
Untersuchung des preußischen Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten, die in 4.850 größeren Gewerbebetrieben durchgeführt wurde, ermittelte
insgesamt 11.771 Wohlfahrtseinrichtungen (ohne die unter staatlicher Aufsicht
stehenden Hilfskassen und die besonderen Einrichtungen für die Bergleute
Preußens).
17
Das Untersuchungsergebnis zeigt, dass im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts nicht dem Staat, sondern dem im freien Wettbewerb stehenden
Unternehmer die Aufgabe zufiel, im Falle von Unfall oder Krankheit für die
Arbeitnehmer zu sorgen. Neben der sozialen Komponente gewannen
Gesichtspunkte wie die Erhaltung und Steigerung der Arbeitsleistung durch
Anreizsysteme immer stärker an Bedeutung. So bescherte der Leistungs- und
Akkordlohn den Arbeitern nicht nur leistungsabhängige Zusatzverdienste, sondern
bei sinkender Leistung auch eine entsprechende Lohnkürzung.
18
14
Vgl. Fischer 1978, S. 46
15
Vgl. Fischer 1978, S. 40
16
Uhle 1987, S. 64
17
Vgl. Fischer 1978, S. 41 und Anhang 1, Tabelle 1
18
Vgl. Schmitz-Jansen 2002, S. 74

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 12
Daneben rückten Loyalität und Betriebstreue sowie das An- und Abwerben von qua-
lifizierten Arbeitskräften immer mehr in den Blickpunkt. Schmitz-Jansen verweist auf
Geck, demzufolge die jährliche Fluktuationsrate damals zwischen 70 % und 80 %
der Belegschaft betrug.
19
Diesem Missstand versuchte man mit der Gewährung von
Darlehen, der Einrichtung von Pensionskassen oder der Vermietung von Werks-
wohnungen entgegenzuwirken. Durch diese von den Arbeitnehmern durchaus ge-
schätzten Sozialleistungen wurde gleichzeitig eine gewisse Abhängigkeit zwischen
Arbeitnehmern und Unternehmen hergestellt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Arbeiterbewegung an Einfluss gewann,
galt das Augenmerk der Unternehmer in erster Linie der Sicherung des Betriebes
gegen äußere, politische Einflüsse. Sie versuchten zunehmend, über den Aufbau
eines neuen ,,Wir-Gefühls" und dem Gedanken einer Werksgemeinschaft den
Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaften entgegenzutreten und ihre Mitarbei-
ter durch Zugeständnisse bei den Arbeitsbedingungen davon abzuhalten, sich die-
ser Bewegung anzuschließen.
20
Allerdings gelang ihnen dies nur teilweise. ,,Zur
historischen Relevanz des Ansatzes einer Erklärung der Gewährung betrieblicher
Sozialleistungen aus sozialethischer Sicht läßt sich feststellen, daß bis zum Ende
des 19. Jahrhunderts die ethisch motivierte Fürsorge das vorherrschende Motiv
war."
21
Der preußische Staat begann erst Mitte des 19. Jahrhunderts bis dahin von den
Unternehmen gewährte Sozialleistungen zu übernehmen. So wurde am
6. April 1839 das preußische Kinderschutzgesetz erlassen und 6 Jahre später, am
17. Januar 1845, der Grundsatz zur Schaffung von Krankenkassen für Fabrik-
arbeiter in der allgemeinen Preußischen Gewerbeordnung verankert. Aus sozialpoli-
tischen Gründen ­ vor allen Dingen zur Eindämmung der aufgrund der schlechten
Beschäftigungsverhältnisse radikalisierten Arbeiterschaft ­ griff der deutsche Staat
mit Otto von Bismarck verstärkt in das Geschehen ein. Mit seiner Ankündigung von
gesetzlichen Regelungen für eine Sozialversicherung in der ,,Kaiserlichen Botschaft"
vom 17. November 1881 legte er den Grundstein zur Kranken-, Unfall- sowie Invali-
den- und Altersversicherung. Die entsprechenden Maßnahmen fanden in der Zeit
von 1883 bis 1889 dann auch Eingang in die Sozialgesetzgebung.
19
Vgl. Schmitz-Jansen 2002, S. 78
20
Vgl. Schmitz-Jansen 2002, S. 76
21
Uhle 1987, S. 137

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 13
So legte beispielsweise das Alters- und Invalidenversicherungsgesetz vom
22. November 1889 fest, dass ,,mit der Vollendung des 70. Lebensjahres oder mit
dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit"
22
eine Rentenzahlung durch den öffentlich-
rechtlichen Versicherungsträger erfolgen sollte.
Auch die Änderung der Gewerbeordnung im Jahre 1891 durch Kaiser Wilhelm II.
führte zu einem erheblichen Wandel in der staatlichen und betrieblichen Sozial-
politik. Insbesondere die Einführung der Mitbestimmung bei betrieblichen Sozial-
leistungen bedeutete für die Arbeitgeber eine starke Einschränkung ihres bis dahin
gewohnten Freiraums.
23
2.2
Das 20. und 21. Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, im Jahre 1911, erließ der Staat die Reichsver-
sicherungsordnung (RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz; das Gesetz
über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wurde am 16. Juni 1927
erlassen. Der Staat entließ damit in zunehmender Weise die Unternehmer aus der
Verantwortung und übernahm selbst die Sicherung der heute bekannten Versiche-
rungszweige. ,,Die betrieblichen Sozialleistungen erhielten mit der Errichtung der
Sozialversicherung die ihnen ,bis heute verbliebene Funktion, die durch die staat-
liche Sozialpolitik geschaffene Grundsicherung zu ergänzen...'."
24
,,Die Sozialgesetzgebung machte die begriffliche Unterscheidung zwischen freiwilli-
gen betrieblichen Sozialleistungen und gesetzlichen betrieblichen Sozialleistungen
erforderlich. Die freiwilligen Leistungen wurden nun in der Regel vom Arbeitgeber
alleine bezahlt."
25
Abgesehen von den gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen Leistungen
erschließt sich dem Arbeitgeber auch weiterhin ein weites Feld an Möglichkeiten,
das gleichzeitig aber auch einen großen Kostenfaktor darstellt. Zwar wurden die
Spielräume der Arbeitgeber beispielsweise durch das Betriebsrätegesetz von 1946,
das Montanmitbestimmungsgesetz aus dem Jahre 1951 oder das Betriebsver-
fassungsgesetz 1952 stark eingeschränkt, dennoch sind der Kreativität und dem
Einfallsreichtum nahezu keine Grenzen gesetzt, wenn es um die Ausgestaltung
22
Uhle 1987, S. 66
23
Vgl. Uhle 1987, S. 71
24
Uhle 1987, S. 68
25
Uhle 1987, S. 69

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 14
freiwilliger sozialer Leistungen geht.
26
Festhalten lässt sich, dass insbesondere in
Notzeiten, also beispielsweise in Kriegs- oder Nachkriegsjahren, die betrieblichen
Sozialleistungen oft zur Minderung sozialer Probleme beitragen konnten.
27
2.3
Definition und Ziele der betrieblichen Sozialpolitik
Im Hinblick auf eine Definition von betrieblicher Sozialpolitik gibt es verschiedene
Ansätze. Pohl wählt folgenden:
,,Art oder Form der Leistungsgewährung, also Geld-, Sach-, Dienstleis-
tung oder Nutzungsgewährung;
Häufigkeit des Leistungsempfanges (Dauerleistungen, periodische
Leistungen, einmalige Leistungen);
Bemessungsgrundlage (nach Lohn bzw. Gehalt, persönlichen Daten des
Empfängers, Ertragslage des Unternehmens);
Empfängerkreis (Aktive oder ehemalige Mitarbeiter, Angehörige; alle Mit-
arbeiter, Mitarbeitergruppen, einzelne Mitarbeiter; Betriebsfremde;
außerbetriebliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten
etc.)."
28
Fischer definiert betriebliche Sozialpolitik ,,als Summe der freien bzw. widerrufbaren
Entscheidungen einer Unternehmensleitung"
29
und untergliedert sie grob entspre-
chend ihren Funktionen:
,,Versicherung gegen Krankheit, Unfall und Invalidität, Alter. Hierzu kann
man auch die Witwen- und Waisenversorgung sowie die Werksspar-
kassen zählen.
Beiträge zur Verbilligung der Lebenshaltung. Das sind besonders Werks-
wohnungen oder Siedlungen, Werkskantinen oder Konsumanstalten,
aber auch Einrichtungen zur Gesundheitspflege von Duschen bis zu
Krankenhäusern.
26
Vgl. Anhang 1, Schaubild 2
27
Vgl. Uhle 1987, S. 68
28
Pohl 1978, S. 11
29
Fischer 1978, S. 34

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 15
Ausbildungsmöglichkeiten (Fabrikschulen, Lehrwerkstätten etc.)
Direkte Einkommensverbesserung wie Prämien, Gratifikationen, Gewinn-
und Ertragsbeteiligungen etc.
Ob auch die Fragen der Beteiligung an unternehmerischen Entscheidun-
gen, also die Mitbestimmung, dazu gehören, mag umstritten sein.
Immerhin sind die Arbeiterausschüsse, wie sie im 19. Jahrhundert oft
freiwillig und im Bergbau dann auch gesetzlich gegründet wurden, vor
allem mit der Verwaltung der betrieblichen Sozialeinrichtungen befaßt
worden. Zumindest insofern gehören auch sie zur betrieblichen Sozial-
politik."
30
Aber unabhängig davon, wie man die betrieblichen Sozialleistungen versucht zu
kategorisieren, müssen sie jederzeit dahingehend überprüft werden, ob sie noch
zeitgemäß und für die Mitarbeiter attraktiv sind bzw. ihren Bedürfnissen noch ge-
recht werden.
Nach dem zweiten Weltkrieg konnte man insbesondere in den 40er und 50er Jahren
einen starken Anstieg der Personalnebenkosten verzeichnen, und dies; obwohl der
Staat eine immer stärkere Rolle bei der sozialen Absicherung übernahm und somit
die Arbeitgeber in dieser Hinsicht entlastete. Die Unternehmen waren jedoch ge-
zwungen, aufgrund des akuten Arbeitskräftemangels Mitarbeiter auch über neue,
attraktive betriebliche Sozialleistungen zu rekrutieren und langfristig zu binden. Erst
in den 80er und 90er Jahren haben neben diesen Schwerpunkten Leistungssteige-
rungs-, Belohnungs- und Werbefunktionen eine vorrangige Stellung eingenommen,
so dass man von einer zunehmend immateriellen Leistungsgestaltung sprechen
kann. Diese Entwicklung, die u. a. kulturelle Veranstaltungen, Sport- und Freizeit-
programme sowie Sozialberatungen einschloss, berücksichtigte die veränderten
Arbeitszeitgegebenheiten, ging auf die neuen Bedürfnisse der Arbeitnehmerschaft
ein und wandte sich auch den persönlichen Problemen der Beschäftigen zu.
31
Mit den sog. Sozialbilanzen, die die Unternehmen im Zuge des Wertenormen-
wandels erstellten, wurde in den 60er Jahren der Versuch unternommen, unter-
nehmensseitig die gesellschafts- und mitarbeiterorientierten Interessen darzustellen,
um eine gewisse Transparenz des Firmenengagements zu erreichen. ,,Sehr global
30
Fischer 1978, S. 34ff.
31
Vgl. Heymann 1989, S. 39

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 16
kann man die Sozial-Bilanz definieren als Inbegriff sämtlicher Versuche und Vor-
schläge zur zielrelevanten Darstellung der gesellschaftlichen Umweltbeziehungen
eines Unternehmens für verschiedene Interessengruppen wie Mitarbeiter, Aktionäre,
Kunden, Öffentlichkeit."
32
Man könnte die Sozialbilanz auch eine Form gesell-
schaftsbezogener Rechnungslegung nennen. Neben der periodischen und vergan-
genheitsbezogenen Darstellung der gesellschaftspolitischen Aktivitäten stellt sie ein
internes Kontroll- und Führungsinstrument dar, welches die mengen- und wert-
mäßige Erfassung der Leistungsströme der betrieblichen Sozialleistungen aufzeigen
kann.
In der Regel bestehen die Sozialbilanzen der Unternehmen aus dem Sozialbericht
und der Wertschöpfungsrechnung. Während der Sozialbericht ,,Ziele, Maßnahmen,
Leistungen und Wirkungen sozialer Aktivitäten sowie umfangreiche Statistiken über
Personalstruktur und -entwicklung, Verdienste, Personalkosten, Arbeitszeit etc. ent-
hält (...), [wird in der Wertschöpfungsrechnung der] ,,periodische Beitrag des Unter-
nehmens zum Volkseinkommen ermittelt."
33
Dennoch sind sie aufgrund uneinheit-
licher Grundsätze sowie unterschiedlicher Darstellungsweisen schwer vergleichbar.
Der Nutzen für die Gesellschaft im Allgemeinen und den Einzelnen im Besonderen
ist umstritten. So messen Wagner/Grawert den Sozialbilanzen im Hinblick auf den
Informationswert für externe Bezugsgruppen und Eigentümer einen hohen Stellen-
wert zu
34
, während Pohl den Nutzen lediglich für begrenzt hält.
35
Da Anfang der
90er Jahre nur noch 200 Unternehmen eine Sozialbilanz erstellten, soll hier auf eine
weitergehende Behandlung verzichtet werden.
Unabhängig von der Darstellungsweise betrieblicher Sozialleistungen lassen sich
unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Individuums bei Berücksichtigung öko-
nomischer Gegebenheiten folgende übergreifende Ziele definieren
36
:
Erhaltung und Steigerung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit durch
bestimmte Sozialmaßnahmen, wie Erhöhung des allgemeinen Informa-
tions- und Bildungsstandes oder eine entsprechende Arbeitsplatzgestal-
tung,
Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter,
32
Zitiert nach: Domsch 1979, S. 103
33
Wagner/Grawert 1993, S. 50
34
Vgl. Wagner/Grawert 1993, S. 50
35
Vgl. Pohl 1978, S. 10
36
Vgl. Anhang 1, Schaubild 3

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 17
Verbesserung des Betriebsklimas, indem u. a. Maßnahmen zur Ver-
besserung der internen Kommunikation ergriffen werden,
Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Mitarbeiter untereinan-
der und der Verbundenheit zum Unternehmen durch die Einführung
eines innerbetrieblichen Vorschlagswesens, die Ehrung von Jubilaren
oder Durchführung von Betriebsveranstaltungen etc.,
Verbesserung der Wettbewerbsposition auf dem Arbeitsmarkt und des
öffentlichen Ansehens des Unternehmens (Imagepflege),
Mitarbeiterbindung und Fluktuationsrückgang durch Zahlung von
Gratifikationen und die Einführung von Prämiensystemen,
Senkung der Fehlzeiten durch geeignete Maßnahmen gesundheitlicher
oder hygienischer Art oder durch zweckmäßige und ergonomische
Gestaltung der Arbeitsplätze oder -abläufe,
Ergreifung von Maßnahmen zur Vermeidung von Betriebsunfällen,
Kostensenkung und Ausnutzung steuerlicher Möglichkeiten.
Die Frage nach einer sinnvollen Eingliederung betrieblicher Sozialpolitik in das ge-
samtgesellschaftliche System gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere im
Hinblick auf die Entwicklung der Personalnebenkosten. Zwar sichert die staatliche
Sozialpolitik Fälle wie Alter, Krankheit oder Tod grundsätzlich weitestgehend ab,
dennoch sind aber Ergänzungen und Verbesserungen durch die Betriebe durchaus
erwünscht. Daraus ergeben sich eine Reihe von Wechselwirkungen, insbesondere
bei der Altersversorgung. Jüngstes Beispiel ist die Anhebung der Beitragsbemes-
sungsgrenze (BBG) ­ die in vielen betrieblichen Versorgungsordnungen eine der
Schlüsselgrößen bei der Bemessung der Firmenrente ist ­ um mehr als 13 % zum
1. Januar 2003, von monatlich 4.500 Euro auf 5.100 Euro. Die Pensionsordnungen
enthalten oftmals eine gesplittete Rentenformel, bei der die BBG die Grenze
zwischen einem prozentual niedrigeren und einem prozentual höheren Anteil des
pensionsfähigen Einkommens darstellt. Die Anhebung der BBG bedeutete daher
eine Reduzierung der zu erwartenden Firmenrenten.

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 18
2.4 Sozialleistungen
als
Kostenfaktor
Die durchschnittlichen Gesamtarbeitskosten pro Jahr je vollzeitbeschäftigtem Arbeit-
nehmer (branchenübergreifend) sind in der Zeit von 1996 bis 2000 von 40.750 Euro
auf 43.330 Euro, also um 6,3 % gestiegen. Das darin enthaltene Entgelt für die ge-
leistete Arbeitszeit stieg dabei um 8,5 % auf 24.557 Euro, während die Personal-
nebenkosten mit einem 43,3 %igen Anteil an den Gesamtkosten um 3,6 % auf
18.773 Euro zugenommen haben.
37
Selbst bei einer Unterscheidung nach produzie-
rendem Gewerbe und Dienstleistung ändern sich die Prozentsätze kaum: Die vom
Unternehmen aufzubringenden Mittel für gesetzliche (z. B. Sozialversicherung),
tarifvertragliche (z. B. Gratifikationen) und freiwillige Zusatzleistungen (z. B. betrieb-
liche Altersversorgung) betrugen im Kalenderjahr 2000 durchschnittlich 76,3 % bzw.
76,8 % des Entgelts für die geleistete Arbeitszeit und sind damit gegenüber dem
Jahr 1992 im produzierenden Gewerbe um 3 % gesunken und im Dienstleistungs-
sektor lediglich um 0,4 % gestiegen.
38
Die Höhe der Sozialaufwendungen im Verhältnis zum Direktentgelt wurde 1990 im
produzierenden Gewerbe mit 82,9 % ermittelt.
Der Anteil schwankt dabei nicht nur
von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen, sondern ist auch
abhängig von der jeweiligen Hierarchiestufe der Mitarbeiter. So ist der Anteil der
freiwilligen Leistungen bei außertariflichen (AT-)Mitarbeitern und Führungskräften
absolut wie prozentual im Verhältnis zum Direktentgelt höher als bei Tarifmit-
arbeitern.
39
2.5 Demographische
Entwicklung
Neben ständig steigenden Personal- und Personalnebenkosten sowie Ausgaben für
betriebliche Sozialleistungen stellt die demographische Entwicklung in Deutschland,
aber auch in den anderen europäischen Ländern eine neue Herausforderung für die
Unternehmen dar. Das Statistische Bundesamt hat in einer Pressekonferenz am
6. Juni 2003 Zahlen veröffentlicht, denen zufolge im Jahr 2050 ,,jeder Dritte in
Deutschland 60 Jahre oder älter sein [wird]."
40
Rund 50 % der Bevölkerung werden
älter als 48 Jahre und rund 33 % mindestens 60 Jahre alt sein. Aufgrund der anhal-
tend geringen Geburtenrate ­ die Geburten werden bis 2050 voraussichtlich um
170.000 zurückgehen und damit nur noch 560.000 pro Jahr betragen ­ wird die
37
Vgl. Anhang 1, Tabelle 2
38
Vgl. Anhang 1, Tabelle 3
39
Vgl. Anhang 1, Tabelle 4
40
www.destatis.de/presse/deutsch/pm2003/p2300022.htm (2004-01-07) und Anhang 1, Schaubild 4

Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen
Seite 19
100
100
100
100
100
100
44
46
55
71
73
78
Personen
2001
2010
2020
2030
2040
2050
Jahr
Personen im Rentenalter (60 Jahre)
Personen im Erwerbsalter (20-59 Jahre)
Personen
deutsche Bevölkerung in diesem Zeitraum auf das Niveau von 1963 zurückfallen
und nur noch etwas mehr als 75 Millionen betragen.
41
Der 1939 geborene
Sozialforscher Prof. Dr. Meinhard Miegel kommentiert diese Entwicklung wie folgt:
,,Zu dem verhängnisvollen Trend, dem die Bevölkerungsentwicklung Deutschlands
und anderer früh industrialisierter Länder seit einer Generation folgt, hat die Politik
maßgeblich beigetragen. Sie hat nicht nur die frühzeitigen Warnungen der Experten
in den Wind geschlagen, sondern, schlimmer noch, die Bevölkerung jahrelang in
trügerischen Illusionen gewiegt. Bis in jüngste Zeit glaubte die Mehrheit, mit der
Demographie sei alles in Ordnung."
42
Sich häufende Zeitungsartikel mit Überschriften wie ,,Kritische Beschleunigung:
Nach der neuesten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes
wird sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen in
den nächsten Jahrzehnten in Deutschland noch stärker verschieben als bisher vor-
ausberechnet (...)."
43
oder ,,Auch in den USA tickt die demografische Zeitbombe"
44
nehmen Bezug auf den Altenquotienten, der das Verhältnis zwischen Erwerbsfähi-
gen und Personen im Rentenalter ausdrückt. Das Statistische Bundesamt ermittelte
folgende Angaben:
Abb. 1: Altenquotient
45
Im Jahr 2001 kamen demzufolge 44 Rentner auf 100 Erwerbstätige. Laut Statistik
werden 50 Jahre später 78 Rentnern 100 Erwerbstätige gegenüberstehen.
41
Vgl. www.destatis.de/presse/deutsch/pm2003/p2300022.htm (2004-01-07)
42
Miegel 2002, S. 84
43
PM/Preusker 2003, S. 22
44
Backfisch 2003, S. 5
45
Eigene Darstellung nach www.destatis.de/presse/deutsch/pm2003/p2300022.htm (2004-01-07)

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 20
Miegel sowie andere namhafte Sozialforscher beschäftigen sich bereits seit Jahren
mit den Themen Bevölkerungsentwicklung und Sozialsysteme. In seinem Buch ,,Die
deformierte Gesellschaft" befasst sich Miegel ausführlich mit den gesetzlichen und
betrieblichen Sozialleistungen angesichts der demographischen Entwicklung in
Deutschland sowie den sich daraus ergebenden Erfordernissen der privaten Vor-
sorge. Seiner Prognose zufolge wird Deutschland bis zum Jahre 2040 knapp
18 Millionen Einwohner ­ trotz Berücksichtigung einer steigenden Lebenserwartung
­ verlieren.
46
Als Grund für den Bevölkerungsrückgang gibt er in erster Linie den
zunehmenden Egoismus der Gesellschaft an. ,,Nüchtern betrachtet, ist die niedrige
Geburtenrate (..) darauf zurückzuführen, dass Kinder in wohlstands- und erwerbs-
arbeitsorientierten, kollektiv rundum abgesicherten und hochgradig individualisti-
schen Gesellschaften oft weniger attraktiv sind als andere Lebensoptionen. Mögen
Kinder für viele eine große Bereicherung sein ­ für die meisten hat ihre Attraktivität
spürbar abgenommen."
47
Des Weiteren führt er aus: ,,Bevölkerungsschwund und -
alterung sowie multikulturelle Durchdringung erfordern grundlegende Verhaltens-
änderungen, wenn sie nicht zur existenziellen Bedrohung werden sollen."
48
Dies ist eine Herausforderung, der sich alle gesellschaftlichen Gruppen, insbeson-
dere aber Politiker und Arbeitgeber, zu stellen haben und deren Bewältigung Jahr-
zehnte dauern wird. Die Bundesregierung versucht, dieser Situation zu begegnen,
indem sie das Renteneintrittsalter nach Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit von derzeit
60 Jahre auf 63 Jahre angehoben hat und eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit
auf 67 Jahre einzuführen beabsichtigt.
3
Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seit Anfang der 90er Jahre kommt den Leistungsanreizen und Sozialleistungen, die
zusätzlich zur eigentlichen Vergütung gewährt werden, eine immer stärkere Bedeu-
tung zu. Dabei stehen den Betrieben grundsätzlich nur jene Sozialleistungen als
Motivationsinstrument zur Verfügung, die sie direkt beeinflussen können. Es gehört
zu den Hauptaufgaben der Personalverantwortlichen, ein integratives, flexibles
System zu entwickeln, das einerseits die personalpolitischen Ziele des Unterneh-
mens unterstützt und andererseits die Bedürfnisse der Arbeitnehmer berücksichtigt.
Traditionelle Vergütungsstrukturen sehen i. d. R. bis zu vier Bausteine vor: (seniori-
tätsorientiertes) Grundgehalt, variable Vergütungsbestandteile, betriebliche Alters-
46
Vgl. Miegel 2002, S. 23
47
Miegel 2002, S. 21
48
Miegel 2002, S. 67

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 21
versorgung und Nebenleistungen. Insbesondere im Hinblick auf Führungskräfte
lässt sich inzwischen feststellen, dass diese Struktur nicht mehr zeitgerecht ist.
Haussmann erkennt z. B. Defizite sowohl bei fehlenden Long-Term Incentives
49
, die
auf den langfristigen Unternehmenserfolg zielen, als auch in der Art und Weise, wie
die variablen Vergütungsbestandteile ausgestaltet sind.
50
Das Konzept der ,,Total
Compensation", das seit einigen Jahren von Beratungsunternehmen propagiert und
von vielen Unternehmen bereits praktiziert wird, ist eine Möglichkeit, den veränder-
ten Ansprüchen und Bedürfnissen der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen. Wesent-
liche Merkmale dieses Ansatzes sind folgende Maßnahmen
51
:
überlappende Grundgehaltsbänder bei Funktionsgruppen unter
Berücksichtigung bestehender Vergütungsstrukturen und aktueller
Marktdaten,
Positionierung der Mitarbeiter nach individuellem Potential und langfristi-
ger Leistung,
Erhöhung des variablen Vergütungsbestandteils auf bis zu 30 %,
Koppelung der Gesamtvergütung an Unternehmenserfolg und persönli-
che Leistung,
beitragsorientierte Altersversorgung statt endgehaltsbezogene Versor-
gungszusagen,
Einführung von Deferred Compensation,
52
Reduzierung der sonstigen betrieblichen Sozialleistungen bei gleichzeiti-
ger Wahlmöglichkeit im Rahmen des Cafeteria-Modells.
53
49
Long-Term Incentives [engl., ,,langfristige Anreize"]: Mitarbeiter-Beteiligungsmodelle zur langfris-
tigen Bindung an das Unternehmen (siehe Abschnitt 3.1.3)
50
Vgl. Haussmann 2002, S. 42ff.
51
Vgl. Antoni 2002, S. 42ff. und Anhang 1, Schaubild 5
52
Deferred Compensation [engl., ,,aufgeschobene Entschädigung, Belohnung"]: in Bezug auf be-
triebliche Altersversorgung Bezeichnung für aufgeschobene Vergütung zugunsten einer späteren
Versorgungsleistung (siehe Abschnitt 3.1.5)
53
Cafeteria-Modell/System: Konzept zur Auswahl von variablen freiwilligen Zusatzleistungen
entsprechend der persönlichen Mitarbeiterbedürfnisse (siehe Abschnitt 3.1.6)

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 22
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist das Sozialleistungsmanagement
vielschichtig und beinhaltet alle Aufgaben, die in Zusammenhang mit der Planung,
Konzeption und Organisation von Sozialleistungen sowie deren Umsetzung ste-
hen.
54
Uhle formulierte bereits 1987: ,,Die personalwirtschaftlichen Ansätze einer Erklärung
der Bereitstellung betrieblicher Sozialleistungen sehen die Schaffung einer hohen
Mitarbeitermotivation sowie die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit, die ihrerseits mit
der Zielsetzung der Verringerung von Fluktuation und Fehlzeiten verbunden ist, als
wichtigste Ziele der betrieblichen Sozialpolitik an."
55
Jirjahn/Stephan unterstützen
diese Auffassung und verweisen in ihren Ausführungen auf Knoll und Raasche, die
in ihrer Unternehmensbefragung 1996 zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ,,das
wichtigste Ziel bei der Vergabe von Sozialleistungen deren vermeintliche Bindungs-
wirkung ist."
56
Eine flexiblere Gestaltung der Arbeitsinhalte, der Arbeitszeit und der
Vergütung kann sowohl zur Verbesserung der Arbeitsatmosphäre beitragen als
auch der Mitarbeiterbindung dienen. Als zweitwichtigstes Ziel ermittelten Knoll und
Raasche die Leistungsbeeinflussung durch die Gewährung von Sozialleistungen.
Insgesamt ist festzustellen, dass es derzeit nur wenige konkrete Instrumente gibt,
mittels derer Unternehmen ihre Sozialpolitik und die Wirkung ihrer Sozialleistungen
überprüfen und optimieren können. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist die indi-
viduelle und damit zum Teil stark voneinander abweichende Wertschätzung der
angebotenen Leistungen seitens der Arbeitnehmer.
In der Motivationsforschung, insbesondere im Bereich der Lernmotivation, wird zwi-
schen der intrinsischen und der extrinsischen Motivation unterschieden. Erstere
beinhaltet die Gesamtheit der inneren Motive, verknüpft mit den Anreizen der Lern-
inhalte und Aufgaben selbst, letztere wird durch äußere Reize und Einflüsse be-
stimmt. Frederic Herzberg untersuchte 1959, welche Anreize auf die Motive einwir-
ken und entwickelte darauf aufbauend seine Zwei-Faktoren-Theorie. Diese unter-
scheidet zwischen Hygiene- und Motivationsfaktoren. Als wichtigste Hygienefak-
toren werden das Gehalt, interpersonelle Beziehungen zwischen Mitarbeitern, Vor-
gesetzten und Kollegen, individueller Status, Arbeitsplatzsicherheit und Firmenpolitik
genannt. Als Motivationsfaktoren bezeichnet er Verantwortung und Attraktivität der
Tätigkeit in Verbindung mit den Ergebnissen sowie Entfaltungs- und Entwicklungs-
möglichkeiten. Nach Herzberg führen unerfüllte Hygienefaktoren zu Unzufriedenheit
54
Vgl. Wagner/Grawert 1993, S. 7
55
Uhle 1987, S. 179
56
Jirjahn/Stephan 1999, S. 40

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 23
am Arbeitsplatz; das Maß an Zufriedenheit wird in erster Linie von den Motivations-
faktoren bestimmt.
Herzberg gelangt zu der Schlussfolgerung, dass das gleichzeitige Vorliegen von
Zufriedenheit und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz durchaus möglich ist. Maßnah-
men, die bei den Hygienefaktoren zwar keine Zufriedenheit schaffen (z. B. Arbeits-
bedingungen), die ursprüngliche Unzufriedenheit aber beseitigen, müssen klar von
Maßnahmen differenziert werden, die im Bereich der Motivationsfaktoren sehr wohl
Zufriedenheit schaffen (z. B. Anerkennung der Leistung).
57
1954 erkannte Abraham Maslow, ,,daß es nicht ein einziger Faktor ist, der den Mit-
arbeiter zu leistungsbezogenem Arbeitsverhalten motiviert, sondern daß mehrere
Faktoren gleichzeitig wirksam sind."
58
Er entwickelte die Theorie, dass die maßgeb-
lichen Motive menschlichen Handelns in Form einer Bedürfnishierarchie dargestellt
werden können, die in Defizit- und Wachstumsmotive unterteilbar ist.
59
Diese sog.
Bedürfnispyramide setzt sich zusammen aus physiologischen Bedürfnissen,
Sicherheits- und sozialen Motiven sowie Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Maslow geht davon aus, dass zunächst die Bedürfnisse einer niedrigeren, ,,primitive-
ren" Hierarchieebene befriedigt werden müssen, bevor sich Aufmerksamkeit und
Handeln der nächsten, ,,anspruchsvolleren" Stufe zuwenden können.
Anfang der 70er Jahre führte Clayton Alderfer Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie mit
der fünfstufigen Bedürfnispyramide Maslows in seiner dreistufigen und bis heute
Anwendung findenden E.R.G.-Theorie zusammen. Die untere, sog. E-xistence-
Stufe
60
stellt auf die Erwartungshaltung hinsichtlich physiologischer Bedürfnisse ab,
die mittlere, sog. R-elatedness-Stufe
61
auf die sozialen Kontakte und Beziehungen
und die obere, die sog. G-rowth-Stufe
62
auf Wachstum und der Selbstverwirk-
lichung, womit sie Maslows obersten beiden Hierarchiestufen entspricht. Im Gegen-
satz zu Maslow, der von einer starren Abfolge bei der Befriedigung der Bedürfnis-
klassen spricht, vertritt Alderfer die Meinung, dass nicht erst die Bedürfnisse auf
einer Stufe befriedigt sein müssen, bevor jene auf der nächsthöheren in Angriff
genommen werden können. Mit seiner Frustrations-Regressions-Hypothese zeigt
Alderfer, dass es durchaus ein Zurück gibt: Sofern Bedürfnisse einer höheren
Ebene nicht befriedigt werden können, strebt der Mensch danach, eine höhere
57
Vgl. Albach/Gabelin 1977, S. 249ff. und Anhang 1, Schaubild 6
58
Albach/Gabelin 1977, S. 251
59
Vgl. Anhang 1, Schaubild 7
60
Existence [engl., ,,Existenz"]
61
Relatedness [engl., ,,Beziehung, Verbundenheit"]
62
Growth [engl., ,,Wachstum, Entwicklung"]

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 24
Zufriedenheit auf einer niedrigeren Stufe zu erreichen.
63
Alderfers Modell verdeut-
licht, dass Menschen situationsbedingt unterschiedliche Bedürfnisse haben und sie
demzufolge auch die Attraktivität von Sozialleistungen durchaus unterschiedlich
bewerten.
Als vom Arbeitgeber kalkulierbare, zu beeinflussende Größen erweisen sich dem-
gegenüber die physische Konstitution der Mitarbeiter und die situativen Faktoren,
die auf die Leistungserhaltung bzw. -steigerung zielen.
64
Frick ermittelte 1999, dass
im Durchschnitt nahezu 90 % der Beschäftigten Zusatzleistungen erhalten:
Tabelle 1: Verbreitung von Zusatzleistungen nach Entgeltquintilen 1998
65
Quintil
Erhalt von
Zusatzleistungen
Anspruch auf
Betriebsrente
1
81,9 %
5,4 %
2 86,3
% 15,9
%
3 91,1
% 25,3
%
4 95,0
% 41,8
%
5 91,0
% 53,6
%
Insgesamt
89,1 %
28,5 %
Jirjahn/Stephan verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Analyse von Backes-
Gellner und Pull aus dem Jahre 1998: in Unternehmen, die über einen Betriebsrat
verfügen, werden betriebliche Sozialleistungen auf einen größeren Teil der Beleg-
schaft verteilt.
66
Dabei haben die Humankapitalvariablen Betriebszugehörigkeit und
Alter einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der betrieblichen Zusatzleistungen.
Frick/Frick/Schwarze bezeichnen diese Form als Senioritätsentlohnung, die dazu
dient, die Betriebsbindung zu erhöhen und das erworbene Wissen im Sinne des
Unternehmens zu erweitern und dafür einzusetzen.
67
63
Vgl. Robbins 2000, S. 409ff. und Wagner/Grawert 1993, S. 31ff.
64
Vgl. Uhle 1987, S. 180
65
Frick u. a. 1999, S. 11
66
Vgl. Jirjahn/Stephan 1999, S. 35
67
Vgl. Frick u. a. 1999, S. 22

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 25
Grundsätzlich muss man bei der Gestaltung von Compensation & Benefits darauf
achten, dass ,,Entgeltsysteme (..) zur bestehenden Arbeitsorganisation und Organi-
sationskultur passen und sich zusammen mit ihr und den Menschen entwickeln
[müssen]."
68
Bei der Einführung, Änderung und Abschaffung von Sozialleistungen ist
darüber hinaus zu beachten, dass der Betriebsrat ­ sofern eine Arbeitnehmer-
vertretung im Unternehmen besteht ­ erheblichen Einfluss ausüben kann. Gemäß
§ 87 BetrVG
69
hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Lohngestaltung
sowie bei der Ausgestaltung, Form und Verwaltung von Sozialeinrichtungen.
3.1 Monetäre
Anreize
In
vielen Branchen und Unternehmen ist heute ein faires und leistungsgerechtes
Entgelt in seiner Grundstruktur durch Tarifverträge abgesichert. Eine gewisse zu-
sätzliche Mitarbeiterbindung wird durch Prämien- und Beteiligungsmodelle, Gewinn-
ausschüttungen oder Tantiemen erreicht, alles Vergütungsbestandteile, die insbe-
sondere in vertriebsorientierten Unternehmen Verwendung finden.
Abb. 2: Mögliche Zusammensetzung der Gesamtvergütung
,,Ein innovatives strategisches Vergütungssystem muß den Wertewandel und
die individuellen Unterschiede der Bedürfnisse berücksichtigen."
70
Darüber hinaus
muss auch der heute bereits deutlich erkennbare Mangel an qualifizierten Arbeits-
68
Antoni 2002, S. 19
69
Vgl. BetrVG 2002, S.595ff
70
Wagner/Grawert 1993, S. 2
Grundentgelt
Leistungs-
bezogenes
Entgelt
· Tarifgehalt/-lohn
· Tarifliche Zulagen
· Weihnachtsgeld
· Urlaubsgeld
· Vermögenswirksame Leistungen
· ...
· individuelle Leistungszulagen
· Gruppenzulage
· Erfolgsbeteiligung
· Tantieme
· Prämien, Provisionen
· Stock Options
· ...
Gesamtvergütung
Grundentgelt
Leistungs-
bezogenes
Entgelt
· Tarifgehalt/-lohn
· Tarifliche Zulagen
· Weihnachtsgeld
· Urlaubsgeld
· Vermögenswirksame Leistungen
· ...
· individuelle Leistungszulagen
· Gruppenzulage
· Erfolgsbeteiligung
· Tantieme
· Prämien, Provisionen
· Stock Options
· ...
Gesamtvergütung

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 26
kräften, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, in die Vergütungs-
strategien einbezogen werden. Dieses Statement wird in einem Gespräch, das Mit-
arbeiter von PricewaterhouseCoopers im Jahre 2002 mit Hartmut Veit, Rechts-
experte bei Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft, führten, speziell für den Mit-
telstand bekräftigt. Veit führt weiter aus, dass es für den Unternehmer von entschei-
dender Bedeutung ist, nicht nur betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, steuer-
liche Optimierungsmöglichkeiten und arbeitsrechtliche Bedingungen zu kennen,
sondern auch über ein effizientes Leistungs- und Vergütungsmanagement als Be-
standteil einer modernen Personalführung zu verfügen.
71
Für größere Unternehmen bieten sich hierfür beispielsweise Stock Option-Pro-
gramme
72
und Aktienbeteiligungen an, Instrumente, die in den letzten Jahren ver-
stärkt eingesetzt wurden. Der Niedergang der sog. New Economy, verbunden mit
dem Absturz und Konkurs vieler Internetfirmen Anfang dieses Jahrtausends, hat
den Ruf dieses Motivations- und Vergütungsinstruments allerdings stark negativ
beeinflusst.
Ziel dieser Vergütungsprogramme ist es, nicht nur Führungskräfte durch ihre Betei-
ligung am Unternehmen zu einer langfristigen, wertsteigernden Unternehmens-
führung zu motivieren. Auch die übrigen Mitarbeiter sollen als Shareholder am
Unternehmenserfolg partizipieren, und gleichzeitig soll auf diese Weise die persön-
liche Identifikation mit ihrem Arbeitgeber gesteigert werden.
3.1.1 Vergütungsmanagement
Eine gleichmäßige Verteilung monetärer Zusatzleistungen auf alle Mitarbeiter des
Unternehmens liegt so gut wie nie vor. So stellt Frick heraus, ,,daß sich hinter den
von der amtlichen Statistik ausgewiesenen Durchschnittswerten erhebliche inter-
individuelle Unterschiede verbergen (...) [und] daß der Umfang an zusätzlichen
monetären Gratifikationen überproportional mit dem Direktentgelt zunimmt."
73
Frick
führt weiterhin aus, dass ,,Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit als ,,abwechslungsreich"
bezeichnen und über mehr oder weniger große Entscheidungsspielräume verfügen,
(..) c.p. mehr [verdienen] und solche, deren Tätigkeit körperlich schwer ist, die
Schwierigkeiten mit ihrem Vorgesetzten haben bzw. die permanent kontrolliert wer-
71
Vgl. www.pwcglobal.com/extweb/indissue.nsf/DocID/2AB60BDB5BCD17A980256C330038605D
(2004-01-07)
72
Stock Option: [engl., ,,Anrecht auf Belegschaftsaktien"]: verbriefte Möglichkeit, Unternehmens-
aktien zu einem festgelegten Kaufpreis innerhalb einer bestimmten Frist zu erwerben (siehe
Abschnitt 3.1.3.1)
73
Frick u. a. 1999, S. 13ff.

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 27
den, (..) weniger als ansonsten gleiche Arbeitnehmer [verdienen], auf deren Tätig-
keit die genannten Charakteristika nicht zutreffen."
74
Des Weiteren kann man fest-
stellen, dass die Anreizstärke, die von Gehalt, Zulagen und sonstigen Entgelt-
bestandteilen ausgeht, wesentlich von der subjektiven Beurteilung des einzelnen
Mitarbeiters abhängt.
Das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Personalkosten sowie objektiver
und subjektiver Einschätzung macht deutlich, wie wichtig eine zielgerichtete, mit
dem Arbeitsverhalten und der Arbeitsleistung verknüpfte Vergütungspolitik ist.
3.1.2 Variable
Vergütungsinstrumente
Gratifikationen und Sonderzahlungen
75
, insbesondere in Form von Weihnachts-
oder Urlaubsgeld, haben heute ihre motivierende Wirkung weitgehend verloren, da
diese Zahlungen bereits in den Tarifverträgen verankert sind. Selbst darüber hinaus
gehende Zuwendungen werden i. d. R. nicht mehr als zusätzliche betriebliche Sozi-
alleistung aufgefasst. Anders verhält es sich mit Verkaufsprämien und sog. Erfolgs-
und Gewinnbeteiligungen, Bonus- und Tantiemezahlungen. Dem Mitarbeiter wird
bewusst, dass diese variablen Vergütungen durch seine Handlungsweise beein-
flussbar sind. Dieses Instrument setzt allerdings eine möglichst objektive Messbar-
keit ­ die insbesondere bei qualitativen Kriterien schwierig ist ­, eine sehr hohe
Transparenz der Anreizsysteme sowie eine breite Akzeptanz auf Seiten der Mit-
arbeiter voraus. ,,Die subjektiv wahrgenommene Beeinflussbarkeit eines Leistungs-
oder Erfolgskriteriums sinkt [dabei] in der Regel je breiter dessen Bezugsbasis wird,
etwa durch eine steigende Gruppengröße, und je mehr Einflussgrössen auftreten,
wie z.B. bei unternehmensbezogenen Gewinnbeteiligungen."
76
Ein leistungsabhän-
giges Vergütungssystem muss daher neben der Anerkennung der Quantität auch
die Qualität berücksichtigen und honorieren. Eine wesentliche Voraussetzung für
den wirksamen und motivierenden Einsatz von erfolgsabhängigen Variablen ist
darüber hinaus, dass neben den Anforderungen und Erreichungskriterien auch der
Zielerreichungsgrad gemeinsam festgelegt und ermittelt wird.
74
Frick u. a. 1999, S. 19ff.
75
Sonderzahlungen: Jirjahn/Stephan werteten Daten der niedersächsischen Gehalts- und
Lohnstrukturerhebung aus den Jahren 1990 und 1995 aus und definieren Sonderzahlungen als
,,alle im allgemeinen nur einmal im Jahr erfolgenden Zahlungen, wie Jahresabschlußprämien,
Ergebnisprämien, 13. Gehalt, Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligung, Urlaubsgeld und jährlich
gezahlte vermögenswirksame Leistungen" (Jirjahn/Stephan 1999, S. 42)
76
Antoni 2002, S. 17

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 28
3.1.2.1 Verkaufsprovisionen
und
-prämien
Die Entwicklung eines geeigneten Entlohnungssystems für den Vertriebsaußen-
dienst ist eine äußerst schwierige und komplexe Aufgabe, da mehrere, teilweise
diametrale Vorgaben zu berücksichtigen sind. Dabei gilt es, die Vorteile einer vari-
ablen, erfolgsabhängigen Komponente zu nutzen und gleichzeitig nachteilige
Nebenwirkungen wirksam zu unterdrücken. Die nachfolgende Abbildung zeigt auf
einen Blick beispielhaft die unterschiedlichen Anforderungen und Ziele aus Sicht
des Marktes, des Unternehmens und der Mitarbeiter:
Abb. 3: Ziele und Anforderungen an Verkaufsprämien
Provisionen und Prämien werden erfolgsabhängig gewährt und stellen daher ­ ins-
besondere für extrinsisch motivierte Außendienstler ­ eine starke Motivation dar.
,,Wird eine Leistung eng mit einer attraktiven extrinsischen Belohnung verknüpft,
wird das Ziel, sie zu erlangen, zum vorrangigen Handlungsmotiv. (...) Daher sollte
bei Mitarbeitern, die eine hohe intrinsische Motivation aufweisen, sich also stark mit
ihrer Arbeit identifizieren, vorsichtig mit extrinsischen Leistungsanreizen verfahren
werden. So kann hier eine leistungsunabhängige Vergabe bestimmter Ver-
gütungsbestandteile sinnvoll sein."
77
3.1.2.2 Erfolgsbeteiligungen
Neben Verkaufsprovisionen und -prämien bieten sich auch Erfolgsbeteiligungen (in
Form der Ertrags- oder Gewinnbeteiligung), Boni und Tantiemen ­ insbesondere für
Führungskräfte und Leitende Angestellte ­ als Motivationsanreize an. Dabei können
auch individuelle Zielerreichungsgrade unterschiedlich stark berücksichtigt werden.
Uhle unterscheidet die Ergebnisbeteiligungen in Beteiligungen, ,,die an einzelne An-
gestellte gezahlt werden, um deren Interesse für die Gewinnerzielung zu stärken
77
Wagner/Grawert 1993, S. 35
Attraktivität
Motivation
Stabilität
Leistung
Einfachheit
Wettbewerb
Leistungsanreiz
Messbarkeit
Fairness
Flexibilität
Marktsituation
Admin-Aufwand
Kundenzufrieden
Kosten/Nutzen
Deckungsbeitrag
-heit
Attraktivität
Motivation
Stabilität
Leistung
Einfachheit
Wettbewerb
Leistungsanreiz
Messbarkeit
Fairness
Flexibilität
Marktsituation
Admin-Aufwand
Kundenzufrieden
Kosten/Nutzen
Deckungsbeitrag
-heit

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 29
und in Beteiligungen, die allen Arbeitnehmern gewährt werden, um die Verbunden-
heit mit dem Unternehmen zu stabilisieren bzw. zu stärken. Ergebnisbeteiligungen
können sowohl der Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer als auch dem Ziel, die
Arbeitnehmer zu einem unternehmenszielbezogenen Mitdenken zu motivieren, die-
nen."
78
Ziel von Beteiligungen (und Long-Term Incentives) ist also die ,,Überwindung der
Interessengegensätze von Arbeitnehmern und Unternehmern, die mit einer eben-
falls leistungssteigernden Erhöhung der Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem
Unternehmen verbunden ist. Betont wird in diesem Zusammenhang auch die part-
nerschaftliche Betriebsgestaltung, die, begleitet von entsprechendem Führungs-
verhalten und organisatorischen Maßnahmen, über die Verbesserung des Be-
triebsklimas zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter, vertrauensvollerer Zu-
sammenarbeit und damit zu einer höheren Leistungsbereitschaft, geringerer Fluktu-
ation und zur Verminderung des Absentismus führen soll."
79
Die Höhe der Zahlungen ist erfahrungsgemäß abhängig von der Unternehmens-
größe, von der regionalen Lage, der Ertragssituation sowie der Branche des Unter-
nehmens. Teilweise wird aber auch das Mitarbeiterverhalten und hier insbesondere
die Betriebstreue in die Bemessungsgrundlage des Beteiligungsprogramms integ-
riert.
80
Dies unterstreicht auch die Untersuchung von Jirjahn/Stephan: ,,Handelt es
sich bei den Sonderzahlungen um eine Form von Erfolgsbeteiligung, dann hängt
ihre Höhe weniger von der individuellen Leistung der Beschäftigten als vielmehr von
der gesamtbetrieblichen Leistung ab."
81
Das ideale Verhältnis zwischen Fixgehalt und variabler Vergütung gibt es nicht.
Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass mit einer hierarchisch höheren Posi-
tion, verbunden mit einem höheren Entscheidungsrisiko ,,auch der erfolgsabhängige
Entgeltanteil und damit das Einkommensrisiko steigen sollte. (...) Von einem
spürbaren Motivationseffekt kann generell nur ausgegangen werden, wenn der vari-
able Anteil eine bestimmte Größenordnung [mindestens 25 % des Jahresfixums]
erreicht."
82
Bei Tarifmitarbeitern kann der erfolgsabhängige Vergütungsteil aufgrund
einer Tarifbindung nur zusätzlich zum Tarifentgelt gezahlt werden. Angesichts der
zumeist niedrigen Gesamteinkommen von Tarifmitarbeitern kann eine variable Ver-
78
Uhle 1987, S. 194
79
Wagner/Grawert 1993, S. 121
80
Vgl. Wagner/Grawert 1993, S. 122
81
Jirjahn/Stephan 1999, S. 55
82
Wagner/Grawert 1993, S. 114

Motivationsinstrument Compensation & Benefits
Seite 30
gütung, die zumeist prozentual vom Gehalt gezahlt wird, nur bedingt als Motiva-
tionsfaktor dienen. Unabhängig von ihrer Höhe fördert die Erfolgsbeteiligung jedoch
die innerbetriebliche Kooperation und schafft Anreize, arbeitsplatzübergreifende
Produktionszusammenhänge zu erkennen und bei Entscheidungen zu berücksich-
tigen.
83
Neben den aufgezeigten Vorteilen weisen Erfolgsbeteiligungen aber auch eindeutig
Nachteile auf. Richten sich die Auszahlungsbeträge bei Umsatzbeteiligungen z. B.
in erster Linie nach den Umsätzen, werden die Kosten des Unternehmens gar nicht
oder nur in geringem Maße berücksichtigt. Wählt man statt der Umsatzbeteiligung
die Wertschöpfungsbeteiligung, bereitet die Bewertung von Eigen- und Fremd-
leistungen erhebliche Schwierigkeiten. Bilanzgewinnbeteiligungen und das Profit-
Center-Konzept ­ zwei Modelle, die sich heute in der betrieblichen Praxis überwie-
gend durchgesetzt haben ­ verfügen gleichfalls über Schwachstellen: Korrektur-
faktoren, wie z. B. Risikoprämien, Inflationsausgleich und Substanzerhaltungs-
rücklagen verwässern das ursprünglich handelsrechtlich oder steuerlich ermittelte
Unternehmensergebnis und machen es manipulierbar. Außerdem führt das Profit-
Center-Konzept häufig zu verstärktem Ressortdenken sowie zur Vernachlässigung
langfristiger und strategischer Unternehmensziele.
84
Neueren Untersuchungen zufolge werden leistungsorientierte Vergütungssysteme
zunehmend durch erfolgsorientierte Programme abgelöst.
85
Während bisher die
individuelle Leistung im Vordergrund stand und als Basis für Erfolgsbeteiligungen
diente, hat in den letzten Jahren der Unternehmenserfolg immer mehr an Bedeu-
tung gewonnen. Darüber hinaus werden individualorientierte Verfahren weitest-
gehend durch gruppenorientierte ersetzt.
86
Neben der Schaffung einer zusätzlichen
Wertschöpfungsquelle für das Unternehmen wird somit versucht, die Mitarbeiter zu
mittelfristig orientiertem Denken und Handeln und damit auch für übergreifende
Zielsetzungen zu motivieren.
83
Vgl. Jirjahn/Stephan 1999, S. 62ff.
84
Vgl. Wagner/Grawert 1993, S. 124ff.
85
Vgl. Schneider 2002, S. 121ff.
86
Vgl. Schneider 2002, S. 121ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (eBook)
9783832481001
ISBN (Paperback)
9783838681009
DOI
10.3239/9783832481001
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
accadis Hochschule Bad Homburg – Betriebswirtschaft/Personalwesen
Erscheinungsdatum
2004 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
anreize vergütung sozialleistung alterversorgung deferred compensation
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Betriebliche Sozialpolitik in Deutschland
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