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Der Markt des Spielwaren-Einzelhandels in Nürnberg

©2003 Diplomarbeit 125 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Man möge sich fragen, warum ein Informatikstudent mit Schwerpunkt Wirtschaft eine Diplomarbeit über ein Spielwaren-Thema schreibt. Folgendes Zitat aus einer der bekanntesten Computer-Fachzeitschriften in Deutschland beantwortet meiner Meinung nach diese Frage recht gut:
„ …letztlich läuft es darauf hinaus, dass Männer zeitlebens Kinder bleiben, Spielkinder halt, technikverliebte Jungs.
Technik ist in Wirklichkeit nichts anderes als Spielzeug, das im Laufe eines Männerlebens nur raffinierter und kostspieliger gerät. Stammt es anfangs noch unverhohlen aus dem Spielzeugladen, greift der erwachsene Mann später zu PCs, HiFi- oder Heimkino-Anlagen, Handys oder Hightech-Fahrrädern. Rund um die Midlife-Crisis sind es dann immer „individuellere“, sprich spleenigere Autos. Manche Kinder bleiben sich aber auch treu und kultivieren zeitlebens ganz offen ihr Lieblingsspielzeug, die Modelleisenbahn. Vermutlich sind alle anderen Ausprägungen sowieso nur Sublimation.“ [Detlef Grell, Verliebte Jungs]
Ich würde sogar noch über die Aussage des Zitates hinausgehen und sagen, dass in der Informatik heutzutage mehr denn je spielerischer Umgang mit dem Computer gefordert wird. Sei es seit den 90er Jahren bei der Entwicklung und heutigen Etablierung eines graphischen Betriebssystems, mit dem der Kunde einen Computer quasi mit zwei Fingern per Maus steuern kann, sei es später beim „Boom“ des Internets, wo ein spielerisches Handeln, Kaufen und Verkaufen (wwwe-bayde) möglich wurde.
Umso wichtiger stellt sich die wirtschaftliche Frage, ob die klassischen Spielwaren bei dieser Flut an neuen Spielmitteln am Markt überhaupt noch Absatz finden können. Diese Diplomarbeit stellt eine beispielhafte Beobachtung für den Spielwarenmarkt in Nürnberg dar und soll zeigen, welches Marktpotential dort für den klassischen Spielwarenmarkt existiert. Sie ist eine Ist-Aufnahme des Spielwarenmarkts in Nürnberg. Mit dieser statistischen Erhebung als Referenz könnte man in 5 bis 10 Jahren eine erneute Ist-Aufnahme durchführen und für diesen Zeitverlauf eine Trend-Analyse erstellen.
Gang der Untersuchung:
Im ersten Kapitel (1) wird der Begriff des heutigen Spielzeugs definiert, klassifiziert und für den weiteren Verlauf der Diplomarbeit eingegrenzt. Das zweite Kapitel (2) behandelt die Stadt Nürnberg als Spielwarenstadt. Im dritten Kapitel (3) wird auf der Basis des ersten und zweiten Kapitels der Spielwarenmarkt des Einzelhandels in Nürnberg beobachtet und eine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Spielwaren
1.1 Grundgedanken zum Begriff Spielen
1.1.1 Warum spielt ein Kind?
1.1.2 Definition der Begriffe Spielmittel, Spielzeug und Spielwaren
1.2 Spielwarenklassifikation
1.2.1 Klassifikation nach der Zielgruppe
1.2.1.1 Spielwaren für Kinder
1.2.1.1.1 Babys ( 0-1 Jahr )
1.2.1.1.2 Littles (1-5 Jahre)
1.2.1.1.3 Kids (5-10 Jahre)
1.2.1.1.4 Teens (ab 10 Jahre)
1.2.1.2 Spielwaren für Erwachsene
1.2.2 Klassifikation nach den Warengruppen

2 Nürnberg als Spielwarenstadt
2.1 Chronik der Stadt Nürnberg
2.1.1 Vorgeschichte
2.1.2 Gründung
2.1.3 Mittelalter
2.1.4 Neuzeit
2.1.5 Industriezeitalter
2.1.6 Erster und Zweiter Weltkrieg
2.1.7 Wirtschaftswunderjahre
2.1.8 Weltgrößte Spielwarenmesse
2.2 Chronik berühmter Nürnberger Spielzeugfirmen
2.2.1 J. W. Spear & Söhne
2.2.1.1 Gründung in Fürth
2.2.1.2 Umzug nach Nürnberg
2.2.1.3 Flucht nach England
2.2.1.4 Boom von „Scrabble“
2.2.1.5 Verkauf der Firma
2.2.1.6 Kurzübersicht
2.2.2 Paul Lehmann Patentwerk
2.2.2.1 Gründer Lehmann und Eichner
2.2.2.2 Gründung in Brandenburg
2.2.2.3 Neuaufbau in Nürnberg
2.2.2.4 Entwicklung der LEHMANN-GROSS-BAHN „L. G. B. “
2.2.2.5 Wiedervereinigung Deutschlands
2.2.2.6 Kurzübersicht
2.3 Einteilung der Nürnberger Stadtgebiete
2.3.1 Statistische Gebietseinteilung
2.3.1.1 Einteilung nach statistischen Stadtteilen und statistischen Bezirken
2.3.1.2 Einteilung nach Postleitzahlen
2.3.2 Fläche
2.3.3 Bevölkerung
2.4 Einteilung der Nürnberger Spielwarenfirmen
2.4.1 Erhebung und Zählung
2.4.2 Geographische Aufteilung
2.4.2.1 Aufteilung nach statistischen Stadtteilen
2.4.2.2 Aufteilung nach Postleitzahlen
2.4.3 Aufteilung nach Industrie, Großhandel und Einzelhandel

3 Regionale Marktanalyse für den Spielwaren-Einzelhandel
3.1 Marktanalyse nach dem Kundeneinzugsgebiet
3.1.1 Bevölkerungsstand des Kundeneinzugsgebiets
3.1.1.1 Bevölkerung der Stadt Nürnberg
3.1.1.2 Bevölkerung in der Umgebung Nürnbergs
3.1.2 Demographische Entwicklung im Kundeneinzugsgebiet
3.1.2.1 Altersstruktur der Bevölkerung
3.1.2.2 Geburtenrate der Bevölkerung
3.1.3 Entwicklung der potentiellen Kunden
3.2 Marktanalyse nach der Konkurrenzsituation
3.2.1 Verteilung aller Einzelhandelsfirmen
3.2.1.1 Geographische Aufteilung aller Einzelhandelsbetriebe
3.2.1.2 Typen von Standortbereichen für Einzelhandelsbetriebe
3.2.2 Aufteilung nach den Betriebsformen des Spielwaren-Einzelhandels
3.2.2.1 Definition der Betriebsformen
3.2.2.2 Gliederung nach der Anzahl der Betriebsformen
3.2.2.3 Gliederung nach der geographischen Position
3.2.2.4 Gliederung nach der Verkaufsfläche
3.2.5 Umsatzhochrechnung anhand der Gesamtverkaufsfläche
3.3 Berechnung der Analyse
3.3.1 Berechnung des Marktpotentials
3.3.1.1 Definitionen für die Berechnung des Marktpotentials
3.3.1.2 Formel zur Berechnung des Marktpotentials
3.3.2 Schätzung der Marktsättigung
3.3.3 Fazit mit Bewertung der Ergebnisse

4. Anhang
4.1 Abbildungsverzeichnis
4.1.1 Abbildungen
4.1.2 Tabellen
4.2 Literaturverzeichnis
4.2.1 Monographien
4.2.2 Zeitschriften
4.2.3 Berichte und sonstige Veröffentlichungen
4.2.4 Internet-Homepages
4.2.4.1 Beschreibung der Spielentwicklung im Rahmen der Spielformen
4.2.4.2 Eröffnungsrede des Weltkongress für Kinderspiel (2001)
4.2.4.3 Kongressvortrag des ersten europäischen „European Toy and Childhood Congress“ (1997)
4.2.4.4 Statistisches Amt der Stadt Nürnberg
4.2.4.5 Statistische Jahrbücher der Stadt Nürnberg
4.2.4.6 Statistik Monatsbericht der Stadt Nürnberg (Dezember 2002)
4.2.4.7 Amt für Stadtforschung und Statistik, Monatsbericht April 2002
4.3 Adressenverzeichnis
4.3.1 Adressen der Ansprechpartner
4.3.2 Nürnberger Adressen aus der Spielwarenbranche
4.3.2.1 Einzelhandel
4.3.2.1.1 Fachgeschäfte
4.3.2.1.2 Spezialgeschäfte
5.3.2.1.3 Fachmärkte
4.3.2.1.4 Warenhäuser
4.3.2.1.5 Verbrauchermärkte
4.3.2.2 Großhandel
4.3.2.3 Industrie

0 Einleitung

Man möge sich fragen, warum ein Informatikstudent mit Schwerpunkt Wirtschaft eine Diplomarbeit über ein Spielwaren-Thema schreibt. Folgendes Zitat aus einer der bekanntesten Computer-Fachzeitschriften in Deutschland beantwortet meiner Meinung nach diese Frage recht gut:

„ …letztlich läuft es darauf hinaus, dass Männer zeitlebens Kinder bleiben, Spielkinder halt, technikverliebte Jungs.

Technik ist in Wirklichkeit nichts anderes als Spielzeug, das im Laufe eines Männerlebens nur raffinierter und kostspieliger gerät. Stammt es anfangs noch unverhohlen aus dem Spielzeugladen, greift der erwachsene Mann später zu PCs, HiFi- oder Heimkino-Anlagen, Handys oder Hightech-Fahrrädern. Rund um die Midlife-Crisis sind es dann immer „individuellere“, sprich spleenigere Autos. Manche Kinder bleiben sich aber auch treu und kultivieren zeitlebens ganz offen ihr Lieblingsspielzeug, die Modelleisenbahn. Vermutlich sind alle anderen Ausprägungen sowieso nur Sublimation [1] .“ [Detlef Grell, Verliebte Jungs]

Ich würde sogar noch über die Aussage des Zitates hinausgehen und sagen, dass in der Informatik heutzutage mehr denn je spielerischer Umgang mit dem Computer gefordert wird. Sei es seit den 90er Jahren bei der Entwicklung und heutigen Etablierung eines graphischen Betriebssystems, mit dem der Kunde einen Computer quasi mit zwei Fingern per Maus steuern kann, sei es später beim „Boom“ des Internets, wo ein spielerisches Handeln, Kaufen und Verkaufen ( www.e-bay.de ) möglich wurde.

Umso wichtiger stellt sich die wirtschaftliche Frage, ob die klassischen Spielwaren bei dieser Flut an neuen Spielmitteln am Markt überhaupt noch Absatz finden können. Diese Diplomarbeit stellt eine beispielhafte Beobachtung für den Spielwarenmarkt in Nürnberg dar und soll zeigen, welches Marktpotential dort für den klassischen Spielwarenmarkt existiert. Sie ist eine Ist-Aufnahme des Spielwarenmarkts in Nürnberg. Mit dieser statistischen Erhebung als Referenz könnte man in 5 bis 10 Jahren eine erneute Ist-Aufnahme durchführen und für diesen Zeitverlauf eine Trend-Analyse erstellen.

Im ersten Kapitel (1) wird der Begriff des heutigen Spielzeugs definiert, klassifiziert und für den weiteren Verlauf der Diplomarbeit eingegrenzt. Das zweite Kapitel (2) behandelt die Stadt Nürnberg als Spielwarenstadt. Im dritten Kapitel (3) wird auf der Basis des ersten und zweiten Kapitels der Spielwarenmarkt des Einzelhandels in Nürnberg beobachtet und eine Marktanalyse durchgeführt.

1 Spielwaren

Bevor man auf die Spielwaren näher eingeht, sollte man kurz den Begriff „Spielen“ betrachten.

Spielen ist eine jedermann wohlbekannte Tätigkeit und bedarf im Alltag keiner weiteren Erklärung. Es gibt eine Fülle von Aussagen über das Phänomen Spiel im Allgemeinen und zum Kinderspiel im Besonderen. Es existiert auch eine Reihe mehr oder weniger gut fundierter Theorien, die den komplexen Charakter des Spiels von den verschiedensten Seiten her beleuchten. [Retter: Spielzeug, 11]

Wenn man nun das Spiel und die Spielmittel betrachtet, wird die Betrachtung eines Markts dadurch erschwert, dass Spielmittel äußerst komplexe Gegenstände darstellen. Sie ausführlich zu behandeln, übersteigt den Rahmen dieses Themas. Deshalb werden nur Verbindungslinien hergestellt, wenn sie für das Verständnis aufbauender Zusammenhänge in späteren Kapiteln hilfreich sind. Als erstes wird der Begriff Spielen verdeutlicht (1.1) und Spielwaren definiert. Danach werden die Spielwaren klassifiziert (1.2).

1.1 Grundgedanken zum Begriff Spielen

Spielen ist eigentlich eine sehr ernsthafte Tätigkeit. Ihr kommt sogar eine evolutionäre Schlüsselrolle zu, wenn man den Informationsgewinn als Grundlage jeder vorwärtsgerichteten Entwicklung lebendiger Systeme ansieht.

Schon das Kind in der Wiege beginnt damit, seine Umwelt im wahrsten Sinne des Wortes spielend zu begreifen. Dabei findet es heraus, was weich oder hart, angenehm oder unangenehm, nah oder fern ist. Natürlich spielt es nicht bewusst, um zu lernen, sondern es macht Erfahrungen, weil es spielt.

Als Weg zur Erkenntnis steht das Spielen also eindeutig vor dem Lernen. Höher entwickelte Tiere und der Mensch hören nie auf zu spielen.

Tatsächlich trennt nur ein Gedankensprung das Kind, das durch „Herumspielen“ seine Umgebung in den Griff bekommt, vom Studierenden bzw. Forscher. Beide beflügelt dieselbe Neugierde; beide brauchen ihren freien „Spielraum“ dazu. Natürlich unterscheidet das Wissen ums „Wissenwollen“ den Erwachsenen vom Kind. [Kutschera, Volker: Die Welt im Spielzeug, 6]

Im ersten Teil (1.1.1) werden die Ursachen des Spielens anhand der Spielentwicklung erklärt. Im zweiten Teil (1.1.2) werden die Begriffe Spielmittel, Spielzeug und Spielwaren definiert.

1.1.1 Warum spielt ein Kind?

Spielerisch sammelt das Kind neue Erfahrungen, lernt Probleme lösen und erweitert seine Phantasien und seine Kreativität. Motor des Spielens ist das Vergnügen und das unterbewusste Ziel ist das Erlernen von Fähigkeiten.

Wir können zwischen sechs Arten des Spielens unterscheiden, die sich nach und nach in der Entwicklung des Kindes zeigen. [Häufele, Gabriele: Beschreibung der Spielentwicklung (4.2.4.1)]

- Das Funktionsspiel kennzeichnet die unterschiedlichen Stadien der vorverbalen Entwicklung, wobei sich „vorverbal“ auf die noch nicht vorhandene Fähigkeit bezieht, sich in Worten mitzuteilen. In Lauten teilt sich das Kind von Anfang an mit und erprobt damit auch seine „Sprechwerkzeuge“, um darauf aufbauend die Muttersprache zu erlernen. Das Kind übt Sensorik, Motorik und kognitive Funktionen, wobei die motorischen Funktionen zunächst materialunabhängig sind. Mit Beginn des Greifens, das mit optischen, taktilen, akustischen, riechenden und schmeckenden Sinneswahrnehmungen gekoppelt ist, werden Gegenstände mit ins Spiel einbezogen. Schütteln, Schlagen, Reiben, Stoßen, Ziehen, Werfen, Riechen und Schmecken werden als Fähigkeiten erworben und dann aus Lust und Freude wiederholt und differenziert. Die Hand wird Werkzeug des Denkens, das Kind beginnt zu „be-greifen“. (Beispiele für Spielwaren 1.2.1.1)
- Das Konstruktionsspiel ist auf ein fertiges Produkt hin ausgerichtet. Es hat seinen Ausgangspunkt auf der funktionalen Ebene: Von sensomotorischen Übungen ausgehend – z. B. Zusammenfügen, Zusammenstecken, Auseinandernehmen – gelingt es dem Kind, etwas herzustellen, was es auch benennen kann. Das Kind folgt der Intention, dass sein Produkt nach und nach so aussehen soll wie in der Realität. (Spielwarenbeispiele 1.2.1.1)
- Kindliches Rollenspiel beinhaltet einerseits die Darstellung der – auch geschlechtsspezifisch ausgeprägten – Rollen, die das Kind erfährt – z. B. Eltern, Erzieher, Lehrer, Bauarbeiter, Polizist, Ärzte – sowie Rollen, die Wünsche, Sorgen und Ängste des Kindes widerspiegeln bzw. darstellen, wie sich das Kind gerne sehen oder erleben möchte, z. B. als Ritter, Held, Krankenschwester, Mutter oder Vater. (Spielwarenbeispiele 1.2.1.1)
- Das Rezeptionsspiel ist ein aufnehmendes Spiel und umfasst die passiven Formen des Spieles – das Betrachten von Ausstellungen, Aussichten oder Dingen, das Zuschauen im Theater, beim Fernsehen, im Kino, beim Zeichnen oder Bauen und das Hören bei Geschichten, Musik oder beim Singen. Es handelt sich also um aufnehmende Spiele, die der Erweiterung des Wissensfundus von Sprache, Motorik, Sensorik etc. dienen. (Spielwarenbeispiele 1.2.1.1)
- Die Regel- oder Gesellschaftsspiele setzen die Gruppenfähigkeit des Kindes voraus, d. h. das Kind muss bereit sein, nicht nur neben, sondern auch mit anderen zu spielen und Verantwortung für Verpflichtungen oder Abmachungen zu übernehmen. Es muss bereits einen Sinn für Regelmäßigkeit entwickelt haben und die Erfahrung, dass Abmachungen bindend sind für das eigene Verhalten, wie auch für das der anderen. Regeln setzen ein Normen- und Rechtsbewusstsein voraus. (Spielwarenbeispiele 1.2.1.1)
- Die Bewegungsspiele sind gekennzeichnet durch den Spaß an der Bewegung. Die Freude am Erfühlen des eigenen Körpers, die Körperkoordination, das Gleichgewicht, die Fein- und Grobmotorik, das Zusammenspiel von Denken und motorischer Umsetzung sind die Lernerfolge. Mit der Wahrnehmung eigener körperlicher Fähigkeiten finden wiederum Spezialisierungen statt, die ihrerseits den Eintritt in Sportvereine oder andere spezifische Gruppierungen zum Erlernen und Weiterentwickeln körperlicher Fähigkeiten zur Folge haben. Fußball, Kampfsport, Ballspiele, Turnen, Schwimmen und andere Sportarten werden ergriffen, die jedoch vor allem den Leistungsaspekt und weniger den Aspekt des spielerischen Umgangs miteinander fördern. (Spielwarenbeispiele 1.2.1.1)

Als die siebte Spielform in der Spielentwicklung könnte man das Computerspiel nennen. Aufgrund der Eingrenzung auf den klassischen Spielwarenmarkt wird auf diese siebte Spielform hier nicht näher eingegangen.

Abschließend für dieses Kapitel kann man sagen, dass die Ursachen der unterschiedlichen Spielformen in den verschiedenen Entwicklungsstufen des Kindes liegen. Das Kind entwickelt sich weiter – und damit auch seine Spielformen. Dass sich parallel mit den Spielformen auch die Spielzeuge weiterentwickeln, ist hier schon offensichtlich. Bevor aber näher auf die Klassifikation der Spielwaren eingegangen wird, müssen erst einige Begriffe definiert werden.

1.1.2 Definition der Begriffe Spielmittel, Spielzeug und Spielwaren

Das Kind ist in seinen Grundbedürfnissen und den Grundmustern seines Verhaltens über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg immer gleich geblieben. Im Gegensatz dazu wurden die Begriffe Spielmittel, Spielzeug und Spielwaren je nach Zeitalter und Gesellschaft variiert und neu definiert. Um die drei Begriffe zu klären, wird zuerst auf den Unterschied von „Spiel-Mittel“ und Spielzeug eingegangen.

„Die Beziehung zwischen Spiel und Spielmittel ist keine wechselseitige: Spielen ist zwar immer – wie es Buytendijk [2] einmal ausdrückte – ein „Spielen mit etwas“, aber dieses Etwas muss kein Material sein, wie man von traditionellen Kinderspielen, von „Fangen“, „Verstecken“ oder Fingerspielen weiß. Während viele traditionelle Kinderspiele zwar Bewegung und Raum, aber keine Material benötigen, ist Spielzeug ein materielles Objekt, ein Gegenstand, der eigens zum Zweck des Spielens hergestellt wird. Im klassischen Verständnis des Kinderspiels ist Spielzeug ohne Spieltätigkeit nicht denkbar.“ [Retter: Eröffnungsrede des Weltkongresses für Kinderspiel (5.2.4.2)]

Die Unterscheidung zwischen Spielmittel und Spielzeug ist dem Zitat gut zu entnehmen. Wenn man mit „etwas“ spielt, nennt man es Spielmittel. Beispielsweise kann ein Stück Holz oder die Hand eines Menschen in der Phantasie eines Kindes eine Puppe sein und somit ein Spielmittel – ein Mittel zum Spielen. Ein Stück Holz oder die Hand eines Menschen ist einzeln betrachtet aber noch lange kein Spielzeug.

Das Spielzeug ist definitiv ein Gegenstand, also eine Art Ware. Deswegen nennt man Spielzeuge betriebswirtschaftlich auch Spielwaren. Die Bedeutung beider Begriffe ist daher für unsere Zwecke identisch.

Die Definition der Spielmittel ist dagegen schon wesentlich komplexer. Es gibt in der Literatur eine Fülle an Definitionen dieses Begriffs. Die Erkenntnis, dass ein Spielmittel als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse gesehen werden kann, lässt erahnen, dass man den Begriff Spielmittel nicht genau definieren kann, solange man keine konkrete Gesellschaft als Basis nimmt.

„Der Bezug der Spielmittel einer Zeit zur jeweiligen gesellschaftlichen Wirklichkeit wird nicht nur im Wechsel der Erziehungsideale und des Zeitgeistes erkennbar, sondern gleichermaßen in den sich ändernden materiellen, technischen und ökonomischen Bedingungen für die Herstellung von Spielzeug. Auch wenn ein Spielmittel über Jahrhunderte oder Jahrtausende eine im Kern unverändert gebliebene Spielfunktion aufweist – man denke an die Puppe –, so zeigt es doch gleichzeitig auch immer, wie sehr man „Kind seiner Zeit“ ist.“ [Retter: Spielzeug, 67]

Als Beispiel gesellschaftlicher Einflüsse auf die Spielmittel kann man in den 50er Jahren den amerikanischen Jeep als dominierendes Automobil-Spielzeug erkennen. In den 60er Jahren – nach der Wiederaufbauphase nach dem Krieg – entstand der LEGO- Boom – Bausteine als ein Aufbau- und Konstruktionsspielzeug. In den 70er Jahren, nach der Mondlandung, wurden das erste Mal Raketen als Spielmittel benutzt. In den 80er Jahren wurde der erste PC entwickelt und im gleichen Jahrzehnt hat sich der „Gameboy“ – als elektronisches Spielmittel – auf dem Markt etabliert. Zu jeder Zeit wurde das Spielmittel als verkleinerte Version der Realität und damit als Projektion der jeweiligen Gesellschaft dargestellt.

Auf Basis dieser Erkenntnis der gesellschaftlichen Verknüpfung gehören in der heutigen Gesellschaft – der Informationsgesellschaft – auch die Computerspiele zu den Spielmitteln. Im Gegensatz dazu gehören zu den Spielwaren, welchen wir uns im Weiteren widmen werden, keine Computerspiele. Man kann die Spielwaren als die konventionell-klassischen Spielmittel bezeichnen.

Um die Definition der Spielwaren zu verfeinern: Konventionell-klassisch heißt heutzutage, dass bereits auch elektrische bzw. elektronische Spielwaren (z. B. ein elektronisches Schachspiel oder eine Puppe, die spricht) dazu gehören, aber keine „reinen“ Computer- oder Videospiele. Der weite Bereich der multimedialen Spiele, inklusive Hard- und Software, wird der Branche der Unterhaltungselektronik zugeordnet.

1.2 Spielwarenklassifikation

Nachdem die Begriffe Spielmittel, Spielzeug und Spielwaren im vorherigen Kapitel definiert wurden, werden wir uns in diesem Kapitel auf die Spielwaren beschränken. Zuerst werden die Spielwaren nach dem Alter der Kunden klassifiziert (1.2.1) und dann nach den Warengruppen (1.2.2).

1.2.1 Klassifikation nach der Zielgruppe

Eine Möglichkeit, die Spielwaren einzuordnen, ist die Klassifikation nach dem Alter der Zielgruppe. Man bedenke, dass die Spielwaren nicht immer die Zielgruppe der Kinder (1.2.1.1) ansprechen, wie z. B. teure Sammlerpuppen für Erwachsene (1.2.1.2). Nichtsdestotrotz ist ein großer Anteil der Spielwaren für Kinder gedacht.

1.2.1.1 Spielwaren für Kinder

Um Spielwaren nach dem Alter von Kindern beurteilen zu können, kann man spielpädagogisches Wissen (1.1.1) nutzen. Problematischerweise sind Kinder im gleichen Alter nicht auch gleichzeitig auf der gleichen Entwicklungsstufe. Das liegt zum einen an der sehr unterschiedlichen individuellen Entwicklung des „normalen“ Kindes und zum anderen daran, dass gleichaltrige „behinderte“ Kinder hinter der normalen Entwicklung „hinterherhinken“ und dadurch zeitversetzt mit anderen Spielwaren spielen. Das sind Gründe, um von einer sturen Einteilung nach dem Alter abzusehen. Deswegen sind die folgenden Altersangaben auch nur als grobe Richtlinien gedacht. Die Alterseinteilung erfolgt in vier Stufen mit steigendem Alter. Die Babys (1.2.1.1.1) , Littles (1.2.1.1.2) , Kids (1.2.1.1.3) und Teens (1.2.1.1.4) sind kindliche Alterseinteilungen.

1.2.1.1.1 Babys ( 0-1 Jahr )

Kinder beginnen bereits als Säuglinge zu spielen. In dieser oralen Phase werden alle Spielzeuge zum Mund geführt. Auf diese Weise wird das Spielzeug genau inspiziert und das Kind lernt seine Sinne zu entwickeln. Das erste Lebensjahr ist eine Entdeckungsphase für das Kind. Besonders bedeutend für die Gesamtentwicklung sind die ersten zwei Lebensjahre eines Menschen, weil man sich in dieser Zeit sehr schnell entwickelt. Frühgeburten, denen aufgrund der Brutkästen nur wenige Wochen der ersten zwei Jahre fehlen, sind oftmals in der späteren Entwicklung behindert oder verzögert.

Typische Spielwaren für dieses Alter sind Beißringe zum Greifen und Beißen, Mobiles zum Beobachten und Rasseln oder Bade- und Quietscheenten als Funktionsspielzeug (1.1.1).

1.2.1.1.2 Littles (1-5 Jahre)

Ab dem dritten Lebensjahr bis zur Grundschule sollte ein Kind 7 bis 8 Stunden am Tag spielen. Konstruktionsspiele (1.1.1) – zum Beispiel mit Bauklötzen, Bausteinen und Knetmassen als Spielwaren – kommen hinzu. Des Weiteren gibt es die Rollenspielzeuge (1.1.1) wie Teddys, Stofftiere und Puppen. Die Funktions- und Bewegungsspielzeuge sind bereits weiter entwickelt: Nachziehspielzeuge, Reittiere, Schaukelpferde, Dreiräder und Bälle. Die ersten einfachen Regel- und Gesellschaftsspiele (1.1.1) wie Domino, Memory oder Puzzles sind jetzt aktuell. Die Rezeptionsspielzeuge (1.1.1) für dieses Alter sind beispielsweise Bilderbücher.

1.2.1.1.3 Kids (5-10 Jahre)

Die Konstruktionsspielzeuge werden komplexer, z. B. LEGO und Bastelmaterial. Auch die Bewegungsspielzeuge sind nun feinmotorischer Art, z. B. Springseil, Rollschuhe, Schlittschuhe und das Fahrrad. Hinzu kommen Erweiterungen zu vorhandenen Konstruktionsspielzeugen, wie beispielsweise Ergänzungen zu Baukästen, Mal- und Zeichengeräte und Modelleisenbahnen. Bücher ergänzen nun die Bilderbücher.

1.2.1.1.4 Teens (ab 10 Jahre)

Ab dem 10. Lebensjahr sind es fast ausschließlich Sublimationen der vorhandenen Spielformen. Die Spielwaren zu den Spielformen sind beispielsweise Kartenspiele, Tischtennis, Mikroskope, Experimentierkästen, Zeichengeräte, Werkmaterialien sowie Denk- und Geduldspiele.

Allerdings ist das Alter der Kinder, die konventionell-klassisches Spielzeug nutzen, deutlich gesunken. Der Siegeszug der Elektronik und Computer ist offensichtlich gleichzeitig mit einem Bedeutungswandel des Wortes „Spielen“ verbunden. Die meisten älteren Kinder verstehen unter „Spielen“ in ihrer Freizeit eigentlich nur noch das „Computerspielen“, abgesehen vom Sport. [Retter, Hein: Eröffnungsrede des Weltkongresses für Kinderspiel (4.2.4.2)]

1.2.1.2 Spielwaren für Erwachsene

Die Spielwaren für Erwachsene sind einmal Sublimationen der einfachen Spielzeuge, wie beispielsweise teure detaillierte Nachbauten im Modellbausektor, große Puzzles oder die verbreiteten Gesellschaftsspiele wie Monopoly, Risiko, Dame und Schach, die man in Gruppen spielt.

Zum anderen gibt es bei den Erwachsenen die Spielwaren-Sammler, welche beispielsweise teure Sammlerpuppen sammeln oder diese sogar selbst herstellen.

„Sammeln heißt auch, Vorteile aus der Verfügbarkeit von Sachgütern oder Informationen zu erwerben. Der Landmann sammelt die Ernte für karge Winterzeiten, der Schüler sammelt Wissen für die Prüfung, auch Spielsachen werden gesammelt. Dieses Zusammentragen liegt uns im Blut – noch von den vorgeschichtlichen Ahnen her, den Jägern und Sammlern. Spricht man mit Spielzeugsammlern über den Sinn solchen Tuns, haben sie dafür erstaunlich viele Begründungen. Ihre Motive reichen von Nostalgie bis Wertanlage, vom Fortführen einer Kinderkultur aus der Sicht des Erwachsenen über den Reiz, Zeugnisse der Geschichte en miniature zum Anfassen daheim in der Vitrine zu haben, bis hin zur reinen Wertsteigerung derartiger Antiquitäten.“ [Kutschera: Die Welt im Spielzeug, 16]

1.2.2 Klassifikation nach den Warengruppen

Eine einfache Art und Weise – ohne spielpädagogisches Wissen –, um Spielwaren zu klassifizieren, besteht darin, die Spielwaren in Warengruppen einzuteilen. Dabei ist die Klassifikation der Warengruppen von Spielwaren in der Praxis von Geschäft zu Geschäft unterschiedlich, da die Sortimentsbreite und -tiefe des Einzelhandels enorm variiert. Um eine einheitlich gültige Warengruppierung zu nutzen, kann man die folgende Tabelle 1 vom Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels nutzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Wertmäßige Bedeutung der Hauptwarengruppen im Spielwaren-Einzelhandel [ Branchen-Spezial Spielwareneinzelhandel, Bericht Nr. 58 ]

Dabei fällt auf, dass sogar hier die Definitionen der Warengruppen nicht ganz ohne die Altersklassifikation (Tabelle 1, Kleinkind/Vorschule) auskommen.

Wie bereits im Kapitel der Begriffsdefinitionen (1.1.2) beschrieben, werden wir im Folgenden nur die klassischen Spielwaren betrachten. Dazu erstellen wir eine neue Tabelle und berechnen die prozentualen Anteile ohne die Warengruppe „Videospiele“:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Wertmäßige Bedeutung der Hauptwarengruppen im Spielwaren-Einzelhandel ohne Videospiele

Hinsichtlich der Breite des Sortiments im klassischen Spielwarenbereich reicht das Warenangebot von Beschäftigungsspielzeug wie Modelleisenbahnen, Hobby und Basteln bis hin zu Aktionsspielzeug wie „Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“-Artikel.

Abschließend für dieses Kapitel sei gesagt, dass man heutzutage bei der Klassifikation von Spielwaren stark differenzieren muss. Es gibt zum einen die klassischen Spielmittel, welche in den vorherigen Kapiteln als Spielwaren definiert wurden, und zum anderen die Video- und Computerspiele.

Da die klassischen Spielmittel nur noch die jüngere Generation von Kindern ansprechen und ein Großteil der älteren Kinder als Zielgruppe heute wegfällt, weil diese sehr schnell zu modernen Spielmitteln greifen, lässt sich schlussfolgern, dass eine Verschiebung des Alters bei den Zielgruppen stattgefunden hat. Das Alter der Kinder, die Spielwaren nutzen, ist gesunken.

2 Nürnberg als Spielwarenstadt

Das folgende Kapitel (2.1) beschreibt Nürnberg als Spielwarenstadt von der Vorgeschichte bis zur heutigen Zeit. Als nächstes wird ein historischer Ausschnitt von zwei Spielzeugfirmen in Nürnberg (2.2) präsentiert. Das nachfolgende Kapitel (2.3) zeigt die Fläche und Bevölkerung der Stadt Nürnberg. Das letzte Kapitel (2.4) stellt eine Ist-Aufnahme der heutigen Spielzeugstadt Nürnberg mit allen ihren Spielwarenfirmen dar.

2.1 Chronik der Stadt Nürnberg

Wenn die Mönche im Mittelalter Geschichte schrieben, begannen ihre Chroniken immer „bei Adam und Eva“. Auch die Nürnberger Geschichte soll mit dem Auftreten der ersten Menschen in der Umgebung der Stadt beginnen. Beginnend mit der Vorgeschichte der Umgebung (2.1.1), der Stadtgründung (2.1.2), über das Mittelalter (2.1.3) in die Neuzeit (2.1.4), durch das Industriezeitalter (2.1.5) und die beiden Weltkriege (2.1.6) in die Wirtschaftswunderjahre (2.1.7) bis zur heutigen weltgrößten Spielwarenmesse (2.1.8) wird die Nürnberger Chronik erzählt, die mit den Spielwaren eng verknüpft ist.

2.1.1 Vorgeschichte

Wie die Funde der Prähistoriker oder Vorgeschichtsforscher in Afrika zeigen, ist Adam ein bis zwei Millionen Jahre alt. Im Nürnberger Umland sind die ältesten Funde von Menschenknochen lange nicht so alt. [Maas: Nürnberg, 7]

Das Naturhistorische Museum in Nürnberg bewahrt einen unscheinbaren, aber bedeutenden Schatz. Es handelt sich dabei um einen Zahn, welcher das älteste Zeugnis eines Menschen in Bayern darstellt. Gefunden wurde er in einer Höhle in einem Seitental der Pegnitz. Über den steinzeitlichen Menschen, dem der Zahn gehörte und der vor etwa 120.000 Jahren lebte, wissen wir natürlich nichts. Eines zeigt der Zahn in jedem Fall: Das Pegnitztal und seine Seitentäler sind schon seit langer Zeit besiedelt.

Um 400 vor Christus wird erstmals ein Volk namentlich fassbar, das in Nürnbergs Umgebung seine Spuren hinterlassen hat – die Kelten. Sie legten bereits stadtähnliche Siedlungen an. Die keltischen Stämme wurden gut 300 Jahre später von den germanischen Hermunduren verdrängt. Diese kamen im ersten nachchristlichen Jahrhundert unter römischen Einfluss, als das Römische Reich über die Donau hinaus nach Norden ausgriff. In der Mitte des dritten Jahrhunderts drängten die germanischen Alamannen die Römer bis an die Donau zurück. Doch auch sie blieben nicht auf Dauer. Die Franken und Bayern waren es, die für den Nürnberger Raum bestimmend werden sollten. Die Bayern wurden im sechsten Jahrhundert das erste Mal erwähnt und bewohnten große Teile des heutigen Alpengebiets. Sie weiteten ihr Siedlungsgebiet nach Norden über die Donau hinaus aus und bildeten dort den sogenannten bayerischen Nordgau. Typisch für bayerische Siedlungen sind die Orte mit der Endung „-ing“, also etwa Heuchling bei Lauf an der Pegnitz.

Eine andere „Landnahme“ erfolgte von Nordwesten her von den Franken. Dieses germanische Volk siedelte ursprünglich im Gebiet um Maas und Schelde[3]. Nach dem Ende des Weströmischen Reiches gelang es ihm, große Teile der römischen Provinz Gallien unter seine Herrschaft zu bringen – die Grundlage für den Namen Frankreich. Die Franken dehnten ihr Herrschaftsgebiet auch östlich des Rheins aus. Im Raum Nürnberg trafen beide Stämme zusammen. Mit der Gründung von Königshöfen wie Forchheim oder Fürth sicherte sich die fränkische Königsmacht spätestens im achten Jahrhundert das Nürnberger Gebiet. Der bayerische Einfluss blieb aber unverkennbar, denn dialektkundlich zählt die Nürnberger Mundart zur nordbairischen Sprache. [Schieber: Nürnberg, 12f]

So weit die Vorgeschichte unserer Gegend. Von Vorgeschichte spricht man, weil die einzigen Überbleibsel, auf denen die Kenntnisse beruhen, ausgegrabene Gegenstände, Bodenfunde und noch keine Urkunden oder Bücher sind. Man hat deshalb die Vorgeschichte auch die Wissenschaft des Spatens genannt.

2.1.2 Gründung

Noch im vorigen Jahrhundert glaubte man, die Römer hätten etwas mit der Gründung Nürnbergs zu tun. Nürnberg wurde in lateinischen Urkunden Norenberg geschrieben, und man erklärte das unverständliche Wort Noren einfach als Namen des römischen Kaisers Nero. In Anlehnung an die römische Provinz Noricum im heutigen Alpengebiet und die dort wohnenden Noriker erfanden Gelehrte den Namen Noris, womit Nürnberg gemeint war. Das ist alles weitgehend falsch. Das Norisringrennen, die Noris-Weinbrandtfabrik und viele andere Firmennamen mit dem Begriff „Noris“ beruhen nicht auf historischer Wirklichkeit, sondern auf der Erfindung einer Zeit, die noch keinen Unterschied zwischen Sage und Geschichte machte. Die Römer waren nie in Nürnberg. Die Grenzlinie des Römischen Reiches, der Limes, verlief bei Weißenburg und Gunzenhausen.

Erst im 20. Jahrhundert ist es der Sprachwissenschaft gelungen, durch Vergleich mit ähnlich benannten Orten in Deutschland, den Namen der Stadt Nürnberg richtig zu deuten. Wenn man auf der Burgfreiung steht und an der Mauer senkrecht nach unten blickt, fällt einem heute noch der steil abfallende rötliche Sandsteinfelsen auf. Die auffallende Felsbildung ist der Ursprung des Namens Nürnberg. Im 11. Jahrhundert wuchsen an der Stelle der heutigen Altstadt Nadel- und Laubbäume. Zur Pegnitz hin wurde das Gelände sumpfig und alles war ziemlich flach. Nur der rötliche Fels ragte etwa 50 Meter aus der eintönigen Landschaft hervor. Er trug damals noch keine Burg. Es war also kein Wunder, wenn in früher Zeit die Siedler der näheren Umgebung immer wieder zur Orientierung von diesem Felsberg sprachen. Auf die Frage „Wo treffen wir uns?“ antworteten sie einfach: „Beim Felsberg“. Nur sagte man damals statt Fels „Nor“ und kannte das dazugehörige Eigenschaftswort nuorin oder norin, das demnach „felsig“ bedeutet. Nürnberg, oder wie es später in einer Urkunde heißt: norenberc, bedeutet also einfach: Felsberg. Als man im 11. Jahrhundert dann auf dem Felsplateau die erste Burg baute, nannte man sie nicht nach ihrem Erbauer, sondern nach dem Grund und Boden, auf dem sie stand. Nicht viel später entwickelte sich zu Füßen dieser Burg die erste Siedlung, die jetzt wiederum den Namen der Burg übernahm. So kann man an den drei Stufen der Entstehung des Namens ganz deutlich die Entstehung der Stadt verfolgen:

1. Der Norenberc: Ein unbesiedelter aus der eintönigen Gegend ragender Fels.
2. Nürnberg: Der Name der Burg auf diesem Berg.
3. Nürnberg: Der Name der zu Füßen und im Schutz der Verteidigungsanlage wachsenden Siedlung.

Auch ein Ortsname kann wie eine Urkunde Geschichte erzählen.

Erst im Jahr 1050 beginnt in Nürnberg die eigentliche Geschichte. Genauer gesagt, wird der Name Nürnberg das erste Mal in ein Schriftstück geschrieben und ist damit dokumentarisch belegt. [Maas: Nürnberg, 11, 12, 16]

2.1.3 Mittelalter

Im Gegensatz zu den relativ reichhaltigen Hinweisen auf die Spielmittel des Altertums liegen derartige Angaben über das frühe Mittelalter überhaupt nicht und über das Hoch- und Spätmittelalter nur in begrenztem Umfang vor. Zum Spiel von Kindern und Erwachsenen im Mittelalter liegen teilweise widersprüchliche Aussagen vor. Einerseits gab es unter dem Einfluss der Kirche viele Spielverbote, andererseits belegen – allerdings nicht sehr zahlreiche – Zeugnisse in Bild und Schrift, dass sowohl die einfachen als auch die höheren Volksschichten unterhaltsame Spiele verschiedenster Art kannten und ausübten.

Zweifellos waren Spiele mit Pferden und Rittern über die Jahrhunderte hinweg eine Lieblingsbeschäftigung für die Jungen aller Altersstufen bis ins Erwachsenenalter hinein. Genaueste Nachahmungen von Rittern und gewappneten Pferden im Miniaturformat aus dem 16. Jahrhundert zeigen, dass das „Turnierspiel“ große Bedeutung hatte. Das heutige Tischfußballspiel funktioniert im Grunde nach denselben Prinzipien. Zweikampf-Wettspiele haben seit den Anfängen der Kultur nichts von ihrer Beliebtheit verloren. Sie reichen von Brettspielen über sportliche Zweikämpfe aller Art bis hin zum Kampf einander gegenüberstehender Heerscharen – womit der Kreis geschlossen wäre, denn Schach als das würdigste aller Brettspiele versinnbildlicht in seinen Figuren nichts anderes als den Kampf zweier einander gegenüberstehender Kriegsheere. [Retter: Spielzeug, 61f]

Man kann etwas Interessantes aus den alten Wappendarstellungen Nürnbergs aus dem Mittelalter ablesen. Der doppelköpfige Reichsadler, wie er noch auf dem mächtigen Tor zu sehen ist, das zur Kaiserburg führt, lässt drei Farben erkennen: golden der Grund, schwarz das Federkleid des Adlers, rot die Klauen und der Schnabel. Die alten Farben Schwarz-, Rot, -Gold wurden im 19. Jahrhundert und in der Bundesrepublik in ganz bewusster Anlehnung an unsere alte Geschichte zum Hoheitszeichen gewählt.

Im 15. Jahrhundert rechnet man mit einer Einwohnerzahl von 20.000 Menschen in Nürnberg. Mit heutigen Zeiten verglichen, in denen die Bevölkerungszahl Nürnbergs etwa eine halbe Million beträgt, ist das eine bescheidene Größe, nicht aber für damalige Zeiten. Nur wenige Städte, wie Ulm, Frankfurt und Köln, erreichten diese Bevölkerungszahl. So gehörte Nürnberg zu den bedeutendsten Großstädten des Mittelalters. [Maas: Nürnberg, 33, 43]

Am Anfang der nachweisbaren Spielzeugherstellung in Nürnberg steht die Fertigung von Puppen aus weißem, ungebranntem Ton. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Nürnberg bei Bauarbeiten eine größere Anzahl fingergroßer Puppen gefunden. Da es sich nicht um Einzelfunde handelt, kann man annehmen, dass diese Tonpuppen bereits in gewissem Umfang Handelsgegenstände waren, die wohl zumindest zum Teil in der Stadt gefertigt worden sind. Dieser Fund ist der zweitälteste Hinweis auf eine gewerbliche Fertigung von Puppen in Europa. Archivalische Hinweise auf die Existenz von Spielwarenherstellern in Nürnberg finden sich bereits wenig später. Im Jahre 1400 werden in städtischen Steuerlisten zwei „Tockenmacher“ erwähnt. Da das altdeutsche Wort „Tocke“ oder „Docke“ Puppe bedeutet, handelt es sich bei den erwähnten Handwerkern also um Puppenmacher. Aus anderen Einträgen geht hervor, dass es auch bereits Holzpuppenmacher gab, deren Bedeutung im Laufe der Zeit immer mehr zunahm. [Schwarz: Kongressvortrag (5.2.4.3)]

2.1.4 Neuzeit

Etwa ab dem 16. Jahrhundert kann man vom Spielzeug als echter Handelsware sprechen, und Nürnberg war ihr Hauptumschlagsplatz. Aufgrund der zentralen und verkehrsgünstigen Lage in Europa blieb diese Stadt über Jahrhunderte hinweg das eigentliche Zentrum des Spielzeughandels.

Der wichtigste und meistgebrauchte Werkstoff, der in der Neuzeit nicht nur dem Spielzeuggewerbe, sondern damit gleichzeitig auch einer ganzen Volkskunst zum Aufblühen verhalf, war zweifellos das Holz. Mit der Ausweitung von Handel und Verkehr im 16. Jahrhundert entwickelte sich in einigen waldreichen Gebieten Thüringens und Sachsens wie auch im süddeutschen Raum eine spezifische Hausindustrie für Spielzeug, welche die Bedeutung Nürnbergs als Spielwaren- und Handelsstadt noch erhöhte. [Retter: Spielzeug, 69]

So vielfältig die Herstellung von Puppen und Figuren in den verschiedensten Variationen bereits scheinen mag, stellte sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur einen Teil der lokalen Spielwarenproduktion dar. Der Nürnberger Kaufmann Johann Hieronimus Bestelmeier, Besitzer eines großen „Kaufhauses“ in der Nürnberger Altstadt, führte in seinem 1798 erschienenen Spielwarenkatalog bereits ca. 8000 Artikel auf, die nach seinem Bekunden alle aus Nürnberger Werkstätten stammten und nicht einmal Puppen, Puppenküchen und Papierspielwaren enthielten.

Ein derartig vielfältiges Angebot lässt sich nur mit der Existenz eines internationalen Marktes einerseits und eines spezialisierten und deshalb billig produzierenden Gewerbes auf der anderen Seite erklären. Vermittelnd zwischen Markt und Produktion steht eine innovative Kaufmannschaft, deren weit reichende Handelsverbindungen für den Absatz der international bekannten „Nürnberger Waren“ sorgten.

Der Austausch von Waren und Ideen schuf in Nürnberg ein innovationsfreudiges Klima, das Handel wie Gewerbe befruchtete und den Erfindungsgeist der Nürnberger Handwerker herausforderte. „Hätt ich Venedigs Macht, Augsburger Pracht, Nürnberger Witz[4], Straßburger Geschütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.“ Dieser im 15. Jahrhundert entstandene Spruch charakterisiert die Rolle Nürnbergs als eine „Wiege der Technik“ in Deutschland. Die erste deutsche Papiermühle wurde hier 1390 eingerichtet, die Drahtherstellung wurde hier erfunden, ebenso das Verzinnen von Blechen, der Schraubstock oder die Taschenuhr. Später fuhr sogar die erste deutsche Eisenbahn in Nürnberg. Die erste Eisenbahnstrecke in Deutschland wurde zwischen Fürth und Nürnberg errichtet. [Schwarz: Kongressvortrag, (4.2.4.3)]

2.1.5 Industriezeitalter

Umfassende Modernisierungsprozesse veränderten im Laufe des 19. Jahrhunderts Umfang und Struktur des Spielwarengewerbes in starkem Maße. Während Nürnberg nach dem Ende seiner politischen Selbständigkeit 1806 im neu geschaffenen Königreich Bayern zu dessen industriellem Herzen heranwuchs, verlor die alte Handwerksindustrie zunehmend an Bedeutung. Durch die schrittweise Einführung der Gewerbefreiheit drängten immer mehr Handwerker und Arbeiter in die Spielwarenfertigung. Bis in die 60er Jahre stieg ihre Zahl bereits auf weit über 400 an, doch erst mit der Einführung der völligen Gewerbefreiheit in Bayern 1869 begann ein explosionsartiges Wachstum. Bis 1895 verdreifachte sich die Zahl der mit Spielwarenherstellung beschäftigten Personen auf 1366. Nach Schätzungen waren nur 10 Jahre später sogar etwa 8000 Personen in dieser Branche tätig. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Betriebe enorm. Das Nürnberger Adressbuch weist für 1914, nach verarbeiteten Werkstoffen getrennt, insgesamt 243 Spielwarenbetriebe aus. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich die Wandlung des Spielwarengewerbes vom Handwerks- zum Fabrikbetrieb und – parallel hierzu – der Übergang von den „alten“ Werkstoffen Holz und Papier zu dem „neuen“ Werkstoff Metall.

Nürnberger Spielzeug wurde bis zur Jahrhundertmitte noch überwiegend handwerklich aus Holz und Papier gefertigt. Ab dieser Zeit ermöglichte jedoch der verstärkte Einsatz von Pressen und Stanzen, die manuell oder motorisch betrieben werden konnten, sowie die Verbilligung der nunmehr industriell hergestellten Bleche die Aufnahme der fabrikmäßigen Produktion von Metallspielwaren. Aus blechverarbeitenden Handwerksbetrieben, aber auch durch Neugründungen kapitalkräftiger Kaufleute entstanden nach und nach Blechspielwarenfabriken, deren hochwertige Produkte als Spiegelbild einer zunehmenden technikbestimmten Zivilisation mit Eisenbahnen, Dampfmaschinen, Antriebsmodellen und mechanischen Figuren die „Welt aus Blech“ prägten. In dieser „metallenen Fabrikationsperiode“, wie sie eine Fachzeitschrift schon 1887 nannte, ging der Trend eindeutig zum Großbetrieb. So arbeiteten 1905 drei Viertel der ca. 5000 in der Metallspielwarenherstellung Beschäftigten in nur 16 von insgesamt 113 einschlägigen Betrieben. Allein die damals größte Spielwarenfabrik der Welt, die „Nürnberger Metallwarenfabrik Gebrüder Bing AG“, beschäftigte zu dieser Zeit etwa 2700 Personen, die allerdings nicht nur in der Spielwarenproduktion eingesetzt wurden. Die Stadt Nürnberg war zum unumstrittenen Zentrum der Metallspielwarenindustrie geworden, dessen Erzeugnisse von den großen Exporthandelshäusern in alle Welt vertrieben wurden. Die besondere Stärke der Nürnberger Spielwarenindustrie lag zu dieser Zeit vor allem in dem riesigen Sortiment aller Preiskategorien und Qualitäten und der außerordentlich hohen Flexibilität in Bezug auf die speziellen Wünsche der Kundschaft aller Welt. [Schwarz: Kongressvortrag (4.2.4.3)]

2.1.6 Erster und Zweiter Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg beendete die „Goldene Zeit“ der Nürnberger Spielwarenindustrie. Die Umstellung auf die Rüstungsproduktion und die Abschottung von den internationalen Märkten ließ die Nürnberger Spielwarenproduktion faktisch zum Erliegen kommen. Das Fehlen der übermächtigen Nürnberger Konkurrenz begünstigte während der Kriegsjahre die Entstehung von Spielwarenfabriken im Ausland und hier vor allem in den USA, einem Hauptabnehmer deutschen Spielzeugs. Nach dem Kriege konnte die Nürnberger Spielzeugindustrie nicht mehr zu der einstigen beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt zurückfinden. Dennoch blieb sie ein äußerst wichtiger Erwerbszweig und behauptete mit 32 Prozent Anteil am Gesamtwert der deutschen Spielwarenproduktion ihre quantitative Spitzenstellung.

In den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wuchsen die großen Fabriken weiter und verdrängten die kleineren Betriebe zusehends. Innerhalb der Betriebe schritt der Maschineneinsatz voran und durch technische Innovationen und Rationalisierungen nahm die Bedeutung der Heimarbeit ab. Doch mit der Weltwirtschaftskrise und der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderte sich das Bild. Die Rassenpolitik der Nazis trieb die meisten jüdischen Spielwarenindustriellen aus Nürnberg ins Exil, zumeist nach England, Palästina oder in die USA. Dieser große Verlust an unternehmerischer Schaffenskraft führte in Verbindung mit dem selbst verschuldeten Boykott deutscher Spielwaren im Ausland zu einer bedeutenden Schwächung der Nürnberger Spielwarenindustrie und begünstigte zugleich den weiteren Aufschwung der ausländischen Spielwarenproduktion.

Wie im Ersten Weltkrieg mussten auch ab 1939 die Nürnberger Spielwarenfabriken auf die Produktion von Rüstungsgütern umstellen. Im Sommer 1943 kam es zu einem generellen Produktionsverbot für Spielwaren. Nach Kriegsende im Mai 1945 stand die Nürnberger Spielwarenindustrie vor einem völligen Neubeginn: Die Hälfte aller Spielzeugfabriken war zerstört, viele qualifizierte Mitarbeiter waren tot oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft. Materialnot, Kapitalmangel und der Zusammenbruch der Handelsbeziehungen und Absatzmöglichkeiten ließen die Produktion von Spielzeug zunächst unmöglich erscheinen. In dieser Situation erwies es sich als Glücksfall, dass Nürnberg in der amerikanischen Besatzungszone lag und die Militärregierung aus Gründen der Devisenbeschaffung die Produktion von Spielzeug exklusiv für den US-Markt anordnete. Fast zwei Jahre lang arbeiteten einige der renommiertesten Firmen wie TRIX oder FLEISCHMANN nur für den amerikanischen Markt. Sie hatten damit einen deutlichen Startvorteil, als nach der Währungsreform 1948 und der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 der Wiederaufbau in geregelte Bahnen gelenkt wurde. [Schwarz: Kongressvortrag (4.2.4.3)]

2.1.7 Wirtschaftswunderjahre

Die Wirtschaftswunderjahre führten zu einer erstaunlich raschen Erholung der westlichen Spielzeugindustrie. Zwischen 1948 und 1953 stieg die Spielwarenausfuhr der Bundesrepublik von 8 auf 100 Millionen DM. Dieser rasche Aufschwung kam vor allem den Nürnberg-Fürther Blechspielwarenfabriken zugute, denn zwei Drittel der Gesamtproduktion entfielen auf Metallspielzeug.

Die 50er Jahre wurden nochmals Nürnberger Erfolgsjahre. Die Firmen TRIX, FLEISCHMANN und LEHMANN (2.2.2) machten Nürnberg zum Zentrum der Modelleisenbahnproduktion. Die renommierte Brandenburger Firma LEHMANN hatte ihren Firmensitz aus der sowjetischen Besatzungszone nach Nürnberg verlegt. Und schließlich profitiert Nürnberg bis heute ganz erheblich von der Spielzeugmesse, die hier 1950 erstmals durchgeführt wurde. [Schwarz: Kongressvortrag (4.2.4.3)]

2.1.8 Weltgrößte Spielwarenmesse

Als durch die Teilung Deutschlands der traditionelle Messestandort Leipzig von den westlichen Märkten abgeschnitten wurde, setzten einflussreiche Industrielle und Kaufleute alles daran, die Messe in Nürnberg anzusiedeln. Der Erfolg gab ihnen Recht: Unterstützt von der Stadt Nürnberg und dem Land Bayern entwickelte sich die Messe aus kleinen Anfängen zur mit Abstand bedeutendsten Messe der Branche. 1997 stellten 2668 Firmen aus 53 Ländern auf 84.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine Million Artikel aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Expansion der Ausstellungsfläche der Spielwarenmesse (interpoliert mit den Werten für das Jahr 1950 = 3208 qm und 2003 = 160.000 qm) [ www.spielwarenmesse.de ]

Dieser Weltkongress der Produzenten, Händler und Produkte führt die alte Tradition der Spielzeugstadt Nürnberg in moderner Form fort. Nicht zuletzt aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Messe haben auch fast alle Zentralverbände der deutschen Spielwarenindustrie und des Handels ihren Sitz in Nürnberg.

Dennoch hat der Strukturwandel und die Globalisierung der Spielzeugindustrie in den letzten drei Jahrzehnten tiefe Spuren in der Nürnberger Wirtschaftsstruktur hinterlassen. Die weltweite Konkurrenz und insbesondere das außerordentliche Wachstum der amerikanischen und asiatischen Spielzeugproduktion haben Deutschland schon seit Mitte der 70er Jahre von einem Spielzeugexportland zu einem Importland werden lassen.

So hat die Nürnberger Region – wie die gesamte deutsche Spielwarenindustrie – in den letzten Jahrzehnten zweifellos einen enormen Bedeutungsverlust auf dem Gebiet der Spielwarenproduktion hinnehmen müssen. Berücksichtigt man aber die hervorgehobene Stellung Nürnbergs als Messe- und Handelsstadt, so lässt sich vor dem Hintergrund ihrer außerordentlich reichen Geschichte sicher behaupten, dass Nürnberg auch heute noch einen besonderen Platz in der Geographie der Spielzeugwelt beanspruchen darf. [Schwarz: Kongressvortrag (4.2.4.3)]

2.2 Chronik berühmter Nürnberger Spielzeugfirmen

Es existieren zwar eine Menge Veröffentlichungen über Spielzeug und über die Stadt Nürnberg selbst, aber kaum Literatur über die „Spielzeugstadt“ Nürnberg. So findet man auch nur wenig veröffentlichte Literatur über die historisch ansässigen Spielzeugfirmen in Nürnberg. Das Nürnberger Spielzeugmuseum publizierte bisher fünf Bände, welche einen Großteil der Veröffentlichungen hierzu repräsentieren.

In den nächsten zwei Kapiteln werden beispielhaft zwei in Nürnberg angesiedelte Spielwarenfirmen vorgestellt, welche speziell im „Band II“ und „Band V“ des Spielzeugmuseums behandelt werden. Die erste Firma (2.2.1) ist ein Beispiel für alle Nürnberger Spielwarenfirmen, die dem modernen Konkurrenzdruck nicht gewachsen waren und heute nicht mehr existieren. Die zweite Firma (2.2.2) ist bis heute Bestandteil der Nürnberger Spielwarenindustrie.

2.2.1 J. W. Spear & Söhne

Die folgenden Kapitel berichten von der Firma „J. W. Spear & Söhne“ und ihrer Gründung in Fürth (2.2.1.1), dem Umzug nach Nürnberg (2.2.1.2), der Flucht nach England (2.2.1.3), dem Verkaufserfolg von „Scrabble“ (2.2.1.4), dem Verkauf der Firma (2.2.1.5) und schließlich endet die Beschreibung mit einer historischen Kurzübersicht (2.2.1.6) der Firma.

Im Jahre 1832 wurde Jacob Wolf Spier in einer jüdischen Familie in Deutschland geboren. Die wirtschaftliche Not und die Hoffnung auf ein besseres Leben ließen in den 1850er Jahren die Auswanderung zu einer Massenbewegung anschwellen. Über eine Million Deutsche verließen ihre Heimat, bevorzugtes Ziel waren die Vereinigten Staaten von Amerika. Auch Jacob Wolf Spier wanderte 1852 nach Amerika aus und blieb dort für fast 10 Jahre. Er heiratete dort eine Deutsche und aus dieser Ehe gingen noch in der USA zwei Kinder, Ralph und Joseph, hervor. Sie trugen bereits den Nachnamen „Spear“, denn nach einer in den USA durchaus üblichen Praxis war der deutsche Name unter Beibehaltung der Aussprache zu „Spear“ anglisiert worden.

Wie zehn Prozent der damaligen deutschen USA-Auswanderer kehrte die Familie Spear aus dem Land ihrer enttäuschten Träume nach Deutschland zurück. Die bayerische Stadt Fürth bildete 1861 die erste Station auf dem Wege zum Aufbau einer neuen Existenz. Doch schon 1862 zog J. W. Spear in einen kleinen oberfränkischen Ort bei Bamberg um, wo er vier Jahre lang als Geschäftsführer einer Holzwarenfabrik tätig war. Im August 1868 ließ sich die Familie Spear in Sonneberg im Herzogtum Sachsen-Meiningen nieder. Das Ehepaar Spear hatte mittlerweile für fünf Kinder zu sorgen. Vier weitere sollten in Sonneberg noch folgen. Bereits ein Jahr später 1869 trat dort J. W. Spear als Gesellschafter in einer Firma ein, die u. a. Farbkästen, Schatullen und Spiele produzierte.

Für einen so unruhigen Geist wie Jacob Spear war endgültig die Zeit für den Sprung in die Unabhängigkeit gekommen und so emigrierte er mit seiner ganzen Familie ein zweites Mal aus Deutschland – nach England. In London gründete er 1878 ein Importgeschäft für Kurzwaren. Kaum hatte sich das Geschäft etabliert, kümmerten sich seine drei ältesten Söhne in London um die Firma und die restliche Familie zog nach Fürth in Deutschland zurück, wo sich die Spears im Juli 1879 niederließen.

2.2.1.1 Gründung in Fürth

Im gleichen Jahr gründete J. W. Spear ein Import- und Exportgeschäft mit Kurzwaren in Fürth. War Spear mit seinem Handelgeschäft zunächst noch Untermieter einer Spielefabrik in Fürth, so erwarb er 1883 ein Villenanwesen, in dessen rückwärtigem Teil er noch im selben Jahr ein Fabrikgebäude errichten ließ. Die Expansion der 80er Jahre blieb nicht ohne Folgen auf die Geschäftsführung und so traten 1885 die beiden ältesten Söhne – Raphael und Joseph Spear – als Gesellschafter in die Firma ein. Der Firmenname erhielt damit seine über Jahrzehnte gültige Gestalt: J. W. Spear & Söhne. Das Hauptgeschäft befand sich in Fürth, die Niederlassung in London wurde 1889 geschlossen. In diesem Jahr erfuhr die Fabrik eine wesentliche Vergrößerung und Modernisierung durch die Umstellung auf Dampfbetrieb. An einem ungewöhnlich heißen Tag im Mai 1892 brach kurz nach Arbeitsschluss in der Spielefabrik ein Großfeuer aus. Der Feuerwehr gelang es unter großer Mühe, ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbargrundstücke zu verhindern. Im Hinblick auf die etwa 140 beschäftigungslos gewordenen Arbeiter drängte Jacob Spear bei den Behörden auf eine rasche Erlaubnis zu einem Wiederaufbau und so konnte die Fabrik Weihnachten 1892 in modifizierter und leicht vergrößerter Form wieder die Produktion aufnehmen.

Die Nachbarn und Anwohner befürchteten, dass sich die Brandkatastrophe wegen dem tagtäglichen Umgang mit feuergefährlichen Materialien wie Papier, Pappe, Holz, Lacke und Spiritus jederzeit wiederholen könnte. Zwar wurden beim Wiederaufbau der Fabrik zusätzliche Brandschutzmaßnahmen realisiert, aber in diesem Klima der Sorge und des Argwohns brach im Mai 1893 erneut ein Brand in der Spielefabrik aus. Er konnte zwar rasch gelöscht werden, doch gab er den Anlass zu einer polizeilichen Untersuchung, in deren Verlauf die Nachbarschaft – in der Regel Geschäftsleute und andere vermögende Bürger der Stadt – die Stilllegung des Betriebs verlangte. Die Auseinandersetzungen verschärften sich zusehends und weitere Gerüchte rückten Jacob Spear in die Nähe eines Verbrechers. Am 3. September 1893 erhängte sich Jacob Wolf Spear in seiner Fabrik.

[...]


[1] Sublimation = Auf eine höhere Ebene erheben, ins Erhabene steigern; verfeinern, veredeln.

[2] Buytendijk = F.J.J. Buytendijk, historischer Spieltheoretiker aus Berlin 1933

[3] Maas und Schelde: Flüsse im heutigen West- und Mitteleuropa in Belgien und Frankreich

[4] Witz: Dieses Wort hatte damals die Bedeutung von Idee und Erfindungsgeist.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832473532
ISBN (Paperback)
9783838673530
DOI
10.3239/9783832473532
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg – Informatik
Erscheinungsdatum
2003 (Oktober)
Note
1,5
Schlagworte
marktanalyse marktbeobachtung marktpotential marktsättigung spielwaren
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Titel: Der Markt des Spielwaren-Einzelhandels in Nürnberg
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