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Die Bedarfsplanung

Eine neue Aufgabe für das Dienstleistungsportfolio des Facility-Managers?

©2002 Bachelorarbeit 89 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Anforderungen an ein Gebäude und die Verknüpfung zu den dazu notwendigen immobilienwirtschaftlichen Prozessen sind viel zu komplex, als dass sie nach dem Trial-and-Error-Prinzip zielführend gesteuert werden könnten. Die Ausarbeitung zeigt, dass die betriebskostenrelevanten und wertschöpferischen Belange von Immobilien in der Regel viel zu spät beachtet werden. Wertvolle Optimierungspotenziale werden unwiederbringlich verschenkt, weil wesentliche Ziele eines Bauprojektes nicht bereits in der Frühphase der Projektdefinition, also weit vor der eigentlichen Objektplanung, festgelegt werden. Bauherren und Nutzer haben schon zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die neben der ersten Investition auch die spätere Nutzung und deren Kosten maßgeblich beeinflussen. In keiner anderen Phase des Lebenszyklus eines Gebäudes können mit einem so geringen Aufwand derart große wirtschaftliche Effekte erzielt werden.
Eine dazu strategisch auf die Immobilien-Performance ausgerichtete Bedarfsplanung ist im Gegensatz zu einigen Nachbarländern und den USA ein in Deutschland noch unzureichend bekanntes Instrument. Über die traditionellen Forderungen nach hoher Qualität, niedrigen Investitionskosten und termingerechter Fertigstellung hinaus verfolgt sie das Ziel einer dauerhaft hohen Wertschöpfung bei Verringerung der Lebenszykluskosten aller ablaufender Bewirtschaftungsprozesse. Die Bedarfsplanung ist damit für die Erhöhung einer frühzeitigen Planungs- und Kostensicherheit und für die nachhaltige Verbesserung der Nutzungsqualität von Gebäuden sowohl für Bauherren als auch Mieter unerlässlich und bietet auch weiteren Projektbeteiligten viele Vorteile. Neben einer Analyse der eigentlichen Erfolgskriterien und Nutzenpotenziale der Bedarfsplanung wird unterstrichen, dass der Facility Manager mit den erlernten Kompetenzfeldern der strategischen Entwicklung, der betriebswirtschaftlichen Orientierung und mit einem hohen Maß an interdisziplinären und kommunikativen Fähigkeiten im Umgang mit Menschen das Anforderungsprofil an die noch unbesetzte Rolle des Bedarfsplaners in idealer Weise abdeckt. Er ist wie kein anderer in der Lage, die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse des Bauherrn als Auftraggeber, des Betreibers, des Nutzers, des Objektplaners und der anderen Beteiligten rund um die Projektentwicklung einer Immobilie strategisch zu bündeln, um sie zu einem objektiven Bedarf werden zu lassen. Mit ihrem integralen Ansatz und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6225
Limke, Wilfried: Die Bedarfsplanung - Eine neue Aufgabe für das Dienstleistungsportfolio
des Facility-Managers?
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Groningen, Universität, BA-Arbeit / Bachelor, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

ZUSAMMENFASSUNG
2
ZUSAMMENFASSUNG
Die Anforderungen an ein Gebäude und die Verknüpfung zu den dazu
notwendigen immobilienwirtschaftlichen Prozessen sind viel zu komplex,
als dass sie nach dem Trial-and-Error-Prinzip zielführend gesteuert werden
könnten. Die Ausarbeitung zeigt, dass die betriebskostenrelevanten und
wertschöpferischen Belange von Immobilien in der Regel viel zu spät
beachtet werden. Wertvolle Optimierungspotenziale werden
unwiederbringlich verschenkt, weil wesentliche Ziele eines Bauprojektes
nicht bereits in der Frühphase der Projektdefinition, also weit vor der
eigentlichen Objektplanung, festgelegt werden. Bauherren und Nutzer
haben schon zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Entscheidungen zu treffen,
die neben der ersten Investition auch die spätere Nutzung und deren
Kosten maßgeblich beeinflussen. In keiner anderen Phase des
Lebenszyklus eines Gebäudes können mit einem so geringen Aufwand
derart große wirtschaftliche Effekte erzielt werden.
Eine dazu strategisch auf die Immobilien-Performance ausgerichtete
Bedarfsplanung ist im Gegensatz zu einigen Nachbarländern und den USA
ein in Deutschland noch unzureichend bekanntes Instrument. Über die
traditionellen Forderungen nach hoher Qualität, niedrigen
Investitionskosten und termingerechter Fertigstellung hinaus verfolgt sie
das Ziel einer dauerhaft hohen Wertschöpfung bei Verringerung der
Lebenszykluskosten aller ablaufender Bewirtschaftungsprozesse. Die
Bedarfsplanung ist damit für die Erhöhung einer frühzeitigen Planungs- und
Kostensicherheit und für die nachhaltige Verbesserung der
Nutzungsqualität von Gebäuden sowohl für Bauherren als auch Mieter
unerlässlich und bietet auch weiteren Projektbeteiligten viele Vorteile.
Neben einer Analyse der eigentlichen Erfolgskriterien und
Nutzenpotenziale der Bedarfsplanung wird unterstrichen, dass der Facility
Manager mit den erlernten Kompetenzfeldern der strategischen
Entwicklung, der betriebswirtschaftlichen Orientierung und mit einem hohen
Maß an interdisziplinären und kommunikativen Fähigkeiten im Umgang mit
Menschen das Anforderungsprofil an die noch unbesetzte Rolle des
Bedarfsplaners in idealer Weise abdeckt. Er ist wie kein anderer in der
Lage, die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse des Bauherrn als
Auftraggeber, des Betreibers, des Nutzers, des Objektplaners und der
anderen Beteiligten rund um die Projektentwicklung einer Immobilie

ZUSAMMENFASSUNG
3
strategisch zu bündeln, um sie zu einem objektiven Bedarf werden zu
lassen. Mit ihrem integralen Ansatz und der ganzheitlichen Sicht auf alle
ablaufenden Sekundärprozesse grenzt sich die facilitäre Bedarfsplanung
als eigenständige Dienstleistung zu den tradierten Berufsfeldern rund um
das Baugeschehen ab. Sie vertritt ausschließlich die Interessen von
Bauherren und Nutzer, macht Betroffene zu Beteiligten und stellt damit
bedingungslos den Menschen in den Mittelpunkt des Geschehens.
Die erfolgreiche Bedarfsplanung benötigt jedoch auch Werkzeuge und
Instrumente, die diese komplexe Aufgabe professionell erledigen lassen.
Als eine dafür eigene Arbeitsmethode wird das Monitoring entwickelt und
anschließend an einem Praxisbeispiel auf seine Tauglichkeit überprüft.
Dazu gehört auch die Beschreibung von Ansätzen einer
dienstleistungsgerechten Vergütung des Facility Managers als
Bedarfsplaner.
Eine abschließende Marktuntersuchung unterstreicht die Bedeutung der
Bedarfsplanung als Instrument zur Steigerung der Wertschöpfung von
Immobilien. Immerhin wollen rund 90 % der befragten Bauherren und
Nutzer von Gewerbebauten in Deutschland auch endlich auf ein
professionelles Dienstleistungsangebot des Marktes zurückgreifen und
räumen dieser neuen Aufgabe der Bedarfsplanung im
Dienstleistungsportfolio des Facility Managers ein hohes Potenzial ein.

INHALTSVERZEICHNIS
4
INHALTSVERZEICHNIS ...
Seite
ZUSAMMENFASSUNG ...
2
VORWORT ...
7
1.
EINLEITUNG ...
8
1.1 Themenwahl und Motivation ... 8
1.2 Ziele ... 8
1.3 Vorgehen ... 9
2.
WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ? ...
11
2.1 Die Bedeutung der Bedarfsplanung ... 11
2.2 Die historische Entwicklung ... 13
2.3 Welche Begriffe sind wichtig ? ... 15
2.3.1 Vom Bedürfnis zum Bedarf ... 15
2.3.2 Die Bedarfsplanung ... 17
2.3.3 Der Bedarfsplaner ... 18
2.3.4 Der Bedarfsplan ... 18
3.
WELCHES NUTZENPOTENZIAL BIETET DIE BEDARFS-
PLANUNG DEN BETEILGTEN ? ...
20
3.1 Welche Aufgaben hat ein Bauherr ? ... 20
3.2 Welche Ziele verfolgt der Bauherr ? ... 22
3.2.1 Die Entstehung von Bauherrenzielen ... 23
3.2.2 Die strategische Zielfindung ... 24
3.2.2.1
Kosten ... 24
3.2.2.2
Termine ... 25
3.2.2.3
Qualitäten ... 25
3.3 Welche Wünsche hat der Nutzer ? ... 27
3.4 Was sind die Erfolgskriterien der Bedarfsplanung ? ... 28
3.4.1 Standort ... 29
3.4.2 Investitions- und Folgekosten ... 30
3.4.3 Wirtschaftlichkeit ...30
3.4.4 Finanzierungsformen ... 31
3.4.5 Rahmenterminplan ... 32

INHALTSVERZEICHNIS
5
3.4.6 Öffentlich-rechtliche Vorschriften ... 33
3.4.7 Interne Einflussgruppen ... 33
3.4.8 Externe Einflussnahme ... 33
3.5 Und wo bleibt der Mensch ? ... 34
3.5.1 Eine Dienstleistung für den Menschen ... 35
3.5.2 Betroffene werden zu Beteiligten ... 35
4.
WARUM IST DER FACILITY MANAGER AM BESTEN
GEEIGNET, DIE ROLLE DES BEDARFSPLANERS ZU
ÜBERNEHMEN ? ...
37
4.1
Was kann die Bedarfsplanung leisten ? ... 37
4.1.1 Erfassung des Projektes ... 38
4.1.2 Festlegung der Rahmenbedingungen,
Ziele und Mittel ... 38
4.1.3 Anforderungen an den Entwurf und an die
Leistungen des Objektes ... 39
4.2
Wo liegen dabei die Stärken des Facility Managers ? ... 40
4.2.1 Ganzheitliche Sicht ... 41
4.2.2 Lebenszyklusorientierung ... 42
4.2.3 Integrale Planungsleistung ... 43
4.3
Wie grenzt sich die Bedarfsplanung zu den etablierten
Leistungsbildern der Baubranche ab ? ... 43
4.3.1 Abgrenzung zur Objektplanung ... 44
4.3.2 Abgrenzung zur Projektsteuerung ... 46
4.3.3 Gibt es andere Überschneidungen ? ... 46
4.3.4 Ansätze einer leistungsgerechten Vergütung ... 47
4.4
Die Bedarfsplanung als Beratungsleistung an der
Schnittstelle zwischen Bauherr/ Nutzer und Planer ... 49
4.5
Ist die Bedarfsplanung eine facilitäre Dienstleistung ? ... 50
5.
WIE KANN DIE BEDARFSPLANUNG ZUM BAUSTEIN IM
DIENSTLEISTUNGSPORTFOLIO DES FACILITY
MANAGERS WERDEN ? ...
51
5.1
Die Bedarfsplanung als Arbeitsmethode ... 51
5.1.1 Das Zwei-Wege-Prinzip ... 51
5.1.2 Monitoring - Der moderierte Prozess ... 52

INHALTSVERZEICHNIS
6
5.1.3 Durchführung einer Bedarfsplanung am
Beispiel des "Leonardo-Campus" in Münster ... 54
5.1.3.1 Definition der Projektgrundlagen ... 54
5.1.3.2 Gliederung des Nutzungsprogramms ... 55
5.1.3.3 Neue Wege ... 55
5.1.3.4 Der Workshop ... 55
5.1.3.5 Methodenvielfalt schafft Kreativität ... 57
6.
GIBT ES EINE NACHFRAGE FÜR DIESES NEUE
DIENSTLEISTUNGSANGEBOT ? ...
60
6.1 Umfrage: Nutzer definieren ihre Anforderungen ... 60
6.1.1
Ziele der Befragung ... 60
6.1.2
Auswahl der Untersuchungsmethode ... 62
6.1.3
Umfang und Ablauf der Befragung ... 63
6.2
Darstellung der Ergebnisse ... 64
6.2.1
Ausgangssituation ... 64
6.2.2
Zuständigkeiten ... 65
6.2.3
Lebenszykluskosten ... 65
6.2.4
Nutzenpotenzial im Soll/ Ist-Vergleich ... 66
6.2.5
Volumen des Nachfragepotenzials ... 67
6.2.6
Zahlungsbereitschaftsgrenze ... 68
6.3
Wie stellt sich die Marktfähigkeit aktuell dar ? ... 69
7.
FAZIT UND AUSBLICK ...
70
8.
BIBLIOGRAPHIE ...
73
8.1
Literaturverzeichnis ... 73
8.2 Research ­ Internetadressen ... 75
9.
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...
76
10.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...
77
ANHANG ...
78
Anhang A:
Der Workshop
Anhang B:
Der Fragebogen

VORWORT
7
VORWORT
"In Deutschland ist bisher die Aufmerksamkeit für die Frühphase von
Bauplanungsprozessen gering. Da aber jedes Bauvorhaben diese Phase,
wenn auch unzureichend gehandhabt, durchläuft, und da in dieser Phase
die Weichen für alle späteren Ereignisse jeder Bauplanung gestellt werden,
liegt eine Qualitätsverbesserung im Interesse aller Beteiligten. Wie die
Bedarfsplanung derzeit praktiziert wird und von wem, ist weitgehend dem
Einzelfall überlassen."
1
Damit ist sehr treffsicher die Ausgangssituation für
diese Arbeit und der daraus erwachsene notwendige Handlungsbedarf in
einer wichtigen, wenn nicht vielleicht sogar der wichtigsten, Phase des
Lebenszyklus eines Gebäudes umrissen.
Die Diplomarbeit zum Thema DIE BEDARFSPLANUNG ­ EINE NEUE
AUFGABE FÜR DAS DIENSTLEISTUNGSPORTFOLIO DES FACILITY
MANAGERS ? wird als Abschlussarbeit eines berufsbegleitenden
Bachelor-Studienganges am Lehrstuhl Facility Management der
Hanzehogeschool van Groningen/ NL in Kooperation mit dem
Internationalen Institut für Facility Management ( i
2
fm ) in Oberhausen/ D
vorgelegt.
Für die engagierte Betreuung und wissenschaftliche Unterstützung
während der gesamten Zeit der Erstellung der Diplomarbeit danke ich
insbesondere Frau Drs. Pauline Harmsen vom Lehrstuhl Facility
Management der Hanzehogeschool. Ihre Ratschläge, Hinweise und Fragen
waren mir immer eine wertvolle und unerlässliche Hilfestellung. Ich würde
mich freuen, wenn ich mit dieser Arbeit einen innovativen Beitrag zur
weiteren Profilierung des Dienstleistungsangebotes im Facility
Management leisten kann.
Münster, im August 2002
Wilfried Limke
1
DIN 18025 ­ Bedarfsplanung im Bauwesen, Beuth Verlag GmbH, Berlin 1996, S. 2

1. EINLEITUNG
8
1. EINLEITUNG
1.1
Themenwahl und Motivation
In Deutschland werden nach einer Einschätzung von Fachleuten jährlich
über 50 Mrd. , was etwa einem Fünftel des gesamten Bauvolumens
entspricht, unkontrolliert auf Zuruf verbaut.
2
Wenn es darüber hinaus
mittlerweile gesicherte Erkenntnis ist, dass die laufenden Betriebskosten
eines Bürogebäudes alle 6 bis 8 Jahre noch einmal die Summe der
erstmaligen Investition verursachen, erhält man eine Ahnung von der
gewaltigen Summe, die vermutlich am wirklichen Bedarf vorbei
ausgegeben wird. Eine Investition, die vielleicht der maroden Bauwirtschaft
hilft, aber letztlich nur unzufriedene Bauherren und Nutzer generiert. Diese
bekommen nicht das, was sie sich eigentlich vorgestellt haben und müssen
dafür auch noch einen höheren Preis zahlen. Jeder andere
Wirtschaftszweig würde sich weigern, auf so fahrlässiger Basis zu
investieren wie es im Bauwesen an der Tagesordnung zu sein scheint. Der
vermutete Hauptgrund dieser Fehlinvestition ist in der Tatsache zu suchen,
dass bei der Definition eines Projektes, in der Phase der ersten
Ideenfindung, die Bedürfnisse aller an der Planung Beteiligten nicht
ausführlich genug abgefragt werden. Es gibt einfach niemanden, der an der
Nahtstelle zwischen Bauherr und Objektplaner in der Lage ist, diese
wertschöpferische Aufgabe zu formulieren und sie als professionelle
Dienstleistung anzubieten.
1.2
Ziele
Bei jedem Bauvorhaben muss zu aller erst definiert werden, was überhaupt
geplant und gebaut werden soll und wie ein Gebäude optimal den
Bedürfnissen des Bauherrn und Nutzers gerecht werden kann. Die dazu
notwendige Bedarfsplanung ist eine Bauherrenaufgabe, die weit vor der
eigentlichen Objektplanung die Bedürfnisse des Bauherrn und des Nutzers
ermittelt und sie anschließend als gefilterten Bedarf festlegen lässt.
Bauherren sind aber häufig nicht in der Lage, diese verantwortliche
Aufgabe selbst wahrzunehmen. Sie wissen oft nicht einmal, dass sich keine
andere Phase im Lebenszyklus eines Gebäudes besser eignet, mit einem
relativ geringen Aufwand so große wirtschaftliche Effekte zu erzielen. DIE
BEDARFSPLANUNG ­ EINE NEUE AUFGABE FÜR DAS
DIENSTLEISTUNGSPORTFOLIO DES FACILITY MANAGERS ? als
Leitthese dieser Arbeit soll darstellen, dass das Instrument der
Bedarfsplanung zu einer Erhöhung der Planungs- und Kostensicherheit für
den Bauherrn und für eine Verbesserung der Nutzungsqualität von
2
vgl. Kuchenmüller, R.: Baubezogene Bedarfsplanung, DAB 5/97 S. 705 ff.

1. EINLEITUNG
9
Immobilien von großer Bedeutung ist. Die Bedarfsplanung ist in der Lage,
den Wert des Gebäudes für die unterschiedlichen Ansprüche nachhaltig zu
erhöhen. Für diese in Deutschland noch unbesetzte Rolle des
Bedarfsplaners ist gerade der Facility Manager mit seiner
vorausschauenden Sicht auf alle facilitären Einflüsse über den gesamten
Lebenszyklus einer Immobilie bestens geeignet, dem Bauherrn und dem
Nutzer in dieser Frühphase der Projektentwicklung die Bedarfsplanung als
eigenständige Dienstleistung anzubieten. Neben der Erarbeitung einer
dafür geeigneten Methode soll eine abschließende Feldstudie
untermauern, dass diese neue Aufgabe im Dienstleistungspaket des
Facility Managers eine reelle Marktchance hat.
1.3
Vorgehen
Da jedes Bauvorhaben diese erste Phase der Bedarfsfindung, wenn auch
häufig unzureichend gehandhabt, immer durchläuft, liegt eine
Qualitätsverbesserung im Interesse aller Beteiligten. Die meisten
Bauherren, Nutzer und sogar Objektplaner machen sich zu wenig bewusst,
dass Immobilien wesentlich mehr leisten können, als nur aus Flächen,
Volumen und Fassade zu bestehen. Die nicht nur an der einmaligen
Bauinvestition, sondern am Lebenszyklus des Gebäudes ausgerichtete
facilitäre Bedarfsplanung gewährleistet, dass technische, soziale,
ökologische, ästhetische und auch betriebswirtschaftliche Aspekte schon
zum frühestmöglichen Zeitpunkt berücksichtigt werden. Die genannte
Eingangsthese wird an Hand folgender Leitfragen systematisch analysiert
und untermauert:
1.3.1 Was ist überhaupt Bedarfsplanung ?
Hier werden die Grundlagen der Bedarfsplanung und ihre Bedeutung für
den Projektverlauf analysiert. Wie wird aus einem individuellen Bedürfnis
ein objektivierbarer Bedarf ? Welchen Stellenwert hat die Bedarfsplanung
bisher in Deutschland und gibt es Unterschiede mit welchen möglichen
Ursachen zu anderen Ländern (UK, USA)? Für die notwendige
Transparenz der dieser Arbeit unterstellten Sichtweise sind die wichtigsten
Begriffe zunächst grundsätzlich zu definieren.
1.3.2 Welches Nutzenpotenzial bietet die Bedarfsplanung den
Beteiligten ?
Dieses Kapitel stellt ausführlich dar, welche Vorteile der Bauherr als
Investor, das Unternehmen mit seinen Mitarbeiter/innen als Nutzer und
andere am Projekt Beteiligte von der Bedarfsplanung haben. Eine Analyse
der möglichen Erfolgskriterien verdeutlicht, dass das strategische Potenzial

1. EINLEITUNG
10
der Bedarfsplanung noch unzureichend bekannt ist. Neben aller
betriebswirtschaftlichen Wertschöpfung muss die facilitäre Bedarfsplanung
aber eine elementare Dienstleistung für den Menschen bleiben.
1.3.3 Warum ist der Facility Manager am besten geeignet, die Rolle
des Bedarfsplaners zu übernehmen ?
Erst die Ermittlung und Abwägung aller Einflussfaktoren, wie Standortwahl,
Investitions- und Folgekosten, Finanzierungsformen, Nutzungsoptimierung,
Kosten, Termine und Qualitäten erhöhen den Wert einer Immobilie sowohl
für den Bauherrn als auch für den Nutzer. Diese ganzheitliche Sicht auf alle
ablaufenden Prozesse gehört zur erlernten Kernkompetenz des Facility
Managers. Damit die Bedarfsplanung aber überhaupt zu einem eigenen
Dienstleistungspaket des Facility Managers werden kann, muss sie sich zu
den tradierten Leistungsbildern rund um die Immobilie abgrenzen.
1.3.4 Wie und mit welchen Methoden soll die Bedarfsplanung zum
Baustein im Dienstleistungsportfolio des Facility Managers
werden ?
In diesem Kapitel wird die Bedarfsplanung als ein strategisches Instrument
und Werkzeug (Methode, Verfahren) des Facility Managements
beschrieben. Eine eigens dazu entwickelte Arbeitsmethode wird ausführlich
erläutert und an einem Praxisbeispiel auf ihre Tauglichkeit überprüft.
1.3.5 Gibt es eine Nachfrage für dieses neue Dienstleistungs-
angebot ?
Die wesentlichen Kernaussagen der Theoriestudie werden noch einmal
zusammengefasst und prognostiziert. Eine abschließende "Feldforschung"
versucht, eine Aussage zu den von Kunden gewünschten Schwerpunkten
der Bedarfsplanung zu machen und die realistischen Marktchancen dieser
neuen FM-Dienstleistung mit ihrem Nutzenpotenzial und Marktvolumen zu
messen.
Die beschriebene Vorgehensweise und die systematische Bearbeitung der
genannten Research-Fragen sollten in der Lage sein, eine Antwort auf die
formulierte Leitthese dieser Arbeit zu geben. Die erste Annäherung an das
Thema verlangt nach einer ausführlichen Grundlagenermittlung und der
Einordnung in das fachtypisch thematische Umfeld. Die Bedeutung der
Bedarfsplanung, ihre historische Entwicklung und ihre typische
Begrifflichkeit bilden darum den Schwerpunkt des nächsten Kapitels.

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
11
2.
WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
2.1
Die Bedeutung der Bedarfsplanung
Bei jedem Projekt wird mehr oder weniger festgelegt, was geplant und
gebaut werden soll. Meistens beschränken sich die Angaben des Bauherrn
oder Nutzers auf die gewünschte Nutzungsart des Objektes mit
entsprechender Flächengröße, den geplanten Zeitablauf und auf eine
notwendige Deckelung
3
des Kostenrahmens. Im weiteren Prozess des
Planens und Bauens wird dann vielleicht noch einmal zu der ein oder
anderen Ausführungsvariante Stellung genommen, die Bodenbelagsart
festgelegt oder, vorzugsweise im Einfamilienhausbau, die Gestaltung der
Eingangstür bestimmt. Je weniger Erfahrung der Bauherr mit der Materie
des Bauens hat, um so mehr verdrängt er wichtige Entscheidungen oder
verschiebt sie in die spätere Planungs- und Ausführungsphase. Die
Konsequenzen seiner verspäteten Entscheidungen sind für ihn nur schwer
vorstellbar. Folgen können sein: Missverständnisse zwischen Bauherrn und
Architekt, Funktionsmängel, Kostensteigerungen durch Nachforderungen
und Terminverzug. Dabei ist ihm nicht einmal ein Vorwurf zu machen, denn
es hat ihm niemand gesagt, dass er auch ein auf seine individuellen
Bedürfnisse abgestimmtes Gebäude haben kann.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedient man sich der Bedarfsplanung. Sie
ermöglicht die vollständige Beschreibung aller Notwendigkeiten, Einflüsse,
Abhängigkeiten und Vernetzungen bei dem zu planenden Objekt. "Wenn es
bisher beim Bauen Probleme gab, lag das oft an einer ungenügenden
Bedarfsplanung. Das heißt, die Bauaufgabe war ungenügend definiert, die
Bedürfnisse von Bauherren und Nutzern waren nicht ausreichend
ermittelt."
4
Die wesentlichen Ziele eines Projektes werden vom Bauherrn
und Nutzer bestimmt und zwar in einer Phase weit vor der eigentlichen
Objektplanung. Sie entwickeln die Idee zu einem Projekt und legen fest,
was sie damit bezwecken wollen. Dabei weicht die Fokussierung auf die
reine Errichtung des Objektes immer mehr der Sicht auf den gesamten
Lebenszyklus einer Immobilie, von der Entwicklung über die Erstellung und
Nutzung bis hin zum Redevelopment und der endgültigen Beseitigung. In
der Frühphase der Projektdefinition ist die Einflussnahme auf die Chancen,
Risiken und Potenziale sehr groß. Die Bedarfsplanung ist damit ein
wichtiges Instrument zur Sicherung des Projekterfolges. Die Materie des
Planens, Bauens und Betreibens wird zunehmend komplexer, die
technischen Möglichkeiten unüberschaubarer, die Anzahl der am Bau und
an den Folgeprozessen Beteiligten steigt stetig. Auch die Anforderungen an
3
Bedeutung: mit einem Deckel versehen, hier (Haushalts- und Finanzsprache): eine Obergrenze
festlegen
4
Kuhne, V.: Zur integrierten Gesamtplanung im kostenoptimierten Bauen, Springer Verlag 1996, S. 53

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
12
die Gebäude werden immer größer. Sie definieren sich nicht mehr nur über
Fläche, Volumen und Fassade, sondern sind Dienstleistungsplattform für
eine Vielzahl von Sekundärprozessen, die helfen, das eigentliche
Kerngeschäft effizienter und effektiver gestalten zu können. Die
Bedarfsplanung ist damit auch eine elementare Dienstleistung für die
Menschen, die später aus diesem Gebäude, in welcher Form auch immer,
einen Nutzen ziehen. Die vom Bundeswirtschaftsministerium bereits 1973
vorgestellte "Enquete über die Bauwirtschaft"
5
beschreibt die
Bedarfsplanung als Konkretisierung der Bauidee, d. h. die Übersetzung der
Vorstellungen des Nachfragers für die Bauplanung. Sie kritisierte schon
damals: "Diese Aufgabe wird aber in der Regel nur beiläufig und ohne die
notwendige Sorgfalt behandelt. Ein befriedigendes Ergebnis für den
Nachfrager und Nutzer wird sich dann höchstens zufällig ergeben können."
Es macht die Sache nur schlimmer, dass sich auch fast 30 Jahre später an
der Situation nichts Grundlegendes geändert hat.
Kosten
Zeit
Bedarfs- Projekt-
Projekt-
Projekt-
Nutzung
planung
konzeption
management vermarktung
Abb. 1: Einflussmöglichkeiten auf die Gesamtkosten im Projektverlauf
6
Die Phase der Planungsvorbereitung ist diejenige mit der größtmöglichen
Einflussnahme auf die Bau- und Folgekosten. In keiner anderen Phase
können mit so geringem Aufwand so große wirtschaftliche Effekte erzielt
werden. Wie Abbildung 1 zeigt, sind zu Beginn der Bedarfsplanung die
späteren Investitionskosten noch zu 100 % beeinflussbar. Mit dem
Fortschreiten der einzelnen Projektphasen nimmt die Einflussnahme auf
die Kosten immer weiter ab und läuft mit Fertigstellung des Gebäudes
5
Kirner, W. (Hrsg.) u.a.: Enquete über die Bauwirtschaft i. A. des BMin. für Wirtschaft, 1973
6
in Anlehnung Schulte, K.W.: Grundlagen des Immobilienmanagements, Handout zu einem
betriebswirtschaftliches Grundlagenseminar der European Business School, Gelsenkirchen 1998
Baubeginn
Fertigstellung
Kostenbeeinflussbarkeit
Kostenverlauf

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
13
gegen Null. Die Bedarfsplanung würde jedoch reinen Effizienzfetischismus
betreiben, wenn nur die Erreichung größtmöglicher Einsparpotenziale im
Vordergrund stehen würde. "In der Architektur nimmt das Wissen wie man
baut 95 % ein, das Wissen um die Menschen kaum 5 %."
7
Dieses
Missverhältnis muss die Bedarfsplanung ausgleichen, in dem sie das
Wissen um die Menschen entwickelt und ihnen ihre elementare Rolle im
Planungsprozess zurückgibt. Weil die Bedarfsplanung völlig unzureichend
ist, sind es die Gebäude häufig auch.
2.2
Die historische Entwicklung
Die Anfänge der Bedarfsplanung sind in England, hier Briefing genannt,
Ende 1940 zu finden. Eine staatlich unterstütze Projektgruppe machte sich
zur Aufgabe, "Planungsverfahren aus der Rüstungs- und Flugzeugindustrie
auf Pilotprojekte des Bildungswesens und andere soziale Projekte zu
übertragen."
8
Man begann mit der Konzeption von Grundschulen und
machte sich dabei zum Ziel, die Bedürfnisse und Interessen der Kinder
abzufragen und den Lehrerinnen und Lehrern Wahlmöglichkeiten zu
Unterrichtsmethoden einzuräumen. Dabei entstanden Musterplanungen mit
flexiblen Grundrissen, geräumigen Klassenzimmern und zentral
zugeordneten Spielflächen. Die davon ausgehende Signalwirkung löste
eine Welle von weiteren Projekten aus, die alle mit Hilfe der
Bedarfsplanung initiiert wurden. Nicht zuletzt wegen dieser ersten guten
Erfahrungen setzten sich in den sechziger Jahren die Verbände der
Architekten, Ingenieure und Bauunternehmungen zusammen und
entwickelten die Studie Communications in the Building Industry . Ihr Ziel
war es, eine Methode zu entwickeln, die Bedürfnisse des Bauherrn
vollständig zu erfassen, zu analysieren und anschließend aufzubereiten.
Auf diesem Wege sollte vermieden werden, dass der Bauherr am Anfang
seines Projektes eine Entscheidung trifft, die er mit im weiteren Prozess
erlangtem Wissen nicht getroffen hätte. Eine weitere Konsequenz war,
dass die Bedarfsplanung Bestandteil der Ingenieurausbildung und
Honorarordnungen wurde und sich als Plan of Work
9
in Regelabläufen
etablierte. Die Regierung informierte mit Broschüren Bauherrn über die
Chancen der Bedarfsplanung und unterstütze massiv weitere
Modellprojekte. Durch die später eingetretene Rezession im Bauwesen
stagnierte zwischenzeitlich die Weitentwicklung der Bedarfsplanung. Heute
ist auch in England bekannt, dass das Thema zwingend mit dem Gebiet
des Building Appraisal zusammenhängt, also der systematischen Analyse
der Brauchbarkeit von Gebäuden in Betrieb. Die Leistung (Performance)
7
Kuchenmüller, R.: Baubezogene Bedarfsplanung, Deutsches Architektenblatt 5/97, S. 705
8
vgl. Kuchenmüller, R.: Bauleitungs- und Projektmanagement für Architekten und Ingenieure
WEKA-Baufachverlage GmbH, Augsburg 1997
9
vgl. O`Reilly, J.J .: Better Briefing means better Buildings, Garston Watford 1987

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
14
des Gebäudes wird dabei dem Anforderungsprofil aus der Bedarfsplanung
gegenüber gestellt. Nahezu parallel erkannten große Planungsbüros in den
U.S.A., neben den rein technisch orientierten Aspekten, wie
Netzplantechnik, Systemtechnik und Operations Research, schon früh die
soziale Bedeutung, die gerade bei komplexen Planungsaufgaben auf die
Planer zukommen. Unter dem Begriff Facility Programming
10
spielten
neben den Techniken die Bedürfnisse der Menschen eine zunehmend
wichtige Rolle. Heute ist die Bedarfsplanung in Amerika selbstverständlich
verknüpft mit Post-Occupancy Evaluation (POE), der Bewertung von
Gebäuden in Betrieb, dem Facility Management, der Nutzung, Wartung,
Instandhaltung und Veränderung. Ein führender Bedarfsplaner in den
U.S.A. schreibt: "Heute wird die Bedarfsplanung praktisch an allen
Architekturschulen des Landes gelehrt. Die meisten offiziellen Bauherren
wie Regierung, Hochschulen etc. und auch die großen Gesellschaften als
Auftraggeber fordern eine Bedarfsplanung als Projektbeginn."
11
Und wie sieht es in Deutschland aus ? Die Anfänge der Entwicklung der
Bedarfsplanung hier ist erstaunlicherweise viel älter und schon vor über
100 Jahren in dem Buch "Schatzkästlein des guten Rates" dokumentiert.
Hier wird beschrieben, wie Bauherren ihre Wünsche und Bedürfnisse in
Bezug auf ihr neues Haus in einem Bauprogramm niederschreiben sollen.
Dieses erstmalig erwähnte Bauprogramm wurde in der Folgezeit leider
immer unzureichender ausgefüllt, bis schließlich nur noch ein
Flächenprogramm ohne weitere Beschreibungen übrig blieb. Erst um 1960
begannen die Hochschulen des Landes, ausgelöst durch einen absoluten
Bildungsnotstand mit Studentenschwemme, staatliche Hochschul-
planungsinstitute ins Leben zu rufen. Es wurden Tabellen, Diagramme und
Kostenstrukturen als Werkzeug für eine Hochschulbedarfsplanung
erarbeitet. Zeitgleich stießen Marktforscher die Notwendigkeit der
Bedarfsplanung auch für den Industrie- und Bürobau an.
Die Bedarfsplanung kam jedoch nie aus ihrem Nischendasein heraus.
Bund, Länder und auch Berufsverbände haben kaum Anstrengungen
unternommen, die Bedarfsplanung als notwendiges und eigenständiges
Instrument voranzutreiben. Die Bedarfsplanung in Deutschland hat auch
heute, bis auf wenige Ausnahmen, noch lange nicht den Stellenwert wie in
den U.S.A. oder England. Nicht selten wird die Bedarfsplanung von
Architekten irgendwie mitgeleistet, ohne groß darüber zu sprechen und
ohne einen wirklich strategischen Ansatz. Nur einige wenige Büros haben
Bedarfsplanungsabteilungen eingerichtet oder sich komplett darauf
spezialisiert. Manche verknüpfen Anteile dieser Leistung mit dem
10
vgl. Pena, Parshall, Kelly (CRSS): Problem Seeking-An Architectural Programming Primer,
3. Edition, AIA Press. Washington D.C. 1987
11
Preiser, W., Van Nostrand, R. (Hrsg.): Professional Practice in Facility Programming, London 1993

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
15
Leistungsbild der Objektplanung oder der Projektsteuerung, andere mit der
Immobilien- oder der Energiewirtschaft, jedoch kaum jemand mit dem in
Deutschland noch völlig unterrepräsentierten Facility Management.
Hochschulen, welcher Fachrichtung auch immer, ignorieren das Thema
komplett.
Auf englisch-skandinavische Initiative wurde im Jahre 1979 mit der
Entwicklung einer ISO-Norm zur Bedarfsplanung begonnen. Ziel war es,
die wichtigsten Sachverhalte und Begriffe international zu definieren und
Checklisten zu entwickeln, die eine vollständige Aufgabenbeschreibung
ermöglichen. Als Ergebnis erschienen im Jahre 1994 die ISO 9699
"Performance standards in building ­ Checklist for briefing ­ Contents of
brief for building design" und zwei Jahre später in Deutschland mit fast
gleichem Inhalt die DIN 18025 "Bedarfsplanung im Bauwesen". Diese Norm
richtet sich in erster Linie an die Bauherren. Sie definiert Begriffe und
beschreibt den Anwendungsbereich, für sie bedeutet die Bedarfsplanung
"die methodische Ermittlung der Bedürfnisse von Bauherren und Nutzern,
deren zielgerichtete Aufarbeitung als Bedarf und dessen Umsetzung in
bauliche Anforderungen."
12
In weiten Teilen enthält sie Prüflisten für die
Projektdatenerfassung, zur Festlegung der Rahmenbedingungen des
Bauvorhabens und zu Entwurfsanforderungen an die Objektplanung. Die
Norm schreibt aber keine Methoden oder Verfahren vor, sondern soll nur
allen am Planungsprozess Beteiligten eine frühe und möglichst
umfassende Definition der Bauaufgabe erleichtern und mit Hilfe von
Checklisten ermöglichen. Sie orientiert sich leider nahezu ausschließlich an
die erste Investition des Baubedarfs den daraus erwachsenen
Anforderungen und lässt ablaufende Lebenszyklusprozesse weitestgehend
außer acht.
2.3
Welche Begriffe sind wichtig ?
Zum weiteren Verständnis ist es notwendig, ein paar wesentliche Begriffe
und Zusammenhänge der Bedarfsplanung inhaltlich zu bestimmen. Es geht
dabei nicht um eine enzyklopädische Aufarbeitung des Themas, sondern
um die Darstellung der dieser Arbeit unterstellten Sichtweise.
2.3.1 Vom Bedürfnis zum Bedarf
Im üblichen Sprachgebrauch werden die Begriffe Bedürfnis und Bedarf
oftmals überhaupt nicht unterschieden, meistens wird der Bedarfsbegriff in
der Bedeutung von Bedürfnis angewendet. Daher ist es nötig, diese beiden
Begriffe mit ihren unterschiedlichen Definitionen erst einmal zu erläutern:
12
DIN 18205 ­ Bedarfsplanung im Bauwesen, Beuth Verlag, Berlin 1996

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
16
Bedürfnisse werden in der Literatur als individuelle und subjektive
Empfindungen beschrieben, wobei in Lexika
13
das Bedürfnis psychologisch
als Gefühl oder Empfinden eines Mangels mit dem Streben nach
Beseitigung verbunden ist. Das in der Literatur bekannteste Modell der
Bedürfnishierarchie nach Maslow
14
lässt die Motive menschlichen
Handelns in fünf hierarchische Klassen einordnen. Diese Motive gelten in
analoger Anwendung auch für die Zielfindung bei Bauherren. Die
Bedürfnispyramide geht davon aus, dass zunächst die physiologischen
Bedürfnisse, wie Hunger oder Unterkunft, befriedigt werden wollen. Ist dies
geschehen, findet ein Dominanzwechsel statt, der die nächste
Bedürfniskategorie auslöst. Auf dem Weg zur Spitze der fünfstufigen
Pyramide stehen noch die Bedürfnisse nach Sicherheit, sozialer
Zugehörigkeit und Wertschätzung, bevor das oberste Ziel der
Selbstverwirklichung erreicht wird.
Abb. 2: Bedürfnispyramide nach Maslow
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht werden Bedürfnisse als subjektive
Empfindungen beschrieben, die Anlass zu wirtschaftlichen Handlungen
geben können. Dabei wird in existenzielle Bedürfnisse, wie z. B. Nahrung
und Kleidung als auch Wohlfahrts-, Luxus- und Prestigebedürfnisse
unterschieden. In der freien Marktwirtschaft bestimmen Bedürfnisse das
Angebot, aber sie werden auch wiederum selbst durch das Angebot
beeinflusst. Da es jedoch gravierende Unterschiede im Anspruchsniveau
der verschiedenen Menschen gibt, sind Bedürfnisse eigentlich unersättlich.
13
vgl. Brockhaus: Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 3, 20. Auflage, Mannheim 1996
14
vgl. Müller-Jundt, B., Uhe G.: Allg. Betriebswirtschaftslehre, Verbundstudium, Lerneinheit 1,
Die Maslow`sche Bedürfnispyramide, Hagen 1999, S. 64
Physiologische Bedürfnisse
Bedürfnis nach Sicherheit
Soziale Bedürfnisse
Bedürfnis nach Wertschätzung
Selbst-
verwirklichung

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
17
Für den Bedarf-Begriff gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche
Interpretationen. Einerseits wird er inhaltlich mit Bedürfnis und anderseits
mit Nachfrage übersetzt. Im alltäglichen Sprachgebrauch erlebt man die
Gleichsetzung beider Begriffe im Sinne von "gebrauchen", "notwendig sein"
oder "von Nutzen sein".
15
Bedient man sich wiederum einschlägiger Lexika
liest man, dass der Bedarf zum einen als kaufkräftige Nachfrage am Markt
und zum anderen als objektivierbares Bedürfnis gilt. Dieser letzten
Interpretation folgend bedeutet, dass es bei der Bedarfsplanung zuerst um
die methodische Ermittlung der Bedürfnisse von Bauherren bzw. Nutzern
geht. Wenn diese Bedürfnisse klar artikuliert und konkretisiert sind und
unter Abwägung aller anderen noch näher zu untersuchenden
Einflussgrößen der Entschluss gefasst wird, sie zu befriedigen, dann
werden die Bedürfnisse zielgerichtet zum Bedarf aufbereitet und in bauliche
und nutzungsspezifische Anforderungen umgesetzt.
2.3.2 Die Bedarfsplanung
Schon die erste Idee des Bauherrn, für sein Kerngeschäft geeignete
Rahmenbedingungen zu schaffen, ist der Beginn der Projektentwicklung
und der Start der Bedarfsplanung. Sie ist ein Prozess, in dem mit
geeigneten Methoden und Verfahren die Voraussetzungen für ein Projekt
ermittelt und analysiert werden. Die Bedarfsplanung artikuliert die Ziele und
Visionen des Bauherrn und ermittelt deren Bedürfnisse und
Wertvorstellungen. Sie muss konzeptionell die Formulierung der
Aufgabenstellung für das ganze Projekt suchen, finden und eingrenzen. Die
Bedarfsplanung ist die Problemsuche, die später darauf aufbauende
Objektplanung deren Problemlösung.
Die Formulierung der Aufgabenstellung setzt umfängliche Untersuchungen
und Vorarbeiten voraus. Der Bedarfsplaner muss sich sehr frühzeitig mit
den Unternehmenszielen, Entwicklungen und Strategien von Bauherr und
Nutzer vertraut machen. Es muss klar sein, wie und ob überhaupt das
geplante Objekt zum Unternehmenserfolg beitragen kann, auch welche
Prozesse durch die Bedarfsplanung verändert werden können oder sollen.
Die strategische Bedarfsplanung eignet sich neben der Festlegung der
Performance-Ziele und der Entwicklung integrierter Planungs- und
Ausführungskonzepte auch ideal zur zeitgleichen Aufstellung eines Facility
Management-Konzeptes für das Unternehmen. Die frühzeitige Einbindung
von Bauherr, Nutzer und anderer an dem Projekt Interessierter macht
Betroffene zu Beteiligten. Dafür benötigt der Bedarfsplaner viel Geduld, da
nicht alle Beteiligte unbedingt fachkompetent und manchmal auch
unmotiviert sind. Häufig glauben Planer die Bedürfnisse von Bauherrn und
15
vgl. Heidack, C.: Bedarf - zur Deutung des Begriffes in Wissenschaft und Praxis,
Schriftenreihe der Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf 1992, S. 14

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
18
Nutzer zu kennen, was aber fast nie der Fall ist. Nicht Planer haben die
Entscheidungen zu treffen, sondern ausschließlich der Bauherr, der allein
dafür verantwortlich ist, das Projekt in Gang zu bringen. Er bezahlt es und
er darf sich die Verantwortung dafür nicht nehmen lassen. Für die
Marktfähigkeit seiner Immobilie hat der Bauherr mit der Bedarfsplanung die
Minimierung der Gebäudekosten bei gleichzeitiger Maximierung des
Gebäudenutzens zum Ziel.
2.3.3 Der Bedarfsplaner
Bei sehr komplexen Aufgaben bedient sich der Bauherr eines Dritten, der in
seinem Auftrag einen Bedarfsplan samt aller dafür erforderlichen
Untersuchungen, Befragungen und Ausarbeitungen erstellt. Der
Bedarfsplaner ist in der DIN 18025 "eine Person, Gruppe oder
Organisation, welche die Aufstellung eines Bedarfsplanes zu leisten hat.
Der Bedarfsplaner kann Bauherr sein oder ein mit der Bedarfsplanung
beauftragter Berater."
16
Demnach kann der fachkompetente Bauherr in der
Lage sein, diese Aufgabe selbstständig durchzuführen. Falls seine
Fähigkeiten jedoch nicht ausreichen, beauftragt er einen auf diese Leistung
spezialisierten Bedarfsplaner. Der Bauherr bleibt selbstverständlich in der
Verantwortung und behält die letzte Entscheidung, denn nur er kann
wissen, was er will. Es geht nicht um die (bau-) technischen Aspekte der
Objektplanung, sondern nur um den gedanklichen Entwurf, der die
Bedürfnisse, Zielsetzungen und Funktionszusammenhänge einbeziehen
lässt. Der Bedarfsplaner ist somit Mittler zwischen Bauherr, Nutzer,
Architekt und evtl. weiteren Anspruchsträgern. Jede dieser Personen hat
eigene Denkstrukturen und Kommunikationsformen und verfolgt teils
unterschiedliche Ziele. Die Verständigung untereinander ist recht schwierig.
Aufgabe des Bedarfsplaners ist, die unterschiedlichen Sprachen zu
übersetzen und sie für alle Beteiligten auf eine verständliche Basis zu
stellen. Er muss sich gut im Kerngeschäft des Bauherrn auskennen, ein
aufmerksamer Zuhörer sein und ein ausgeprägtes Maß an kommunikativen
Fähigkeiten besitzen. Verdeckte Interessen, Andeutungen, Wünsche und
Wertvorstellungen des Bauherrn oder Nutzers müssen verstanden und
übersetzt werden. Durch Hinterfragen können bereits vorhandene Ideen
und Konzepte präzisiert werden.
2.3.4 Der Bedarfsplan
Das Ergebnis der Bedarfsplanung ist der Bedarfsplan. Er stellt als
Arbeitsdokumentation die wesentlichen Bedürfnisse und Ziele des
Bauherrn oder Nutzers dar, formuliert die Rahmenbedingungen des
Projektes und die notwendigen Anforderungen an die Objektplanung. Eine
16
DIN 18025 ­ Bedarfsplanung im Bauwesen, Beuth Verlag GmbH, Berlin 1996 S. 3

2. WAS IST ÜBERHAUPT BEDARFSPLANUNG ?
19
Sammlung aus Aufgabenbeschreibung, Raum- und Funktionsprogramm,
Visualisierungen erster Ideen, Organisationsvorschlägen, Kommunikations-
beziehungen und -wege, technischen Standards, Termine, Finanzrahmen
und vieles mehr. Der Bedarfsplan "stellt zu jedem beliebigen Zeitpunkt die
wesentlichen Bedürfnisse, Ziele und Mittel des Bauherrn und Nutzers sowie
Rahmenbedingungen des Projektes und alle erforderlichen Anforderungen
an den Entwurf dar."
17
Das später zu bauende Objekt wird dadurch
gedanklich in eine Richtung gebracht, die schriftliche Darlegung im
Bedarfsplan ist die Formulierung des Auftrages des Bauherrn, bildet die
Verständigungsgrundlage und gilt als Zielvereinbarung zwischen allen
Beteiligten. Die Art und Größe des Projektes nimmt Einfluss auf den
Umfang des Bedarfsplanes. Er enthält Texte, Listen, Diagramme,
Ideenskizzen, Photos, einfache Zeichnungen als Werkzeuge und fixiert
somit die Aussagen und Wünsche der Beteiligten. Es stehen wichtige
Inhalte im Vordergrund und nicht das starre Festhalten an Details oder
Lieblingsideen. Die weiteren Kapitel dieser Arbeit werden über diese erste
Definition hinaus noch sehr viel ausführlicher auf die Inhalte des
Bedarfsplans eingehen.
Die bisherigen Ausführungen haben die Entwicklung und die Bedeutung
der Bedarfsplanung hergeleitet und dargestellt. Aber nur weil es sie
theoretisch gibt, muss sie sich nicht zwangsläufig auch für die Erfüllung
einer bestimmten Aufgabe eignen. Die Bedarfsplanung macht nur Sinn,
wenn sie nachweislich für ein zu planendes Bauvorhaben und die an
diesem Projekt Beteiligten nicht nur einen Vorteil hat, sondern es sogar von
Nachteil wäre, auf die Bedarfsplanung zu verzichten. Was macht also die
Bedarfsplanung für Bauherrn und Nutzer unentbehrlich, woran ist ihr Erfolg
zu messen ?
17
DIN 18025 ­ Bedarfsplanung im Bauwesen, a. a. O.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832462253
ISBN (Paperback)
9783838662251
DOI
10.3239/9783832462253
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hanzehogeschool Groningen – Facility Management, Internationales Institut für Facility Management Oberhausen
Erscheinungsdatum
2002 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
bauherrenaufgabe dienstleistung integrale planung lebenszyklusorientierung life cycle costs
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