Die wichtigsten Teilstrategien zu einer systematischen Arbeitszeitverkürzung
Zusammenfassung
Diese aus dem Jahr 1996 stammende Diplomarbeit erweist sich als eine bis heute aktuelle Studie über die Teilstrategien zu einer systematischen Arbeitszeitverkürzung. Als Politikberatungskonzept weist sie eine ungebrochene Brisanz in der Diskussion um die Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt auf.
In der Diplomarbeit wird der Frage nachgegangen, welche Anforderungen eine systematische Strategie der Arbeitszeitverkürzung an die Akteure des Arbeitslebens stellt, damit die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend abgebaut werden kann.
Dabei gehe ich von zwei Voraussetzungen aus: Zum einen hat eine beschäftigungspolitisch erfolgreiche Strategie forcierter Arbeitszeitverkürzung die einzelnen Teilstrategien zu bündeln, um einen größtmöglichen beschäftigungswirksamen Effekt zu entfalten und zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit beitragen zu können. Diese Teilstrategien wähle ich aus übereinstimmenden Maßnahmenkatalogen von SozialwissenschaftlerInnen und Gewerkschaften: Verkürzung der wöchentlichen Arbeits-zeit, Vorruhestandsregelungen, Abbau von Überstunden und freiwillige Teilzeitarbeit. Zum anderen sind alle genannten Akteure des Arbeitslebens gefordert: Unternehmen, Gewerkschaften, ArbeitnehmerInnen und staatliche Instanzen.
Bei der Untersuchung der Formen der Arbeitszeitverkürzung werden jeweils drei wesentliche Aspekte analysiert: 1. die Beschäftigungswirkung, 2. die Kostenfrage der Arbeitszeitverkürzung und 3. die Existenzsicherung der Beschäftigten.
Den ersten Schritt zu einer praktischen Bündelung der Teilstrategien vollziehe ich daher mit dieser Sammlung von Modellen und Anforderungen unter dem Hauptgesichtspunkt eines konkreten Abbaus der Massenarbeitslosigkeit. Der Dialog zwischen TheoretikerInnen und PraktikerInnen wird hier nachgezeichnet, um zu einem Beratungskonzept zu gelangen, das alle Akteure bei der Bewältigung der Krise auf dem Arbeitsmarkt durch eine forcierte und gleichzeitig praktikable Arbeitszeitverkürzung mit einbezieht.
Inhaltsverzeichnis:
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Methode und Vorgehensweise
2. Ausgangslage
2.1. Hauptursachen der Massenarbeitslosigkeit
2.2. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung
2.3. Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
durch Arbeitszeitverkürzungen
3. Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit
3.1. Beschäftigungswirkungen
3.2. Kostenentwicklungen
3.2.1 AZV mit Lohnausgleich
3.2.2 AZV ohne Lohnausgleich
3.2.3 Kostenneutralität von AZV
3.2.4 Flexibilisierung
3.3. Anforderungen
3.3.1 Flexibilisierung der wöchentlichen Arbeitszeit: Zeitsouveränität oder Auflösung der tariflichen Schutzrechte?
a) Flexible Arbeitszeit und tarifliche Absicherung
b) 'New Deal' in Wirtschaft und Gesellschaft
3.3.2 Beiträge der Erwerbstätigen
a) Sockel- oder Festbeträge
3.3.3 Lohnsubventionen und Arbeitsmarktfonds
3.3.4 Angleichung der Arbeitszeiten Ost - West auf Westniveau
4. Abbau von Überstunden
4.1. Volumenrechnung und Kostenbetrachtung
4.2. Anforderungen
4.2.1 Das Arbeitszeitrechtsgesetz
4.2.2 Qualitative Tarifpolitik
5. Vorruhestandsregelungen
5.1. Beschäftigungswirkungen
5.2. Kostenentwicklungen
5.3. Anforderungen
5.3.1 Soziale Sicherung im Alter
a) Grundrente
b) Lockerung des Äquivalenzprinzips
5.3.2 Ausbau der Altersteilszeit und Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen
6. Freiwillige Teilzeitarbeit
6.1. Beschäftigungswirkungen
6.2. Kostenentwicklungen
6.3. Anforderungen
6.3.1 Teilzeitarbeitsplätze
a) Teilzeitarbeitsplätze in Führungspositionen
b) Teilzeitarbeit in Ostdeutschland
6.3.2 Sabbaticals
6.3.3 Soziale Sicherung
a) Subvention von Teilzeitarbeitsplätzen
b) Geringfügige Beschäftigung
6.3.4 Gewerkschaftliche Perspektiven
a) Optionale AZV
b) Mitbestimmung
7. Zusammenfassung
7.1. Bündelung der Teilstrategien
7.2. Einbezug aller Akteure des Arbeitslebens in den Abbau der Massenarbeitslosigkeit
8. Schlussbemerkung
9. Literaturhinweise
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
In dieser Diplomarbeit wird der Frage nachgegangen, welche Anforderungen eine systematische Strategie der Arbeitszeitverkürzung an die Akteure des Arbeitslebens stellt, damit die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend abgebaut werden kann.
Dabei gehe ich von zwei Voraussetzungen aus: Zum einen hat eine beschäftigungspolitisch erfolgreiche Strategie forcierter Arbeitszeitverkürzung die einzelnen Teilstrategien zu bündeln, um einen größtmöglichen beschäftigungswirksamen Effekt zu entfalten und zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit beitragen zu können. "Ein erfolgreiches Bemühen zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 muss auf die verschiedenen Varianten der Arbeitszeitverkürzung setzen... Alle Varianten sind gleichzeitig zu fördern." (Berliner Memorandum 1995:20). Diese Varianten bzw. Teilstrategien wähle ich aus übereinstimmenden Maßnahmenkatalogen von SozialwissenschaftlerInnen und Gewerkschaften (vgl. Berliner Erklärung 1994; 'Solidarität am Standort Deutschland' 1994; DGB 1995:12f.): Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, Vorruhestandsregelungen, Abbau von Überstunden und freiwillige Teilzeitarbeit. Zum anderen sind alle genannten "Akteure des Arbeitslebens" (Armingeon 1995:15) gefordert: Unternehmen, Gewerkschaften, ArbeitnehmerInnen und staatliche Instanzen. In diesem Zusammenhang sind schon in den 80er Jahren Vorschläge zu einer Konzertierten Aktion erhoben worden (vgl. Vilmar 1983, Scharpf 1984), die alle AkteurInnen in die Verantwortung für den Abbau der Massenarbeitslosigkeit einbeziehen. Diese Forderung hat insbesondere nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten mit dem rapiden Anstieg der (Dauer)Arbeitslosigkeit neues Gewicht erlangt, da große Schritte an Arbeitszeitverkürzung von den Tarifparteien allein nicht mehr geleistet werden können, weil sie den durch die Produktivitätsfortschritte abgesteckten Verteilungsspielraum überschreiten müsste.
Den ersten Schritt zu der Bündelung vollziehe ich mit der Sammlung von Modellen und Anforderungen unter dem Hauptgesichtspunkt des Abbaus der Massenarbeitslosigkeit, durch die der Dialog zwischen und unter TheoretikerInnen und PraktikerInnen nachgezeichnet wird, um zu einem Beratungskonzept zu gelangen, das auf die verschiedenen Akteure zielt.
Bei der Untersuchung der Formen der Arbeitszeitverkürzung sind drei Aspekte von Bedeutung: 1. die Beschäftigungswirkung, 2. die Kostenfrage der Arbeitszeitverkürzung und 3. die Existenzsicherung der Beschäftigten. Die Beschäftigungspotentiale der Arbeitszeitverkürzung sind ein Kernpunkt dieser Diplomarbeit; die beiden letztgenannten Punkte erweisen sich dabei als Rahmenbedingungen für den Abbau der Arbeitslosigkeit mittels Arbeitszeitverkürzungen. Folgenden Fragen, die sich aus diesen Aspekten ergeben, soll in dieser Diplomarbeit nachgegangen werden:
- Welche Beschäftigungswirkungen ergeben sich aus den Teilstrategien?
- Wie können entstehende Kosten umverteilt werden bzw. wodurch werden sie
ausgeglichen?
- Welche Konsequenzen ergeben sich für die gewerkschaftlichen Zielsetzungen?
- Welche staatlichen Maßnahmen und/ oder (Neu)Regelungen unterstützen
flankierend die Durchführung einer Arbeitszeitverkürzung?
- Welchen Beitrag haben Unternehmen wie ArbeitnehmerInnen in dem oben
genannten. Sinne zu leisten?
- Welche Auswirkungen haben Arbeitszeitverkürzungen auf das System der
sozialen Sicherung und wie kann diese gewährleistet werden?
Arbeitslosigkeit ist ein gravierendes sozialpolitisches und wirtschaftliches Problem. Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist die Erwerbstätigkeit die einzige Form, ihre Existenz zu sichern. Arbeitslosigkeit ist für die meisten Betroffenen gleichbedeutend mit dem Verlust der Möglichkeit der persönlichen Entfaltung durch Arbeit und mit Einbußen an Einkommen, eigenständiger Lebensplanung und Lebensgestaltung verbunden. Anhaltende Massenarbeitslosigkeit gefährdet durch sinkende Beitragseinnahmen und laufende Sozialausgaben das System sozialer Sicherung. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bedeutet Massenarbeitslosigkeit einen unfreiwilligen Verzicht auf die volle Ausnutzung des Erwerbspersonenpotentials. Darüber hinaus stellt Massenarbeitslosigkeit eine Bedrohung des politischen Systems dar, indem sie die Gefahr einer politischen Radikalisierung trägt.
Die sich seit Mitte der 70er Jahre abzeichnende anhaltende Massenarbeitslosigkeit hat sich mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten erheblich verschärft. Die strukturelle Entwicklung in den alten Bundesländern und insbesondere die krisenhafte Konjunktur in den neuen Ländern ließen die Arbeitslosenzahlen insgesamt auf 3,8 Mio. im Jahr 1995 ansteigen (BA 4/95). Noch für das Jahr 2000 wird eine Arbeitsplatzlücke von sechs Mio. prognostiziert (Prognos AG, zit.n. Müller 1994).
Über das Mittel der Arbeitszeitverkürzung zum Abbau der Arbeitslosigkeit ist seit Mitte der 80er Jahre ausführlich und kontrovers diskutiert worden.[1] Arbeitszeitverkürzungen wurden in der Regel zur Sicherung vorhandener Arbeitsplätze eingesetzt, und tatsächlich hätte ein Festhalten an der 40-Stunden-Woche weitaus mehr Arbeitslose hervorgebracht.
Arbeitszeitverkürzung ist nicht nur ein Mittel, Arbeitsplätze in auftragsarmen Phasen zu erhalten; Berechnungen über Beschäftigungswirkungen, so konträr sie im einzelnen sind, zeigen ein beachtliches Potential an Entlastungen auf dem Arbeitsmarkt. Bei dem Themenkomplex Arbeitszeitverkürzung können zwei Punkte nicht übersehen werden: zum einen ist eine Strategie der forcierten Arbeitszeitverkürzung ein Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit; dem öffentlich geförderten Beschäftigungs- und Qualifizierungssektor über die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik sowie ökologischen Innovations- und Investitionsprogrammen kommt dessenungeachtet weiterhin hohe Bedeutung zu. Zum anderen verlaufen Arbeitszeitverkürzungen nur kosten- bzw. einkommensneutral, wenn sie sich im Verteilungsspielraum bewegen und/ oder wenn flankierende Umverteilungsmaßnahmen ergriffen werden, die diesen Verteilungsspielraum vergrößern. Vorzustellende Studien belegen die These, dass zu einem weitgehenden Abbau der Massenarbeitslosigkeit der bislang gegebene Verteilungsspielraum überschritten werden muss.
1. Methode und Vorgehensweise
Keller (1991:5) unterscheidet in Anlehnung an Coleman 1979 zwischen den drei korporativen Akteuren Arbeitgeber(verbände), ArbeitnehmerInnen und deren Interessenvertretungen, Staat bzw. staatliche "Agenturen". Im Zusammenhang mit der Diskussion um flexible Arbeitszeit und freiwillige Teilzeitarbeit, also um z.T. individuelle Vereinbarungen, erscheint es mir jedoch sinnvoll, ArbeitnehmerInnen als eigene Akteursgruppe aufzuführen. Coleman unterscheidet dabei ebenfalls zwischen individuellen und korporativen Akteuren. "Individuen schließen sich zu Korporationen (z.B. Vereinen, Parteien, Staaten, aber auch Verbänden) zusammen, wenn sie meinen, durch Zusammenlegung ihrer individuellen Ressourcen (vor allem Zeit und Geld) ihre Ziele eher und besser erreichen zu können als bei rein individuellem Einsatz ihrer Mittel." (Keller 1991:5). In der Bundesrepublik wird dieser Trend durch die zeitlich parallel verfolgte Politik einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit stabilisiert und verstärkt, da diese eine zweite, dezentralisierte Verhandlungsrunde auf Betriebsebene notwendig macht.
Methodischer Ansatzpunkt ist damit der akteurstheoretische Ansatz in der Arbeitspolitik. Dabei orientiere ich mich an der Definition von Arbeitspolitik nach dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: "Unter Arbeitspolitik wird der Prozess der Einflussnahme von betrieblichen, überbetrieblichen und staatlichen Handlungsträgern auf die Organisation des Arbeits- und Produktionsprozesses und seine sozialen Folgewirkungen - unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessenlagen - verstanden." (WZB 1988:82).
In dieser Arbeit soll der 'erste Schritt' der Sammlung von Arbeitszeitverkürzungs-Modellen vollzogen werden. Anhand von Literatur der 80er und vorwiegend der 90er Jahre wird eine Sammlung von Berechnungen und Vorschlägen zur Arbeitszeitverkürzung mit Zielrichtung einer "Arbeitsumverteilung" (Maier/Schettkatt 1990:40) erarbeitet. Nach Maier/Schettkatt (ebda.) kann eine Arbeitszeitverkürzungspolitik "in ihrer beschäftigungspolitischen Zielsetzung dahingehend differenziert werden, ob sie auf eine Umverteilung des Arbeitsvolumens bei einer Erhöhung der Zahl der beschäftigten Personen oder lediglich auf eine Umverteilung des Arbeitsvolumens zwischen einzelnen Gruppen gerichtet ist". Vorruhestandsregelungen lassen sich letzterem zuordnen, während die anderen Teilstrategien auf die Erhöhung der Arbeitsplätze zielen.
Es sollen 1. tarifliche Regelungen, 2. betriebliche Beispiele dann herangezogen werden, wenn sich an ihnen die erfolgreiche Umsetzung einer Arbeitszeitverkürzung respektive die notwendigen Anforderungen exemplarisch belegen lassen. Dabei spielen nicht nur Arbeitszeitverkürzungs-Modelle in der Industrie eine Rolle; auch im öffentlichen Dienst sind bereits Maßnahmen von Arbeitsumverteilung getroffen worden, die in erheblichem Maße Arbeitsplätze gesichert haben und hier ebenfalls vorgestellt werden.
Bei den Berechnungen von Beschäftigungseffekten und Kosten der einzelnen Maßnahmen beziehe ich mich auf neuere Studien des WZB, des WSI und des DIW.
2. Ausgangslage
Zunächst werden die Hauptursachen der Massenarbeitslosigkeit seit Mitte der 70er Jahre aufgezeigt (Kap. 2.1). Gezeigt werden soll hier auch, dass kontinuierliche Arbeitszeitverkürzungen die Arbeitslosigkeit zu einem großen Teil auffangen konnten.
Die Tatsache, dass der konjunkturelle Aufschwung in Deutschland Ende der 80er Jahre nicht zu einem nachhaltigen Rückgang der Arbeitslosigkeit geführt hat, und dass selbst bei optimistischen Wachstumsannahmen eine weiterhin hohe Arbeitslosenquote erwartet wird (IAB, zit.n. Müller 1994), führt zu der Annahme, dass sich das Wirtschaftswachstum in Grenzen hält, die keinen Abbau von Arbeitslosigkeit ermöglichen. Diese Annahme wird in Kap. 2.2. diskutiert.
Vielfach wird die mangelnde strukturelle Ausrichtung des Stabilitätsgesetzes kritisiert. Diese Kritik wird hier nachgezeichnet, um die Möglichkeit einer Erweiterung des Gesetzes hinsichtlich Arbeitszeitverkürzungs-Strategien zu untersuchen. Ökologische Gesichtspunkte, aus denen ein Wirtschaftswachstum nicht mehr vertretbar ist, müssen bei dieser Untersuchung ausgeklammert bleiben, da dieses Thema ein eigenes Forschungsfeld ist und den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen würde.
Die finanzielle Notwendigkeit von Strategien zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit und das Potential für Arbeitsumverteilungsmaßnahmen wird daraufhin anhand von Zahlen u.a. der Bundesanstalt für Arbeit verdeutlicht.
2.1. Hauptursachen der Massenarbeitslosigkeit
Die prozentualen Wachstumsraten in der Bundesrepublik Deutschland (West) weisen seit den 50er Jahren zyklische Schwankungen mit einem fallenden Trend auf. Belief sich das durchschnittliche Wachstum in den 50er Jahren noch auf 8% (Quelle: Statistisches Bundesamt, nach: Czada u.a. 1992:202), fiel es in den 60er Jahren auf durchschnitlich 4,5%. In den 70er Jahren belief es auf nur noch rund 2,7% (ebda.). Seit Mitte der 70er Jahre ist die Wirtschaft weniger gewachsen als die Produktivität der Arbeit. Da die Ölkrise hinzukam, stieg die Arbeitslosigkeit 1974/75 sprunghaft an.[2] Steigende Rationalisierung in Richtung Mikroelektronik, Auslagerung von Massenproduktion ins billigere Ausland und ein stagnierender Weltmarkt verschärften diesen Trend und führten seit Mitte der 70er Jahre zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, die mit der weiteren Rezession Anfang der 80er Jahre erstmals die Zwei-Millionengrenze überschritt (vgl. Czada u.a. 1992:327). Der Beschäftigungsgrad, der vor Eintritt in den jeweiligen Abschwung galt, wurde im Zuge des nachfolgenden Konjunkturaufschwungs nicht mehr erreicht.
Vielfach werden weltweite Sättigungstendenzen als Grund für steigende Arbeitslosigkeit durch Nachfrageausfall angegeben.[3] Dieses Argument wird auch nicht entkräftet mit Hinweis auf den innerdeutschen Handel; die gestiegene arbeitplatzschaffende Nachfrage nach Westprodukten nach der 'Wende' (vgl. Friedrich/Wiedemeyer 1994:64) führte in Ostdeutschland (bei gleichzeitigem Zusammenbruch des Osthandels) zu einem nachhaltigen Arbeitsplatzabbau und wirkte auch in Westdeutschland nur kurzfristig (1991/92).
Diese langfristigen Sättigungstendenzen und die internationale Konkurrenzsituation mit der Folge nachlassenden Wirtschaftswachstums führten zu starkem Beschäftigungsabbau im primären und sekundären Sektor. Zwischen 1991 und 1994 sind im produzierenden Gewerbe rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze abgebaut worden (vgl. Brommann 1995). Die allgemeinen Strukturverschiebungen der einzelnen Sektoren in Richtung Dienstleistungssektor (vgl. Prognos 1988/89 für Westdeutschland; zit.n. Müller 1994) führten zu einer kontinuierlichen Zunahme der Beschäftigten in diesem Sektor. Waren 1960 noch 61,7% aller Erwerbstätigen im primären und sekundären Sektor beschäftigt, betrug der Anteil 1991 nur noch 42,6%, während sich der Anteil der Beschäftigten von 38,3% 1960 auf 57,4% 1991 erhöhte (vgl. Friedrich/Wiedemeyer 1994: 90). Die Ausweitung des Dienstleistungssektors ist ein Grund dafür, dass die Arbeitslosenquote trotz gestiegener Erwerbstätigkeit nicht noch höher liegt.[4] In Ostdeutschland kommt dagegen die Trendwende zur Dienstleistungsexpansion nur zögerlich in Gang, zumal der Beschäftigungseffekt durch das bereits hohe Produktivitätsniveau begrenzt wird (vgl. Friedrich/Wiedemeyer 1994:92/94).
Untersuchungen zeigen, dass darüber hinaus erhebliche Beschäftigungseffekte der Vergangenheit auf das Konto von Arbeitszeitverkürzungen gehen.[5] In einer Entlastungsrechnung kommen Reyher u.a. 1983 auf ein Beschäftigungsäquivalent für die insgesamt seit 1960 vorgenommenen Arbeitszeitverkürzungen von 2,6 Mio. netto[6] (vgl. Reyher u.a. 1983:107). Für die jüngere Zeit ergaben sich in einer Auswertung von zwölf verschiedenen Untersuchungen zur Beschäftigungswirkung von Arbeitszeitverkürzungen im Zeitraum von 1985 bis 1989 355 Tsd. bis 447 Tsd. gesicherte und geschaffene Arbeitsplätze (Seifert 1990:161ff.), im Zeitraum von 1983 bis 1992 insgesamt 700 Tsd. (Seifert 1993:747). Kurz-Scherf (1990:91) kommt im Vergleich von Arbeitsproduktivität, Wachstum und Beschäftigung im Zeitraum von 1984 bis 1987 gar auf eine durch Arbeitszeitverkürzung erhöhte Beschäftigtenzahl von 750.000. Zusammengefasst ergeben diese Berechnungen, dass seit 1960 insgesamt 3,3 Mio. Arbeitsplätze durch verschiedene Varianten der Arbeitszeitverkürzung gesichert oder geschaffen werden konnten.
Im folgenden soll erörtert werden, dass das geringere Wirtschaftswachstum, bis zu den Rezessionsjahren 1974/75 Ursache geringer Arbeitslosigkeit bzw. Vollbeschäftigung, den Anstieg der Arbeitslosigkeit bei gleichbleibender Arbeitsproduktivität nicht mehr ausgleichen konnte.[7] Hinzu kam, dass sich die Erwerbspersonenzahl allein im Zeitraum von 1988 bis 1991 um knapp zwei Millionen erhöht hat. Obwohl sich das Wirtschaftswachstum in dieser Aufschwungphase im Rahmen von 3,2 bis 4,5% bewegte (vgl. Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen 1993:2), stieg die Arbeitslosigkeit weiter an und beträgt inzwischen bundesweit 3,59 Millionen (9,4%) im August 1995 (BA 1995).
2.2. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung
Die Tatsache, dass ein Wirtschaftswachstum von 2,5% einen Zuwachs der Beschäftigung von lediglich 0,5% bewirken würde (vgl. Hickel 1995:193), wird mit dem Begriff 'jobless growth' umschrieben. Mit steigender Produktivitätsrate ist demnach offensichtlich, dass eine höhere Erwerbsbeteiligung nur durch ein sehr hohes Wirtschaftswachstum erreicht werden kann[8]: "Die längerfristige Entwicklung der Komponenten des Arbeitsmarktgeschehens in der Bundesrepublik zeigt deutlich, dass das Wirtschaftswachstum selbst in den 'Goldenen Sechziger Jahren' mit einer Steigerungsrate von rund fünf Prozent im Zehn-Jahres-Durchschnitt die Erwerbstätigenzahl nicht erhöhen konnte." (Maier/Schettkatt 1990:39). Wachstumsprognosen von 2,5% zeigen keinen nachhaltigen Einfluss auf die Arbeitslosenquote (Prognos 1993). Dennoch wird auch von wie BefürworterInnen einer Arbeitszeitverkürzung am Wirtschaftswachstum als Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit festgehalten.[9] Jedoch müsste 1995 ein Wachstum zwischen 2 und 3% (vgl. Kühl 1994:390 in der Auswertung mehrerer Wirtschaftsinstitute) erreicht werden, um nur das Arbeitsvolumen zu halten. Prognostiziert werden zwischen 2,5 und 3% (West) bzw. zwischen 8 und 10% (Ost) für 1995, sodass das Wachstum die Produktivität (2-3% bzw. 7.5-9%; ebda.) nur wenig übersteigt und die Arbeitslosigkeit dadurch nur in geringem Maße abgebaut werden kann.
Die Annahme, der Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung sei derart gestört, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung ohne positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bleibt, ist in dieser Form allerdings empirisch nicht zu belegen. Im Gegenteil zeigt eine Zusammenstellung von Vobruba (1990:44) nach Quellen des Sachverständigenrates einen deutlichen Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Weeber 1995 kommt in einer Untersuchung von Ursachen einer möglichen Entkoppelung und Beschäftigungseffekten des Wirtschaftswachstums zu dem Ergebnis, dass "positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt seit 1982 mit einem deutlich geringeren Wirtschaftswachstum zu erreichen (sind) als in früheren Perioden" (S. 601).[10] Dies legt nahe, dass sich Wirtschaftswachstum und Beschäftigung nicht entkoppelt haben, Unterbeschäftigung jedoch Folge eines zu geringen Wachstums ist (ebenso: Wohlers 1985:66).
Aufgrund der Tatsache, dass das gegenwärtige Wirtschaftswachstum keinen nachhaltigen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leistet, verteilen dem gegenüber Arbeitszeitverkürzungen das Arbeitsvolumen auf mehr Erwerbstätige.
Im Stabilitätsgesetz vom 8. Juni 1967 ist eine staatliche Vollbeschäftigungsgarantie nicht abzuleiten, jedoch verpflichtet sich der Staat, einen Beitrag zur Erzielung eines hohen Beschäftigungsstandes über die Instrumente der Fiskalpolitik zu leisten.[11] Das Gesetz wurde in der Folge des relativ leichten Konjunkturrückgangs 1966/67 in Kraft gesetzt und war darauf zugeschnitten; der Instabilität des Wirtschaftsprozesses konnte damit nicht entgegengewirkt werden, was schon wenige Jahre später zusätzliche Maßnahmen beschäftigungsorientierter Finanzpolitik hervorrief, die jedoch in den 80er Jahren bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten wieder zurück geschraubt wurden (vgl. Hickel/Priewe 1991:53ff.).
In den unkonkreten Indikatoren des Stabilitätsgesetzes gründen die differierenden Positionen des 'Staates als Krisenmanager' versus den 'Selbstheilungskräften des Marktes'. Da angesichts der sich verfestigenden Massenarbeitslosigkeit diese 'Selbstheilungskräfte' offensichtlich nicht ausreichen, fordern KritikerInnen eine strukturelle Ausrichtung der Arbeitsmarkt- und Stabilisierungspolitik mit der Konsequenz einer Ausweitung staatlicher Interventionen durch gezielte Maßnahmen.[12] Grundlage ist hier die Erkenntnis ökonomischer Krisentendenzen als Folge eines strukturellen Umbruchs in der Entwicklung der Industriegesellschaft. Durch eine Novellierung des Stabilitätsgesetzes könnten gemeinsame arbeitsmarktpolitische Strategien, insbesondere Arbeitszeitverkürzungs-Maßnahmen, zum ausdrücklichen Ziel der beteiligten Akteure gemacht werden. Dabei werden ausdrücklich nicht nur der Staat nach dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20GG), sondern auch die Tarifparteien gefordert. Auch Roth (1991:108ff.) fordert in diesem Zusammenhang eine bessere Koordination der Wirtschaftspolitik der verschiedenen Ebenen, Bereiche und Institutionen, da die "Fixierung auf ein rein quantitatives Wachstum" den wirtschaftlichen Anforderungen nicht mehr genüge.
Der Abbau der Massenarbeitslosigkeit ist nicht nur eine gesellschaftspolitische, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, wie die Betrachtung der Kosten der Arbeitslosigkeit ergibt:
Im Jahr 1995 sind von der Bundesregierung 100,5 Mrd. DM als Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit festgelegt worden (MittAB 4/94:397), von denen der größte Teil auf die direkte Unterstützung Arbeitsloser durch Arbeitslosengeld und -hilfe entfällt. Die gesamtfiskalischen Kosten, zur Verdeutlichung umgerechnet auf eine/n Arbeitslose/n pro Jahr, haben sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. 1984 bezifferten sich die Kosten auf 21.000 DM (Maier/Schettkatt 1990:44), 1991 durchschnittlich auf 24.676 DM (West 32.330 DM/Ost 17.000 DM[13] ; Bach/Spitznagel 1992:220f.). Kühl resümiert 1993 (a:11): "Wie stark die gesamtfiskalischen Kosten seither gestiegen sind, mag an der Tatsache abgelesen werden, dass allein die Ausgaben für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe von 1991 rund 31 Milliarden Mark über knapp 41 Milliarden 1992 auf über 52 Milliarden DM 1993 steigen werden." 1995 betrugen diese Ausgaben bereits 65,3 Milliarden DM (MittAB 4/94:397). Fiskalische Kosten verursachen darüber hinaus Sozialkosten für die Betreuung und Beratung von Arbeitslosen, 'Opportunitätskosten' durch den Verlust der potentiell möglichen Erstellung von Gütern und Dienstleistungen und die Entwertung des Arbeitsvermögens. Allein in den alten Bundesländern entfielen aufgrund von Arbeitslosigkeit 9,5 Mrd. DM an Rentenversicherung und 12,2 Mrd. DM an Lohnsteuer (IAB, nach: Czada u.a. 1992:334).
Unbestritten sind gravierende individuelle und familiäre psycho-soziale sowie gesundheitliche Folgen von (Langzeit)Arbeitslosigkeit. In den Neuen Ländern verschärft die fehlende historische Erfahrung die sozialen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit, zumal gerade für DDR-BürgerInnen Erwerbstätigkeit zentral für Selbstverständnis und soziale Kontakte war (vgl. Brinkmann/Wiedemann 1994).
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass Arbeitslosigkeit ein immenser ökonomischer und sozialer Kostenfaktor ist, dessen finanzielle Aufwendungen jedoch Potential bergen für eine forcierte Arbeitsumverteilung. In den Arbeitszeitverkürzungs-Strategien werden aus diesem Grund auch finanzielle Umverteilungsmöglichkeiten diskutiert, die sich auf diese Basis stützen.
2.3. Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
durch Arbeitszeitverkürzungen
In den folgenden Kapiteln zu den Teilstrategien der Arbeitszeitverkürzung wird gezeigt, dass die Zusammenfassung dieser Teilstrategien mindestens 3,6 Mio. Arbeitsplätze schafft oder erhält.
Ausschlaggebend im Komplex der Arbeitszeitverkürzungs-Strategien ist die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Auf der Grundlage vergangener Beschäftigungseffekte und der effektiven Beschäftigungswirkung von 50 bis 60% des rechnerischen Wertes können durch eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung 'in großen Schritten' von drei Stunden 0,9 bis 1,45 Mio. Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden.
Die Angleichung der Arbeitszeit in den neuen Ländern auf Westniveau hat einen Beschäftigungseffekt von 200.000 Arbeitsplätzen. Die Umwandlung bezahlter Überstunden in Freizeit beziffert sich auf 800.000 Arbeitsplätze. Die weitere Flexibilisierung in Verbindung mit Arbeitszeitverkürzung im Rahmen von Höchstjahresarbeitszeiten würde mindestens 1,2 Mio. Arbeitsplätze zur Folge haben, wenn die Jahresarbeitszeit aller Beschäftigten auf 1500 Stunden verringert wird.
Die Einführung der Teilrente hat bislang nur unwesentliche 'halbierte' Beschäftigungseffekte aufgrund geringer Inanspruchnahme zur Folge gehabt. In der Vergangenheit konnten zwar durch das Vorruhestandsgesetz 150.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden, von denen 80.000 Arbeitsplätze wiederbesetzt wurden; dieses wurde jedoch 1988 nicht verlängert. Das Vorruhestandsgesetz wurde auch deshalb nicht weitergeführt, weil die finanziellen Einsparungen nicht geleistet werden konnten, die mit einer umfassenden Arbeitszeitverkürzungs-Strategie und dem damit einhergehenden Beschäftigungseffekt erreicht worden wären.
Die größte Differenz in dem erwarteten Beschäftigungseffekt findet sich bei der Teilzeitarbeit: Aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen wurde ein Bedarf zwischen immerhin 0,5 und 1,4 Mio. ArbeitnehmerInnen ermittelt.
Die Flexibilisierung von Arbeitszeit hat sich zu einem Kernpunkt in der Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen, insbesondere der wöchentlichen Arbeitszeit und der Teilzeitarbeit, entwickelt. Beschäftigungswirksam wird hier die Form der Flexibilisierung, die zur Umorganisation des betrieblichen Prozesses aufgrund von Arbeitszeitverkürzungen notwendig ist, im Gegensatz zur Verschiebung der Vollzeit zur besseren Auslastung der Kapazitäten.
Da insbesondere die Kosten der Arbeitszeitverkürzung als Gegenargument von UnternehmerInnen angeführt werden, soll als zweiter wesentlicher Gesichtspunkt die Kostenentwicklung der verschiedenen Teilstrategien untersucht werden. Auch in den Anforderungen werden verschiedene finanzielle Umverteilungsvorschläge dargestellt, wodurch auch eine Strategie der forcierten Arbeitszeitverkürzung finanziell zu realisieren ist. Staatliche Lohnsubventionen werden in ihrer Beschäftigungswirkung zwar skeptisch betrachtet; in Ostdeutschland könnten sie im Rahmen einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung eine unmittelbare finanzielle Übergangslösung zur Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen. Da Arbeitszeitverkürzung in den neueren Lohnsubventionsmodellen keine Rolle spielt, wurde auf ein Modell zurückgegriffen, dass Scharpf (1984 u.a.) entwickelt hat.
Im Zusammenhang mit dem Abbau von Überstunden wird das Arbeitszeitrechtsgesetz von Juni 1994 in seiner Funktion, den gesetzlichen Rahmen für die Arbeitszeitpolitik zu setzen, kritisch betrachtet und Folgerungen für eine qualitative Tarifpolitik der Gewerkschaften erörtert. Bereits diskutierte gewerkschaftliche Perspektiven münden in die Forderung nach optionaler Arbeitszeitverkürzung und in eine 'neue' Mitbestimmungs-politik, die aufgrund veränderter Arbeitsverhältnisse betriebsbezogen zu gestalten ist.
Problematisch ist bei Arbeitszeitverkürzungen insbesondere die soziale Sicherung der Beschäftigten, die aufgrund des Äquivalenzprinzips Einbußen hinzunehmen haben. Bereits in den 80er Jahren sind daher Vorschläge für einen 'Arbeitsmarktfonds' erhoben worden, der sich aus Arbeitmarktabgaben für BeamtInnen bzw. Beiträgen der Tarifparteien speist; diese Vorschläge erhalten im Zuge der Einkommenseinbußen bei wöchentlicher Arbeitszeitverkürzung insbesondere in den neuen Bundesländern Aktualität und werden hier diskutiert. Einer nicht zu verkraftenden Einbuße für Geringverdienende könnte die Staffelung der Lohneinbußen Rechnung tragen. Ebenfalls werden die Vorschläge einer Grundrente sowie die Ausweitung des Äquivalenzprinzips vorgestellt. Auch bei dem Themenkomplex der Teilzeitarbeit ist das Problem der sozialen Sicherung offenkundig; aus diesem Grund werden Vorschläge zur Subvention von Teilzeitarbeit sowie die Versicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte erörtert, da diese ungeschützten Arbeitsverhältnisse zu Lasten der Arbeitsplätze im offiziellen Sektor gehen. Belegt soll werden, dass Teilzeitarbeit auch in Führungspositionen eingerichtet werden kann, jedoch auf organisatorische Hindernisse sowie auf tradierte Karrieremuster stößt. Die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen insbesondere in den neuen Ländern erweist sich als noch problematisch sowohl aufgrund des geringeren Einkommens im Vergleich zu den alten Bundesländern, als auch noch z.T. erhebliche Widerstände von seiten der Erwerbstätigen bestehen, die aus einem historisch bedingten negativen Verhältnis zu Teilzeitarbeit in der DDR resultieren.
Die genannten Aspekte werden in den folgenden Kapiteln zu den Teilstrategien der Arbeitszeitverkürzung untersucht.
3. Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit
Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bildet ein zentrales Element gewerkschaftlicher Politik. Wöchentliche Arbeitszeitverkürzung als Strategie einer Umverteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr ArbeitnehmerInnen stellt vor allem seit Mitte der 80er Jahre ein entscheidendes Instrument zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit dar[14], während früher sozial-, freizeit-, humanisierungs- und gesellschaftspolitische Begründungen im Vordergrund gewerkschaftlicher Argumentation standen (vgl. Keller 1991:113).
Im folgenden werden zunächst Beschäftigungswirkungen und Kostenentwicklungen wöchentlicher Arbeitszeitverkürzungen dargestellt.
3.1. Beschäftigungswirkungen
Die Beschäftigungswirkung von wöchentlichen Arbeitszeitverkürzungen kann zum einen in der Sicherung gefährdeter und zum anderen in der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze bestehen (vgl. Seifert 1990:158). Über die Sicherung von Arbeitsplätzen hinaus werden erst dann neue Arbeitsplätze geschaffen, wenn die Arbeitszeitverkürzungsrate den arbeitszeitinduzierten Produktivitätsanstieg und die Differenz zwischen der bisherigen Produktivitäts- und Wachstumsentwicklung übersteigt (vgl. Kurz-Scherf 1990:88).
Je geringer das Ausmaß der Arbeitszeitverkürzung ist, desto eher wird sie durch betriebliche Rationalisierungsmaßnahmen und Arbeitsumorganisation aufgefangen (vgl. Friedrich/Wiedemeyer 1994:152). Unter Berücksichtigung der Produktivitätssteigerung und der arbeitsorganisatorischen Reaktion der Unternehmen (Überstunden), die nach einer gewissen Zeit wieder zurückgefahren und in Beschäftigung umgewandelt werden, errechnet das DIW eine Beschäftigungswirkung einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung von 50 bis 60% des rein rechnerischen Effektes (vgl. Stille/Zwiener 1983:387). Dieses Ergebnis erzielen auch frühere Studien.[15]
In der Berechnung über Beschäftigungsäquivalente der bereits in Kap. 2.1 erwähnten Studie von Reyher u.a. 1983 kann von gesicherten und geschaffenen Arbeitsplätzen im Zeitraum von 1960 bis 1981 im Umfang von rund 1,8 Mio. ausgegangen werden.[16] Zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen Kurz-Scherf (1990:91) und Seifert (1989:160), die die allein durch wöchentliche Arbeitszeitverkürzung geschaffenen Arbeitsplätze mit mindestens 250.000 im Zeitraum 1984 bis 1987 bzw. 250.000 bis 330.000 im Zeitraum 1984 bis 1988 angeben.
Berechnungen über den zukünftigen Beschäftigungseffekt von wöchentlichen Arbeitszeitverkürzungen können nur annähernde Werte angeben. Vor dem Hintergrund einer Arbeitszeitverkürzung 'in großen Schritten' wird auf Basis einer Verkürzung um drei Wochenstunden ein Arbeitsplatzeffekt von 0,9 bis 1,2 Mio. (Seifert 1990:749) bzw. 1,45 Mio. (Berliner Erklärung 1994:22) ArbeitnehmerInnen errechnet.
Das unternehmerische Argument gegen arbeitszeitverkürzungs-induzierte Neueinstellungen, aufgrund von beruffachlichen und regionalen Ungleichgewichten in der Arbeitslosenstruktur gebe es Engpässe im Arbeitskräfte-Angebot, soll die unternehmerische Ablehnung weiterer wöchentlicher Arbeitszeitverkürzungen untermauern. Dabei wird jedoch die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt bzw. die Anpassungsfähigkeit der Arbeitslosen - insbesondere in den neuen Bundesländern - unterschätzt: "Deutlich herausgestellt werden muss die bemerkenswerte Bereitschaft der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, ihre eigenen beruflichen Qualifikationen zu hinterfragen und neu zu definieren - wozu auch die Aufnahme neuer Beschäftigungen gehört" (Czada u.a. 1992:377). Im Jahr 1989 verzeichnet die Bundesanstalt für Arbeit 3,8 Mio. Zugänge in die Arbeitslosigkeit und 3,9 Mio. Abgänge (West) aus der Arbeitslosigkeit (BA 1/90:39); diese Zahlen sind im Jahr 1994 stark gestiegen auf 4,548 Mio. (West) und 1,562 Mio. (Ost) Zugänge in die Arbeitslosigkeit bzw. 4,482 Mio. (West) und 1,722 Mio. Abgänge aus der Arbeitslosigkeit (Statistisches Bundesamt 1995a:124) und belegen die Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus greift das Argument der Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt dann nicht, wenn Arbeitszeitverkürzung präventiv für Entlassungen eingesetzt wird. Zu erwähnen ist dabei auch das steigende Qualifikationsniveau der Arbeitslosen, das dem Argument der Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften widerspricht.[17] In dem Interesse von UnternehmerInnen an besseren Rekrutierungsmöglichkeiten von ArbeitnehmerInnen gründet daher auch das Argument 'Facharbeitermangel' nach Maier/Schettkatt (1990:43): "Zwar gibt es für einzelne Unternehmen immer wieder Schwierigkeiten, spezifische Qualifikationen am externen Arbeitsmarkt zu erhalten, aber es wird offenbar von den Unternehmen mit zunehmender Dauer des Angebotsüberhangs auch eine höhere Kongruenz von gewünschtem Qualifikationsprofil und aktuell vorhandenen Qualifikationen des neuen Mitarbeiters erwartet.". Damit wird aus ArbeitgeberInnensicht "die Funktion der industriellen Reservearmee" reaktiviert (Bäcker 1990:66).
Obwohl Berechnungen über Beschäftigungspotentiale einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung z.T. erheblich differieren, wird ein positiver Beschäftigungseffekt trotz unterschiedlicher Interessenlage der AkteurInnen übergreifend anerkannt: "Überraschenderweise kamen alle Begleituntersuchungen, die sich um eine Bestimmung der erzielten Beschäftigungseffekte der Arbeitszeitverkürzungs-Runden bemühten, inklusive der von ArbeitgeberInnenseiten durchgeführten, zu positiven Ergebnissen." (Wiedemeyer 1990:342).
3.2. Kostenentwicklungen
Unternehmen fordern bei Arbeitszeitverkürzung vor allem 'Kostenneutralität'. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Arbeitszeitverkürzungen mit vollem Lohnausgleich[18] und ohne Lohnausgleich.
3.2.1 Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich
Bei dem von Gewerkschaften seit je geforderten vollen Lohnausgleich bleiben Wochen- und Monatseinnahmen der ArbeitnehmerInnen sowie Steuer- und Sozialabgaben konstant. Ebenso unverändert bleiben damit die öffentlichen Einnahmen und die private Nachfrage, bzw. diese steigen bei erhöhter Beschäftigung an (vgl. Schettkatt 1983). Dabei gilt generell, dass der Lohnausgleich aus der steigenden Produktivität der Arbeit finanziert wurde.
Auf der Basis einer 40-Stunden-Woche beträgt der Lohnausgleich für eine Stunde Arbeitszeitverkürzung 2,56%. Dies bedeutet jedoch keine Steigerung der effektiven Lohnkosten. Da die Lohnkosten nur einen Teil der Gesamtkosten ausmachen (Kurz-Scherf 1990:88; ebso.: Czada u.a. 1992:379), können sie nicht mit der effektiven Kostenwirkung gleichgesetzt werden. Kurz-Scherf berechnet am Beispiel eines Industriebetriebes mit einem Lohnkostenanteil von 20% und einem Produktivitätsanstieg von 1,5% eine Personalkostenbelastung bei fünfstündiger Arbeitszeitverkürzung von 1,4 bis 1,8% (ebda.).
Nach DIW-Berechnungen steigt die Produktivität mindestens um ein Drittel des rechnerischen Beschäftigungseffekts im ersten Jahr (vgl. Stille/Zwiener 1983:386f.), d.h. Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der AN steigen, die Kosten pro Arbeitsstunde sinken wieder. Diese Produktivitätssteigerungen führten in der Vergangenheit zum Ausgleich einer eventuellen Lohnsteigerung, hatten jedoch auch zur Folge, dass es keine vollständige Neubesetzung der freiwerdenden Arbeitsplätze gab. Der Produktivitätsanstieg resultiert generell aus dem Einsatz arbeitssparender Produktionsmethoden; hinzu tritt ein Prozess der Arbeitsrationalisierung und -verdichtung, der durch Arbeitszeitverkürzungsmaßnahmen forciert wird.
Eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung ist dann kostenneutral, wenn sie sich im Verteilungsspielraum bewegt (s.u.)[19] ; übersteigt die Erhöhung der Stundenlöhne die Produktivitätsfortschritte, muss die Kostensteigerung über höhere Preise auf die VerbraucherInnen überwälzt werden oder zu verminderten Gewinnen führen. Gelingt diese Überwälzung nicht, wird die Produktion/Investition vermindert und/oder in massive Rationalisierungsmaßnahmen investiert. Rationalisierungsmaßnahmen aufgrund von Kostensteigerungen können in der Tat zum Abbau von Arbeitsplätzen führen; jedoch werden Rationalisierungen auch in arbeitszeitunabhängigen Phasen vorgenommen. Betriebe an der Grenze zur Rentabilität kann die o.g. Entwicklung allerdings zur Aufgabe zwingen (vgl. Scharpf/Schettkatt 1984:6f.).
In der Realität ist Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich seit 1958 kostenneutral gewesen. Dies wird im folgenden noch näher erläutert. Zunächst soll der Fall einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich betrachtet werden.
3.2.2 Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich
Bei einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich sinken Einkommen und Sozialabgaben; die Massenkaufkraft wird geringer. Der gesamtwirtschaftliche Kreislauf einer Lohnsenkung wird nach der insbesondere von Gewerkschaften vorgebrachten Kaufkrafttheorie folgendermaßen beschrieben (vgl. Döding 1984:105): die Kaufkraft wird geringer, der Konsum sinkt, die darausfolgenden Umsatzrückgänge reduzieren die Investitionen und führen letztlich zum Abbau weiterer Arbeitsplätze. Offe (1984:70) widerspricht mit dem sogenannten 'Sperrklinkeneffekt' - Haushalte versuchen bei sinkendem Einkommen, den einmal erreichten Lebensstandard beizubehalten -, der jedoch nur kurzfristige Schwankungen der Konsumquote im Konjunkturverlauf erklärt (vgl. Kromphardt 1977:150).
Zur Kostensenkung wird von ArbeitgeberInnenseite darüber hinaus eine Senkung der Lohn- und Sozialkosten gefordert (vgl. Scholz 1994). ArbeitgeberInnen argumentieren aus dieser neoklassisch-liberalen Sicht mit der größeren Investitionsbandbreite durch geringere Kostenbelastung (vgl. Freudenfeld 1984). Zwar "können Löhne zu hoch sein, damit Produktion unrentabel machen und so Menschen um ihren Arbeitsplatz bringen. Sie können aber auch zu niedrig sein, um für die rentable Produktion von Konsumgütern erforderliche Massenkaufkraft zu gewährleisten." (Matzner, zit.n. Czada u.a. 1992:370). Piper (1994) belegt, dass Einkommensungleichheiten gar das Wachstum beeinträchtigen können.[20] So sind Unternehmen in ihrer Gesamtheit durchaus daran interessiert, das Masseneinkommen infolge hoher Löhne zu steigern, obwohl dies dem Interesse des einzelnen Unternehmens zuwiderlaufen kann.
[...]
[1] Im Vordergrund der gewerkschaftlichen Argumentation für Arbeitszeitverkürzung standen bis dahin sozial-, freizeit- und humanisierungspolitische Aspekte.
[2] Diese Entwicklung wird allgemein als 'Scheren-Theorem' bezeichnet.
[3] Relativiert wird diese Tendenz durch den Übergang zur Dienstleistungswirtschaft und durch die Entstehung neuer Märkte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Biotechnologie und der Werkstoff- und Lasertechnik (vgl. Schüle 1986), die einen Nachfrageausgleich herbeiführen. Offensichtlich erfüllen diese neuen Teilmärkte jedoch keinen vollständigen Ausgleich; die Massenarbeitslosigkeit ist ein Beleg für die unzureichende Wirkung dieser neuen Märkte.
[4] Zwischen 1985 und 1993 erhöhte sich die Erwerbstätigenzahl von 26,6 Mio. auf 30 Mio. in den alten Bundesländern 1993 (vgl. Statistisches Bundesamt 1987:98 und 1994:78).
[5] Die tarifvertragliche Einführung der wöchentlichen Arbeitszeitverkürzungungen vollzog sich in folgenden Stufen: 1960 wurde von der 48- zur 45-Stunden-Woche übergegangen; 1970 belief sie sich auf 42 Stunden; 1980 auf 40 Stunden; 1990 auf 38,5 Stunden und 1995 auf 35 Stunden (in der Metall- und Druckindustrie).
[6] In dieser Zahl sind unterstellte Produktivitätseffekte berücksichtigt.
[7] Definitionsgemäß besteht ein zusätzlicher Bedarf an Arbeitskräften, wenn der Anstieg des Bruttosozialproduktes größer ist als der Anstieg der Produktivität. Übersteigt die Produktivitätsrate die Wachstumsquote, sinkt das Arbeitsvolumen und damit die Arbeitszeit (temporale Anpassung) und/oder die Zahl der Erwerbstätigen (numerische Anpassung, vgl. Promberger u.a. 1995:473f.). Auf dieser vereinfachten Basis bauen alle Modelle zur Arbeitszeitverkürzung auf (vgl. Hinrichs/Offe/Wiesenthal 1984:141f.).
[8] Das Argument, dass ein Wirtschaftswachstum auch aus ökologischen Gründen nicht mehr zu vertreten ist, muss in dieser Arbeit ausgeklammert bleiben.
[9] So plädiert Freudenfeld (in Anlehnung an ein Positionspapier von BDA, Gesamtmetall und IW; 1984:128), dafür, die "Entstehung der Schere" durch Wachstum zu verhindern, "anstatt sich auf die Vermeidung der beschäftigungspolitisch negativen Konsequenzen zu beschränken"; Seifert (WSI; 1994:370), ein Verfechter der Arbeitszeitverkürzung, baut auf die "wachstumskonforme Gestaltung von Arbeitszeitverkürzungen". Selbst Gorz, der ein arbeitsmarktpolitisches Szenario mit Schwerpunkt auf humane Aspekte entwickelt, hält ein geringes Wirtschaftswachstum bei allerdings sehr optimistischen Produktivitätssteigerungen für zunächst unerlässlich (1991:160ff.).
[10] Methode ist die lineare Regressionsanalyse unter Einbeziehung von Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosenquote.
[11] "§ 1: Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen." (Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967).
[12] Nicht nur in arbeitsmarktpolitischer, sondern auch ökologischer Hinsicht ist das Gesetz massiv kritisiert worden (vgl. Hickel/Priewe 1991 im Zusammenhang mit dem 'Gesetz für eine ökologisch-soziale Wirtschaft' der 'Grünen').
[13] In diesen Zahlen sind bereits Steuerausfälle, zusätzliche Sozialleistungen und Mindereinnahmen von Sozialbeiträgen miteinkalkuliert. Diese gesamtfiskalische Kostenrechnung der Arbeitslosigkeit ergibt die gegenwartsbezogenen Gesamtkosten.
[14] Zu den Stufen der Arbeitszeitverkürzungen s. Kap. 2.1.
[15] Vgl. IAB und Ifo, nach Mosdorf 1984:154: Dieser kritisiert die mit "hohen Fehlerquoten" behafteten Studien aufgrund von Unternehmensbefragungen, die auf ein schwer abschätzbares, zukünftiges Verhalten zielten, und Ex-post-Analysen, bei denen einzelne Kausalfaktoren nur schwer isoliert werden könnten. Dies räumt auch Seifert (1989:156) ein: "Wie alle vorliegenden Untersuchungen bestätigen, sind Arbeitszeitverkürzungen beschäftigungspolitisch besser als ihr Ruf. Unterschiede bestehen allerdings in der Auffassung, wie hoch der Beschäftigungseffekt zu veranschlagen ist. Dies überrascht nicht, denn auch ex post bereitet es enorme methodische Schwierigkeiten, den Einfluss der Arbeitszeitverkürzungen auf die Beschäftigungsentwicklung von anderen Faktoren zu isolieren und zu messen."
[16] Für die allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit war die Verkürzung der Wochenarbeitszeit mit 70% ausschlaggebend (Reyher u.a. 1983:125)
[17] 1993 nahmen 583.000 Personen in Gesamtdeutschland an Vollzeit-FuU-Maßnahmen teil (vgl. Autorengemeinschaft 1993:462f.).
[18] Lohnausgleich liegt vor, "wenn nach einer Arbeitszeitverkürzung die nominalen Wochenlöhne bzw. Monatsgehälter unverändert bleiben" (Seifert/Welzmüller 1983:218).
[19] An einem Zahlenbeispiel verdeutlicht Zimmermann (1984:136), dass ein Verteilungsspielraum realistischerweise bis zu 7% betragen kann (Preisanstieg 3%; Produktivitätszuwachs 2,5%; arbeitszeitinduzierter Produktivitätszuwachs 1,5%). Wie dieser auf Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung verteilt wird, müssen die Tarifparteien aushandeln.
[20] Piper referiert zwei Studien, nach denen die Arbeitsproduktivität in der Tendenz schneller wächst, je geringer die Einkommensunterschiede sind. Je höher sie ausfallen, desto mehr gerate der Staat unter Druck, diese über "schädliche Eingriffe ins Marktgeschehen" auszugleichen.