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Subventionierung der öffentlichen Bühnen?

Aufgabe, Rechtsform und Finanzierung der deutschen Theater in Zeiten verschärfter ökonomischer Sachzwänge

©2002 Diplomarbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Kein anderes Land leistet sich mehr Opernhäuser und gibt mehr für öffentliche Theater aus als Deutschland. Dieser kulturelle Reichtum gerät zusehends unter Druck. Sinkende Einnahmen stehen steigenden Ausgaben gegenüber. Während der letzten 35 Jahre sank die Nachfrage nach darstellender Kunst an öffentlichen Bühnen um ca. 23%. Dagegen explodierten die Betriebskosten. Heute liegen die durchschnittlichen Betriebskosten von 30,8 Mio DM pro Theater und Jahr, im Vergleich zu 1961, mehr als zehnmal so hoch. Angesichts der Existenzgefährdung werden in den Theatern und Kulturinstitutionen Auswege aus der „finanziellen“ Krise gesucht.
Die vorliegende Untersuchung wendet ökonomische Verhaltensmodelle auf den Bereich der darstellenden Künste und insbesondere die öffentlichen Bühnen an. Die Frage Subventionierung der öffentlichen Bühnen? soll keinen Kahlschlag der Theaterlandschaft heraufbeschwören, sondern Anstoß sein, Strukturen der Bühnenlandschaft zu analysieren und Wege für Theatermanager und Kulturpolitiker aufzuzeigen, die die Finanzierung einer vitalen Bühnenkunst ermöglichen. Die Arbeit stellt sich dieser Problematik in vier Kapiteln.
Kapitel I der Arbeit untersucht den Status Quo der deutschen Bühnen und fragt nach den zu erwartenden Entwicklungen in naher Zukunft. Dabei die Entwicklung der Besucherzahlen, Platzauslastung, Aufführungen, Einspielergebnissen, ect. analysiert. Es zeigt sich, dass bei heutiger Subventionspraxis der Anteil der öffentlichen Gelder stetig steigen wird. Diese Entwicklung erklärt sich vor allem aus der Unfähigkeit der darstellenden Künste mit dem Produktivitätswachstum der übrigen Wirtschaft Schritt zu halten. Die fehlenden technologischen Innovationen, bei gleichzeitig steigenden Löhnen für die Beschäftigten am Theater, lassen die Lohnstückkosten unaufhaltsam steigen. Empirisch wird überprüft, ob die „Baumolsche Kostenkrankheit” auch die deutschen Bühnen erfasst hat.
Kapitel II zeigt auf, welche Bedeutung die Rechtsform bzw. Organisationsform (öffentlich, gewinnwirtschaftlich, ko-operativ oder gemeinnützig) für die Theater besitzt, warum Theater eine bestimmte Organisationsform wählen und wann ein Wechsel der Organisationsform nötig wird.
Kapitel III beschäftigen sich mit der Verzahnung von Organisationsform des Theaters und seinen Einnahmequellen. Dabei zeigt sich, dass die Organisationsform einen entscheidenden Einfluss auf die Finanzierungsmöglichkeiten besitzt. Während den […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6432
Herrmann, Simon: Subventionierung der öffentlichen Bühnen? - Aufgabe, Rechtsform und
Finanzierung der deutschen Theater in Zeiten verschärfter ökonomischer Sachzwänge
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Berlin, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
2
Ökonomische Charakteristika der
darstellenden Künste
3
2.1
Charakteristika des Theaterkonsum . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.2
Empirische Beschreibung der deutschen Bühnen . . . . . . . . . .
6
2.3
Anatomie der darstellenden Künste . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3.1
Baumolsche Kostenkrankheit
. . . . . . . . . . . . . . .
9
2.3.2
Empirische Befunde und Kostenkrankheit . . . . . . . . .
11
2.4
Ökonomische Begründung der Kulturförderung . . . . . . . . . .
16
2.4.1
Darstellende Kunst und Externe Effekte . . . . . . . . . .
16
2.4.2
Umverteilungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2.4.3
Darstellende Kunst als meritorisches Gut . . . . . . . . .
18
2.4.4
Empirische Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
3
Non-Profit-Organisationen und darstellende Künste
21
3.1
Definition der Non-Profit Organisationen . . . . . . . . . . . . . .
21
3.2
Erklärungsansätze für das Entstehen von NPO . . . . . . . . . . .
22
3.2.1
Vertragsversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
3.2.2
Anmerkungen zum Modell . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
3.3
NPO vs staatlicher Bereitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
4
Organisation und Finanzierung der Bühnen
29
4.1
Gewinnorientierte Bühnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
4.2
Kooperative Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
4.3
Nicht gewinnorientierte, private Theater . . . . . . . . . . . . . .
31
4.3.1
Warum nicht gewinnorientiert? . . . . . . . . . . . . . . .
32
4.3.2
Private Spenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
4.3.3
Zusätzliche staatliche Unterstützung . . . . . . . . . . . .
37
4.3.4
Staatlich versus Gemeinnützig . . . . . . . . . . . . . . .
38
5
Wirkung der Subventionen
40
5.1
Überblick der Subventionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
5.1.1
Produzentensubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
5.1.2
Defizitdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5.2
Konsumentensubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5.2.1
Matching Grants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5.2.2
Kulturgutscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
5.3
Das Hansmann Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
5.3.1
Wirkung einer Pauschalsubvention . . . . . . . . . . . . .
44
5.3.2
Subvention in Form von Matching Grants . . . . . . . . .
46
5.3.3
Kartensubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
i

5.3.4
Vergleich der Subventionsarten
. . . . . . . . . . . . . .
47
5.4
Wirkung von Kulturgutscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
5.5
Subvention und Förderziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5.6
Politisch-wirtschaftliche Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . .
62
5.6.1
Theoretische Überlegungen zur polit-ökonomischen Inter-
aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
5.6.2
Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
6
Abschließende Betrachtung
67
A Das Subventionsmodell
70
A.1 Das Grundmodell der Non-Profit-Organisation . . . . . . . . . . .
70
A.2 Pauschalsubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
A.3 Subvention als Matching Grants . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
A.4 Kartensubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
B Ausgewählte Kennzahlen der Theater 98/99 und 99/00
80
Literaturverzeichnis
81

Abbildungsverzeichnis
1
Entwicklung der Einnahmen seit 1911 . . . . . . . . . . . . . . .
7
2
Preise und Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3
Nachfrage, Spenden, soziales Optimum . . . . . . . . . . . . . .
43
4
Wohlfahrtsmaximierung der Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
5
Voucher als Cash Äquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
6
Voucher als Non-Cash Äquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
7
Einkommens-Expansionspfad bei Kulturgutscheinen . . . . . . .
52
8
Voucher und gleichbleibende Gesamtnachfrage . . . . . . . . . .
54
9
Voucher und steigende Gesamtnachfrage . . . . . . . . . . . . . .
55
10
Voucher und kurzfristig unelastisches Angebot
. . . . . . . . . .
56
11
Staatliche Bereitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
12
Verhalten der Organisation und soziales Optimum . . . . . . . . .
71
13
Wirkung einer Pauschalsubvention . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
iii

Tabellenverzeichnis
1
Einnahmen pro Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2
Entwicklung der Arbeitsproduktivität
. . . . . . . . . . . . . . .
13
3
Entwicklung der Lohnstückkosten . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
4
Wirkung der Subventionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
5
Vergleich der Subventionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
iv

Abkürzungsverzeichnis
AUF
Aufführung
B
Besucher
DK
Durchschnittskosten
EI
Einnahmen ohne Subvention und Spenden (earned income)
FK
Fixkosten
FP
For-Profit
GK
Grenzkosten
GR
Grenzrate
GRV
Grenzrate der Vergütung
INZ
Inszenierung
NFP
Not-For Profit
NPO
Non-Profit-Organization
NR
Nettoumsatz (Net Revenue)
OIT
Optimale Einkommenssteuer
Pl
Plätze
PO
Profit-Organization
TDF
Theater Development Fund
v

1
Einleitung
Kein anderes Land leistet sich im Vergleich zu Deutschland mehr Opernhäuser
und gibt mehr für öffentliche Theater aus. Dieser kulturelle Reichtum gerät unter
Druck. Die finanzielle Lage der öffentlichen Bühnen in Deutschland ist dramatisch
und verschärft sich zusehends. Sinkende Einnahmen stehen steigenden Ausgaben
gegenüber. Während der letzten 35 Jahre sank die Nachfrage nach darstellender
Kunst an öffentlichen Bühnen um ca. 23%. Dagegen explodieren die Betriebs-
kosten. Heute liegen die durchschnittlichen Betriebskosten von 30,8 Mio DM pro
Theater und Jahr im Vergleich zu 1961 mehr als zehnmal so hoch.
Die, aus sinkenden Einnahmen bei steigenden Ausgaben, entstehende Finan-
zierungslücke wird von der öffentlichen Hand getragen. Betrug der Zuschuss aus
den öffentlichen Haushalten in der Spielzeit 1911/12 lediglich 27% (von den Ge-
samteinnahmen) sind es 1999/2000 bereits 82%. Durch die anhaltend schwache
wirtschaftliche Lage seit der Wiedervereinigung in Deutschland, sind die öffent-
lichen Mittel knapp, Etatkürzungen im Kultursektor keine Seltenheit und Schlie-
ßungen nicht mehr undenkbar. Angesichts der Existenzgefährdung werden in den
Theatern und Kulturinstitutionen Auswege aus der ,,finanziellen" Krise gesucht.
Die vorliegende Untersuchung soll ökonomische Verhaltensmodelle auf den
Bereich der darstellenden Künste und insbesondere die öffentlichen Bühnen an-
wenden. Die ökonomische Analyse des Kunst- und Kultursektors wird von Kunst-
und Kulturschaffenden nicht selten als illegitime Grenzüberschreitung empfunden
und als Form des ökonomischen Imperialismus kritisiert. Kunst müsse von allen
materiellen Interessen befreit sein, so die Forderung. Aber es ist gerade auch für
Kunst- und Kulturschaffende gefährlich zu glauben auf jegliche ökonomische Le-
gitimation von vornherein verzichten zu können. Früher mag es genügt haben, al-
lein künstlerische Ziele als Legitimation vorzubringen, heute reicht das nicht mehr
um dem Sparzwang zu entgehen.
Die Frage Subventionierung der öffentlichen Bühnen? soll keinen Kahlschlag
der Theaterlandschaft heraufbeschwören, sondern Anstoß sein, Strukturen der Büh-
nenlandschaft zu analysieren und Wege für die Finanzierung einer vitalen Bühnen-
kunst zu suchen. Die Arbeit stellt sich dieser Problematik in vier Kapiteln.
Kapitel I der Arbeit beschreibt den Status Quo der deutschen Bühnen und fragt
nach den zu erwartenden Entwicklungen in naher Zukunft. Dabei zeigt sich, dass
bei heutiger Subventionspraxis der Anteil der öffentlichen Gelder stetig steigen
wird. Diese Entwicklung erklärt sich vor allem aus der Unfähigkeit der darstel-
lenden Künste mit dem Produktivitätswachstum der übrigen Wirtschaft Schritt zu
halten. Die fehlenden technologischen Innovationen, bei gleichzeitig steigenden
Löhnen für die Beschäftigten am Theater, lassen die Lohnstückkosten unaufhalt-
sam steigen. Auswege für einen zumindest kostendeckenden Betrieb sind auf der
Einnahmenseite, nicht aber auf der Ausgabenseite zu erwarten.
Kapitel II und III beschäftigen sich mit der Organisationsform des Theaters und
seinen Einnahmequellen. Dabei zeigt sich, dass die Organisationsform (privatwirt-
schaftlich, ko-operativ, gemeinnützig und öffentlich) einen entscheidenden Ein-
1

fluss auf die Finanzierungsmöglichkeiten besitzt. Während den privatwirtschaftli-
chen Theatern prinzipiell nur Erlöse aus dem Kartenverkauf (inklusive Preisdiskri-
minierung) zur Verfügung stehen, erhalten die öffentlichen Häuser auch und vor
allem Geld aus der Staatskasse. Freiwilliger Arbeitsinput sowie private Spenden
als Einnahmequelle sind dagegen den ko-operativen und gemeinnützigen Häusern
vorbehalten. Jede Organisationsform bietet auf bestimmten Märkten komparative
Vorteile.
Da Subventionen heute die wichtigste Finanzierungsquelle der öffentlichen
Theater darstellen (etwa 80% der gesamten Mittel), werden in Kapitel IV die ein-
zelnen Subventionsmodelle untersucht. Subventionen sind geeignet Menge, Ein-
trittspreise, eingesetzte Technologien, Qualität der Darbietung, Organisationsstruk-
tur und Faktorentlohnung zu beeinflussen. Prinzipiell können Subventionen als
Produzentensubvention oder als Konsumentensubvention gewährt werden. Sowohl
die Pauschalsubvention, die lediglich auf Grund der Existenz eines Theaters ge-
währt wird, die Kartensubventionen, deren Höhe abhängig von den verkauften Kar-
ten ist, als auch die Defizitdeckung, bei der der öffentliche Haushalt am Perioden-
ende das aufgelaufene Defizit ausgleicht, sind Produzentensubventionen. Weist der
Staat dem Konsumenten Gutscheine für den Theaterbesuch zu oder subventioniert
er dessen Spenden an das Theater, handelt es sich um eine Konsumentensubven-
tion. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei die Frage, wie die Subvention
auf Besucherzahl, Qualität und Häufigkeit der Aufführung wirkt, sowie geeignet
ist, bestimmte Ziele der Kulturförderung wie Verbreitung, Meritorisierung und In-
ternalisierung externer Effekte zu erreichen.
Subventionierung ist die ultimo ratio um den Spielbetrieb eines Theaters auf-
recht zu erhalten. Wenn die alternativen Einnahmemöglichkeiten unzureichend sind
um kostendeckend zu arbeiten, kann es optimal sein die fehlenden finanziellen Mit-
tel durch die öffentliche Hand bereit zu stellen. Die Untersuchung zeigt allerdings,
dass die öffentlichen Theater bei weitem nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um
die Einnahmen vor allem von jener am meisten begünstigten Gruppe: den Besu-
chern, zu erhalten. Weder die Preisdiskriminierung an der Kasse noch die freiwil-
lige Preisdiskriminierung mittels Fördervereinen, und Freundeskreisen wird kon-
sequent angewandt. Vielmehr verlassen sich die Theater darauf, dass die gängige
Subventionspraxis weiter bestehen bleibt. Weiter zeigt sich, dass die angewand-
te Subventionspraxis, die Defizitdeckung, mehr den Interessen der Kulturpolitiker
und Kulturschaffenden entspricht, als den Interessen der Bürger.
Die heutige Misere der öffentlichen Theater ist nicht nur durch schwindende
Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu erklären, sondern auch durch die schwin-
dende Akzeptanz der Öffentlichkeit für die gängige Subventionspraxis. Nur bei
einer Neuregelung der Finanzierung die vor allem die regelmäßigen Theaterbesu-
cher stärker belastet, und gleichzeitig den Theaterschaffenden Anreize gibt Theater
stärker an den Interessen des Publikums auszurichten, wird Deutschland auch in
Zukunft eine interessante Theaterlandschaft besitzen.
2

2
Ökonomische Charakteristika der
darstellenden Künste
Für Kunst und Kultur werden öffentliche Mittel verwandt, die auch alternativ ein-
gesetzt werden können. Der Einsatz der Mittel verursacht Opportunitätskosten.
Die Allokation von knappen Ressourcen auf alternative Verwendungen kann nicht
nach dem Zufallsprinzip geschehen. Die Legitimation der öffentlichen Förderung
der Kunst ist notwendig.
1
In diesem Kapitel soll unter 2.1 eine Abgrenzung des
Theaterkonsums vom Konsum normaler Güter versucht werden. Anschließend lie-
fert 2.2 eine empirische Bestandsaufnahme der darstellenden Künste in der BRD,
hinsichtlich Besucher, Angebot und Finanzierung.
2
Dabei wird der enorme Kos-
tendruck und die Unfähigkeit die Mittel selbst zu erwirtschaften sichtbar. Damit
geht ein steigender Subventionierungsbedarf einher. In Abschnitt 2.3 werden, mit
Hilfe des Modells ,,Baumolsche Kostenkrankheit", die anatomischen Besonder-
heiten der darstellenden Künste aufgezeigt, die den steigenden Subventionsbedarf
erklären. Anschließend wird die Relevanz des Modells für die deutschen Bühnen,
empirisch untersucht. Da die Baumolsche Kostenkrankheit den steigenden Finan-
zierungsbedarf der Bühnen erklärt, aber an sich noch keinerlei Rechtfertigung für
eine staatliche Intervention liefert, wird in Abschnitt 2.4 der Frage nach gegangen,
welche Umstände eine öffentliche Unterstützung der Bühnen rechtfertigen können.
2.1
Charakteristika des Theaterkonsum
Der Konsum von darstellender Kunst ist eine Wahlhandlung des Konsumenten wie
der Kauf anderer Güter auch. Dennoch weist das Gut darstellende Kunst einige
Besonderheiten auf. Darstellende Kunst ist (1) eine Dienstleistung, (2) ein multi-
dimensionales Gut und (3) ein Erfahrungs-Gut (experience good). Auf diese drei
Aspekte soll im folgenden genauer eingegangen werden:
Dienstleistung
Ein wesentlicher Aspekt der darstellenden Künste ist seine Im-
materialität. Die Nutzenstiftung wird weitgehend durch ,,psychisch/intellektuelle"
Befriedigung des Abnehmers erzeugt. Die Aufführung als Dienstleistung zeichnet
sich darüber hinaus durch die Simultanität von Produktion und Konsum aus. Dar-
stellende Kunst ist nicht lagerfähig und damit örtlich und zeitlich gebunden.
3
Für
1
Vgl. [Ebker 2000, S. 77]
2
Im Folgenden werden die Begriffe Bühne, Theater, Haus synonym benutzt. Ist nur von Theater
die Rede, ist damit das öffentliche Theater gemeint. Gewinnorientierte oder private Theater werden
auch als solche bezeichnet.
3
Lagerfähig wird darstellende Kunst erst, wenn sie digital oder analog reproduziert wird. Inwie-
weit die Reproduktion und das Original als enge Substitute angesehen werden können ist fraglich.
Wäre die Reproduktion ein enges Substitut, würde man einen Sekundärmarkt erwarten auf dem es
angeboten würde. Original CDs, Raubkopien oder MP3s können als enge Substitute angesehen wer-
den. Für alle Tonträger haben sich Märkte herausgebildet. Der Markt für Bühnenkunst im Fernsehen
oder auf Video ist als nicht existent anzusehen.
3

den Konsumenten implizieren diese Eigenschaften zeitliche und räumliche Neben-
bedingungen, wie die Aufführungszeit und die Anfahrt zum Theater.
Multidimensionale Güter
Darstellende Kunst ist ein multidimensionales Gut,
es ist heterogen bezüglich objektiver und subjektiver Produkteigenschaften. Dar-
aus folgen zum einen Probleme der Messbarkeit des Outputs eines Theaters, zum
anderen führen die Eigenschaften der Multidimensionalität und der Simultanität
von Konsum und Produktion zu einem Risiko für den Konsumenten, da das End-
produkt ex ante nicht bekannt ist.
4
Erfahrungsgut
Ein Kulturgut ist ein reines Erfahrungs-Gut (pure experience
goods), solange keine Möglichkeit besteht, die Qualität vor dem Konsum zu be-
stimmen. Zwar lassen sich Informationen über das Gut beschaffen, aber die Infor-
mationsbeschaffung ist mit Suchkosten verbunden. Der Konsument hat die Wahl
sich Informationen zu beschaffen oder das Gut unverzüglich zu konsumieren. Die
Faktoren, die die Entscheidung beeinflussen, sind die Kosten des Gutes, die Such-
kosten, vorherige Erfahrungen mit ähnlichen Gütern und die erwarteten Variati-
onsmöglichkeiten von Preis und Qualität. Ist der Konsument der Meinung, aus
dem unverzüglichen Konsum einen höheren Nutzen zu ziehen, als aus der Suche
und dem eventuellen Konsum, entscheidet er sich das Gut unter Unwissenheit zu
konsumieren. Radiostationen, die sich auf eine bestimmte Musikrichtung spezia-
lisiert haben, zeichnen sich durch geringe Suchkosten für den Konsumenten aus.
Experimentelles Thanztheater vor dem Konsum zu bewerten, ist dagegen extrem
schwierig. Nur durch den Konsum kann das Gut bewertet werden. Theaterkritiken
in der Zeitung oder der fortgesetzte Konsum von Stücke eines Regisseurs hilft die
Unsicherheit zu reduzieren.
5
Bei Gütern mit großer möglicher Variation in der Qualität ist es wahrschein-
licher, dass die Konsumenten sich für den direkten Konsum entscheiden, anstatt
zu versuchen die Qualität vorab zu messen. Die Kosten der Erfahrung stellen eine
Obergrenze für die Suchkosten dar, die der Konsument maximal bereit ist einzuge-
hen.
Die Variationsmöglichkeiten des Gutes darstellende Kunst kann der Konsu-
ment positiv bewerten. Er kann die Überraschung und die Tatsache als erster eine
Aufführung zu sehen, besonders schätzen, obwohl die Qualität vorab völlig unsi-
cher ist. Auch die Vorfreude auf eine Aufführung stellt einen Wert dar, den der
Konsument bei völliger Informiertheit nicht hätte.
6
Die mit einem Theaterbesuch
verbundene Unsicherheit kann Anreiz für den Konsum sein, ganz im Gegensatz
zur Unsicherheit, die ein Gebrauchtwagenkauf mit sich bringt.
4
Vgl. [Krebs 1996, S. 5]
5
Vgl. [Della Valle Jahr, S. 4]
6
Vgl. [Della Valle Jahr, S. 9]
4

Was ist Kunst?
Auf die Frage ,,Was ist Kunst?" bzw. was macht gute und schlech-
te Kunst aus, soll hier nicht eingegangen werden. Aber worum handelt es sich,
wenn von der Qualität einer Aufführung gesprochen wird. Qualität wird in der
Theaterwelt in einem komplexen Zusammenspiel von Text, Regisseur, Schauspie-
lern, übrigem künstlerischen Personal, sowie in der Wahrnehmung von Kritikern
und Zuschauern bestimmt. Die Bewertung der Qualität wird zumeist von den re-
gelmäßigen Konsumenten übernommen. Die Ökonomie besitzt ihren eigenen Maß-
stab für die Qualität eines Werkes: Die Zahlungsbereitschaft (willingness to pay)
der Konsumenten. Diese individualistische Bewertung ist nicht unabhängig vom
Urteil einer Kunstelite, ist aber sicherlich nicht mit diesem identisch.
7
Andere Versuche, Qualität der darstellenden Kunst zu definieren und zu mes-
sen, sind zahlreich und unzureichend. Führt man die Qualität der Kunst auf grup-
penspezifische Merkmale ihrer Nachfrager zurück, etwa den Unterschied von Mas-
se und Elite und deren Nachfrage nach ,,U" und ,,E", erhält man eine endogene
Variable, die sich nicht zur Erklärung eignet, da Popularität durch die aggregierten
individuellen Zahlungsbereitschaften gemessen wird und Qualität nun keine exo-
gene Determinante mehr ist. Der Einfluss der Qualität auf die Nachfrage kann so
nicht bestimmt werden. Throsby nimmt für die Qualität einen mehrdimensionalen
Definitionsansatz vor. Er identifiziert drei Qualitätsaspekte der Bühnenkunst:
8
1. Eigenschaften des eingesetzten Materials (Qualität des Stücks oder der Par-
titur),
2. technische Faktoren (wie die Umsetzung des Stücks auf der Bühne),
3. der Nutzen für die Rezipienten, die Gesellschaft und die Kunstform selbst.
Dabei handelt es um Kriterien mit entscheidendem Einfluss auf die Qualität einer
Aufführung, aber letztlich ergibt sich das neue Problem, die Qualität der Partitur
oder der Umsetzung zu messen. Der letzte Vorschlag lässt sich mit Sicherheit nicht
messen.
Andere Autoren definieren Qualität direkt über die Kosten. Höhere Kosten sind
gleichbedeutend mit höherer Qualität. Teure Stars und aufwendige Technik impli-
zieren die hohe Qualität. Dahinter steckt die Annahme, der Preis der Inputfaktoren
bestimmt die Qualität des Outputs. Diese Überlegung vergisst den Produktions-
prozess, bei dem bekanntlich viel geschehen kann, und lässt darüber hinaus au-
ßer Acht, dass hohe Kosten nicht unbedingt im Sinn des Publikums sein müssen.
9
Selbst Versuche die Qualität einer Bühne anhand der Vielseitigkeit der gezeigten
Werke zu messen, greifen zu kurz, sie machen das Werk oder die Vielfalt von Wer-
ken zum Qualitätsmaßstab. Die Werkvorlage anstatt der Inszenierung zu betrach-
ten, ist nicht ausreichend um ein Qualitätsurteil über eine Aufführung zu fällen.
Das Werk wird erst durch das ,,Spiel" zum Theater.
7
Vgl. [Frey und Pommerehne 1989, S. 38]
8
Vgl. [Throsby 1990, S. 72]
9
Vgl. [Throsby und Withers 1979, S. 34]
5

Das einzig ökonomisch überzeugende Qualitätsmaß ist die Zahlungsbereit-
schaft der Konsumenten, aber nicht messbar.
2.2
Empirische Beschreibung der deutschen Bühnen
In der Bundesrepublik wird die öffentliche Finanzierung traditionell als institutio-
nelle Kunst- und Kulturförderung praktiziert. Bund, Länder und Gemeinden sind
Träger der Institutionen. Andere Länder wie die USA, Großbritannien und Kanada
verfolgen ein unterschiedliches System, bei dem private Spenden oder die indirekte
öffentliche Förderung eine größere Rolle spielen. Im internationalen Vergleich lie-
gen die deutschen Ausgaben für Kunst und Kultur verhältnismäßig hoch. Deutsch-
land ist das Land mit den höchsten direkten Subventionen für darstellende Kunst.
Etwa 4,7 Mrd DM wurden 2000 für die deutschen Bühnen durch die öffentliche
Hand bereitgestellt.
10
Kooperative und gewinnwirtschaftliche Theater spielen in Deutschland eine
verhältnismäßig geringe Rolle. Dagegen besitzt seit dem ersten Weltkrieg das Re-
gietheater
11
eine herausragende Stellung. Die Theater können den kommunalen
oder den staatlichen Organen untergeordnet sein und werden von diesen Organen
subventioniert.
12
Der überwiegende Teil der benötigten Mittel wird durch Zuwei-
sungen der öffentlichen Hand gedeckt. Betrachtet man die Subventionsentwicklung
der öffentlichen Theater, ergibt sich ein eindeutiges Bild: der Subventionsbedarf
wächst. Vor dem Ersten Weltkrieg spielten die deutschen Theater noch 63% ihrer
Kosten durch Kartenverkäufen ein, in der Spielzeit 1985/86 lediglich noch 11%,
1999/2000 wieder 14,5%. Der Anteil der Subventionen an der Gesamtfinanzierung
stieg von 27% in der Spielzeit 1911/12 auf 84% in der Saison 1985/86 und sank
bis 1999/2000 wieder auf 81,3% ab.
13
Die Kulturhoheit liegt verfassungsgemäß bei den Bundesländern, dementspre-
chend findet die Kulturförderung dezentral in den Kommunen statt
14
. Die Landes-
regierungen tragen seit Mitte der neunziger Jahre den größten Anteil bei der Kul-
turfinanzierung aller öffentlichen Haushalte. Mit rund 7.2 Milliarden DM (50%)
liegen sie vor den Gemeinden/Gemeindeverbänden, die knapp 6,9 Milliarden DM
(45%) für die Kulturförderung aufbringen. Die Bundesregierung steuert mit 0,85
Milliarden DM (5%) verhältnismäßig wenig bei.
15
Die Ausgaben für die öffent-
lichen Bühnen machen etwa ein Viertel der gesamten Kulturausgaben aus. In der
10
Vgl. [King 2001, S. 1]
11
Regietheater: öffentlich-rechtliches Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, erscheint
im Haushalt des Trägers mit den gesamten Einnahmen und Ausgaben.
12
Vgl. [Krebs und Pommerehne 1995, S. 17]
13
Als Quelle für diese Berechnungen dienten Frey & Pommerehne (1986), sowie verschiedene
Jahrgänge der Theaterstatistik, Deutscher Bühnenverein
14
In der Bundesrepublik existiert keine detaillierte und einheitliche Kulturstatistik. Von verschie-
denen Institutionen liegen Zahlen zu Umsatzhöhe, Beschäftigung, Angebot, Nachfrage oder Finan-
zierung auf Bundes- Landes- und der Regional oder Städteebene vor, die aber eine gemeinsame
Definitionsbasis entbehren.
15
Vgl. [Söndermann 1997, S. 1]
6

0.0
10.0
20.0
30.0
40.0
50.0
60.0
70.0
80.0
90.0
1911/12
1926/7
1934/5d
1949/50
1953/4
1957/8
1961/2
1965/6
1969/70
1973/4
1977/8
1981/2
1985/6
1998/9
1999/00
Einspielergebnis
andere Einnahmen
private Spenden
Öffentliche Hand
Abbildung 1: Entwicklung der Einnahmen seit 1911
Saison 1999/2000 wurden 29 öffentliche Theaterunternehmen direkt von den Län-
dern, 78 von den Gemeinden und weitere 46 Betriebe von mehreren Trägern unter-
halten.
Die öffentlichen Theater konnten in der Spielzeit 1999/2000 mit 20,1 Mio.
Besuchern aufwarten, weitere 10,8 Mio. Besucher verteilten sich auf 216 private
Theaterbetriebe, deren Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln 145 Mio. DM betru-
gen. Nach Schätzungen gehen nur etwa 10% der Bevölkerung ins Theater und etwa
1% besucht Orchesteraufführungen. Bei den Besuchern der öffentlichen Theater
spielen Oper und Ballett mit 6,4 Mio. Besuchern die größte Rolle, gefolgt von
Schauspiel mit 5,8 Mio. Besuchern. Die privaten Theater konnten ihre Besucher-
zahlen in den letzten Jahren stark ausweiten, was hauptsächlich auf den Musical-
und Festivalboom zurückzuführen ist.
16
Im Kultursektor hat es in den letzten 10
Jahren etliche Privatisierungen, von ehemals unter der Regie der Staatshaushal-
te liegenden Theatern und Orchesterbetrieben gegeben.
17
Waren in der Spielzeit
1990/91 noch 71% (104 Häuser von insgesamt 146) der öffentlichen Theater Re-
giebetriebe, sind es in der Spielzeit 99/00 nur noch 46% (71 Häuser von insgesamt
153).
18
Der bisherige Gang der Untersuchung zeigt, der Subventionierungsbedarf der
öffentlichen Bühnen hat sich relativ zu den Kosten ausgeweitet. Die Subventio-
nen trägt der deutsche Steuerzahler. Gleichzeitig sinken die Besucherzahlen. Die
bisherigen Ergebnisse machen den wachsenden öffentlichen Druck auf die Sub-
16
Die Bauinvestitionen der Musicals werden öffentlich gefördert, allerdings fließen die Gelder aus
der Wirtschaftsförderung [Ebker 2000]
17
Vgl. [Söndermann 1997, S. 2]
18
Zahlen über Besucher, Aufführungen, Subventionen, ect. der öffentlichen Theater lassen sich
Abhang B entnehmen.
7

ventionspraxis verständlich.
2.3
Anatomie der darstellenden Künste
Was zu den stark abgesunkenen eigenen Einnahmen relativ zu den Ausgaben ge-
führt hat, soll in diesem Abschnitt untersucht werden. Zwei Entwicklungen sind
dafür maßgeblich verantwortlich: (1) die öffentlichen Häuser kämpfen mit sin-
kender Ertragskraft (sie spielen weniger Geld pro Inszenierung ein) und (2) die
Darstellenden Künste leiden an einer Inflation ihrer Lohnstückkosten. Im folgen-
den soll untersucht werden, in welchem Ausmaß die deutschen Bühnen von diesen
Trends betroffen sind und worin deren Ursachen liegen.
Die Ertragskraft der Bühnen zu bewerten lässt viele verschiedene Methoden zu.
Hier soll die Entwicklung der Einnahmen der bundesdeutschen Bühnen pro Insze-
nierung betrachtet werden. Eine Inszenierung stellt gewissermaßen die eigentliche
Produktion einer Bühne dar. Sie ist sozusagen der Prototyp und kann solange auf-
geführt werden, wie Nachfrage danach besteht. Ein Grund für die Wahl dieser Grö-
ße liegt in der Tatsache, dass die neuen Inszenierungen langfristig das Überleben
eines Theaters sichern. Eine Inszenierung wird nur einmal von einem Zuschau-
er konsumiert. Der Ertragskraft EI einer Inszenierung wird als Einnahmen ohne
Subventionen (earned income) E pro Inszenierung INZ definiert:
EI
E
INZ
.
Dieses Verhältnis hat den Vorteil, dass es weiter zerlegt werden kann, um die ein-
zelnen Komponenten des Erfolgs sichtbar zu machen:
EI =
E
INZ
=
B
Pl
Platzauslastung
×
Pl
AU F
Kapazit ¨
at
×
AU F
INZ
Spielh ¨
au f igkeit
×
K + A
B
Erl ¨
ose
.
Die Einnahmen pro Inszenierung sind das Produkt aus Platzauslastung, Kapa-
zität, Anzahl der Aufführungen (Spielhäufigkeit) und den Einnahmen pro Besu-
cher. Die Platzauslastung B/PL ist die Anzahl der Besucher B im Verhältnis zur
Anzahl der Plätze Pl, (dabei handelt es sich um die baulich verfügbaren Plätze).
Kapazität bezeichnet die baulich verfügbaren Plätze pro Aufführung. Die Spieldau-
er ist die Häufigkeit mit der eine Inszenierung gezeigt wird. Die Erlöse E pro Be-
sucher sind die Summe von durchschnittlichem Eintrittspreis K pro Besucher und
übrigen Erlösen A pro Besucher (Programmhefte, Garderobe, Bar, ect.). Mit Hilfe
dieser Aufspaltung soll die durchschnittliche Einnahmeentwicklung, aller bundes-
deutschen Theater über die Spielzeiten 1989/90 bis 1999/00 pro Inszenierung be-
trachtet werden. Betrachtet werden die aggregierten Zahlen und somit Durschnitts-
werte gebildet. Die Einnahmen wurden mit Hilfe des ,,Preisindex für Lebenshal-
tung aller privaten Haushalte" inflationsbereinigt.
In Tabelle 1 sind die Ergebnisse zusammengestellt. In dem Maß, wie die Er-
tragskraft sinkt, geht auch die Kapazität der Bühnen zurück. Seit der Spielzeit
8

Spiel-
Einnahmen
Platzaus-
Kapazität
Spiel-
Karten-
Andere
zeit
pro INZ
lastung
(Plätze)
häufugkeit
Preis
Erlöse
in TDM
in %
in DM
in DM
1989/90
210,1
77,5
526
15,3
22,3
11,4
1990/91
200,3
74,9
538
15,7
22,4
9,2
1991/92
159,1
69,2
471
16,8
20,7
8,4
1992/93
160,8
79,8
408
16,5
21,2
8,7
1993/94
135,3
81,4
406
13,9
21,5
7,9
1994/95
143,2
78,5
411
14,2
23,0
8,3
1995/96
148,7
80,1
391
14,2
24,6
8,8
1996/97
145,6
69,9
430
14,6
24,6
8,5
1997/98
141,3
77,0
391
13,9
24,4
9,5
1998/99
145,7
75,0
401
13,9
25,4
9,5
1999/00
145,4
78,6
377
13,6
27,2
9,5
R
2
-0,13
0,91
0,54
-0,35
0,70
Quelle: Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins versch. Jahrgänge; Deutsche Bundesbank;
eigene Berechnungen
Tabelle 1: Einnahmen pro Inszenierung
1989/90 sind die Einnahmen pro Inszenierung um 30% gesunken. Die Kapazi-
tät ist um 28,3% zurückgegangen. Die Platzauslastung und der Kartenpreis haben
sich nicht erheblich geändert und sind nur schwach mit den Einnahmen pro In-
szenierung korreliert. Die Theater haben über die Jahre viele neue Spielstätten mit
relativ geringer Kapazität eröffnet (so genannte Werkbühnen). Im Jahr 1990 gab
es in Deutschland 307 Spielstätten, 2000 waren es 731. Diesem Anstieg um 140%
der Spielstätten stand eine Ausweitung aller verfügbaren Plätze (Pl × Spielst ¨
atten)
um lediglich 70% gegenüber. Durch den Trend zu kleinen Spielstätten, entgeht den
Bühnen die Möglichkeit, viele zahlende Besucher anzulocken.
2.3.1
Baumolsche Kostenkrankheit
Baumol's Disease ­ wurde 1967 von Baumol als eine Erklärung für die stetig stei-
genden Kosten im öffentlichen Sektor und die Finanznot der Kunst- und Kultur-
produktion modelliert.
19
Dabei handelt es sich um die Erkenntnis, dass der Kunst-
sektor unfähig ist mit dem technischen Fortschritt der gesamten Wirtschaft Schritt
zu halten, während die Löhne in allen Sektoren mit etwa den selben Raten wach-
sen. Es folgt eine unausweichliche Kosteninflation im Bereich der darstellenden
19
Vgl. [Baumol 1967]
9

Künste.
20
Das Modell
Dem Modell liegen folgende Annahmen zugrunde: Die Wirtschaft
besteht aus zwei Sektoren. Im ersten Sektor arbeitet ein repräsentatives Orchester,
dieses produziert zum Zeitpunkt t Output Q
1t
. Im anderen Sektor ist eine repräsen-
tative Firma, mit einem Output Q
2t
tätig. Die Produktion ist eine lineare Funktion
der Arbeit L, wobei das Orchester kein Produktivitätswachstum erfährt, während
die andere Firma ein stetiges Produktivitätswachstum r aufweist. Damit ist
Q
1t
= aL
1t
und
Q
2t
= bL
2t
e
rt
,
wobei a und b konstant sind. Für das Orchester ist die Produktivität Q/L für alle
Zeiten konstant: Q
1t
/L
1t
= a. Dagegen nimmt die Produktivität des Technologie-
sektors mit der Zeit zu, da Q
2t
/L
2t
= be
rt
gilt. Der zweite Sektor dominiert die
Ökonomie und bildet den Lohnsatz w dem beide Sektoren unterliegen. Der Lohn
wächst in gleichem Maß wie die Produktivität:
21
w
t
= we
rt
.
Aus dem Modell lassen sich drei Schlüsse ziehen:
22
1. Die Durchschnittskosten steigen mit der Zeit für das Orchester, nicht aber für
die andere Firma. Die durchschnittlichen Produktionskosten (Durchschnitts-
kosten) DK werden definiert als DK
i
= w
t
L
it
/Q
it
, somit gilt:
DK
1
=
w
t
a
=
we
rt
a
und
DK
2
=
w
t
be
rt
=
we
rt
be
rt
=
w
b
.
2. Wenn der Anteil an Arbeit in den beiden Sektoren konstant ist, fällt der Out-
put des Orchesters über die Zeit relativ zum Gesamtoutput. Definiert man
L
1t
/L
2t
= A, wobei A konstant ist, erhält man Q
1t
/Q
2t
= aA/be
rt
.
3. Wenn allerdings das Verhältnis des Output der beiden Sektoren konstant ist,
wird Arbeit systematisch in Richtung Orchester transferiert. Nimmt man an,
bQ
1t
/aQ
2t
= K, wobei K konstant ist und L
t
= L
1t
+ L
2t
ist dann gilt L
1t
=
L
t
Ke
rt
/(1 + Ke
rt
) und L
2t
= L
t
/(1 + Ke
rt
). Mit der Zeit t geht L
1t
gegen L
t
,
und L
2t
gegen Null.
Die Unternehmen im Bereich der darstellenden Künste sehen sich, im Ge-
gensatz zu technologisch progressiven Sektoren, einer relativen Kostensteigerung
ausgesetzt. Durch den Wettbewerb der beiden Sektoren um Arbeitskräfte steigt
20
Vgl. [Blaug 2001, S. 131]
21
Die Annahme, dass der Lohn mit der selben Rate wie die Produktivität wächst, wird der Ein-
fachheit halber gemacht. Wichtig ist nur, dass der Lohn monoton mit der Produktivität steigt.
22
Vgl. [Brooks 2002, S. 16f.]
10

im künstlerischen Bereich der Lohn im gleichen Maß, wie in den übrigen Sekto-
ren. Die Produktivität der Arbeit bleibt weitgehend konstant, technologischer Fort-
schritt hat auf die Produktivität innerhalb der darstellenden Künste nahezu keinen
Einfluss:
The output per man-hour of the violinist playing a Schubert quartet
in a standard concert hall is relatively fixed, and it is fairly difficult to
reduce the number of actors necessary for a performance of Henry IV,
Part II.
23
Ist das Theater marktwirtschaftlich organisiert, muss es die höheren Kosten über
höhere Eintrittsgelder decken. Setzt man eine gewisse Preiselastizität der Nach-
frage voraus, folgt irgendwann die Schließung des Theaters, andernfalls muss die
Lücke durch andere Einnahmen geschlossen werden. Auch in späteren Artikeln hat
Baumol auf eine kontinuierlich steigende Einnahmenlücke (Income gap) hingewie-
sen. Versuche diesen Trend zu brechen, können auch nach Einschätzung Baumols
nur kurzzeitig erfolgreich sein.
24
2.3.2
Empirische Befunde und Kostenkrankheit
Das Modell kann auf seine Relevanz in Bezug auf die deutschen Theater getestet
werden. Dazu muss zuerst die herausragende Bedeutung des Inputfaktors Arbeit
überprüft werden. Zweitens gilt es festzustellen, ob die Produktivität der Bühnen
im Zeitablauf relativ zum Rest der Wirtschaft fällt. Drittens muss untersucht wer-
den, ob die Gesamtwirtschaft für die Löhne am Theater maßgeblich ist, oder ob
sich andernfalls die Löhne am Theater nach der eigenen Produktivität richten. Da-
zu wird die Entwicklung der Lohnstückkosten am Theater mit den ,,produktiven"
Sektoren der Wirtschaft verglichen.
Der Produktionsfaktor Arbeit
Einziger Inputfaktor im Modell ist Arbeit. Tat-
sächlich ist Arbeit der dominierende Inputfaktor am Theater. In der Spielzeit 99/00
waren 77% der Ausgaben der öffentlichen Theater Personalausgaben. Dieser Pro-
zentsatz kann allerdings als zu niedrig angesehen werden, da in den Bilanzposten
,,sonstigen Ausgaben" der Theaterstatistik nochmals Personalausgaben für Fremd-
personal, Aushilfskräfte und Solisten eingehen. Auf das künstlerische Personal
(Schauspieler, Sänger, Bühnenleitung, ect.) entfielen etwa 59% der Personalaus-
gaben, 33% auf das technische Personal (Bühnenarbeiter, Beleuchter, ect.) und
8% auf das administrative und Hauspersonal.
25
Die Angestellten der öffentlichen
Theater sind gewerkschaftlich organisiert. Künstler, Techniker und Verwaltungs-
personal sind in der Fachgruppe ,,Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier,
industrielle Dienste und Produktion" organisiert, die dem Dachverband Verdi ange-
hört. Dank der mächtigen Interessensvertretung genießen diese Berufsgruppen eine
23
[Baumol und Bowen 1976, S. 223]
24
Vgl. [Ebker 2000, S. 97]
25
Vgl. [Deutscher Bühnenverein 2000]
11

fast beamtenähnliche Stellung. Die Personalkostensteigerungen, so ein Gutachten
der Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt)
26
, sind durch die
Tariflöhne im öffentlichen Dienst bedingt. Vor allem verbesserte Arbeitsbedingun-
gen, höhere Standards der Arbeitssicherheit, Arbeitszeitverkürzung und eine hö-
here Technisierung haben zu einer relativen Anhebung des Personalbestandes ge-
führt.
27
Betrachtet man die Personalstruktur, lässt sich eine relative Zunahme des
technischen Personals am Gesamtpersonal feststellen. Waren 1970/71 noch 34,1%
der Beschäftigten Techniker, sind es in der Spielzeit 1999/2000 bereits 40,5%. Der
Anteil des Verwaltungs- und Hauspersonal ging im selben Zeitraum von 20,2%
auf 13,6% zurück. Der Anteil des künstlerischen Personals blieb dagegen nahezu
konstant. Diese strukturellen Verschiebungen verstärken den Anteil jener Berufs-
gruppe an den Arbeitskosten, deren Lohnentwicklung am ehesten der Gesamtwirt-
schaft entspricht. Insbesondere der gewerkschaftliche Einfluss sorgt für einen an
die Gesamtwirtschaft gekoppelten Arbeitslohn.
28
Die herausragende Stellung des
Produktionsfaktors Arbeit an den deutschen Bühnen bestätigt sich.
Ob die Theater darüber hinaus auch eine stagnierende Arbeitsproduktivität auf-
weisen, soll im folgenden geprüft werden.
Produktivität der Bühnen
Das Verhältnis von Outputmenge zur Menge der In-
putfaktoren wird in der ökonomischen Theorie als Produktivität bezeichnet. In Be-
zug auf die ,,Kostenkrankheit" ist die Produktivität der Output einer Bühne im Ver-
hältnis zum Einsatzfaktor Arbeit. Was aber als Output eines Theaters angesehen
werden kann ist nicht eindeutig. Die Multidimensionalität des Gutes darstellende
Kunst (siehe Seite 4) führt zu erheblichen Problemen ein geeignetes Outputmaß
festzulegen, dass allen Aspekten gerecht wird.
Throsby und Withers geben vier Möglichkeiten an, Output der Theater zu de-
finieren:
29
1. Anzahl der Inszenierungen in der Spielzeit,
2. Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit,
3. Die potentiellen Besucher (die baulich bedingte Platzkapazität eines Hauses)
multipliziert mit der Zahl der Aufführungen,
4. Die Besucherzahl bzw. die verkauften Eintrittskarten.
Problematisch sind alle Varianten vor allem deswegen, weil sie die Qualitätsaspek-
te der Aufführungen nicht hinreichend berücksichtigen.
30
26
Vgl. [KGSt 1989, S. 65f.]
27
Vgl. [Krebs 1996, S. 106f.]
28
Vgl. [Krebs 1996, S. 109]
29
Vgl. [Throsby und Withers 1979, S. 11f.]
30
Vgl. [Krebs 1996, S. 109]
12

Spielzeit
Theater
Theater
Theater
Dinstleistungs-
Produzierendes
Index I
Index II
Index III
sektor
Gewerbe
1960/61
115,7
59,0
60,4
55,3
33,4
1970/71
101,8
70,3
72,3
68,9
51,2
1980/81
89,1
70,2
69,1
79,1
67,5
1990/91
80,8
64,0
67,3
90,8
80,5
1991/92
81,1
62,0
65,3
92,6
84,5
1992/93
81,7
69,4
67,1
93,1
83,7
1993/94
85,6
75,8
83,5
93,4
89,0
1994/95
90,2
82,7
86,4
95,1
90,1
1995/96
93,1
85,9
88,7
96,4
90,4
1996/97
101,0
103,3
93,5
97,4
94,0
1997/98
101,3
97,0
99,1
98,4
95,6
1998/99
100,4
105,3
98,0
99,1
95,8
1999/00
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
Quelle: Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins versch. Jahrgänge;
Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2001/02; eigene Berechnungen
Tabelle 2: Entwicklung der Arbeitsproduktivität
Da die Produktivität eines Theaters auf vielerlei Art gemessen werden kann,
und alle Varianten ihre Vor- und Nachteile besitzen, sollen im Rahmen dieser Ar-
beit drei verschiedene Produktivitätsmaße erstellt und untersucht werden: (1) die
Anzahl der Aufführungen pro Theater (Index I), (2) die Anzahl der Aufführungen
multipliziert mit der Zahl der vorhandenen Plätze (Index II) und (3) die Anzahl der
Inszenierungen pro Theater (Index III).
Der erste Index berücksichtigt ,,economies of scale". Sind die Inszenierungen
sehr erfolgreich, können sie häufig aufgeführt werden. Der zweite Index spiegelt
die Tatsache wieder, dass für die eigentliche Produktion der Kontakt mit dem Publi-
kum notwendig ist. Der dritte Index stellt einen Zusammenhang zur langfristigen
Produktivität des Theaters her. Nur durch ausreichend viele Inszenierungen bzw.
Neuinszenierungen kann ein Theater langfristig erfolgreich sein. Gleichzeitig kann
die Anzahl der Inszenierungen im Programm die Breite des Angebots abbilden (zu-
mindest ein Qualitätsaspekt einer Bühne).
31
Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität am Theater wird dabei in Relation
zur Entwicklung der Produktivität des Dienstleistungssektors und des produzie-
renden Gewerbes gesetzt, gemessen als Indices auf Basis des Jahres 2000. Tabelle
2 zeigt einen deutlichen Anstieg der Produktivität im produzierenden Gewerbe so-
wie im Dienstleistungssektor, während das Bild für die deutschen Theater je nach
Index unterschiedlich ist. Index I zeigt ein Absinken der Arbeitsproduktivität am
Theater, wobei die Produktivität von 1990-2000 wieder anstieg. Insgesamt wer-
31
Vgl. [Krebs 1996, S. 110]
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832464325
ISBN (Paperback)
9783838664323
DOI
10.3239/9783832464325
Dateigröße
861 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Öffentliche Finanzen
Erscheinungsdatum
2003 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
theatermanagement kulturförderung kulturökonomie theaterreform cultural economics
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Titel: Subventionierung der öffentlichen Bühnen?
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