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Politische Kommunikation im Internet

Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002

©2002 Diplomarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
„Das Zauberwort, mit dem Politiker seit jeher Wahlen und Wähler für sich gewinnen wollen, heißt Zukunftsfähigkeit. Und womit wäre diese eindrucksvoller unter Beweis zu stellen als durch den virtuosen Umgang mit dem Medium, das trotz Börsenchrash und Start-up-Pleiten noch immer für Fortschritt steht: dem Internet.“
„Online“ sein, heißt heutzutage „in“ sein. Das Internet - das sogenannte „Netz der Netze“ hat sich mittlerweile einen festen Platz in der politischen Kommunikation erobert. Die im Bundestag vertretenen Parteien betreiben aufwändige Homepages mit eigenen Online-Redaktionen. Klar ist, dass das Internet nicht nur den Abstand zwischen Politikern und Bürgern, sondern auch den politischen Prozeß, sowie die Art und Weise wie Politik gemacht wird, stark beeinflussen kann. Das eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten und ebenso aktuelle, wie langfristige Herausforderungen an die Parteien.
Vorausgesetzt, sie verstehen auch diese Chancen und das Kommunikationspotential des Internet für sich zu nutzen, um den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu begegnen. Denn die Parteibindungen werden lockerer, die Wähler wankelmütiger und die Einflüsse auf die Wahlentscheidung kurzfristiger. Mit der Zahl der unentschlossenen „Last-Minute-Wähler“ steigt die Bedeutung der politischen Kommunikation im modernen Wahlkampf.
In jedem Fall verändert das Internet nicht nur zunehmend unsere Lebens- und Arbeitswelt, sondern auch das Feld der Politik. Zwar wird Politik und politische Kommunikation im Internet nicht neu erfunden, aber sie wird in den nächsten Jahren immer mehr im Internet und über das Internet stattfinden. Oft spielen dabei nicht nur rein technisch-basierten Möglichkeiten des Netzes eine Rolle - Schnelligkeit, Dezentralität, direkte Ansprache und gezielte Kontaktaufnahme - sondern oft stammen die Inspirationen aus der elektronischen Wirtschaft.
Durch das Internet bekommt die Politik neue Impulse verliehen und die Parteien in Deutschland müssen sich den neuen Aufgaben stellen. Ob und wie ihnen dies zur Bundestagswahl 2002 gelingt, war das Forschungsinteresse von Britta Schemel in ihrer Diplomarbeit „Politische Kommunikation im Internet – Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002”. Darin wurde analysiert, auf welche Weise die Parteien das Internet zur politischen Wahlkampfkommunikation einsetzten und für sich nutzten. Die zentrale These lautet: Das Internet fungiert als Anlass und Instrument der Parteienmodernisierung. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6856
Schemel, Britta: Politische Kommunikation im Internet - Im Vorfeld der Bundestagswahl
2002
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Freie Universität Berlin, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Autorenprofil
Britta Schemel
Persönliche Daten
Geboren: 23.06.1975
ledig, deutsch
Wichtige Eigenschaften
Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Zielstrebigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Organisationstalent
Angestrebter Aufgabenbereich
PR/ Öffentlichkeitsarbeit: im Bereich politische Kommunikation, politische Institutionen und Spitzenverbände
Akad. Grad: Diplom-Politologin (Note: 1,8)
Diplomarbeit: Politische Kommunikation im Internet ­ Im Vorfeld der
Bundestagswahl 2002
Fachrichtung: Politikwissenschaft
Schwerpunkt: Neue Formen politischer Kommunikation
Redaktion Fläming-Echo und Potsdam-Stadt: redaktionelle Abläufe,
Erwerb/ Ausbau journalistischer Kenntnisse
Redaktion Berlin/ Brandenburg: Selbständige Themensuche, Recherche für
eigene Beiträge, Veröffentlichung v. Berichten, Interviews, Reportagen, Fotos
Bereich Marketing/ PR: selbständige Erstellung und Herausgabe von
Pressemitteilungen, Vorbereitung und Realisierung von Pressekonferenzen,
Kooperation mit Rundfunk- und Fernsehsendern, Promotionsveranstaltungen
sowie Durchführung von Besucher- und Mitarbeiterumfragen
Redaktion Ombudsmann und Freizeitbeilage: Verfassen eigener
journalistischer Artikel, Kooperation mit Behörden, Verwaltung,
Unterstützung beim Servicetelefon
Deutschsprachige Wochenzeitung, Palma d. M:
selbständige Ideensuche- und Entwicklung, bilinguale Übersetzungen, eigene
spanisch-deutsche Themenrecherche und Umsetzung, Verfassen von
Meldungen, Berichten, Interviews u. Reportagen
Bereich Redaktion: system. Internet- und Telefonrecherche, Erstellung
verschiedener Beiträge u. deren techn. Umsetzung
Grietje Bettin (MdB, Bündnis 90/ Die Grünen): Verfassen von Online-
Artikeln/ Pressemitteilungen zu medien-, bildungs- und allgemeinpol. Themen
verantwortlich für den Bereich Presse/ PR
eigenständige Erstellung/ Bearbeitung von HTML-Dokumenten, red. Beiträge
zu politischer Werbung, Online-Wahlkampf sowie politischer
Kommunikation, Co-Durchführung des Online-Parteientests, Formulierung
des Abschlußberichts
Qualitative Befragungen (face to face/ telefonisch), Medien- und
Kommunikationsforschung, Wahlhochrechnung für Fernsehanstalten bei forsa
sowie Wahlforschung bei infratest-dimap/ infratel GmbH
Fließend in Wort und Schrift
Erweiterte Kenntnisse
Grundkenntnisse
Internetanwendungen, MS Office (Word, Excel, PowerPoint, FrontPage)
Studium
01/2003
Diplomabschluss
1997 - 2003
Studium an der Freien Universität Berlin
10/2000 - 05/2001
Socrates-Stipendium Universität Alicante
Praktika
11/1991 und 07/1994
Märkische Allgemeine Zeitung
07/1993 und 08/1996
Berliner Morgenpost
07/1995 - 08/1995
Babelsberg Studiotour GmbH
05/1999 - 07/1999
Berliner Zeitung
06/2001 - 07/2001
Mallorca Zeitung
12/1001 - 01/2002
wegewerk Medienlabor GmbH
10/2002 - 12/2002
Bundestagsabgeordnetenbüro
Weitere Tätigkeiten
1991 - 1995
Schülerzeitungsredakteurin
1991 - 1996
Freie Mitarbeiterin der Märkischen
Allgemeinen Zeitung
1992 - 1996
Stellv. Vorsitzende und Pressesprecherin
der Jungen Presse Brandenburg e.V.
1996 - 1998
Vorsitzende der Jungen Medien Berlin e.V.
1999 - 2000
Vorstandsmitglied bei AEGEE-Berlin,
Forum Europäischer Studenten e.V.
seit 2002
Freie Mitarbeiterin von politik-digital.de
Kenntnisse
Nebenjobs in den Bereichen Meinungs-
forschung, Promotion, Werbung
Zusatzqualifikationen
Sprachen:
Englisch
Spanisch
Russisch
Computer:
Routine im Umgang mit PC und Mac
Dipl.-Pol.
Suarezstrasse 41
14057 Berlin
britt2306@gmx.net
0172-3845602
www.britta-schemel.de

Gliederung
1.
Einleitung
1
1.1.
Zum
Aufbau
der
Arbeit
3
1.2.
Der
aktuelle
Forschungsstand 4
1.3.
Zur
Ausgangslage
6
1.3.1.
Die
Modernisierungsthese 6
1.3.2.
Die
Veränderungen
der
Medien
7
1.3.3.
Der Wandel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
9
2.
Politische Kommunikation und Parteien im Zeichen des Internet
10
2.1. Politische Kommunikation - Begriffsbestimmung
11
2.2. Die Rolle der Parteien in der politischen
Kommunikation
13
2.2.1.
Die
Grundsätze
der
Verfassung
14
2.2.2.
Regelung
des
Parteiengesetzes
15
2.3. Die Rolle der Bürger in der politischen
Kommunikation
16
2.4. Die Rolle der Medien in der politischen Kommunikation
16
2.5. Fehlleistungen der Medien und Anforderungen an die Parteien
17
2.6.
Zwischenfazit 19
2.7. Das Internet als neues Medium in der politischen Kommunikation
20
2.7.1.
Das
technische
Potential
des
Internet
21
2.7.2.
Das
politische
Potential
des
Internet
22
2.7.3.
Das Stimmenpotential der Deutschen im Internet
24
2.8.
Online-Kommunikation
26
2.8.1.
Internet als Motor für politische
Kommunikation
26
2.8.2.
Veränderung
politischer
Kommunikationsströme
27
2.8.3.
Kosten und Nutzen politischer Online-Kommunikation
29
2.8.3.1.
E-Business-Modelle
in
der
Politik
29
2.8.3.2. Politisches ,,Customer-Relationship-Management" (CRM) in Deutschland 30
2.8.3.3. Politische Akteure und ihre
,,Geschäftsmodelle" 33
2.9.
Zwischenfazit 33

3.
Die Bundestagsparteien im Internet
seit
1995 34
3.1. Entstehung und Entwicklung virtueller
Parteizentralen
34
3.2. Online-Angebote zur Bundestagswahl 1998
37
3.3.
Zwischenfazit 39
3.4.
Entwicklung
der
Thesen
40
3.4.1.
Erste Arbeitsthese
40
3.4.2.
Zweite
Arbeitsthese
40
3.4.3.
Dritte Arbeitsthese
41
3.4.4.
Arbeitsfragen
41
3.4.5.
Zentrale These
41
4.
Typologische Analyse der Online-Angebote von SPD und CDU zur
Bundestagswahl
2002
42
4.1.
Entwicklung
des
Forschungsdesigns 42
4.1.1.
Materialbasis
42
4.1.2.
Methodisches
Vorgehen
44
4.1.2.1.
Zur
Aufbereitung
45
4.1.2.2.
Zur
Auswertung
45
4.2.
Ausgangslage
des
Online-Campaigning
46
4.2.1.
Aufgaben der Agenturen
47
4.2.2.
Maßnahmen
und
Ziele
48
4.3. Online-Angebote von SPD und CDU - Wahlkampf im Netz
48
4.3.1.
Externe
Plattformen
der
SPD
50
4.3.2.
Interne
Plattformen
der
SPD
51
4.3.3.
Externe
Plattformen
der
CDU
51
4.3.4.
Interne
Plattformen
der
CDU
52
4.4. Typologische Auswertung der leitfadenorientierten Experteninterviews
52
4.5.
Zwischenfazit 60
4.6. Kritische Betrachtung der Online-Angebote von SPD und CDU
61
4.7.
Schlussbetrachtung
und
Ausblick
80

Literaturverzeichnis
Anhang
Glossar

1
1. Einleitung
,,Das Zauberwort, mit dem Politiker seit jeher Wahlen und Wähler für sich gewinnen wollen,
heißt Zukunftsfähigkeit. Und womit wäre diese eindrucksvoller unter Beweis zu stellen als
durch den virtuosen Umgang mit dem Medium, das trotz Börsencrash und Start-up-Pleiten
noch immer für Fortschritt steht: dem Internet."
1
,,Online" sein, heißt heutzutage ,,in" sein. Das Internet - das sogenannte ,,Netz der Netze" hat
sich mittlerweile einen festen Platz in der politischen Kommunikation erobert.
2
Die im
Bundestag vertretenen Parteien
3
betreiben aufwändige Homepages mit eigenen Online-
Redaktionen. Klar ist, dass das Internet nicht nur den Abstand zwischen Politikern und
Bürgern, sondern auch den politischen Prozeß, sowie die Art und Weise wie Politik gemacht
wird, stark beeinflussen kann. Das eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten und ebenso
aktuelle, wie langfristige Herausforderungen an die Parteien. Vorausgesetzt, sie verstehen
auch diese Chancen und das Kommunikationspotential des Internet für sich zu nutzen, um den
veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu begegnen. Denn die Parteibindungen
werden immer lockerer, die Wähler wankelmütiger und die Einflüsse auf die
Wahlentscheidung kurzfristiger. Mit der Zahl der unentschlossenen ,,Last-Minute-Wähler"
steigt auch die Bedeutung der politischen Kommunikation im modernen Wahlkampf.
Letztlich sind es die Medien, über die Wahlkämpfe entschieden werden.
4
Ergänzend zu den
traditionellen Medien hat sich ab Mitte der 90er Jahre das Internet entwickelt, das sich
aufgrund seiner vielfältigen Kommunikationsmodi von diesen unterscheidet. Insbesondere die
Bundestagswahlen 1998 haben maßgeblich zur Anerkennung und Ausweitung des Internet als
neue Arena politischer Kommunikation beigetragen.
5
1
Werle, Klaus: Der Gegenschlag erfolgt in zwanzig Minuten ­ Auf eigens eingerichteten Wahlkampf-Seiten
duellieren sich die großen Parteien auch im Internet, in: Berliner Zeitung, 18.02.2002, S. 17.
2
Die historische Entwicklung des ,,Phänomens" Internet: Kubicek, Herbert: Das Internet 1995-2005, in:
Leggewie, Claus/ Maar, Christa (Hrsg.): Internet & Politik - Von der Zuschauer- zur Beteiligungsdemokratie,
Bollmann Verlag, Köln, 1998, S. 55-69; Cailliau, Robert: Zur Technikgeschichte des Internet, in: ebd., S. 70-81;
Rederer, Klaus: Das Internet, in: ders.: Politik Online ­ Die politischen Parteien im Internet, Mensch & Buch
Verlag, Berlin, 2000, S. 32-47.
3
Wenn in der vorliegenden Arbeit weiter von ,,Parteien" die Rede ist, bezieht sich die Verfasserin auf die
etablierten Großparteien SPD und CDU. Ausnahmen werden gekennzeichnet.
4
Holtz-Bacha, Christina: Parteien und Massenmedien im Wahlkampf, in: Alemann, Ulrich von/ Marschall,
Stefan (Hrsg.): Parteien in der Mediendemokratie, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2002, S. 42-56.
5
Bieber, Christoph: Projekte im Internet - Online-Kommunikation und politische Öffentlichkeit, Campus
Verlag, Frankfurt/M., New York, 1999, S. 201.

2
In jedem Fall verändert das Internet nicht nur zunehmend unsere Lebens- und Arbeitswelt,
sondern auch das Feld der Politik. Zwar wird Politik und politische Kommunikation im
Internet nicht neu erfunden, aber sie wird in den nächsten Jahren immer mehr im Internet und
über das Internet stattfinden.
6
Meistens spielen dabei nicht nur die rein technisch-basierten
Möglichkeiten des Netzes eine Rolle - Schnelligkeit, Dezentralität, direkte Ansprache und
gezielte Kontaktaufnahme - sondern oft stammen die Inspirationen aus der Sphäre der
elektronischen Wirtschaft. E-Business Modelle und E-Commerce-Plattformen haben gezeigt,
welche interaktiven Möglichkeiten das Internet bietet, Politik und Verwaltung haben mit einer
kleinen Verzögerung aufgeholt.
7
Dadurch bekommt die Politik neue Impulse verliehen und
die Parteien in Deutschland müssen sich den neuen Aufgaben stellen. Ob und wie ihnen dies
gelingt, ist das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit ,,Politische Kommunikation im
Internet ­ Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002".
Es soll analysiert werden, auf welche Weise die Parteien das Internet zur politischen
Wahlkampfkommunikation 2002 einsetzen und für sich nutzen. Der sich vollziehende
Wandel der politischen Kommunikation steht im Mittelpunkt. Die zentrale These dieser
Arbeit lautet:
Das Internet fungiert als Anlass und Instrument der Parteienmodernisierung.
6
Zur regelmäßigen Analyse der Entwicklungen eignet sich Siedschlag, Alexander/ Bilgeri, Alexander/
Lamatsch, Dorothea (Hrsg.): Kursbuch Internet und Politik, Leske + Budrich, Opladen, 2001ff., erscheint
halbjährlich. Bisher erschienen: Bd. 1/2001: Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren; Bd. 1/2002:
Schwerpunkt: Wahlkampf im Netz.
7
Zum Themenfeld Wirtschaft und Internet: Vgl. Zerdick, Axel u.a.: Die Internetökonomie ­ Strategien für die
digitale Wirtschaft, Springer, Berlin, 1999.

3
1.1.
Zum Aufbau der Arbeit
Beim Bundestagswahlkampf 2002 wird das Internet erstmals, neben den klassischen
Werbeträgern, als gleichwertiges Kampagneninstrument eingesetzt. Es wird sich jedoch erst
zeigen, ob die Parteien dem Medium Internet auch gerecht werden oder ob sie es lediglich
einsetzen, um ihr zum Teil angestaubtes Image vor allem bei jungen Zielgruppen und
Wechselwählern aufzupolieren. Aufgrund des explorativen Charakters der Internetnutzung
durch die Parteien, möchte diese Arbeit untersuchen, wie die im Bundestag vertretenen
Parteien eigene Webseiten zur Kommunikation mit ihren Wählern und den Bürgern im
Wahljahr 2002 nutzen. Im Zentrum der Untersuchung steht die politische Kommunikation der
politischen Akteure durch das neue Medium Internet. Die Parteien werden mit ihrer Präsenz
im Online-Wahlkampf beweisen müssen, dass sie das Medium verstanden haben.
8
Diese Erwartung läßt sich durch zwei Aspekte untersuchen: Auf der einen Seite muss geklärt
werden, welche Aufgaben politische Kommunikation im Politikprozeß erfüllt.
9
Auf der
anderen Seite sind nicht nur das technische Potential des Internets entscheidend, sondern es
kommt auf den konkreten Gebrauch und den Einsatz durch die politischen Akteure an. Es
zählt, was die Parteien aus den ihnen gegebenen Möglichkeiten letztendlich machen.
10
Mit folgenden zentralen Fragen soll das Thema theoretisch und praktisch erfasst werden:
Inwieweit nutzen die im Bundestag vertretenen Parteien das Kommunikationspotential des
Internet für den Bundestagswahlkampf 2002?
Welche Strategien, Veränderungen und Trends zeichnen sich durch eine zunehmende
Professionalisierung in der politischen Kommunikation ab?
Vollzieht sich durch die politische Online-Kommunikation eine Umgestaltung in der Struktur
des Wahlkampfstabs und der Parteiorganisation in Deutschland?
8
Saal, Marco: Das Web wird zum Wahlkampftool, in: Horizont, 7. Februar 2002, S. 49.
9
Scherer, Helmut: Partizipation für alle?, in: Rössler, Patrick (Hrsg.): Online-Kommunikation ­ Beiträge zu
Nutzung und Wirkung, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1998, S. 172.
10
Kleinsteuber, Hans-J./ Hagen, Martin: Was bedeutet elektronische Demokratie? Zur Diskussion und Praxis in
den USA und Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1/1998, S. 69

4
Zunächst wird die politische Kommunikation aus der Akteursperspektive theoretisch
betrachtet. Danach wird im praktischen Teil von einer zweistufigen Betrachtungsweise her an
das Thema herangegangen. Die erste Stufe der Untersuchung sind fünf leitfadenorientierte
Interviews mit Experten der Online-Redaktionen der im Bundestag vertretenen Parteien. Die
zweite Stufe betrachtet den praktischen Einsatz des Internet zur politischen Kommunikation
im Vorfeld der Bundestagswahl 2002.
1.2.
Der aktuelle Forschungsstand
Wahlen haben für demokratische Systeme eine Schlüsselfunktion. Deshalb gehören
Wahlkämpfe auch bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Politik und Kommunikation
zum bevorzugten Untersuchungsgegenstand. Sie gelten als Testphase für moderne Formen
der politischen Kommunikation wie überhaupt für vermutete Trends in der
Professionalisierung. In der politik- und kommunikationswissenschaftlichen Erforschung von
Wahlkämpfen als besondere Kristallisierungsphasen politischer Kommunikation häufen sich
seit den 90er Jahren Untersuchungen zu Prozessen der ,,Modernisierung von
Wahlkämpfen".
11
Andere Arbeiten diagnostizieren diese Veränderungen als Phänomene des
Übergangs der Industriegesellschaft zur ,,Mediengesellschaft" oder der ,,Parteien- zur
Mediendemokratie".
12
Dabei werden auch Anzeichen für einen Wandel des politischen
Systems erkannt: Unter den Bedingungen der modernen Mediengesellschaft verändere sich
langfristig das parlamentarisch-repräsentative System in ein medial-präsentatives.
13
In der
wissenschaftlichen Diskussion hat sich diese erweiterte Problemsicht mit medieninduzierten
gesellschaftlichen und politischen Veränderungen erkennbar niedergeschlagen.
14
11
Niedermayer, Oskar: Modernisierung von Wahlkämpfen als Funktionsentleerung der Parteibasis, in: ders./
Westle, Bettina (Hrsg.): Demokratie und Partizipation. Festschrift für Max Kaase, Westdeutscher Verlag,
Opladen/ Wiesbaden, 2000, S. 194.
12
Sarcinelli, Ulrich: Parteien und Politikvermittlung: Von der Parteien- zur Mediendemokratie?, in: ders.
(Hrsg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, Bundeszentrale für politische Bildung,
Bd.352, Bonn, 1998, S. 273-296.
13
Sarcinelli, Ulrich: Repräsentation oder Diskurs? Zu Legitimität und Legitimitätswechsel durch politische
Kommunikation. In: Zeitschrift für Politikwissenschaft, H.2, 1998, S. 550.
14
Kamps, Klaus: Trans-Atlantik ­ Trans-Portabel? Amerikanisierungsthese in der politischen Kommunikation,
Westdeutscher Verlag, Opladen/ Wiesbaden, 2000; Noelle-Neumann, Elisabeth/ Kepplinger, Hans Mathias/
Donsbach, Wolfgang (Hrsg.): Kampa ­ Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998,
Alberverlag, Freiburg i. Br./ München, 1999; Plasser, Fritz: ,,Amerikanisierung" der Wahlkommunikation in
Westeuropa: Diskussions- und Forschungsstand, in: Bohrmann, Hans/ Jarren, Otfried/ Melischek, Gabriele/
Seethaler, Josef (Hrsg.): Wahlen und Politikvermittlung durch Massenmedien, Westdeutscher Verlag, Opladen/
Wiesbaden, 2000.

5
Diese Entwicklung erhielt durch die Ausweitung elektronischer Medien, durch die wachsende
Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern und dem damit
verbundenen Ökonomisierungstrend eine besondere Dynamik mit unterschiedlichen
Konsequenzen. Für die politischen Akteure wird die Professionalisierung der politischen
Kommunikation als unvermeidbare Reaktion und Kampagnenfähigkeit als zentrales
Organisationsziel angesehen, um sich im Wettbewerb um das knapper werdende Gut
Aufmerksamkeit zu behaupten. Hier bietet das Internet Chancen für die politischen Parteien.
Nach anfänglichem Zögern und, im Vergleich zu den USA späten Wahrnehmen der Brisanz
des Themas Politik im Internet, haben mittlerweile alle Ministerien, der Bundestag, die
Parteien und Fraktionen, das Bundeskanzleramt und auch die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages den Weg auf die weltweite Datenautobahn gefunden: Sie nutzen diese neue
Form der politischen Kommunikation. Doch die Thematik ist in der deutschen
Politikwissenschaft bislang nur unzureichend repräsentiert.
15
Der Ausbau der virtuellen
Parteizentralen, aber auch der Online-Präsenzen anderer Akteure des politischen Systems, hat
das Internet zum festen Bestandteil politischer Kommunikationsprozesse werden lassen.
Mit der Entstehung parteibezogener Kommunikationsangebote im Internet hat sich seit 1995
eine populäre Form politischer Kommunikation etabliert. Die Online-Aktivitäten der Parteien
in Deutschland wurden aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert.
16
Durch die
fortwährende technologische Entwicklung stellt dieses neue Forschungsfeld sowohl die
politische Kommunikationsforschung als auch die Parteienforschung vor neue Aufgaben.
Anfang diesen Jahres erschienen mehrere Publikationen, die sich mit dem Internet als
Wahlkampfmedium zur Bundestagswahl 2002 beschäftigen.
17
Dennoch, die wenig
reflektierten Publikationen zu ,,E-Themen" stammen zumeist aus ökonomischer Perspektive
15
Über politikwissenschaftliche Internetforschung informiert u.a. die Internetseite der Ad-hoc-Gruppe ,,Internet
und Politik" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW):
www.internet-und-politik.de.vu
.
16
Einschlägige deutsche Forschungsbeiträge: Bieber, Christoph: Politische Projekte im Internet, a.a.O., S. 94-
120; Rössler, Patrick (Hrsg.): Online-Kommunikation Beiträge zur Nutzung und Wirkung, Westdeutscher
Verlag, Opladen, 1998; Clemens, Detlev: Wahlkampf im Internet, in: Gellner, Winand/ Korff, Fritz von (Hrsg.):
Demokratie und Internet, Nomos, Baden-Baden, 1998, S. 143-156; Kaiser, Robert: Online-Informationsangebote
der Politik - Parteien und Verbände im World Wide Web, in: Kamps, Klaus (Hrsg.): Elektronische Demokratie?
Perspektiven politischer Partizipation, Westdeutscher Verlag, Opladen/ Wiesbaden, 1999, S. 175-190; Rederer,
Klaus: Politik Online ­ Die politischen Parteien im Internet, Mensch & Buch Verlag, Berlin, 2000; Bieber,
Christoph: Internet, Parteikommunikation, Multimediapolitik. Eine Einführung, in: Friedrich-Ebert-Stiftung/
ders. (Hrsg.): ParteiPolitik 2.0: Der Einfluss des Internet auf parteiinterne Kommunikations- und
Organisationsprozesse, Bonn, 2001, S. 6-27.
17
U.a. Gellner, Winand/ Strohmeier, Gerd: Cyber-Kampagnen, in: Dörner, Andreas/ Vogt, Ludgera (Hrsg.):
Wahl-Kämpfe ­ Betrachtungen über ein demokratisches Ritual, Suhrkamp, Frankfurt/ a.M., 2002, S. 164-186;
Gellner, Winand/ Strohmeier, Gerd: Parteien in Internet-Wahlkämpfen, in: Alemann, Ulrich von/ Marschall,
Stefan (Hrsg.): Parteien in der Mediendemokratie, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2002, S. 189-209.

6
und thematisieren nur unternehmerische Implikationen. Ein politikwissenschaftlicher Zugang
fehlt fast gänzlich. Eine Ausnahme bilden beispielsweise Kamps Untersuchungen
18
und
besonders
aktuelle
Publikationen
zu
E-Business-Modellen
und
deren
Implementierungsversuchen in die Politik.
19
Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, diese
Forschungslücke weiter zu schließen.
1.3.
Zur Ausgangslage
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die allgemeinen Rahmenbedingungen, Strukturen
und Stile von Wahlkämpfen nachhaltig verändert. Die Gründe dieser Entwicklung sind unter
anderem tief greifende Wandlungsprozesse in der Gesellschaft und im Mediensystem, die sich
auch auf die politische Kommunikation der Parteien auswirken. In Deutschland wurde der
Prozess vor allem durch die SPD-Kampagne zur Bundestagswahl 1998 thematisiert.
1.3.1. Die Modernisierungsthese
Oft wurde dabei der Begriff der Amerikanisierung
20
verwendet, um auf Veränderungen in der
Wahlkampfführung hinzuweisen, die sich dem Stil der Wahlkämpfe in den USA angenähert
hätte. Bei genauerer Betrachtung ist hier jedoch eher von einer Modernisierung zu sprechen.
Nach Niedermayer zielt die Modernisierungsthese ab ,,auf einen generellen Wandel des
politischen Kommunikationsprozesses zwischen Parteieliten und Wählern ... der Wandel
schlägt sich in den kommunizierten Inhalten nieder ... und ist durch eine zunehmende
Mediatisierung, Personalisierung und Entideologisierung der Politikvermittlung von den
Parteieliten an die Wähler, eine wachsende Bedeutung der Massenmedien und der
Demoskopie bei der Interessenvermittlung von den Wählern an die Parteieliten sowie eine
zunehmende
Professionalisierung
des
gesamten
Kommunikationsmanagements
gekennzeichnet."
21
18
Kamps, Klaus (Hrsg.): Elektronische Demokratie? Perspektiven politischer Partizipation, a.a.O.
19
Welzel, Carolin: ,,Politisches Customer-Relationship-Management", in: Siedschlag, Alexander/ Rogg, Arne/
dies. (Hrsg.): Digitale Demokratie - Willensbildung und Partizipation per Internet, Leske+Budrich, Opladen,
2002, S. 53-62.
20
Siehe Kriterien zur Amerikanisierungsthese u.a. Schulz, Winfried: Politische Kommunikation ­ Theoretische
Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung zur Rolle der Masssenmedien in der Politik, Westdeutscher
Verlag, Opladen, 1997, S. 186f.; Müller, Albrecht: Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie:
Beobachtungen zum Bundestagswahlkampf 1998 im Spiegel früherer Erfahrungen, Leske+Budrich, Opladen,
1999, S. 40.
21
Niedermayer: Modernisierung von Wahlkämpfen als Funktionsentleerung der Parteibasis, a.a.O., S. 195.

7
Die gemeinten Phänomene lassen sich durch Modernisierungsprozesse, die in den USA zur
Zeit wohl am stärksten ausgeprägt sind, begründen. Bei der Betrachtung der neuesten
Entwicklungstrends von Wahlkämpfen werden unter Berücksichtigung der aktuellen
Wahlkampf-Literatur
22
folgende
zentrale
Punkte
aufgezeigt:
Medienwandel,
Relevanzsteigerung,
Professionalisierung,
Politainment
und
Privatisierung.
Der
Medienwandel soll nachfolgend wegen seiner großen Relevanz für die Arbeit ausführlich
erläutert werden.
1.3.2. Die Veränderungen der Medien
Großen Einfluss hat die Berichterstattung in Radio, Fernsehen und Zeitungen auf die
Wahrnehmung von politischen Problemen.
23
Es besteht kein Zweifel, dass das Fernsehen in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seiner hohen Reichweite, dem Image als
bevorzugtes Medium für politische Informationen und dem höchsten Glaubwürdigkeitsfaktor
unter den Medien
24
zum Leitmedium geworden ist, wenn es um die Vermittlung von
Botschaften durch politische Akteure geht.
25
Allerdings lässt sich seit Anfang der 80er Jahre ein allmählicher Reichweitenverlust von
politischen Dokumentationen und Magazinen im Fernsehen beobachten, einhergehend mit
einem Glaubwürdigkeitsverlust.
26
Mit Blick auf die Medien erschöpft sich Politik dabei oft im
Setzen von Themen und Themenrangfolgen in der Öffentlichkeit (Agenda-Building und
Agenda-Setting), im Lancieren von politisch-kommunikativen Formeln und im Organisieren
von ,,Pseudoereignissen"
27
. Schulz nennt diese subtilen Formen der Instrumentalisierung von
Medien ,,Ereignismanagement".
28
Die Herausforderung an die politische Kommunikation
wird noch verschärft durch eine weitere Entwicklung: Die Vergrößerung des Medienangebots
führe unweigerlich zu einer Fragmentierung des Publikums in eine Vielzahl von Teilpublika.
Die Reichweite der einzelnen Angebote wird immer kleiner. Dieser Trend zur Aufspaltung
22
Mit Bezug auf deutsche Wahlkämpfe sei hier auf einen wichtigen Titel der neuesten Zeit hingewiesen: Dörner,
Andreas/ Vogt, Ludgera (Hrsg.): Wahl-Kämpfe, a.a.O.
23
Schulz, Winfried, a.a.O., S. 150 ff.
24
Kiefer, Marie-Luise: Massenkommunikation 1995, in: Media Perspektiven, 5/1996, S. 234 ff.
25
Jarren, Otfried: Politik und politische Kommunikation in der modernen Gesellschaft, in: aus Politik und
Zeitgeschichte, B39/1994, S. 4.
26
Darschin, Wolfgang/ Frank, Bernward: Tendenzen im Zuschauerverhalten - Fernsehgewohnheiten und
Programmbewertungen 1994, in: Media Perspektiven, 4/1995, S. 154-171.
27
Schmitt-Beck, Rüdiger/ Pfetsch, Barbara: Politische Akteure und die Medien der Massenkommunikation, in:
Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen, Westdeutscher Verlag,
Opladen, 1994, S. 122.
28
Schulz, a.a.O., S. 137.

8
des Publikums wird zusätzlich unterstützt durch die Individualisierung des Zugangs zu den
Medien.
29
Dadurch nimmt für das Publikum das ,,Potential gemeinsamen Erlebens"
30
ab und
die Massenmedien verlieren ihre Integrationsfunktion. Angesichts dessen müssen die
politischen Akteure ihr Kommunikationsmanagement verstärken. Zunächst, um überhaupt
Aufmerksamkeit für sich und ihre Themen zu erlangen, und dann, um Unterstützung für ihr
Handeln zu sichern.
Die Politik muss sich dabei auch auf die differenzierte Medienlandschaft einstellen. Konkret
bedeutet das für die politischen Akteure, jeden potentiellen Kommunikationskanal, also auch
das Internet, für ihre Botschaften zu nutzen. Durch die Nutzung des Internet als politisches
Medium scheint sich erneut ein Medienwandel abzuzeichnen, dessen Tragweite für die
politischen Parteien noch nicht abzuschätzen ist.
31
So bietet das Internet eine Vielzahl neuer, interaktiver Möglichkeiten für den Wahlkampf, die
allerdings bisher, mit Ausnahme der US-Präsidentschaftskampagne 2000, von den politischen
Akteuren noch wenig genutzt wurde.
32
Die rasante Zunahme der Internetnutzung in
Deutschland deutet auf einen tief greifenden Wandel im medialen und politischen System
hin.
33
Zurzeit ist in Deutschland etwa jeder zweite Erwachsene im Netz, rund 30 Millionen
Bürger (drei Millionen Menschen mehr als 2001) verfügen privat oder dienstlich über einen
Internet-Anschluss und surfen regelmäßig im Internet.
34
Das Wachstum der Internet-Nutzung
habe nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung längst die ,,kritische Masse"
erreicht, wobei sich insgesamt die Strukturen der Internet-Nutzer immer mehr denen der
Bevölkerung insgesamt annähern.
35
29
Holtz-Bacha, Christina: Das fragmentierte Medienpublikum. Folgen für das politische System, in: Aus Politik
und Zeitgeschichte, B42/1997, S. 13.
30
Rühl, Manfred: Integration durch Massenmedien? Kritische Anmerkungen zum klassischen
Integrationsbegriff, in: Saxer, Ulrich (Hrsg.): Gleichheit oder Ungleichheit durch Massenmedien?, Oelschläger
Verlag, München, 1985.
31
Dörner, Andreas: Wahlkämpfe ­ eine rituelle Inszenierung des ,,demokratischen Mythos", in: Dörner,
Andreas/ Vogt, Ludgera (Hrsg.): Wahl-Kämpfe, a.a.O., S. 34.
32
Gellner, Winand/ Strohmeier, Gerd: Cyber-Kampagnen, in: Dörner, Andreas/ Vogt, Ludgera (Hrsg.): Wahl-
Kämpfe, a.a.O., S. 164-186.
33
Siehe auch Kapitel 2.6.3. dieser Arbeit.
34
Vgl. TNS Emnid
eMind@emnid
in Kooperation mit der Initiative D 21 e.V. (Hrsg.): (N)ONLINER Atlas
2002, Königsdruck, Berlin, 2002.
35
Vgl. GfK Medien-Forschung (Hrsg.): GfK-Online-Monitor, Ergebnisse der 7. Untersuchungswelle 2000/2001.

9
Abbildung 1: GfK-Online-Monitor 1. bis 7. Welle, deutschsprachige Bevölkerung
Der Bundestagsabgeordnete Tauss, Internet-Pionier der SPD, sieht die Folge des
beschriebenen Wandels in einem Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit:
36
,,Veränderungen im Mediensystem führen zu Veränderungen im Politiksystem, und die
daraus resultierende Darstellungspolitik beeinflusst dann ihrerseits wiederum die
Mechanismen der (politischen) Wirklichkeitskonstruktion durch die Medien."
37
1.3.3. Der Wandel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
Nach den Befunden der Parteienforschung findet seit geraumer Zeit, im Zuge
gesellschaftlicher
Modernisierungsprozesse,
eine
tendenzielle
Entkoppelung
von
Sozialstruktur und politischem Verhalten statt: Die Bindungen der Wähler an die Parteien
werden immer lockerer. Die Zahl derjenigen Deutschen, die keine Parteiidentifikation haben,
wird stetig größer.
38
Sozialer Wandel bricht die traditionellen Milieus auf, die Gesellschaft
36
Siehe Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit Untersuchungen zu einer Kategorie der
bürgerlichen Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt/ a. M., 1995.
37
Tauss, Jörg / Kollbeck, Johannes: Der vernetzte Politiker - Die virtuelle Diskussion stärkt die Kompetenz, in:
Leggewie, Claus/ Maar, Christa (Hrsg.): Internet & Politik, a.a.O., S. 279.
38
Vgl. Roth, Dieter: Empirische Wahlforschung, Leske+Budrich, Opladen, 1998, S. 44.

10
differenziert sich. So entstehen verschiedene Lebensstilgruppen, die aber als weniger stabil
gelten als die sozialen und politischen Milieus früher.
39
Für die Parteien schlägt sich diese abnehmende gesellschaftliche und politische Einbindung
der potentiellen Wähler außerdem in einem Mitgliederschwund, in der Schrumpfung des
Stammwählerpotentials und in einer erhöhten Wechselwahlbereitschaft nieder. Auf diesen
Wandel in der Gesellschaft sind die Parteien wegen ihres politischen Überlebens gezwungen,
mit neuen institutionellen Arrangements im Inneren, sowie intensivierter politischer
Kommunikation nach außen zu reagieren.
40
Die veränderten Bedingungen bieten den Politikern jedenfalls große Chancen. Über die
Prinzipien und Ziele für zukunftweisende Wege wird bereits in Politik und Wissenschaft
diskutiert.
41
Auch ein steigendes Bewusstsein dafür, dass politische Kommunikation keine
lästige Ergänzung des politischen Handelns mehr ist, sondern elementare Voraussetzung für
den politischen Erfolg, lässt sich aus den aktuellen Entwicklungen der Parteien entnehmen.
Im zweiten Kapitel sollen nun diese Tendenzen in der politischen Kommunikation im Zeichen
des Internet ausführlich erläutert werden.
2. Politische Kommunikation und Parteien im Zeichen des Internet
Wahlkämpfe sind Kommunikationsereignisse, in denen sich die Interaktion zwischen Parteien
und Wählern verdichtet.
42
Die Parteien intensivieren ihre Bemühungen, die Bürger von ihrem
programmatischen und personellen Angebot zu überzeugen. Moderne Wahlkämpfe werden
im wesentlichen in den Medien ausgetragen, so dass die Kommunikation zwischen Parteien
und Wählern von der Handlungslogik der Medien geprägt ist.
39
Vgl. u.a. Oedegaard, Ingvill C.: Lebensstile, soziale Milieus und Wahlverhalten in Westdeutschland:, in:
Klein, Markus (Hrsg.): 50 Jahre empirische Wahlforschung in Deutschland. Entwicklung, Befunde,
Perspektiven, Daten, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2000, S. 212-234.
40
Kaase, Max: Partizipatorische Revolution ­ Ende der Parteien, in: Raschke, Joachim (Hrsg.): Parteien und
Bürger. Ansichten und Analysen einer schwierigen Beziehung, Bonn, 1982, S. 173-189.
41
Vgl. u.a. Müntefering, Franz/ Machnig, Matthias (Hrsg.): Sicherheit im Wandel, Berliner vorwärts
Verlagsgesellschaft, Berlin, 2001.
42
Klingemann, Hans-Dieter/ Voltmer, Katrin: Politische Kommunikation als Wahlkampfkommunikation, in:
Jarren, Otfried/ Sarcinelli, Ulrich, Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen
Gesellschaft, Ein Handbuch mit Lexikonteil, Westdeutscher Verlag, Opladen/ Wiesbaden, 1998, S. 396-405.

11
2.1.
Politische Kommunikation ­ Begriffsbestimmung
,,Kommunikation ist eine elementare Grundtatsache menschlicher Existenz. Sie ist
Voraussetzung und Element nahezu jeder Interaktion beim Zusammenleben von Menschen.
Politische Kommunikation ist deshalb Grundlage für jede Form politischer Willens- und
Entscheidungsbildung. Wenn man nach der Responsivität des politischen Handelns von
Parteien in der Gesellschaft fragt, ist deren Offenheit für eine Kommunikation mit der
Bevölkerung ausschlaggebend."
43
Mit dem Begriff Responsivität (aus dem Lateinischen
,,respondere": antworten, entsprechen) ist die ,,... Rückkopplung des politischen Handelns ...
der Repräsentanten an die Interessen der von ihnen ... repräsentierten Menschen gemeint."
44
Die Herstellung allgemein verbindlicher Entscheidungen als Kernaufgabe von Politik
vollzieht sich in der demokratischen Gesellschaft öffentlich, muss sich öffentlich vollziehen,
weil nur so andauernd die nötige Zustimmung erzielt werden kann.
45
In der modernen
Mediengesellschaft sind die Parteien dabei zweifellos vor allem darauf angewiesen, und daran
wird auch das Internet in Zukunft nichts ändern, das allgemeine Mediensystem zu erreichen.
Politische Kommunikation bezieht sich auf die Politikdarstellung und umfasst die
Kommunikations- und Informationsleistungen der politischen Akteure, die auf die
Öffentlichkeit zielen. Unter politischer Kommunikation versteht Bergsdorf ,,alle sprachlichen
Äußerungen oder Handlungen mit anderen Symbolen, die mit politischer Relevanz, von wem
auch immer, getan werden".
46
Danach kann politische Kommunikation von allen Teilen der
Gesellschaft betrieben werden: von der Regierung, den Parteien, den Abgeordneten, sowie
auch von Bürgern, Unternehmen oder anderen Organisationen. Politische Kommunikation ist
der zentrale Mechanismus bei der Herstellung und Begründung von Politik.
Wie funktioniert Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern? Nach Sarcinelli kann
sich der Bürger über folgende Wege informieren: ,,aus Massenmedien, aus unmittelbaren und
politisch relevanten Erfahrungen im persönlichen Umfeld, aus dem Umgang mit Behörden,
aus der direkten Anschauung von Politik im lokalen Bereich, aus direktem Kontakt mit
43
Alemann, Ulrich von: Parteien und Gesellschaft in der Bundesrepublik, in: Mintzel, Alf/ Oberreuter, Heinrich
(Hrsg.): Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, Leske+Budrich, 1992, S. 121.
44
Uppendahl, Herbert: Repräsentation und Responsivität. Bausteine einer Theorie responsiven Demokratie, in:
Zeitschrift für Parlamentsfragen, 12/1981, S. 132-135; Siehe auch Kapitel 2.5. dieser Arbeit.
45
Jarren, Otfried: Demokratie durch Internet?, in: Eisel, Stephan/ Scholl, Mechthild (Hrsg.): Internet und Politik,
Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, 1998, S. 34 f.
46
Bergsdorf, Wolfgang: Probleme der Regierungskommunikation, in: Hartwich, Hans-Hermann/ Wewer,
Göttrik (Hrsg.): Regieren in der Bundesrepublik, Bd. 3 Systemsteuerung und Staatskunst, Leske+Budrich,
Opladen, 1991, S. 56.

12
politischen Akteuren, aus eigenem Engagement in Parteien, Verbänden, Bürgerinitiativen und
anderen gesellschaftlichen Gruppen oder auch aus den in der politischen Bildung vermittelten
Kenntnissen und Werthaltungen."
47
Es ist kein Zufall, dass die Massenmedien an erster Stelle
genannt werden.
48
Seit der massenhaften Verbreitung von Rundfunk und Fernsehen ist es
möglich, weit über die Verbreitungsmöglichkeiten von Presseerzeugnissen hinaus politische
Anschauungen zu verbreiten. Aber nicht nur die Quantität der Kommunikation, sondern auch
deren Qualität und Inhalt haben sich verändert. Ging es bei den ersten Presseerzeugnissen
noch um Propagierung von Programmen, so haben Radio und erst recht bewegte Kino- und
Fernsehbilder klar erkennbare Inhalte zugunsten symbolisch verpackter Inhalte verdrängt.
Immer mehr lässt sich beobachten, dass sogenannte ,,symbolische Politik"
49
dazu beiträgt,
Politikinhalte verschwinden zu lassen. Sie erscheint als Ersatz von Beteiligung an Politik. Sie
erzeugt oft den Eindruck, dass Bürger die ,,symbolische" für die reale Politik halten und ihre
Einbeziehung in die Inszenierung von Politik und Medien als politische Beteiligung
missverstehen.
Den
Zusammenhang
von
,,symbolischer
Politik",
Medien
und
Ersatzbefriedigung von politischer Partizipation sowie deren gegenseitige Verstärkung
beschreibt Sarcinelli sehr passend: ,,Für die Generierung und Darstellung von Politik als einer
symbolischen Wirklichkeit erweist sich das Massenkommunikationssystem als konstitutiv. Es
gibt die Kriterien vor, die Nachrichtenwert ausmachen und auf die auch die symbolische
Verdichtung der politischen Kommunikation in hohem Maße ausgerichtet ist. Insofern ist die
vermittelte politische Realität nicht ein verkleinertes Abbild einer vorfindbaren politischen
Wirklichkeit, sondern eine mediale Wirklichkeitskonstruktion auf der Basis eines
symbolischen Verhältnisses von Politik und Journalismus. Die vorrangige politische
Medienkultur erlaubt den als Medienpublikum verstandenen Bürgern die alltägliche
symbolische Teilnahme am politischen Prozess oder besser an einem medieninszenierten
Ausschnitt derselben. Die Wahrnehmung der massenmedial verbreiteten und Authentizität
suggerierenden überschaubaren politischen Typologie kann so zum funktionalen Äquivalent
für aktives politisches Verhalten werden."
50
47
Sarcinelli, Ulrich: Politikvermittlung und demokratische Kommunikationskultur, in: ders. (Hrsg.):
Politikvermittlung. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Bundeszentrale für politische Bildung,
Bonn, 1987, S. 19.
48
Vgl. Maaßen, Ludwig: Massenmedien: Fakten - Formen - Funktionen in der Bundesrepublik Deutschland,
Heidelberg, Hüthing GmbH, 1996, S. 98-104; auch Meyn, Hermann: Massenmedien in der Bundesrepublik
Deutschland, Berlin, Wissenschaftsverlag Volker Spiess, 1994, S. 10-14.
49
Vgl. Sarcinelli, Ulrich: Symbolische Politik. Zur Bedeutung politischen Handelns in der
Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1987, S. 66.
50
Sarcinelli: Politikvermittlung und demokratische Kommunikationsstruktur, a.a.O., S. 243.

13
2.2.
Die Rolle der Parteien in der politischen Kommunikation
In dieser Arbeit soll die politische Kommunikation aus der Sicht der Parteien betrachtet
werden. Nach Wiesendahl lassen sich als wesentliche Dimensionen der politischen
Kommunikation
für
die
Parteien
im
Wahlkampf
die
interne
und
externe
Parteienkommunikation begreifen.
51
Bei der internen Parteienkommunikation handelt es sich
um innerparteiliche Austauschprozesse zur Vermittlung von Meinungen und Informationen
zwischen Parteimitgliedern. Für die Internet-Nutzer (potentielle Wähler) ist externe
Parteienkommunikation von Relevanz, deshalb hat diese Dimension auch größere Bedeutung
für das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit. Wiesendahl definiert die externe
Parteienkommunikation als ,,zweckgerichtete Einflussnahme von Parteien auf die
Wählerschaft".
52
Aus der Sicht der Parteien hat politische Kommunikation damit die Funktion, Politik unter
dem Aspekt der Stimulierung und Stabilisierung von Unterstützung und Loyalität
darzustellen. Langfristige Aufgabe ist die Schaffung von Zustimmung zu Programmen und
Entscheidungen.
53
Vor diesem Hindergrund wird politische Kommunikation zur
Überzeugungskommunikation und zur ,,zentralen politischen Führungsaufgabe".
54
Insgesamt
nimmt die politische Kommunikation auch Züge von ,,Polit-Marketing" an.
55
Neben der
regelmäßigen politischen Kommunikation werden insbesondere bei Wahlen extreme
Kommunikationsanstrengungen vorgenommen.
56
Es wird nun dargelegt, welche Aufgaben der Parteien sich, auch aus ihrer
verfassungsrechtlichen Stellung heraus, hinsichtlich einer Öffnung gegenüber den Bürgern
ergeben. Wie bereits beschrieben, sind die politischen Parteien nicht die einzigen Akteure im
intermediären
System.
Sie
teilen
sich
die
Aufgabe
der
Informations-
und
Interessensvermittlung und der politischen Willensbildung mit zahlreichen anderen
Organisationen sowie den Medien. Doch die Parteien nehmen unter allen gesellschaftlichen
51
Vgl. Wiesendahl, Elmar: Parteienkommunikation, in: Jarren, Otfried et al (Hrsg.): a.a.O., S. 442.
52
Ebd.
53
Vgl. Schmitt-Beck/ Pfetsch, a.a.O., S. 108.
54
Sarcinelli: Politikvermittlung und demokratische Kommunikationsstruktur, a.a.O., S. 29.
55
Wangen, Edgar: Polit-Marketing. Das Marketing der politischen Parteien, Westdeutscher Verlag, Opladen,
1983.
56
Vgl. Schulz, a.a.O., S. 169 ff.; Reiser, Stefan: Politik und Massenmedien. Thematisierungsstrategien und
Wahlkampfmanagement, in: Media Perspektiven, 7/1994, S. 341-348.

14
Gruppierungen des demokratischen Systems Deutschlands eine Sonderstellung ein.
57
Ihnen
wird schon durch die Verfassung der Status von privilegierten Akteuren im Prozess der
öffentlichen Meinungs- und Willensbildung zugesichert.
58
Sie sollen unterschiedliche
Positionen zu Problemen der Gesellschaft und Politik integrieren, sowie gemäß des
Wählerwillens Entscheidungen finden und durchsetzen. Im Sinne dieser Meinungs- und
Willensbildung ist die Öffnung gegenüber allen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen
notwendig. Deshalb werden von den Parteien bestimmte Leistungen verlangt, denen sie
rechtsverbindlich nachkommen müssen. Zur besonderen Bedeutung der Parteien für die
politische Willensbildung bezieht neben der Verfassungsordnung des Grundgesetzes (Art. 21
GG) insbesondere auch das Parteiengesetz explizit Stellung. Darauf wird jetzt im folgenden
Abschnitt eingegangen.
2.2.1. Die Grundsätze der Verfassung
Aufgrund des Verfassungsgebotes der staatsfreien politischen Meinungs- und Willensbildung
nach Art. 20, Abs. 2 GG und Art. 21, Abs. 1 Satz 1 GG ist es Staatsorganen grundsätzlich
verwehrt, sich in den Prozess der Meinungs- und Willensbildung der Bürger einzumischen.
Gleichwohl kommt dem Staat im Kontext politischer Kommunikation eine wichtige Rolle zu.
Mittels staatlich gelenkter Kommunikationspolitik müssen die Staatsorgane die
Voraussetzungen des öffentlichen Diskussions- und Meinungsbildungsprozesses schaffen und
sichern. Parteien, Medien und gesellschaftliche Gruppen (Verbände, Interessensgruppen etc.)
füllen diesen vorgegebenen kommunikativen Rahmen aus. Wegen ihrer Sonderstellung im
Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung, fungieren die
Parteien als Mittler im formalen Akt der kommunikativen Rückkopplung zwischen Bürger
und Staat, um demokratische Legitimität herzustellen.
59
Erst durch die Parteien wird das Volk
handlungsfähig, da es nicht als eigene, unterscheidbare Größe in Erscheinung tritt. So kann
man nach Leibholz folgern, dass im Rahmen der Verfassung ,,die Parteien das Volk sind".
60
Somit ist ,,jede Demokratie ein Parteienstaat".
61
57
Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung, Bonn, 1996, S. 188.
58
Jarren, Otfried/ Sarcinelli, Ulrich/ Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen
Gesellschaft, a.a.O., S. 697.
59
Vgl. Oberreuter, Heinrich: Politische Parteien: Stellung und Funktion im Verfassungssystem der
Bundesrepublik, in: Mintzel, Alf/ Oberreuter, Heinrich (Hrsg.): Parteien in der Bundesrepublik Deutschland,
a.a.O., S. 22.
60
Leibholz, Gerhard: Verfassungsrechtliche Stellung und innere Ordnung der Parteien - Verhandlungen des
achtunddreißigsten deutschen Juristentages 1950, München, 1950, S. C 10.
61
Oberreuter: Politische Parteien, a.a.O., S. 26.

15
Die normative Verankerung der Vermittlerrolle und damit die Grundlage für die Arbeit der
deutschen Parteien findet sich im Grundgesetz. Dort ist die Position der Parteien zwischen
Regierten und Regierenden in Art. 21 wie folgt festgeschrieben:
,,(1) Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist
frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über
die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen,
die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, oder den
Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind verfassungswidrig. Über die
Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze."
62
2.2.2. Regelung des Parteiengesetzes
Auf die Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien bezieht sich das Grundgesetz lediglich in
Form der ,,Öffentlichen Rechenschaft" über die Mittelverwendung. Dagegen finden sich im
Parteiengesetz konkretere Regelungen bezüglich des öffentlichen Auftrages der Parteien in
der Demokratie:
,,Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich
des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der
Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn
sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach der Zahl der
Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten."
63
62
Grundgesetz, Beck Texte im dtv, München, 1994, S. 20
63
10. Parteiengesetz in der Fassung vom 31.1. 1994, in: Grundgesetz, Beck Texte im dtv, München, 1994, S.
137-156.

16
2.3.
Die Rolle der Bürger in der politischen Kommunikation
In demokratischen Gesellschaften impliziert die Bezeichnung als Bürger die Mitgliedschaft
eines Individuums in einem Staat, die mit einigen Rechten und Pflichten einhergeht. Dies
betrifft auch die freiheitlichen und politischen Bürgerrechte, die den Bürgern die Möglichkeit
zur politischen Teilhabe garantieren sollen.
64
Die Rechte zur aktiven Teilnahme an der
Meinungs- und Willensbildung steht im Gegensatz zur oftmals passiven Rolle vieler Bürger
im politischen Prozess. Dabei geht die Stellung des Bürgers über die des Empfängers
politischer Mitteilungen in Form von Regierungsentscheidungen oder Parteierklärungen
hinaus. Durch das ihnen zugesicherte Recht auf Meinungsäußerung können und sollen die
Bürger auch als Absender politischer Botschaften fungieren, indem sie ihre Meinungen
äußern und ihrem politischen Standpunkt in Wahlen Ausdruck verleihen.
65
Es soll
anschließend dargestellt werden, welche Aufgaben die Medien in der politischen
Kommunikation erfüllen.
2.4.
Die Rolle der Medien in der politischen Kommunikation
In
modernen
Flächenstaaten
ist
der
direkte
Austausch
zwischen
politischen
Entscheidungsträgern und der Basis selten und auf Ausnahmesituationen begrenzt. Politik
wird für die Bürger in großem Maß zur Sekundärerfahrung, die nicht direkt erlebt, sondern
vermittelt wird. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei den Medien zu.
66
Sie ermöglichen den
Kontakt zwischen der Basis und den politischen Akteuren und tragen so dazu bei, dass
einerseits den Bürgern Entscheidungen und Pläne der Politik und andererseits den Parteien
Stimmungen und Interessen der Basis vermittelt werden. Die Integration gesellschaftlicher
Standpunkte in die Parteiarbeit und eine responsive Ausrichtung politischen Handelns wird
im wesentlichen erst durch die Medien möglich.
Diese sorgen dann dafür, dass die oben beschriebene Rolle von Parteien und Bürgern in der
politischen Kommunikation realisiert werden kann. Für die Parteien werden Entscheidungen,
Programme und Positionen veröffentlicht. Durch ihre flächendeckende Verbreitung schaffen
die Medien einen offenen Kommunikationsraum, in dem Informationen über in Parteien
64
Vgl. Pfetsch, Barbara: Bürger ­ Publikum, in: Jarren et al (Hrsg.): Politische Kommunikation in der
demokratischen Gesellschaft, a.a.O., S. 406f.
65
Vgl. ebd., S. 408.
66
Vgl. Kamps, Klaus: Perspektiven elektronischer Demokratie, in: ders. (Hrsg.) Elektronische
Demokratie?,
a.a.O. , S. 9.

17
verhandelten
Meinungen
und
Themen
verfügbar
werden.
67
Diese
mediale
Vermittlungsleistung schafft die Voraussetzung für Transparenz im politischen Prozess.
Darüber hinaus erfüllen die Medien eine ,,Feedback-Funktion", indem sie die, von einer
Gesellschaft als problemrelevant angesehenen Sachverhalte, in den Bereich der politischen
Entscheidungsträger vermitteln. Im Sinne eines responsiven Verhaltens sind die
Repräsentanten so auf die Medien angewiesen, um den Mangel an Primärkontakten zur Basis
zu kompensieren. Auf Seiten der Bürger ist zunächst die Informationsfunktion der
Massenmedien zu nennen, indem diese Entscheidungen und Positionen der Repräsentanten
veröffentlichen. Die Leistung der Massenmedien besteht hierbei auch darin, die Flut an
Meldungen aus den Zentralen der politischen Entscheidungen zu sortieren, zu strukturieren
und zu kanalisieren.
Die Medien nehmen eine sogenannte ,,Gate-Keeper-Funktion" ein; sie entscheiden, welche
Meldung zu einer an die Rezipienten weitergegebenen Nachricht wird und reduzieren die Flut
an Informationen dadurch auf ein für die Rezipienten zu bewältigendes Maß.
68
Sie nehmen
den Bürgern die Leistung ab, Nachrichten auf ihre Relevanz und ihren Gehalt hin zu
überprüfen. Doch durch die Medien wird meistens kein direkter Kontakt zwischen Bürgern
und politischen Eliten ermöglicht. Aus dieser Tatsache und anderen Problemen der medialen
Vermittlung in der politischen Kommunikation ergeben sich Konsequenzen, die anschließend
thematisiert werden.
2.5.
Fehlleistungen der Medien und Anforderungen an die Parteien
Durch ihre Funktion als ,,Bindeglied" zwischen Bürger und Politik leisten die Medien einen
Beitrag für partizipative Ambitionen der Bürger ebenso wie für eine responsive Ausrichtung
der Parteien. Trotzdem ergeben sich aus diesen Eigenschaften Einschränkungen für die
politische Kommunikation, die nachfolgend dargestellt werden. Beschrieben wird auch kurz
der vermutete negative Einfluss der Medien auf das Verhältnis zwischen Basis und politischer
Führung sowie die daraus resultierenden Anforderungen an die Parteien in Deutschland.
Die medialen ,,Gate-Keeper" bestimmen, welche Meldungen öffentlich verkündet werden.
Individualisierten Informationsbedürfnissen tragen Medien keine Rechnung, denn
67
Marschall, Stefan: Netzöffentlichkeit ­ eine demokratische Alternative?, in: Gellner, Winand (Hrsg.):
Demokratie und Internet, S. 46ff.
68
Vgl. Jarren et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 653.

18
selbstbestimmte Information bleibt dem Rezipienten verwehrt. Die Bürger müssen sich auf
die ihnen medial zugänglich gemachten Quellen verlassen.
69
Die Selektivität der
Massenmedien betrifft vor allem die Artikulation der Bevölkerung gegenüber den politischen
Eliten und hat somit negative Auswirkungen auf Partizipation und Responsivität.
70
Der
,,Filter" der Medien bestimmt, wem sie als Sprachrohr dienen und somit die Chance bieten,
Gehör zu bekommen.
71
Themen und Gewichtung der Berichterstattung über Aktivitäten von
Parteien und Politikern werden von den Medien gesetzt; die Repräsentanten haben
letztendlich keinen Einfluss darauf, ob und in welchem Ausmaß ihre Botschaften die
Repräsentierten erreichen.
Seitens der Bürger wird die Selektivität der Medien bei der Veröffentlichung von Meinungen
noch deutlicher. Der Platz, der den Bürgern zur Artikulation ihrer Meinung über die
Massenmedien eingeräumt wird, ist sehr beschränkt. Dadurch fehlt auch Parteien und
Politikern die Basis für ein responsives Ausrichten ihres Handelns. Durch das Fehlen wirklich
interaktiver Elemente in den herkömmlichen Medien wird ein effizienter wechselseitiger
Austausch zwischen Parteien und Politikern erschwert. Die Einseitigkeit der medialen
Vermittlung von Politik drängt die Rezipienten in die Zuschauerpositionen und fördert die
Passivität der Bürger im politischen Prozess. Negativberichterstattung und der Eindruck
mangelnder Einflussmöglichkeit verstärken die sogenannte Politikverdrossenheit noch.
72
Bei
den Bürgern stellt sich infolgedessen eine Unzufriedenheit mit ihren Repräsentanten und dem
politischen System ein. Dies führt zu zunehmender Distanz zwischen Parteien und Bürgern.
73
Die Anforderungen, die in der Kommunikation zwischen Bürgern und Parteien an
letztgenannte zu richten sind, werden unter dem Stichwort ,,Responsivität"
74
zusammengefasst. Nach Kevenhörster bedeutet Responsivität ,,die Chance der Bürger, ihren
Vorstellungen Gehör zu verschaffen, ständige Abstimmung zwischen Repräsentanten und
Repräsentierten, die Möglichkeit, lokale Anliegen zum Ausdruck zu bringen und politisch
durchzusetzen. Dabei ist ein Mittelweg einzuschlagen, denn fehlende Responsivität verrät
schwerwiegende Kommunikationsstörungen, totale Responsivität dagegen macht die Chance
69
Vgl. Marschall, a.a.O., S. 46f.
70
Siehe Scherer, Helmut: Partizipation für alle? Die Veränderung des Politikprozesses durch das Internet, in:
Rössler, Patrick (Hrsg.): Online-Kommunikation, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1998, S. 171-188.
71
Vgl. Marschall, a.a.O., S. 47.
72
Vgl. Jarren et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 701f.
73
Vgl. Pöttker, Horst: Politikverdrossenheit und Medien. Daten und Reflexionen zu einem virulenten Problem,
in: Jarren, Otfried/ Schatz, Heribert/ Weßler, Hartmut (Hrsg.): Medien und politischer Prozess. Politische
Öffentlichkeitsarbeit und massenmediale Politikvermittlung, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, S. 59f.
74
Siehe auch Kapitel 2.1. dieser Arbeit.

19
einer langfristig angelegten, konzeptionsgebundenen Politik zunichte. Responsive Politik
verlangt, auch nicht mehrheitsfähige Interessen einzubinden, allen gesellschaftlichen Gruppen
Chancen der Teilhabe und Kommunikation zu eröffnen, auch nichtorganisierte Interessen zu
berücksichtigen und Chancengleichheit und Verteilungsgerechtigkeit zwischen Gruppen und
Generationen zu verwirklichen."
75
Responsivität bezeichnet die Fähigkeit der Parteien,
aufgeschlossen gegenüber ihren Wählern zu sein und darüber hinaus ihr Verhalten am
Wählerwillen auszurichten.
76
Folglich müssen die Vorstellungen der potentiellen Wähler in
die politische Kommunikation eingebunden werden. Im Sinne einer responsiven Ausrichtung
sind die Bürgerinteressen wiederum von den Parteien in ihre Programme und Entscheidungen
aufzunehmen.
Die schwindende Bindungskraft der Parteien und die viel zitierte ,,Politikverdrossenheit"
zeigen jedoch ein anderes Bild. Wie bereits angedeutet, besteht eine weitere Aufgabe der
Parteien deshalb darin, Interesse für Politik zu erwecken und die Meinungsäußerung der
Bürger gegenüber den Parteien zu fördern. Dies müsste den Parteien ein wichtiges Anliegen
sein, um der steigenden Unzufriedenheit der Bürger, deren rückläufige Bereitschaft zur
Partizipation am Politikprozess sowie den sinkenden Mitgliederzahlen der Parteien
entgegenzuwirken.
77
Zur Belebung der Kommunikation zwischen Bürgern und politischen
Akteuren ist somit die Erhöhung der Attraktivität der Parteien nötig. Im Sinne eines
responsiven Vorgehens der Politiker sollten sie ein Interesse daran haben, sich auch durch
neue Formen der Kommunikation zu öffnen.
2.6.
Zwischenfazit
Die Wahlkampfkommunikation findet, wie gerade erörtert, im Dreieck von Parteien, Medien
und Wählern statt. Diese lässt sich mit Veen als ,,fokussierte und zugleich gesteigerte
Kommunikation" begreifen.
78
Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Interaktionsprozesse
der Wahlkampfkommunikation spezifizieren, nämlich der direkte Austausch zwischen
Parteien
und
Wählern
sowie
der
indirekte,
durch
die
Medien
vermittelte
75
Kevenhörster, Paul: Politik im elektronischen Zeitalter. Politische Wirkungen der Informationstechnik,
Nomos, Baden-Baden, 1984, S. 184.
76
Vgl. Brettschneider, Frank: Öffentliche Meinung und Politik. Eine empirische Studie zur Responsivität des
Deutschen Bundestages zwischen 1949 und 1990, Bollmann Verlag, Köln, 1995, S. 18ff.
77
Vgl. Jarren et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 701f.
78
Veen, Hans-Joachim: Einführung ­ Wählergesellschaft im Umbruch, in: ders./ Noelle-Neumann, Elisabeth
(Hrsg.): Wählerverhalten im Wandel. Bestimmungsgründe und politisch-kulturelle Trends am Beispiel der
Bundestagswahl 1987, Paderborn, Konrad-Adenauer-Stiftung, 1991, S. 15.

20
Kommunikationsfluss. In der Wahlkampfkommunikationsforschung haben bislang die durch
die Medien vermittelten Kommunikationsprozesse zwischen Parteien und Wählern die
breiteste wissenschaftliche Aufmerksamkeit gefunden. Doch der direkte Kontakt zwischen
Parteien und Wählern rückt durch das neue Medium Internet mehr in den Blickpunkt des
Interesses der Parteien. Sie können sich jetzt selbstbestimmt an die Öffentlichkeit wenden,
die medialen ,,Gate Keeper" umgehen und ihre politischen Informationen ungefiltert
vermitteln. Zudem löst das Internet die tradierten Medien ­ auch in ihrer Funktion für die
politische Kommunikation ­ nicht ab, es ermöglicht eine differenzierte Informationsakquise,
je nach Bedarf und Bedürfnis des einzelnen Bürgers.
79
So ist politische Kommunikation
,,nicht nur Mittel der Politik. Sie ist auch selbst Politik."
80
Festzuhalten bleibt, dass die Vermittlungsleistung in der Kommunikation zwischen Bürgern
und Politik durch die Massenmedien notwendig ist, um einen wechselseitigen
Informationsfluss zwischen den Lagern herzustellen. Die aufgeführten Defizite sowie die
dargestellte Rolle der Medien bei der Entstehung von politischer Entfremdung lassen die
Frage aufkommen, ob Fehlleistungen der Medien durch neue Medien kompensiert werden
können. Die traditionellen Medien politischer Kommunikation sind Einbahnstraßen, die den
Bürger auf die Rolle des Empfängers festlegen. Das Internet hingegen bietet aufgrund seiner
Interaktivität die Chance eines wechselseitigen Kontaktes. Die Voraussetzungen einer
höheren Responsivität der Politik gegenüber den Interessen der Bürger werden mit dem
Internet verbessert. Im folgenden Kapitel soll diskutiert werden, welche Beiträge das Internet
für die politische Kommunikation leisten kann.
2.7.
Das Internet als neues Medium in der politischen Kommunikation
,,Das Internet ist ... ein Medium der ´realexistierenden´ Weltgesellschaft, und insofern unter
günstigen Umständen geeignet, neue netzwerkartige Regulierungsmuster zu generieren, wie
sie im Telekommunikationsmarkt exemplarisch (und ausgesprochen verbesserungswürdig!)
entwickelt wurden."
81
Besser als jedes andere Medium, so Leggewie, sei das Internet
geeignet, lokale Öffentlichkeiten zu verdichten und grenzüberschreitende Arenen der
79
Meckel, Miriam: Cyberpolitics und Cyberpolicy, in: Kamps, Klaus (Hrsg.): Elektronische Demokratie?,
a.a.O., S. 240.
80
Jarren, Otfried: Überlegungen zum Öffentlichkeits-, Medien und Politikwandel in der modernen Gesellschaft,
in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 4/1994, S. 663f.
81
Leggewie, Claus: Demokratie auf der Datenautobahn, in: ders./ Maar, Christa (Hrsg.): Internet & Politik - Von
der Zuschauer- zur Beteiligungsdemokratie, a.a.O., S. 48.

21
Meinungsbildung herzustellen. So könne es schließlich dazu dienen, den politischen Prozeß
insgesamt wieder mit größerer Legitimität auszustatten. Im Gegensatz zu den klassischen
Medien ist die Rolle des Internets als neues Medium der politischen Kommunikation bislang
erst wenig erforscht.
2.7.1. Das technische Potential des Internet
Das Potential des Internet für die Politik, ist ohne sein technisches Potential nicht zu
verstehen. Als technisches Potenzial lassen sich sämtliche neue Kommunikationsmodi und
deren Vorteile, in Abgrenzung zu den herkömmlichen Medien, verstehen. Das Internet bietet -
gegenüber den klassischen Medien und Distributionswegen - den Nutzern und Anbietern
einige spezifische Vorzüge bei der Verbreitung und Verwendung von politischen
Informationen.
82
Das Internet stellt die Basis für eine Vielzahl verschiedener Anwendungs- und
Nutzungsformen dar, die wiederum eine Reihe neuer Kommunikationsmöglichkeiten
eröffnen. Die wichtigsten Kommunikationsmodi sind:
83
· der Abruf gespeicherter Informationen (World Wide Web)
· das Versenden und Empfangen elektronischer Post (E-Mail)
· die Beteiligung an Diskussionsforen (World Wide Web, Usenet, Newsgroups)
· die sprachliche Interaktion mit anderen Nutzern (Chat, Internet Relay Chat)
Die sieben zentralen Eigenschaften des Netzes sind:
Globalität: Informationen sind jederzeit und weltweit verfügbar. Die Nutzer können sie
abrufen, wann immer es ihren Bedürfnissen entspricht, zu jeder Tages- und Nachtzeit und von
jedem Punkt der Erde aus, wenn nur ein Computer mit Datennetzzugang in Reichweite ist.
Aktualität: Informationen können vom Anbieter häufig und sehr schnell - im Prinzip
ununterbrochen - aktualisiert werden.
82
Hagen, Lutz: Nutzung von Online-Medien zur politischen Information. Einführung und Überblick, in: ders.
(Hrsg.): Online-Medien als Quellen politischer Information, Westdeutscher Verlag, Opladen/ Wiesbaden, 1998,
S. 11.
83
Bieber, Christoph: Projekte im Internet, a.a.O., S. 31.

22
Umfang: Die Kapazitäten des Mediums sind enorm. Anbieter können Informationen in einer
Größenordnung von veritablen Archiven, Nachrichtendatenbanken oder ganzen Bibliotheken
bereithalten. Durch Hyperlinks
84
zu anderen Angeboten ist letztlich jede Homepage nur das
grafische Interface zu einer gigantischen Datenbank. So haben Nutzer über das Internet
weltweit Zugriff auf eine schier unvorstellbare Zahl an Quellen mit den verschiedensten
Informationen.
Multimediale Darstellung: Das Medium vereinigt die Eigenschaften vieler klassischer
Medien. Es können nicht nur Texte, Bilder und Grafiken dargestellt werden, sondern neben
kleinen Animationen auch Videosequenzen und Töne. Zudem ermöglicht die Virtual Reality
Markup Language Technik (VRML) dem User, die Betrachterperspektive zu variieren.
Konvergenz: Viele der angebotenen Informationen, Text-, Bild- und Tondokumente kann der
User auf seinen Computer herunterladen und als Dateien in anderen Programmen
weiterverarbeiten. Konvergenz findet aber nicht nur auf der technischen Ebene statt, sondern
auch inhaltlich (digitale Zweitverwertung), ökonomisch und regulativ.
Interaktivität, Individualität und Flexibilität: Das Internet ist nicht nur ein Verteil- oder
Abrufmedium, sondern bei diesem Medium sind die Rollen von Sender und Empfänger
flexibel. Jeder kann sowohl Anbieter als auch Abrufer von Informationen sein. Außerdem ist
durch Chat-Foren die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation aufgehoben: Jeder kann mit jedem
kommunizieren.
Offenheit: Das Internet ist ein offenes Medium. Der Zugang für Anbieter und Nutzer ist so
offen und unreglementiert wie bei keinem anderen Medium (Ausnahme: Kuba, China,
Nordkorea).
2.7.2. Das politische Potential des Internet
Aus diesen Eigenschaften des Internets ergeben sich für die politischen Akteure gegenüber
den klassischen Massenmedien vier zentrale Vorteile für ihre politische Kommunikation mit
den Bürgern. Die politischen Parteien können
84
Siehe Glossar im Anhang dieser Arbeit.

23
· direkt (ohne mediale Vermittler)
· ohne die Beschränkung durch Raum und Zeit
· mit einem weltweiten und auch national relevanten, stetig wachsenden Publikum
· zu relativ geringen Kosten
kommunizieren und ihre Informationen vermitteln.
Die Parteien sind dabei nicht mehr auf die ,,Gate Keeper" in den klassischen Medien
angewiesen. Den Gewählten bietet sich hier also eine neue Plattform des Dialogs mit den
Wählern. Gleichzeitig lässt sich über das Internet die räumliche Entfernung zwischen dem
Bürger im Wahlkreis und der Partei als Entscheidungszentrum minimieren und gleichzeitig
eine höhere Responsivität gegenüber den Wählern realisieren.
85
Außerdem ist das Internet
geradezu prädestiniert, neuartige und kurzfristige Bewegungen zu mobilisieren. Da der
Kommunikation allgemein im Internet weder räumliche noch zeitliche Schranken gesetzt
sind, ist die Organisationskraft des Internet enorm stark ausgeprägt.
Schließlich ist dem Internet auch eine große Symbolwirkung inhärent. Bereits der Einstieg der
Politiker in das Internet, sowie die Art der Politikvermittlung, die mit Hilfe des Internets
möglich ist, können als Akt ,,symbolischer Politik" bezeichnet werden. Nach Sarcinelli
kommt eine repräsentative Demokratie, auf der Basis einer Mehrparteienherrschaft, ohne eine
solche ,,symbolische Politik" nicht aus.
86
Das Internet als Schaufenster der Politik gegenüber
den Bürgern wird mit dem Begriff E-Politics beschrieben.
87
Dieser definiert die Nutzung des
Internets als Public-Relation-Instrument der Politik, genauer die Öffentlichkeitsarbeit der
Regierung, der Parlamente, des Kanzleramtes usw. Auch die so genannten Personality-Sites,
das heißt die öffentlichen ,,Privat"-Seiten von Politikern, sind darin mit einbezogen. Das
Internet steht als neues Medium für Zukunftsfähigkeit und Modernität. So lässt es sich von
allen, die damit professionell umzugehen wissen, als Signum der Zukunftspotenz und
Fortschrittlichkeit instrumentalisieren. Somit kann auch das Internet selbst als Pseudoereignis
für die Kommunikation in den herkömmlichen Medien inszeniert werden.
88
In diesem Sinne
stößt es an die ökonomischen und strukturellen Grenzen des Mediensystems, wie im Kapitel 4
dieser Arbeit am Beispiel der SPD und CDU belegt wird. Weiterhin ist anzumerken, dass das
85
Gellner/ Strohmeier: Cyber-Kampagnen, a.a.O., S. 167 ff.
86
Sarcinelli, Ulrich: Aufklärung und Verschleierung, a.a.O.
87
Siedschlag, Alexander: Digitale Demokratie, a.a.O., S. 15.
88
Gellner/ Strohmeier: Cyber-Kampagnen, a.a.O.

24
Internet die klassische politische Kommunikation nicht zu verändern oder gar substituieren
vermag, sondern eher ergänzen wird. Diese Feststellung trifft nach Gellner und Strohmeier
auch auf Wahlkämpfe zu.
89
Welche Konsequenzen sich aus dem verstärkten Einsatz des Internets im Prozess der
politischen Kommunikation ergeben, darüber gibt es nur theoretische Überlegungen. Durch
das Internet hat der Bürger mehr Angebote zur Verfügung, kann besser auswählen, sich
weitergehender informieren. Dank des neuen Mediums, so heißt es, verbessern sich die
Informationsmöglichkeiten für alle, und damit wird wohl zugleich unterstellt, dass ein Mehr
an Informationen auch zu einem besseren politischen Informationsstand und damit zu einem
mehr an politischer Aktivität beiträgt. Zugleich muss man mit negativen Wirkungen des
neuen Mediums auf die Politik rechnen: wie beispielsweise ,,digital divide" - die digitale
Spaltung der Gesellschaft.
90
Problematisch sind für die politischen Akteure im Internet zwei
Phänomene, die bereits von den klassischen Medien her bekannt sind. Mit dem Internet
verschärft sich der Effekt der Informationsflut (information overload), denn im Netz ist das
Angebot tatsächlich grenzenlos, das Surfen von Site zu Site findet noch viel ausgeprägter statt
als das Zappen beim TV, und deshalb ist es besonders schwierig, mit seinen politischen
Botschaften Aufmerksamkeit zu erzielen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass sich mit
dem Internet der Effekt der Wissenskluft (knowledge gap) beim Publikum verstärkt, wonach
Informationen vor allem diejenigen erreichen, die ohnehin schon gut informiert sind. So ist zu
befürchten, dass durch die technische Zugangs- und Know-how-Hürde sich eine Spaltung der
Gesellschaft vollzieht zwischen einer gut informierten Oberschicht (information have/rich)
einerseits und digitalen Habenichtsen (information have nots/poor), die künftig vom
öffentlichen Leben ausgeschlossen bleiben, weil große Teile der politischen Information und
Kommunikation nur noch digital stattfinden.
2.7.3. Das Stimmenpotential der Deutschen im Internet
Ungeachtet der eben dargestellten Tendenzen in der Gesellschaft weltweit, setzt sich das
rasante Wachstum der deutschen Internetgemeinde fort: So stieg die Nutzung des Internet von
38,9 Prozent im Dezember 2000 auf 48 Prozent im Dezember 2001 laut einer repräsentativen
89
Ebd.
90
Siehe Rogg, Arne: Digitale Spaltung der Gesellschaft, in: Siedschlag/ ders./ Welzel (Hrsg.): Digitale
Demokratie, a.a.O., S. 95-106.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832468569
ISBN (Paperback)
9783838668567
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Politik- und Sozialwissenschaften
Note
1,6
Schlagworte
politisches costumer relationship management e-business-modelle online-angebot
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