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Auswirkungen von New Public Management auf die Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen

©2003 Diplomarbeit 110 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Begünstigt New Public Management Korruption in der öffentlichen Verwaltung? Diese erste der zwei zentralen Fragen dieser Arbeit dient der grundsätzlichen Klärung, ob ein Zusammenhang zwischen Verwaltungsreform und Korruption besteht. Die Frage betrifft das Verhältnis zwischen dem sich scheinbar homogen und global, jedoch durchaus nicht einheitlich vollziehenden und als New Public Management bezeichneten Verwaltungsmodernisierungstrend und der Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen. Korruption bezeichnet ganz allgemein den Missbrauch von Macht zum persönlichen Nutzen. Korruption erfolgt im Rahmen einer direkten oder indirekten Austauschbeziehung zwischen Bestechendem und Bestochenem, die nicht notwendig monetärer Natur sein muss. Sollte sich die erste Frage in ihrer Tendenz als richtig erweisen, dann gilt es zweitens zu fragen, welche plausible Erklärung es für diese Art von Korruption gibt und unter welchen Bedingungen Korruption auftritt.
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen New Public Management und Korruption wird in den letzten Jahren immer öfter gestellt, in der Regel theoretisch und nur in Ausnahmefällen auf der Grundlage empirisch gesicherter Erkenntnisse diskutiert und durchaus unterschiedlich beantwortet. Unter Verwaltungsforschern besteht diesbezüglich ein deutlicher Dissens. So wird auf der einen Seite argumentiert, New Public Management unterbinde Korruption durch die Einführung von Wettbewerb, Qualitätsstandards, Leistungsmessung und Verwaltungstransparenz im Unterschied zum traditionellen Bürokratiemodell. Auf der anderen Seite wird ein Zusammenhang zwischen New Public Management Reform und der Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen gesehen. Das Hauptargument der Kritiker ist, dass Regierungen ihre Modernisierungsstrategien einseitig auf Wirtschaftlichkeits-, Effizienz- und Effektivitätskriterien ausrichten und dabei die Rechtmäßigkeit und Gemeinwohlbezogenheit im Sinne von ethisch korrektem Verwaltungshandeln vernachlässigen. New Public Management (NPM) habe, so das Argument, zu einem Verwaltungssystem mit dezentralen Verantwortungsstrukturen, ermächtigten Managern, reduzierten hierarchischen Kontrollen und flexibel gestaltbaren Entscheidungsprozessen geführt, das sich heute der Herausforderung ausgesetzt sähe mit Akteuren des privaten und dritten Sektors auf „gleicher“ Augenhöhe und zunehmend unter Wettbewerbsbedingungen zu interagieren. Hinzu käme die zunehmende Rekrutierung von unterschiedlich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6716
von Maravic, Patrick E.: Auswirkungen von New Public Management auf die
Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Potsdam, Universität, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Auswirkungen von New Public Management auf die
Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen
Patrick von Maravi
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...5
2. New Public Management ...9
3. New Public Management und Korruption ...22
4. Erklärungsmodell für reformbegünstigte Korruption ...52
5. Lösungsstrategien für reformbegünstigte Korruption...78
6. Fazit ­ Reform der Organisation und Organisation der Reform...92
7. Anmerkungen ...96
8. Bibliographie...99

2
Inhaltsverzeichnis - Tiefengliederung
1. Einleitung ...5
2. New Public Management ...9
2.1. New Public Management als Reformbewegung ... 9
2.2. Theoretische Grundlagen von New Public Management... 10
2.2.1. Menschenbild ­ homo oeconomicus ... 11
2.2.2. Institutionenökonomie ... 12
2.2.2.1. Prinzipal-Agenten Theorie ... 13
2.2.2.2. Verfügungsrechtetheorie ... 14
2.2.2.3. Transaktionskostentheorie ... 15
2.2.3. Fazit ... 16
2.3. Reformempfehlungen... 17
2.3.1. Verwaltungsmanagement ... 18
2.3.2. Verwaltungsorganisation ... 19
2.3.3. Wettbewerb in der öffentlichen Verwaltung ... 20
3. New Public Management und Korruption ...22
3.1. Korruptionsmotivation ... 24
3.1.1. Wertewandel... 25
3.1.2. Unsicherheit und Entfremdung... 30
3.1.3. Überforderung ... 31
3.2. Korruptionsmöglichkeit: Wettbewerb um Verträge... 33
3.2.1. Contracting-out und Korruption ... 33
3.2.2. Market for Contracts... 34
3.3. Möglichkeit zur Unterminierung der Kontrolle ... 39
3.3.1. Accountability ... 39
3.3.2. Dezentralisierung und Kontrolle ... 41
3.4. Fazit: Unbeabsichtigte Konsequenzen und Defizite des
Erkenntnisstandes... 47

3
3.4.1. Unbeabsichtigte Konsequenzen... 47
3.4.2. Defizite des Erkenntnisstandes... 49
4. Erklärung: Korruption unter New Public Management ...52
4.1. Typologisierung der Reformstrategien ... 53
4.2. Typologisierung von Korruption... 56
4.2.1. Leistungsfinanziererkorruption ... 58
4.2.2. Leistungskäuferkorruption... 59
4.2.3. Leistungserbringerkorruption ... 61
4.3. Korruptionsanalyse ... 62
4.3.1. Vorüberlegungen und Fragestellung ... 62
4.3.2. Theoretische Grundannahmen ­ Akteur und Institution ... 63
4.3.2.1. Prinzipal-Agenten-Klienten Ansatz... 63
4.3.2.2. Institutionalismus... 67
4.3.2.3. Akteurszentrierter Institutionalismus ... 69
4.4. Erklärungsmodell ­ reformbegünstigte Korruption ... 71
5. Lösungsstrategien für reformbegünstigte Korruption...78
5.1. Verhaltenskodizes ­ Sinnvoll oder nicht?... 78
5.1.1. Verhaltenskodizes und Wertewandel ... 79
5.1.2. Verhaltenskodizes und Unsicherheit ... 81
5.1.3. Verhaltenskodizes und Überforderung... 82
5.2. Transparente Handhabung öffentlicher Ausschreibungen ... 83
5.2.1. Reform der öffentlichen Auftragsvergabe in den Vereinigten Staaten ... 83
5.2.2. Transparente Ausschreibungsverfahren ... 85
5.2.3. Transparency International-Integritätspakt... 87
5.3. Kontrolldefizite ­ Bessere Kontrolle durch mehr Kontrolle? ... 89
6. Fazit ­ Reform der Organisation und Organisation der Reform...92
7. Anmerkungen ...96
8. Bibliographie...99

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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1.: Auftraggeber-Auftragnehmer Modell ... 20
Abbildung 3.1.: Zusammenfassung von Kapitel 3 ... 43
Abbildung 3.2.: Unbeabsichtigte Konsequenzen ... 48
Abbildung 4.1.: Reformstrategien ... 54
Abbildung 4.2.: Länderzuordnung... 55
Abbildung 4.3.: Korruptionstypologie ­ Einordnung der Fallbeispiele ... 57
Abbildung 4.4.: Prinzipal-Agenten-Klienten Modell ... 65
Abbildung 4.5.: Reformbegünstigte Korruption... 74

5
1. Einleitung
Begünstigt New Public Management Korruption in der öffentlichen Verwaltung? Diese
erste der zwei zentralen Fragen dieser Arbeit dient der grundsätzlichen Klärung, ob ein
Zusammenhang zwischen Verwaltungsreform und Korruption besteht. Die Frage betrifft
das Verhältnis zwischen dem sich scheinbar homogen und global, jedoch durchaus nicht
einheitlich vollziehenden und als New Public Management bezeichneten Verwaltungs-
modernisierungstrend (Hood 1991) und der Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen.
Korruption bezeichnet ganz allgemein den Missbrauch von Macht zum persönlichen
Nutzen. Korruption erfolgt im Rahmen einer direkten oder indirekten Austauschbezie-
hung zwischen Bestechendem und Bestochenem, die nicht notwendig monetärer Natur
sein muss (von Alemann 1993: 858). Sollte sich die erste Frage in ihrer Tendenz als
richtig erweisen, dann gilt es zweitens zu fragen, welche plausible Erklärung es für diese
Art von Korruption gibt und unter welchen Bedingungen Korruption auftritt.
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen New Public Management und Korruption wird
in den letzten Jahren immer öfter gestellt, in der Regel theoretisch und nur in Ausnahme-
fällen auf der Grundlage empirisch gesicherter Erkenntnisse diskutiert und durchaus un-
terschiedlich beantwortet. Unter Verwaltungsforschern besteht diesbezüglich ein deutli-
cher Dissens. So wird auf der einen Seite argumentiert, New Public Management unter-
binde Korruption durch die Einführung von Wettbewerb, Qualitätsstandards, Leistungs-
messung und Verwaltungstransparenz im Unterschied zum traditionellen Bürokratiemo-
dell (unter anderem Osborne/Gaebler 1997; Osborne/Plastrik 1997). Auf der anderen
Seite wird ein Zusammenhang zwischen New Public Management Reform und der Kor-
ruptionsanfälligkeit von Verwaltungen gesehen (unter anderem Self 1993; Frederickson
1999; Doig 1995, 1997; Löffler 2000). Das Hauptargument der Kritiker ist, dass Regie-
rungen ihre Modernisierungsstrategien einseitig auf Wirtschaftlichkeits-, Effizienz- und
Effektivitätskriterien ausrichten und dabei die Rechtmäßigkeit und Gemeinwohlbezo-
genheit im Sinne von ethisch korrektem Verwaltungshandeln vernachlässigen (Gregory
2002; Savoie 1995). New Public Management (NPM) habe, so das Argument, zu einem
Verwaltungssystem mit dezentralen Verantwortungsstrukturen, ermächtigten Managern,
reduzierten hierarchischen Kontrollen und flexibel gestaltbaren Entscheidungsprozessen
geführt, das sich heute der Herausforderung ausgesetzt sähe mit Akteuren des privaten
und dritten Sektors auf ,,gleicher" Augenhöhe und zunehmend unter Wettbewerbsbedin-
gungen zu interagieren. Hinzu käme die zunehmende Rekrutierung von unterschiedlich
sozialisiertem Personal aus der Privatwirtschaft mit unterschiedlichem Ausbildungshin-

6
tergrund. Diese Veränderungen des Verwaltungssystems hätten erhebliche Auswirkun-
gen auf die Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen.
Laut Hood ist die Analyse nichtbeabsichtigter Konsequenzen von Policies ein wichtiger
Teil sozialwissenschaftlicher Forschung. Immer wieder führen Organisations- und Poli-
cyentwürfe, die für die Lösung bestimmter Probleme entwickelt wurden, entweder zu
nicht vorhergesehenen Nebeneffekten oder sogar zum Gegenteil der eigentlich beabsich-
tigten Ergebnisse (Hood 2000: 18; Crozier/Friedberg 1979: 8f.). In diesem Sinne stehen
in dieser Arbeit die negativen Auswirkungen von Reformstrategien auf die Korruptions-
anfälligkeit und das Korruptionsverhalten im Zentrum des Erkenntnisinteresses. Dabei
geht es nicht um eine einseitige und mit Vorurteilen belastete Analyse dieses Verhältnis-
ses, sondern um die Aufarbeitung des derzeitigen Erkenntnisstandes, die Erklärung einer
solchen Wechselbeziehung zwischen Reform und Korruption und die Ausarbeitung von
praxisorientierten Analyse- und Lösungsstrategien.
Die in zahlreichen Arbeiten geführte Diskussion über Ethikwandel, Werteerosion und
Verhaltenskodizes dominiert die aktuelle NPM-orientierte Korruptionsdebatte. Diese
zum Teil einseitige Ausrichtung wird der Komplexität des Korruptionsproblems jedoch
nicht gerecht (Hondeghem 1998). Wichtige Erklärungszusammenhänge geraten in den
Hintergrund und verzerren das Gesamtbild der Korruptionsursachen. Betrachtet man die
Literatur genauer, stellt man fest, dass die Debatte über NPM und Korruption wesentlich
heterogener geführt wird als allgemein wahrgenommen. Diese Arbeit versucht dieser
Heterogenität gerecht zu werden. Zunehmend werden die sozialpsychologischen Fakto-
ren Unsicherheit, Unzufriedenheit, Entfremdung und Überforderung als Korruptionsmo-
tivation in der NPM-orientierten Korruptionsforschung diskutiert. Ein weiterer Aspekt
betrifft die wachsende Bedeutung von Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe
im Rahmen von Gewährleistungsmodellen. In diesem Zusammenhang ist auch die neue
Rolle von Agenturen sowie von privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Trägern in
der Leistungsbereitstellung zu sehen. Welche Bedeutung ist dem Verhältnis von Dezent-
ralisierung und neuen Steuerungs- und Kontrollmechanismen in der Korruptionsdebatte
einzuräumen? Gibt es Hinweise für ein Kontrolldefizit? Diese einführenden Anmerkun-
gen zeigen bereits, dass sich die Korruptionsproblematik nicht auf eine Ethikdebatte be-
schränken darf, sondern diese Faktoren in einem Erklärungszusammenhang zu verstehen
sind. Eine einseitig auf Ethikprobleme ausgerichtete Ursachenforschung führt leicht zu

7
den falschen Schlüssen bei der Entwicklung entsprechender Antikorruptionsmaßnah-
men.
Trotz dieser Heterogenität lässt sich ein logischer Zusammenhang zwischen diesen Ein-
zelaspekten erkennen, dem in dieser Arbeit mit der Entwicklung eines ganzheitlichen
Erklärungsmodells Rechnung getragen wird. Dieses Modell wird sich auf drei `Erklä-
rungssäulen` stützen: Korruptionsmotivation, Korruptionsmöglichkeit und Möglichkeit
zur Unterminierung der Kontrolle.
Aufbauend auf der systematischen Darstellung des Erkenntnisstandes, wird diese Arbeit
einen Beitrag zur Erklärung dieses Phänomens leisten. Das derzeitige Forschungsdefizit
an empirischen Fallstudien erfordert die Übertragung der bestehenden Erkenntnisse in
ein anwendungsbezogenes Erklärungsmodell für reformbegünstigte Korruption. Aus
theoretischer Sicht ist die gemeinsame Analyse von Akteursverhalten und institutionel-
len Faktoren im Hinblick auf den Zusammenhang von Reformstrategie und korrupten
Akteursverhalten aufschlussreich (Scharpf 2000). Reformen verändern nicht nur Organi-
sationsstrukturen, sondern wirken sich auch auf die Institution als solche, die Organisa-
tionskultur und die Wahrnehmung der Akteure aus, was wiederum Rückschlüsse auf das
Akteurs- und somit das Korruptionsverhalten ermöglicht.
Die Gliederung der Arbeit ist wie folgt angelegt. New Public Management fand als Re-
formbewegung in den 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in fast allen
OECD Ländern statt. Das zugrundeliegende ,,Theoriebündel" (Reichard 2002a: 585) aus
den Einzeltheorien der Institutionenökonomie und Public Choice Theorie, New Public
Management in Abgrenzung zum klassischen Bürokratiemodell, verstanden als Para-
digmenwechsel im Hinblick auf die Organisation von Verwaltungshandeln und die prak-
tischen Reformempfehlungen werden im zweiten Kapitel eingeführt und ausführlich
dargestellt.
Dient das zweite Kapitel der grundlegenden Darstellung von New Public Management,
so wird im dritten Kapitel der spezifische Zusammenhang zwischen New Public Mana-
gement und Korruption erläutert. Im Hinblick auf die Entwicklung eines empirisch ü-
berprüfbaren Erklärungsmodells im vierten Kapitel, dient dieses Kapitel der ,,Grund-
steinlegung". Es ist in vier Unterkapitel unterteilt und befasst sich mit der in der NPM-
orientierten Korruptionsliteratur diskutierten Korruptionsmotivation, den Korruptions-
möglichkeiten und der Korruptionskontrolle. In einem Fazit werden die Hauptaussagen
unter dem Gesichtspunkt der ,,unbeabsichtigten Konsequenzen" betrachtet. Dies führt zu

8
der Frage, ob bestimmte korruptionsrelevante Konsequenzen alleine auf NPM oder auf
die Art der Implementation zurückzuführen sind. Dabei wird nach den Defiziten der
Diskussion und des Erkenntnisstandes gefragt, die im Hinblick auf eine differenzierte
und ganzheitliche Erklärung von Korruption im NPM-Kontext geklärt werden müssen.
Genau diese Defizite des derzeitigen Erkenntnisstandes werden im vierten Kapitel wie-
der aufgegriffen. Darin wird argumentiert, dass eine Typologisierung von Reformstrate-
gien notwendig ist, wenn NPM als Ursache von Korruption analysiert werden soll. Denn
der NPM-Begriff allein sagt nicht viel über die spezifischen Züge einer Reform eines
bestimmten Landes aus. Das zweite Defizit betrifft die zu eng geführte und einzig auf
Verwaltungskorruption ausgerichtete Korruptionsdebatte. In der Praxis aufgetretene
Korruptionsfälle legen die Annahme nahe, dass Korruption im gesamten Gewährleis-
tungsmodell auftritt. Aus diesem Grund wird zwischen Leistungsfinanzierer-, Leistungs-
käufer- und Leistungserbringerkorruption unterschieden. Das dritte Defizit betrifft das
Missverhältnis zwischen theoretischen Annahmen und empirischen Belegen sowie die
fehlende Integration der Einzelargumente. Die Entwicklung eines Erklärungsmodells
soll helfen, eben dieses Defizit zu beheben.
Aufbauend auf der Analyse der Korruptionsursachen lassen sich ursachenbezogene An-
tikorruptionsstrategien entwickeln. In diesem Sinne wird hier die Auffassung vertreten,
dass Antikorruptionsstrategien nicht losgelöst von den Gegebenheiten des administrati-
ven Systems zu erfolgen haben, in dem die Korruption selber auftritt. Im fünften Kapitel
werden praxisbezogene Antikorruptionsstrategien für diese besondere Korruptionsprob-
lematik ursachenbezogen behandelt.
Korruptionsdelikte werden in allen OECD-Ländern als Straftaten geahndet. In der Dis-
kussion über NPM und Korruption wird teilweise implizit unterstellt, dass zwischen
NPM und Korruption eine Kausalbeziehung bestehe. Zum einen ist es jedoch simplifi-
zierend zu unterstellen, NPM führe zu Korruption, zum anderen werden die Täter durch
eine solche Aussage moralisch entlastet. Diese Betrachtungsweise wird auch nicht den-
jenigen Verwaltungsmitarbeitern gerecht, die sich eben nicht verleiten lassen korrupt zu
handeln und Bestechungsangeboten widerstehen oder diese sogar anzeigen. Man wird
dem Sachverhalt besser gerecht, wenn man davon spricht, dass durch die Implementati-
on von bestimmten NPM Reformmaßnahmen korruptionsbegünstigende Situationen ent-
stehen, durch die sich das Korruptionsrisiko und der Anreiz korrupt zu Handeln erhöht.
Deshalb wird in dieser Arbeit von reformbegünstigter Korruption gesprochen.

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2. New Public Management
Dieses Kapitel ist in mehrere Unterpunkte unterteilt. Unter 2.1. wird New Public Mana-
gement (NPM) als Reformbewegung charakterisiert, die theoretischen Grundlagen von
NPM werden unter 2.2. dargestellt und Kapitel 2.3. befasst sich mit den von NPM aus-
gehenden Reformempfehlungen und der Kritik am traditionellen Bürokratiemodell.
2.1. New Public Management als Reformbewegung
New Public Management (NPM) ist seit Anfang der 90er Jahre aus dem Verwaltungs-
modernisierungsdiskurs nicht mehr wegzudenken und hat in diesem eine dominierende
Stellung eingenommen. Die Idee, der Regierung eine effizient arbeitende Verwaltung
zur Seite zur stellen, gehört zur den Kernelementen einer jeden modernen Konzeption
von Verwaltungshandeln. Um den Anspruch von New Public Management zu verstehen,
eben diese Transformation hin zu einer dienstleistungsorientierten und modernen Ver-
waltung zu leisten, ist es notwendig die Entwicklung des gesellschaftlichen Umfeldes
der 80er Jahre genauer zu betrachten. In dieser Zeit der Stabilisierung und Konsolidie-
rung, nach einer vorangegangenen 30-jährigen Wachstums- und Expansionsphase im ge-
samten öffentlichen Sektor der OECD-Staaten (Naschold 1994: 17), gewann die ,,New
Right" Bewegung in den Vereinigten Staaten Ronald Reagans und in Großbritannien,
wo Margret Thatcher zuvor die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, an gesellschaft-
lichem Einfluss.
Die Kritiker der bisherigen Regierungspraxis des Wohlfahrtsstaates wandten sich gegen
den stark aufgeblähten, bürokratisch organisierten Verwaltungsapparat, dessen kontinu-
ierliches Wachstum und konstante Ausdehnung sich umgekehrt proportional zur Prob-
lemlösungsfähigkeit des Staates verhielte. Sie kritisierten die zu hohen Staatsausgaben
im Gesundheits- und Bildungsbereich und die interventionistische Wirtschaftspolitik der
Regierungen in den westlichen Industrienationen (Dunleavy 1989: 260; Sched-
ler/Proeller 2000: 27). So wurde insbesondere die finanzielle Krise und die steigende
Arbeitslosigkeit Ende der 80er Jahre als Symptom funktionaler und struktureller Schwä-
chen des Staates angesehen.
Der sogenannte Neoliberalismus als wirtschaftswissenschaftliches Pendant, wie er von
Nationalökonomen wie dem Österreicher August F. von Hayek vertreten wurde, erfuhr
in der Ära von Reagan und Thatcher Anfang der Achtziger Jahre eine zweite Renais-

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sance (Dunleavy 1989). Dieser beinhaltete unter anderem die Forderung nach der Be-
grenzung staatlicher Aufgaben auf ihre Kernfunktionen, wie zum Beispiel Infrastruktur-
bereitstellung, Gewährleistung der Rechtssicherheit, innere Sicherheit und Landesvertei-
digung, und propagierte, dass sich der Staat im Allgemeinen aus wirtschaftlichen Ange-
legenheiten herauszuhalten habe. Wirtschaftsliberale Theorien, wie sie speziell im Mo-
netarismus von Milton Friedman entwickelt wurden, oder im Allgemeinen in der Wett-
bewerbstheorie von privaten Märkten und öffentlichen Institutionen zum Ausdruck
kommen, standen NPM mit Einschränkung als Pate zur Seite (Lane 1997: 4f.). Im Zu-
sammenhang mit dem politischen, wirtschaftlichen und wirtschaftstheoretischen Umfeld
der Entwicklung von NPM, setzte sich in den 80er Jahren mehr und mehr die Vorstel-
lung durch, dass im Rahmen einer fortschreitenden Internationalisierung und Globalisie-
rung des wirtschaftlichen und politischen Handelns eine kausale Verbindung zwischen
der Performanz des öffentlichen Sektors und der Gesamtleistung einer Volkswirtschaft
bestehe. In einer 1990 veröffentlichen Studie der OECD wurde als Reaktion auf die fort-
schreitende Globalisierung und Internationalisierung des Standortwettbewerbs empfoh-
len, die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors und den Anspruch an diesen zu er-
höhen (Ingraham 1996: 251).
2.2. Theoretische Grundlagen von New Public Management
Problematisch ist eine eindeutige Nennung der theoretischen Grundlagen von NPM. Bo-
rins und Grüning definieren NPM als ,,NPM ist Public Choice Theorie plus verschiedene
Ansätze der Managementforschung" (1998: 21). Bei Hood heißt es etwas genauer ,,it
was built on the now very familiar story (...) of public choice, transactions cost theory
and principal-agent theory" (Hood 1991: 5). Bei Reichard heißt es: ,,Die Institutionenö-
konomie mit ihren verschiedenen Teilansätzen hat ­ gemeinsam mit einigen Erkenntnis-
sen aus dem Theoriebündel der Public Choice Theorie - entscheidend die Herausbildung
des NPM geprägt" (Reichard 2002a: 589f.). Trotz der unterschiedlichen Akzentuierung
weisen alle drei Definitionen auf die Bedeutung der ökonomischen Betrachtung der Or-
ganisation hin.
Die Darstellung der theoretischen Grundlagen ist folgendermaßen gegliedert. Zunächst
werden die zentralen Merkmale der Public Choice Theorie vorgestellt. Daran anschlie-
ßend wird unter 2.2.1. auf das Menschenbild eingegangen, das der Public Choice Theo-
rie und der Institutionenökonomie zu Grunde liegt. Für die Herleitung der Organisati-

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onsmaximen von NPM ist die Institutionenökonomie von zentraler Bedeutung und steht
deshalb im Zentrum der Ausführungen unter 2.2.2.. Zu den theoretischen Grundkonzep-
ten der Institutionenökonomie wird die Prinzipal-Agenten Theorie, die Transaktionskos-
tentheorie und die Verfügungsrechtetheorie gezählt (Richter/Furubotn 1999).
Die Public Choice Theorie bedient sich methodologischer Ansätze der Mikroökonomie,
um das Verhalten von Bürokraten und Politikern zu erklären. Bei Wintrope heißt es
dazu: "Strength of public choice theory and rational choice theory lies in their analytical
character, especially making transparent the process or mechanisms underlying the poli-
tico-bureaucratic relationship" (Wintrobe 1997: 430). Die analytische Stärke der Public
Choice Theorie liegt nicht nur in der Aufdeckung von verschiedenen Missständen in
Form von Wachstum der Bürokratie, Ämterhäufung und Ineffizienz. In Ergänzung zu
der klaren analytischen Vorgehensweise bietet die Public Choice Theorie darüber hinaus
Lösungsmöglichkeiten für die Vermeidung dieser Probleme an.
Wie auch die Ökonomie wird der politische Raum von der Public Choice Theorie als
Markt verstanden (Braun 1999: 170ff.). Dieser bestimmt das Abstimmungsverhalten von
Politikern, aber auch das als negativ zu verstehende Rent-Seeking Verhalten von Ver-
bänden und anderen Lobbygruppen. Die Folge von Rent-Seeking sind laut dieser Auf-
fassung ein allgemeiner Wohlfahrtsverlust. Weil einige Gruppen mehr Einfluss auf poli-
tische und bürokratische Entscheidungsprozesse nehmen können als andere, bleiben Prä-
ferenzen von Bürgern unberücksichtigt. Deshalb kann hier nicht von einem vollkomme-
nen Markt gesprochen werden. Insgesamt wird ein negatives Bild politischer Systeme
gezeichnet, da Problemlösungsstrategien oftmals durch die kurzfristigen Machterhal-
tungsinteressen von Politikern und Bürokraten bestimmt werden. Die Konsequenz kann
aus der Sicht der Public Choice Theorie nur der Abbau von staatlicher Regulierungen,
Reduzierung staatlichen Handelns, die Einführung von Nutzungsentgeldern und der
vermehrte private Aufgabenvollzug sein
(
Mueller 1997).
2.2.1. Menschenbild ­ homo oeconomicus
Die ökonomischen Annahmen über das Verhalten von Menschen gehen auf das berühm-
te Bild des ,,homo oeconomicus" zurück (Kirchgässner 1991). Im Rahmen der Instituti-
onenökonomik wird dieses in einer modifizierten Weise benutzt, was auch als Zuge-
ständnis an die soziologische Theorie der Institution begriffen werden muss (Edeling
1999: 10), die die reine Lehre des unter vollständiger Information rational handelnden

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Individuums der klassischen Volkswirtschaftlehre als naiv und wirklichkeitsfern ein-
stuft. Daher wird in der Regel von einem begrenzt handelnden Akteur ausgegangen. Die
auf individuelle Nutzenmaximierung ausgerichteten Handlungen des Akteurs richten
sich nach materiellen, aber auch immateriellen Zielen wie Macht, Selbstverwirklichung
und Prestige (Edeling 1999). Es wird von einem pessimistischen Menschenbild ausge-
gangen, das durch die begrenzte Rationalität, das opportunistische Verhalten und die Ri-
sikoneutralität der Akteure geprägt ist. Akteure handeln begrenzt rational, das heißt, dass
ihr ,,Verhalten intendiert rational, aber das nur begrenzt" (Williamson 1990: 34) ist. Un-
ter ,,intendiert rational" subsumiert die Transaktionskostentheorie die Einsparungsorien-
tierung eines Akteurs, die jedoch aufgrund der begrenzten Erkenntnisfähigkeit nur ein-
geschränkt umsetzbar ist. Unter Opportunismus wird die eigennützige Verfolgung eines
Ziels verstanden, das unter Zuhilfenahme ,,raffiniertere(r) Formen der Täuschung" (Wil-
liamson 1990: 54; 1997: 8f.) dem einen Vertragsschließenden schadet. Den Handlungs-
imperativ, der sich aus der Opportunitätsannahme ableitet, definiert Williamson wie
folgt:
,,Organisiere Deine Transaktionen so, dass Dir aus Deiner begrenzten Rationalität
möglichst geringe Kosten entstehen, und versuche gleichzeitig, Dich vor möglichem op-
portunistischen Verhalten Deines Vertragspartners zu schützen" (1990: 32).
2.2.2. Institutionenökonomie
Der Erklärungsanspruch der drei Teiltheorien der Institutionenökonomie besteht darin zu
zeigen, dass Institutionen die Allokation von Verfügungsrechten, Gütern und Leistungen
regulieren, wodurch bestimmte Kosten entstehen, auf die im Folgenden genauer einzu-
gehen sein wird und die Effizienz eines Organismus beeinflussen (Ebers/Gotsch 1998:
199, 203). Die folgende Darstellung der theoretischen Grundlagen von NPM zeigt die
Ursprünge dieses neuen Verwaltungsparadigmas.
Für die Institutionenökonomie ist die von Coase gestellte klassische Frage grundlegend:
,,why is there any organisation?" (Coase 1937: 41), geht doch die klassische Volkswirt-
schaftslehre davon aus, dass mit Hilfe des Preismechanismus und dem freien Markt eine
optimale Ressourcenallokation erzielt werden kann und demnach keine weitere integrie-
rende Kraft, zum Beispiel in Form einer Hierarchie, notwendig ist. In der Vorstellung
von Coase besteht ein Unternehmen aus einem ,,system of relationships which comes
into existence when the direction of resources is dependent on an entrepreneur" (Coase
1937: 45). Damit wird auf die Allokationseffizienz abgestellt, die den optimalen Einsatz

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der Ressourcen betrifft. Eine bestimmte Organisationsform lässt sich nur dann rechtfer-
tigen, wenn die Transaktionskosten, die für die Handlungen eines Akteurs anfallen, ge-
ringer sind als die Kosten, die sich aufgrund der freien Marktkräfte ergeben würden (Co-
ase 1937: 44). Demnach kann je nach Situation Hierarchie oder der marktliche Aus-
tausch der Allokation von Gütern dienen. Ergänzend sei hier angemerkt, dass insbeson-
dere in der Governance-Forschung Netzwerke und andere Hybridformen zwischen den
beiden Polen Markt und Hierarchie eine wichtige Rolle spielen.
2.2.2.1. Prinzipal-Agenten Theorie
Die Prinzipal-Agenten Theorie gilt als eine von drei selbstständigen Theorien der Insti-
tutionenökonomie. Ganz allgemein wird von einem Agenturverhältnis gesprochen, wenn
ein Individuum von den Handlungen eines anderen abhängig ist und umgekehrt. Der
Prinzipal entlastet sich selber von Arbeit und spezifischem Handlungswissen, indem er
die Übertragung einer bestimmten Aufgabe auf den Agenten (seinen Vertreter) verfügt
und ihm bestimmte Vollmachten überträgt (Richter/Furubotn 1999: 163). Auf den Agen-
ten werden die folgenden drei Funktionen übertragen: (1) Entscheidungsmanagement,
(2) Entscheidungskontrolle und (3) residuale Risikohaftung. Diese Funktionen werden
auf den oder die Agenten aufgeteilt, um die ,,wirtschaftliche Effizienz" zu sichern (Rich-
ter/Furubotn 1996: 167f.). Die Aufgabenteilung zwischen Prinzipal und Agent besteht
darin, dass der Agent operative Entscheidungen anhand einer Reihe von Alternativen
trifft, welche auf die eine oder andere Weise den Wohlstand von beiden beeinflussen
(,,hidden action"). Es handelt sich demnach um die Aufgabenteilung zwischen strategi-
scher (Prinzipal: mittel- bis langfristig) und operationaler (Agent: kurzfristig) Kontrolle
(White 1985: 189). Die Interessen von Prinzipal (P) und Agenten (A) sind gemäß der
Annahme individueller Nutzenmaximierung in der Regel nicht identisch. P kann A nicht
trauen und muss ihn somit kontrollieren (Pratt/Zeckhauser 1985: 3ff.; Ebers/Gotsch
1998: 211). Dieses Misstrauensverhältnis drückt sich durch die Kontrolle in Form von
entweder bürokratischen Maßnahmen, Einführung eines Prämien- beziehungsweise An-
reizsystems oder die Verpflichtung zur Berichterstattung aus. Die Ausgestaltung des An-
reizsystems und dessen Einfluss auf Verhalten und Leistung des Agenten ist der zentrale
Aspekt dieser Theorie.
In der Verwaltungsmodernisierung ist man versucht die Konsequenzen aus dieser Logik
zu ziehen. Die Bildung von Agenturen ist oftmals die Folge. Vier Argumente werden da-

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für in der Literatur angeführt: (1) Die Agentur lässt sich als intermediäres System zwi-
schen Markt und Hierarchie charakterisieren. Sie macht sich die Qualitäten des freien
und flexiblen Marktes für eine effektive strategische Planung zu eigen, wobei sich
gleichzeitig die operationale Kontrolle aufrechterhalten lässt (White 1985: 206). (2) In
komplexen Organisationen, in denen sich spezifische Kenntnisse auf verschiedene A-
genten verteilen, kann sich dieses kostensenkend auswirken, da die Entscheidungsbe-
fugnis den Personen zugeteilt ist, die über die relevanten Informationen verfügen (Willi-
amson 1990: 31). (3) Vertretungskosten, die aus asymmetrischer Information resultie-
ren, werden durch die Verteilung der Haftung und die Allokation der Entscheidungsbe-
fugnisse beeinflusst (Richter/Furubotn 1996: 187). (4) Des Weiteren gilt das Verursa-
cherprinzip als logische Konsequenz der Anreizschaffung und Verantwortungszuwei-
sung.
2.2.2.2. Verfügungsrechtetheorie
Verfügungsrechte und damit private wie öffentliche Eigentumsrechte stellen eine ele-
mentare Grundlage für die Funktionsweise der Marktwirtschaft dar. Richter und Furu-
botn (1999: 82) stellen fest, dass ,,Eigentum dem Einzelnen die Verfügungsgewalt über
Produktionsmittel verleiht und eine Voraussetzung für Wettbewerbsmärkte schafft". Die
Verfügungsrechte bestimmen, wer legitimerweise eine Ressource nutzen, die Erträge
einbehalten, ihre Form beziehungsweise Substanz ändern oder alle beziehungsweise ein-
zelne Verfügungsrechte auf andere zu übertragen vermag (Ebers/Gotsch 1998: 201).
Eng mit den Verfügungsrechten verbunden ist die Bestimmung des Wertes eines be-
stimmten Gutes, die Allokation von Produktionsmitteln, die Einkommensverteilung und
damit die Möglichkeit dieses Gut zu handeln oder zu verändern. In einer Marktwirt-
schaft ist es das Interesse eines jeden Unternehmers oder Eigentümers, den Wert seines
Besitzes zu erhöhen oder zu erhalten. Für den Mitarbeiter in einem öffentlichen Unter-
nehmen bedeutet dies die Exklusion aus der Möglichkeit den Wert seiner Unternehmung
zu steigern, da er über keine Verfügungsrechte verfügt und somit auch keinen Anteil am
möglichen Gewinn erhält. Wird nun über die Einführung von Marktmechanismen in den
öffentlichen Sektor nachgedacht, so steht die Neustrukturierung der ,,Verfügungsrechts-
struktur" an zentraler Stelle. Die Verfügungsrechtsstruktur bezeichnet ,,die Menge öko-
nomischer und sozialer Beziehungen, die die Position eines jeden im Hinblick auf die
Nutzung wirtschaftlicher Mittel festlegt" (Richter/Furubotn 1999: 83). Dazu heißt es,

15
dass der ,,isolierte Markttausch (...) durch komplexere Formen des Vertrages ersetzt"
wird (die Organisation), weil ,,auf diese Art diejenigen mit residualen Kontrollrechten
ausgestattet werden können, die diese Rechte am produktivsten zu verwerten wissen"
(Williamson 1990: 31).
Der Zusammenhang zwischen Verfügungsrechtetheorie und Modernisierungsmaßnah-
men im Rahmen der Verwaltungsreform, zeigt sich insbesondere im Personalmanage-
ment. Neue Formen der Mitarbeitermotivation durch leistungsorientierte Bezahlung,
mehr Freiheiten über den Ressourceneinsatz selbstständig zu entscheiden und die damit
zusammenhängende gesteigerte Ressourcenverantwortung seien hier exemplarisch ge-
nannt (Reichard 2002a: 601).
2.2.2.3. Transaktionskostentheorie
Dieser Absatz knüpft an die Ausführungen über Coase an (2.2.2.) und geht genauer auf
die Frage ein, was unter Transaktionskosten zu verstehen ist. Als Transaktionskosten de-
finiert sind jene Ressourcen, die ,,für Schaffung, Erhaltung, Benützung, Veränderung
usw. von Institutionen oder Organisationen aufzuwenden sind" (Richter/Furubotn 1999:
46).
Transaktionskosten treten auf bei der Veräußerung von Verfügungsrechten, also der An-
bahnung (Informationskosten), dem Abschluss (Verhandlungs- und Entscheidungskos-
ten) und der Überwachung (Überwachungs- und Durchsetzungskosten) von Verträgen
(Richter/Furubotn 1999: 51f.). In Abgrenzung zur Verfügungsrechtetheorie steht somit
das ,,Vertragsproblem" (Williamson 1990: 22) im Zentrum der Transaktionskostentheo-
rie, also die vertragliche Gestaltung von Austauschbeziehung. In menschlichen wie in
ökonomischen Beziehungen kann nicht von reibungslosen Abläufen ausgegangen wer-
den (Williamson 1990: 33, 49; 1997: 14f., 22). Diese Reibungen gilt es durch die Wahl
der entsprechenden Institution zu minimieren. ,,Institutional choice" heißt in diesem Zu-
sammenhang das Zauberwort. Das bedeutet, Entscheidungsträger entscheiden anhand
einer Auswahl von Institutionen über die beste Variante der Leistungserstellung: ,,More
precisely, they choose from among the available institutional arrangements to minimize
the sum of the transaction costs they face in any given situation" (Horn 1995: 24)
1
. Ge-
meint ist damit die Wahlmöglichkeit zwischen Markt, Hierarchie und Netzwerk. Eng
damit verbunden ist die Frage der Leistungstiefe, also welche Leistungen vom öffentli-
chen, vom privaten und vom dritten Sektor am günstigsten erstellt werden können.

16
Im Rahmen der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung wird von der Identifizie-
rung sogenannter staatlicher Kernaufgaben gesprochen. Der Begriff Make or Buy sub-
sumiert in diesem Zusammenhang transaktionskostenbezogene Entscheidungen über
,,Eigenerstellung, Fremdbezug oder Mischformen" aus der Sicht des Staates (Picot/Wolf
1995: 59). Damit sind unter anderem Aufgaben der Landesverteidigung, inneren Sicher-
heit und Infrastrukturbereitstellung gemeint, die nur unter erheblichem Risiko und hohen
Transaktionskosten an andere Bereitsteller als den Staat selbst übertragen werden könn-
ten.
2.2.3. Fazit
Übertragen auf öffentliche Unternehmen beziehungsweise die öffentliche Verwaltung
bedeuten die dargestellten theoretischen Annahmen, ,,dass Entscheidungsträger in öf-
fentlichen Unternehmen im Vergleich zu öffentlich regulierten und privatwirtschaftli-
chen Unternehmungen geringe Anreize haben, die Ressourcen, über die sie verfügen,
möglichst effizient einzusetzen" (Ebers/Gotsch 1998: 205).
Die Kritik postuliert am traditionellen Public Management, dass aufgrund faktischer
Monopolstellung, fehlender Konkurrenz und der fehlenden Möglichkeit der eigentlichen
Eigentümer durch die Übertragung ,,ihrer" Eigentumsrechte Einfluss auf die effiziente
Ressourcenallokation zu nehmen, nicht gewährleistet wird, dass Ressourcen im Sinne
des effizienten Handelns eingesetzt werden (,,Allokationseffizienz"). Fehlender Wettbe-
werb im öffentlichen Sektor, eine starre und ineffizient arbeitende Bürokratie und die
vorherrschende Beamtenmentalität des Weberschen Bürokratiemodells werden als des-
sen negative Folgen ausgemacht. Diese Art von Verwaltung sei durch verstärkte Institu-
tionalisierung marktähnlicher Strukturen zu reformieren, so die gängige Formel. Der
US-amerikanische Präsident Reagan übernahm diese Analyse und verortete konsequen-
terweise die Ursache gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme beim Staat selbst,
genauer gesagt, beim Wohlfahrtsstaat. Aus den erörterten Argumenten schlussfolgerte
Reagan: ,,Goverment is not the solution to the problem; goverment is the problem" (Ing-
raham 1996: 247). Damit war in vielen, insbesondere angelsächsischen Ländern die
Stoßrichtung der Reform definiert. Fehler wurden beim Staat vermutet, Lösungskonzep-
te bei der Privatwirtschaft. Diese Lösungskonzepte werden im Folgenden vorgestellt.

17
2.3. Reformempfehlungen
NPM ist kein homogenes und klar abgrenzbares Reformkonzept, sondern beinhaltet viel-
mehr eine Reihe von Instrumenten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und
Effektivität des Verwaltungshandelns. Allgemein lässt sich sagen, dass diese Maß-
nahmen auf eine Deregulierung und Privatisierung von Staatsaufgaben abzielen, die au-
tonome Bewerkstelligung von Verwaltungsaufgaben durch dezentrale Agenturen för-
dern, durch die Einführung von Wettbewerb eine effizientere Aufgabenerledigung an-
streben und das Anwenden von Managementmethoden aus der Privatwirtschaft propa-
gieren (Schröter/Wollmann 2001: 71).
Trennen lässt sich einerseits zwischen der Neukonzeption des öffentlichen Sektors,
sprich der Auflösung der Dichotomie von Staat und Markt und einer Neugestaltung des
Verhältnisses von Staat, Markt und Drittem Sektor, und andererseits der Reform der in-
ternen Verwaltungsführung durch die Abkehr vom bürokratischen Verwaltungsmodell
(Nullmeier 2001: 92). Die von NPM ausgehenden Reformen betreffen im Kern vier Be-
reiche (Reichard 2002: 257):
·
Staatsverständnis
·
Markt- und Wettbewerbsorientierung
·
Internes Verwaltungsmanagement
·
Demokratisierung und Bürgerorientierung
Im Folgenden wird auf die ersten drei Aspekte der Auflistung genauer eingegangen, da
diese für das Verständnis des Zusammenhangs von NPM und Korruption von Bedeutung
sind.
Im Zentrum des neuen Staatsverständnis steht der gewährleistende Staat. Der gewähr-
leistende Staat unterscheidet sich vom traditionellen Wohlfahrtsstaat, der insbesondere
in der kontinentaleuropäischen Tradition eine prägende Bedeutung hat, insofern, als dass
er die Bandbreite an öffentlichen Aufgaben auf solche begrenzt, die nicht mindestens
ebenso gut von nichtstaatlichen Akteuren erledigt werden können (Schröter/Wollmann
2001: 75). So soll sich der Staat von den Aufgaben befreien, die ihn finanziell zu stark
beanspruchen, die Innovationsfähigkeit hemmen und gesellschaftliche Kräfte an ihrem
Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hindern, aber auch von der Übernah-
me neuartiger Funktionen abhalten. Hierbei ist der Kerngedanke eine ,,neue Arbeits- und
Verantwortungsteilung" (Reichard 2002: 258) zwischen Staat, Privatwirtschaft und Bür-
gergesellschaft. Der Staat übernimmt eine Finanzierungs- und Gewährleistungsverant-

18
wortung und fördert gesellschaftliche Akteure, ihr Potential in die Bestimmung und
Ausgestaltung alter und neuer Aufgaben einzubringen. Der Staat wird im Sinne des Ge-
währleistungsgedankens als Institution verstanden, die den notwendigen Rahmen für ge-
sellschaftliche Leistungs- und Produktionsprozesse schafft, aber diese zum größten Teil
nicht mehr selber erbringt. Gewährleistet wird, dass öffentliche Dienstleistungen so gut
und so günstig wie möglich erbracht werden. Die traditionelle Dichotomie von Staat und
Gesellschaft, die eher eine analytische als eine in dieser Reinform in realiter existierende
ist, wird zu Gunsten von Mischformen, zum Beispiel Public-Private-Partnerships, auf-
gebrochen.
2.3.1. Verwaltungsmanagement
Mit dem aus der Privatwirtschaft übernommenen Begriff ,,Managerialismus" (Pollitt
1993), wird der Anspruch zum Ausdruck gebracht, dass privatwirtschaftliche Manage-
mentmethoden auf die öffentliche Verwaltung übertragbar seien, um mit ihrer Hilfe die
Effizienz und somit die Legitimation des öffentlichen Sektors zu steigern. Manageria-
lismus bezeichnet die Suche nach der optimalsten Verwendung knapper Ressourcen
(Pollitt 1993: 5).
Das klassische Verständnis der Verwaltungstätigkeit als verfahrensorientierten, Regel
anwendenden und durchsetzenden Entscheidungsprozess im Bereich der öffentlichen
Dienstleistungserbringung (Pollitt 1993: 5), sah und sieht sich zunehmend einem Staats-
verständnis gegenübergestellt, in dessen Zentrum die Begriffe Wirtschaftlichkeit, Effi-
zienz und Effektivität gerückt sind (Pollitt 1993: 59). Managerialismus wird von einigen
als ,,neo-tayloristischer" (Pollitt 1993) Managementansatz bezeichnet, der eine klare De-
finition von Zielen und deren Messung im Verwaltungshandeln als erforderlich ansieht
und von anderen als ,,kultur-orientierte(r) Management Ansatz" (Borins/Grüning 1998:
21). Auf der allgemeinsten Ebene lässt sich sagen, der Managerialismus vereint Glau-
benssätze und Managementpraktiken miteinander, durch deren Einsatz soziale und öko-
nomische Probleme innerhalb von Organisationen gelöst werden (Pollitt 1993).
Zu den präziser formulierten Elementen gehört der Freiraum des Managers zu handeln,
,,discretionary power to achieve results" (Hood 1991: 6). Des Weiteren wird die Eigen-
verantwortung der Führungskräfte und die Übertragung von Fach- und Ressourcenver-
antwortung gefördert. Die Entwicklung einer leistungsfähigen und ergebnisorientierten
Managementkultur sowie die Ausrichtung des Verwaltungshandeln auf überprüfbare

19
Ziele soll dazu beitragen den Manager aus seiner Passivität herauszulösen (Pollitt 1993:
7). Dieses Diktum der Managementkultur als Bestandteil eines weitgefassten Übergangs
weg von einer input-, hin zu einer ergebnisorientierten Wirkungssteuerung spiegelt sich
ebenfalls in der organisatorischen Trennung zwischen Strategieentwicklung auf der poli-
tischen Ebene und der Operationalisierung der Ziele auf administrativer Ebene wieder.
2.3.2. Verwaltungsorganisation
Die hierarchische Ordnung des Bürokratiemodells ist dem NPM vom Grundgedanken
her fremd, teilweise sogar ein Dorn im Auge. Argumentiert wird, dass der Bürokrat in
der Struktur der Hierarchie gefangen ist, die Verantwortung grundsätzlich nach oben ab-
gibt und die Entscheidungseffizienz durch ein solches Aufgabenerledigungsverständnis
erheblich leidet.
Die traditionell ,,monolithische" (Schröter/Wollmann 2001: 75) Verwaltung wird in au-
tonomen Fach- und Kompetenzzentren dezentral organisiert (Reichard 2002: 259). De-
zentralisierung bezeichnet den Transfer von Kompetenzen an relativ autonom handelnde
Manager oder für einen bestimmten Zweck ins Leben gerufene Agenturen, die sich
durch eigene "Führungs- und Entscheidungsstrukturen" auszeichnen (Schedler/Proeller
2000: 79). In der Regel bedeutet das die Aufteilung von Kompetenzen von einer kleine-
ren zu einer größeren Anzahl von Entscheidungsträgern (Pollitt et al 1998: 6). In diesem
Zusammenhang lässt sich von einer gewollten Fragmentierung des Systems sprechen.
Verfügungsrechte werden in diesem Sinne nicht privatisiert, sondern Handlungskompe-
tenzen werden temporär auf Dritte übertragen. Kompetenzen, Aufgaben und Pflichten
werden in Verträgen festgehalten, um mit ihrer Hilfe die Handlungen ex-ante zu definie-
ren. Hierbei geht es, wie Schedler und Proeller zeigen, nicht zwingend um Privatisie-
rung, sondern um "die Entscheidung make-or-buy" (Dies. 2000: 166f.; kursiv im Origi-
nal). Dies betrifft die Frage, ob eine Leistung von der Verwaltung selber erstellt werden
kann oder ob diese von einem anderen Leistungserbringer gekauft werden soll. Eine Art
,,Holdingstruktur" (Reichard 2002: 259), ähnlich der privater Unternehmen, vereinigt die
fragmentierten Teilbereiche im Rahmen eines übergreifenden Steuerungszentrums. Der
Grundgedanke liegt in der Trennung zwischen politischer Strategieentwicklung und ad-
ministrativer beziehungsweise nichtstaatlicher Aufgabenerledigung. Die Organisation
der Trennung zwischen Leistungszahler, Leistungskäufer und Leistungserbringer erfolgt
im Rahmen eines Auftraggeber-Auftragnehmermodells.

20
Die folgende Grafik zeigt das alte Leistungssystem im Vergleich zu dem neuen Auftrag-
geber-Auftragnehmermodell.
Altes System
Neues System
Verwaltung
Parlament/Regierungsmehrheit
(Leistungsfinanzierer)
Bürger/Bürgerinnen Regierung/Verwaltungsspitze
(Leistungskäufer)
Private und öffentliche Leistungserbringer
Kunde/Kundin
(Leistungsabnehmer)
Abbildung 2.1.: Auftraggeber-Auftragnehmer Modell (Schedler/Proeller 2000: 85)
Die Politik wird in der Regel als Leistungsfinanzierer verstanden, wodurch auf der einen
Seite die Definitionsmacht der Politik gestärkt und sie auf der anderen Seite daran ge-
hindert werden soll, sich in die spezifischen Angelegenheit des Leistungskaufs und der
Leistungserbringung einzumischen. Deshalb bezeichnen Schedler und Proeller die Ver-
waltung als Leistungskäufer, wobei dessen Funktion über die Suggestion dieses Begriffs
hinausgeht (Dies. 2000: 89ff.). Auf der Verwaltungsebene werden die operationalen
Fachentscheidungen über Selbstherstellung oder Einkauf der Dienstleistung getroffen.
Die dritte Ebene sieht privatwirtschaftliche Unternehmen und Organisationen des Drit-
ten Sektors als Leistungserbringer vor. Der direkte Leistungsabnehmer ist der Bürger,
der über Leistungs- und Qualitätsbewertungsverfahren in den Kreislauf der Leistungser-
stellung eingebunden ist.
2.3.3. Wettbewerb in der öffentlichen Verwaltung
Die Institutionenökonomie entdeckte den Markt als Institution, der ausgestattet mit be-
stimmten Spielregeln zur verbesserten Erstellung von Leistungen beitragen soll. ,,Indem
Wettbewerb nicht einen ungeregelten Zustand des Kampfes aller gegen aller darstellt,
sondern ein über informelle Regeln wie Konventionen und formale, rechtliche Regulie-
rungen konstituiertes Feld eines in sich in immer neuen Konstellationen wiederholenden
Tausches" (Nullmeier 2001: 95), übernimmt der Staat zum einen die Regulierungs- und
Finanzierungsfunktionen, zum anderen tritt er selbst mit seinem eigenen Angebot in den
Wettbewerb ein. Dies wurde in Großbritannien im Rahmen des sogenannten Compulso-

21
ry Competitive Tendering (CCT) für viele Verwaltungseinheiten obligat (Pollitt et al
1998). Insgesamt bedeutet diese Strategie einen vermehrten Kontakt zwischen politisch-
administrativen System und Markt, bei gleichzeitiger Minimierung der Bürokratie als
Zwischenspieler.
Mit dem Ziel, eine Optimierung der öffentlichen Leistungserstellung zu erreichen, pro-
pagiert NPM die Übertragung öffentlicher Aufgaben an private oder nichtprofitorientier-
te Anbieter in einen Wettbewerbsmarkt. Die Einführung von Wettbewerb soll dazu bei-
tragen die Qualität und Effizienz der Leistungserstellung zu erhöhen. Zugrundegelegt ist
die Annahme, dass Wettbewerbsstrukturen bessere Ergebnisse erzielen als Nicht-
Wettbewerbsstrukturen, worunter öffentliche und private Monopole fallen (Schrö-
ter/Wollmann 2001: 75; Nullmeier 2001: 93).
Grundsätzlich ist zwischen Wettbewerb als dem Instrument zu unterscheiden, dem eine
Allokations-, Innovations- und Verteilungsfunktion zugeschrieben wird und dem Markt
als soziale Institution, in dem Wettbewerb stattfindet (Nullmeier 2001: 93). Stehen zwei
Akteure im Wettbewerb miteinander, so streben diese nach dem selben Ziel, wobei der
eine Akteur verliert, wenn der andere Akteur das Ziel erreicht. Künstlich können Märkte
dort erzeugt werden, wo zuvor keine marktähnlichen Strukturen bestanden. In diesem
Fall wird von Quasimärkten gesprochen. Der Staat ist in diesem Fall der Monopolnach-
frager und behält einen Hauptteil der Finanzierung in seinen Händen. Wettbewerb ist ein
Instrument, es stellt keinen Zweck an sich dar. Aus diesem Grund muss der Staat die
Herstellung der Dienstleistung gewährleisten und für das Funktionieren und den Fortbe-
stand des Wettbewerbsystems sorgen. Leistungsart, -umfang und -qualität wird zwischen
dem Staat als Auftraggeber und staatlichen oder nichtstaatlichen Leistungserbringern
vertraglich geregelt (Lüder 2002: 124).
In der Regel wird ein solches Verfahren als Contracting-out bezeichnet, sprich Dezentra-
lisierung unter Wettbewerbsbedingungen (Pollitt et al 1998: 8). Contracting-out zeichnet
sich durch die direkte Weitergabe der öffentlichen Leistung an den Kunden und Bürger
durch den Leistungserbringer aus. Absicht dieses Modells ist es, die finanziellen Res-
sourcen der öffentlichen Hand mit den politisch definierten Zielen zu verknüpfen und
dabei vom spezifischen Know-how der Privatwirtschaft zu profitieren.

22
3. New Public Management und Korruption
Die These, dass NPM-orientierte Verwaltungsreform Korruption begünstige, wird in den
letzten Jahren immer öfter ausgesprochen. Seit einigen Jahren steigt die Anzahl der Pub-
likationen, die sich explizit, öfter jedoch implizit mit der Beziehung zwischen NPM-
orientierter Verwaltungsmodernisierung und Korruption beschäftigen. Der Grund für das
ansteigende Interesse an diesem Thema liegt auch an den zahlreichen Korruptionsprob-
lemen und ­skandalen der letzten Jahre in fast allen OECD Ländern (Oecd 2000, 2000a;
Economist 2002).
Die derzeit stattfindende Debatte über Wertewandel in der öffentlichen Verwaltung lässt
sich in fast allen europäischen und angelsächsischen Ländern verfolgen. Insbesondere
die angelsächsische Verwaltungsforschung setzt in diesem Bereich Akzente. Die Institu-
tionalisierung entsprechender Forschungsgruppen weist auf die steigende Bedeutung von
Ethikforschung hin. Dieses zeigt sich beispielsweise an der Einrichtung einer Ethik-
Studiengruppe im Rahmen der American Society for Public Administration (ASPA).
Auch im europäischen Rahmen der European Group of Public Administration (EGPA),
dem Zusammenschluss europäischer Verwaltungswissenschaftler, wird die Einrichtung
einer ähnlichen Studiengruppe für das Jahr 2003 geplant. Von einer reinen Ethikdebatte
kann nicht die Rede sein, denn es werden ebenfalls strukturelle und organisatorische Ar-
gumente genannt, warum NPM-Reform zu einer korruptionsbegünstigenden Situation
führen kann.
Nicht zuletzt der erste Bericht (1995) des von Premierminister Major in Großbritannien
eingerichteten Committee on Standards in Public Life (CSPL) löste in Großbritannien
eine Ethikdebatte aus. Dieses auch als Nolan Committee bekannte Expertengremium war
mit dem Auftrag ausgestattet, den damals in der Öffentlichkeit bestehenden Sorgen über
das ethisch korrekte Verhalten von Verwaltungsmitarbeitern nachzugehen, dabei insbe-
sondere die vermehrten kommerziellen Aktivitäten der Verwaltung zu untersuchen und
Lösungsvorschläge dem Parlament zu unterbreiten. Der erste Bericht konstatierte eine
Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität und das
ethisch korrekte Verhalten der Verwaltungsmitarbeitern und der Wahrnehmung eben
dieses Verhaltens. Erwartung der Bevölkerung und die Art und Weise wie die Verwal-
tung im alltäglichen Umgang wahrgenommen wurde, gingen deutlich auseinander. Aus
diesem Grund erarbeitete dieses Gremium einen ersten Verhaltenskodex. Die folgenden
sieben Verhaltensstandards wurden entwickelt: selflessness, integrity, objectivity, ac-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832467166
ISBN (Paperback)
9783838667164
DOI
10.3239/9783832467166
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2003 (April)
Note
1,1
Schlagworte
korruption verwaltung reform politik public management
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Titel: Auswirkungen von New Public Management auf die Korruptionsanfälligkeit von Verwaltungen
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