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Das Absicherungsverhalten in Geschäftsbeziehungen

Die Sicht der Prospect Theory

©2003 Diplomarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In den Geschäftsbeziehungen des Business to Business sind die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den beteiligten Parteien häufig ungleich verteilt. Insbesondere die Beziehungen im Zulieferbereich sind überwiegend durch eine starke Abhängigkeit der Zulieferer von ihren Abnehmern gekennzeichnet. Diese resultiert vor allem daraus, dass sich Zulieferer sehr stark auf ihre Abnehmer ausrichten und einseitig spezifische Investitionen in die Beziehung tätigen. Die Zulieferer begeben sich dadurch in Situationen, welche von ihren Abnehmern opportunistisch ausgenutzt werden können. Empirische Untersuchungen belegen, dass die Angst der Zulieferer Opfer opportunistischer Verhaltensweisen ihrer Abnehmer zu werden sehr groß ist. Es ist somit notwendig, dass sich ein Zulieferer innerhalb der Beziehung zum Anbieter vor dem Ausnutzen seiner Abhängigkeit schützt.
Vor diesem Hintergrund soll das Absicherungsverhalten in Geschäftsbeziehungen genauer analysiert werden. Die Besonderheit dieser Arbeit besteht darin, dass die Analyse aus Sicht der Prospect Theory erfolgen soll. Diese Theorie ist in der Lage eine Anzahl von Phänomen realen Entscheidungsverhaltens zu erklären, die im Widerspruch zum Erwartungsnutzenmodell stehen. Die Prospect Theory wurde bereits bei unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen herangezogen, eine Anwendung dieser Theorie auf das Absicherungsverhalten ist aber neu. Im Rahmen dieses Beitrages soll insbesondere der Einfluss von Verlustaversion sowie unterschiedlicher Risikoeinstellungen auf das Absicherungsverhalten bzw. Absicherungsbedürfnis untersucht werden.
Da die in der Literatur vertretenen Auffassungen zu Geschäftsbeziehungen sehr heterogen sind, wird im folgenden Kapitel zunächst eine Abgrenzung des Begriffs Geschäftsbeziehung vorgenommen. Dazu werden zwei häufig verwendete Definitionen miteinander verglichen und Geschäftsbeziehungen eindeutig vom Wiederkaufverhalten abgegrenzt. Anschließend erfolgen transaktionskostentheoretische Überlegungen zu Geschäftsbeziehungen. Dabei wird näher auf die Ausbeutung aufgrund spezifischer Investitionen sowie auf geeignete Schutzmaßnahmen eingegangen.
Zu Beginn des Kapitels 3 wird die Erwartungsnutzentheorie vorgestellt. Dies erscheint notwendig, da diese Theorie noch immer das dominante Paradigma zur Beschreibung rationalen Entscheidungsverhaltens darstellt. In Abschnitt 3.2 erfolgt eine ausführliche Darstellung der Prospect Theory unter […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Zielstellung und Vorgehensweise der Arbeit

In den Geschäftsbeziehungen des Business to Business sind die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den beteiligten Parteien häufig ungleich verteilt. Insbesondere die Beziehungen im Zulieferbereich sind überwiegend durch eine starke Abhängigkeit der Zulieferer von ihren Abnehmern gekennzeichnet. Diese resultiert vor allem daraus, dass sich Zulieferer sehr stark auf ihre Abnehmer ausrichten und einseitig spezifische Investitionen in die Beziehung tätigen.[1] Die Zulieferer begeben sich dadurch in Situationen, welche von ihren Abnehmern opportunistisch ausgenutzt werden können.[2] Empirische Untersuchungen belegen, dass die Angst der Zulieferer Opfer opportunistischer Verhaltensweisen ihrer Abnehmer zu werden sehr groß ist.[3] Es ist somit notwendig, dass sich ein Zulieferer innerhalb der Beziehung zum Anbieter vor dem Ausnutzen seiner Abhängigkeit schützt.

Vor diesem Hintergrund soll das Absicherungsverhalten in Geschäftsbeziehungen genauer analysiert werden. Die Besonderheit dieser Arbeit besteht darin, dass die Analyse aus Sicht der Prospect Theory erfolgen soll. Diese Theorie ist in der Lage eine Anzahl von Phänomen realen Entscheidungsverhaltens zu erklären, die im Widerspruch zum Erwartungsnutzenmodell stehen.[4] Die Prospect Theory wurde bereits bei unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen herangezogen,[5] eine Anwendung dieser Theorie auf das Absicherungsverhalten ist aber neu. Im Rahmen dieses Beitrages soll insbesondere der Einfluss von Verlustaversion sowie unterschiedlicher Risikoeinstellungen auf das Absicherungsverhalten bzw. Absicherungsbedürfnis untersucht werden.

Da die in der Literatur vertretenen Auffassungen zu Geschäftsbeziehungen sehr heterogen sind, wird im folgenden Kapitel zunächst eine Abgrenzung des Begriffs Geschäftsbeziehung vorgenommen. Dazu werden zwei häufig verwendete Definitionen miteinander verglichen und Geschäftsbeziehungen eindeutig vom Wiederkaufverhalten abgegrenzt. Anschließend erfolgen transaktionskostentheoretische Überlegungen zu Geschäftsbeziehungen. Dabei wird näher auf die Ausbeutung aufgrund spezifischer Investitionen sowie auf geeignete Schutzmaßnahmen eingegangen.

Zu Beginn des Kapitels 3 wird die Erwartungsnutzentheorie vorgestellt. Dies erscheint notwendig, da diese Theorie noch immer das dominante Paradigma zur Beschreibung rationalen Entscheidungsverhaltens darstellt.[6] In Abschnitt 3.2 erfolgt eine ausführliche Darstellung der Prospect Theory unter Berücksichtigung aller für die Untersuchung des Absicherungsverhaltens wichtigen Besonderheiten bzw. Implikationen.

Die eigentliche Analyse ist Gegenstand von Kapitel 4 und gliedert sich in drei Teile: Abschnitt 4.1 bildet die Ausgangssituation der Analyse. Dazu wird zunächst ein konkretes Beispiel kreiert, anhand dessen die weitere Analyse exemplarisch durchgeführt wird. In Abschnitt 4.2 wird dann der Einfluss der Verlustaversion auf das Absicherungsverhalten untersucht, nachdem zuvor ermittelt wurde wie hoch die Absicherung unter rationalen Gesichtspunkten ausfallen müsste. Die Konsequenzen unterschiedlicher Risikoeinstellungen für das Absicherungsverhalten bzw. Absicherungsbedürfnis sind dann Gegenstand von Abschnitt 4.3. Dazu wird das Beispiel aus der Ausgangsituation aufgegriffen und in verschiedene Richtungen erweitert. Zunächst wird eine Verlustsituation dargestellt. Anschließend werden die Konsequenzen der daraus resultierenden risikofreudigen Einstellung[7] auf das Absicherungsverhalten bzw. -bedürfnis untersucht. Analog dieser Vorgehensweise wird danach eine Gewinnsituation dargestellt und die Folgen der nach daraus resultierenden Risikoaversion[8] analysiert.

Nach einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse in Abschnitt 4.4, schließt Kapitel 5 die Ausführungen mit einer kritischen Würdigung und einem Ausblick ab.

2 Geschäftsbeziehungen als Analyseobjekt

2.1 Bestimmung und Abgrenzung des Begriffs Geschäftsbeziehung

Eine große Anzahl von Beiträgen zum Beziehungsmanagement oder Beziehungsmarketing verdeutlicht die zunehmende Fokussierung auf den Aspekt der Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern.[9] Fraglich ist jedoch ab wann, bzw. beim Vorliegen welcher Voraussetzungen, von einer Beziehung zwischen den Beteiligten gesprochen werden kann. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten. So liegt der zunehmenden Anzahl von Veröffentlichungen zu Geschäftsbeziehungen keine begriffliche Einheitlichkeit über dieses Phänomen zugrunde.[10] Insbesondere im Industriegütermarketing werden Be­griffe wie Anbieter-Nachfrager-Beziehung, Lieferanten-Kunden-Beziehung und Geschäftsbeziehung häufig synonym verwendet. Eine Analyse des Absicherungsverhaltens in Geschäftsbeziehungen setzt somit zunächst eine begriffliche Abgrenzung von Geschäftsbeziehungen voraus.

2.1.1 Vergleich ausgewählter Definitionen

Eine häufig zitierte Definition ist die von Plinke. Er versteht unter einer Geschäftsbeziehung: „(...) eine Folge von Marktransaktionen zwischen einem Anbieter und Nachfrager, die nicht zufällig ist. “Nicht zufällig“ heißt entweder, daß es auf Anbieter- und/oder der Nachfragerseite Gründe gibt, die eine planmäßige Verknüpfung zwischen Marktransaktionen sinnvoll erscheinen lassen oder die de facto zu einer Verknüpfung führen.“[11]

Nach Plinke müssen somit bereits mehrere Transaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager stattgefunden haben, um die Existenz einer Geschäftsbeziehung zu begründen. An dieser Stelle wird auch bereits der Zusammenhang zwischen den Transaktionen in einer Beziehung deutlich. Nach Plinke besteht zwischen diesen eine „innere Verbindung“.[12] Die Art dieser Verbindung kann sehr unterschiedlich sein. Plinke unterscheidet zwischen einseitigen und wechselseitigen Bindungen. Darüber hinaus differenziert er nach dem Bezugsobjekt der inneren Verbindung. Er unterscheidet zwischen Sach-, Personen- und Unternehmensbezug.[13]

Eine weitere Definition liefern Diller und Kusterer. Sie verstehen unter einer Geschäftsbeziehung „(...) jeden von ökonomischen Zielen zweier Organisationen geleiteten Interaktionsprozeß zwischen zwei oder mehr Personen ab dem ersten Geschäftsabschluß.“[14]

Im Vergleich zu der Definition von Plinke unterscheidet sich diese Auffassung vom Phänomen Geschäftsbeziehung in der zeitlichen Abgrenzung. Diller und Kusterer bejahen die Existenz einer Geschäftsbeziehung bereits ab dem ersten Geschäftsabschluss, während Plinke auf bereits erfolgte Transaktionen als notwendige Voraussetzung für das Entstehen einer Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager abstellt. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium stellt das Bezugsobjekt dar. Diller und Kusterer verlassen die Ebene des Unternehmensbezugs, die durch die Voraussetzung eines ersten Geschäftsabschlusses zugrundegelegt wird, und wechseln auf die persönliche Ebene.[15] Das bedeutet, dass nachdem ein erster Geschäftsabschluss stattgefunden hat, jede weitere ökonomisch motivierte Interaktion von Personen der beteiligten Unternehmen als Geschäftsbeziehung anzusehen wäre.[16] Für Schütze ist nach dieser Definition jede Form des potentiellen oder wirklichen Wiederkaufverhaltens den Geschäftsbeziehungen zuzuordnen.[17]

Im Gegensatz dazu weisen Diller und Kusterer aber daraufhin, dass nicht alle Interaktionen zwischen Geschäftsleuten als Geschäftsbeziehung anzusehen sind. Nach ihrer Auffassung begründen erst die Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit des jeweiligen Partners und die daraus resultierenden bestimmten Erwartungen für künftige Transaktionen eine Geschäftsbeziehung.[18] An dieser Stelle wird die Problematik deutlich, Geschäftsbeziehungen von möglichen Formen des Wiederkaufverhaltens abzugrenzen.

2.1.2 Unterscheidung zwischen Wiederkaufverhalten und Geschäftsbeziehungen

Schütze versteht unter dem Begriff Wiederkaufverhalten: „(...) jegliches gezeigte Verhalten von Individuen und Organisationen, das einen erneuten Kauf im Hinblick auf einen bestimmten Bedarf bei dem gleichen Anbieter zur Folge hat.“[19] Diese Definition legt es nahe, Geschäftsbeziehungen als Unterfälle unter dem Oberbegriff Wiederkaufverhalten zu subsumieren. Sie sagt jedoch nichts über die jeweiligen Bestimmungsfaktoren aus, nach denen sich die Formen des Wiederkaufverhaltens unterscheiden lassen.[20]

Die Deckung des Bedarfs eines Nachfragers durch wiederholten Kauf bei dem gleichen Anbieter ist überwiegend durch rationale Überlegungen begründet.[21] So können ökonomische aber auch rechtliche und psychische Barrieren den Wechsel eines Lieferanten erschweren. Ökonomische Wechselbarrieren liegen beispielsweise dann vor, wenn ein Abnehmer spezifische Aufwendungen tätigt, die für ihn im Falle der Abwanderung zu einem anderen Anbieter wertlos wären.[22] Rechtliche Wechselhemmnisse können etwa durch langfristige Verträge geben sein. Psychische Barrieren bestehen zum Beispiel im wechselseitigen Verständnis und Vertrauen, welches sich zwischen Anbieter und Nachfrager entwickelt hat.[23] Der wiederholte Kauf kann jedoch auch auf Gewohnheit beruhen.[24] Nach der Definition Schützes stellen hier beide Fälle ein Wiederkaufverhalten des Nachfragers dar. Im Fall des auf Gewohnheit beruhenden Wiederkaufes fehlt aber das im Verständnis Plinkes eine Geschäftsbeziehung charakterisierende Merkmal der inneren Verbindung zwischen den Transaktionen. Er unterscheidet hinsichtlich der Kongruenz der Bindung zwischen Formen einseitiger und wechselseitiger Bindung.[25] Die einseitige Bindung kann dabei auf der Käufer- oder der Anbieterseite gegeben sein. Die Existenz von Geschäftsbeziehungen sieht Plinke nur bei wechselseitigen Bindungen, die sich auf das jeweilige Partnerunternehmen beziehen, als gegeben an. Die Fälle einseitiger Bindung des Anbieters bzw. Nachfragers betrachtet er dagegen als verschiedene Ausprägungen von Treue.[26]

Eine ähnliche Abgrenzung nimmt auch Schütze vor. Er sieht in den Ausprägungen der Treue, beispielsweise der Marken- oder Lieferantentreue, ebenfalls keine Geschäftsbeziehung. Schütze betrachtet diese Formen der Treue vielmehr als Wiederkaufverhalten, ergänzt durch einen psychologisch-evaluativen Entscheidungsprozeß.[27] Das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen Treue und Geschäftsbeziehungen sieht er darin, dass Treue eine einseitige Hinwendung des Käufers zum Anbieter unterstellt, während Geschäftsbeziehungen durch wechselseitige Kontingenz gekennzeichnet sind.[28]

Die wechselseitige Kontingenz bezieht sich auf das Planen und Handeln. Das heißt Lieferant und Kunde stimmen ihr Verhalten aufeinander ab und handeln nicht nur nach eigenen Plänen.[29] Folgekäufe begründen nach dieser Auffassung nicht zwangsläufig eine Geschäftsbeziehung. So sieht auch Rieker die Existenz einer Geschäftsbeziehung nur dann als gegeben an, wenn Anbieter und Nachfrager durch aktives und bewusstes Verhalten versuchen, ihre Beziehung zu steuern.[30]

Schütze differenziert Geschäftsbeziehungen und Formen des Wiederkaufverhaltens darüber hinaus anhand der Märkte, auf denen diese Phänomene anzutreffen sind: Während Wiederkaufverhalten vor allem auf Märkten mit einer großen Anzahl von Nachfragern und einer dazu relativ geringen Anzahl von Anbietern zu finden ist, existieren Geschäftsbeziehungen überwiegend auf Märkten, auf denen die Anzahl von Anbietern und Nachfragern relativ gering ist.[31]

2.1.3 Zum Verständnis von Geschäftsbeziehungen im Rahmen dieser Arbeit

Die Unterscheidung zwischen Wiederkaufverhalten und Geschäftsbeziehungen verdeutlicht, dass reine Folgekäufe noch keine Beziehung zwischen den Akteuren begründen. Im Rahmen dieser Arbeit soll eine Geschäftsbeziehung daher nicht als eine Folge von einzelnen, unver­bundenen Transaktionen verstanden werden. Es muss vielmehr ein Zusammenhang zwischen den Transaktionen gegeben sein. Dieser soll darin bestehen, dass zukünftige Transaktionen von der Zufriedenheit mit vorangegangenen Transaktionen abhängig sind. Von dem Bestehen einer Geschäftsbeziehung wird hier somit erst dann ausgegangen, wenn bereits mehrere Transaktionen zur Zufriedenheit der beteiligten Parteien stattgefunden haben. Die Zufriedenheit resultiert vor allem aus der Tatsache, dass sich die Akteure an vertraglich vereinbarte Konditionen wie Preise und Abnahmemengen halten. Insofern wird hier der Definition von Plinke gefolgt, der um die Existenz einer Geschäftsbeziehung zu begründen bereits vorangegangene Transaktionen als notwendig ansieht. Die von ihm geforderte innere Verbindung zwischen den Transaktionen beruht hier auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Akteuren.[32]

Da die Analyse des Absicherungsverhaltens nicht auf einer institutionellen sondern auf einer persönlichen Ebene stattfinden soll, ist hier aber auch der persönliche Charakter einer Geschäftsbeziehung in den Vordergrund zu stellen. So werden in Übereinstimmung mit Diller und Kusterer die Interaktionen der im Rahmen einer Geschäftsbeziehung handelnden Personen betrachtet.[33]

2.2 Transaktionskostentheoretische Überlegungen zu Geschäftsbeziehungen

Die auf die Arbeiten von Williamson[34] zurückgehende Transaktionskostentheorie liefert einen umfassenden Beitrag zur Erklärung von langfristigen Beziehungen zwischen ökonomischen Akteuren. Geschäftsbeziehungen werden dabei auf einem Kontinuum von möglichen Koordinationsformen zwischen den Extrempunkten Markt und Hierarchie bzw. unternehmensinterner Koordination eingeordnet.[35]

2.2.1 Kerngedanken der Transaktionskostentheorie

Die zentrale Untersuchungseinheit der Transaktionskostentheorie sind die zwischen den Akteuren arbeitsteiliger Wirtschaftssysteme stattfindenden Transaktionen, und der institutionelle Rahmen, in denen sie durchgeführt werden.[36] Hierbei soll analysiert werden, welche Koordinationsform für welche Art von Transaktion als ökonomisch vorteilhaft betrachtet werden kann.[37]

Zur Bestimmung einer effizienten Koordinationsform wird ein Vergleich der Kosten vorgenommen, die bei der Ausführung einer Transaktion innerhalb alternativer Koordinationsformen entstehen.[38] Diese so genannten Transaktionskosten müssen von den Produktionskosten getrennt betrachtet werden.[39] In Anlehnung an die Phasen einer Transaktion lassen sich die Transaktionskosten grob unterscheiden, in Anbahnungskosten bei der Suche eines geeigneten Vertragspartners, Vereinbarungs- und Abwicklungskosten zum Beispiel beim Abschluss eines Vertrages, sowie Kontroll- und Anpassungskosten im Rahmen der Vertragserfüllung.[40] Hierbei sind nicht nur monetär erfassbare Größen zu berücksichtigen, sondern auch schwer quantifizierbare Nachteilskomponenten, wie zum Beispiel die eingesetzte Mühe und Zeit.[41] Innerhalb Transaktionskostentheorie werden eine Reihe von Determinanten berücksichtigt, die in ihrem Zusammenwirken die Höhe der Transaktionskosten, und damit die Auswahl einer effizienten Koordinationsform bestimmen: Die Verhaltensannahmen, die Umweltfaktoren und die Transaktionsatmosphäre.[42]

Die Verhaltensannahmen äußern sich darin, dass den Akteuren begrenzte Rationalität und Opportunismus unterstellt wird.[43] Begrenzte Rationalität liegt vor, wenn ein Wirtschaftssubjekt zwar bestrebt ist rational zu handeln, aber aufgrund der begrenzten menschlichen Informationsaufnahme- und Verarbeitungskapazität keine ausreichenden Informationen dazu besitzt.[44] Die Verhaltensannahme des Opportunismus beschreibt die Neigung ökonomischer Akteure durch strategisches Verhalten ihre eigenen Interessen, gegebenenfalls auch zum Nachteil anderer und unter Missachtung sozialer Normen, zu verwirklichen.[45]

Zu den Umweltfaktoren zählen die Unsicherheit, Spezifität, strategische Bedeutung sowie die Häufigkeit einer Transaktion.[46] Das Zusammenwirken von Umweltfaktoren und den gegebenen Verhaltensannahmen bedingen eine Reihe von ökonomischen Problemen für die Wirtschaftssubjekte. So wird die Unsicherheit dann problematisch, wenn Verträge zwischen den Akteuren geschlossen werden sollen. Unter der Annahme der begrenzten Rationalität eröffnet die Unsicherheit ex post, also nach Abschluss eines Vertrages, Spielräume für opportunistisches Verhalten.[47]

Die Neigung zu opportunistischem Verhalten ökonomischer Akteure wird aber erst in Verbindung mit dem Umweltfaktor Spezifität zum Problem.[48] Spezifität lässt sich dabei am besten unter der Berücksichtigung so genannter Quasi-Renten erläutern: Unter einer Quasi-Rente ist die Wertdifferenz[49] zwischen der beabsichtigten Verwendung einer Ressource innerhalb einer Transaktion, und der zweitbesten Verwendung dieser Ressource zu verstehen.[50] Innerhalb einer Austauschbeziehung besteht nun bei opportunistisch handelnden Akteuren und dem Vorliegen von spezifischen Investitionen die Gefahr der Ausbeutung eines Partners, durch Aneignung dieser Quasi-Rente.[51] Diese Problematik wird im folgenden Abschnitt noch genauer behandelt.

Ein weiterer Bestimmungsfaktor für die Höhe der Transaktionskosten ist die strategische Bedeutung der innerhalb einer Austauschbeziehung zu erbringenden Teilleistungen. Sie relativiert die Bedeutung der Spezifität.[52] So sind hoch spezifische Teilaufgaben nur dann besonders problematisch, wenn sie gleichzeitig auch von großer strategischer Bedeutung für die Akteure sind.[53] Darüber hinaus determiniert auch die Häufigkeit, mit der ein bestimmter Transaktionstyp zwischen den Tauschpartnern durchgeführt wird, die Höhe der Transaktionskosten. Je häufiger die Transaktionspartner identische Transaktionen miteinander abwickeln, desto eher lassen sich Skalen und Synergieeffekte realisieren, wodurch die Transaktionskosten pro Transaktion sinken.[54]

Die Transaktionsatmosphäre schließlich, repräsentiert den äußeren Rahmen indem die Austauschprozesse stattfinden. Sie umfasst alle soziokulturellen und technischen Faktoren, etwa die Reputation eines Akteurs oder soziale Normen und Werte wie Freundschaft, die Einfluss auf die Transaktionskosten der verschiedenen Koordinationsformen haben.[55]

Aus dem Zusammenwirken der Determinanten lassen sich mit Hilfe der Transaktionskostentheorie Empfehlungen für die Wahl einer geeigneten Koordinationsform ableiten:[56] Weniger komplexe, unspezifische Standardleistungen, die keinerlei strategische Bedeutung für die Austauschpartner haben sollten durch Kaufverträge, also über den Markt abgewickelt werden. Bei Teilleistungen von mittlerer strategischer Bedeutung, Spezifität und Unsicherheit, empfehlen sich Hybridformen. In einem solchen Fall stellt zum Beispiel ein langfristiger Kooperationsvertrag ein effizientes Koordinationsmuster dar. Die unternehmensinterne Leistungserstellung durch vertikale Integration der Transaktionspartner sollte, aufgrund der ge­ringeren Anreizintensität, dagegen nur bei häufig zu erstellenden, strategisch bedeutsamen und hochspezifischen Leistungen erfolgen.[57]

2.2.2 Spezifische Investitionen und opportunistische Ausbeutung

Insbesondere die Geschäftsbeziehungen im Business to Business Bereich sind in hohem Maße durch beziehungsspezifische materielle und immaterielle Investitionen gekennzeichnet.[58] Unter einer Investition kann dabei das Inkaufnehmen eines sicheren Nachteils in der Erwartung eines unsicheren zukünftigen Vorteils verstanden werden.[59] Die Spezifität der Investitionen bedingt eine Reihe von ökonomischen Problemen für die Austauschpartner: „Denn in dem Ausmaß, in dem sie beziehungsspezifisch sind, können sie nicht oder nicht ohne Verlust für Geschäfte mit anderen Partnern in anderen Geschäftsbeziehungen genutzt werden.“[60] Im Folgenden soll nun näher auf die Spezifität und die damit verbundene Problematik opportunistischer Ausbeutung eingegangen werden.

Williamson[61] unterscheidet zunächst zwischen vier Formen der Spezifität: Standortspezifität liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Zulieferer seine Produktionsstätte unmittelbar auf dem Werksgelände des Abnehmers ansiedelt. Anlagenspezifische Kapitalgüterinvestitionen, sind zum Beispiel durch die Beschaffung von Spezialaggregaten, die nur zur Herstellung bestimmter Teile eines bestimmten Abnehmers geeignet sind, gegeben. Mit Humankapitalspezifität bezeichnet Williamson den Erwerb unternehmensbezogenen Wissens durch einen Arbeitnehmer. Abnehmerspezifische Investitionen in dieser Typologie, bezeichnen Erweiterungsinvestitionen in unspezifische Anlagen, die aber nur für die Nachfrage eines Abnehmers getätigt werden. Diese Aufzählung erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und könnte durch weitere Formen von Spezifität ergänzt werden. Zu nennen wäre hier beispielsweise zeitliche Spezifität, durch modische Aspekte oder die Lebensdauer von Produkten.[62]

Wichtiger als die Unterteilung der Erscheinungsformen von Spezifität aufgrund ihrer Ursachen, ist eine zeitliche Abgrenzung und Unterteilung in ex ante bzw. ex post Spezifität.[63] Ex ante Spezifität liegt vor, wenn ein Zuliefererunternehmen bereits vor oder mit Beginn einer Geschäftsbeziehung spezifische Investitionen tätigen muss, um spezielle Leistungen für den Nachfrager erbringen zu können.[64] Ex post Spezifität kennzeichnet Situationen, in denen sich die Spezifität erst im Laufe der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager, etwa durch den Erwerb von beziehungsspezifischen Wissen und Fähigkeiten, herausbildet.[65] Aus einer zunächst unspezifischen Ausgangslage mit konkurrenzintensivem Wettbewerb, entwickelt sich eine monopolartige Austauschbeziehung.[66] Williamson bezeichnet diesen Prozess als fundamentale Transformation.[67]

Durch die Spezifität an sich, entsteht aber noch keine Gefahr der opportunistischen Ausbeutung für die Vertragspartner. Erst wenn ein Partner in einer Geschäftsbeziehung höhere spezifische Investitionen als sein Gegenüber tätigt, führt diese Spezifitätsasymmetrie zu einer Bedrohung für den höher investierten Partner.[68] Ein gutes Beispiel für dieses Problem bietet die Automobilindustrie. Aufgrund zunehmender Konzentrations­prozesse sind die Zulieferer immer mehr dazu gezwungen, nicht nur einzelne Bauteile, sondern ganze Baugruppen und komplexe Module direkt an die Bänder der Hersteller zu liefern.[69] Dieser Prozess erfordert auf Zuliefererseite steigende Investitionen, beispielsweise in spezielle Fertigungsanlagen und Logistiksysteme. Mit Zunahme der spezifischen Investitionen, steigt aber ceteris paribus das Ausbeutungspotential. Der Zulieferer ist aufgrund der getätigten Investitionen an den Hersteller gebunden. Die Kosten für die speziellen Maschinen oder Werkzeuge, Ausbildung der Mitarbeiter etc, sind weitgehend verloren, wenn der Hersteller die Geschäftsbeziehung abbrechen sollte.[70] Dieser so genannte lock in-Effekt[71] führt dazu, dass ein Hersteller beispielsweise durch Senken der zuvor vereinbarten Abnahmepreise, versuchen kann sich die Quasi-Rente der spezifischen Investitionen des Zulieferers anzueignen.[72] Dieser wäre in einem solchen Fall gezwungen, die Preise für seine Leistungen soweit zu senken, bis das Erlösniveau der zweitbesten Verwendungsmöglichkeit seiner getätigten spezifischen Investitionen erreicht ist.[73] Damit unter solchen Bedingungen Geschäftsbeziehungen eingegangen werden können, in denen der schwächere Akteur nicht ständig damit rechnen muss, dass sich sein Geschäftspartner opportunistisch verhält, sind geeignete Absicherungsmaßnahmen erforderlich.

[...]


[1] Vgl. Engelhardt, W. H. / Freiling, J. (1996), S. 146.

[2] Vgl. Gierl, H. (2001), S. 57 f.

[3] Vgl. z.B. Böhme, A. (1999); Gierl, H. (2001), S. 55 f.

[4] Vgl. Theil, M. (1997), S. 28.

[5] Vgl. z.B. Herrmann, A. / Bauer, H. H. (1996); Gierl, H. / Helm R. / Stumpp, S. (2001).

[6] Vgl. Lehner, J. M. (1996), S. 142.

[7] Vgl. Kahneman, D. / Tversky, A. (1979), S. 286.

[8] Vgl. Kahneman, D. / Tversky, A. (1979), S. 268.

[9] Vgl. z.B. Diller, H. / Kusterer, M. (1988); Diller, H. (1995).

[10] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 27.

[11] Plinke, W. (1989), S. 307, Hervorhebung im Original.

[12] Vgl. Plinke, W. (1989), S. 308.

[13] Vgl. ebenda.

[14] Diller, H. / Kusterer, M. (1988), S. 211.

[15] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 28.

[16] Vgl. ebenda.

[17] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 28 f.

[18] Vgl. Diller, H. / Kusterer, M. (1988), S. 212.

[19] Schütze, R. (1992), S. 29.

[20] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 29.

[21] Vgl. Rieker, S. A. (1995), S. 43.

[22] Vgl. z.B. Peter, S. I. (2001), S. 118.

[23] Vgl. Rieker, S. A. (1995), S. 28.

[24] Vgl. z.B. Rieker, S. A. (1995), S. 43.

[25] Vgl. Plinke, W. (1989), S. 308.

[26] Vgl. ebenda.

[27] Vgl. Jacoby, J. / Kyner, D. B. (1973), S. 2 f.; Schütze, R. (1992), S. 31.

[28] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 35.

[29] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 36.

[30] Vgl. Rieker, S. A. (1995), S. 44.

[31] Vgl. Schütze, R. (1992), S. 36.

[32] Vgl. hierzu Plinke, W. (1989), S. 307 f.

[33] Vgl. Diller, H. / Kusterer, M. (1988), S. 211.

[34] Vgl. Williamson, O. E. (1975).

[35] Vgl. Peter, S. I. (2001), S. 33.

[36] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 178.

[37] Vgl. Williamson, O. E. (1979), S. 235.

[38] Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 2; Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 183.

[39] Vgl. Bössmann, E. (1982), S. 108.

[40] Vgl. Picot, A. (1991), S. 344.

[41] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 178.

[42] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 69.

[43] Vgl. z.B. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179.

[44] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 70.

[45] Vgl. z.B. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179.

[46] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 70.

[47] Vgl. ebenda.

[48] Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 27 f.

[49] Der Begriff Wert, bezieht sich hier aber nicht nur auf den Anschaffungs- und Wieder- verkaufswert, sondern vielmehr auf die aus einer Investition resultierenden Rückflüs- se in Form der Einzahlungsüberschüsse. Vgl. hierzu Klein, B. / Crawford, R. G. /. Alchian, A. A. (1978), S. 298-302.

[50] Vgl. ebenda; vgl. auch Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179.

[51] Vgl. z.B. Ebers, M. / Gotsch, W. (1999), S. 229.

[52] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 72.

[53] Vgl. ebenda.

[54] Vgl. Ebers, M. Gotsch, W. (1999), S. 230.

[55] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 73.

[56] Vgl. zu den folgenden Ausführungen Picot, A. (1991), S. 34; Picot, A. / Dietl, H. / Franck, E. (2002), S. 82 f.

[57] Vgl. zu dieser Problematik Ebers, M. Gotsch, W. (1999), S. 233 f.

[58] Vgl. z.B. Kleinaltenkamp, M. /. Plinke, W. / Söllner, A. (1996), S. 152.

[59] Vgl. Schmidt, R. H. (1983), S. 18.

[60] Kleinaltenkamp, M. /. Plinke, W. / Söllner, A. (1996), S. 152.

[61] Vgl. zu den folgenden Ausführungen Williamson, O. E. (1985), S. 95 f.; vgl. auch Pi- cot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179.

[62] Vgl. Jung, S. (1999), S. 51.

[63] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179.

[64] Vgl. ebenda; vgl. auch Schade, C. / Schott, E. (1993), S. 22.

[65] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 179 f.; Peter, S. I. (2001), S. 92.

[66] Vgl. Picot, A. / Dietl, H. (1990), S. 180.

[67] Vgl. Williamson, O. E. (1985), S. 61-63.

[68] Vgl. Gierl, H. (2001), S. 57 f.

[69] Vgl. Hoffmann, K. / Linden, F. A. (1995), S. 41 f.

[70] Vgl. Gierl, H. (2001), S. 57.

[71] Vgl. Williamson, O. E. (1985), S. 61.

[72] Vgl. z.B. Ebers, M. Gotsch, W. (1999), S. 229.

[73] Vgl. Klein, B. / Alchian, A. A. / Crawford, R. G. (1978), S. 298.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832478094
ISBN (Paperback)
9783838678092
DOI
10.3239/9783832478094
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (März)
Note
1,3
Schlagworte
transaktionskostentheorie opportunismus risiko entscheidungsverhalten verlustaversion
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