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Realoptionen: Optionspreistheorie zur Bewertung von Investitionen mit einem Beispiel aus der Softwareentwicklung

©2003 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Diese Diplomarbeit diskutiert folgende Fragestellung: Kann ein optionspreistheoretisches Bewertungsmodell wirklich so exakte Werte für die Realoptionen liefern, dass die Intuition und der gesunde Menschenverstand bei der Investitionsentscheidung von den Unternehmern in Zukunft außer Acht gelassen werden könnten?
Um nach einer allgemeinen Einführung in die Thematik der angeführten Fragestellung gerecht werden zu können, beschäftigt sich das Kapitel 2 zunächst ausführlich mit dem Begriff ”Realoption“ und dem darauf aufbauenden Realoptionsansatz. Auf dieser Basis wird dann eine Analogie zu den Finanzoptionen hergestellt und die damit verbundenen Konsequenzen für die Bewertungsmodelle, sowie einige Limitationen des Realoptionsansatzes aufgezeigt. Schließlich werden in diesem Kapitel noch die unterschiedlichen Arten von Handlungsflexibilitäten erläutert. Da im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht alle dort aufgeführten Realoptionen evaluiert werden sollen, werden ein paar Optionen ausgewählt und anschließend besonders ausführlich behandelt. Dabei wird die resultierende Analogie zu der entsprechenden Barrier Option bereits hergestellt.
Da im Verlauf dieser Arbeit die Herleitung der mathematischen Bewertungsmodelle aus der Optionspreistheorie und deren Anwendung bei der Evaluierung im Vordergrund stehen, werden im Kapitel 3 die Grundlagen aus der Statistik - vom stochastischen Prozess über die Itô-Formel bis hin zur Richardson Extrapolation - dezidiert dargestellt. Unter Verwendung dieser grundlegenden Kenntnisse ist es dann im Kapitel 4 möglich die Optionspreisverfahren herzuleiten und zu beschreiben. Dabei werden im ersten Teil Modelle für standardisierte europäische Optionen eingeführt; hier finden das Black-Scholes-Modell und die Contingent Claims Analysis besondere Beachtung. Anschließend wird ein Modell zur Bewertung von nicht-standardisierten amerikanischen Optionen Gegenstand des zweiten Unterkapitels sein.
Mit Hilfe der entwickelten Modelle werden dann im Kapitel 5 zunächst die ausgewählten Realoptionen einzeln bewertet. Unter Beachtung der gewonnenen Ergebnisse und gewisser Restriktionen wird hinterher, um das Fallbeispiel vorzubereiten, eine Gleichung zur Bewertung einer F&E-Projektstufe hergeleitet.
Nach diesen theoretischen Überlegungen wird zu deren Exemplifizierungen im Kapitel 6 ein konkreter Fall herangezogen; bei diesem handelt es sich um die Bewertung einer Investitionsentscheidung der T-Systems im Bereich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7564
Zöller, Corinna: Realoptionen: Optionspreistheorie zur Bewertung von Investitionen mit
einem Beispiel aus der Softwareentwicklung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Universität ­ Gesamthochschule Siegen, Universität ­ Gesamthochschule,
Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
iv
Tabellenverzeichnis
v
Symbolverzeichnis
vii
1
Einleitung
1
1.1
Aufbau der Arbeit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2
Der Realoptionsansatz
6
2.1
Der Begriff
"
Realoption" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2
Analogie zwischen Real- und Finanzoptionen . . . . . . . . . . . .
8
2.3
Arten von Realoptionen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.3.1
Option to Defer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.3.2
Option to Abandon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
3
Mathematische Grundlagen
16
3.1
Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
3.2
It^
o-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
3.3
Optionstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3.4
Richardson Extrapolation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
i

INHALTSVERZEICHNIS
ii
4
Herleitung der relevanten Optionspreisverfahren
30
4.1
Modell f¨
ur standardisierte europ¨
aische Optionen . . . . . . . . . .
30
4.1.1
Analytische Verfahren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
4.1.1.1
Black-Scholes-Modell . . . . . . . . . . . . . . . .
32
4.1.1.2
Contingent Claim Analysis
. . . . . . . . . . . .
39
4.1.2
Numerische Verfahren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
4.2
Modell f¨
ur nicht-standardisierte amerikanische Optionen
. . . . .
43
4.2.1
Der Preis einer nicht-standardisierten amerikani-
schen Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4.2.2
Der optimale Aus¨
ubungsrand B . . . . . . . . . . . . . . .
47
5
Bewertung von Realoptionen
50
5.1
Einzelne Realoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
5.1.1
Option to Defer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
5.1.2
Option to Abandon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
5.2
Bewertung einer F&E-Projektstufe . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
6
Fallbeispiel - Bewertung eines Projektes der T-Systems
68
6.1
Einf¨
uhrung in das Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
6.2
Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
6.3
Realoptionen des Fallbeispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
6.4
Bewertung des Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
6.4.1
Bewertung der 1. Projektstufe . . . . . . . . . . . . . . . .
83
6.4.2
Bewertung der ¨
ubrigen Projektstufen . . . . . . . . . . . .
86
6.5
Interpretation der Ergebnisse
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
7
Abschließende Beurteilung
94
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97

INHALTSVERZEICHNIS
iii
A StatPascal-Programme
101
A.1 Projektwert V
1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
A.2 Bewertung der Realoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
A.2.1 1. Projektstufe
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
A.2.2 2. Projektstufe
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
B Daten zum Fallbeispiel
111
B.1 Konkurrenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
B.2 Kundenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Abbildungsverzeichnis
2.1
Der Realoptionsansatz
7
4.1
Optionspreismodelle im ¨
Uberblick
31
5.1
Werteverlauf des Underlyings einer Option to Defer
52
5.2
Werteverlauf des Underlyings einer Option to Abandon
56
5.3
Werteverlauf des Underlyings der Realoptionen einer Projektstufe
65
6.1
Rechnungslegung in den einzelnen Marktsegmenten
72
6.2
Die einzelnen Phasen der Softwareentwicklung
76
6.3
Aufbau des Projektes
79
6.4
Der Werteverlauf der Option to Defer in der ersten Stufe
84
6.5
Der Werteverlauf der Realoptionen in der zweiten Stufe
88
6.6
Der optimale Aus¨
ubungsrand
90
iv

Tabellenverzeichnis
2.1
Analogie zwischen Real- und Finanzoptionen
9
6.1
Einf¨
uhrung der Bilanzierungssoftware nach IAS
74
6.2
Einnahmen im Zeitverlauf
75
6.3
Ausgaben pro Projektphase
76
6.4
Investitionskosten und Liquidationswert
81
6.5
Werte der oberen und unteren Schranke
81
6.6
Werte des risikolosen Zinssatzes
82
6.7
Wert der Option to Defer in t
0
= 0 und der zugeh¨
orige strategische
Projektwert
84
6.8
Wert der Option to Defer in t
0
= 0 bei variierender Optionslaufzeit
86
6.9
Werte der Realoptionen in t
1
= 20
87
6.10
Aus¨
ubungszeitpunkt der Option to Abandon
88
6.11
Werte der Realoptionen in t
1
= 20 bei variierendem Projektwert
89
A.1
Projektwertverlauf im Zeitintervall (0, 20] bei variierender Volati-
lit¨
at
102
A.2
Projektwertverlauf im Zeitintervall [20, 60]
103
v

vi
B.1
IAS-Softwarehersteller
112
B.2
Rechnunglegung im DAX
114
B.3
Rechnunglegung im MDAX
115
B.4
Rechnunglegung im SMAX
116
B.5
Rechnunglegung im Neuen Markt
120

Symbolverzeichnis
R
>0
Menge der positiven reellen Zahlen
R
0
Menge der nicht-negativen reellen Zahlen
Ergebnisraum
(, F, P)
Wahrscheinlichkeitsraum
P, Q
Wahrscheinlichkeitsmaße
F
t
Filterung
W
t
: t R
Brownsche Bewegung
M
lokales Martingal
B(·)
Borel--Algebra ¨
uber ·
t, s N
Zeitpunkte
T N, T <
Entzeitpunkt der Laufzeit
µ R
erwartete Ertragsrate
r R
0
risikoloser Zins
R
0
Dividendenrate, Dividenden ¨
ahnliche Auszahlungsrate
R
>0
Varianz, (Projekt-)Volatilit¨
at
M
R
>0
Volatilit¨
at des Marktes
vii

viii
R
>0
unternehmensspezifische Volatilit¨
at
R
>0
Risikoaufschlag
V
t
: t R, V
0
R
>0
Projektwert
I R
0
Investitionskosten
I
R
R
0
Liquidationswert
U R
0
obere Schranke
L R
0
untere Schranke
B = {B
t
; t [0, T ]}
mit B
t
= t R
optimaler Aus¨
ubungsrand
A
i,m
Approximation einer Funktion, f¨
ur die m-mal die Ri-
chardson Extrapolation angewandt wurde
g
i
Schrittgr¨
oße bei der Richardson Extrapolation
x
Startkapital
k : t R
Konsumprozess
Z
t
: t R
Bondpreis
S
t
: t R, S
0
R
>0
Aktienkurs
Y
t
: t R
Verm¨
ogensprozess
= (
0
, ...,
d
)
(Handels-)Strategie
K
Aus¨
ubungspreis
c
europ¨
aischer Call
p
europ¨
aischer Put
C
amerikanischer Call
P
amerikanischer Put

ix
c
ij
europ¨
aischer Barrier Call, wobei i, j die Art der Schran-
kenoption bestimmen
p
ij
europ¨
aischer Barrier Put, wobei i, j die Art der Schran-
kenoption bestimmen
C
ij
amerikanischer Barrier Call, wobei i, j die Art der
Schrankenoption bestimmen
P
ij
amerikanischer Barrier Put, wobei i, j die Art der
Schrankenoption bestimmen
h(·)
Auszahlungsfunktion
t
Ereignis, zu dem in t die optimale Aus¨
ubungsbedingung
erf¨
ullt ist
N
t
Ereignis, das den nicht-standardisierten Teil charakteri-
siert
E
Fortf¨
uhrungsregion
S
Stoppregion
G : R × R R
+
Wert einer nicht-standardisierten Option
M
t
2
t
1
Maximum einer eindimensionalen Brownschen Bewe-
gung
m
t
2
t
1
Minimum einer eindimensionalen Brownschen Bewe-
gung
G
D
: R × R R
+
Wert der Option to Defer
G
A
: R × R R
+
Wert der Option to Abandon

Kapitel 1
Einleitung
Bei einer erheblichen Unsicherheit hinsichtlich zuk¨
unftiger Entwicklungen m¨
usste
eigentlich fast jedes große Unternehmen seine strategischen Priorit¨
aten an sich
ver¨
andernde ¨
okonomische Rahmenbedingungen anpassen.
1
Allerdings deuten die
empirischen Untersuchungen von Busby und Pitts
2
sowie Howell und J¨
agle
3
dar-
auf hin, dass lediglich ein Teil von Unternehmen Handlungsm¨
oglichkeiten ber¨
uck-
sichtigt, wobei diese jedoch weniger konzeptionell zur Strategieformulierung ge-
nutzt, als vielmehr nur intuitiv mit einbezogen werden. Somit sind in der Un-
ternehmenspraxis strategische Entscheidungen meist irreversibel. Auf diese Wei-
se werden reale M¨
oglichkeiten unternehmerischen Handelns oft nicht beachtet,
obwohl mit deren Hilfe bei solchen unsicheren Erwartungen unvorteilhafte Ent-
scheidungen und somit erhebliche Verluste vermieden werden k¨
onnen. So w¨
are es
beispielsweise
4
bei schlechter Marktlage besonders vorteilhaft die M¨
oglichkeit zu
nutzen, Langzeitprojekte zu verlangsamen oder sogar einzufrieren und sich dabei
das Recht vorzubehalten, die Projekte zu einem sp¨
ateren Zeitpunkt wieder zu
beschleunigen bzw. fortzusetzen. Oder in dem Fall g¨
unstiger Marktbedingungen
are es sinnvoll, Investitionsprojekte schneller voranzutreiben, um schneller Er-
tr¨
age erzielen zu k¨
onnen.
Auch die Auswahl von vorteilhaften Investitionsprojekten wird unter unsiche-
ren Marktbedingungen prinzipiell sehr schwierig. In diesem Fall best¨
unde die
oglichkeit, die Projekte in Tranchen zu budgetieren, um nach Ablauf einer je-
den Phase in Abh¨
angigkeit der neuen Erkenntnisse das Projekt fortzusetzen oder
abzubrechen.
Auf der Grundlage dieser drei kurz beschriebenen realen M¨
oglichkeiten unterneh-
merischen Handelns wird deutlich, dass zu verschiedenen Zeitpunkten - insbeson-
1
vgl. Nippa/Petzold (2000), S. 2
2
vgl. Busby/Pitts (1997), S. 169-186
3
vgl. Howell/J¨
agle (1997), S. 915-935
4
Beispiele sind ¨
ubernommen aus: Hommel/Pritsch (1999), S. 3 f.
1

2
dere im Zusammenhang mit l¨
angerfristigen Investitionen - konkrete Entschei-
dungsalternativen auftreten k¨
onnen; sogenannte
"
Handlungsflexibilit¨
aten" oder
auch
"
Realoptionen". Die Beachtung solcher Flexibilit¨
aten wird umso wichtiger,
je unsicherer die zuk¨
unftige Entwicklung ist, und in gleichem Maße auch deren
Bewertung.
Allerdings wird laut Hommel und Pritsch
5
in der Praxis noch immer vor allem
die Kapitalwertmethode, die nur konstante Kapitalkosten und lineare Zukunfts-
perspektiven ber¨
ucksichtigt, zur Bewertung von Investitionsprojekten verwendet.
Somit unterbleibt regelm¨
aßig die Quantifizierung von strategischen Handlungs-
optionen und man versucht lediglich, dieses Defizit bei den Unternehmensent-
scheidungen durch Intuition und
"
gesunden Menschenverstand" auszugleichen
6
.
Daher liefert die Kapitalwertmethode gerade bei Projekten, die unter hoher Un-
sicherheit und großer Flexibilit¨
at stehen, keine exakten Werte.
7
Diese Tatsache
wird auch durch die Erfahrungen von Unternehmensberatungen best¨
atigt, denen
zu Folge der Wert von Investitionen durch die Kapitalwertmethode um 30 bis 50
Prozent untersch¨
atzt wird.
8
Auf diese Limitation der Kapitalwertmethode haben sowohl Praktiker als auch
Wissenschaftler schon seit Anfang der 80er Jahre hingewiesen.
9
Und bereits seit
Mitte der 70er Jahre ist man bem¨
uht den Wertbeitrag der Handlungsflexibi-
lit¨
aten abzubilden.
10
Eines der bisher entwickelten Modelle ist der Realoptions-
ansatz: Ein Verfahren zur Bewertung von unternehmerischen Investitionsalterna-
tiven bzw. zur effizienten Allokation knapper Ressourcen.
Aber erst in den 90er Jahren wurde der Realoptionsansatz in Wissenschaft und
Praxis st¨
arker beachtet. Dies ist auf die Erkenntnis zur¨
uck zu f¨
uhren, dass durch
Offenhalten von Entscheidungsalternativen drohende Verluste und Risiken mi-
nimiert sowie sich ergebende Gewinnpotentiale tendenziell besser ausgesch¨
opft
werden k¨
onnen. Inzwischen wird der Realoptionsansatz zur Bewertung von Inve-
stitionsentscheidungen sogar von einigen Unternehmen, wie z.B. Hewlett-Packard
oder Airbus Industries, verwendet.
11
Dabei kommt diese moderne Methode nicht
nur bei Mergers, Akquisitionen und Kooperationen zum Einsatz, sondern gera-
de auch im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E). Allgemein kann somit
konstatiert werden, dass der Realoptionsansatz ein hohes Anwendungspotenti-
al in innovativen und risikoreichen Investitionsprojekten besitzt, wie sie z.B. in
der Bio- und Gentechnologie sowie der Pharmabranche oder auch im Bereich
5
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 3
6
vgl. Nippa/Petzold (2000), S. 4
7
vgl. Myers (1984), S. 13:
"
However, standard discounted cashflow techniques will tend to
understate the option value attached to growing profitable lines of business. Corporate finance
theory requires extension to deal with real options."
8
vgl. Br¨
uhl zitiert nach: Handelsblatt (1999), Nr. 229, S. 49
9
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 3
10
vgl. Nippa/Petzold (2000), S. 1
11
vgl. Coy (1999), S. 118-124

3
der Softwareentwicklung ¨
ublich sind. Letzteres wird auch von Stickel bekr¨
aftigt,
denn seiner Meinung nach sind
"
Softwareentwicklungsprojekte [...] aufgrund ih-
rer ausgepr¨
agten Phasenstruktur und den damit verbundenen Flexibilit¨
aten und
Handlungsspielr¨
aumen f¨
ur den Einsatz des Realoptionsansatzes gut geeignet."
12
Die bisherigen Ausf¨
uhrungen lassen durchblicken, dass der Realoptionsansatz den
herk¨
ommlichen Bewertungsmethoden, die lediglich einen statischen Wert liefern
und daher allein nicht ausreichen, um f¨
ur unsichere Investitionsprojekte hinrei-
chend exakte Werte auszugeben, vorzuziehen ist. Denn dieser relativ neue Ansatz
ist in der Lage, bei großer Unsicherheit auch den Wertbeitrag von Handlungsflexi-
bilit¨
aten mit einzubeziehen, d.h. er erm¨
oglicht bei der Bewertung,
"
[...] den durch
Flexibilit¨
at zus¨
atzlich geschaffenen Wert eines [Investitions-]Projektes theoretisch
genau zu bestimmen."
13
Dabei besteht die Grundidee des Ansatzes darin, dass
man die Flexibilit¨
aten als Optionen im Realg¨
utermarkt auffasst - eben als Realop-
tionen - und deren Wert additiv mit dem statischen Wert verkn¨
upft. Somit wird
deutlich, dass der Realoptionsansatz und die Kapitalwertmethode nicht konkur-
rieren, sondern sich im Gegenteil erg¨
anzen.
14
Daher ergibt sich folgende Gleichung
ur den strategischen Wert eines Investitionsprojektes unter Unsicherheit:
Strategischer Wert = Kapitalwert +
Optionswerte
(1.1)
Dabei sei erw¨
ahnt, dass die Additivit¨
at der Optionswerte bei vorliegenden Inter-
dependenzen nicht gegeben ist. Dieses Problem wird zu einem sp¨
ateren Zeitpunkt
nochmals aufgegriffen.
Insgesamt soll innerhalb dieser Diplomarbeit folgende Fragestellung diskutiert
werden:
Kann ein optionspreistheoretisches Bewertungsmodell wirklich so
exakte Werte f¨
ur die Realoptionen liefern, dass die Intuition und
der gesunde Menschenverstand bei der Investitionsentscheidung von
den Unternehmern in Zukunft außer Acht gelassen werden k¨
onnten?
Auf Grund dieser Fragestellung steht nach einer Definition der Begrifflichkeiten
die Bewertung von Investitionsprojekten mittels des Realoptionsansatzes im Vor-
dergrund. Dem folgend werden die zu verwendenden Bewertungsmodelle hergelei-
tet und an ausgew¨
ahlten Realoptionen angewandt, wobei sich deren Modellierung
innerhalb dieser Diplomarbeit auf die Optionspreistheorie der Single Barrier Op-
tionen st¨
utzt. Durch das darauf folgende Fallbeispiel aus der Softwareentwicklung
onnen schließlich Vor- und Nachteile der Bewertungsmethode identifiziert wer-
den, so dass die obige Fragestellung im Rahmen einer abschließenden Beurteilung
¨
uber das Modell beantwortet werden soll.
12
Stickel (2001), S. 231
13
vgl. Fischer (1995), S. 101
14
vgl. Kilka (1995), S.150

1.1 Aufbau der Arbeit
4
1.1
Aufbau der Arbeit
Um der angef¨
uhrten Fragestellung gerecht werden zu k¨
onnen, besch¨
aftigt sich
das Kapitel 2 zun¨
achst ausf¨
uhrlich mit dem Begriff
"
Realoption" und dem darauf
aufbauenden Realoptionsansatz. Auf dieser Basis soll dann eine Analogie zu den
Finanzoptionen hergestellt und die damit verbundenen Konsequenzen f¨
ur die Be-
wertungsmodelle aufgezeigt werden. In diesem Zusammenhang soll auch bereits
auf einige Limitationen des Realoptionsansatzes hingewiesen werden. Schließlich
werden in diesem Kapitel noch die unterschiedlichen Arten von Handlungsflexibi-
lit¨
aten erl¨
autert. Da im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht alle dort aufgef¨
uhrten
Realoptionen evaluiert werden k¨
onnen respektive sollen, werden ein paar Optio-
nen ausgew¨
ahlt und anschließend besonders ausf¨
uhrlich behandelt. Dabei wird
die resultierende Analogie zu der entsprechenden Barrier Option bereits herge-
stellt.
Da, wie schon erw¨
ahnt, im Verlauf dieser Arbeit die Herleitung der mathema-
tischen Bewertungsmodelle aus der Optionspreistheorie und deren Anwendung
bei der Evaluierung im Vordergrund stehen, werden im Kapitel 3 die Grundla-
gen aus der Statistik - vom stochastischen Prozess ¨
uber die It^
o-Formel bis hin
zur Richardson Extrapolation - dezidiert dargestellt. Unter Verwendung dieser
grundlegenden Kenntnisse ist es dann im Kapitel 4 m¨
oglich die Optionspreisver-
fahren herzuleiten und zu beschreiben. Dabei werden im ersten Teil Modelle f¨
ur
standardisierte europ¨
aische Optionen eingef¨
uhrt; hier finden das Black-Scholes-
Modell und die Contingent Claims Analysis besondere Beachtung. Anschließend
wird ein Modell zur Bewertung von nicht-standardisierten amerikanischen Optio-
nen Gegenstand des zweiten Unterkapitels sein.
Mit Hilfe der entwickelten Modelle werden dann im Kapitel 5 zun¨
achst die aus-
gew¨
ahlten Realoptionen einzeln bewertet. Unter Beachtung der gewonnenen Er-
gebnisse und gewisser Restriktionen wird hinterher, um das Fallbeispiel vorzube-
reiten, eine Gleichung zur Bewertung einer F&E-Projektstufe hergeleitet.
Nach diesen theoretischen ¨
Uberlegungen soll zu deren Exemplifizierungen im Ka-
pitel 6 ein konkreter Fall herangezogen werden; bei diesem handelt es sich um
die Bewertung einer Investitionsentscheidung der T-Systems im Bereich der Soft-
wareentwicklung. Daher muss nach einer kurzen Erl¨
auterung des Projektes eine
entsprechende Marktanalyse durchgef¨
uhrt werden. Auf dieser Grundlage ist es
schließlich erst m¨
oglich den Projektaufbau (hypothetisch) zu planen und dabei
auch die vorhandenen Realoptionen zu identifizieren. Mit Hilfe der zuvor gewon-
nenen Bewertungsformel k¨
onnen nach Bestimmung aller Parameter schließlich
die Handlungsflexibilit¨
aten evaluiert und deren Bedeutung erl¨
autert werden.
Unter Ber¨
ucksichtigung dieser Resultate und den sich durch das Modell ergeben-
den Restriktionen wird im Kapitel 7 die Rentabilit¨
at des Bewertungsmodells f¨
ur
Realoptionen diskutiert. Somit wird an dieser Stelle der Genauigkeit der Ergeb-
nisse Rechnung getragen. Außerdem wird in Form eines Ausblickes angegeben,

1.1 Aufbau der Arbeit
5
wie man das Modell zur Bewertung der Realoptionen noch weiter an die Rea-
lit¨
at anpassen k¨
onnte. Dabei wird auch die aus der Verfeinerung der Methode
resultierende mathematische Komplexit¨
at mit in die ¨
Uberlegungen einbezogen.

Kapitel 2
Der Realoptionsansatz
2.1
Der Begriff
"
Realoption"
Wie bereits im ersten Kapitel erl¨
autert, soll die Bewertung mit Hilfe des Realop-
tionsansatzes eine Anpassung von Entscheidungen an sich wandelnde Umweltbe-
dingungen erm¨
oglichen. Dabei sind die Realoptionen einer Investition durch die
Unsicherheit der Entwicklung, die Flexibilit¨
at zwischen den Investitionstransak-
tionen und die Irreversibilit¨
at der Entscheidung charakterisiert.
15
Gerade in den letzten Jahren haben sich die technischen, wirtschaftlichen und
sozialen Verh¨
altnisse immer h¨
aufiger ver¨
andert, so dass man eine wachsende Um-
weltdynamik feststellen kann.
16
Dadurch ergeben sich k¨
urzere Innovationszeiten
und Produktlebenszyklen sowie starke Schwankungen der relativen Preise und der
Zinss¨
atze. Folglich werden Investitionsentscheidungen zunehmend unter großer
Unsicherheit getroffen und deren wirtschaftliche Attraktivit¨
at h¨
angt stets von
der Wertentwicklung des Investitionsobjektes ab.
Soziologische Studien belegen, dass Menschen in solch unsicheren Situationen
und bei gegebener Flexibilit¨
at Entscheidungsalternativen bevorzugen,
"
[...] die
ihnen hinsichtlich verschiedener Umweltentwicklungen Handlungsm¨
oglichkeiten
offen halten - sie setzen im ¨
ubertragenen Sinn bei hoher Unsicherheit selten auf
ein Pferd."
17
Daher erscheint es f¨
ur die Unternehmensstrategie sinnvoll
18
, dem
Realoptionsansatz zu folgen, d.h. bei hoher Unsicherheit Handlungsspielr¨
aume
bzw. Realoptionen zu identifizieren, zu bewerten und zu nutzen, um flexibel auf
sich ¨
andernde Umweltbedingungen reagieren zu k¨
onnen. Dies wird in der folgen-
15
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 9
16
vgl. Freihube (2001), S. 17
17
Nippa/Petzold (2000), S. 5 f.
18
Auch andere Strategien wie z.B. Risikomeidung oder Diversifikation sind denkbar. Deren
genaue Erl¨
auterung findet sich in Meise (1998), S. 14 f.
6

2.1 Der Begriff
"
Realoption"
7
den Abbildung
19
verdeutlicht:
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d
d
d
$$
$
e
e
e
identifizieren
b
ew
erten
mana
gen
Identifikation von Unsicherheiten und Realoptionen
Auswahl der geeigneten
Bewertungsmethode und
Bewerten der Alternativen
Integration des
"
Optionsdenkens"
in die Strategie und Entscheiden
¨
uber den Investitionsprozess
Abb. 2.1: Der Realoptionsansatz
Dem Realoptionsansatz folgend w¨
urde sich ein Unternehmer bei einer Produktein-
uhrung mit unsicheren Absatzerwartungen und f¨
ur ihn positiver Wettbewerbssi-
tuation beispielsweise bem¨
uhen, dieses Produkt zun¨
achst auf einem kleinen Markt
zu testen, also nur teilweise einzuf¨
uhren. Auf diese Weise erh¨
alt er die M¨
oglich-
keit, erst nach der Testphase mit den gewonnen Informationen die irreversible
Entscheidung zu treffen, sein Produkt auf dem gesamten Markt einzuf¨
uhren oder
das Produkt wieder ohne ¨
uberdimensionale Verluste vom Markt zu nehmen. Bei
dieser Vorgehensweise entgehen dem Unternehmer nat¨
urlich potentielle Gewinne,
die er bei einer sofortigen Einf¨
uhrung am Gesamtmarkt erzielen k¨
onnte. Daher
sollte vor der Verwendung der dargestellten Realoption zun¨
achst ihr Wert be-
stimmt werden, um abw¨
agen zu k¨
onnen, ob eine Testphase sinnvoll ist.
Realoptionen erscheinen immer nur dann notwendig und ¨
okonomisch sinnvoll,
wenn man im Laufe des Investitionsprozesses ¨
uber neue Informationen verf¨
ugen
kann, die einen Einfluss auf die Investitionsentscheidung als Ganzes oder auch auf
die effiziente Fortf¨
uhrung haben. Es werden demnach also Handlungsspielr¨
aume
geschaffen, um bei hoher Unsicherheit den Gesamtnutzen einer unternehmerisch-
en, auf realen Werten beruhenden Investition in Abh¨
angigkeit zu m¨
oglichen zu-
unftigen Entwicklungen zu optimieren respektive das Risiko zu reduzieren.
20
Allerdings verursacht der Erwerb von Realoptionen Kosten, z.B. in Form von ent-
gangenem Gewinn auf Grund eines in Abh¨
angigkeit der Wettbewerbssituation zu
langen Aufschubs einer Investition.
21
Somit kann eine Wertsteigerung nur dann
19
Abbildung ¨
ubernommen aus: Pritsch/Weber (2001), S. 27
20
vgl. Nippa/Petzold (2000), S. 8
21
vgl. Freihube (2001), S.23

2.2 Analogie zwischen Real- und Finanzoptionen
8
ur das Unternehmen erzielt werden, wenn der Wert des Handlungsspielraumes
gr¨
oßer ist als die mit ihm verbundenen Kosten.
Durch die gewonnen Erkenntnisse kann nun der Begriff Realoption wie folgt de-
finiert werden:
Definition 2.1.1
Im Rahmen einer Investitionsentscheidung in reale G¨
uter sichert sich der Inhaber
einer Realoption das Recht, aber nicht die Pflicht, zu einem sp¨
ateren Zeitpunkt
beg¨
unstigte (Folge-)Investitionen oder Desinvestitionen mit geringen Verlusten
vornehmen zu k¨
onnen.
Dabei ist zu beachten, dass die Optionshalterschaft nicht immer eindeutig be-
stimmt werden kann. Nur im Idealfall ist es m¨
oglich den Inhaber zu benennen, et-
wa bei einem durch ein Patent gesch¨
utzten F&E-Projekt. Meistens jedoch haben
mehrere Investoren gleichzeitig die Gelegenheit ¨
ahnliche Realoptionen auszu¨
uben,
wobei sich deren Vorteilhaftigkeit in der Wettbewerbssituation reduziert.
22
2.2
Analogie zwischen Real- und Finanzoptio-
nen
An Hand der Definition 2.1.1 wird deutlich, dass eine Realoption dem Entschei-
dungstr¨
ager Rechte gew¨
ahrt, die in ¨
ahnlicher Weise auch dem Eigent¨
umer einer
Finanzoption zukommen. So kann z.B. die M¨
oglichkeit, bei einer g¨
unstigen Markt-
lage in ein weiteres Gewinn bringendes Folgeprojekt zu investieren, mit einem
Call verglichen werden. Somit ist offensichtlich eine Analogie zwischen Finanz-
und Realoptionen vorhanden, durch die die Finanztheorie mit der strategischen
Planung bei Investitionsprojekten verbunden wird. Daher pr¨
agte Myers
23
auch
den Begriff Realoption - die Option in reale G¨
uter zu investieren.
Dabei ist zu bemerken, dass nicht nur die Definition der Realoption einen Analo-
gieschluss auf die Finanzoption zul¨
asst, sondern auch die Parallelit¨
at der Haupt-
parameter, die in der Tabelle 2.1
24
veranschaulicht ist.
Folgerichtig basieren die Aussagen zu und ¨
uber Realoptionen auf den Erkenntnis-
sen der Optionstheorie f¨
ur Finanzm¨
arkte. Nach der Konstatierung dieser Analogie
wurden insbesondere die bereits entwickelten analytischen und numerischen Op-
tionspreismodelle f¨
ur der Bewertung von Handlungsflexibilit¨
aten verwandt. Die
ahere Erl¨
auterung der Methoden erfolgt in Kapitel 4.1.
Zu beachten ist jedoch, dass der Analogie zwischen Finanz- und Realoptionen
auch gewisse Limitationen gesetzt sind, die bei der Einordnung der Genauigkeit
22
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 10
23
vgl. Myers (1984), S. 13
24
Eigene Darstellung.

2.2 Analogie zwischen Real- und Finanzoptionen
9
Realoption
Finanzoption
risikofreier Zins r
risikofreier Zins r
Dividenden ¨
ahnliche Auszahlungsrate
Dividendenrate
Unsicherheit in Bezug auf den Kapital-
wert des Investitionsprojektes
Volatilit¨
at der Wachstumsrate des Akti-
enkurses
Zeitspanne bis zum Verfall der Investiti-
onsm¨
oglichkeit T
Laufzeit T
Kapitalwert der Cash-Flows des Projek-
tes V
t
heutiger Aktienkurs S
t
Investitionskosten I
Basispreis K
Tab. 2.1: Analogie zwischen Real- und Finanzoptionen
der aus der Bewertung resultierenden Realoptionswerte nicht außer Acht gelassen
werden sollten.
Die erste Limitation ist offensichtlich: Die fehlende Handelbarkeit
25
von Real-
optionen. Auf Grund dieser Tatsache ist es nicht m¨
oglich, den Werteverlauf des
Underlyings zu beobachten. Da f¨
ur die Optionspreisverfahren aber ein kontinu-
ierlich gehandeltes Basisinstrument angenommen wird, muss der Werteverlauf
des Underlyings einem stochastischen Prozess folgen. Die daf¨
ur relevanten, nicht
bekannten Parameter - Volatilit¨
at und Initialpreis
26
V
0
- m¨
ussen mit Hilfe von
Sch¨
atzverfahren
27
ermittelt werden. Es ist aber auch denkbar, V
0
durch Diskon-
tieren der erwarteten Cash Flows mit einem ¨
uber dem Kapitalmarkt ermittelten
risikoadjustierten Zinsfuß zu bestimmen; dies entspricht der Kapitalwertmetho-
de.
Eine weitere Limitation entsteht durch die Komplexit¨
at
28
der Bewertung von
Investitionsprojekten, da oftmals gleich mehrere Realoptionen in einem Projekt
existieren, die nicht additiv miteinander verbunden sind. Es treten somit Inter-
aktionseffekte auf, die nicht mit Hilfe der Optionspreismodelle erfasst werden
onnen, sich jedoch auf den Wert der Realoptionen auswirken.
Außerdem besteht eine Limitation darin, dass im Gegensatz zur Theorie von
Finanzoptionen bei der Bewertung von Realoptionen auch die Wettbewerbsein-
fl¨
usse beachtet werden m¨
ussen. Denn h¨
aufig stehen die Realoptionen einem In-
haber nicht exklusiv zur Verf¨
ugung - vielmehr muss er sie sich mit der Konkur-
25
vgl. Meise (1998), S. 84
26
Der Marktpreis des Bezugsgutes kann unter zur Hilfenahme eines marktg¨
angigen, in der
Risikostruktur stark korrelierten Verm¨
ogenstitels abgesch¨
atzt werden.
27
vgl. Tomaszewski (2000), S. 96 u. 109
28
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 16

2.3 Arten von Realoptionen
10
renz teilen.
29
Dabei wird sowohl die Laufzeit als auch der Projektwert durch die
Wettbewerber beeinflusst. Um der geschilderten Problematik Rechnung tragen
zu k¨
onnen, versuchte man spieltheoretische Modellkonstruktionen f¨
ur die Bewer-
tung zu entwickeln. Da diese Verfahren jedoch einer gewissen Willk¨
ur unterliegen,
finden sie in der Praxis nur sehr eingeschr¨
ankte Akzeptanz.
30
Bei Finanzoptionen ist der Basispreis K vertraglich festgelegt und unterliegt in
der Regel keiner Bedingung. Hingegen ist die H¨
ohe der zuk¨
unftig geplanten Inve-
stitionskosten I unsicher, da die Unternehmensleitung diese beispielsweise ¨
uber
eine Ver¨
anderung des Technologiemix steuern kann. Somit m¨
ussten die Kosten
als stochastische Variable
31
angenommen werden, um diese Limitation vermeiden
zu k¨
onnen. Allerdings w¨
urde das Bewertungsmodell durch die hohe Anzahl unsi-
cherer Variablen - , V
t
, I - eine erhebliche Komplexit¨
at erlangen.
Durch die Nichtber¨
ucksichtigung dieser dargestellten Limitationen ist die Bewer-
tung von Investitionsprojekten zwar prinzipiell m¨
oglich, allerdings ist zu ber¨
uck-
sichtigen, dass erhebliche Wertdifferenzen entstehen k¨
onnen. So kann der ¨
okono-
mische Projektwert z.B. inflationieren, so dass durch den Realoptionsansatz in
zweifelhafte Projekte (weiter) investiert w¨
urde.
2.3
Arten von Realoptionen
In den vorangehenden Ausf¨
uhrungen wurde erl¨
autert, was unter dem Begriff
"
Realoption" zu verstehen ist. Die Anwendungsbeispiele haben verdeutlicht, dass
sehr unterschiedliche Arten von Handlungsflexibilit¨
aten existieren. Sie k¨
onnen
prinzipiell in zwei Klassen unterteilt werden, die von Trigeorgis
32
mit folgendem
Satz beschrieben werden:
"
Many of these real options (e.g., to defer, contract, shut down, or aban-
don a capital investment) occur naturally; others may be planned and
built in at some extra cost from the outset (e.g., to expand capacity or
build growth options, to default when investment is staged sequentially,
or to switch between alternative inputs or outputs)."
Die Realoptionen lassen sich aber auch an Hand der mit ihnen verbundenen
Entscheidungen kategorisieren. Eine erste umfassende Arbeit zu den verschiede-
nen Auspr¨
agungen der Handlungsflexibilit¨
aten wurde ebenfalls von Trigeorgis
33
ver¨
offentlicht, wonach folgende sieben Kategorien existieren:
29
vgl. Kester (1993), S. 193
30
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 17
31
vgl. Hommel/Pritsch (1999), S. 18
32
Trigeorgis (1996), S. 4
33
vgl. Trigeorgis (1986), S. 130 ff.

2.3 Arten von Realoptionen
11
1. Option to Defer :
"
Investitionsentscheidungen sind auch Zeitpunktent-
scheidungen."
34
Denn bei großer Unsicherheit schnellst m¨
oglich in einen
Markt einzutreten, muss nicht unbedingt bedeuten die h¨
ochsten Gewinne
erzielen zu k¨
onnen; es kann auch heißen mit erheblichen Verlusten fertig
werden zu m¨
ussen. Daher scheint es meist besser zu sein, nicht sofort zu in-
vestieren, sondern das Vorhaben um eine bestimmte Zeit zur Beobachtung
der weiteren Entwicklung von den jeweiligen Technologien
35
und M¨
arkten
zu verz¨
ogern, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Somit kann die Option
to Defer als ein Call auf den Projektwert interpretiert werden.
2. Option to Abandon : Wenn sich die Marktbedingungen erheblich ver-
schlechtern, ist ein Investor nicht an die Fortf¨
uhrung eines Projektes gebun-
den. Stattdessen besteht vielmehr die wertvolle M¨
oglichkeit, es vollst¨
andig
gegen Erhalt des Restwertes, der durch die Wiederver¨
außerung auf Se-
kund¨
arm¨
arkten erzielt wird, aufzugeben. Daher liegt der Vergleich mit ei-
nem Put auf den Projektwert mit Aus¨
ubungspreis in H¨
ohe des Restwertes
sehr nahe.
3. Option to Stage Investment : In den meisten realen Projekten, wie z.B.
bei der Medikamentenentwicklung, ist die Investition nicht in Form einer
einzelnen Auszahlung modelliert, sondern als einer Serie von Teilinvesti-
tionen, wobei jede Stufe Voraussetzung f¨
ur die Folgende ist. Somit muss
der Investor nach jeder Stufe entscheiden, ob es ¨
okonomisch sinnvoll ist, die
achste Kostentranche zu t¨
atigen oder das gesamte Projekt anzuhalten. Al-
lerdings erwirtschaftet nur das Projekt insgesamt R¨
uckfl¨
usse.
36
Daher kann
das Projekt als Folge von Calls auf die jeweils nachfolgende Stufe angesehen
werden.
4. Option to Alter Operation Scale: Diese Realoption beinhaltet das
Recht,
"
[...] den Umfang des Investitionsprojektes flexibel an neue Informa-
tionen anzupassen."
37
Man unterscheidet daher
· Option to Expand : Wenn die Marktbedingungen sich besser als er-
wartet entwickeln, kann es f¨
ur ein Unternehmen profitabel sein, durch
geeignete Kapital intensive Maßnahmen die Kapazit¨
at der Produktion
zu erweitern oder die Ressourcenverwendung zu beschleunigen. Daher
ist diese Option mit einem Call auf die Akquisition eines weiteren Teils
des Basisprojekts vergleichbar.
38
34
Freihube (2001), S. 25
35
Microsoft hat bei seinen Strategieentscheidungen oft den Wert von Verz¨
ogerungsoptionen
ber¨
ucksichtigt. Siehe dazu Liebler (1996), S. 66
36
vgl. Kilka (1995), S. 94
37
Meise (1998), S. 107
38
vgl. Trigeorgis (1996), S. 11

2.3 Arten von Realoptionen
12
· Option to Contract : Im Gegensatz dazu kann man bei schlechten
Marktbedingungen unter der Kapazit¨
at produzieren bzw. die Investi-
tionskosten reduzieren, um das geplante Projekt zumindest teilweise
erhalten zu k¨
onnen.
39
Somit entspricht die Option to Contract einem
Put auf einen Teil des Basisprojekts mit einem Aus¨
ubungspreis in
ohe der Ausgaben, um die das Projekt gek¨
urzt werden kann.
· Option to Shut Down and Restart : In der Realit¨at ist es manch-
mal sinnvoll, ein Investitionsprojekt vor¨
ubergehend nicht zu betreiben
- insbesondere wenn die Kosten f¨
ur den Wechsel zwischen Produktion
und Stilllegung relativ gering sind - und bei verbesserter Marktsitua-
tion wieder aufzunehmen.
40
5. Option to Switch : Bei dieser Realoption erh¨
alt ein Unternehmen die
oglichkeit, seine Produktflexibilit¨
at zu nutzen, um sich durch eine Modi-
fikation der Produktpalette an eine ¨
Anderung der Nachfrage auf den Ab-
satzm¨
arkten anzupassen.
41
Ebenso oder auch gleichzeitig ist es denkbar,
dass derselbe Output durch verschiedene Inputfaktorkombinationen erzielt
werden kann, so dass bei wechselnden relativen Preisen der g¨
unstigste Pro-
duktionsprozess herangezogen werden kann. Somit ist die Modellierung der
Option to Switch in der Realit¨
at relativ komplex.
42
6. Growth Option : Investitionsprojekte im gleichen Unternehmen sind oft
nicht voneinander unabh¨
angig. Vielmehr kann eine Investition, z.B. im Be-
reich F&E, durch ihr erlangtes technisches Know-how oder durch die ge-
wonnenen Marktkenntnisse als Voraussetzung f¨
ur die Durchf¨
uhrung von
Folgeprojekten verstanden werden. Daher werden mit der heutigen Inve-
stition die Wachstumsm¨
oglichkeiten in der Zukunft gesichert.
43
Auf Grund
dieser Darstellung ist die Growth Option der Option to Stage Investment
¨
ahnlich, der einzige Unterschied ist, dass
"
[...] mit jeder Investitionsausgabe
[...] nun die M¨
oglichkeit zu einem neuen Projekt er¨
offnet wird, anstatt mit
einer neuen Stufe eines bestehenden fortzufahren."
44
Somit erwirbt der K¨
aufer mit dieser Realoption einen Call auf den m¨
ogli-
chen Wert des Folgeprojektes gegen Akzeptanz des Nettowerts des Vorl¨
aufer-
projekts.
39
vgl. Fischer (1995), S. 114
40
vgl. Trigeorgis (1996), S. 12
41
Ein gutes Beispiel f¨
ur schnelle flexible Modifikation des eigenen Produktsortiments ist das
Textilunternehmen Benetton, das sich auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil erwirtschaften
konnte. Vgl. hierzu Copeland/Weiner (1990), S. 142
42
Am Beispiel einer ¨
Olraffinerie hat Trigeorgis (1996), S. 13, beide Anpassungsm¨
oglichkeiten
demonstriert.
43
vgl. Kester (1984), S. 153
44
Fischer (1995), S. 122

2.3 Arten von Realoptionen
13
7. Multiple Interacting Options: In Wirklichkeit beinhalten Investitions-
projekte nicht nur eine einzelne Handlungsflexibilit¨
at, sondern sind meist
viel komplexer, d.h. sie bestehen aus einer Vielzahl von Realoptionen, die
untereinander interagieren
45
onnen, wenn die Bezugsg¨
uter voneinander
abh¨
angig sind oder mehrere Realoptionen auf dasselbe Underlying zur¨
uck-
greifen.
46
Da durch die Existenz der Interaktionseffekte der gemeinsame
Wert von der Summe der isoliert bestimmten Einzelwerte abweichen kann,
sollten die Interdependenzen auch in der Realoptionsbewertung ber¨
ucksich-
tigt werden.
Da eine ausf¨
uhrliche Behandlung aller sieben Kategorien den Rahmen dieser Di-
plomarbeit sprengen w¨
urde, werden im weiteren Verlauf der Arbeit lediglich die
ersten beiden Realoptionen - Option to Defer und Option to Abandon - einge-
hender erl¨
autert. Diese Auswahl liegt im Fallbeispiel begr¨
undet, denn nur die
genannten Handlungsflexibilit¨
aten werden in den Projektstufen identifiziert.
Die aufgezeigte Beschr¨
ankung ist auch Grundlage f¨
ur die optionspreistheoretische
Bewertung in Kapitel 5, zu deren Vorbereitung die Option to Defer und Option
to Abandon nachfolgend eingehender beschrieben werden sollen.
2.3.1
Option to Defer
Wie bereits zuvor dargestellt, wird die Option to Defer verwandt, um bei unsiche-
ren Erwartungen mit den durch die Verz¨
ogerung gewonnenen Erkenntnissen eine
bessere Investitionsentscheidung treffen zu k¨
onnen. Somit besitzt ein Unterneh-
men beispielsweise durch den Erwerb eines Patents
47
das Recht, ein bestimmtes
(zumindest teilweise) irreversibles Investitionsprojekt mit konstanten Kosten
48
I R
0
bis zum Zeitpunkt T N zu verschieben; somit ergibt sich eine Options-
halterschaft ¨
uber den Zeitintervall [0, T ]. Durch diese Flexibilit¨
at ist es m¨
oglich
von nicht erwarteten vorteilhaften Ver¨
anderungen des Projektwertes V
t
R mit
t [0, T ], t N und V
0
> 0, zu profitieren. Andernfalls wird dem Unternehmen
bei einer negativen Entwicklung kein Nachteil entstehen, da keine Verpflichtung
zur Investition existiert und der Verlust daher begrenzt ist. Besonders wertvoll
erscheint diese Realoption, wenn eine Investitionsm¨
oglichkeit durch hohe Unsi-
cherheit und lange Investitionszyklen gepr¨
agt ist.
49
45
In welcher Weise die verschiedenen Realoptionen aufeinander Einfluss haben, findet man
¨
ubersichtlich in Tabellen bei Tomaszewski (2000), S. 199 f.
46
vgl. Tomaszewski (2000), S. 198
47
vgl. Fischer (1995), S. 106 ff.
48
Als Voraussetzung f¨
ur die in Kapitel 5.1.1 folgende Bewertung der Option to Defer muss
gelten, dass die Investitionskosten konstant sind; denn nur so ist die ¨
Ubertragbarkeit der in
Kapitel 4 vorgestellten Finanzmarktmodelle gew¨
ahrleistet.
49
vgl. Freihube (2001), S. 26

2.3 Arten von Realoptionen
14
Auf Grund der aufgezeigten Eigenschaften der Option to Defer ist sie vergleich-
bar mit einem europ¨
aischen oder einem amerikanischen Call, dessen Aus¨
ubung
von einer Entscheidungsregel ¨
uber den erwarteten Projektwert V
t
, der sich gem¨
eines stochastischen Prozesses entwicklen soll, abh¨
angig ist.
ur den Investor ist nun entscheidend, wann er die Realoption aus¨
ubt, d.h. es
liegt ein Stoppproblem auf dem stochastischen Prozess V
t
, wobei der Halter einer
Option to Defer w¨
ahrend der Laufzeit der Option keine Dividenden ¨
ahnlichen
Auszahlungen
50
erhalten wird; demnach gilt f¨
ur die Auszahlungsrate = 0 mit
R
0
.
51
Somit muss es einen kritischen Schrankenwert U = I ·(1+), U R
0
,
geben, ab dem es optimal ist zu investieren und der innerhalb dieser Diplomar-
beit als konstant angenommen wird. Dabei sei mit R
>0
ein Risikoaufschlag
umschrieben, der durch das Produkt aus der Volatilit¨
at des Branchenindexes
M
R
>0
und der unternehmensspezifischen Volatilit¨
at R
>0
gebildet wird.
Da die Option to Defer zun¨
achst nur allgemein dargestellt und bewertet werden
soll, kann =
M
· hier nicht n¨aher bestimmt werden.
Wegen des Stoppproblems gilt mit I < U und V
0
< U f¨
ur 0 t T folgende In-
vestitionsentscheidungsregel: Investiere, falls V
t
U f¨
ur mindestens ein t [0, T ],
wobei nat¨
urlich auch V
T
I erf¨
ullt sein muss.
Auf Grund dieser Modellierung ist die Option to Defer folglich am Finanzmarkt
mit einem europ¨
aischen oder einem amerikanischen Up-and-In Barrier Call ver-
gleichbar.
52
Daher verf¨
allt sie wertlos, wenn der Projektwert bis zum oder am
Ende der Laufzeit nicht die Schranke U erreicht bzw. ¨
uberschritten hat.
Durch diese Analogie ist es nach Einf¨
uhrung einiger optionspreistheoretischer
Grundlagen m¨
oglich, die Option to Defer zu bewerten; dies ist Gegenstand des
Kapitels 5.1.1.
2.3.2
Option to Abandon
Gerade bei sehr langfristigen, ¨
außerst unsicheren und Kapital intensiven Inve-
stitionsvorhaben kommt die Option to Abandon zum Tragen, z.B. bei der Neu-
einf¨
uhrung von Produkten in ungewisse M¨
arkte, die durch enorm hohe Misserfolge
50
Diese setzen sich aus folgenden drei additiven Komponenten zusammen:
· positive Gewinne, die dem Optionshalter nicht zuteil werden
· Renditeverlust wegen Illiquidit¨
at des Underlyings
· Wettbewerbseffekte, die zu einem Wertverlust des Underlyings f¨
uhren
51
Denn solange ein potentieller Investor noch nicht in ein Projekt investiert hat, wird er noch
keine Dividenden ¨
ahnlichen Auszahlungen erhalten.
52
Hierzu sind die Definition einer Up-and-In Option in Elliott/Kopp (1999), S. 181, sowie
die Darstellung ¨
uber Barrier Options von Musiela/Rutkowski (1997), S. 211, zu beachten. Es
sei noch angemerkt, dass die Barrier Optionen zu den Exotischen Optionen geh¨
oren und somit
klar von den standardisierten Optionen abzugrenzen sind.

2.3 Arten von Realoptionen
15
gekennzeichnet sind.
53
Somit wird diese Realoption in Zeiten ¨
außerst schlechter
Marktbedingungen und bei Misserfolgen ausge¨
ubt. Da man ein Projekt zu je-
dem Zeitpunkt innerhalb seiner Laufzeit [0, T ] aufgeben und zum konstanten
Liquidationswert/Restwert
54
I
R
R
0
, der wegen der (teilweisen) Irreversibilit¨
at
unter Umst¨
anden
55
hohe Abschl¨
age gegen¨
uber den Anschaffungskosten aufweist,
ver¨
außern kann, ist es durch den Einsatz der Option to Abandon m¨
oglich im-
mense Verluste zu vermeiden. Allerdings muss bei der Aus¨
ubung auch bedacht
werden, dass durch die Aufgabe von derartigen Investitionsprojekten kein wert-
volles Fachwissen verloren geht, das an einer anderen Stelle im Unternehmen
sinnvoll f¨
ur die zuk¨
unftige Entwicklungen eingesetzt werden k¨
onnte.
56
Ein Nicht-
beachten der Option to Abandon kann jedoch dazu f¨
uhren, dass Investitionen in
arkte mit hohem Risiko unterlassen werden und somit auf Gewinnchancen bei
einem gleichzeitig begrenzten Verlust verzichtet wird.
Auf Grund dieser Erl¨
auterung kann man die Option to Abandon als einen ame-
rikanischen Put interpretieren, f¨
ur dessen Aus¨
ubung die H¨
ohe des Projektwertes
V
t
R mit t [0, T ], t N, entscheidend ist. Dabei sei unterstellt, dass sich V
t
gem¨
aß einem stochastischen Prozess entwickeln soll. Somit existiert auch bei der
Option to Abandon ein Stoppproblem auf V
t
, das den Zeitpunkt der Aus¨
ubung
festlegt.
Es gebe nun einen optimalen Aus¨
ubungsrand B = {B
t
; t [0, T ]} mit B
t
: t R
ur t [0, T ]. Daher ist das Stoppproblem so charakterisiert, dass es optimal ist,
die Option to Abandon auszu¨
uben, d.h. zu desinvestieren, wenn der Projektwert
V
t
den kritischen Randwert B
t
erreicht, der gem¨
aß dem Optionsrecht unterhalb
einer Schranke
57
L = I
R
(1 - ), L R
0
, liegt. Dabei soll der Schrankenwert
innerhalb dieser Diplomarbeit konstant gehalten werden.
Mit I
R
> L und V
0
> L gilt nun auf Grund des Stoppproblems f¨
ur 0 t T
folgende Investitionsentscheidungsregel: Man sucht den Zeitpunkt t, in dem der
optimale Aus¨
ubungsrand B von V
t
erreicht bzw. unterschritten wird. Somit wird
man investieren, falls V
t
B
t
gilt.
Auf Grund dieser Modellierung besteht eine ¨
Ahnlichkeit zwischen der Option to
Abandon und einem amerikanischen Down-and-In Barrier Put. Wenn der Pro-
jektwert V
t
bis zum Ende der Laufzeit nicht den optimalen Aus¨
ubungsrand B
und in T nicht die Schranke L erreicht bzw. unterschritten hat, verf¨
allt sie wert-
los. Im Kapitel 5.1.2 erfolgt auf dieser Grundlage die Bewertung der Option to
Abandon.
53
Nach Cooper und Kleinschmidt (1990) sind 75% der Produkteinf¨
uhrungen Fehlschl¨
age.
54
ur die Bewertung der Option to Abandon im Kapitel 5.1.2 muss die Konstanz des Liquida-
tionswertes gelten, um den Voraussetzungen der ¨
Ubertragbarkeit des in Kapitel 4.2 vorgestellten
Kapitalmarktmodells zu gen¨
ugen.
55
Nat¨
urlich haben universelle Investitionen einen h¨
oheren Restwert als spezielle Projekte.
56
Dies wurde z.B. bei Ford nicht ber¨
ucksichtigt. Vgl. dazu Trigeorgis (1996), S. 12
57
R
>0
bezeichne wieder einen noch zu bestimmenden Risikoaufschlag.

Kapitel 3
Mathematische Grundlagen
3.1
Stochastische Prozesse
ur die nachfolgenden Darstellungen sei ein vollst¨
andiger Wahrscheinlichkeits-
raum (, F, P) mit Ergebnisraum , -Algebra F und Wahrscheinlichkeitsmaß P
gegeben.
Da man bei zu Grunde liegender stochastischer Entwicklung einer Variablen im-
mer nur das Verhalten an oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt t betrachten kann,
wird eine Menge ben¨
otigt, welche die bis t beobachtbaren Ereignisse modelliert.
Daher definiert man:
Definition 3.1.1
I sei eine geordnete Indexmenge und {F
t
}
tI
eine Familie von Sub--Algebren
von F, f¨ur die F
s
F
t
ur s < t, s, t I gelte. Eine solche Menge {F
t
}
tI
heißt
Filterung.
Wenn eine Zufallsvariable X
t
F
t
-messbar ist, dann kann man deren Wert mit Hilfe
der gegebenen Informationen zum Zeitpunkt t bestimmen. Um das Verhalten bis
zu einem gewissen Zeitpunkt t
i
bewerten zu k¨
onnen, wird sp¨
ater noch der Begriff
des gestoppten Prozesses eingef¨
uhrt werden.
ur die stochastische Entwicklung sei folgende Begrifflichkeit gegeben:
Definition 3.1.2
Eine Menge {(X
t
, F
t
)}
tI
bestehend aus einer Filterung {F
t
}
tI
und einer Fa-
milie von R
n
-wertigen Zufallsvariablen {X
t
}
tI
, wobei X
t
F
t
-messbar ist, heißt
stochastischer Prozess mit Filterung {F
t
}
tI
.
Im Folgenden werden ein paar Eigenschaften von Prozessen beschrieben.
Definition 3.1.3
Ein Prozess {(X
t
, F
t
)} heißt adaptiert, wenn X
t
F
t
-messbar ist f¨
ur t = 0, ..., T .
16

3.1 Stochastische Prozesse
17
Definition 3.1.4
Ein Prozess heißt vorhersagbar, wenn X
n
F
n
-messbar ist f¨
ur n = 0, ..., N. Dabei
sei F
-1
= F
0
.
Brownsche Bewegung
Das wichtigste Beispiel
58
eines stochastischen Prozesses ist die Brownsche Bewe-
gung, die wie folgt definiert ist:
Definition 3.1.5 (Brownsche Bewegung)
Der reellwertige Prozess {W
t
}
t0
mit stetigen Pfaden und
i) W
0
= 0
P-f.s.,
ii) station¨
are Zuw¨
achse:
W
t
- W
s
N (0, t - s)
ur 0 s < t,
iii) unabh¨
angige Zuw¨
achse: W
t
-W
s
, W
u
-W
r
unabh¨
angig f¨
ur 0 r u s < t
heißt eindimensionale Brownsche Bewegung.
Dabei sind die Zuw¨
achse W (t) - W (s) unabh¨
angig von der vergangenen Entwick-
lung des Zufallspfades, d.h. die Kenntnis von W
mit < s hat keine Wirkung auf
die Wahrscheinlichkeitsverteilung von W (t) - W (s). Dies ist gerade die Markov-
Eigenschaft der Brownschen Bewegung
59
, die wie folgt definiert ist:
Definition 3.1.6
Ein stochastischer Prozess heißt Markov-Prozess, wenn seine Werte X
t
, t > s,
nur von einem gegebenem Wert X
s
nicht aber von vergangenen Werten X
u
mit
u < s abh¨
angen, so dass gilt:
P{X
t
|F
s
} = P{X
t
|X
s
}.
Als n-dimensionale Brownsche Bewegung bezeichnet man den R
n
-wertigen Pro-
zess W (t) = (W
1
(t), ..., W
n
(t)), dessen Komponenten W
i
unabh¨
angige eindimen-
sionale Brownsche Bewegungen sind.
Will man die Existenz der Brownschen Bewegung als stochastischen Prozess nach-
weisen, dann fordert man f¨
ur die endlich-dimensionalen (gemeinsamen) Vertei-
lungen einer n-dimensionalen Brownschen Bewegung, dass sie unabh¨
angige, sta-
tion¨
are und normalverteilte Zuw¨
achse besitzen.
Mit dem Satz von Kolmogorov kann unter den zuvor getroffenen Annahmen ein
geeignetes Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem geeigneten Messraum konstruiert
werden.
60
Da Wiener
61
als Erster die Existenz eines solchen Maßes zeigte, nennt
man es auch Wiener Maß und w¨
ahlt die Bezeichnung W .
58
vgl. Korn (1999), S. 16
59
vgl. Kwok (1998), S. 27
60
vgl. Karatzas/Shreve (1988), S. 50 ff.
61
vgl. Wiener (1923), S. 131-174

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832475642
ISBN (Paperback)
9783838675640
DOI
10.3239/9783832475642
Dateigröße
8.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
option defer abandon barrier up-and-in call down-and-out
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