Risikomanagement in Wertschöpfungsnetzwerken
Systematisierung und Bewertung von Flexibilität mit Hilfe der Realoptionstheorie
©2002
Diplomarbeit
123 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Hinblick auf eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensentwicklung ist die Steigerung des Unternehmenswertes Grundlage und Motivation jedes unternehmerischen Handelns. Mit unternehmerischen Aktivitäten eng verbunden sind durch Unsicherheit gekennzeichnete Entwicklungen des Unternehmensumfeldes, die einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg der Aktivitäten und somit auf den Unternehmenswert ausüben. Dementsprechend müssen Unternehmen in der Lage sein, auf relevante Entwicklungen adäquat zu reagieren. Die optimale Positionierung des Unternehmens in einem unsicheren Marktumfeld ist Aufgabe des Risikomanagements. Dieses kann als strategischer Rahmen der organisatorischen und technischen Konfiguration der Unternehmensabläufe verstanden werden.
Heutige Märkte sind aufgrund des Trends zur Globalisierung durch eine hohe Dynamik, Komplexität und damit einhergehende Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen gekennzeichnet. Dieser Trend ist hauptsächlich auf die in den letzten Dekaden veränderten makroökonomischen Bedingungen und den rapiden technischen Fortschritt zurückzuführen. Das Ziel einer schnellen Anpassung des Unternehmens an Marktentwicklungen kann durch eine bewusste Flexibilisierung von Wertschöpfungsnetzwerken erreicht werden. Voraussetzung dafür ist die prozessorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von Material-, Informations- und Finanzströmen innerhalb von Wertschöpfungsnetzwerken. Dies ist Aufgabe des Supply Chain Managements. In der Planung und Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sehen sich Entscheidungsträger allerdings mit Problemen bei der Bestimmung des optimalen Flexibilitätsgrades konfrontiert. In diesem Kontext erscheint eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Konzept Flexibilität als integralem Bestandteil des unternehmerischen Risikomanagements notwendig.
Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sind als Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit zu verstehen. Investitionen in Flexibilität eröffnen dem Management zusätzliche Handlungsspielräume, zukünftige Entscheidungen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Demzufolge wirkt die Flexibilisierung wertsteigernd. Der Wert dieser Handlungsspielräume ist abhängig vom zugrundeliegenden Risiko und muss in einer fundierten Bewertung berücksichtigt werden.
Bei dem hier betrachteten Bewertungsproblem weisen traditionelle, Unsicherheit berücksichtigende Investitionsrechenverfahren signifikante Schwächen […]
Im Hinblick auf eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensentwicklung ist die Steigerung des Unternehmenswertes Grundlage und Motivation jedes unternehmerischen Handelns. Mit unternehmerischen Aktivitäten eng verbunden sind durch Unsicherheit gekennzeichnete Entwicklungen des Unternehmensumfeldes, die einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg der Aktivitäten und somit auf den Unternehmenswert ausüben. Dementsprechend müssen Unternehmen in der Lage sein, auf relevante Entwicklungen adäquat zu reagieren. Die optimale Positionierung des Unternehmens in einem unsicheren Marktumfeld ist Aufgabe des Risikomanagements. Dieses kann als strategischer Rahmen der organisatorischen und technischen Konfiguration der Unternehmensabläufe verstanden werden.
Heutige Märkte sind aufgrund des Trends zur Globalisierung durch eine hohe Dynamik, Komplexität und damit einhergehende Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen gekennzeichnet. Dieser Trend ist hauptsächlich auf die in den letzten Dekaden veränderten makroökonomischen Bedingungen und den rapiden technischen Fortschritt zurückzuführen. Das Ziel einer schnellen Anpassung des Unternehmens an Marktentwicklungen kann durch eine bewusste Flexibilisierung von Wertschöpfungsnetzwerken erreicht werden. Voraussetzung dafür ist die prozessorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von Material-, Informations- und Finanzströmen innerhalb von Wertschöpfungsnetzwerken. Dies ist Aufgabe des Supply Chain Managements. In der Planung und Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sehen sich Entscheidungsträger allerdings mit Problemen bei der Bestimmung des optimalen Flexibilitätsgrades konfrontiert. In diesem Kontext erscheint eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Konzept Flexibilität als integralem Bestandteil des unternehmerischen Risikomanagements notwendig.
Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sind als Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit zu verstehen. Investitionen in Flexibilität eröffnen dem Management zusätzliche Handlungsspielräume, zukünftige Entscheidungen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Demzufolge wirkt die Flexibilisierung wertsteigernd. Der Wert dieser Handlungsspielräume ist abhängig vom zugrundeliegenden Risiko und muss in einer fundierten Bewertung berücksichtigt werden.
Bei dem hier betrachteten Bewertungsproblem weisen traditionelle, Unsicherheit berücksichtigende Investitionsrechenverfahren signifikante Schwächen […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 6136
Friese, Markus: Risikomanagement in Wertschöpfungsnetzwerken - Systematisierung und
Bewertung von Flexibilität mit Hilfe der Realoptionstheorie
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Berlin, Technische Universität, Diplomarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ... 1
1.1 Problemstellung und Zielsetzung ...1
1.2 Vorgehen...2
2 Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in
Wertschöpfungsnetzwerken ... 4
2.1 Aktuelle Herausforderungen...5
2.1.1
Definition von Unsicherheit Abgrenzung von Risiko und Exposure ...5
2.1.2 Systematisierung
relevanter Risiken ...8
2.2 Basis-Strategien um den Herausforderungen zu begegnen ...12
2.2.1 Beeinflussungsstrategie ...12
2.2.2 Unternehmensanpassungsstrategien ...13
2.2.2.1 Antizipative
Strategie ...13
2.2.2.2 Reaktive
Strategie...14
2.3 Mass Customization Strategie als integrierender Ansatz ...15
2.3.1
Einführung in die Mass Customization Strategie ...15
2.3.2
Potenziale und Kosten ...18
2.3.2.1 Steigerung des Umsatzpotenzials ...18
2.3.2.2 Verbesserung der Kostenposition...19
2.3.2.3 Zusatzkosten ...20
2.3.3
Instrumente der Mass Customization Strategie ...20
2.3.3.1 Modulares
Produktdesign ...21
2.3.3.2 Modulares
Prozessdesign ...21
2.3.3.3 Übergreifende
Prozess-Steuerung und Flexible Systeme...22
2.4 Auswirkungen auf die Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken...23
2.4.1 Wertschöpfungsnetzwerke...23
2.4.2
Einführung in das SCM Konzept ...24
2.4.3
Verschiebung der Prioritäten im SCM ...26
2.5 Zusammenfassende Darstellung des Kapitels ...29
Inhaltsverzeichnis
II
3 Risikomanagement durch Flexibilisierung logistischer Systeme ... 30
3.1 Theoretische Grundlagen des Risikomanagements ...30
3.1.1 Exposure-Arten...31
3.1.2
Finanzielles Hedging zur Exposure-Reduktion...33
3.1.3
Finanzielles Hedging zur Exposure-Flexibilisierung ...35
3.1.4
Operatives Hedging zur Exposure-Flexibilisierung ...35
3.2 Flexibilität als Erfolgsfaktor bei der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken ...38
3.2.1
Begriffserklärung und Definition von Flexibilität in
Wertschöpfungsnetzwerken...39
3.2.2 Systematisierung
unterschiedlicher Flexibilitätsarten ...40
3.2.3
Entwicklung einer risikobezogenen Flexibilitätskennzahl ...44
3.2.4
Gestaltungsprinzipien zur Flexibilisierung von Wertschöpfungsnetzwerken ...46
3.2.4.1 Postponement ...46
3.2.4.2 Modularisierung der Produkte und Prozesse ...50
3.2.4.3 Flexibilitätssteigerung durch Prozessbeschleunigung ...54
3.2.5
Problematik der Bestimmung des optimalen Flexibilitätsgrades ...56
3.2.5.1 Zusatzkosten ...56
3.2.5.2 Kostensenkungspotenziale...58
3.2.5.3 Servicesteigerung...59
3.3 Zusammenfassende Darstellung des Kapitels ...61
Inhaltsverzeichnis
III
4 Bewertung von Flexibilität mit Realoptionen ... 62
4.1 Investitionsbewertung mit der Kapitalwertmethode...63
4.1.1
Bestimmung des risikoadjustierten Zinssatzes ...64
4.1.2
Kritik an der Kapitalwertmethode ...65
4.2 Entscheidungsunterstützende Verfahren ...67
4.2.1 Entscheidungsbaumanalyse ...67
4.2.2 Sensitivitätsanalysen...68
4.2.3 Simulation...69
4.2.4 Traditionelle
Bewertungsverfahren vs. Optionspreisverfahren...70
4.3 Realoptionen ...72
4.3.1
Einführung in die Optionstheorie ...72
4.3.2
Analogie zwischen Finanz- und Realoptionen ...75
4.3.3
Determinanten des Optionswertes ...77
4.3.4 Bewertungsansätze ...80
4.3.4.1 Arbitragefreiheit und risikoneutrale Bewertung...80
4.3.4.2 Optionspreisverfahren ...84
4.3.5
Typen von Realoptionen...90
4.3.5.1 Übertragung auf die Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken ...93
4.3.6
Limitation der Theorie...95
4.4 Zusammenfassung der Ergebnisse in einem Vorgehensmodell zur
Realoptionsanalyse ...97
5 Zusammenfassung und Ausblick ... 99
Literaturverzeichnis ... 103
Abbildungsverzeichnis IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Unsicherheitskegel ...6
Abbildung 2-2: Ableitung der Risiken aus dem Unternehmensumfeld ...9
Abbildung 2-3: Klassifizierung relevanter Risiken ...9
Abbildung 2-4: Beeinflussungs- versus Anpassungsstrategie...12
Abbildung 2-5: Zeit als verbindendes Element in der Mass Customization Strategie...17
Abbildung 2-6: Instrumente der Mass Customization Strategie ...21
Abbildung 2-7: Kontinuierliche Weiterentwicklung der Logistik ...24
Abbildung 2-8: Supply Chain als Netzwerk...26
Abbildung 2-9: Einfluss von Logistikleistung und -kosten auf den Unternehmenswert ...27
Abbildung 3-1: Exposure-Arten ...32
Abbildung 3-2: Reduziertes Exposure beim finanziellen Hedging ...34
Abbildung 3-3: Flexibilisiertes Exposure beim finanziellen Hedging ...35
Abbildung 3-4: Exposure-Flexibilisierung durch operatives Hedging...36
Abbildung 3-5: Dimensionen der Flexibilität...40
Abbildung 3-6: Interne und externe Flexibilität ...41
Abbildung 3-7: Arten der internen Flexibilität...43
Abbildung 3-8: Herleitung des Flexibilitätsgrades F ...45
Abbildung 3-9: Substitution antizipativer durch reaktive Prozesse ...47
Abbildung 3-10: Postponementformen ...48
Abbildung 3-11: Verringerung der Durchlaufzeiten ...49
Abbildung 3-12: Klassifizierung der Flexibilitätskosten...57
Abbildungsverzeichnis V
Abbildung 4-1: Bewertungsverfahren im Vergleich ...70
Abbildung 4-2: Kategorisierung von Optionen ...73
Abbildung 4-3: Auszahlungsstruktur einer Kaufoption ...74
Abbildung 4-4: Beispiel einer Realoption eines Erdölförderprojektes ...77
Abbildung 4-5: Einflüsse der Optionsparameter auf den Optionswert einer Kaufoption ...78
Abbildung 4-6: Risikoneutrale Optionsbewertung...81
Abbildung 4-7: Konstruktion des risikolosen Hedge-Portfolios ...83
Abbildung 4-8: Lattice-Baum...86
Abbildung 4-9: Vorgehensmodell zur Realoptionsanalyse ...97
Tabellenverzeichnis VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-1: Daten für Beispielrechnung Risk-Pooling Effekt ...51
Tabelle 3-2: Vor- und Nachteile der Modularisierung ...53
Tabelle 4-1: Zusammenfassende Darstellung der Einflüsse der Optionsparameter...80
Tabelle 4-2: Realoptionsarten...93
Abkürzungsverzeichnis VII
Abkürzungsverzeichnis
A
Auszahlung
AG
Aktiengesellschaft
ASEAN Association
of
Southeast Asian Nations
Aufl.
Auflage
B
Höhe des Kredits eines replizierenden Portfolios
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
C
Wert einer Option
C
0
Kapitalwert
CAPM
Capital Asset Pricing Model
D
Dividende
d
untere Grenze der Entwicklung des Basiswertes
DCF
Discounted
Cash
Flow
d. h.
das heißt
etc.
et
cetera
E
Einzahlung
EK
Eigenkapital
ERM
Enterprise
Relationship Management
EU
Europäische
Union
FB
Fachbereich
FK
Fremdkapital
F&E
Forschung
und
Entwicklung
Abkürzungsverzeichnis VIII
G
Grundgesamtheit
der
Merkmalsausprägungen
GATT
General Agreement On Tariffs and Trade
GK
Gesamtkapital
H
Handlungsspielraum
des
Systems
Hrsg.
Herausgeber
http
Hypertext
Transfer
Protokoll
I Investition
i
risikoadjustierter Zinssatz / Kapitalisierungszinsfuß
i
EK
geforderte Eigenkapitalrendite
i
FK
geforderte Fremdkapitalrendite
i.H.v.
in
Höhe
von
i. S. v.
im Sinne von
IW
innerer Wert einer Option
j
Anzahl möglicher Aufwärtsbewegungen in n Perioden t
Jg.
Jahrgang
KontraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz
K
Fix
Fixkosten
K
Var
variable Kosten
MERCOSUR
Mercado Común del Sur
Mrd.
Milliarde(n)
N
Hedge Ratio, Anteil Aktien in einem replizierenden Portfolio
n
Anzahl der Perioden t in Optionslaufzeit T
NAFTA
North American Free Trade Agreement
NPV
Net Present Value (Nettobarwert)
Abkürzungsverzeichnis IX
OEM
Original
Equipment
Manufacturer
OPP
Order
Penetration
Point
p
transformierte,
risikoneutrale Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs
P
Öl
Ölpreis
q
tatsächliche Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs
r
risikoloser
Zinssatz
S
Basiswert
einer
Option
S.
Seite
s
Steuersatz
SCM
Supply
Chain
Management
SCOR
Supply Chain Operations Reference
T
Laufzeit der Option
t
einzelne Teilperioden von 0 bis n
u
obere Grenze der Entwicklung des Basiswertes
US
United
States
USA
United States of America
usw.
und
so
weiter
Vgl.
Vergleiche
vs.
versus
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WTO
World
Trade
Organisation
www
world
wide
web
X
Basispreis
einer
Option
s
Standardabweichung
Einleitung
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
und
Zielsetzung
Im Hinblick auf eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensentwicklung ist die Steigerung des
Unternehmenswertes Grundlage und Motivation jedes unternehmerischen Handelns. Mit un-
ternehmerischen Aktivitäten eng verbunden sind durch Unsicherheit gekennzeichnete Ent-
wicklungen des Unternehmensumfeldes, die einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg der
Aktivitäten und somit auf den Unternehmenswert ausüben. Dementsprechend müssen Unter-
nehmen in der Lage sein, auf relevante Entwicklungen adäquat zu reagieren. Die optimale
Positionierung des Unternehmens in einem unsicheren Marktumfeld ist Aufgabe des Risiko-
managements. Dieses kann als strategischer Rahmen der organisatorischen und technischen
Konfiguration der Unternehmensabläufe verstanden werden.
Heutige Märkte sind aufgrund des Trends zur Globalisierung durch eine hohe Dynamik,
Komplexität und damit einhergehende Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen gekenn-
zeichnet. Dieser Trend ist hauptsächlich auf die in den letzten Dekaden veränderten makro-
ökonomischen Bedingungen und den rapiden technischen Fortschritt zurückzuführen. Das
Ziel einer schnellen Anpassung des Unternehmens an Marktentwicklungen kann durch eine
bewusste Flexibilisierung von Wertschöpfungsnetzwerken erreicht werden. Voraussetzung
dafür ist die prozessorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von Material-, Informations-
und Finanzströmen innerhalb von Wertschöpfungsnetzwerken. Dies ist Aufgabe des Supply
Chain Managements. In der Planung und Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sehen
sich Entscheidungsträger allerdings mit Problemen bei der Bestimmung des optimalen Flexi-
bilitätsgrades konfrontiert. In diesem Kontext erscheint eine intensivere Auseinandersetzung
mit dem Konzept Flexibilität als integralem Bestandteil des unternehmerischen Risikomana-
gements notwendig.
Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken sind als Investi-
tionsentscheidungen unter Unsicherheit zu verstehen. Investitionen in Flexibilität eröffnen
dem Management zusätzliche Handlungsspielräume, zukünftige Entscheidungen an veränder-
te Umweltbedingungen anzupassen. Demzufolge wirkt die Flexibilisierung wertsteigernd. Der
Wert dieser Handlungsspielräume ist abhängig vom zugrundeliegenden Risiko und muss in
einer fundierten Bewertung berücksichtigt werden.
Einleitung
2
Bei dem hier betrachteten Bewertungsproblem weisen traditionelle, Unsicherheit berücksich-
tigende Investitionsrechenverfahren signifikante Schwächen auf. Insbesondere die Nichtbe-
rücksichtigung des Wertes von Handlungsspielräumen kann zu erheblichen Bewertungsfeh-
lern führen.
Die Defizite traditioneller Bewertungsverfahren können durch Optionspreisverfahren ausge-
glichen werden, da reale Investitionen aufgrund der geschaffenen Handlungsspielräume als
Optionen betrachtet und analog zu Finanzoptionen bewertet werden können. Diese sogenann-
ten Realoptionen sind definiert als die zukünftigen Handlungsspielräume und Investitions-
möglichkeiten eines Unternehmens in Verbindung mit der Fähigkeit des Managements, opera-
tive Entscheidungen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Hierbei handelt es sich
um strategische Unternehmensentscheidungen, da der operativen Managementebene die Fle-
xibilität zur Verfügung gestellt wird, die eine langfristige, den Unternehmenswert maximie-
rende Anpassung an Risiken ermöglicht. Trotz der evidenten Vorteilhaftigkeit der Realopti-
onstheorie hat sie bisher nur geringen Einzug in die Praxis gehalten.
Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit besteht darin, zu untersuchen, wie die Flexibilisie-
rung von Wertschöpfungsnetzwerken im Sinne des unternehmerischen Risikomanagements
eingesetzt werden kann und inwieweit die Realoptionstheorie hierfür eine praxisnahe und
fundierte Entscheidungsgrundlage darstellt. Zudem soll die Entwicklung eines Vorgehensmo-
dells zur Realoptionsanalyse Unternehmen die Anwendung der Realoptionstheorie erleich-
tern.
1.2
Vorgehen
Die vorliegende Arbeit ist in 5 Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einführung in die Prob-
lemstellung in Kapitel 1 werden in Kapitel 2 aktuelle Herausforderungen und Strategien in
Wertschöpfungsnetzwerken analysiert. Im Zusammenhang mit der Erläuterung der relevanten
Entwicklungen des Unternehmensumfeldes werden grundlegende Begriffe definiert. Darauf
aufbauend erfolgt eine Systematisierung der unternehmensrelevanten Risiken. Anschließend
werden Basisstrategien für den Umgang mit der zunehmenden Marktdynamik vorgestellt,
wobei die Mass Customization Strategie als Beispiel für eine reaktive Unternehmensanpas-
sungsstrategie näher untersucht wird. Hierbei werden insbesondere die Implikationen für das
Supply Chain Management in Bezug auf die Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken be-
trachtet.
Einleitung
3
In Kapitel 3 wird die Verbindung zwischen einem unternehmensweiten Risikomanagement
und der bei der Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes wichtigen Größe Flexibilität
untersucht. Dazu erfolgt eine Einführung in die theoretischen Grundlagen des Risikomanage-
ments. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen Risikomanagement und der Gestal-
tung eines Wertschöpfungsnetzwerkes erläutert. Darauf aufbauend wird dargestellt, warum
Flexibilität ein Erfolgsfaktor bei der Gestaltung eines Wertschöpfungsnetzwerkes ist. An die-
ser Stelle erfolgt die Definition und Systematisierung des oft zitierten, jedoch nicht eindeutig
abgegrenzten Konzeptes Flexibilität. Abschließend werden die Gestaltungsprinzipien zur Fle-
xibilisierung von Wertschöpfungsnetzwerken und damit einhergehende Probleme bei der Be-
stimmung des optimalen Flexibilitätsgrades erläutert.
In Kapitel 4 wird dargelegt, weshalb die Realoptionstheorie zur Bestimmung des optimalen
Flexibilitätsgrades bei der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken angewendet werden
sollte und die dabei zu verwendende Methodik detailliert erläutert. Um die Vorteilhaftigkeit
der Realoptionstheorie aufzuzeigen, werden zunächst die Defizite traditioneller Investitions-
rechen- und Entscheidungsunterstützungsverfahren hinsichtlich des vorliegenden Bewer-
tungsproblems erläutert. Anschließend wird in die Thematik der Optionspreistheorie einge-
führt und die Analogie zwischen den Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung von Wert-
schöpfungsnetzwerken und Optionspreisverfahren verdeutlicht. Nach Erläuterung der relevan-
ten Optionspreisverfahren, wird der Zusammenhang zwischen den in den vorangegangen Ka-
piteln beschriebenen Gestaltungsparameter und der Realoptionstheorie aufgezeigt. Ab-
schließend wird ein Vorgehensmodell zur Realoptionsanalyse für die Bewertung von Wech-
seloptionen entwickelt, die für das unternehmerische Risikomanagement äußerst relevant
sind.
Die Zusammenfassung der Hauptaussagen der Arbeit und ein Ausblick auf weiterführende
Forschungsmöglichkeiten hinsichtlich der betrachteten Problemstellung erfolgt in Kapitel 5.
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
4
2 Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wert-
schöpfungsnetzwerken
Die Weltwirtschaft hat in den letzten Jahren fundamentale Veränderungen erfahren. Das Zu-
sammenwachsen der nationalen Wirtschaften zu einer integrierten und interdependenten
Weltwirtschaft wird generell als Globalisierung bezeichnet.
1
Diese Entwicklung ist
hauptsächlich auf die im Laufe der letzten Dekaden veränderten makroökonomischen
Bedingungen und die rapide Beschleunigung des technischen Fortschritts zurückzuführen.
Dabei drücken sich die makroökonomischen Veränderungen in reduzierten Handels- und
Investitionsbarrieren aus. Beispielhaft für diesen Integrationsprozess ist die Ausweitung des
General Agreements on Tariffs and Trade (GATT), die damit verbundene Gründung der
World Trade Organisation (WTO) und die Schaffung der Wirtschaftsräume EU, NAFTA,
ASEAN
2
und MERCOSUR.
3
Die Verringerung der Handelsbarrieren bildet allerdings nur das
theoretische Fundament für das Zusammenwachsen der Märkte. Erst die rasante
technologische Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere in den Bereichen der
Mikroprozessoren, der Telekommunikation, des Internets und der Logistik, ermöglicht die
Vision von globalen Märkten.
Als Folge können Unternehmen auf allen wichtigen Weltmärkten präsent sein und zudem die
Produktion und die Beschaffung global ausrichten. Diese Möglichkeit wird zur Pflicht, wenn
ein Unternehmen seine Chancen in dem sich verschärfenden Wettbewerb optimal nutzen
will.
4
Dabei sind die sich mit der Globalisierung ergebenden Chancen eng mit zunehmenden
Risiken verbunden. Die Märkte sind durch eine hohe Dynamik, Komplexität und damit ein-
hergehende Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung charakterisiert.
5
Dieses Kapitel beschreibt Strategien, mit deren Hilfe Unternehmen in dem sich ständig än-
dernden Marktumfeld bestehen können. Dafür werden in Abschnitt 2.1 die aktuellen Heraus-
forderungen in Form von Unsicherheiten beschrieben und systematisiert. Anschließend wer-
den in Abschnitt 2.2 Basisstrategien dargestellt, um den Unsicherheiten zu begegnen. Darauf
aufbauend wird in Abschnitt 2.3 die Mass Customization Strategie erläutert, deren Auswir-
1
Vgl. Hill (2001), S. 4
2
Vgl. Pfohl/Pfohl (2000), S. 40
3
Vgl. Hill (2001), S. 232 ff.
4
Vgl. Baumgarten/Herter (1999), S 829 ff.
5
Vgl. Fink/Schlanke/Siebe (2000), S. 34 f.
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
5
kungen auf die Gestaltung von Wertschöpfungsnetzwerken in Abschnitt 2.4 behandelt wer-
den.
2.1 Aktuelle
Herausforderungen
Unternehmen werden langfristig Wettbewerbsvorteile erreichen, wenn sie in der Lage sind,
die Dynamik des Marktes als bedeutende Einflussgröße in die Unternehmensplanung zu in-
tegrieren. In diesem Sinn hat die Unternehmensplanung die durch die Umweltentwicklung
bedingten Chancen wahrzunehmen und die einhergehenden Bedrohungen unter bestmöglicher
Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen abzuwehren.
6
Die erfolgreiche Planung bzw. Zu-
kunftsgestaltung des Unternehmens basiert hierbei auf einer systematisch vorbereiteten Fest-
legung von Absichten, Zielen und Strategien sowie der zu ihrer Erreichung notwendigen
Maßnahmen.
7
Dementsprechend ist es für das Management entscheidend, die Unsicherheiten
am Markt und deren Quellen besser zu verstehen.
Dieser Abschnitt soll dazu dienen, die Begriffe Unsicherheit, Risiko und Exposure zu definie-
ren und voneinander abzugrenzen. Darauf aufbauend erfolgt eine Systematisierung und Erläu-
terung der für Unternehmen relevanten Unsicherheiten bzw. Risiken.
2.1.1 Definition von Unsicherheit Abgrenzung von Risiko und Exposure
Den meisten Entscheidungsträgern fällt es aufgrund von Unsicherheiten sehr schwer, die zu-
künftigen Entwicklungen zu antizipieren und entsprechend fundierte Entscheidungen zu tref-
fen.
8
Eine Entscheidung ist die zielorientierte Auswahl einer Alternative aus einer Menge ver-
fügbarer Maßnahmen unter Berücksichtigung möglicher Umweltzustände.
9
Dabei können
Entscheidungen nach dem Sicherheitsgrad der Informationen in Entscheidungen unter Sicher-
heit und unter Unsicherheit eingeteilt werden.
Der Begriff Unsicherheit wird in vielfältigen Zusammenhängen verwendet, jedoch hat sich
bisher kein für alle Anwendungsgebiete gültiges Begriffsverständnis durchgesetzt. Somit be-
steht zunächst die Notwendigkeit, eine funktionale Definition festzulegen.
6
Vgl. Kreikebaum (1997), S. 21
7
Vgl. Hahn (1996), S. 45
8
Vgl. Fink/Schlanke/Siebe (2000), S. 34
9
Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon (1997), Stichwort: Entscheidungstheorie
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
6
Unsicherheit lässt sich über das Antonym Sicherheit definieren. Sicherheit ist die Bezeich-
nung desjenigen Informationsgrades, bei dem nur eine einzige zukünftige Merkmalsausprä-
gung der relevanten Einflussgrößen für möglich gehalten wird.
10
Entscheidungen unter Si-
cherheit sind demnach eindeutig zu treffen, da das Ergebnis bzw. der Nutzen unterschiedli-
cher Lösungsalternativen determiniert ist. In der Entscheidungstheorie ist der Nutzen ein
quantifizierbares Merkmal, welches die Bewertung von unterschiedlichen Lösungen erlaubt.
11
Im Kontext der Unternehmensführung ist vor allem die Wertsteigerung der Unternehmung,
im Englischen: Shareholder Value, als Nutzen zu sehen. Diese Zielsetzung wird Unternehmen
durch die globale Kapitalkonkurrenz aufgezwungen.
12
Folglich ist Unsicherheit die Bezeichnung desjenigen Ungewissheitsgrades, bei dem mehr als
eine zukünftige Merkmalsausprägung für möglich gehalten wird. Beim Treffen einer Ent-
scheidung unter Unsicherheit kann, wie in Abbildung 2-1a dargestellt, die zukünftige Merk-
malsausprägung nicht mehr eindeutig bestimmt werden. Der Begriff der Bandbreite zukünfti-
ger Merkmalsausprägungen, welcher die Unsicherheit beschreibt, wird eingeführt.
13
Merkmalsaus-
prägungen
t
Wahrscheinlichkeit
t
0
Standardabweichung
Erwartungswert
a)
b)
Bandbreite
zukünftiger
Merkmalsaus-
prägungen
t
1
Merkmalsaus-
prägungen
Abbildung 2-1: Unsicherheitskegel
14
Die zukünftige Merkmalsausprägung in t
1
ist eine Funktion der heutigen, in t
0
feststehenden
Merkmalsausprägung und weiteren nicht determinierten Einflussfaktoren. Da sich mit zu-
nehmendem Zeithorizont der Einfluss der in t
0
determinierten Merkmalsausprägung verrin-
10
Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon (1997), Stichwort: Sicherheit
11
Vgl. Strigl (2001), S. 79
12
Vgl. Hahn (2000b), S. 34
13
Vgl. Amram/Kulatilaka (1999), S. 14 ff.
14
In Anlehnung an: Amram/Kulatilaka (1999), S. 16
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
7
gert, nimmt die Unsicherheit und damit die Bandbreite zukünftiger Merkmalsausprägungen
zu. Es entsteht ein Unsicherheitskegel.
15
Der Begriff Risiko wird im normalen Sprachgebrauch mit der Möglichkeit von Verlust asso-
ziiert. Die Unternehmens- und Entscheidungstheorie hingegen definiert Risiko wertneutral als
Unsicherheitsgrad, bei dem für das Eintreten zukünftiger Ereignisse objektive Wahrschein-
lichkeiten vorliegen.
16
Folglich wird die Unsicherheit durch das Risiko quantifiziert und somit
repräsentiert.
17
In der einschlägigen Literatur wird Risiko als das Ausmaß und die Wahr-
scheinlichkeit unerwarteter Abweichungen vom Erwartungswert sowie als die Volatilität un-
erwarteter Veränderungen beschrieben.
18
Abbildung 2-1b stellt den Zusammenhang zwischen
Unsicherheit und Risiko dar.
Die objektiven Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Ereignisse werden durch einen Schnitt des
Unsicherheitskegels zu einem bestimmten Zeitpunkt t
1
sichtbar gemacht.
19
Dabei wird Un-
sicherheit durch die Standardabweichung s quantifiziert, die ein Maß für das Risiko ist. Die
Standardabweichung ist ebenso wie der Unsicherheitskegel vom betrachteten Zeithorizont
abhängig. Sie wird periodisch gemessen, wobei sich die Länge der Perioden an der Problem-
stellung orientiert. Die Unsicherheit über die Anzahl der Flügelschläge einer Eintagsfliege
könnte bspw. pro Stunde gemessen werden. Eine Untersuchung des Meeresspiegels wird hin-
gegen die Standardabweichung pro Jahr berücksichtigen. Überschreitet der betrachtete Zeit-
horizont die Länge t=1 einer Messperiode, so ist die Standardabweichung für den betrachteten
Zeitraum s
t .
20
Diesem Vorgehen entsprechend können auch auf unterschiedlichen Perio-
den basierende Standardabweichungen - wie stündliche und jährliche - miteinander verglichen
werden.
Ein weiteres Charakteristikum des Risikos in der Entscheidungstheorie ist dessen Zweiseitig-
keit.
21
Da das Risiko über die Standardabweichung ausgedrückt wird, sind sowohl negative
als auch positive Entwicklungen der Merkmalsausprägung möglich. Für ein internationales
Unternehmen sind Wechselkursrisiken ein anschauliches Beispiel für die Zweiseitigkeit des
15
Vgl. Amram/Kulatilaka (1999), S. 15
16
Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon (1997), Stichwort: Risiko
17
Vgl. Pilipovic (1998), S. 160
18
Vgl. Andren (2001), S. 5
19
Vgl. Amram/Kulatilaka (1999), S. 14 f.
20
Vgl. Luehrman (1998), S. 54
21
Vgl. Hill (2001), S. 470; Oxelheim/Wihlborg (1997), S. 19
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
8
Risikos. Die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um 5 Prozent kann für ein euro-
päisches Unternehmen, das in die USA exportiert, eine positive Ertrags- bzw. Nutzenentwick-
lung darstellen. Im Gegensatz dazu wird ein europäischer Importeur eine solche Entwicklung
nachteilig einschätzen.
Anhand dieses Beispiels lässt sich ein weiterer wichtiger Begriff, das Exposure bzw. die Risi-
koanfälligkeit des Unternehmens, einführen. Das Exposure ist im Gegensatz zu dem am
Markt vorhandenen Risiko eine unternehmensspezifische Größe und kennzeichnet die Sensi-
tivität des betrachteten Nutzens gegenüber Veränderungen der Risikoparameter.
22
So können
zwei europäische Exporteure im oben beschriebenen Szenario dem Wechselkursrisiko unter-
schiedlich stark ausgesetzt sein. Das Wechselkursrisiko beeinflusst die Cash Flows des einen
Unternehmens stark und die des anderen Unternehmens nur in sehr geringem Umfang. Die
Gründe für ein abweichendes Exposure der Unternehmen werden im Abschnitt 3.1 erläutert.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Unsicherheit die Unvorhersehbarkeit
von Entwicklungen ist und durch das Risiko als Wahrscheinlichkeit unerwarteter Abweichun-
gen vom Erwartungswert quantifiziert wird. Das Risiko wird über die Standardabweichung
beschrieben. In welchem Ausmaß Risiken auf ein jeweiliges Unternehmen wirken, wird durch
das Exposure ausgedrückt.
2.1.2 Systematisierung relevanter Risiken
Unternehmen sehen sich einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt. Um die für Unternehmen re-
levanten Risiken identifizieren zu können, wird das Unternehmensumfeld, wie in Abbildung
2-2 dargestellt, in die Einflussebenen globales Umfeld, Branche und Unternehmen zerlegt.
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei das Unternehmen. Weiterhin werden in Anleh-
nung an die ,,Five Forces" nach Porter Einflussfaktoren aufgeschlüsselt, die die Branche cha-
rakterisieren. Hierbei handelt es sich um das Verhalten von bestehenden und potenziellen
Konkurrenten, Lieferanten, Kunden und die mögliche Bedrohung durch Substitutionsproduk-
te.
23
Makroökonomische Einflussfaktoren, die sich aus politischen, gesellschaftlichen und
ökologischen Zusammenhängen ergeben, charakterisieren das globale Umfeld.
24
22
Vgl. Hommel/Pritsch (1998a), S. 12
23
Vgl. Porter (1997), S. 25 ff.
24
Vgl. Fink/Schlanke/Siebe (2000), S. 38
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
9
Globales Umfeld
Branche
Potentielle
Konkurrenten
Abnehmer
Substitutionsprodukte
Lieferanten
Makroökonomische
Risiken
Unternehmen
Globales Umfeld
Branche
Potenzielle
Konkurrenten
Abnehmer
Substitutionsprodukte
Lieferanten
Makroökonomische
Risiken
Branchen- und
Unternehmensrisiken
Unternehmen
Unsicherheit
Risiko
Abbildung 2-2: Ableitung der Risiken aus dem Unternehmensumfeld
25
Aus den Einflussebenen lassen sich in einem weiteren Schritt Risikokategorien bestimmen,
wie in Abbildung 2-3 dargestellt. Die Klassifizierung in makroökonomische Risiken sowie
Branchen- und Unternehmensrisiken erfolgt nach Oxelheim und Wihlborg.
26
Eine Separation
der Branchen- von den Unternehmensrisiken wird wegen der starken Überschneidungen die-
ser Teilkategorien nicht vorgenommen.
Währung
Wechselkurse
Inflation
Makroökonomische
Risiken
Branchen- und
Unternehmensrisiken
Nachfrage
Absatzpreis
Inputpreis
Entwicklungsbedarf
Konkurrenz-
verhalten
Politik
Zinsen
Risikokategorie
Abbildung 2-3: Klassifizierung relevanter Risiken
27
25
Eigene Darstellung
26
Vgl. Oxelheim/Wihlborg (1997), S. 15
27
In Anlehnung an: Oxelheim/Wihlborg (1997), S. 15
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
10
Hierbei sind Risiken, die mit Naturkatastrophen oder Kriegen zusammenhängen, nicht be-
rücksichtigt. Solche diskontinuierlichen Entwicklungen sind zum Großteil versichert und eine
Untersuchung dieser geht über die Zielsetzung dieser Arbeit hinaus.
Makroökonomische Risiken verkörpern die Unsicherheit über die Entwicklung des Umfeldes
aller Firmen in einem Wirtschaftsraum.
28
Sie beeinflussen direkt die wirtschaftliche Leis-
tungsfähigkeit der Unternehmen und sind oft ein indirekter Faktor der Branchen- und Unter-
nehmensrisiken. Im Folgenden werden die makroökonomischen Risiken beschrieben:
· Zinsrisiken: beeinflussen sowohl die Kapitalkosten eines Unternehmens als auch die
Kapitalkosten der Kunden und somit die aggregierte Gesamtnachfrage.
29
· Währungsrisiken: sind Ausdruck der Unsicherheit über die zukünftigen Entwicklungen
der einzelnen Währungen. Sie setzen sich aus Wechselkursrisiken und Inflationsrisiken
zusammen. Die realen Wechselkurse bestimmen entscheidend die Wettbewerbsfähigkeit
eines Unternehmens.
30
Werden Veränderungen der nominalen Wechselkurse nicht durch
entsprechende Preisänderungen kompensiert, so verändern sich die relativen bzw. realen
Preise auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten.
31
· Politische Risiken: umfassen die Unsicherheiten über die Entwicklung der Geld- und Fis-
kalpolitik, der Gesetze, der Regulierungen und der sozialen Stabilität.
32
Zwischen den aufgeführten makroökonomischen Risiken herrschen Interdependenzen. Ursa-
che hierfür ist die ausgeprägte finanzielle Integration der Märkte. So drückt sich bspw. das
politische Risiko durch eine Risikoprämie in den Zinssätzen des jeweiligen Landes aus. Im
weiteren Verlauf soll auf diese Interdependenzen nicht näher eingegangen und nur das reale
Wechselkursrisiko betrachtet werden, da dieses sowohl von hoher Relevanz als auch sehr an-
schaulich ist. Zudem sind die gewonnenen Schlussfolgerungen auf die anderen makroökono-
mischen Risiken übertragbar.
28
Vgl. Oxelheim/Wihlborg (1997), S. 27
29
Vgl. Hommel/Pritsch (1998a), S. 4
30
Vgl. Cohen/Huchzermeier (1999), S. 670 f.
31
Vgl. Hommel/Pritsch (1998a), S. 19
32
Vgl. Hill (2001), S. 67
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
11
Die Branchen- und Unternehmensrisiken sind größtenteils das Resultat des durch die Globali-
sierung verschärften Wettbewerbs und eines gesellschaftlichen Wertewandels in Verbindung
mit wachsendem Kritikpotenzial auf Seiten der Kunden.
33
· Nachfrage: Der Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt und die Steigerung der Kunden-
anforderungen drückt sich in fortlaufend variierenden Kundenwünschen aus.
34
Diese füh-
ren zu Unsicherheiten über die Gesamtnachfrage und die Verteilung des Produktmixes.
35
· Konkurrenzverhalten: Die Branchenstruktur wird entscheidend durch das Verhalten der
konkurrierenden Unternehmen bestimmt. Die zunehmende Variantenvielfalt sowie kürze-
re Innovations- und Produktlebenszyklen bei stetig steigendem Kostendruck sind Aus-
druck des harten Wettbewerbs.
36
Der Aufbau von Marktaus- bzw. Markteintrittsbarrieren
birgt große finanzielle Risiken.
· Absatzpreise: hängen stark von der Nachfrageentwicklung und dem Konkurrenzverhalten
ab, da der Preis eine Funktion von Angebot und Nachfrage ist.
· Inputpreise: und die damit verbundenen Risiken sind vor allem für Unternehmen von Be-
deutung, welche die Preisveränderungen der Inputfaktoren wie Rohstoffe, Lieferantener-
zeugnisse und Personal nicht an ihre Kunden weitergeben können. Dies ist bspw. der Fall
bei Stromhändlern, die den Strom zu stark volatilen Preisen beziehen und vertraglich an
fixierte Preise gegenüber ihren Kunden gebunden sind.
37
· Entwicklung: In den letzten Jahren sind die Entwicklungsrisiken aufgrund der kürzeren
Innovations- und Produktlebenszyklen bei gleichzeitig erhöhtem Entwicklungsaufwand
stark gestiegen.
38
Die unterschiedlichen Risiken besitzen für die einzelnen Branchen eine unterschiedlich starke
Bedeutung. Für kundenorientierte Unternehmen in gesättigten Märkten wie bspw. die Auto-
mobilindustrie ist die Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage jedoch als das größte Un-
ternehmens- und Branchenrisiko anzusehen.
39
Deshalb stehen im weiteren Verlauf dieser Ar-
33
Vgl. Baumgarten/Walter (2000), S. 77 f.
34
Vgl. Baumgarten/Zadek (2000), S. 128
35
Vgl. Trigeorgis (1996), S. 189
36
Vgl. Penschke (2001), S. 144
37
Vgl. Friese/Mitze (2001), S. 29 f.
38
Vgl. Göpfert, Steinbrecher (2000), S. 20
39
Vgl. Bengtsson (1999), S. 6
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
12
beit die Risiken hinsichtlich der Gesamtnachfrage und des Produktmixes im Vordergrund. Die
Allgemeingültigkeit der vorgestellten Konzepte soll dadurch nicht eingeschränkt werden.
2.2 Basis-Strategien um den Herausforderungen zu begegnen
In den letzten Jahren sind die Finanz- und Gütermärkte von einer zunehmenden Dynamik
geprägt. Demzufolge erhöhten sich die oben beschriebenen Risiken erheblich.
40
Unternehmen
sind deshalb gezwungen, ihre traditionellen Strategien zu überdenken und den neuen Heraus-
forderungen anzupassen. Es werden Strategien benötigt, die nicht nur eine Absicherung gegen
vorhandene Risiken ermöglichen, sondern auch die sich ergebenden Chancen effektiv nutzen.
Eine solche Kongruenz der Unternehmensstrategie mit den Umweltbedingungen wird insbe-
sondere in der amerikanischen Literatur als ,,Fit" bezeichnet.
41
In Abbildung 2-4 sind die un-
ternehmerischen Basisstrategien im Umgang mit Unsicherheiten dargestellt. Die Synchronisa-
tion von Angebot und Nachfrage kann grundsätzlich über die Beeinflussung des Marktes oder
über eine Anpassung der Unternehmung an die Marktdynamik erfolgen. Im Folgenden wer-
den die Basisstrategien erläutert und ihre Eignung in Bezug auf die gestiegenen Herausforde-
rungen untersucht.
Anpassung der Nachfrage
durch Marktbeeinflussung
Menge
Zeit
Menge
Zeit
Anpassung des Angebots durch
flexibles Netzwerk
Abbildung 2-4: Beeinflussungs- versus Anpassungsstrategie
42
2.2.1 Beeinflussungsstrategie
Unternehmen versuchen mit der Beeinflussungsstrategie, die anderen Marktteilnehmer durch
gezielte Maßnahmen zu einem gewünschten Verhalten zu animieren und zukünftige Entwick-
lungen mitzugestalten. Der Erfolg einer solchen Strategie hängt wesentlich von der Fähigkeit
oder Macht eines Unternehmens ab, Einfluss auszuüben. Ein direktes Einwirken auf makro-
40
Vgl. Hommel/Pritsch (1998a), S. 4 f.
41
Vgl. Kreikebaum (1997), S. 40
42
Eigene Darstellung
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
13
ökonomische Variablen wie Wechselkurse und auf das Verhalten der Konkurrenten wird Un-
ternehmen nur in sehr geringem Umfang möglich sein. Das Kaufverhalten der Kunden kann
durch gezielte Marketingmaßnahmen beeinflusst werden. Eine flexible Preisstrategie kann
neben Verkaufsförderungsmaßnahmen ein effektives Mittel sein, das Exposure eines Unter-
nehmens zu reduzieren.
43
Solche Marketingmaßnahmen können jedoch lediglich unterstüt-
zend bei der Synchronisation von Angebot und Nachfrage genutzt werden, da die Unterneh-
men in wettbewerbsintensiven Märkten Preisnehmer sind und somit einen relativ geringen
Einfluss auf den Marktpreis besitzen.
44
2.2.2 Unternehmensanpassungsstrategien
Unternehmensanpassungsstrategien unterteilen sich generell in antizipative und reaktive An-
passungsstrategien. Bei der antizipativen Strategie wird über Vorhersagemethoden versucht,
die Unternehmensaktivitäten von der strategischen, langfristigen Planung bis zur operativen,
kurzfristigen Planung an zukünftige Entwicklungen anzupassen. Demgegenüber baut die Pla-
nung bei der reaktiven Anpassungsstrategie auf konkrete Ereignisse wie Kundenaufträge auf.
2.2.2.1 Antizipative
Strategie
Die antizipative Strategie basiert auf Prognosen, die das Marktverhalten vorhersagen und so-
mit der Planung die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen sollen. Der Erfolg der
Planung hängt entscheidend von der Prognosequalität ab. Prognosen beruhen auf Beobach-
tungen der Vergangenheit und versuchen, Aussagen über zukünftige Ereignisse zu treffen.
Grundlage jeder Prognose ist die allgemeine Stabilitätshypothese, die besagt, dass die Grund-
strukturen der Vergangenheit unverändert in die Zukunft übertragbar sind.
45
Die in Abschnitt 2.1 beschriebene Dynamik der Märkte widerspricht der Stabilitätshypothese.
Prognosefehler sind somit unvermeidbar. Da vor allem die operative, kurzfristige Planung
wesentlich auf Vergangenheitsdaten basiert
46
, führen Abweichungen von der Stabilitätshypo-
these zu einem sogenannten Misfit - dem Auseinanderlaufen zwischen prognostizierter und
realer Entwicklung. Mit zunehmenden Prognosefehlern werden kostenintensive Maßnahmen
43
Vgl. Oxelheim/Wihlborg (1997), S. 36
44
Vgl. Bengtsson (1999), S. 6
45
Vgl. Gabler-Wirtschaftslexikon (1997), Stichwort: Prognose
46
Vgl. Weber (1999a), S. 148
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
14
notwendig, um den Misfit auszugleichen.
47
Die strategische Planung versucht dieses Problem
mit Hilfe von Modellen zu lösen, in denen makroökonomische und marktspezifische Faktoren
berücksichtigt werden. In diesen Modellen werden aber wiederum Prognosen verwendet, so
dass die eigentliche Problematik bestehen bleibt.
Je stärker die zukünftigen Grundstrukturen von denen der Vergangenheit abweichen, desto
größer wird der Misfit und die damit verbundenen Kosten. Es bleibt daher festzuhalten, dass
die antizipative Strategie basierend auf Prognosen kein geeignetes Instrument ist, um der ge-
stiegenen Marktdynamik gerecht zu werden.
48
2.2.2.2 Reaktive
Strategie
Grundprinzip der reaktiven Strategie ist die Verzögerung der Entscheidung, bis die für die
Planung relevanten Informationen gesichert vorliegen. In der stärksten Ausprägung hat dies
zur Folge, dass Prognosen durch die Kenntnis der Nachfrage aufgrund von Kundenaufträgen
nicht notwendig sind. Voraussetzung dafür ist eine sehr kurze Reaktionszeit, die unter der
vom Markt geforderten Lieferzeit liegt.
49
Eine solche Verringerung der Reaktionszeit ist sehr
aufwendig und oft ökonomisch nicht sinnvoll. Deshalb wird das Aufschieben des Entschei-
dungszeitpunktes zu einer Verkürzung des Prognosehorizontes und zu einer entsprechenden
Optimierung der Prognosegenauigkeit genutzt. Die Genauigkeit der Planung steigt und die
mit dem Misfit zusammenhängenden Aufwendungen für Gegenmaßnahmen werden mini-
miert. Eine detaillierte Untersuchung dieses Sachverhaltes erfolgt in Abschnitt 3.2.4.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl die Beeinflussungsstrategie als
auch die antizipative Strategie in einem dynamischen und wettbewerbsintensiven Marktum-
feld ungeeignet sind. Dies liegt in der begrenzten Wirksamkeit der Beeinflussungsstrategie
und der Problematik von Prognosefehlern bei der antizipativen Strategie begründet. Zielfüh-
rend ist im Hinblick auf eine systematische Wertsteigerung des Unternehmens nur die reakti-
ve Strategie. Der folgende Abschnitt erläutert deshalb ausführlich eine Ausprägung der reak-
tiven Strategie die Mass Customization Strategie.
47
Vgl. Wolf S.(1997), S. 805
48
Vgl. Hommel/Pritsch (1998a), S. 21
49
Vgl. Wolf (1997) S. 805
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
15
2.3 Mass Customization Strategie als integrierender Ansatz
,,All yours Mass Customization
transforms manufacturing
in the 21st century."
The Economist, April 2000
Mass Customization, die kundenindividuelle Massenproduktion, ist eine im Wesentlichen von
Pine entwickelte Wettbewerbsstrategie, die die an sich gegensätzlichen Ziele der Kostenfüh-
rerschaft und der Differenzierung vereint. Sie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeu-
tung gewonnen. Der Erfolg globaler Unternehmen wie Dell und Hewlett-Packard ist zum
Großteil auf die Mass Customization Strategie zurückzuführen.
50
Im Folgenden soll das Konzept der Mass Customization Strategie vorgestellt und eine Ab-
grenzung zu den klassischen Wettbewerbsstrategien vollzogen werden. Anschließend werden
Potenziale und Kosten der Mass Customization Strategie sowie die zu deren Realisierung
notwendigen Instrumente erläutert.
2.3.1 Einführung in die Mass Customization Strategie
Mass Customization bezeichnet die Bereitstellung von Gütern und Services für einen großen
Absatzmarkt, die die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden hinsichtlich persönlicher,
funktionaler, ästhetischer und ökonomischer Ansprüche erfüllt.
51
Es handelt sich somit nicht um eine Massenprodukt, welches die durchschnittlichen Ansprü-
che der breiten Masse zu befriedigen versucht, sondern um ein den individuellen Kundenwün-
schen entsprechendes, angepasstes Produkt. Die Forderung nach einem dem Standardprodukt
vergleichbaren Preis widerspricht drastisch der von Porter postulierten Unvereinbarkeitshypo-
these. Ein Unternehmen kann demzufolge entweder kostenminimal oder den Kundenwün-
schen entsprechend differenziert produzieren.
52
Um diesen scheinbaren Gegensatz zu entkräf-
ten und die Solidität der Mass Customization Strategie zu unterstreichen, erscheint ein Ausei-
nandersetzen mit den traditionellen Wettbewerbsstrategien zwingend. Wettbewerbsstrategien
50
Vgl. Feitzinger/Lee (1997), S. 115 f.
51
Vgl. Dörflinger/Marxt (2001), S. 87
52
Vgl. Corsten (1998), S. 1435 f.
Aktuelle Herausforderungen, Risiken und Strategien in Wertschöpfungsnetzwerken
16
sind vorrangig als Geschäftsbereichsstrategien zu verstehen.
53
Strategische Geschäftseinheiten
entstehen durch die Zusammenfassung von untereinander möglichst homogenen Pro-
dukt/Markt-Kombinationen und zeichnen sich durch eine relative Unabhängigkeit hinsichtlich
der Schlüsselfunktionen des entsprechenden Geschäftes aus.
54
Sie sind somit Unternehmen im
Unternehmen, für die eine eigene Wettbewerbsstrategie entwickelt werden muss.
Porter unterscheidet zwei Grundstrategien, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen:
Die Kostenführerschaft hat das Ziel, durch Minimierung der realen Stückkosten bei standardi-
sierter Qualität der kostengünstigste Anbieter in der Branche zu werden.
55
Die Nutzung von
Kostensenkungspotenzialen in allen Bereichen führt zu Erfahrungskurveneffekten und zu ei-
ner immer geringeren Differenzierung der Produkte gegenüber Konkurrenzprodukten.
Bei der Differenzierungsstrategie kann ein Unternehmen, wenn es dem Kunden eine indivi-
dualisierte Leistung bietet, Differenzierungsvorteile in Form von höheren Umsatzrenditen
erlangen. Ziel der Differenzierungsstrategie ist folglich die Erlangung und Aufrechterhaltung
der Einzigartigkeit der Produkte für den Kunden, wobei der Faktor Kosten eine sekundäre
Bedeutung besitzt.
Die Mass Customization Strategie beschreibt einen hybriden Ansatz, um die Vorteile der
Kostenführerschaft und der Differenzierung zu nutzen. Im Hinblick auf die zunehmende Dy-
namisierung des Wettbewerbsumfeldes kommt dem Faktor Zeit neben Kosten, Qualität und
Service entscheidende Relevanz zu. Abbildung 2-5 veranschaulicht, wie die Zeit als verbin-
dendes Element zwischen den Wettbewerbsstrategien von Porter wirkt.
56
Dabei deckt der
Begriff Zeit ein breites Spektrum ab, das von Entwicklungszeiten für neue Produktlinien über
Reaktionszeiten auf Marktveränderungen bis hin zu Durchlaufzeiten im operativen Bereich
reicht. Zeitvorteile können in diesem Zusammenhang sowohl zur Differenzierung der Produk-
te gegenüber dem Kunden als auch zur Kostensenkung genutzt werden.
57
53
Vgl. Kreikebaum (1997), S. 72
54
Vgl. Hahn (1996), S. 269
55
Vgl. Porter (1997), S. 39
56
Vgl. Buchholz/Olemotz (1995), S. 76
57
Vgl. Corsten (1998), S. 1437 f.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2002
- ISBN (eBook)
- 9783832461362
- ISBN (Paperback)
- 9783838661360
- Dateigröße
- 1.5 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Berlin – Logistik
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- logistsik supply chain management unsicherheit planung wandlungsfähigkeit