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Interkulturelles Lernen bei Kontakten von Niederländern mit Deutschen anhand einer statistischen Untersuchung einer Interviewreihe

Eine handlungstheoretische Untersuchung verschiedener Formen der Assimilation

©2003 Diplomarbeit 86 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zwischen den europäischen Nachbarn Niederlande und Deutschland besteht ein reger sozialer Austausch. Dieser Austausch beinhaltet neben positiven auch negative Komponenten. So verweisen viele Studien auf negativ ausgeprägte Vorbehalte zwischen Niederländern und Deutschen. In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Einflüsse eines interkulturellen Kontakts auf Niederländer mit einer Einstellungsänderung gegenüber Deutschen zusammenhängen. Dazu werden sozialwissenschaftliche Konzepte der Migrations-, Lern-, Kategorisierungs- und Gruppentheorie verwendet. Methodisch wird damit versucht, Migration eher geistig und lerntheoretisch zu konzeptionieren und dies anhand unterschiedlicher Formen von interkulturellen Kontakten zu betrachten. Um dies zu untersuchen wurden Interviews mit Niederländern durchgeführt, welche auf verschienene Arten Kontakt mit Deutschen haben. Diese Untersuchung wurde primär quantitativ und sekundär qualitativ ausgewertet. Dabei konnten Gleichmäßigkeiten des interkulturellen Lernens festgestellt werden, welche eher den handlungstheoretischen als den strukturtheoretischen Ansatz bekräftigten. In der Wissenschaft wurde das Thema von interkulturellen Kontakten mit der deutschen Kultur besonders in den 1970ern und 1980ern behandelt, um überwiegend die Prozesse um Südeuropäer zu erfassen, welche als Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Die interkulturelle Erfahrung dieser Migranten war sowohl gekennzeichnet durch die großen räumlichen und kulturellen Differenzen zu ihren Herkunftsländern als auch durch die geringen kulturellen Verständigungsbemühungen, da sowohl die deutsche Politik als auch die Gastarbeiter von einer zeitlich befristeten Angelegenheit ausgingen. Dies führte zu räumlichen Sammlungen der Ausländer nach ethnischen Gesichtspunkten, der Ghettobildung, in welchen sie zumeist resigniert ihre Sprache und Kultur weiter lebten. So gab es im Jahr 1999 (neben unzähligen Transport- und Tourismusereignissen) die folgenden Bewegungen von den Niederlanden nach Deutschland: 15.834 Niederländer pendelten zum Arbeiten nach Deutschland (Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, S. 11); 3369 Emigranten (d.h. Personen, die 8 von 12 Monaten in Deutschland lebten) zogen aus den Niederlanden nach Deutschland (vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek, S.8); 110519 Niederländer wohnten in Deutschland (Statistisches Bundesamt: Ausländer nach Staatsangehörigkeit von 1986 bis 1999, zugesandte Tabelle ohne weitere […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6930
Wiedemann, Günter: Interkulturelles Lernen bei Kontakten von Niederländern mit
Deutschen anhand einer statistischen Untersuchung einer Interviewreihe - Eine
handlungstheoretische Untersuchung verschiedener Formen der Assimilation
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule Südwestfalen, Universität - Gesamthochschule, Diplomarbeit,
2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis... 3
1
Einleitung ... 4
2
Literaturüberblick über interkulturelle Kontakte allgemein und von Niederländern mit
Deutschen ... 5
3
Verortung des Themas in den Sozialwissenschaften ... 9
3.1
Handlungstheoretische Betrachtung: Personelle und externe Faktoren führen zur
Assimilation (Esser) ... 12
3.2
Sozialpsychologische Faktoren: Über Lernen (Bandura), Kategorisierungen (Allport) und
Intergruppenbeziehungen (Tajfel)... 16
3.3
Aspekte der Theorie der sozialen Integration: Religion als ,,Integrationsbrücke" zwischen
Person und Umwelt (Friedrichs und Jagozinski) ... 23
3.4
Aspekte der Sozialisationsforschung: Das Selbst als Handlungszentrum in den Prozessen
um Selbstentwicklung und kulturelle Identität (Krewer und Eckesberger)... 24
3.5
Zusatz zur theoretischen Untersuchung: NS-Zeit ... 25
4
Von den Hypothesen zur Datenmaske... 26
4.1
Assimilation an sich (Hypothesen 1a bis d)... 26
4.2
Personenbezogene Faktoren (Hypothesen 2 a bis d 6 und 7) ... 35
4.3
Umweltbezogene Faktoren (Hypothesen 3a bis c, 4, 5 und 8)... 42
4.4
Zu den Variablen... 56
5
Methode ... 56
6
Über die Dimensionsbreite der Kulturkontakte ­ Vorstellung der Interviewten... 58
7
Empirische Bilanz ­ Auswertungsergebnisse ... 64
Ergebnisse Hypothesen 1a bis d (Assimilation an sich)... 64
Ergebnisse Hypothesen 2a bis d (Über die Person) ... 67
Ergebnisse Hypothesen 3a bis c (Über die Umwelt) ... 71
Ergebnisse Hypothese 4 (Auswirkung von deutschen und niederländischen Einstellungen auf die
Assimilation)... 74
Ergebnis Hypothese 5 (Auswirkung des Erachtens von Kulturunterschieden auf die Assimilation) 75
Ergebnis Hypothese 6 (Auswirkung von Religion auf Assimilation)... 75
Ergebnis Hypothese 7 (Auswirkung von Rollenkenntnis auf die Assimilation) ... 76
Ergebnis Hypothese 8 (Auswirkung der NS-Zeit auf die Assimilation) ... 76
8
Deutung der Hypothesen... 77
9
Fazit ­ Prozesse eines Kulturkontakts... 80
10
Hypothesenverzeichnis... 81
11
Abbildungsverzeichnis ... 81
12
Tabellenverzeichnis ... 81
13
Literatur ... 82
Titelbilder: Niederländisch-Deutsche Grenzübergänge, Günter Wiedemann
© Günter Wiedemann, 2002/03
Alle Rechte vorbehalten.
Interessierte LeserInnen können die jeweiligen Teile ,,Diplomarbeit", ,,Statistik", ,,Variablen", ,,Fragebögen" und ,,Daten" für
eine Kostenbeteiligung von je 125 beim Verfasser bestellen bei guenter.wiedemann@uni-duisburg.de oder @web.de
Bei Zusendung einer aktuell gültigen Immatrikulationsbescheinigung wird 50% Rabatt gewährt.

3
Abkürzungsverzeichnis
Besonders in den Variablen wurden Abkürzungen vorgenommen. Diese erscheinen überwie-
gend im statistischen Beiheft und im Variablenkatalog.
K
Ü R Z E L
B
E D E U T U N G
D, DL
Deutschland
dt., deu.
deutsch
NL
Niederlande
NLänder
Niederländer
nl.
niederländisch
Anf., Beg. Begin Beginn des Deutschlandkontakts (vgl. Abschnitt 3.1)
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences ­ Ein Computerprogramm zur statistischen Daten-
analyse

4
1 Einleitung
Zwischen den europäischen Nachbarn Niederlande und Deutschland besteht ein reger sozialer
Austausch
1
. Dieser Austausch beinhaltet neben positiven auch negative Komponenten. So
verweisen viele Studien auf negativ ausgeprägte Vorbehalte zwischen Niederländern und
Deutschen. In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Einflüsse eines interkulturellen
Kontakts auf Niederländer mit einer Einstellungsänderung gegenüber Deutschen zusammen-
hängen. Dazu werden sozialwissenschaftliche Konzepte der Migrations-, Lern-, Kategorisie-
rungs- und Gruppentheorie verwendet. Methodisch wird damit versucht, Migration eher geis-
tig und lerntheoretisch zu konzeptionieren und dies anhand unterschiedlicher Formen von
interkulturellen Kontakten zu betrachten. Um dies zu untersuchen wurden Interviews mit
Niederländern durchgeführt, welche auf verschienene Arten Kontakt mit Deutschen haben.
Diese Untersuchung wurde primär quantitativ und sekundär qualitativ ausgewertet. Dabei
konnten Gleichmäßigkeiten des interkulturellen Lernens festgestellt werden, welche eher den
handlungstheoretischen als den strukturtheoretischen Ansatz bekräftigten.
In der Wissenschaft wurde das Thema von interkulturellen Kontakten mit der deutschen Kul-
tur besonders in den 1970ern und 1980ern behandelt, um überwiegend die Prozesse um Süd-
europäer zu erfassen, welche als Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Die interkulturelle
Erfahrung dieser Migranten war sowohl gekennzeichnet durch die großen räumlichen und
kulturellen Differenzen zu ihren Herkunftsländern als auch durch die geringen kulturellen
Verständigungsbemühungen, da sowohl die deutsche Politik als auch die Gastarbeiter von
einer zeitlich befristeten Angelegenheit ausgingen. Dies führte zu räumlichen Sammlungen
der Ausländer nach ethnischen Gesichtspunkten, der Ghettobildung, in welchen sie zumeist
resigniert ihre Sprache und Kultur weiter lebten. Anders sind interkulturelle Kontakte von
1
So gab es im Jahr 1999 (neben unzähligen Transport- und Tourismusereignissen) die folgenden Bewegungen
von den Niederlanden nach Deutschland: 15.834 Niederländer pendelten zum Arbeiten nach Deutschland (Lan-
desarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, S. 11); 3369 Emigranten (d.h. Personen, die 8 von 12 Monaten in Deutsch-
land lebten) zogen aus den Niederlanden nach Deutschland (vgl. Centraal Bureau voor de Statistiek, S.8);
110519 Niederländer wohnten in Deutschland (Statistisches Bundesamt: Ausländer nach Staatsangehörigkeit
von 1986 bis 1999, zugesandte Tabelle ohne weitere Angaben).

5
Niederländern mit Deutschen. Vor dem Hintergrund einer relativ geringen räumlichen Entfer-
nung in Zusammenhang mit einer breiten Skepsis gegenüber Deutschland scheint es, dass die
Motive und Strategien von Niederländern in der deutschen Kultur anders sein könnten als in
der Migrationstheorie der 1970er und 1980er angenommen wurde.
Vor diesem Hintergrund wird zuerst auf die bisherige Literatur über Interkulturalität zwischen
Niederländern und Deutschen eingegangen. Danach wird das Thema in den Sozialwissen-
schaften verortet. Aus der Literatur und den sozialwissenschaftlichen Theorien werden dann
die Hypothesen geformt. Diese Hypothesen werden im nächsten Schritt nach den entspre-
chenden Fragen des Interviewbogens, den entsprechenden Variablen des Datensatzes und
deren Ausprägungen aufgeschlüsselt. Nach einer Vorstellung der Interviewpersonen folgt
dann das Ergebnis der statistischen Auswertung, die in dem statistischen Beiheft nachvollzo-
gen werden kann. Die Arbeit schließt dann ab mit einer Besprechung der Ergebnisse der sta-
tistischen Auswertung und einem Fazit.
Die erforderlichen Elemente für einen lückenlosen Nachvollzug der Arbeit, ,,Diplomarbeit",
,,Statistik", ,,Variablen", ,,Fragebögen" und ,,Daten" können für je 125 (Studenten: 50% Ra-
batt) beim Verfasser bestellt werden unter guenter.wiedemann@uni-duisburg.de oder
@web.de
2 Literaturüberblick über interkulturelle Kontakte allge-
mein und von Niederländern mit Deutschen
Niederländer und Deutsche nehmen sich unterschiedlich wahr. So schreibt Dunk 1986 in
,,Holländer und Deutsche. Zwei politische Kulturen": ,,Für Niederländer ist Deutschland an
erster Stelle ein großer Nachbar, dem nicht zu trauen ist. Man muß ihn mit entsprechendem
Abstand im Auge behalten. Für Deutschland ist Holland - abgesehen von dem Reisebüro-
Klischee des Windmühlen- und Tulpenparadieses - im Grunde ein Land, in dem die Men-
schen unglücklicherweise Niederländisch sprechen" (Dunk, Buchumschlag). Heß und Wie-
lenga schreiben in ,,Gibt's noch Ressentiments...? Das niederländische Deutschlandbild seit
1945": ,,Die kalvinistische und liberal-demokratische Tradition in Niederland und die lutheri-
sche, staatsorientierte Tradition in Deutschland führen zu verschiedenen politischen Kulturen,
die auch in der gegenseitigen Wahrnehmung eine Rolle spielen und Spannungen und gegen-

6
seitiges Unverständnis erklären können" (in: Heß und Schissler, S.17). Für die vorliegende
Arbeit wird deshalb angenommen, dass diese Traditionen überwiegend die Kulturen und Wer-
te der beiden Nationen prägten und damit das resultierende Handeln und Denken (vgl.
Schluchter, 131 oder auch unten bei Esser). Neben einer strukturellen Differenzierung besteht
außerdem eine Historische. Als Ursachen für eine historische Differenzierung der Niederlän-
der gegenüber den Deutschen nennt Aspeslagh die beiden Weltkriege, die Besatzungszeit
1940-45 und die daraus resultierende Angst vor dem großen Nachbarn Deutschland (Aspes-
lagh, 160f. In: Müller/Wielenga).
Als eine der bedeutendsten Untersuchungen über differenzierende Bilder von Niederländern
gegenüber Deutschen gilt jene, welche vom Clingendael Institut durchgeführt wurde. Die
Studie untersuchte 1807 niederländische Jugendliche und deren Bild über verschiedene EU-
Länder und damit auch über Deutschland. Darin umschrieben die Jugendlichen die Eigen-
schaften von Deutschen als: ,,herrschsüchtig" (71%) (Maximum bei der Zuordnung von 15
Eigenschaften über 5 Völker!), ,,arrogant" (60%), ,,stolz auf ihr Land" (58%), ,,legen viel
Wert auf Geld verdienen" (55%), ,,obrigkeitstreu" (38%); ,,sachlich" (37%). Bei ,,freundlich"
(17%) ,,gesellig" (16%) und ,,Sinn für Humor" (15%) bildet Deutschland jeweils das Schluss-
licht bei dem Ländervergleich. Die Kennzeichen von Deutschland sind für die untersuchten
Personen: ,,technisch hoch entwickelt" (56%), ,,demokratisch" (48%), ,,will die Welt beherr-
schen" (47%), ,,kriegstreiberisch" (46%), ,,fortschrittlich" (41%), ,,nimmt wenig Flüchtling
auf" (30%) (Jansen, 175f. In: Müller/ Wielenga. Vgl. hierzu auch den Originalbericht: Jansen,
1993).
Auch Renckstorf und Bergmanns untersuchten das Bild von Niederländern gegenüber
Deutschland und stellten 1996 eine negative Einstellung überwiegend bei niederländischen
Jugendlichen und Senioren fest. In dem Artikel ,,Zum Bild der Niederländer von den Deut-
schen" kamen sie zu dem Schluss, dass
·
ungefähr 48% (von n=136) der 15-29 jährigen niederländischen Jugendlichen an-
geben, dass sie bisher keinen Kontakt mit Deutschen hatten,
·
die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass diese durch Kontakte mit Deutschen zu ei-
nem weniger negativen Bild kommen, da zwei Drittel der Befragten angaben, dass
bisherige Kontakte positiv verliefen (vgl. Renckstorf und Bergmanns, 40).

7
Da besonders bei Jugendlichen extreme Haltungen festgestellt wurden, wurde hierzu die Rolle
von Kultus und Medien in der Meinungsbildung über Deutschland untersucht. Dabei wurde
festgestellt, dass
·
Niederländer die Darstellung von Deutschland in den Medien nur um ein Prozent
anders erfahren, als sie es selbst alltäglich erfahren,
·
es noch Bedarf gibt an Untersuchungen über die Rolle von Schule, Schulbücher
und Geschichtsunterricht (in: Süssmuth, 416f).
So beginnt die Behandlung der deutschen Geschichte im niederländischen Geschichtsunter-
richt im Jahr 1870 und die Hauptthemen sind der erste und der zweite Weltkrieg. ,,Diese
Auswahl führt zu einem Bild von einem Land, das in der Vergangenheit unablässig Kriege
anzettelte" (Aspeslagh, 160. In: Müller/ Wielenga). Dies wäre ein möglicher Grund, warum
die niederländischen Jugendlichen in der Clingendael-Studie die Deutschen als überwiegend
,,herrschsüchtig" charakterisierten. Dass es sich hierbei um eine gelungene Art und Weise
handelt, sich interkulturell zu bilden und um interkulturelle Kontakte aufzubauen darf bezwei-
felt werden. Die Untersuchung des Cilingendael-Instituts versuchte eine breite Untersuchung
durchzuführen, die eine viele Vorurteile der Jugendlichen gegenüber Deutschen erkannte.
Diese Jugendlichen sollen für die vorliegende Arbeit eine Gruppe von Personen verdeutli-
chen, von welchen angenommen wird, dass sie eine geringe interkulturelle Erfahrung mit
Deutschen haben.
Als gegensätzliche Gruppe von Personen mit interkultureller Erfahrung werden jene gewählt,
welche nach Deutschland migrierten oder sogar schon in weiteren Generationen in Deutsch-
land geboren sind. In der Sozialwissenschaft wurden diese Personengruppen vor allem in den
1970ern und 1980ern untersucht. Dabei wurden vor allem die Sozialisationsprozesse von süd-
europäischen Gastarbeitern in Deutschland behandelt. Die psychischen Prozesse von griechi-
schen Migranten in Deutschland fasst beispielsweise Pappaioanou (1983) wie folgt zusam-
men:
1. Phase der Konfrontation mit dem neuen Land,
2. Intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur,
3. Abnehmen der intensiven Auseinandersetzung,
4. Desillusionierung (Pappaioannou, 442).
Besonders das Ergebnis der Desillusionierung ist auf den ersten Blick verwunderlich auf den
zweiten Blick verständlich: So bekräftigt dieses Ergebnis das Resultat von Bruijne und Be-

8
cher, wonach es bei hochintensiven interkulturellen Kontakten zu Veränderungen der indivi-
duellen kognitiven Prozesse um Sprache, Kultur, Mentalität kommt, die so stark ausgeprägt
sein können, dass es zu Störungen des Selbst kommt (Becher, 7). Im Fall der vorliegenden
Untersuchung bestehen jedoch veränderte Einflussfaktoren: geringere räumliche Distanz zwi-
schen Ausgangs- und Eingangskultur, eine sprachliche Ähnlichkeit, andere Nutzungsbedin-
gungen der Kommunikationsmedien und der Verkehrsinfrastruktur, sowie andere gesetzliche
Bedingungen für den Grenzübertritt. Außerdem handelt es sich in beiden Fällen um moderne
Staaten (vgl. Treibel, 14) mit ähnlichen Strukturen (vgl. Kleinfeld, 210. In: Müller). So liefert
Piel eine Betrachtung der Prozesse von Niederländern bei interkulturellen Kontakten mit
Deutschland in ihrer Dissertation ,,Niederländische Korrespondenten in Deutschland". Darin
behandelt sie eher beiläufig die Faktoren Selbstbild, Selbstzufriedenheit und Meinung über
Deutschland (Piel, 152ff.). Sie interviewte 10 festeingestellte niederländische Korresponden-
ten in Deutschland und kam zu folgenden Schlüssen:
·
Die Hälfte der Korrespondenten kam nach Deutschland wegen dem Beruf oder aus
nicht näher definierten Interessen.
·
Ein Korrespondent, der erst weniger als ein Jahr in Deutschland ist, ist nicht zu-
frieden mit dem Land (ebd., 164).
·
Nach Meinung der Korrespondenten haben die Niederländer folgende Meinung
über Deutschland: positiv (0) ­ eher positiv (7) ­ eher negativ (2) ­ negativ (1)
(ebd., 159).
·
Durch eine geringe soziale Einbindung entsteht die Gefahr der Entstehung von
Stereotypen.
·
Die subjektive Beurteilung der eigenen Aktivitäten hängt - entgegen ihrem Vermu-
ten - nicht von der Dauer der Anwesenheit ab (ebd., 164).
Trotz einer eher abgeneigten Haltung von Niederländern gegenüber Deutschland gibt es also
doch einige Niederländer, die einen interkulturellen Kontakt mit Deutschland suchen und sich
in Deutschland wohl fühlen. Im Gegensatz zu Pappaiouannous Untersuchung ist bei Piel von
einem regelmäßigen Auftreten einer Desillusionierung nicht die Rede.
Aus dem bisherigen Literaturüberblick konnte man erkennen, dass in der wissenschaftlichen
Literatur bisher nur Fragmente über den Kontakt von Niederländern mit Deutschland beste-
hen. Deshalb war bei der Untersuchung des Themas eine eigene Erfassung unumgänglich.

9
3 Verortung des Themas in den Sozialwissenschaften
Das in der vorliegenden Arbeit die Prozesse bei interkulturellen Kontakten von Niederländern
mit Deutschen untersucht werden, soll in dem vorliegenden Kapitel soll zuerst der Begriff der
Nation und dann der Begriff der interkulturellen Kontakte anhand sozialwissenschaftlicher
Literatur aufgeschlüsselt werden. Im Anschluss daran wird der Zusammenhang der daraus
resultierenden Theorien erklärt.
Besonders in der humanistischen Lehre besteht die Überzeugung, dass alle Menschen gleich
seien ­ unabhängig von deren Nationalität. Dies wird in dieser Arbeit weder bestritten noch
belegt, denn im vorliegenden geht es um jene Prozesse, die Menschen dadurch erleben, dass
sie Kontakt zu einer anderen (nationalen) Umwelt haben. Um den Begriff der Nation zu erläu-
tern, lehne ich mich an Norbert Elias' ,,Über den Prozess der Zivilisation" an, wonach (wie
bei Max Weber) der Staat die körperliche Gewaltausübung auf sich monopolisiert und eine
Makroordnung schafft, wonach sich ,,die ganze Prägungsapparatur des Individuums, die Wir-
kungsweise der gesellschaftlichen Forderungen und Verbote, die den sozialen Habitus in dem
Einzelnen herausmodellieren, und vor allem auch die Art der Ängste, die im Leben des Indi-
viduums eine Rolle spielen, entscheidend ändern" (Elias, LXXVIII). In einem solchen natio-
nalen Makroumfeld
2
, welches das Leben bis ins Mikroumfeld
3
regelt, werden die kulturellen
Befriedungsregeln für die Lebensweisen der Menschen festgelegt, wobei die Gesamtheit der
Lebensweisen als Kultur bezeichnet werden kann (vgl. zB. Storey, 53).
In Anlehnung an eine sozialbehavioristische Betrachtungsweise wird die Person von diesen
Umfeldern geprägt. Das einzelne Individuum definiert sich einerseits individuell über die Ab-
grenzung von der Umwelt und andererseits sozial über die Zugehörigkeit zur Umwelt (zB. zu
Gruppen
4
) (vgl. Mead, 180 oder 200). Im Fall des interkulturellen Kontaktes müssen deshalb
2
Sphäre die von persönlichem Kontakt relativ losgelöst ist. Die entsprechenden Gruppierungen sind beispielwei-
se Nationen und deren Subsysteme. Die entsprechenden Regeln oder Gesetze lenken das individuelle Verhalten
obwohl diese relativ unzugänglich sind (vgl. Liegle, 218ff. in: Hurrelmann und Ulich, oder Friedrichs/ Jago-
zinski, 20)
3
Sphäre, die das enge individuell Leben beinhaltet: Familie, Freunde bzw. Bekannte mit dem das Individuum
unmittelbar in Kontakt steht (vgl. Liegle, 218ff. in: Hurrelmann und Ulich, oder Friedrichs/ Jagozinski, 20).
4
Für das vorliegende Thema bedeutet dies, dass sowohl die Umwelt als auch das Individuum ein niederländi-
sches (Vor-) Urteil per Definition eines Unterschiedes zur anderen Nationalgruppe hat. Diese Betrachtung des
Anderen ist gepaart mit einem mehr oder minder stark ausgeprägten Bewusstsein, wie es gemeinschaftlich er-

10
die niederländische als auch die deutsche Umwelt der Personen untersucht werden und mögli-
che Auswirkungen auf das individuelle Zugehörigkeitsgefühl.
Bei einem Kontakt mit einer neuen Umwelt kommt es zur Aneignung von neuen Aspekten
aus dieser neuen Eingangskultur. Die kulturspezifischen Handlungsschemata (Sprache, Wer-
te, Normen und Verhalten; vgl. unten Esser) werden sowohl weitergegeben als auch ange-
passt. Diese kulturspezifischen Handlungsschemata bilden die Eckpfeiler einer Gruppe. Der
Inhalt verändert sich eher geringfügig entsprechend der Personen ­ eher wird von den Grup-
penmitgliedern verlangt, dass sie sich den Inhalten anpassen. Eine solche kulturelle Kanalisa-
tion der Individuen bezieht sich auf das Erlernen kulturspezifischer Wissenssysteme und kul-
tureller Regeln die sich auf die jeweilige Um- und Mitwelt beziehen (Krewer und Eckensber-
ger, S. 577. In: Hurrelmann und Ulich).
In der Soziologie können diese Prozesse sozialen Lernens aufgegliedert werden in die speziel-
len ,,Bindestrichsoziologien" wie die Wanderungs-, Kultur- oder Minderheitensoziologie. Die
diesbezüglichen Kernbegriffe Sozialisation, Assimilation, Integration oder Akkulturation
werden landläufig synonym verwendet. In der Sozialwissenschaft wird für die Beschreibung
von interkulturellen Prozessen, bei welchen nicht gewiss ist, ob eine Kulturübernahme ge-
schieht. Der Begriff der ,,Assimilation" verwendet (vgl. Recker, H.: Stichwort ,,Sozialisati-
on". S. 604. In: Reinhold, G., sowie Lamnek, S. Stichwörter ,,Kultursoziologie". S. 384, ,,In-
tegration". S. 299 und ,,Akkulturation". S. 10. In: Reinhold, G.).
Aus der bisher erfolgten Umschreibung konnte ersichtlich werden, dass ein Gerüst für eine
Untersuchung des vorliegenden Themas einen detaillierten Aufbau haben muss. Aus diesem
Grund basiert die vorliegende Arbeit auf der handlungstheoretische Betrachtung der Migrati-
on von Esser. Da Essers Konstrukt jedoch den gegenwärtigen Zustand um eingesiedelte
Migranten behandelt, wird für die vorliegende Arbeit, welche die Prozesse von geistiger Ein-
stellungsveränderungen durch einen interkulturellen Kontakt untersuchen will, sein Migrati-
onskonstrukt verändert verwendet. Die Veränderung erfolgt unter Zuhilfenahme von Bandu-
ras Lerntheorie (wegen interkulturellem Lernen), Allports Theorie der sozialen Kategorisie-
wünscht ist, über die Umwelt (Deutschland) zu denken und wie es individuell nötig ist, sich zum Schutz der
psychologischen Selbstkonstruktion über Andere aufzuwerten.

11
rung (wegen nationalen (Vor-)Urteilen und dem damit verbunden Kategoriendenken) und
Tajfels Theorie der Intergruppenbeziehungen (um die Dynamik des Wechsels von einer zur
anderen Gruppe zu erfassen).
Nachdem die Veränderung des Individuums unter Abhängigkeit der Intergruppenprozesse
untersucht wird, wird auch die Theorie des Selbst als Handlungszentrum in den Prozessen um
Selbstentwicklung und kulturelle Identität nach Krewer und Eckesberger in das Theoriege-
bäude mit aufgenommen.
Neben dieser relativ allgemein verwendbaren Konstruktion wurden noch einige Besonderhei-
ten aufgenommen, welche im vorliegenden Fall besonders sind und deshalb auch eigene
Hypothesen erforderten. Da es in den Niederlanden intensiv religiöse Strömungen gibt, wurde
angenommen, dass sich über die Religion Verbindungen ergeben, beziehungsweise sich Per-
sonen über religiöse Gemeinden in der anderen Kultur besser zurecht finden. Deshalb wird
noch die Theorie der Religion als ,,Integrationsbrücke" zwischen Person und Umwelt von
Friedrichs und Jagozinski aufgenommen. Als zweiter besonderer Fall wurde, wie eingangs
schon oft als Leitmotiv der Differenzierung zwischen Niederländern und Deutschen erwähnt,
nach den subjektiv erfahrenen Auswirkungen der deutschen Besatzungszeit gefragt.
Daneben sollen die Theorien um Essers Migrationstheorie auch einen kontrollierenden Effekt
haben: Zwar genießt Essers Theorie der Migration eine große Popularität ­ trotzdem wurde
sie wurde nur in zwei Rezensionen behandelt (vgl. Internationale Bibliographie der Rezensio-
nen). Dabei wurde sie wo sie beispielsweise als ,,interessant, informativ und nützlich" um-
schrieben (Heckmann, 386). Da sie bisher also nur oberflächlich diskutiert wurde, sollen die
anderen Theorien hier auch eine theoretisch Kontrolle beschreiben, bevor der Untersuchungs-
aufbau beginnt und die Theorie mit Abstrichen (es wird hier nicht nur ein statischer Moment,
sondern eine dynamische Entwicklung untersucht) auch (nach meinem Wissen zum Ersten
mal) empirisch überprüft.

12
3.1 Handlungstheoretische Betrachtung: Personelle und externe
Faktoren führen zur Assimilation (Esser)
Im Rahmen der Eingliederungsforschung fand neben Hoffmann-Nowotnys struktureller Be-
trachtung (vgl. Hoffmann-Nowotny, H., 1973) die handlungstheoretische Betrachtung von
Hartmut Esser (1980) eine breite Anerkennung. Während Hoffmann-Nowotnys Modell das
Kernkriterium der Integration in den Strukturen der Aufnahmegesellschaft sieht, fokussiert
Esser als Kernkriterium das Individuum und dessen Motive, die sich bei Kulturübertritten auf
die Handlungsentscheidungen auswirken. Im vorliegenden Fall der Niederlande und Deutsch-
land wird zwar von ähnlichen modernen Strukturen ausgegangen, aber trotzdem wird der
Zugriff auf Strukturelementen abgefragt und dies in den allgemeinen theoretischen Rahmen
integriert.
In Anlehnung an die allgemeine Theorie bei Esser erfolgt das Handeln in einem neuen kultu-
rellen Rahmen aufgrund des Erlernens kognitiver, identifikativer, sozialer und struktureller
Elemente der neuen Kultur. Diese vier Dimensionen stellen in dem Modell das Explanandum
dar. Sie stehen einerseits in Abhängigkeit von verschiedenen Determinanten um die Person
(wie Motivation, Kognition, Attribuierung und Widerstand) und andererseits in Abhängigkeit
von der Umweltdeterminanten (wie assimilative und nicht-assimilative
Handlungsmöglichkeiten sowie Barrieren).
Abbildung 1: Allgemeines Assimilationsmodell
Person
Motivation, Kognition, Attribuierung,
Widerstand
Umwelt
assimilative und nicht- assimilative
Handlungsmöglichkeiten, Barrieren
Assimilation
kognitiv, identifikativ, sozial,
strukturell
(vgl. Esser, 213)

13
3.1.1 Die Person
Die Faktoren der Determinante Person sind, wie eben schon erwähnt, Motivation, Kognition,
Attribuierung und Widerstand (diese Faktoren können auch später bei Banduras Lernkonzept
wieder gefunden werden). Unter Motivation wird hier der Anreiz für die Person verstanden,
ein gesetztes Ziel zu erreichen. Die Kognition umfasst die subjektive Einschätzung der Per-
son, wie wahrscheinlich für sie das Erreichen des Ziels ist. Dies kann gemessen werden über
die Ausbildung der Person, die bisherige interkulturelle Biographie oder die geplante Kon-
taktdauer. Unter dem Punkt der Attribution wird in dem Modell das Vertrauen in die Wirk-
samkeit der eigenen Handlungen erfasst über die Ausbildung, dem Alter, dem Geschlecht
oder Mobilitäts- und Kulturerfahrungen. Der letzte Unterpunkt um die Person, der Widerstand
umfasst die Anstrengungen, welche die Person überwinden muss um das Ziel zu erreichen.
Entsprechende Variablen wären hier der Familienstand oder Bezugsgruppen im Aufnahme-
system (vgl. Esser, 210 und 220.).
3.1.2 Die Umwelt
Als Effekte der Umgebung wurden assimilative und nicht-assimilative Handlungsalternativen
genannt, sowie Barrieren. Handlungsmöglichkeiten beziehen sich auf jene Möglichkeiten zur
Handlung, welche durch die interkulturellen Kontakte neu hinzukamen. Diese lassen sich un-
terscheiden in die assimilativen und die nicht-assimilativen Handlungsmöglichkeiten. Währen
die Assimilativen jene Ereignisse und Faktoren beinhalten, die für eine Assimilation förder-
lich sind (zB. Kontakte im Zielland) wirken nicht-assimilative Opportunitäten einer kulturel-
len Annäherung entgegen (zB. Kontakte im Ausgangsland). Ein weiterer Unterpunkt der Um-
gebung sind die Barrieren. Damit sind im vorliegenden Fall Hindernisse gemeint, die durch
den Kulturübertritt entstehen und dem Erreichen der individuellen Ziele im Zielland entge-
genstehen. Dies sind beispielsweise rechtliche Beschränkungen oder soziale Vorurteile (vgl.
Esser, 211 und 221).
3.1.3 Assimilation
Die Faktoren und Items des allgemeinen Explanandums Assimilation sind die kognitive, iden-
tifikative, soziale und strukturelle Assimilation. Unter kognitiver Assimilation kann man die

14
geistige Annäherung an die Zielkultur verstehen. Veränderungen sind hier zu verzeichnen in
den Bereichen Sprache oder Regelkompetenz für Gestik und Bräuche. Die identifikative As-
similation fasst jene Prozesse zusammen, die um die persönliche Identifikation mit der neuen
Kultur zusammen stehen. Beispielsweise können hier die Faktoren Rückkehrabsicht, Natura-
lisierungsabsicht, oder ethnische Zugehörigkeitsdefinition betrachtet werden. Die soziale As-
similation behandelt die Aspekte um die sozialen Kontakte mit Personen der Zielkultur. Diese
können beispielsweise gemessen werden über die gesellschaftliche In- oder Exklusion. Unter
struktureller Assimilation wird hier die Angleichung der persönlichen strukturellen Eigenhei-
ten an die Zielkultur verstanden. Diese kann gemessen werden über Items wie eine vertikale
Situationsverbesserung durch den Kulturkontakt (vgl. Esser, 211f und 221).
Vor diesem theoretischen Hintergrund eines Niederländisch-Deutschen Kontaktes erscheinen
folgende Hypothesen als wichtig für eine Untersuchung:
Hypothese 1 a) bis d) Determinanten der Assimilation
Je eher
a) die kognitiven Fähigkeiten ausgebildet sind,
b) die Identifikation mit Deutschland besteht,
c) die sozialen Kontakte mit Deutschen aktiv gestaltet werden und
d) man einen strukturellen (beruflichen) Aufstieg mit seinem Deutschlandkontakt verbindet,
desto eher finden Tendenzen zur Angleichung statt.
Hypothese 2 a) bis d): Personenbezogene Determinanten
Je eher
a) eine positive Einstellung gegenüber einem Ziel das mit Deutschland verbunden ist besteht
(Motivation),
b) eine Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des Ziels besteht (Kognition),
c) ein Vertrauen in die Wirksamkeit der eigenen Handlungen besteht (Attribuierung),
d) es keine Anstrengung gibt, um ein Ziel zu erreichen (Widerstand) sind,
desto eher finden Tendenzen zur Angleichung statt.
Hypothese 3 a) bis c): Umweltbezogenen Determinanten
Je
a) förderlicher die assimilativen Handlungsmöglichkeiten,
b) geringer die rechtlichen oder sozialen Hindernisse,
c) größer die Handlungsalternativen über deutsche Wege sind,
desto eher findet eine Assimilation statt.

15
3.1.4 Erweiterung des handlungstheoretischen Ansatzes
Das allgemeine Assimilationsmodell wird für die vorliegende Arbeit etwas spezifiziert. Dabei
wird der allgemein gehaltene Punkt der Barrieren aufgegliedert in die folgenden Unterpunkte:
·
die von der befragten Person eingeschätzte Einstellung der Niederländer gegen-
über den Deutschen,
·
die von der befragten Person eingeschätzten Einstellung der Deutschen gegenüber
den Niederländern,
·
die sonstigen, allgemeinen Barrieren.
Diese Modifizierung bietet die Möglichkeit, genau zu analysieren, in wie weit Vorurteile der
einzelnen nationalen Umwelten den Assimilationsprozess beeinflussen und welche Rolle all-
gemeine Barrieren spielen.
In dem folgenden Schaubild werden die Faktoren Umwelt, Person und Assimilation aus dem
allgemeinen Migrationsmodell übernommen. Dazu werden die Einstellungen der Eingangs-
und Ausgangskultur hinzugefügt.
Abbildung 2: theoretisches Grundmodell für diese Arbeit
Einstellungen
Ausgangskultur
Niederlande
Assimilation
Orientierung anhand von
zunehmender Ansammlung
von Eindrücken und
Ereignissen, sowie
Kanalisation von Zielen/
Motiven
Umwelt
Opportunitäten,
Barrieren,
Alternativen
Person
Motivation,
Kognition,
Attribuierung,
Widerstand
Einstellungen
Eingangskultur
Deutschland
In der Grafik kann man erkennen, dass die einzelnen Faktoren in einem wechselseitigen Ver-
hältnis stehen. Um die Entwicklung der Assimilation der Personen zu untersuchen, wird der
Fokus auf 2 Zeitpunkte gelegt: die anfängliche und die gegenwärtige Situation. Hierbei wer-

16
den in Anlehnung an die allgemeinen Theorien der Handlungsentwicklung hauptsächlich das
erste und das letzte halbe Jahr betrachtet (vgl. Esser, 165f und Krewer/ Eckensberger, 581f).
3.2 Sozialpsychologische Faktoren: Über Lernen (Bandura), Kate-
gorisierungen (Allport) und Intergruppenbeziehungen (Tajfel)
Die grundsätzlichen Prozesse der Differenzierung in Gruppenkategorien wie zum Beispiel
,,Niederländer" oder ,,Deutsche" versuchten Allport und Tajfel zu erklären. Mit Allports Be-
schreibung, wie und warum Menschen ihre Umwelt in Kategorien einteilen, soll die Beobach-
tung Tajfels eingeleitet werden. Tajfel beobachtet die Prozesse der Integration und Exklusion
zwischen einzelnen kategorisierten Gruppen. Vor dem Hintergrund eines interkulturellen
Kontaktes zwischen zwei Kategorien stellt sich die Frage, inwieweit solche Kategorisierun-
gen und damit Grenzen und Barrieren auftreten.
3.2.1 Das Lernkonzept nach Bandura: Vom Erkennen
Als aktuell relevantes Konzept der Verarbeitung von Um- und Mitwelteinflüssen, bis hin zum
Aufbau von Handlungsschemata, gilt das Modell-Lernen von Bandura (vgl. Ulich, S. 73. In:
Hurrelmann und Ulich) . Das Modell lässt sich aufgliedern in die folgenden Schritte:
1. Ereignis,
2. Aufmerksamkeitsprozesse,
3. Gedächtnisprozesse,
4. Reproduktionsprozesse,
5. Motivationsprozesse und
6.
Nachbildungsleistungen (vgl. Bandura, 31).
In dem Modell lässt sich erkennen, dass Ereignisse zuerst auf den Menschen einwirken, dann
kognitiv geordnet und mit bisherigen Strategien verglichen werden. Zuletzt fließen sie in eine
Handlung ein. Ein neues Ereignis führt demnach nicht zwangsläufig zu kultureller Annähe-
rung, sondern zuerst zu Gedächtnisprozessen, durch welche entsprechend der Aufnahme,

17
Verarbeitung und Motive
5
abgewogen wird und ggf. bisherige Kulturaspekte trotzdem auf-
rechterhalten werden. Demnach steht das Individuum zwischen einer Ablehnung der neuen
kulturellen Beeinflussung (= konservativer Kulturkontakt) einerseits und andererseits der ak-
tiven Einarbeitung der neuen Kultureinflüsse in das Selbstbild (= innovativer Kulturkontakt)
(vgl. auch Esser, 1980, 225).
Wenn es etwas zu lernen gibt, dann ist das zu lernende etwas anderes als das, was die Person
gegenwärtig kennt (vgl. Luhmann (39-80) und Mead (166)). Wenn differenziert wird in Nie-
derländer und Deutsche, dann geht es in erster Linie um die Menschen in ihrer Eigenschaft als
Merkmalsträger dieser Nationalitäten und auf anderer Ebene (!) um die Merkmalsträger.
Während also am Anfang einer kulturellen ,,Lernlektion" einem Niederländer die Kenntnis
der deutschen kulturellen Muster (Sprache, nationale Regelungen und resultierende Verhal-
tensweisen) unbekannt sind, können durch Motive und Ziele neue Handlungen (Handlungs-
theorie) erlernt werden (Lerntheorie), die zunehmend, bis hin zur alltäglichen Wiederholung,
verinnerlicht werden, bis die kulturellen Muster bekannt sind und sich die Person in diesen
bewegen kann (Strukturtheorie). In dieser Arbeit soll somit versucht werden, eine Symbiose
aus Handlungs-, Lern- und Strukturtheorie anzuwenden.
Daher wird in der Erfassung nach der Kenntnis von Strukturen, Motiven und Einstellungen in
der Ausgangs- und der Zielkultur gefragt (zum anfänglichen und gegenwärtigen Zeitpunkt,
um auch die Lernprozesse mit aufzunehmen) und ob die Person gegenwärtig meint, dass es
Ähnlichkeiten zwischen den Nationen gibt.
3.2.2 Stereotypische Kategorisierung nach Allport: Kognitive Erleichte-
rung durch kognitive Gruppierungen
Nach Allport versucht der Mensch im Allgemeinen mittels Kategorien die Komplexität der
Umwelt zu reduzieren. Der Mensch bedient sich dazu fünf Arten von Kategorisierungsprozes-
sen, die stereotypisch sind. Kategorisierungen dienen demnach:
5
,,Summe der Beweggründe, die das individuelle soziale Handeln in Gang setzen" (Recker, H.: Stichwort ,,Mo-
tivation". S. 450. In: Reinhold, G..). Dabei kann man unterscheiden in interne Motivation (zB. eigener Antrieb,
Lust,...) und externe Motivation (zB. finanzieller Anreiz, sozialer/ beruflicher Aufstieg,...).

18
1. dem Anleiten täglicher eigener Anpassungsversuche an externe Kategorien,
2. dem Anpassen von Ereignissen an die eigenen Kategorisierungen,
3. der schnellen Identifikation von Objekten,
4. der Bewertung über Kategorien,
5.
einer mehr oder minder rationalen Beurteilung. (vgl. Allport, 20ff.)
Einen daraus entstehenden Stereotyp definiert Allport als ,,eine übertriebene Überzeugung,
die mit einer Kategorie verbunden ist. Ihre Funktion besteht in der Rechtfertigung (Rationali-
sierung) unseres Verhaltens in Verbindung mit dieser Kategorie" (Allport, 191).
Man könnte Allports Erkenntnis also unter die Punkte der Informationsverarbeitung bei Ban-
dura einordnen. Demnach ordnet das Individuum eintretende Reize unter die bestehenden
Kategorien und vereinfacht dadurch die Beurteilung. Egal welche Richtung ein kulturelles
Lernen also einschlug ­ im Endeffekt ist der Mensch solange zufrieden mit sich, solange die
Kategorien extern bzw. intern Bestand und Erfolg haben und nicht revidiert werden müssen.
Falls die Kategorien jedoch revidiert werden müssen, ist enormer Aufwand bezüglich der auf-
zuwendenden Motivation und Information nötig. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies,
dass die Kategorien Niederländer und Deutscher in den Köpfen angelegt werden und diese
mit vereinfachten Merkmalen belegt werden.
Da der Mensch ein soziales Wesen ist, das von der Umwelt geprägt ist, gilt es den Einfluss
der Gruppe der Merkmalsträger der Ausgangskultur und den Einfluss der Gruppe der Merk-
malsträger der Zielkultur zu betrachten. Dies geschieht im folgenden Kapitel.
3.2.3 Gruppenkategorisierung nach Tajfel: Zwischen Integration und
Ausgrenzung
Tajfel behandelt die Prozesse um Gruppeninklusion und Gruppenexklusion. Dazu wird All-
ports Ansatz der Stereotype verwendet. Tajfel hält jedoch die rein kognitiven Erklärungsan-
sätze für unzureichend, da sie den sozialen Kontext, in dem sich Stereotype entwickeln, nicht
berücksichtigen. Er meint, dass eine Theorie der Stereotypen mehrere Bereiche beinhalten
muss:

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832469306
ISBN (Paperback)
9783838669304
Dateigröße
831 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Sozialwissenschaften
Note
1,3
Schlagworte
migration lernen kategorisieren gruppen
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Titel: Interkulturelles Lernen bei Kontakten von Niederländern mit Deutschen anhand einer statistischen Untersuchung einer Interviewreihe
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