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Determinanten der internationalen Arbeitsplatzwahl

Eine empirische Untersuchung individuellen Entscheidungsverhaltens

©2004 Diplomarbeit 109 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„No step in life, unless it may be the choice of a husband or wife, is more important than the choice of a vocation.“ Frank Parsons, 1909, S. 3
Bereits vor knapp 100 Jahren gehörte die Arbeitsplatzwahl zu den besonders wichtigen Entscheidungen im Leben eines Individuums: Ihre Konsequenzen erstrecken sich weit in die Zukunft und die Erwerbsarbeit nimmt schon allein zeitlich einen Großteil des menschlichen Lebens ein. Während in primitiven Gesellschaften vor allem das Geschlecht oder der religiöse und politische Status die Arbeitsplatzwahl bestimmen und in komplexeren Gesellschaften z.B. die Zugehörigkeit zu einer Kaste den beruflichen Weg determiniert, haben wir in modernen Gesellschaften noch am ehesten das Privileg, uns für einen Arbeitsplatz entscheiden zu können. Doch während vor 100 Jahren, als die Auseinandersetzung mit der Arbeitsplatzwahl begann, der Beruf des Vaters oder ökonomische Notwendigkeiten maßgeblich die Entscheidung für einen Arbeitsplatz beeinflussten, stellt sich diese heute komplizierter dar.
Zwei bedeutende Entwicklungen beeinflussen die Bedingungen, unter denen die Arbeitsplatzwahl heutzutage stattfindet: Individualisierung und Globalisierung.
Individualisierungstendenzen führen zu einer „Freisetzung des Individuums“ aus verschiedenen Bindungsformen und damit auch zu einer zunehmenden Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsautonomie. Man muss sich nicht mehr vorwiegend um das blanke ökonomische Überleben sorgen, sondern ist im Hinblick auf den Wunsch nach Selbstverwirklichung bestrebt, einen Arbeitsplatz zu finden, der zufrieden stellt, ja mehr noch, sogar Spaß machen soll. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, individuelles Entscheidungsverhalten bezüglich der Arbeitsplatzwahl zu untersuchen.
Unter dem Einfluss der Globalisierung, die unter anderem durch die Zunahme der Mobilität von Arbeitskraft gekennzeichnet ist, verändern sich auch die individuellen Karrieremöglichkeiten. Märkte und Menschen rücken näher zusammen und Internationalität wird allgegenwärtiger. Die damit verbundenen, neuen Anforderungen in Beruf und Arbeitsleben führen zu einer Karriereplanung, in der eine internationale Laufbahn zunehmend wahrscheinlicher wird.
All dies erschwert die Entscheidungssituation, da neben den üblichen Kriterien, wie z.B. Gehalt oder Aufgabengebiet, weitere beachtet werden müssen. So werden Hochschulabsolventen, die das Ziel einer internationalen Karriere verfolgen, verstärkt mit der Frage nach […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8056
Lauke, Irina: Determinanten der internationalen Arbeitsplatzwahl - Eine empirische
Untersuchung individuellen Entscheidungsverhaltens
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Universität Augsburg, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... II
Abkürzungsverzeichnis ...III
Abbildungsverzeichnis ... IV
1 Einleitung...1
2 Internationale Arbeitsplatzwahl ­ eine theoretische Annäherung ...4
2.1 Globalisierung und ihre Folgen ...5
2.1.1 Auswirkungen der Globalisierung für Deutschland und Frankreich in der
Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und im Studium ...6
2.1.2 Mobilität und Migration ...10
2.1.3 Interkulturalität...15
2.2 Arbeitsplatzwahl und individuelles Entscheidungsverhalten ...21
2.2.1 Bemerkungen zur Arbeitsplatzwahl ...22
2.2.2 Theorien der Arbeitsplatzwahl ...23
2.2.2.1 Nicht-psychologische Theorien...25
2.2.2.2 Psychologische Theorien...27
2.2.2.3 Allgemeine Theorien...31
2.2.2.4 Würdigung...32
2.3 Relevante Aspekte der internationalen Arbeitsplatzwahl...34
3 Internationale Arbeitsplatzwahl ­ eine empirische Untersuchung ...37
3.1 Untersuchungsmethode...38
3.1.1 Erhebung ­ das qualitative Interview...39
3.1.2 Aufbereitung und Auswertung ...43
3.2 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse ...46
3.2.1 Interkulturelle Erfahrungen ...48
3.2.2 Wunsch nach Abwechslung ...54
3.2.3 Suche nach Herausforderung ...61
3.2.4 Persönlichkeitsmerkmale ...65
3.2.5 Berufsanforderungen...71
3.2.6 Externe Einflüsse...75
3.2.7 Würdigung...82
3.3 Vergleich der theoretischen Hintergründe mit den empirischen Ergebnissen...84
4 Fazit ...93
Anhang ...97
Literaturverzeichnis...98
II

Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung
BWL Betriebswirtschaftslehre
D Deutschland
DD Doppeldiplomer
d.h. das
heißt
et al.
et alii
etc.
et cetera
EU Europäische
Union
EURES
EURopean Employment Services
evtl. eventuell
f folgende
F Frankreich
ggf. gegebenenfalls
HQFE
High Qualified Foreign Employees
Hrsg. Herausgeber
IAB
Institut für Arbeits- und Berufsforschung
INSEE
Institut de la Statistique et des Etudes
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
S. Seite
s.a. siehe
auch
u.a. unter
anderem
UGS
Universum Graduate Survey
usw.
und so weiter
vgl. vergleiche
Vol. Volume
vs. versus
VWL Volkswirtschaftslehre
Wiwi Wirtschaftswissenschaften
Z. Zeile
z.B. zum
Beispiel
III

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland nach Hofstede...19
Abb. 2: Überblick Theorien der Arbeitsplatzwahl ...24
Abb. 3: Überblick Determinanten der Arbeitsplatzwahl ...48
IV

Universität Augsburg
1 Einleitung
,,No step in life, unless it may be the choice of a husband or wife, is more important
than the choice of a vocation." Frank Parsons, 1909, S. 3
Bereits vor knapp 100 Jahren gehörte die Arbeitsplatzwahl zu den besonders wichtigen
Entscheidungen im Leben eines Individuums: Ihre Konsequenzen erstrecken sich weit
in die Zukunft und die Erwerbsarbeit nimmt schon allein zeitlich einen Großteil des
menschlichen Lebens ein. Während in primitiven Gesellschaften vor allem das
Geschlecht oder der religiöse und politische Status die Arbeitsplatzwahl bestimmen und
in komplexeren Gesellschaften z.B. die Zugehörigkeit zu einer Kaste den beruflichen
Weg determiniert, haben wir in modernen Gesellschaften noch am ehesten das Privileg,
uns für einen Arbeitsplatz entscheiden zu können.
1
Doch während vor 100 Jahren, als
die Auseinandersetzung mit der Arbeitsplatzwahl begann, der Beruf des Vaters oder
ökonomische Notwendigkeiten maßgeblich die Entscheidung für einen Arbeitsplatz
beeinflussten, stellt sich diese heute komplizierter dar.
Zwei bedeutende Entwicklungen beeinflussen die Bedingungen, unter denen die
Arbeitsplatzwahl heutzutage stattfindet: Individualisierung und Globalisierung.
Individualisierungstendenzen führen zu einer ,,Freisetzung des Individuums"
2
aus
verschiedenen Bindungsformen und damit auch zu einer zunehmenden
Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsautonomie. Man muss sich nicht mehr
vorwiegend um das blanke ökonomische Überleben sorgen, sondern ist im Hinblick auf
den Wunsch nach Selbstverwirklichung bestrebt, einen Arbeitsplatz zu finden, der
zufrieden stellt, ja mehr noch, sogar Spaß machen soll. Hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit, individuelles Entscheidungsverhalten bezüglich der Arbeitsplatzwahl zu
untersuchen.
Unter dem Einfluss der Globalisierung, die unter anderem durch die Zunahme der
Mobilität von Arbeitskraft gekennzeichnet ist, verändern sich auch die individuellen
Karrieremöglichkeiten. Märkte und Menschen rücken näher zusammen und
Internationalität wird allgegenwärtiger. Die damit verbundenen, neuen Anforderungen
in Beruf und Arbeitsleben führen zu einer Karriereplanung, in der eine internationale
Laufbahn zunehmend wahrscheinlicher wird.
All dies erschwert die Entscheidungssituation, da neben den üblichen Kriterien, wie z.B.
Gehalt oder Aufgabengebiet, weitere beachtet werden müssen. So werden
1
Vgl. Ginzberg 1951, S. 3
2
Beck 1986, S. 116

Hochschulabsolventen, die das Ziel einer internationalen Karriere verfolgen, verstärkt
mit der Frage nach Mobilität und interkultureller Kompetenz konfrontiert und müssen
diese in ihre Entscheidung miteinbeziehen.
Erfolgt also die Arbeitsplatzwahl vor einem internationalen Hintergrund, ist davon
auszugehen, dass sich die Entscheidungsdeterminanten verändert haben. Welche
Determinanten hierbei für das individuelle Entscheidungsverhalten relevant sind, ist zu
untersuchen. Dieser Aufgabe widmet sich die vorliegende Arbeit.
Forschungsfrage und Vorgehen
Unter Beachtung der aufgezeigten Entwicklung müssen die Kriterien für die
Arbeitsplatzwahl und das individuelle Entscheidungsverhalten besonders vor dem
Hintergrund der Globalisierung betrachtet werden.
Daher stehen folgende Fragen im Vordergrund: Welche Determinanten beeinflussen die
internationale Arbeitsplatzwahl? Auf Basis welcher Faktoren fällen Studierende die
Entscheidung für einen Arbeitsplatz und welche theoretischen Konzepte liegen den
persönlichen Erfahrungen und Handlungen zugrunde?
Die vorliegende Arbeit beantwortet die Fragen anhand einer empirischen Studie mit
qualitativen Interviews.
Dabei wird die Arbeitsplatzwahl nicht nur als einmalige Annahme oder Ablehnung
einer konkreten Arbeitsstelle definiert, sondern als Prozess begriffen, der eventuell
schon mit der Wahl der Abiturfächer beginnt, über Ausbildung und Studium reift und
seinen vorläufigen Abschluss in der Besetzung eines Arbeitsplatzes nimmt. So wird
klar, dass dieser Weg zumeist von verschiedenen Einflüssen bestimmt wird, die im
Rahmen dieser Arbeit identifiziert werden sollen. Es wird hierzu von einem
arbeitssuchenden Individuum ausgegangen, d.h. nicht die organisationale Sicht steht im
Vordergrund, sondern individuelles Entscheidungsverhalten.
Um den internationalen Aspekt der Arbeitsplatzwahl abzubilden, werden Studenten des
Studiengangs Deutsch-Französisches Management befragt. Deutschland und Frankreich
als europäische Nachbarn mit gemeinsamer Geschichte und vielfältigen internationalen
Verbindungen auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Ebene stehen im
Rahmen dieser Arbeit beispielhaft für die zunehmende Relevanz von
Globalisierungsprozessen und die konkreten Veränderungen, die dies für international
orientierte Hochschulabsolventen auf dem Weg in den Arbeitsmarkt bedeutet.
2

Zunächst wird dazu der Trend der Globalisierung als zugrundeliegendes Phänomen
betrachtet und die Auswirkungen auf die Länder Frankreich und Deutschland in
Wirtschaft und Gesellschaft, auf dem Arbeitsmarkt und im Studium beschrieben.
Mobilität als Grund, aber auch als Folge des globalen Zusammenwachsens und
Migration als konkrete Ausprägung von Mobilität wird ebenso dargestellt wie die
Interkulturalität, die sich aus den internationalen Bewegungen ergibt. Damit wird
angenommen, dass u.a. diese beiden Aspekte das Entscheidungsverhalten für einen
Arbeitsplatz im internationalen Umfeld beeinflussen.
Im Anschluss werden verschiedene Theorien der Arbeitsplatzwahl vorgestellt und
gewürdigt. Es wird die Frage zu stellen sein, ob mit den bestehenden Theorien auch das
heutige individuelle Entscheidungsverhalten für einen Arbeitplatz unter dem Einfluss
der Globalisierung beschrieben, erklärt und vorhergesagt werden kann. Nicht das
Ergebnis der Entscheidung steht im Fokus der Arbeit, sondern vielmehr die
Einflussfaktoren, die das Entscheidungsverhalten bestimmen.
Anhand einer qualitativen empirischen Untersuchung mithilfe problemzentrierter
Interviews werden zehn deutsche und französische Studierende des Studiengangs
,,Deutsch-Französisches Management" zu ihren subjektiven Entscheidungs-
determinanten befragt. Damit wird soziale Realität mit einbezogen und es werden
gleichzeitig ,,typische" Fälle interviewt.
Die Auswertung der Interviews erfolgt mit der qualitativen Inhaltsanalyse, so dass das
Ergebnis induktiv gebildete Kategorien sind, die die Determinanten der internationalen
Arbeitsplatzwahl abbilden. Eine Würdigung sowie ein Vergleich der empirischen
Ergebnisse mit den theoretischen Vorannahmen stellen den Abschluss dieser Arbeit dar.
3

2
Internationale Arbeitsplatzwahl ­ eine theoretische
Annäherung
Vor der Hintergrund einer zunehmend globalisierten Gesellschaft ist das ,,Handeln und
(Zusammen-)Leben über Entfernungen hinweg"
3
durchaus vorstellbar geworden. Die
Entscheidung für einen Arbeitsplatz kann heutzutage nicht mehr auf wenige Faktoren
beschränkt werden. Vielmehr müssen auch die Veränderungen, die sich durch die
zunehmenden internationalen Verflechtungen im Zuge der Globalisierung ergeben, mit
beachtet werden.
Um die Folgen der Globalisierung für die Arbeitsplatzwahl zu verstehen, wird im
folgenden Abschnitt 2.1 zunächst auf die relevanten Dimensionen der Globalisierung
eingegangen. Danach werden ausgewählte Auswirkungen der Globalisierung
beschrieben, die als Hintergrund für diese Arbeit notwendig sind. Unter dem
spezifischen Blickwinkel auf die Arbeitsplatzwahl der Doppeldiplomstudenten werden
in Kapitel 2.1.1 Aspekte der deutsch-französischen Kooperationen und Austausch-
beziehungen sowie die jeweilige Arbeitsmarktlage beschrieben, um ein grundlegendes
Verständnis für die derzeitige Situation der beiden Länder zu entwickeln. Die als Folge
der Globalisierung angenommenen Phänomene Mobilität und Migration sowie
Interkulturalität werden in Kapitel 2.1.2 bzw. 2.1.3 behandelt. Diese werden zum einen
als entscheidungsrelevant für die Arbeitsplatzwahl angenommen, zum anderen sind sie
nicht unabhängig voneinander, da bei einer arbeitsbedingten Migration der
Arbeitnehmer nahezu zwangsläufig mit interkulturellen Aspekten konfrontiert wird.
Jeweils liegt der Fokus besonders auf den Ländern Frankreich und Deutschland.
Im Kapitel 2.2 wird die Arbeitsplatzwahl erläutert und es werden theoretische Ansätze
zu ihrer Beschreibung, Erklärung und Vorhersage vorgestellt.
Unter 2.3 werden die
zuvor angesprochenen Gebiete zusammengeführt, um relevante Aspekte des
empirischen Teils vorzubereiten.
3
Beck 1998, S. 44
4

2.1
Globalisierung und ihre Folgen
Was ändert sich für Arbeitnehmer unter dem Einfluss der Globalisierung, welche
Herausforderungen sind besonders aus ökonomischer und kultureller Sicht zu meistern
und welche Ansätze hierzu gibt es bereits?
Zunächst beschreibt der Begriff der Globalisierung ,,the increased mobility of goods,
services, labour, technology and capital throughout the world".
4
Damit ist die
Globalisierung vor allem als ein grenzüberschreitendes Phänomen erfasst.
Um die Bedeutung der Globalisierung zu erfassen, scheint es sinnvoll, in knapper Form
die Dimensionen zu beschreiben, in denen sie sich auswirkt.
5
Die genannten
Dimensionen sind keinesfalls als unabhängig voneinander zu betrachten, sondern sind
stark miteinander verflochten.
Die technologische Dimension bezieht sich auf die Neuerungen in den Bereichen
Kommunikations- und Transporttechnik, die dazu führen, dass mit sinkenden Kosten
und in kürzester Zeit weltumspannende Kommunikation und Mobilität von Produkten,
Informationen und Menschen möglich ist. Kulturell bringt dies eine stärker
länderübergreifende Verbindung mit sich, gekennzeichnet durch Alter, Lebensstil,
Einkommen oder Beruf.
Betrachtet man die soziale Komponente der Globalisierung, werden zwei konträre
Szenarien prognostiziert: Zum einen ein Wohlstandswachstum in den entwickelten
Ländern auf Kosten der weniger entwickelten Staaten, auf der anderen Seite eine
überproportionale Steigerung des Bruttoinlandsprodukts in den weniger entwickelten
Ländern.
6
Außerdem sind in der ökologischen Dimension u.a. Probleme wie der
,,Treibhaus-Effekt" und die Luft- und Wasserverschmutzung zu nennen.
In der ökonomischen Dimension haben Deregulierung, außenwirtschaftliche Öffnung
vieler Staaten sowie eine Liberalisierung des Welthandels zur Folge, dass Unternehmen
Vorteile auf der Markt- und Kostenseite realisieren können und somit einen Anreiz
haben, international tätig zu werden. Auf der politischen Seite können Unternehmen
damit z.B. durch Abwanderungsdrohungen die Souveränität der Staaten bezüglich
regulierender Wirtschaftspolitik, Umweltstandards usw. erheblich einschränken.
Was bedeutet dies für Märkte und Unternehmen? Es bieten sich viele ökonomische
Chancen, aber auch Risiken. Ein intensiverer Wettbewerb sowie starke
4
Canadian Government 2002
5
Vgl. Welge 2001, S. 36 f
6
Vgl. Welge 2001, S. 38
5

Konzentrationstendenzen auf den Märkten stellen neue strategische und
organisatorische Herausforderungen an die Unternehmen. Internationalisierung der
Unternehmen ist eine mögliche Folge, aber gleichzeitig auch ein Grund für die
Fortsetzung und Verstärkung des Trends der Globalisierung.
Was bedeutet dies nun konkret für den Mitarbeiter? Er muss ,,unter manchmal drastisch
veränderten wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und soziokulturellen Rahmen-
bedingungen handeln."
7
Auf diese Problematik, die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Situation in Frankreich und Deutschland und die resultierenden Anforderungen an
Mobilität und interkulturelles Verständnis bei international arbeitenden Mitarbeitern
wird im folgenden Kapitel eingegangen.
2.1.1
Auswirkungen der Globalisierung für Deutschland und Frankreich in der
Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und im Studium
Die ökonomische und die kulturelle Dimension der Globalisierung sind im
Zusammenhang mit der Arbeitsplatzwahl besonders interessant. Die veränderten
globalen Bedingungen weisen Wechselwirkungen mit der gesamtwirtschaftlichen
Situation der einzelnen Länder auf, aber auch mit dem Arbeitsmarkt und der
Vorbereitung auf diesen, also der (universitären) Ausbildung. Im Folgenden werden
hierzu Situation und Trends in den Ländern Frankreich und Deutschland betrachtet.
Außerdem führt ein ,inter-nationales' Zusammenwachsen zu neuen Herausforderungen
auf kultureller Ebene. Daher wird auf den Aspekt der Interkulturalität eingegangen.
Deutschland und Frankreich sind Partner in vielen Bereichen. Kooperationen auf
ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Basis, gemeinsame Programme zur
Erhaltung und zum Ausbau der internationalen Berührungspunkte tragen zu einer
starken Verflechtung bei. Welche Austauschbeziehungen in den verschiedenen
Bereichen tatsächlich bestehen, soll im Folgenden aufgezeigt werden. Der Bereich
Wirtschaft und Gesellschaft gibt einen generellen Überblick über die Bedeutung beider
Länder füreinander, unter dem Bereich Arbeitsmarkt wird sowohl die derzeitige
Beschäftigungssituation in Deutschland und Frankreich wie auch der zunehmende
Bedarf von qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern in den beiden Ländern
subsumiert. Der das Studium betreffende Abschnitt beschäftigt sich mit der Reaktion
der Bildungsinstitutionen und der Bildungsnutzer, also der Studenten, auf die sich
7
Stahl 1997, S. 1
6

verändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes in einem zunehmend globalisierten
Umfeld.
Wirtschaft und Gesellschaft
Deutschland und Frankreich sind ,,füreinander die mit Abstand wichtigsten
Handelspartner."
8
10 ­ 14 % der Gesamtexporte sowie Direktinvestitionen von
zwischen 25 ­ 35 Milliarden Euro zwischen beiden Ländern unterstreichen die
gegenseitige Bedeutung. Deutsch-französische Fusionen wie Aventis (1999) und EADS
(2000) tragen zu einer weiteren ökonomischen Verflechtung der beiden
Volkswirtschaften bei.
Die Maßnahmen im 1963 abgeschlossenen Elysée-Vertrag fördern erfolgreich die
deutsch-französische Zusammenarbeit u.a. in den Bereichen Politik, Kultur und Bildung
und bilden damit eine der engsten internationalen Beziehungen. Allerdings stellen beide
Länder einen Rückgang des Erlernens der Partnersprache fest.
9
Arbeitsmarktlage
,,Der Arbeitsmarkt in Frankreich ist in etwa vergleichbar mit dem in Deutschland",
10
so
sind die Arbeitslosenquoten ähnlich, wobei das Gesamtbeschäftigungswachstum in
Frankreich in den letzten Jahren wesentlich höher war, als in Deutschland (1,9 %
gegenüber 0,2 % im Jahr 2001
11
). Leistete das vergleichsweise dynamische
Wirtschaftswachstum in Frankreich bis zum Jahre 2001, das mit 1,8 % etwa das
dreifache des Wachstums in Deutschland betrug, noch einen weiteren Beitrag zum
schnelleren Anstieg der Beschäftigung, so hat es sich mittlerweile stark verlangsamt
und sollte 2003 lediglich 0,5 % erreichen. Auch die Arbeitslosenquote wuchs 2003 auf
10 % an,
12
während sie in Deutschland bei 10,5 % lag.
13
Obwohl Unterschiede in der Arbeitsmarktlage oft zur Erklärung einer arbeitsbedingten
Migration zwischen Ländern herangezogen werden, ist dies hier aufgrund der
vergleichbaren Situationen eher nicht zu vermuten. Vielmehr könnte der Bedarf an
hochqualifizierten international orientierten Arbeitnehmern für eine zunehmende
deutsch-französische Arbeitskräftewanderung sorgen.
8
Auswärtiges Amt 2003b, S. 2
9
Vgl. Auswärtiges Amt 2003b, S. 3
10
EURES 2001, S. 1
11
Vgl. EU-Beschäftigungsbericht 2002, S. 113
12
Vgl. Spiegel 2002, S. 157
13
Vgl. Statistisches Bundesamt 2004b, Arbeitslosenquote
7

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Anmerkung aus dem Informationsblatt der
Bundesanstalt für Arbeit ,,Arbeiten in Frankreich", nach der sich Führungspositionen in
französischen Unternehmen zukünftig verstärkt auf die Globalisierung ausrichten
müssten.
14
Demzufolge bestehe Bedarf an international denkenden Managern
unterschiedlicher Nationen, die über sehr gute Französischkenntnisse verfügen müssen
­ ein Umstand, der besonders den deutschen Doppeldiplomern bei der Arbeitsplatzwahl
zugute kommen könnte.
Aber auch die Franzosen sind umworben: Laut einer Studie, die sich mit der
Rekrutierung von hochqualifizierten Ausländern (HQFE)
15
beschäftigt, haben die
französischen HQFEs besonders gute Aussichten, in Deutschland eine Stelle zu finden.
Fast 40 Prozent aller deutschen Firmen beschäftigen hochqualifizierte ausländische
Arbeitnehmer, wobei Frankreich die Liste der Länder anführt, aus denen die HQFEs in
deutschen Firmen stammen.
16
Für Deutsche in Frankreich sieht die Situation ähnlich
aus, es greifen 35 Prozent der französischen Firmen auf deutsche HQFEs zurück.
Studium
"The integration of world trade is encouraging student mobility...".
17
Die Globalisierung führt zu gesteigerten Anforderungen an den Faktor Arbeit. Neben
fachlichen Qualifikationen und Sozialkompetenzen gelten Sprach- und Kulturkenntnisse
als Grundausstattung einer zukünftigen Führungskraft im internationalen Umfeld.
Entsprechend der skizzierten weltweiten Veränderungen wird bezogen auf den
europäischen Wirtschaftsraum der ,Euro-Manager' gesucht.
18
Arbeitserfahrung in
verschiedenen europäischen Ländern, relevante Fremdsprachenkenntnisse, Umgang mit
diversen länderspezifischen Lebensstilen und nahezu uneingeschränkte Mobilität
zeichnen ihn aus.
Hierauf stellen sich sowohl die Bildungsinstitutionen als auch die Individuen selbst ein.
Studierende sollten, wenn sie eine Karriere im internationalen Umfeld anstreben (und
das gilt immerhin für 53 % aller Wirtschaftsstudenten in Europa
19
), meistens mehrere
Fremdsprachen sowie Auslandspraktika bzw. -studien vorweisen können. ,,The result is
a growing internationalisation of education systems, which is manifest in the content of
14
Vgl. EURES 2001, S. 1
15
High Qualified Foreign Employees (HQFE) haben einen universitären Abschluss im Ausland erworben
und sind keine Staatsbürger des Landes, in dem die Firma ihren Sitz hat.
16
Vgl. Winkelmann 2002, S. 136 - 143
17
Tremblay 2002, S. 39
18
Vgl. Schreyögg 1995, S. 54 f
19
Vgl. UGS 2003, S. 6
8

programmes and the evolution of student populations, which are becoming increasingly
cosmopolitan."
20
Austauschprogramme wie Sokrates/ Erasmus ermöglichen StudentInnen einen zumeist
ein- bis dreisemestrigen Auslandsaufenthalt zu Studienzwecken, Sprachkursen oder
Hochschulprojekten. Dieses Angebot wird von deutschen und französischen
Studierenden in etwa gleichermaßen genutzt.
21
Der an der Universität Augsburg in Kooperation mit der Universität Rennes angebotene
Studiengang Deutsch-Französisches Management (im Folgenden auch als Doppel-
diplom bezeichnet) zielt auf die Vermittlung binationaler sprachlicher, fachlicher und
kultureller Kompetenz und auf den Verleih von zwei nationalen Diplomen.
22
Ähnliche
Programme im Bereich Wirtschaftswissenschaften werden an verschiedenen
Hochschulen in Deutschland angeboten.
Im Jahr 2000 kamen 22% der Studierenden in Deutschland aus anderen europäischen
Staaten. Andersherum haben im selben Jahr 29 % der deutschen Studierenden aller
Fächer einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt (inklusive Praktika) absolviert.
23
Bezogen auf die Länder Frankreich und Deutschland können folgende Zahlen einen
Eindruck vom derzeitigen Trend zum deutsch-französischen Auslandsstudium geben:
Im Wintersemester 2000/2001 waren 5.523 Franzosen an deutschen Hochschulen
immatrikuliert und belegten damit den 6. Platz in der Rangfolge der häufigsten
Herkunftsländer ausländischer Studierender.
24
Fast eben so viele Deutsche, nämlich
5.422, sind 1999 zum Studium nach Frankreich gegangen,
25
demzufolge das
viertbeliebteste Land für deutsche Studierende.
Der Kontakt mit dem Ausland wird also bereits im Studium vorbereitet.
Auslandspraktika und -studien sind keine Seltenheit mehr und demonstrieren
eindrucksvoll die studentische Mobilität, sei sie nun intrinsisch motiviert oder als
extrinsische Reaktion auf die Anforderungen des zukünftigen Arbeitgebers. Welche
Gründe Individuen haben, mobil zu sein und für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft ins
Ausland zu gehen und welche Konsequenzen sich aus dieser Mobilität ergeben können,
soll im folgenden Kapitel erörtert werden.
20
Tremblay 2002, S. 39
21
Vgl. Sokrates/ Erasmus 2000, S. 26
22
Vgl. Deutsch-Französisches Management 2003
23
Vgl. BMBF 2002, S. 5 f
24
Vgl. BMBF 2002, S. 22 - 26
25
Vgl. BMBF 2002, S. 62
9

2.1.2
Mobilität und Migration
Migration ist gleichzeitig Grund und Folge eines globalen Zusammenwachsens. Es
besteht ein enormer Bedarf an mobil verfügbarer Arbeit und so stellt Mobilität eine der
zentralen Anforderungen an Berufseinsteiger im internationalen Umfeld dar. Es scheint
offensichtlich, dass Hochschulabsolventen, die eine internationale Karriere anstreben,
bereit sein müssen, häufige Veränderungen räumlicher oder beruflicher Art, in Kauf zu
nehmen bzw. sie explizit anzustreben. Die Entscheidung für einen Arbeitsplatz ist im
internationalen Umfeld nicht auf die reine Arbeitsplatzwahl beschränkt, sondern
bedeutet mitunter auch die Entscheidung für oder gegen Migration. Zunächst wird im
Folgenden die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union thematisiert, darauf
folgt eine Bestimmung der Begriffe Mobilität und Migration. Danach werden
verschiedene Ursachen für Migration identifiziert und abschließend ausgewählte
Konsequenzen vorgestellt.
Rechtslage und Zahlen
,,Die Freizügigkeit für Arbeitnehmer, also die Möglichkeit, in einem anderen
Mitgliedsland [der EU] unter gleichen Bedingungen wie Inländer eine Beschäftigung zu
suchen und diese auszuüben, ist für die sechs Gründerstaaten (Frankreich, Deutschland,
Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg) seit 1968 Realität."
26
Darüber hinaus gehört
die Verfügbarkeit der Arbeitskraft neben dem freien Waren-, Dienstleistungs- und
Kapitalverkehr zu den vier "Grundfreiheiten" des Kapitals auf dem Binnenmarkt der
Europäischen Union.
27
Seit 1995 gehören insgesamt 15 Länder der EU an, 2004
kommen weitere 10 hinzu.
Die Freizügigkeit innerhalb der EU scheint noch nicht ausgiebig genutzt zu werden,
zumal es durchaus auch noch rechtliche Einschränkungen und Hindernisse gibt. Nur 1,5
% der 370 Millionen EU-Bürger leben in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem
Herkunftsland. In Deutschland leben derzeit ca. 112.000 Franzosen, das macht 1,5 %
der Ausländer insgesamt und etwa 6 % der EU-Ausländer im Bundesgebiet.
28
Beim
französischen Statistikamt INSEE findet sich als aktuellste Angabe, dass 1999 ca.
120.000 Deutsche in Frankreich lebten, womit absolut und relativ zur Bevölkerung
mehr Deutsche in Frankreich leben als umgekehrt.
29
Da es aber zwischen den Ländern teilweise auch unterschiedliche Begriffsdefinition und
Erhebungsmethoden gibt, können derartige Vergleiche nur Anhaltspunkte sein.
26
IAB 1999, S. 1
27
Vgl. europa-digital 2001b
28
Vgl. Statistisches Bundesamt 2004a, Ausländische Bevölkerung nach Geburtsland
29
Vgl. INSEE 1999, S. 2
10

Begriffsklärung
Eine allgemeine Definition des Begriffes Mobilität lautet: ,,Mobilität bezeichnet formal
den Wechsel eines Individuums zwischen definierten Einheiten eines Systems."
30
Weiter wird zwischen sozialer und geographischer Mobilität unterschieden. Während
die soziale Mobilität, hierzu zählt auch der Berufswechsel, den Auf- oder Abstieg
innerhalb der Schichten eines sozialen Systems (vertikale soziale Mobilität) oder den
Positionswechsel einer Person ohne Änderung des sozialen Status (horizontale soziale
Mobilität) bezeichnet, bezieht sich die geographische Mobilität auf
Positionsveränderungen zwischen Einheiten eines räumlichen Systems.
31
Die
Mobilitätsformen können singulär auftreten, sind aber häufig auch verknüpft, etwa
wenn bei einem Berufswechsel auch der Wohnort verändert wird.
Eine Ausprägung der räumlichen Mobilität ist die Migration, die sich definieren lässt als
,,der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft
bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen."
32
Davon
abzugrenzen sind somit z.B. touristische Aufenthalte.
Die Bereitschaft zu Auslandsentsendungen sowie zu einem dauerhaften
Arbeitsverhältnis im Ausland fällt unter die Mobilität, die seitens der Unternehmen von
Hochschulabsolventen gefordert wird. Häufig wird es für Arbeitnehmer im
internationalen Umfeld nötig sein, ihren Wohnsitz für eine gewisse Zeit zu verlegen.
Dass dies für europäische Wirtschaftsstudenten durchaus akzeptabel ist, belegen die
Ergebnisse des Universum Graduate Survey, wonach mehr als die Hälfte der Befragten
zu ,,working and living abroad" bereit ist.
33
Welche Begriffe werden nun im weiteren Verlauf dieser Arbeit relevant sein? Mobilität
findet eine konkrete Ausprägung in der Zu- oder Abwanderung, wobei im Rahmen
dieser Arbeit Migration aus beruflichen Gründen betrachtet wird. Die oben eingeführte
Definition von Migration muss daher noch etwas näher beleuchtet werden, um zu einem
klaren Verständnis beizutragen.
Die internationale Arbeitsmigration wird zumeist mit dem wirtschaftlichen
Entwicklungsgefälle zwischen verschiedenen Ländern begründet.
34
Diese Erklärung
scheint jedoch für die Thematik dieser Arbeit nicht ausreichend. Zum einen bestehen
zwischen Frankreich und Deutschland nur geringe wirtschaftliche Unterschiede, zum
30
Mackensen 1975, S. 8
31
Vgl. Albrecht 1972, S. 23 f
32
Treibel 1999, S. 21
33
Vgl. UGS 2003, S. 8
34
Vgl. Feithen 1985, S. 37
11

anderen meint der Begriff Arbeitsmigration laut der Publikation europa-digital
Gastarbeiter, Zuwanderer der Familienzusammenführung, illegale und irreguläre
Migranten sowie Saisonarbeiter.
35
Diese Beschreibung trifft jedoch auf die betrachtete
Gruppe der Hochschulabsolventen und Berufseinsteiger nicht zu.
Schon relevanter scheint der Begriff der Eliten-Migration, die ,,in der Regel
unbeachtete, häufig unterschätzte Wanderung von Managern und hochqualifizierten
Technikern international operierender Konzerne, Wissenschaftlern, Diplomaten,
Künstlern und von Beamten internationaler Organisationen."
36
Migration, wie sie hier verstanden werden soll, ist freiwillig bzw. beruflich bedingt und
entsteht nicht aus unmittelbar zwingenden wirtschaftlichen, sozialen oder politischen
Notwendigkeiten für die Wandernden. Welche Ursachen für eine Migration in Frage
kommen können, wird im folgenden Abschnitt erläutert.
Ursachen
Welche Gründe können also Hochschulabsolventen haben, für eine internationale
Karriere dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum ins Ausland zu gehen?
In der Migrationsforschung wird zwischen Wanderungsmodellen und -theorien
unterschieden. Ein grundlegendes Modell stellt dabei das deskriptive Gravitations-
modell dar, das die räumliche Verteilung von Wanderungsströmen wiedergibt. Ein
häufig verwendeter Erklärungsansatz für Migration ist die ökonomische push-pull-
Hypothese, nach der es abstoßende Faktoren im Herkunftsgebiet und anziehende
Faktoren im Zielgebiet gibt, die eine Wanderungsentscheidung auslösen.
37
Im nächsten Abschnitt werden die grundlegenden Wanderungstheorien überblicksartig
vorgestellt. Der Unterteilung Feithens folgend, kann zwischen ökonomischen,
soziologischen und psychologischen Ansätzen unterschieden werden.
38
Unter der Annahme eines rational handelnden, zumeist vollständig informierten
Nutzenmaximierers gehen die ökonomischen Theorien von einer Kosten-Nutzen-
Überlegung des Migranten aus, der seine Wanderungsentscheidung auf
Einkommensdifferenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten stützt. Unter den
soziologischen Theorien stellt der Ansatz von Hoffmann-Nowotny den umfassendsten
dar. Die Hypothese lautet: ,,Strukturelle Spannungen sind die zentralen Determinanten
35
Vgl. europa-digital 2001a
36
europa-digital 2001a
37
Vgl. Feithen 1985, S. 54
38
Vgl. Feithen 1985, S. 56 f
12

des Wandels sozietaler Systeme."
39
Kurz zusammengefasst bedeutet dies, dass
Individuen durch Änderung ihrer Position strukturelle und anomische
Spannungen
auszugleichen versuchen. Hiermit lassen sich sowohl systeminterne wie auch
internationale Wanderungen erklären.
Ein sozialpsychologisch-soziologischer Erklärungsversuch, der auf Parsons ,Theory of
Action' gründet, ist der Ansatz von Eisenstadt. Demnach entsteht jede
Wanderungsbewegung durch ein Gefühl von Unsicherheit und Unzufriedenheit des
Migranten und ,,ist mit bestimmten Erwartungen an die neue Rolle des Wandernden in
einem anderen Land verbunden."
40
Auch psychologische Theorien gehen häufig vom
Nutzenmaximierungsprinzip aus, wobei Migration etwa für Beshers einen
Bevölkerungsprozess darstellt, ,,der das Ergebnis einer Vielzahl individueller
Entscheidungen ist."
41
Durch ,constraints', wie etwa Familie, Beruf etc. wird das
tatsächliche Entscheidungsverhalten gelenkt.
42
Langenheder leitet aus der Feldtheorie
Kurt Lewins einen handlungstheoretischen Ansatz zur Erklärung von
Wanderungsverhalten ab. Je nach Grad der Erwünschtheit und unterschiedlichen
Bewusstseinsgraden der gegenwärtigen Handlungssituation im Vergleich zu
alternativen Handlungssituationen sowie der subjektiven Wahrscheinlichkeit des
Eintretens von Handlungssituationen mit hohem Erwünschtheitsgrad durch bestimmte
Verhaltenstrategien variiert die Wahrscheinlichkeit der Wanderungsabsicht.
43
Die Kritik, die gegenüber den psychologischen Theorien geäußert wird, dass sie keine
allgemeinen Gesetzmäßigkeiten herausfänden, sondern lediglich auf das Verhalten
einzelner Individuen abstellten und damit nicht zur makroanalytischen Vorhersage von
Wanderungsströmen geeignet seien,
44
scheint angebracht, kommt aber der Fragestellung
der vorliegenden Arbeit zugute, denn hier soll ja gerade individuelles
Entscheidungsverhalten untersucht werden.
Feithen fasst für die individuelle Wanderungsentscheidung folgende relevante Faktoren
auf Basis der Migrationstheorien zusammen: Einkommensmöglichkeiten,
Beschäftigungsmöglichkeiten, berufliche und soziale Statusverbesserung,
Informationsmöglichkeiten, Distanzfaktoren (geographisch und sozio-kulturell) und die
Wanderungsbereitschaft in Abhängigkeit von Merkmalen der wandernden Personen.
45
39
Hoffmann-Nowotny 1970, S. 36
40
Eisenstadt zitiert nach Feithen 1985, S. 57 und Albrecht 1972, S. 143 f
41
Beshers zitiert nach Feithen 1985, S. 57
42
Vgl. Beshers zitiert nach Albrecht 1972, S. 143 f
43
Vgl. Albrecht 1972, S. 146 und Langenheder 1968, S. 85 f
44
Vgl. Feithen 1985, S. 58
45
Vgl. Feithen 1985, S. 61
13

Diese Faktoren scheinen die Breite der möglichen Einflüsse und Ursachen umfassend
abzubilden und werden daher in Kapitel 3.3 aufgegriffen.
Konsequenzen
Fragt man nach den Folgen der Migration, so ist zu spezifizieren, auf welcher Ebene
diese untersucht werden. So verursachen Wanderungsströme Veränderungen in
wirtschaftlichen, politischen, sozialen und institutionellen Bereichen, sowohl bei den
verlassenen als auch bei den aufnehmenden Ländern. Sie beeinflussen u.a. das
politische und wirtschaftliche System, die Berufs- und Schichtstruktur, den
Bevölkerungsaufbau und das Bildungswesen.
46
Der Migrationssaldo und ein damit
verbundener `Brain Drain' bzw. `Brain Gain' sind ernstzunehmende Aspekte, denn eine
negative Wanderungsbilanz von Akademikern und qualifizierten Fachkräften, wie sie
derzeit in Deutschland zu beobachten ist, wird Auswirkungen auf die
Wettbewerbsfähigkeit haben.
47
Ähnliches ist auch für Frankreich anzunehmen.
Nun wird ein Individuum seine Migrationsentscheidung aber vermutlich nicht in erster
Linie von den genannten makroanalytischen Aspekten abhängig machen, sondern eher
individuelle Faktoren in seine Entscheidung miteinbeziehen, die es unmittelbarer
betreffen.
Albrecht identifiziert verschiedene Konsequenzen auf der Ebene des migrierenden
Individuums, wie Bindungs- und Haltlosigkeit, soziale Desorganisation, etc.,
48
die aber
hier nicht näher behandelt werden sollen. Stattdessen wird sich im Folgenden auf den
Umgang mit der fremden Kultur konzentriert. Als Folge der intensiven deutsch-
französischen Verbindung und der resultierenden studentischen und arbeitnehmerischen
Mobilität treffen die verschiedenen Kulturen in einem Umfeld aufeinander, in dem
Erfolg oder Misserfolg kulturellen Verständnisses starke wirtschaftliche Konsequenzen
nach sich ziehen kann. Im nächsten Abschnitt werden hierzu einige theoretische
Ansätze vorgestellt.
46
Vgl. Hoffmann-Nowotny 1970, S. 84
47
Vgl. Backhaus 2002, S. 1
48
Vgl. Albrecht 1972, S. 211 ff
14

2.1.3 Interkulturalität
Wenn Unternehmen ihre Auslandaktivitäten ausbauen, verändern sich die
Anforderungen an ihre Mitarbeiter. Führungskräfte unterschiedlichster Bereiche müssen
zunehmend in der Lage sein, globale Zusammenhänge zu verstehen und zu nutzen.
Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Partnern, Tochterfirmen und Kunden setzen
neben der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit auch eine interkulturelle Kompetenz
voraus, die erfolgskritisch sein kann. In Untersuchungen zu Themen des interkulturellen
Managements werden z.B. als Gründe für das Scheitern deutsch-französischer
Kooperationsvorhaben ,,mangelndes Vertrauen, gegenseitige Missverständnisse,
Überheblichkeit und Angst vor einer möglichen Dominanz des anderen"
49
genannt.
Ob es sich nun um eine temporäre Auslandsentsendung von Mitarbeitern handelt oder
die direkte Anstellung bei einer Firma im Ausland, obige Problematik gilt sicher für
viele Formen internationaler Tätigkeit. Im Rahmen dieses Kapitels soll nun auf die
interkulturellen Aspekte des deutsch-französischen Austausches eingegangen werden.
Dazu wird wiederum zunächst eine generelle begriffliche Klärung vorgenommen sowie
ausgewählte Konsequenzen erörtert, um danach verstärkt auf die interkulturellen
Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich und den Umgang mit diesen
einzugehen.
Begriffsklärung
,,Kultur ist die Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und
Überzeugungen einer sozialen Einheit, die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen
und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die
an diese soziale Einheit gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat."
50
Diese
Definition lässt sich auf verschiedene Kulturarten beziehen, etwa Unternehmenskultur,
Branchenkultur, aber auch auf die Landeskultur, die im Folgenden betrachtet werden
soll.
Kultur beinhaltet einige sichtbare und weitaus mehr unsichtbare Anteile, weswegen sie
häufig mit einem Eisberg verglichen wird.
51
Zu den sichtbaren Teilen gehören kulturelle
Artefakte, wie Handlungen und Kommunikation, also unmittelbar wahrnehmbare
Aspekte. Unter der Oberfläche finden sich allgemeine Denk- und
Wahrnehmungsstrukturen und ein kollektives Unterbewusstsein.
52
Kultur gibt also mit
49
Loth 2001, S. 13
50
Kutschker 2002, S. 658
51
Vgl. Programs Abroad Office 2002, S. 2
52
Vgl. Bailly 2000
15

ihren Werten und Standards ein handlungsleitendes Orientierungssystem für den
Menschen, einen Rahmen für die Vielfalt seiner Handlungsmöglichkeiten.
53
Hofstede versteht im Rahmen der interkulturellen Vergleichsforschung unter Kultur die
,,kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder
Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet."
54
Diese kollektive
Programmierung ist in bestimmten kulturellen Werten begründet und manifestiert sich
u.a. in Symbolen, Helden, Ritualen und Praktiken.
55
Das Ziel der Untersuchungen
Hofstedes ist es, anhand bestimmter Dimensionen Unterschiede und Gemeinsamkeiten
zwischen Ländern zu identifizieren. Dazu wird ,,Kultur" und ,,Nation" gleichgesetzt,
obwohl natürlich auch kulturelle Unterschiede innerhalb der Bevölkerung eines Landes
möglich sind.
Wenn nun Kultur eine Art Besonderheit einer bestimmten Gruppe ausdrückt, so kann
Interkulturalität als etwas verstanden werden, das zwischen zwei oder mehr Kulturen
steht, vermitteln und kommunizieren kann, aber eben aufgrund der spezifischen
Programmierung der einzelnen Kulturen auch ein potentielles Problemfeld darstellt.
,,Interkulturalität wird als Interaktion, als dynamische Beziehung zwischen zwei
Entitäten definiert, die sich gegenseitig Sinn verleihen und verändern."
56
Durch das
Wissen um andere Kulturen, kann die eigene Kultur als solche erkannt werden.
Unterschiede werden erst bewusst, in dem man andere Formen des Verhaltens, der
Denkweisen, der Kommunikation etc. kennen lernt und deren kontextspezifischen Sinn
hinterfragt.
Die obige Definition von Interkulturalität bedient sich des traditionellen Kulturbildes als
einer Kugel oder Insel, also einer in sich abgeschlossenen Einheit. Kontakte zu anderen
Kulturen sind in der Kugelvorstellung nicht zwingend vorgesehen, sondern müssen
aktiv angestoßen werden. Kritik an dieser Auffassung der Kulturen als Einzelkulturen
und deren Inselartigkeit wird etwa von Welsch geäußert. Für ihn sind Kulturen
keineswegs koexistente Entitäten sondern von Mischungen und Durchdringungen
gekennzeichnet, womit er den Begriff der Transkulturalität prägt.
57
Er kritisiert, dass
Interkulturalität vor allem eine kosmetische Nachbearbeitung der klassischen
Kulturauffassung und deren Folgeproblemen sei.
Eine zahlenmäßig hohe Migration wie etwa von der Türkei nach Deutschland könnte
Welschs Mischungsgedanken möglicherweise rechtfertigen, für diese Arbeit scheint das
53
Vgl. Kramer 1998, S. 10
54
Hofstede 2001, S. 4
55
Vgl. Hofstede 2001, S. 8 f
56
Pateau 1999, S. 22
57
Vgl. Welsch 1998, S. 51
16

Konzept der Kulturen als Entitäten, die in wechselseitiger Interaktion stehen, dennoch
eher geeignet, da es sich bei den betrachteten studien- und arbeitsbedingten Migrationen
zwischen Frankreich und Deutschland eher um Einzelfälle handelt und man daher wohl
nicht von Durchdringungsprozessen sprechen kann.
Der Mischungsgedanke ist auch empirisch kaum vorzufinden. Drechsel argumentiert:
,,Die Mitglieder jeder Kultur beharren dennoch auf einer Abgrenzung von den anderen
Kulturen."
58
Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur lässt sich
ebenfalls in den Interviews dieser Arbeit wiederfinden: ,,[...] ne, ich bin schon
Franzose, also so ist es net, aber ich fühl mich sehr wohl hier [in Deutschland]."
59
Konsequenzen
Eine Form der interkulturellen Interaktion auf individueller Ebene stellt die
Assimilation dar, die auch im Rahmen der Wanderungsforschung diskutiert wird. Es
handelt sich bei der Assimilation nach Treibel um einen Anpassungsprozess ,,in dem
sich die Zuwanderer an das etablierte, längeransässige System angleichen."
60
Treibel
kritisiert an dieser Auffassung, die von vielen Autoren geteilt wird, die Einseitigkeit der
Anpassungsleistung, die ausschließlich von dem Einwanderer auszugehen scheint.
Außerdem scheint Assimilation noch aus einem weiteren Grund problematisch: die
Aufgabe oder Zerstörung der eigenen Kultur des Einwanderers zugunsten der Kultur
des Aufnahmelandes.
61
Dem Extrem einer vollständigen Anpassung seitens der Einwanderer könnte demnach
eine Multikulturalität auf gesellschaftlicher Ebene im Sinne einer Koexistenz gegenüber
stehen, ein explizites Ausleben der verschiedenen Kulturen innerhalb einer Gesellschaft.
Dies wiederum soll als Bereicherung der globalen
Kultur eines Landes zu schätzen
gelernt werden, so dass die Interaktion mit anderen Kulturen zu wechselseitiger
Akzeptanz und Toleranz von Verschiedenheit führt.
62
Eine andere Perspektive
einzunehmen und die eigene Kultur nicht als die einzig denkbare wahrzunehmen, sind
Möglichkeiten, die interkulturellen Begebenheiten als Chance für die betroffenen
Kulturen anzuerkennen.
Auf individueller Ebene unterscheidet Bochner vier Reaktionstypen auf den Kontakt
mit anderen Kulturen bei einem längeren Auslandsaufenthalt.
63
Der Assimilationstyp
verleugnet seine eigene Kultur und glorifiziert stattdessen die Fremdkultur, der er sich
58
Drechsel 2000, S. 179
59
Transkription B, Z. 346
60
Treibel 1999, S. 109
61
Vgl. Hoffmann-Nowotny 2000, S. 83
62
Vgl. Hoffmann-Nowotny 2000, S. 82 f
63
Vgl. Bochner 1982, S. 27 f
17

völlig anzupassen versucht. Im Gegensatz dazu lehnt der Kontrasttyp die Fremdkultur
ab, hält die eigene Kultur für überlegen und macht damit eine Anpassung schwierig bis
unmöglich. Der Grenztyp erkennt in beiden Kulturen bedeutungsvolle Elemente, die
allerdings inkompatibel sind. Daher sind Grenztypen ,,doomed to vacillate between their
two cultures, unable to satisfy the contradictory demands that their two reference groups
make upon them."
64
Der Synthesetyp integriert bedeutsame Aspekte beider Kulturen in
seine Denk- und Handlungsweisen, was eine Bereicherung seiner Persönlichkeit
darstellen kann.
65
In der empirischen Untersuchung dieser Arbeit finden sich verschiedene Hinweise auf
das Ausmaß und die Art der Anpassungsprozesse, die bei einem längeren Aufenthalt in
einem fremden Land stattfinden, wobei im Rahmen dieser Arbeit besonders die
individuellen Aspekte im Vordergrund stehen. Es stellt sich des weiteren die Frage,
inwieweit interkulturelle Erfahrungen die Entscheidung von international orientierten
Hochschulabsolventen für eine Karriere im Ausland oder mit starkem Bezug zum
Ausland beeinflussen.
Interkulturalität zwischen Deutschland und Frankreich
Wie steht es nun um die interkulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und
Frankreich? Wie stark ist Anpassung notwendig oder erwünscht? Erschweren kulturelle
Unterschiede eine deutsch-französische Zusammenarbeit?
Interkulturalität beschreibt zum einen das Aufeinandertreffen von Mitgliedern
verschiedener Kulturen und deren Interaktion, darüber hinaus ist auch die Entwicklung
einer Eigendynamik zu beobachten, die unter anderem daher rührt, dass das ,,fremde"
Verhalten aus dem Wissen der eigenen Kultur heraus interpretiert wird und damit eine
komplexe Situation voller potentieller Missverständnisse entsteht.
66
Im Rahmen der Interviews für diese Arbeit lautet beispielsweise die Aussage einer
Französin: ,,Ich hab gedacht, das Land [Deutschland] ist nicht so unterschiedlich wie
Frankreich (...) wir sind Cousins, das ist nicht so unterschiedlich."
67
Allerdings sieht
man möglicherweise auch nur die Spitze des kulturellen Eisbergs, denn ein und
derselben Handlung können bei einem Franzosen ganz andere Denkmuster zugrunde
liegen als bei einem Deutschen.
64
Bochner 1982, S. 29
65
Vgl. Interkulturelles Training 2003
66
Vgl. Netlexikon 2003 ,,Interkulturalität"
67
Transkription K, Z. 23 und Z. 376
18

Frankreich und Deutschland, zwei Länder im Westen Europas und sogar geographische
Nachbarn mit teilweise gemeinsamer Vergangenheit ­ und doch finden sich einige
Indikatoren dafür, dass es diverse Unterschiede gibt.
Eine der bekanntesten Möglichkeiten, anhand verschiedener Dimensionen die
Unterschiede statistisch zu messen, hat Hofstede bereits 1984 vorgenommen.
68
Er findet
kulturelle Differenzen zwischen den Ländern bezüglich der Aspekte Machtdistanz
(Umgang der Gesellschaft mit Ungleichheit), Kollektivismus versus Individualismus
(Grad der Einbindung eines Individuums in eine Gruppe), Femininität versus
Maskulinität (wie stark sind die Geschlechterrollen in einer Gesellschaft gegeneinander
abgegrenzt) und Unsicherheitsvermeidung (Grad in dem sich die Mitglieder einer
Kultur durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen).
69
Die
nachstehende Grafik soll anhand der von Hofstede ermittelten Werte zeigen, inwieweit
sich Deutschland und Frankreich ähneln bzw. unterscheiden.
Machtdistanz
Kollektivismus
Maskulinität
Unsicherheitsvermeidung
Frankreich
Deutschland
Abb. 1: Eigene Abbildung: Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland nach Hofstede
70
Nimmt man nun diese Werte für sich, so ergeben sich tatsächlich einige Differenzen,
besonders hinsichtlich der Dimensionen Machtdistanz und Maskulinität. Demzufolge
würden französische Mitarbeiter eine ungleiche Machtverteilung eher erwarten und
akzeptieren als deutsche Mitarbeiter und die Geschlechterrollen sind in Frankreich
weniger klar voneinander abgegrenzt.
71
68
Hofstede 1984
69
Vgl. Hofstede 2001, S. 33 ff. In einem späteren Werk fügte Hofstede mit der ,,Langzeitorientierung"
noch eine fünfte Dimension hinzu.
70
Vgl. Hofstede 2001, S. 33 ff
71
Im Rahmen einer Cluster-Analyse findet Hofstede heraus, dass Deutschland und Frankreich bezüglich
der vier angesprochenen Orientierungen de facto relativ weit auseinanderliegen. Allerdings ist mit
diesem Ergebnis wohl mehr ein grobes Konzept als ein tatsächliches Maß gemeint. (Vgl. Hambrick
1998, S. 190 f)
19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832480561
ISBN (Paperback)
9783838680569
DOI
10.3239/9783832480561
Dateigröße
900 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Wirtschafts und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Juni)
Note
1,7
Schlagworte
entscheidungsfindung mobilität interkulturalität theorie berufseinstieg
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