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Markenpolitik vor dem Hintergrund aufgebrochener Wertschöpfungsketten

Ansätze zur Lösung des Kosten- und Ertragsproblems im deutschen Universalbankensektor

©2003 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die deutschen Universalbanken stecken in der tiefsten Krise der Nachkriegsgeschichte. Da überfällige Restrukturierungsmaßnahmen aufgrund des Wiedervereinigungs- und Börsenbooms nicht rechtzeitig eingeleitet wurden, ist ein Kosten- und Ertragsproblem entstanden. Darüber hinaus haben veränderte rechtliche Rahmenbedingungen auf Europaebene und das Internet die Wettbewerbssituation noch verschärft. Die Universalbanken mit ihren flächendeckenden Filialnetzen galten lange als unangreifbar. Das Internet hat jedoch wesentlich zur Absenkung von Markteintrittsbarrieren beigetragen. Außerdem verändert und substituiert es einige Stufen der Wertschöpfung und trägt ferner zu einer Erhöhung der Wechselbereitschaft der Kunden und damit zu einer abnehmenden Bankloyalität bei. Die Summe dieser Faktoren verstärkt die Bankenkrise nun angesichts eines rezessiven Marktumfeldes.
Die deutschen Universalbanken, insbesondere die Großbanken, erwirtschaften zur Zeit negative Überrenditen, d.h. ihre Eigenkapitalkosten liegen über der Eigenkapitalrendite. In der Folge hat sich die Marktkapitalisierung bei einigen Kreditinstituten mehr als halbiert, was sie zu potentiellen Übernahmekandidaten werden läßt.
Zur Überwindung des Problems der Unternehmenswertvernichtung wird folgerichtig nach Kostensenkungspotentialen gefahndet. Teilweise gestaltet sich die Vorgehensweise jedoch zu undifferenziert. Bspw. werden einheitliche Kostensätze Abteilungen und Geschäftseinheiten unternehmensweit vorgeschrieben oder wichtige Projekte schlichtweg eingefroren. Darüber hinaus wird Kostenreduzierung durch Rückzug aus kollabierenden Märkten und dem generellen Abbau von Überkapazitäten sich nur als Einmaleffekt herausstellen, falls man dabei eine strategische Priorisierung unterläßt. Kostensenkungspotentiale sind bekanntlich limitiert und der Wettbewerb verschärft sich weiter. „Gewaltlösungen“ zur Kostenreduzierung sind unbrauchbar, da sie häufig die Kernkompetenzen der Banken angreifen. Im Falle einer nachfolgenden Aufschwungphase werden Kapazitätsengpässe sowie ein Verlust an Know-how die Rückkehr aus der Wertefalle vereiteln. Deshalb müssen zunächst die deutschen Banken ihre Wertschöpfungsarchitekturen überarbeiten, also ein wertschaffendes Geschäftsmodell mit einer Konzentration auf Produkte, Kundengruppen und geographische Märkte schaffen. Dabei kommt einer Optimierung der Wertschöpfungstiefe besondere Bedeutung zu. Danach muß wieder Effizienz durch eine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7548
Boldt, Ingo: Markenpolitik vor dem Hintergrund aufgebrochener Wertschöpfungsketten ­
Ansätze zur Lösung des Kosten- und Ertragsproblems im deutschen
Universalbankensektor
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachhochschule für Wirtschaft
und Technik, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
IV
Tabellenverzeichnis
IV
1
Einleitung___________________________________________________________ 1
2
Der deutsche Bankenmarkt_____________________________________________ 4
2.1
Begriffsabgrenzung _____________________________________________________ 4
2.2
Verschärfte Rahmenbedingungen im Privatkundengeschäft der deutschen
Universalbanken _____________________________________________________________ 5
2.2.1
Struktur und Wandel des deutschen Bankenmarktes ___________________ 5
2.2.2
Ursachen der Ertrags- und Kostenkrise im deutschen Universalbanksektor _ 6
2.2.3
Wettbewerbsbedingungen _______________________________________ 9
2.2.3.1
Anbieterseitige Entwicklungen ____________________________________________ 10
2.2.3.2
Nachfragerseitige Entwicklungen __________________________________________ 15
2.2.3.2.1
Die Theorie der Bankloyalität __________________________________________ 15
2.2.3.2.2
Einflussfaktoren der sinkenden Bankloyalität ______________________________ 17
3
Markenpolitik als Mittel zur Abgrenzung im Wettbewerb____________________ 22
3.1
Grundlagen der Markenpolitik __________________________________________ 23
3.1.1
Historische Entwicklung _______________________________________ 23
3.1.2
Markenbegriff________________________________________________ 24
3.1.3
Wandel des Markenwesens _____________________________________ 25
3.2
Die Marke im Privatkundengeschäft der Banken ___________________________ 26
3.2.1
Definition ___________________________________________________ 26
3.2.2
Ansätze zur Erklärung des Markenphänomens im Privatkundengeschäft __ 28
3.2.2.1
Bedeutung der Marke aus Bankensicht ______________________________________ 28
3.2.2.2
Bedeutung der Marke aus Kundensicht______________________________________ 29
3.3
Markenpolitik von Kreditinstituten ______________________________________ 32
3.3.1
Markenpolitische Zielsetzungen__________________________________ 32
3.3.2
Positionierungspolitische Zielsetzungen ___________________________ 33
3.3.3
Basisstrategien der Markenpolitik im Privatkundengeschäft ____________ 36
3.3.3.1
Horizontale Markenstrategien _____________________________________________ 37
3.3.3.2
Vertikale Markenstrategien _______________________________________________ 39
3.3.3.3
Markenstrategien nach geopolitischer Reichweite _____________________________ 41

Inhaltsverzeichnis II
3.3.3.4
Kooperative Markenstrategien (Co-Branding) ________________________________ 42
3.3.4
Probleme in der Markenpolitik von Kreditinstituten __________________ 43
4
Überarbeitung der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungsarchitektur als
Vorraussetzung für die Überwindung des Kosten- und Ertragsproblems ___________ 46
4.1
Langfristige Folgen der Aufspaltung der Wertschöpfungskette _______________ 46
4.1.1
Exkurs zur Konzentrationsstrategie einer Fabrikationsbank ____________ 50
4.1.2
Entstehen neuer Kooperationsformen _____________________________ 52
4.1.3
Auswirkungen auf die Kosten- und Ertragssituation dargestellt am Beispiel
der Norisbank _______________________________________________________ 54
4.2
Konsequenzen für die Markenpolitik _____________________________________ 57
4.2.1
Ansätze für die Markenbildung __________________________________ 59
4.2.2
Steigerung der Markenwahrnehmung am Beispiel der Vertriebsbank_____ 60
4.2.2.1
Markenkerngestaltung___________________________________________________ 61
4.2.2.2
Markenportfoliosteuerung und -bereinigung__________________________________ 71
5
Schlussbetrachtung __________________________________________________ 76
6
Glossar ____________________________________________________________ 78
7
Literaturverzeichnis__________________________________________________ 81

III
Abkürzungsverzeichnis
PKG
Privatkundengeschäft
USP
Unique selling proposition ­ Alleinstellungsmerkmal

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vergleich Risikovorsorge und Ergebnisentwicklung bei den
deutschen Großbanken ... 8
Abbildung 2: Faktoren im Branchenwettbewerb ... 10
Abbildung 3: Wettbewerber im Finanzdienstleistungssektor ... 11
Abbildung 4: Mögliche Entwicklung von Internetportalen ... 15
Abbildung 5: Zieldivergenzen zwischen Kunden und Universalbanken... 20
Abbildung 6: Werterzeugende Effekte der Faktoren des inneren Markenwertes ... 28
Abbildung 7: Unterschiedliche Funktionen der Marke im Privatkundengeschäft ... 30
Abbildung 8: Planungsprozeß der Markenpolitik für Dienstleistungsmarken... 33
Abbildung 9: Abgrenzung von markenstrategischen Grundrichtungen im PKG
der Banken... 37
Abbildung 10: Stufen und Inhalte der bankbetrieblichen Wertschöpfungskette und
deren Aufbruch durch Wettbewerbskräfte ... 48
Abbildung 11: Strukturierung der Wertschöpfungsarchitektur als strategische Optionen. 49
Abbildung 12: Aufspaltung der bankbetriebswirtschaftlichen Wertschöpfungskette mit
anschließender Neuformierung... 53
Abbildung 13: Temporäre Wertschöpfungsnetzwerke bieten künftig Leistungen aus
einer Hand an ... 54
Abbildung 14: Vertriebswegemix des easyCredit ... 56
Abbildung 15: Bankenmarken im Wertekosmos ... 67
Abbildung 16: Werbekampagne der Sparkasse Stormarn... 70
Abbildung 17: Aktueller Werbeauftritt des easyCredit ... 71
Abbildung 18: Matrix zur Steuerung des Markenportfolios ... 72
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Rationale und emotionale Markenkernschwerpunkte... 35
Tabelle 2:
Werttreiber, Strategietypen und Marktstrukturen in den drei
Wertschöpfungsprozessen ... 50
Tabelle 3:
Kultur, Aktionsradius und Bedeutung der Markenbildung in Abhängigkeit
vom Wertschöpfungsprozess ... 57

1
1
Einleitung
Die deutschen Universalbanken stecken in der tiefsten Krise der Nachkriegsgeschichte.
Da notwendige Restrukturierungsmaßnahmen aufgrund des Wiedervereinigungs- und
Börsenbooms nicht rechtzeitig eingeleitet wurden, ist ein Kosten- und Ertragsproblem
entstanden. Darüber hinaus haben veränderte rechtliche Rahmenbedingungen auf Euro-
paebene und das Internet die Wettbewerbssituation noch verschärft. Die Universalbanken
mit ihren flächendeckenden Filialnetzen galten lange als unangreifbar. Das Internet hat
jedoch wesentlich zur Absenkung von Markteintrittsbarrieren beigetragen. Außerdem ver-
ändert und substituiert es einige Stufen der Wertschöpfung und trägt ferner zu einer Er-
höhung der Wechselbereitschaft der Kunden und damit zu einer abnehmenden
Bankloyalität bei. Die Summe dieser Faktoren verursacht angesichts eines rezessiven
Marktumfeldes zusätzlich einen negativen Verstärkungseffekt.
Die konsequente Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen zeigt bei einigen Ban-
ken bereits Besserung. Hierzu gehören hauptsächlich der Rückzug aus kollabierenden
Märkten und der generelle Abbau von Überkapazitäten. Kostensenkungspotentiale sind
jedoch limitiert und der Wettbewerb verschärft sich weiter. Sehr bald stellt sich für die
deutschen Universalbanken eine existentielle Frage, falls an derzeitigen Wertschöpfungs-
architekturen festgehalten wird.
Innerhalb der vorliegenden Arbeit werden unternehmenspolitische Notwendigkeiten
gleichzeitig auch aus der Perspektive der Markenpolitik betrachtet. Diese ist im deutschen
Bankensektor aufgrund der Jahrzehnte währenden Absenz eines ernsthaften Wettbe-
werbs nicht genügend kundenorientiert. Die deutschen Banken treten insbesondere im
Privatkundengeschäft als integrierte Allrounder im Sinne eines ,,everything for everyone
everywhere" auf. Maßgebliche Alleinstellungsmerkmale existieren kaum. Der Bank-
dienstleistung fehlt ein Innovationsschutz und die Vertriebswege- sowie Preisgestaltung
sind austauschbar. Darüber hinaus sind Werbebotschaften nicht nur weitgehend iden-
tisch, sondern Kunden erleben im Geschäftsalltag auch die Nichteinhaltung der Nutzen-
versprechen mit dem Ergebnis, dass sich die ohnehin schon geringe Glaubwürdigkeit der
Banken noch weiter vermindert. Vor dem Hintergrund der Austauschbarkeit auf allen
Ebenen ist es für die Kreditinstitute immanent wichtig, marktpolitische Maßnahmen zu
lancieren, die eine ausgeprägte, institutsspezifische Präferenzbildung bewirken. Das In-
strumentarium Marke bietet sich aus Kundensicht an, um einen Beitrag zur Reduktion der
Austauschbarkeit zu leisten. Darüber hinaus übernimmt die Marke wegen der Entpersoni-
fizierung im Kunde-Bank-Verhältnis immer mehr die Funktion des Loyalitätsobjektes. Es
lässt sich konstatieren, dass bisher nur wenige deutsche Kreditinstitute das Instrument

Einleitung 2
,,Marke" so einzusetzen verstanden, dass ihnen ein nennenswerter Wettbewerbsvorteil
entstand.
Zielsetzung
Vor dem Hintergrund der skizzierten Problemstellung verfolgt die vorliegende Arbeit so-
wohl ein theoretisches als auch ein pragmatisches Wissenschaftsziel. Das theoretische
Wissenschaftsziel strebt die Erklärung und Prognose des Forschungsobjektes
1
an, wobei
rein das Erkenntnisinteresse im Zentrum steht (vgl. Thommen 1983, S. 110 ff). Dies be-
deutet übertragen auf diese Arbeit,
· die aktuelle Wettbewerbssituation zu analysieren und daraus resultierende Forde-
rungen für das Bankmanagement aufzuzeigen,
· Markenpolitik als Instrument zur Abgrenzung im Wettbewerb zu untersuchen.
Das pragmatischen Wissenschaftsziel beinhaltet die Ableitung praktisch verwendbarer
Handlungsempfehlungen, welche aus den Ergebnissen theoretischer Wissenschaftskon-
zeptionen abgeleitet werden können. Im Mittelpunkt steht die Beantwortung folgender
Fragen:
· Welche Optionen haben die Banken aus unternehmensstrategischer Sicht, um das
Kosten- und Ertragsproblem zu lösen?
· Wie kann Markenpolitik bei Implementierung dieser Optionen effektiv gestaltet
werden, um die Kundenloyalität zu stärken?
Gliederung der Arbeit
Zunächst werden in Abschnitt 2.1 einige bankbetriebliche Begriffe geklärt, damit eine ge-
wisse Konvergenz in der Auffassung zwischen Leser und Verfasser der vorliegenden Ar-
beit entsteht. Um deutlich zu machen, welche Ursachen für eine Verschärfung der
Kosten- und Ertragskrise der deutschen Universalbanken verantwortlich zeichnen, werden
unter Abschnitt 2.2 im Rahmen der Branchenstrukturanalyse die Wettbewerbsbedingun-
gen skizziert.
In Kapitel 3 wird die Markenpolitik als Mittel zur Abgrenzung im Wettbewerb analysiert.
Dazu wird in Abschnitt 3.1 kurz auf die Grundlagen der Markenpolitik eingegangen, um
1
Nach A
MONN
läßt sich das Forschungsobjekt in ein Erkenntnis- und Erfahrungsobjekt aufteilen, wobei das Erfahrungsob-
jekt den Bereich der Realität beschreibt, der betrachtet werden soll. Das Erkenntnisobjekt bildet durch gedankliche Isolie-
rung anhand bestimmter Abgrenzungskriterien nur einen Teil des Erfahrungsobjektes ab, welcher gesondert betrachtet
wird (vgl. Ammon 1927, S.27 ff.)

Einleitung 3
danach in Abschnitt 3.2 die Bedeutung der Marke im Privatkundengeschäft der Universal-
banken zu untersuchen. In Abschnitt 3.3 werden die Zielsetzungen der Kreditinstitute in
marken- und positionierungspolitischer Hinsicht aufgezeigt sowie Basisstrategien zur Er-
reichung dieser Ziele diskutiert.
Kapitel 4 gibt Aufschluss darüber, welche Maßnahmen durch die deutschen Universal-
banken ergriffen werden müssen, um eine Rückkehr in die Gewinnzone zu erreichen.
Dazu werden in Abschnitt 4.1 Positionierungsoptionen in der Wertschöpfungskette und
deren Implementierbarkeit anhand erfolgreicher Praxisbeispiele erörtert. Unter Abschnitt
4.2 wird abschließend gezeigt, welche markenpolitischen Maßnahmen der Neuordnung in
der Wertschöpfungskette folgen müssen.

4
2
Der deutsche Bankenmarkt
2.1
Begriffsabgrenzung
Der Begriff Kreditinstitut
2
ist im Kreditwesengesetz (KWG) definiert. Kreditinstitute sind
demnach Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben, wenn der Umfang dieser Ge-
schäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kredit-
institute betreiben ein oder mehrere der unter §1 Abs. 1 KWG genannten Geschäfte, wie
bspw. das Einlagen- und Kreditgeschäft, Wertpapiergeschäft u.ä.. Sie werden von Finan-
zinstituten im KWG unterschieden. Finanzinstitute betreiben das Kreditkarten- und Lea-
singgeschäft, bieten jedoch zunehmend auch klassische Bankdienstleistungen an.
Kreditinstitute sind Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Sie kaufen, vereinfacht
ausgedrückt, im Passivgeschäft Geld billig an (bspw. in Form von Spareinlagen), um es
dann teurer im Aktivgeschäft anzubieten (bspw. als Kredit). Somit generieren sie Gewinne
über Margen. Darüber hinaus offerieren sie Fremd- und Eigenleistungen, wodurch sie
Provisionen erwirtschaften.
Man unterscheidet zwischen Privatkundengeschäft und Firmenkundengeschäft. Während
es sich beim ersteren um die Geschäftsbeziehungen zwischen Privatkunde und Bank
handelt, liegt beim zweiten der Schwerpunkt auf dem Firmenkundenbereich. Das Privat-
kundengeschäft der Kreditinstitute wird in der vorliegenden Arbeit fokussiert; Erkenntnisse
lassen sich aber auch auf das Firmenkundengeschäft übertragen. Dies resultiert aus dem
Umstand, dass die meisten deutschen Kreditinstitute im Hinblick auf die Marke keine Dif-
ferenzierung zwischen beiden Geschäften vornehmen. Firmenkunden halten auch ihre
privaten Geschäftsbeziehungen zu ihrer Bank und werden teilweise undifferenziert durch
eine übergeordnete Marke angesprochen.
2
Unter diesem Begriff auch synonym Bank (-betrieb) ist der Universalbanktyp mit dazugehörigem Filialnetz zu verstehen.

Der deutsche Bankenmarkt 5
2.2
Verschärfte Rahmenbedingungen im Privatkundengeschäft der deutschen Uni-
versalbanken
2.2.1
Struktur und Wandel des deutschen Bankenmarktes
Der Universalbankenmarkt lässt sich in Deutschland in drei Gruppen unterteilen: Die Kre-
ditbanken
3
, die öffentlich rechtlichen und die genossenschaftlichen Kreditinstitute. Unter
den ersten vier größten Instituten, welche der Kategorie Kreditbanken zuzuordnen sind,
befinden sich die Deutsche Bank, die HypoVereinsbank, die zur Allianzgruppe gehörende
Dresdner Bank und die Commerzbank. Der Bundesbankstatistik per Dezember 2002 zu-
folge halten jene Kreditinstitute ca. 21% des Gesamtmarktanteils gemessen an der Bi-
lanzsumme. Der Anteil der Kreditbanken insgesamt beläuft sich auf ca. 32%. Sparkassen
und Landesbanken beanspruchen für sich ca. 36% Marktanteil, Realkreditinstitute ca.
12% und Genossenschaftsbanken 11%. Die restlichen Anteile fallen auf Kreditinstitute mit
Sonderaufgaben und Bausparkassen. Mit Hinblick auf die Geschäftsvolumenstruktur wird
ersichtlich, dass lediglich 134 Kreditinstitute Geschäfte in einem Volumen von über fünf
Milliarden Euro betreiben (vgl. Deutsche Bundesbank 2003d, S. 104-105). Der Rück-
schluss auf die Existenz eines polypolistischen Marktes egalisiert sich, wenn man be-
denkt, dass Sparkassen und Kreditgenossenschaften innerhalb ihrer jeweiligen Verbünde
aufgrund des Regionalprinzips nicht in einem direkten Konkurrenzverhältnis stehen. Dar-
über hinaus ist die Anzahl der inländischen Kreditinstitute von 2.999 zum Jahresende
1999 auf 2.365 im Jahre 2002 gesunken (vgl. Deutsche Bundesbank 2003d, S. 104-105).
Hauptgrund hierfür ist ein Konzentrationsprozess in der Branche. In der Hoffnung auf ver-
besserte ,,economies of scale and scope", vielbeschworene Synergieeffekte u.ä. ist diese
Strategie der Marktanteilsgewinnung bis auf wenige Ausnahmen der Kategorie ,,Masse
statt Klasse"
4
zuzuordnen. Populäre Beispiele waren die Fusion von Bayrischer Vereins-
bank und Bayrischer Hypotheken- und Wechselbank im Jahre 1997 und die Eingliederung
der Dresdner Bank in die Allianzgruppe in 2001. Das Gros machte allerdings Zusammen-
schlüsse unter den Genossenschaftsbanken und Sparkassen aus. Daneben sorgten Ak-
quisitionen im Ausland durch hiesige Akteure für Aufsehen. Die Deutsche Bank übernahm
Bankers Trust 1998. Im Gegenzug expandierten auch ausländische Kreditinstitute im
deutschen Bankenmarkt. Die schwedische SEB übernahm die BfG Bank Anfang 2000.
3
Die Kreditbanken umfassen nach der Definition der Deutschen Bundesbank die vier Großbanken, Regionalbanken,
sonstige Kreditbanken und Zweigstellen ausländischer Banken (vgl. o.V. 2003e, S. 104)
4
Der Verfasser der vorliegenden Arbeit zweifelt mit dieser Aussage den Sinn von Unternehmensanschlüssen nicht
grundlegend an. Die Kritik erstreckt sich hierbei auf das wenig selektive Vorgehen der Kreditinstitute. So wären gezielte
Buy-outs von bestimmten Unternehmensteilen attraktiver gewesen. Man denke hierbei an das profitable Privatkunden-
geschäft sowie die Fondsaktivitäten der Dresdner Bank ­ Geschäftsfelder, die zur strategischen Ausrichtung der Allianz
passen. Das Investmentbanking sowie das Kreditgeschäft sind jedoch weitgehend defizitäre Geschäftsfelder

Der deutsche Bankenmarkt 6
Auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass der deutsche Bankenmarkt oligopolistische
Merkmale aufweist.
2.2.2
Ursachen der Ertrags- und Kostenkrise im deutschen Universalbanksektor
,,Die Banken sind die Stahlindustrie
der neunziger Jahre." (U. Cartellieri)
Die umfassenden Probleme der deutschen Kreditwirtschaft spiegeln sich primär in den
schlechter ausfallenden Bewertungen der Rating-Agenturen wider. Dadurch verteuert sich
die Kapitalaufnahme der Banken. Eine restriktivere Ausschüttungspolitik und sinkende
Aktienkurse sind weitere Indikatoren für die desolate Lage. Die Warnung ,,German Banks:
Turning Japanese" in einem Bericht des Investmentbankhauses Merrill Lynch antizipiert
ein Worst-Case-Szenario. Eine Berechtigung für diese Aussage ist jedoch zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht gegeben, denn die Schwäche der Banken trifft noch nicht auf eine
europaweite Deflation. Dennoch wird eine geringe Wahrscheinlichkeit für deren Ausbre-
chen durch die Europäische Zentralbank eingeräumt.
Zunächst gilt es die Krisenursachen zu skizzieren. Vereinfacht ausgedrückt ist der deut-
sche Banksektor mit zu hohen Kosten bei zu niedrigen Erträgen konfrontiert. Die Struktur-
krise ist von folgenden Faktoren geprägt:
· Aktienbaisse
· Schlechte Konjunkturentwicklung (Rekordinsolvenzen im Mittelstand)
· Hohe IT-Kostenblöcke
· Generelle Überkapazitäten (Retailbereich)
· Teure Geschäftsausweitung in kollabierenden Märkten (Investmentbanking)
· Verteuerte Refinanzierung bzw. sinkende Bruttozinsmargen
· Wettbewerbsverzerrung durch öffentlich-rechtliche Banken
Das Kostenproblem
Der Personalaufwand hat sich, indexiert auf das Jahr 1980, bis Ende 2001 vervierfacht ­
der Sachaufwand sogar versiebenfacht (vgl. Müller 2003, S. 228). Das Kostenproblem
wurde seit zwanzig Jahren verschleppt. Wiedervereinigungs- und Börsenboom der neun-
ziger Jahre verhinderten umfassende Strukturreformen mit dem Ergebnis, dass der ange-
staute Druck sich erst in der aktuellen konjunkturellen Krise entlädt. Möglichkeiten der

Der deutsche Bankenmarkt 7
Schadensbegrenzung waren schnell identifiziert. Innerhalb der Bankszene sucht man
neben Unternehmenszusammenschlüssen Heil in einer massiven Kostendegression
durch die Schließung von Bankfilialen und damit im Abbau von Arbeitsplätzen. Einer Stu-
die der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zufolge steht ein weiterer Abbau
von 100.000 Stellen in den nächsten Jahren bevor (vgl. o.V. 2003a, S. 31). Die Anzahl der
Filialen hat sich von ca. 60.000 im Jahre 2000 auf heute unter 50.000 reduziert. Trotzdem
gilt Deutschland im Vergleich mit den europäischen Nachbarn immer noch als ,,overbran-
ched". Die Dichte der Bankfilialen hierzulande ist dreimal so hoch wie die in Schweden
5
(vgl. Middelmann 2003, S. 235).
Die Durchführung der Abwicklung im Wertpapier-, Kredit- und Zahlungsverkehrsbereich in
Eigenregie hat für die Banken hohe sprungfixe Kosten zur Folge, die sich aus den stei-
genden Qualitätsstandards sowie sich ändernden gesetzlichen Vorschriften ergeben. Zu-
sätzlich entstehen kostentreibende Leerlaufzeiten, da die Auftragsmenge häufig
schwankt. Aufgebaute Kapazitäten im IT- und Personalbereich des Investmentbanking
stehen ebenfalls aufgrund der schlechten Kapitalmarktlage einer zu geringen Auslastung
gegenüber. Ferner ist ein Kostenanstieg durch Regulierungsdruck zu verzeichnen. Inter-
nationale Vereinbarungen auf Basis von Basel II werden hier wesentlich zu einer Erhö-
hung der administrativen Kosten und zu einer stärkeren Belastung des Eigenkapitals
führen.
Das Ertragsproblem
Aufgrund der konjunkturellen Lage hat sich die Risikovorsorge
6
bei gleichzeitiger Verrin-
gerung der Teilbetriebsergebnisse branchenweit dramatisch erhöht. Die Ergebnisent-
wicklung der vier Großbanken in Bezug auf die Risikovorsorge ist der nachfolgenden
Abbildung zu entnehmen.
5
Auf 1 Mill. Einwohner kommen in Deutschland 680, in Großbritannien 260 und in Schweden 230 Bankstellen. Der EU-
Durchschnitt liegt bei 510 Bankstellen (vgl. Middelmann 2003, S. 235)
6
Die Commerzbank gibt für 2002 die Höhe ihrer Risikovorsorge mit 5,7 Milliarden Euro an. Die Deutsche Bank beziffert
11 Milliarden Euro als Risikovorsorge gefolgt von der HypoVereinsbank mit 15,5 Milliarden (vgl. o.V. 2003a, S. 29)

Der deutsche Bankenmarkt 8
Abbildung 1:
Vergleich Risikovorsorge und Ergebnisentwicklung bei den
deutschen Großbanken
(o.V. 2003a)
Außerdem verschlechtern sich die Kreditportefeuillestrukturen der Banken durch kumu-
lierte Kreditausfälle, ausgelöst durch eine steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen
7
.
Der rückläufige Zinsüberschuss kann nicht ausreichend durch den Provisionsüberschuss
subventioniert werden, da er aufgrund der desolaten Kapitalmarktlage stagniert. Die An-
nahme, die klassischen Geschäftsfelder durch das Investmentbanking finanzieren zu
können, erwies sich somit als falsch (vgl. Müller 2003, S. 230).
Bruttomargen von durchschnittlich 1 Prozent
8
bei klassischen Krediten reichen für Bear-
beitungskosten und erwartete Ausfälle kaum aus und provozieren förmlich eine Quersub-
ventionierung
9
. Hauptgrund hierfür ist eine bereits Jahrzehnte währende
Wettbewerbsverzerrung, welche die Sparkassen begünstigt. Sie sind mit staatlicher Ge-
währträgerhaftung ausgestattet, welche das Ausfallrisiko vermindert. Dies ist gleichzuset-
zen mit einer verdeckten staatliche Subvention
10
, da Unternehmensbewertungen im A-
Bereich
11
zu einer billigen Kapitalaufnahme am Bondmarkt führen. Dieser Vorteil wird an
die Kunden weitergegeben mit dem Resultat, dass der Sparkassensektor 67 Prozent An-
teil am Markt für KMU-Kredite und 39 Prozent des deutschen Girokontomarktes für sich
allein beansprucht (vgl. Müller 2003, S. 231). Aufgrund der schlechten Lage und der stei-
genden Transparenz tritt dieser Wettbewerbsnachteil für die Kreditbanken jetzt stärker in
den Vordergrund. Darüber hinaus unternehmen die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute
aufgrund der Rechtsform keine besonderen Anstrengungen im Sinne eines Shareholder
7
Mit 37.700 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland war 2002 ein Rekordjahr. Für 2003 rechnet die Creditreform mit
bis zu 42.000 Unternehmensinsolvenzen (vgl. o.V. 2003b, S. 26)
8
Die Bruttomargen liegen im europäischen Vergleich bei 2 bis 3,5 Prozent und bei US-Banken sogar bei 4 Prozent
9
Die Vorschriften aus Basel II sollen die Kreditrisikoposition der Banken verbessern und den Kreditmarkt wieder in geord-
nete Bahnen lenken. So erfordert nach betriebswirtschaftlicher Logik eine schlechtere Bonität eines Kreditnehmers hö-
here Sicherheiten und/oder höhere Zinsmargen. Umgekehrt verhält es sich bei Kreditnehmern mit guter Bonität. Die
Banken müssen die Eigenkapitalunterlegung dem Ausfallrisiko anpassen, d.h. hohe Risiken ­ hohe Eigenkapitalunterle-
gung und vice versa.
10
Im Jahre 2001 hat die Europäische Kommission die Illegalität dieser Subventionierung festgestellt. Stufenweise wird sie
bis 2005 abgeschafft.
11
Siehe hierzu das Glossar

Der deutsche Bankenmarkt 9
Value-Ansatzes. Auf der anderen Seite hatten die Kreditbanken mit ursprünglich deut-
schen Großaktionären lange Zeit in den heimischen Aktienmärkten wenig Performance-
Druck. Mit der Globalisierung und einer internationalen Listung von Bankaktien jedoch
veränderte sich auch die Aktionärsstruktur mit entsprechend höheren Ansprüchen der
Anteilsinhaber. Diese fordern die im internationalen Vergleich übliche Eigenkapitalverzin-
sung von durchschnittlich 15 Prozent nach Steuern
12
.
Trotz der schlechten Lage der deutschen Kreditinstitute besteht keine Gefahr für eine Li-
quiditätskrise. Die Minimumanforderung für die Kernkapitalquote liegt bei 4 Prozent. Dar-
über liegt die HypoVereinsbank bei 5,7 Prozent, die Commerzbank bei 7,3 Prozent und
die Deutsche Bank bei 9,6 Prozent (vgl. o.V. 2003a, S.28).
2.2.3
Wettbewerbsbedingungen
Zusätzlich zur Strukturkrise haben sich die Wettbewerbsbedingungen verschärft. Emanzi-
piertes Nachfragerverhalten und massierte Angriffe auf margenträchtige Elemente der
bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette durch Konkurrenten sind weitere Ursachen für
einen erhöhten Kostendruck und erodierende Gewinnmargen. Der Vergleich zur Stahlin-
dustrie in Catellieri's Zitat mahnt zur radikalen Umstrukturierung mit der Folge einer ve-
hementen Kostendegression an und antizipiert eine noch stärkere Konsolidierung im
Bankensektor.
Zur Analyse der Wettbewerbssituation wird die Branchenstrukturanalyse nach Porter vor-
angestellt, welche sich auf den Bankenmarkt ohne weiteres übertragen lässt (siehe hierzu
folgende Abbildung). Die Wettbewerbsposition einer Bank ist demnach von der Rivalität in
der eigenen Branche, potentiellen neuen Konkurrenten, von Produktsubstituten bzw. Er-
satzdiensten, sowie der Verhandlungsmacht der Kunden bestimmt. Kunden treten hier als
Kapitalbringer (Lieferanten) und Kapitalnachfrager (Abnehmer) auf (vgl. Porter 1999, S.
29). Zunächst werden Entwicklungen auf der Anbieterseite untersucht. Danach erfolgt
eine Analyse der Nachfrager nach Bankdienstleistungen. Die Gesamtstärke aller fünf
Wettbewerbskräfte hat sich erhöht, wodurch die Brachenrentabilität stark gesunken ist.
12
Die Eigenkapitalverzinsungen für 2002 liegen bei der Deutschen Bank bei 9,6 Prozent, bei der HypoVereinsbank bei 5,0
Prozent und bei der Commerzbank bei nur 3,6 Prozent (vgl. .wgz-bank 2003)

Der deutsche Bankenmarkt 10
Wettbewerb in
der Branche
Verhandlungsmacht
der Privatkunden als
,,Abnehmer" im
Aktivgeschäft o.
sonst. Geschäfte
Verhandlungsmacht
der Privatkunden als
,,Lieferanten" im
Passivgeschäft
Bedrohung
durch
potentielle
Konkurrenten
Bedrohung
durch
Ersatzprodukte
oder -dienste
Anbieterseitige Entwicklungen
Nachfragerseitige Entwicklungen
Abbildung 2:
Faktoren im Branchenwettbewerb
(vgl. Porter 1999, S. 29)
2.2.3.1
Anbieterseitige Entwicklungen
Banken entwickeln, wie jedes andere unter marktwirtschaftlichen Bedingungen agierende
Unternehmen auch, marktpolitische Maßnahmen, um das Nachfrageverhalten der aktuel-
len und potentiellen Kunden zu beeinflussen. Jenen Maßnahmen stehen aber auch kon-
terkarierende Aktivitäten der Konkurrenz entgegen. Bei Einsatz der marktpolitischen
Instrumente sind Gegenmaßnahmen in einem oligopolistischen Markt immer regelmäßig
dann zu erwarten, wenn eine gewisse Reagibilitätsschwelle überschritten wird (vgl.
Büschgen & Büschgen 2002, S. 48). Mit dem Eintritt neuer Wettbewerber gerieten auf
dem deutschen Bankenmarkt die Preise bei gleichzeitigem Anstieg der Investitionen für
Abwehrmaßnahmen unter Druck. Diese haben bisher wenig Wirkung gezeigt, da der Zu-
lauf auch von branchenfremden Unternehmen ungebrochen ist. Letztendlich beweist dies,
dass sich aufgrund der Spezialisierung bzw. des Differenzierungsgrades der Wettbewer-
ber immer noch akzeptable Margen erwirtschaften lassen. Die nachfolgende Abbildung
zeigt welche Wettbewerbern auf dem Privatkundenmarkt derzeit aufeinander treffen.

Der deutsche Bankenmarkt 11
Finanzmarkt:
Privatkunden
Universalbanken
Spezialbanken
Auslandsbanken
Banken
Nonbanks und
Nearbanks
Versicherungs-
gesellschaften
Kreditkarten-
gesellschaften
Automobilhersteller
Handelsunternehmen
Verbände (ADAC)
Internetportale
Telekommunikations-
unternehmen
Abbildung 3:
Wettbewerber im Finanzdienstleistungssektor
(vgl. Büschgen & Büschgen 2002, S. 49)
Technologischer Fortschritt
Für den Bankbereich gehen vom Internet erhebliche Wettbewerbsimpulse aus. Zum einen
werden innovative Bankdienstleistungen hervorgebracht. Zum anderen kann die Lei-
stungserstellung bei entsprechenden Vorteilen für den Kunden kostengünstiger gestaltet
werden. Darüber hinaus konnte die Schnittstelle Bank/Kunde vollkommen neu kreiert
werden. Die Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie machen sich die Banken
zunutze, sie ziehen gleichzeitig aber auch verstärkt substituierende Aktivitäten von Kon-
kurrenten an. Die Notwendigkeit von physischen Vertriebswegen für das Betreiben des
Bankgeschäftes wurde als Markteintrittbarriere obsolet
13
. Ein Marktteilnehmer kann heute
sofort überregional oder sogar international Bankdienstleistungen anbieten. Den Eintritt in
den Markt realisiert er oft mit geringem Personaleinsatz und deutlich weniger Kapital. Ko-
steneinsparungen entstehen auch durch Disintegration von Leistungsketten bei gleichzei-
tiger Verlagerung von Aktivitäten auf den Kunden. Bei geringen Transaktionskosten erhält
dieser den direkten Zugang zu einer ganzen Vielzahl von Anbietern, welche sich auf be-
stimmte Leistungsarten spezialisieren. Paradigmatisch seien hier Nonbanks und Near-
banks genannt, die mit einzelnen Produkten hoher Wertschöpfung sowohl in den Online-
13
Als Markteintrittsbarrieren ergeben sich allerdings zahlreiche gesetzliche Vorschriften nach dem Kreditwesengesetz und
dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz sowie bestimmte Anforderungen an das Mindestkapital
(vgl. o.V. 2002b, §33 KWG)

Der deutsche Bankenmarkt 12
als auch in den Offline-Markt eintreten. Zu beiden Typen erfolgt eine ergänzende Erläute-
rung auf S. 13.
Rivalität innerhalb der Branche
Die Grenzen der traditionellen Bankengruppen haben sich schon seit langem verwischt.
Die Institute konzentrieren sich nicht mehr ausschließlich auf die Geschäftsfelder in denen
sie ursprünglich wuchsen, sondern bearbeiten die Schwerpunkte der Konkurrenten mit.
Alle Banken bieten essentiell gleiche Leistungen an. Grund dafür ist die Nichtpatentier-
barkeit der Bankdienstleistung. Im Zuge der europäischen Integration
14
, der Globalisie-
rung und Harmonisierung bei der Bankenaufsicht, treten auch Konkurrenten aus dem
Ausland zunehmend in den deutschen Bankenmarkt ein. Der Wettbewerb erhält damit
einen grenzüberschreitenden Charakter. Das Internet bietet sich hier als Aktionsplattform
an. Bei Akquisitionen ist häufig eine Konzentration auf profitable Geschäftsfelder der
Übernahmekandidaten zu beobachten.
Die Discount Broker haben durch die Desintegration der Beratungsleistung die klassische
Wertschöpfungskette verkürzt und durch geringere Provisionen die Konditionspolitik der
traditionellen Banken unter Druck gesetzt. Einheitspreise, unabhängig davon, ob eine
Beratungsleistung erfolgt oder nicht, ließen sich immer schwerer im Privatkundengeschäft
der traditionellen Banken durchsetzen. Sie passten ihre Konditionspolitik weitgehend den
Discount Brokern an. Das Ergebnis ist, dass die Preise im Markt für den Wertpapierhan-
del kaputt sind. Die Discount Broker konnten zwar Marktanteile gewinnen, aber aufgrund
der konjunkturbedingten Volatilität der Provisionserträge entwickeln sich ihre Betriebser-
gebnisse wegen nachlassender Mengeneffekte größtenteils negativ. Somit ergibt sich
kein wesentlicher Wettbewerbsvorteil für die Konkurrenten. Folgerichtig runden sie ihr
Leistungsangebot nach und nach ab. Sie bewerben sich für Banklizenzen und nehmen
immer mehr die Gestalt von Vollbanken an, die auch das Einlagen- und Kreditgeschäft
betreiben. Daneben werden Fremdleistungen wie Versicherungen oder Bausparverträge
über Kooperationspartner online angeboten
15
. Wurden in der Vergangenheit hauptsäch-
lich standardisierte Produkte bei geringem Beratungsaufwand vertrieben, muss ein Kunde
einer Online-Bank auf persönlichen Kontakt nicht mehr verzichten. Neben der telefoni-
schen Beratung sind auch Kundenbesuche denkbar. Ein außergewöhnliches Beispiel ist
14
Man denke hierbei an die Grundfreiheiten wie Errichtung einer Firma oder das Angebot und die Inanspruchnahme von
Dienstleistungen innerhalb der EU (vgl. o.V. 2002c)
15
Es ist anzumerken, dass die Zahl der abgeschlossenen Versicherungen im Internet rückläufig ist. Grund hierfür ist der
hohe Erklärungsbedarf. Unter den im Internet geschlossenen Verträgen dominiert die Autoversicherung mit 53 Prozent,
gefolgt von der Privathaftpflicht mit 19 und der Hausratversicherung mit 12 Prozent. Beratungsintensive Produkte wie
Lebens- oder Krankenversicherungen spielen mit jeweils weniger als 1 Prozent so gut wie keine Rolle (vgl. o.V. 2003f)

Der deutsche Bankenmarkt 13
der ehemalige Pure Player
16
E*Trade, der sich nach der ausschließlichen Existenz im
Internet für eine Multi-Channel-Strategie entschied. In wichtigen amerikanischen Groß-
städten können Kunden in ,,Erlebnisbankfilialen" auch eine Vermögensberatung erhalten.
Nach Verlusten von Marktanteilen im Mengengeschäft steht nun auch offenbar das profi-
table Individualkundengeschäft der Universalbanken zur Disposition.
Substitutionskonkurrenten
Near- und Nonbanks
Near- und Nonbanks werden ebenfalls zu einer stärkeren Bedrohung für das Geschäft der
Universalbanken. Als Nearbanks werden banknahe Institutionen bezeichnet, wie Lebens-
versicherungen, Kreditkarten-, Kapitalbeteiligungsgesellschaften sowie Unternehmens-
beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaften. Kreditkartenunternehmen
können sich Kenntnisse über die Zahlungs- und Konsumgewohnheiten ihrer Kunden zu-
nutze machen und ihr Geschäftsvolumen zu Lasten der Banken ausweiten. Lebensversi-
cherer bieten aufgrund der besseren Refinanzierbarkeit oft günstiger Hypothekarkredite
oder Leistungen im Bereich Asset Management an. Für Nonbanks
17
hingegen besteht
originär keine Verbindung zum Finanzdienstleistungsmarkt. Jedoch haben sie erkannt,
dass sie mit günstigen Finanzierungsangeboten ihr Absatzvolumen steigern können. Da-
bei muss das Kreditgeschäft nicht kostendeckend sein, da eine Subvention aus dem
Kerngeschäft realisiert werden kann (vgl. Oevermann 1997, S. 18). Banken, die sich aus
dem Passivgeschäft finanzieren müssen, können mit derartigen Angeboten kaum mithal-
ten. Das Finanzdienstleistungsangebot der Handelsunternehmen und Autohersteller
nimmt zunehmend einen universellen Charakter an. Sollte ursprünglich der Konsum fi-
nanziert werden, warten diese Institute jetzt mit der gesamten Palette der Passivprodukte
auf und bieten Leistungen ihrer Kooperationspartner an.
Finanzdienstleistungsunternehmen
Allfinanzberatungsunternehmen haben sich auf den Vertrieb von Bank- und Versiche-
rungsleistungen konzentriert und können durch ihre zahlreichen Kooperationen dem Kun-
den eine objektivere und unabhängigere Beratung bieten. Ihre Unternehmensstruktur
verringert administrative Kosten und das Vertriebskonzept sorgt für Motivation bei den
Mitarbeitern. Selbst Banken sehen für sich darin eine Chance für die Zukunft. MLP be-
dient sich der margenträchtigen Klientel der Akademiker und Besserverdienenden. Bisher
16
Siehe Glossar.
17
Die Bezeichnung Nonbank ist heutzutage nicht mehr ganz zutreffend, da viele Autohersteller und Versandhäuser für ihre
Tochterunternehmen Vollbanklizenzen bereits erworben haben.

Der deutsche Bankenmarkt 14
wurden eine eigene Vollbank und mehrere Versicherungsunternehmen gegründet. Das
Unternehmen verfolgt die Multi-Channel-Strategie mit der Präsenz im Internet, 390 Ge-
schäftsstellen und knapp 3.000 Beratern (www.mlp.de).
Internetportale
Über Internetportale erhält der Anbieter Informationen über die Kauf- und Konsumge-
wohnheiten seiner Kunden, die anders kaum beschafft werden können. Ähnlich wie Non-
und Nearbanks können sie Informationsmonopole aufbauen. Auf ihren Webseiten werden
umfangreiche Informationen zum Thema Finanzen angeboten, und einige Portale haben
sich bereits als Kommissionäre von Finanzdienstleistungen positioniert. Zum Leidwesen
der Kreditinstitute kann sich der Besucher Transparenz im Konditionendschungel der
Bankdienstleistungen verschaffen. Mit dem Kontorechner bei Yahoo! beispielsweise er-
mittelt der User unter Eingabe bestimmter Bedingungen und Präferenzen das für ihn
preiswerteste Girokonto. Darüber hinaus können mit anderen Programmen innerhalb kur-
zer Zeit die günstigsten Finanzdienstleistungsanbieter für Baufinanzierungen, Ratenkre-
dite, Fonds und Einlageprodukte erfragt werden. Die Kooperation mit DiBa (Deutsche
DirektanlageBank AG) ermöglicht die sofortige Eröffnung eines Kontos online (vgl.
www.yahoo.de). Die Internetportale sind auf dem Vormarsch und Tendenzen wie bei Au-
toherstellern oder Handelsunternehmen zeichnen sich ab (siehe hierzu die folgende Ab-
bildung). Universalbanken müssen auf solche Trends reagieren und die Zusammenarbeit
mit erfolgreichen Portalen suchen. Ebay hat ein Arrangement mit der Creditplus Bank für
die Finanzierung von Versteigerungen. Denkbar wäre, dass das Auktionshaus diesen Teil
der bankbetriebswirtschaftlichen Wertschöpfungskette in Zukunft einmal desintegrieren
wird.

Der deutsche Bankenmarkt 15
Angebot von
Wirtschaftsnachrichten und Ideen
rund um`s Geld
Vermittlung von
Finanzprodukten
Gründung
einer Vollbank
G
ra
d d
er Inv
ol
vierung
Abbildung 4:
Mögliche Entwicklung von Internetportalen
[Eigene Darstellung]
2.2.3.2
Nachfragerseitige Entwicklungen
Die Nachfragefähigkeit, beeinflusst durch Faktoren wie Einkommen und Vermögen, ist
durch bankmarktpolitische Aktivitäten nicht beeinflussbar. Dennoch ist deren Ermittlung
notwendig, um das Nachfragepotential zu determinieren. Zusätzlich zur Nachfragefähig-
keit bestimmt die individuelle Nachfragebereitschaft die Höhe der Leistungsinanspruch-
nahme. Nur im Falle einer noch nicht voll ausgeübten Nachfragebereitschaft
(Nachfragepotential) besteht für die Banken die Möglichkeit, durch marktpolitische Maß-
nahmen eine weitere Abnahme von Bankdienstleistungen zu bewirken (vgl. Büschgen &
Büschgen 2002, S. 42). Die Entwicklungen auf der Anbieterseite, eine Nivellierung im
Leistungsangebot und Veränderungen in der Gesellschaft haben in den letzten Jahren zu
einer Änderung des Nachfragerverhaltens geführt. Insbesondere ist zu konstatieren, dass
die traditionell hohe Bankloyalität fallende Tendenzen aufweist. Zunächst wird der Begriff
der Bankloyalität erläutert, um danach die Einfußfaktoren der sinkenden Bankloyalität zu
identifizieren.
2.2.3.2.1 Theorie der Bankloyalität
Bankloyalität wird häufig in der Literatur über die Begriffe Wiederkaufverhalten und Wei-
terempfehlungsabsicht definiert, die im Ergebnis eine wiederkehrende Inanspruchnahme
der Bankdienstleistung und damit eine Festigung der Kunde-Bank-Beziehung hat. Der so
definierte Loyalitätsbegriff orientiert sich hauptsächlich am Ergebnis. Um die Entstehung

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2003
ISBN (eBook)
9783832475482
ISBN (Paperback)
9783838675480
DOI
10.3239/9783832475482
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
bankenkrise wertschöpfungsarchitektur bankloyalität markenpositionierung markenstrategie
Produktsicherheit
Diplom.de
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Titel: Markenpolitik vor dem Hintergrund aufgebrochener Wertschöpfungsketten
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