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Über das Abenteuer zur Kooperation

Zur Evaluation von Prozessen der Vermittlung der Schlüsselqualifikation "Kooperationsfähigkeit"

©1999 Examensarbeit 153 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Titel dieser Examensarbeit „Über das Abenteuer zur Kooperation zur Evaluation von Prozessen der Vermittlung der Schlüsselqualifkation ‚Kooperationsfähigkeit‘„ beschreibt das Vorhaben, durch bestimmte, initiierte Prozesse, pädagogisch wirksam zu werden und die angestrebten Veränderungen faßbar zu machen. Ziel war es, Jugendliche im Rahmen eines schulischen Projekts besser zu qualifizieren und zu integrieren. Dies sollte konzeptionell durch die Schulung von persönlichen Skills und den Erwerb von Kompetenzen erfolgen, um so die Individuen für die Führung eines gelingenden Lebens auszustatten.
Immer wieder ist in der Presse und im Gespräch mit Angehörigen von Schul- und Bildungseinrichtungen zu erfahren, daß die heutigen Jugendlichen ein großes Maß an Defiziten in „sozialen Bereichen“ aufweisen würden. Neben der Forderung nach der Entwicklung und Förderung der sozialen Fähigkeiten ihrer SchülerInnen, sieht sich die Schule u.a. durch die Migration von ausländischen Jugendlichen bedingt, verstärkt einer heterogenen Schülerschaft gegenüber, wodurch ein wachsender Integrationsauftrag entsteht.
Das breite Spektrum der Probleme erschwert eine Reduktion auf einzelne Aspekte und dennoch stellt sich für Schule die Frage, wie sie die an sie gestellte Aufgabe lösen kann.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit diesen Defiziten, versucht diese aufzuzeigen und ein wirksames Konzept zur Verbesserung der angesprochenen Fähigkeiten vorzustellen.
Einhergehend mit dieser Forderung nach sozialen Kompetenzen drängen sich bestimmte Begriffe, wie z.B. die der Schlüsselqualifikationen auf, welche ich auf Grund ihrer dehnbaren Bedeutung schon fast als Metapher bezeichnen möchte. Als Beispiele sind hier zu nennen: Kooperationsfähigkeit, Problemlösefähigkeiten, vernünftiger und sinnvoller Umgang mit Ressourcen, soziales Engagement und Kommunikationsfertigkeiten.
Was ist aber nun konkret mit diesen „Kompetenzen“ und „Verhaltensweisen“ gemeint? Auf welchen Grundlagen beruhen sie und welche Normen obliegen ihnen? Wenn Normen angebracht sind, so stellt sich die Frage, von wem sie aufgestellt werden, welche Akzeptanz sie besitzen und letztlich wer sie überhaupt befolgt.
Die Detektion von Verhaltensdispositionen und der Beitrag der ABC-Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung stellten den Kern der Evaluationsbemühungen dar.
Ausgangspunkt für die Überlegungen war die Bestimmung einer exemplarisch ausgewählten Schlüsselqualifikation als […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung, oder warum ein Konzept zur Förderung von Persönlichkeitsentwicklung?
2.1 Achte Klasse, Gesamtschule
2.2 Neunte Klasse, Berufsschule
2.3 Fazit

3. Vergleich der eigenen Einschätzung der Problemlage der Jugendlichen zweier ausgewählter Schulklassen mit anderen Untersuchungen
3.1 Das Konzept der Schlüsselqualifikationen
3.1.1 Kategorien berufsübergreifender Qualifikationen
3.2 Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarkt
3.2.1 Berufliche Handlungsfähigkeit
3.3 Schule

4. Auswahl einer bestimmten Schlüsselqualifikation Die Kooperation und ihre Defintion

5. Verknüpfung des Konzepts „Schlüsselqualifikationen“ mit dem Lernen aus Erfahrung durch das Abenteuer
5.1 Lernen aus Erfahrung
5.1.1 Lernmodell zum Lernen aus Erfahrung
5.1.2 Adventure Based Counseling
5.1.2.1 Programmbestandteile des ABC-Konzepts
5.1.2.2 Die Transferebene: ABC-Reflexionsmodelle
5.2 Zusammenhang zwischen dem ABC – Modell und dem „Lernen aus Erfahrung“

6. Verknüpfung der Problemlage der Jugendlichen mit dem Lernangebot über das Abenteuer
6.1 Abenteuerspiele oder auch Problemlöseaktivitäten mit kooperativen Charakter

7. Evaluation zweier Erlebnis- und Abenteuerkurse im Rahmen des Migrationsprojektes des bsj vom 12.03.98 - 17.07.98
7.1 Einführung in das Projekt und in die Vorgehensweise
7.2 Beschreibung der beiden Schulklassen
7.2.1 Gesamtschule Georg-Büchner-Schule Stadtallendorf
7.2.2 Berufsschule Biedenkopf
7.3 Gegenstand der Untersuchung und eingesetzte Mittel
7.3.1 Evaluationsmittel
7.3.1.1 Fragebogen „Wettkampf und Kooperation“
7.3.1.2 Arbeitsblatt Gruppenprofil
7.4 Umfang und Dauer der Maßnahme

8. Maßnahme Georg-Büchner-Schule, Stadtallendorf
8.1 Überblick (Didaktisch-Methodische Überlegungen)
8.2 Protokoll (teilnehmende Beobachtung)
8.2.1 Stundenverlauf
8.2.2 Untersuchung Georg-Büchner-Schule: Konkurrenzverhalten
8.2.2.1 Interpretation der Zunahme von Konkurrenz
8.2.3 Untersuchung Georg-Büchner-Schule: Kooperationsverhalten
8.2.3.1 Entwicklung der Kooperationsfähigkeit
8.2.4 Betrachtung der Subkategorien
8.2.5 Auswertung des Reflexionsbogens zum Gruppenprozeß: Gruppenprofil Georg-Büchner-Schule
8.2.6 Die Disparitäten zwischen den Nationalitäten
8.3 Abschließende Betrachtung der Klasse

9.Berufsschule Biedenkopf, Biedenkopf
9.1 Überblick (Didaktisch-Methodische Überlegungen)
9.2 Protokoll Berufsschule Biedenkopf, Biedenkopf
9.3 Besondere Probleme
9.4 Der Gruppenprozeß
9.4.1 Gruppenprofil

10. Resümee
10.1 Kritik an den eingesetzten Spielen
10.2 Inhaltliche Ergebnisse
10.3 Kritik an den Instrumenten der Evaluation
10.4 Organisatorische Aspekte

11. Ausblick

12. Literatur

13. Anhang

1. Einleitung

Der Titel dieser Examensarbeit „ Über das Abenteuer zur Kooperation zur Evaluation von Prozessen der Vermittlung der Schlüsselqualifkation ‚Kooperationsfähigkeit ‘“ beschreibt das Vorhaben durch bestimmte, initiierte Prozesse, pädagogisch wirksam zu werden und die angestrebten Veränderungen faßbar zu machen.

Ausgang für die eigene Auseinandersetzung mit erlebnis- und abenteuerpädagogischen Settings war die Teilnahme an einem ABC[1] -Seminar im Rahmen des Sportstudiums. Durch die darin gemachten Erfahrungen angeregt, erfolgte die Absolvierung einer Ausbildungsreihe des bsj e.V.[2] und daran anschließend eigene Tätigkeiten als Teamer beim bsj und dem Marburger Abenteuerprojekt.

Immer wieder ist in der Presse[3] und im Gespräch mit Angehörigen von Schul- und Bildungseinrichtungen zu erfahren, daß die heutigen Jugendlichen ein großes Maß an Defiziten in „sozialen Bereichen“ aufweisen würden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit diesen Defiziten, versucht diese aufzuzeigen und ein wirksames Konzept zur Verbesserung der angesprochenen Fähigkeiten vorzustellen (Kapitel 2 und 3).

Einhergehend mit dieser Forderung nach sozialen Kompetenzen drängen sich bestimmte Begriffe, welche ich auf Grund ihrer dehnbaren Bedeutung schon fast als Metapher bezeichnen möchte, auf. Als Beispiele sind hier zu nennen: Kooperationsfähigkeit, Problemlösefähigkeiten, vernünftiger und sinnvoller Umgang mit Ressourcen, soziales Engagement und Kommunikationsfertigkeiten.

Was ist aber nun konkret mit diesen „Kompetenzen“ und „Verhaltensweisen“ gemeint? Auf welchen Grundlagen beruhen sie und welche Normen obliegen ihnen? Wenn Normen angebracht sind, so stellt sich die Frage, von wem sie aufgestellt werden, welche Akzeptanz sie besitzen und letztlich wer sie überhaupt befolgt.

Der erste Teil dieser Arbeit versucht, den doch eher diffusen Vorwurf von „Sozialisations- und Verhaltensdefiziten“ einzuengen und zu beschreiben. Auf den Ergebnissen der Betrachtungen aufbauend wird das Konzept der Schlüsselqualifikationen vorgestellt. Dabei wird auf verschiedene Anwendungsbereiche hingewiesen, um einen Überblick über die unterschiedlichen Anforderungen dieses Bildungskonzepts zu verschaffen. Als Beispiel für eine bestimmte Qualifikation wird die Kooperationsfähigkeit beschrieben, definiert und evaluiert werden.

Es soll jedoch nicht aus den Augen verloren werden, wo und vor allen Dingen durch welche Maßnahmen ein solches Konzept sinnvoll und anwendbar erscheint.

Überall dort wo Menschen aufeinander treffen und miteinander in Interaktion treten, werden gewisse Regeln notwendig. Sobald sich eine Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel konstituiert, werden darüber hinaus bestimmte Werte, Normen und daraus abgeleitet Verhaltensmaßstäbe geschaffen bzw. formuliert. Die Umweltbedingungen, wie z.B das soziale Milieu und Umfeld, und vor allen Dingen die auf personaler Ebene fußenden Erfahrungen determinieren hierbei die Vorgehensweise der Individuen.

Unbestritten bleibt die Tatsache, daß sich soziales Lernen in Gruppen und in der Auseinandersetzung mit anderen Personen vollzieht. Ein pädagogisches Konzept, welches sich als Ziel eine Qualifizierung ihres Klientels in diesen Fähigkeiten gesteckt hat, muß demnach in seiner Struktur diesen Grundgedanken berücksichtigen. Denn nur durch die gemachten Erfahrungen und mit dem Vergleich früherer Erlebnisse wird ein Kompetenzerwerb in diesem Sinne möglich. Das Kapitel 5 dieser Arbeit versucht daher, die Grundlagen des Lernens aus Erfahrungen aufzuzeigen, um den Zusammenhang des Erlebens und Handeln herzustellen, auf dem letztlich die Entwicklung einer eigenen Identität eines jeden Individuums beruht. Es wird versucht, die Mechanismen und Modelle der angesprochenen Lernprozesse darzustellen, um die beabsichtigten Lernerfolge transparenter zu machen.

So ist es sinnvoll, gerade die „Schlüsselqualifikationen“ dort zu fördern, wo sie benötigt werden und entstehen: Durch das Lernen in der Interaktion mit anderen.

Daraus abgeleitet, entwickelt sich eine handlungsorientierte[4] Vorgehensweise, welche als ein Teil des oben vorgestellten Konzepts der Schlüsselqualifizierung verstanden werden kann: Das ABC-Modell.

Das Kapitel 5.1.2 beschreibt Modelle, auf denen die Praxismaßnahmen des 7. und 8. Kapitels theoretisch fundieren. Die Einführung in die lerntheoretischen und praxisorientierten Konstrukte (Kapitel 5.1.1) dienen einer Verdeutlichung der beabsichtigten Wirkungsweisen der angewandten Aktivitäten.

So werden die Schüler und Schülerinnen mit Situationen konfrontiert, in denen sie etwas tun sollen, was sie scheinbar gar nicht können: kooperieren.

Doch was ist überhaupt unter diesem „Metapherbegriff Kooperation“ zu verstehen? Kapitel 4 nimmt eine exakte Begriffsbestimmung vor und benennt die Elemente einer gelungenen Kooperationsarbeit, wie z.B. Planung, Konsens und Partizipation.

Als weiterführendes Problem und Aufgabenstellung läßt sich nun die Frage formulieren, wie Jugendliche, welche die in Kapitel 2.3 aufgeführten Defizite aufweisen, zu einer Teilnahme und Bearbeitung ihrer „Probleme“ anzuregen sind. Als geeignete Maßnahme bieten sich abenteuerliche Bewegungssituationen sowie Problemlöseaktivitäten an, die mit ihrer Unvorhersehbarkeit und einer Risikokomponente, den Herausforderungscharakter der Situationen schafft, um die Jugendlichen anzusprechen. Somit sind abenteuerliche Arrangements als Medien in der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen anzusehen.

Als vermittelndes Element ist hier das Abenteuer zu sehen. Unter Punkt 6 wird auf diesen Aspekt näher eingegangen.

Der letzte Teil der Arbeit (Punkt 7, 8 und 9) stellt den Versuch dar, basierend auf den vorhergegangenen Überlegungen, Verhaltensänderungen im Rahmen der Arbeit mit zwei Schulklassen zu bewirken und zu evaluieren. Dabei werden die Klassen bzw. ihre Mitglieder eingehend beschrieben, eine Zielbestimmung vorgenommen, der Einsatz der Methoden vorgestellt und die Instrumente der Evaluation besprochen.

Abschließend steht eine Gegenüberstellung des Entwicklungsstandes der beiden Klassen zu Beginn und am Ende der Untersuchung, mit dem Ziel Verhaltensmodifikationen aufzuzeigen und zu verdeutlichen.

Das Kapitel 10 zieht ein Resümee und versucht, die Ergebnisse und Erfahrungen der Untersuchung zu bewerten und in den Zusammenhang Schule als Lernort sozialen Lernens zu stellen.

Den Abschluß bildet der Ausblick (Kapitel 11).

Auf eine detaillierte Beschreibung der Spiele wurde verzichtet. An den betreffenden Stellen möchte ich auf entsprechende Literatur, z.B. Rhonke, K., Silver Bullets oder Gilsdorf, R., Kistner, G. Kooperative Abenteuerspiel, verweisen (siehe Literaturliste).

2. Einführung, oder warum ein Konzept zur Förderung von Persönlichkeitsentwicklung?

Basierend auf den Meldungen aus der Presse, den Rücksprachen mit verschieden Personen, welche in der Jugendarbeit tätig sind und den eigenen Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen, entstand das Interesse, die in der Einleitung angesprochene Problemlage bei Jugendlichen an Hand eines Beispiels zu erörtern und greifbar zu machen. Mit dieser Absicht ging das Bestreben einher, auf die vorgefundenen Bedingungen Einfluß zu nehmen und gegebenenfalls pädagogisch wirksam zu werden. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, bot sich die Evaluation zweier erlebnis- und abenteuerpädagogischen Maßnahmen im Rahmen des Migrationsprojektes[5] des bsj e.V. an. Als Honorarkraft übernahm ich, zusammen mit einem anderen Mitarbeiter, die Begleitung, Gestaltung und Betreuung einer achten Hauptschul- und einer neunten Berufsschulklasse, welche an dem Projekt teilnahmen. Die Auswahl der oben genannten Klassen begründete sich auf der Zielstellung des Migrationsprojekts. Unter anderem soll durch die Förderung von Schlüsselqualifikationen der Übergang von Schule in das Berufsleben erleichtert werden. Dies erfolgt auf der Grundlage von initiierten Qualifizierungs- und Integrationsprozessen, welche auf der Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten und sozialer Kompetenzen basieren.

Im folgenden werden die Eindrücke der beiden Klassen zu Beginn der Maßnahme, welche auf eigene Beobachtungen und Befragungen der Klassenlehrer bzw. des Abteilungsleiters beruhen, dargestellt. Dabei geht es um eine Standortbestimmung der Jugendlichen und deren Probleme, welche als Grundlage für das weitere Vorgehen dienen wird. Die Profilierung der Schüler und Schülerinnen gibt dem LeserIn die Möglichkeit, sich ein Bild der betreuten Klassen zu machen. Hierbei möchte ich darauf hinweisen, daß es sich bei der Typisierung lediglich um ein Mittel der Anschauung handeln und keineswegs als Stigmatisierung der betroffenen Schüler und Schülerinnen beabsichtigt ist. Vor einem „Schubladendenken“ wird sich distanziert und gleichzeitig darauf hin gewiesen, daß es sich bei dem gezeigten Verhalten der Jugendlichen um Strategien handeln, welche in ihren Umwelt- und Subsystemen sinnhaftig sein können.

Im Anschluß an die Beschreibung wird unter Betrachtung einschlägiger Literatur eine Problemlage skizziert werden, welche die Grundlage für das weitere Vorgehen darstellt und in die Diskussion eines Konzepts von Schlüsselqualifikationen überführen soll.

2.1 Achte Klasse, Gesamtschule

Die Typisierung der Schüler und Schülerinnen und die Beschreibung der Probleme wurden mit Hilfe des Klassenlehrers vorgenommen (siehe auch Punkt 7.2) und dient u.a. der allgemeinen Problemanalyse.

Allgemeiner Eindruck

Die Schüler und Schülerinnen besaßen große Defizite in verschiedenen Bereichen, die sich nach Aussagen des Lehrers kumulierten. Hierzu zählten kognitive Probleme, wie z.B. Konzentrationsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Antizipationsvermögen, Selbstvertrauen und vor allen Dingen Vertrauen in die Gruppe sowie soziale Kompetenzen, z.B. Kooperationsfähigkeit oder die Anerkennung persönlicher Grenzen.

Zu diesem Eindruck siehe auch die Beschreibung der einzelnen Klassen unter Punkt 7.2.1 und Punkt 7.2.2.

Einzelbeschreibungen und Typisierung (Namen sind durch Kürzel ersetzt)

Die Typisierung wurde überwiegend mit Hilfe des Klassenlehrers erstellt. Die Rollen, wie z.B. „Der King“, sollen eine Einordnung der betreffenden Person erleichtern. Es handelt sich hierbei um oberflächliche Betrachtungen, welche auf keinen Fall als Charakterbeschreibungen zu verstehen sind. Die beobachteten Merkmale entsprechen dem Verhalten innerhalb des Klassenverbandes, während die aufgezeigten Defizite unter dem Gesichtspunkt der Förderung von Schlüsselqualifikationen zu betrachten sind.

(T: türkischer Herkunft, R: russischer Herkunft, P: polnischer Herkunft, D: deutscher Herkunft)

Schüler 1 (T): Der King
- Hoher Drang zur Profilierung, versucht, immer im Mittelpunkt zu stehen
- Leistungsfähig, jedoch wechselhaft und unstet
- Willig, motiviert, wenngleich z.T. etwas ungestüm

Schüler 2 (T): Der Opportunist

- Weicht offenen Konfrontationen aus
- Verschlagen, ist im Hintergrund aktiv
- Stichelt

Schüler 3 (T): Der Chaotiker I

- Chaotisch, unsozial
- Hat Probleme mit Verantwortung, besitzt dennoch ein großes Verlangen nach Selbstdarstellung
- Zum Teil verschobene Selbstwahrnehmung / Selbsterleben

Schüler 4 (T): Der Chaotiker II

- Unsozial ähnlich wie Schüler 3
- Überaltert (Klassenwiederholer), neigt zur Selbstüberschätzung
- Herablassend, stichelt
- Devote Sozialisation
- Sportlicher Anspruch
- Einzelgänger

Schüler 5 (T): Der Mitläufer

- Zurückhaltend, angepaßt
- Schwache Position innerhalb der Klasse

Schüler 6 (T): Der Mitarbeiter

- Etwas lauter auftretend
- Interessiert und reflektiert
- Schulisch leistungsstark

Schüler 7 (T): Der Außenseiter

- Zurückhaltend
- Schulisch schwach
- Defizite im Selbstvertrauen

Schüler 8 (R): Der Arbeiter

- Still, zurückhaltend
- Leistungsfähig
- Muß die Notwendigkeit zum Handeln sehen, um aktiv zu werden
- Muß gefordert werden, um Leistung zu bringen
- Tritt oft im Team mit Schüler 9 auf

Schüler 9 (R): Der Vorarbeiter

- Ähnliches Verhalten wie Schüler 8, ist jedoch aktiver und bestimmender

Schüler 10 (P): Das ungeliebte Maskottchen / der denkende Mitarbeiter

- Stiller, besinnlicher Typ
- Klassenkasper oder auch ungeliebtes Maskottchen
- Rangiert ganz unten in der Rangordnung
- Jüngstes Klassenmitglied
- Motiviert und uninteressiert
- Ist Klassensprecher (besitzt noch einiges an Entwicklungspotential)
- Befindet sich in einer Einzelsituation, da ihm entsprechende Partner fehlen
- Ist an Schüler 8 und 9 orientiert (Laufbursche)

Schüler 11 (D): Der Verweigerer / Verlierer

- Ist auf seine Rolle festgelegt
- Wünscht sich eine Führungsrolle (die er nicht hat)
- Besitzt keine Akzeptanz innerhalb der Klasse
- Gescheitert, sozial geoutet (schulisch wie außerschulisch [moralische Verfehlung][6] )
- Drangsaliert Mitschüler
- Bewegt sich bereits im illegalen Bereich (Diebstahl) / Grenzbereich
- Unreflektiert, unsozial
- Einzelrolle
- Ausschluß von der Schule, wechselt ins BVJ
- Familiäre Probleme

Schüler 12 (P): Der Verweigerer

- Chaot, Null-Bock-Haltung
- Keine großen Verwurzelungen mit ursprünglicher Heimat (kann kein Polnisch)
- Nicht unsozial
- Unreflektiert
- Besitzt keine Orientierung, weder familiär, noch sonst in einer Form
- Ist noch relativ jung, Defizite im Selbstkonzept

Schülerin 13 (R): Die aufgeschlossene Arbeiterin

- Kooperativ
- Ruhig, wenig initiativ
- Entwicklungsfähig
- Intelligent

Schülerin 14 (D): Die Mitarbeiterin

- Zurückhaltend, inaktiv
- Motivierbar
- Kooperativ
- Introvertiert
- Weniger rollendefiniert
- Zurückhaltend gegenüber den Jungen

Schülerin 15 (T): Die Anwältin

- Kooperativ
- Behauptend, selbstbewußt
- Äußert ihre Meinung, sicheres Auftreten
- Offen
- Weiß, wo sie steht (auch keine Berührungsängste mit den Jungen)

Schülerin 16 (T): Die Frühreife

- Unreflektiert
- Keine Orientierung (familiäres Chaos / Eltern)
- Sucht Bestätigung in anderen Bereichen, Anerkennung in der Rolle als Frau (gab während der Maßnahme an, sie sei schwanger)
- Bietet sich den Jungen an
- Defizite im Selbstbild / Selbstkonzept
- Verweigerung als Flucht
- Schulisch ganz schwach
- Klassensprecherin

Schülerin 17 (D): Die Unentschlossene I

- Verhalten ähnlich wie Schülerin 16, nicht ganz so ausgeprägt
- Eltern sind noch um sie bemüht
- Nicht kooperationsfähig

Schülerin 18 (D): Unentschlossene II

- Zurückhaltend
- nicht unkooperativ

2.2 Neunte Klasse, Berufsschule

Die folgenden Aussagen beruhen auf einem Gespräch mit dem Klassenlehrer und dem Abteilungsleiter der Berufsschule.

Der Klassenlehrer beschrieb die Klasse in bezug auf Gewalt als nicht besonders auffällig, wobei es doch hin und wieder zu kleineren Reibereien gekommen wäre. Auf den inneren Zusammenhalt der Klasse angesprochen, glaubte er nicht, daß dieser besonders hoch sei, da die Mitglieder der Gruppe ohnehin aus verschiedenen Klassen stammten.

Den anberaumten Freitagstermin zur Durchführung der Maßnahme sah er mit gemischten Gefühlen entgegen, da er eher Fehlzeiten als übermäßige Teilnahme erwartete. Für die meisten Schüler stellte dieser Termin einen zusätzlichen Termin dar, der als Ausgleich für ein entsprechendes Unterrichtsangebot unterhalb der Woche angesetzt worden war.

Die Erwartung von vermehrten Fehlzeiten belegte er mit den häufigen Einträgen (Versäumnisse, Verspätungen und unerlaubtes Entfernen aus dem Unterricht) im Klassenbuch. Im weiteren Gespräch ging er auf die Ausländerproblematik ein. Er beschrieb exemplarisch die morgendliche Situation bei Öffnung der Schultüren, wo es immer wieder zu Pöbeleien verschiedenster Couleur gekommen wäre.

Nach Aussagen des Abteilungsleiters lagen der Auswahl der Teilnehmer die schlechten Leistungen und mangelnde Motivation der Schüler zu Grunde. Die Schüler wurden zum größten Teil gerade deshalb ausgewählt, weil sie in den normalen Klassenverbänden auffällig geworden waren und Probleme hatten, in anderen Fächern zurechtzukommen.

Den teilnehmenden Schülern wurde kaum eine Chance eingeräumt, den angestrebten Hauptschulabschluß zu erreichen. Lediglich 2-3 der Teilnehmer besäßen überhaupt eine reale Aussicht auf einen Abschluß. Er betonte weiterhin die geringen Ausbildungschancen der Jugendlichen. Deren weiterer „schulischer“ Werdegang würde mutmaßlich in einer weiteren Förderungsmaßnahme nach Beendigung des Schuljahres münden. Zu seinen Erwartungen bezüglich der Wirksamkeit und der Zielstellung des Programms erhoffte er sich eine Stärkung und Hebung des Selbstbewußtseins der Schüler durch positive Erlebnisse („seelische und körperliche Lockerung“) und damit verbunden die Möglichkeit, die unten genannten Defizite abzubauen.

Die einzelnen Beurteilungs- und Einschätzungspunkte des Gesprächs seien hier stichwortartig aufgeführt:

- Die Schüler seien in höchstem Maße unkonzentriert (Zitat des Abteilungsleiters: „Zappelphilipp“).
- Es tauchten Sprachprobleme bereits bei einfachen Sprachkombinationsübungen auf, die gerade auch im Deutschunterricht auffielen.
- Allgemeine Defizite im Selbstvertrauen, Selbstbild, Selbstbewußtsein sowie in Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer- und Leistungsbereitschaft.
- Fachliche Probleme in den Bereichen Textverarbeitung, Rechnungen, Sprachübungen (kognitive Verarbeitungsprozesse).
- Er folgerte aus den Defiziten schließend „Minderwertigkeitskomplexe“, welche sich z.B. in modischen Bekleidungsarten und Stil (tiefe Hosen, XXL-Kleidung) äußern würden.
- Als weitere brisante Problematik ging der Abteilungsleiter von einer gewissen Gewalt- und Drogenerfahrung aus, konnte dies jedoch nicht konkretisieren und verwies an den Klassenlehrer.
- Motivationsprobleme („Arbeitsunlust“).

Auf eine Typisierung der Gruppe wurde verzichtet, da die Teilnehmer aus verschiedenen Klassen stammten und lediglich zur Teilnahme des Kurses in dieser Zusammensetzung zusammenkamen. Es fehlten hierdurch vergleichbare Erfahrungswerte, wie sie der Klassenlehrer der achten Klasse (Gesamtschule) hinzufügen konnte, um ein entsprechendes Vorgehen zu rechtfertigen.

2.3 Fazit

Bei der Betrachtung der oben gemachten Aussagen lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden, welche in bezug zu vergleichbaren Untersuchungen gestellt werden sollen. Durch eine Vergleich der Aussagen soll die Notwendigkeit eines entsprechenden „Ausgleichs-konzepts“ entwickelt werden.

Einem großen Teil der Schülerschaft beider Klassen wurden verschiedene Defizite und Problemlagen attestiert. Zusammenfassend lassen sich 12 Punkte benennen:

1. Mangelndes Sozialverhalten
2. Unorganisiert
3. Verantwortungsabgabe
4. Orientierungslos
5. Mangelnde Toleranz / Akzeptanz
6. Arbeitsunlust
7. Arbeitsverweigerung
8. Niedrige Frustrationsgrenzen
9. Defizite im Selbstkonzept / Selbstbild / Selbstvertrauen
10. Mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer- und Leistungsbereitschaft
11. Planungsmangel
12. Mangelnde Kooperationsfähigkeiten

Ergänzend sei hier angeführt, daß den Jugendlichen zum Teil extrem schlechte Zukunftsperspektiven (Ausbildungsabschluß, Arbeitsmarkt, soziale Prognose) in Aussicht gestellt wurden.

Aufbauend auf der hier angerissenen Problemlage stellt sich die Frage, welche Konsequenzen Wissenschaftler für die Jugendlichen unter Betrachtung der genannten „Defizite“ und der beruflichen Anforderungsprofile, die der Arbeitsmarkt an die Jugendlichen stellt, ziehen und bewerten.

3. Vergleich der eigenen Einschätzung der Problemlage der Jugendlichen zweier ausgewählter Schulklassen mit anderen Untersuchungen

BECKER (1998, S. 3) äußert sich in einem Text zur Qualifizierung eines entsprechenden Klientels von Jugendlichen kritisch, was deren Zukunfts- und Ausbildungschancen betrifft. Er geht dabei vor allen Dingen von den Veränderungen des heutigen Arbeitsmarktes aus, welche im Vergleich zu früher wesentlich andere Ansprüche an die Arbeitnehmer stellten.

Um welche Art von Veränderungen es sich handelt, wird in Kapitel 3.2 erläutert.

Aus den neuen Umständen erschließt sich ein neues Anforderungsprofil, welches zu einer Selektion von Jugendlichen mit entsprechenden Qualifikationen führt (vgl. Becker, P., 1998, S. 3). Nur diejenigen besitzen gute Chancen auf eine Einstellung bzw. Arbeitsstelle, welche neben ihrer fachlichen Qualifikation in der Lage sind, auf die veränderte Situation in der Arbeitswelt zu reagieren. Diese Veränderungen besitzen eine besondere Dynamik, welche sich sowohl auf sich wandelndes Fachwissen als auch auf veränderte Arbeitsbedingungen, sowie den Einsatz und Umgang von Arbeitskraft beziehen. Eigenschaften, welche hier von dem / der in die Arbeitswelt strebenden Jugendlichen gefordert werden, begründen sich auf dieser Dynamik, z.B. :

- hohe Flexibilität (was die eigene Person, als auch das eigentliche Handlungsfeld (Berufsbild) anbelangt),
- Anpassungsfähigkeit an sich veränderte Situationen (Bereitschaft sich ein Leben lang weiterzubilden),
- soziale Kompetenzen (Konfliktbewältigung, Kommunikationsfähigkeiten), Bereitschaft zur Kooperation (Teamgeist), Führungs- und Entscheidungsfähigkeiten, etc..

Für die Jugendlichen verschärft sich demnach ihre Situation deutlich. Zusätzlich zu ihren „anerkannten“ Defiziten werden Forderungen an sie gestellt, welche ein besonderes Maß an Flexibilität und Generalität verlangt - und das eben dort - wo bereits Probleme bestehen.

„Heute gehören zur negativen Auslese durch das immer noch ´unabänderliche Gehäuse´ vor allem Jugendliche ohne qualifizierten Schul- und Berufsabschluß, die nach SCHERR (1997, S. 146) mit 47,7 % in die Arbeitslosenzahl eingehen. Zu dieser Gruppe gehören „noch nicht ausbildungsreife“ oder „bisher nicht ausbildungswillige Jugendliche“ mit hohen Sozialisationsdefiziten, die zum Teil im sozialen Umfeld begründet sind, jugendliche Aussiedler mit „Sprachdefiziten“, ausländische Jugendliche mit Wertvorstellungen aus der Herkunftskultur, die sich hemmend auf die Ausbildung auswirken, „lernschwache Jugendliche“ zu denen „verhaltensgestörte Jugendliche“ zählen, ebenso wie „ehemals Drogenabhängige“ und „Strafentlassene“.

(Becker, P., 1997, S. 5)

Dieses hier gezeichnete Bild läßt sich ohne weiteres mit den oben vorgestellten Ergebnissen vergleichen. Die Schüler werden als unkonzentriert, lernschwach, mit sozialen Problemen behaftet, bis hin zu drogenerfahren (Vermutung) und mit nur eingeschränkten Chancen auf dem Arbeitsmarkt beschrieben.

Gerade an dieser Stelle sind die Berufsschulen sowie das BVJ[7] in besonderem Maße gefordert, diese Sozialisationsdefizite abzufedern und die Voraussetzungen zu schaffen, diese im Rahmen der schulischen Möglichkeiten nachzuholen und eine berufstaugliche Handlungsausstattung als Voraussetzung für eine methodische Lebensführung zu vermitteln[8] (vgl. Becker, P., 1998, S. 5).

Folgt man der Analyse von SCHERR (1997, S. 146) und BECKER (1998, S. 3) und den eigenen Ergebnissen der Evaluation, so fällt auf, daß den Jugendlichen doch klare Defizite in deren „Ausbildungsreife“ und „Ausbildungswilligkeit“ attestiert werden. Diese werden z.T. auf Mängel in der Sozialisation zurückgeführt, was ihnen in der Summe der Dinge einen Einstieg in die Berufswelt erschwert oder gar verneint.

Es wirft sich allerdings die Frage auf, ob die vorhandenen Strukturen in der schulischen Ausbildung überhaupt in der Lage sind, auf die veränderte Situation des Arbeitsmarktes und dessen Ansprüche adäquat reagieren zu können. Ich möchte jedoch auf eine weiterführende, bildungspolitische Diskussion an dieser Stelle verzichten und lediglich einige Stichworte reformpädagogischer Maßnahmen erwähnen, die in meinen Augen in der Lage wären, dies zu leisten: offener Unterricht, Lernen im Projekt, erlebnis- und abenteuerorientierte Kurse[9], wie sie im Rahmen dieser Arbeit zum Einsatz gekommen sind (vgl. hierzu auch Kapitel 10 und 11).

Wie kann man jedoch diesen Sozialisations- und Verhaltensdefiziten begegnen und entgegenwirken?

Eine Antwort auf diese Frage versucht das Konzept der Schlüsselqualifikationen zu geben.

3.1 Das Konzept der Schlüsselqualifikationen

Was ist unter dem Begriff der Schlüsselqualifikationen zu verstehen?

Der Begriff der „Schlüsselqualifikationen“ bezüglich beruflicher und schulischer Bildung wurde zu Beginn der 70er Jahre im Bereich der Arbeitsmarktforschung entwickelt. An der Begriffsbildung war der damalige Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Dr. Dieter Mertens, maßgeblich beteiligt (vgl. Beck, H., 1993, S. 14). Der Begriff beschreibt das Vermögen bzw. die Fähigkeit, auf unerwartete Anforderungen flexibel und differenziert reagieren zu können.

Der Forderung nach flexibleren Handlungsmöglichkeiten wird das Konzept der „Schlüsselqualifikationen“ entgegengesetzt, mit dessen Erwerb die Möglichkeit besteht, die erworbene Berufsqualifikation bei sich ändernden „äußeren Bedingungen“[10] zu erhalten.

3.1.1 Kategorien berufsübergreifender Qualifikationen

Um den Kanon der geforderten Qualifikationen übersichtlicher zu gestalten, bietet sich ein einfacheres und allgemeineres Schema an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Kategorien „berufsübergreifender Qualifikationen“ (Lauer-Ernst, U., 1989, S. 39)

Kategorie 1:

Unter dem Begriff des interdisziplinären, zwischenberuflichen, überlappenden Sachwissens versteht man das Wissen über angrenzende Berufsbereiche, die eine gewisse Relevanz für die eigene Berufsarbeit besitzen (z.B. zentrale Begriffe, Regeln, Handlungsorientierung, kaufmännisches Wissen für den Metalltechniker, produktionstechnische Grundkenntnisse für den Elektriker). Weiterhin werden grundlegende Kenntnisse zur Arbeitsorganisation (z.B. Modell der Arbeitsteilung), Arbeitssicherheit und Umweltschutz hinzugerechnet.

Kategorie 2:

Hierunter wird das generell verwertbare, methodische, verfahrens- und „verhaltens“-technische Können eingeordnet (z.B. Bedienung von PC, Arbeitsweisen, Planungstechniken, Gesprächsmoderation, Vorgehen bei Informationsbeschaffung).

Kategorie 3:

Persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten und Bereitschaften, welche sich z.B. auf Kreativität, soziale Sensibilität, Urteilsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit, Selbstvertrauen, Lernmotivation, kontextuelles Denken, Kooperationsbereitschaft begründen.

Die in Kapitel 2 genannten Fähigkeiten, bzw. deren Defizite, lassen sich in Kategorie 3 einordnen und gehören in den Bereich der persönlichkeitsbezogenen Fähigkeiten und beziehen sich somit auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Eine Erweiterung der persönlichkeitsbezogenen Fähigkeiten (Schlüsselqualifikationen) finden sich u.a. bei KLEIN (zit. nach Wilsdorf 1991, S. 68) in den Bereichen

- Selbständigkeit und Verantwortung:
Mitdenken, Zuverlässigkeit, Disziplin, Eigene Meinung vertreten, Umsichtiges
Handeln, Entscheidungsfähigkeit, Erkennen eigener Grenzen und Defizite,
Selbstkritikfähigkeit
- Psychische und physische Beanspruchung bei der Arbeit:
Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer bei Langzeitaufgaben, Frustrationstoleranz,
Umstellungsfähigkeit

zu nennen.

Da diese personell geprägten Eigenschaften dazu dienen, andere Lernbereiche zu erschliessen und damit gewisse Problemlösefähigkeiten zu entwickeln, macht die Bedeutung dieser Kategorie deutlich.

Um eine überzeugende Argumentation für die Qualifizierung von Jugendlichen mit Hilfe von sogenannten Schlüsselqualifikationen herauszuarbeiten, möchte ich die Anforderungen in verschiedenen, ausgewählten Bereichen der Gesellschaft, die insbesondere Jugendliche betreffen, erläutern.

3.2 Berufliche Ausbildung und Arbeitsmarkt

REETZ (1990, S. 160) beschreibt eine momentane Veränderung der bisherigen Berufsausbildung bezüglich ihrer allgemeinen Zielsetzung, welche die Forderung nach einem moderneren angepaßteren Bildungskonzept unterstreicht.

Als Beispiele für solche Veränderungen, bedingt durch die geänderten Marktstrukturen, sind die Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik und in der Arbeitsorganisation auf betrieblicher Ebene zu betrachten (vgl. Beck, H., 1993, S. 15).

Die in diesem Zusammenhang geführte Diskussion einer Neuordnung der berufsbildenden Inhalte beschränkt sich jedoch nicht allein auf den Aspekt der Zielsetzung, sondern erörtert, daraus abgeleitet, umfassendere Veränderungen der Inhalte und Methoden der Berufsausbildung. Das Konzept der Schlüsselqualifikationen soll den Ansprüchen eines sich wandelnden und schnelllebigen, spezialisierten Fachwissens gerecht werden und den Auszubildenden eine gute Ausgangsposition für einen erfolgreichen Start in die Berufswelt verschaffen. Es geht nicht mehr ausschließlich um die reine Vermittlung von Fachwissen, handwerklichen Techniken und Arbeitsabläufen, da eine Beschränkung auf diese Inhalte die Gefahr einer Begrenzung des Leistungspotentials des Einzelnen birgt.

Die Veränderungen der Arbeitswelt erfordern flexible, handlungsorientierte Fähigkeiten, welche bestimmte Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist es aus oben genannten Gründen nötig, die bisherige berufliche wie schulische Ausbildung zu überprüfen und zu modifizieren. Daraus ergibt sich ein verändertes Lernverständnis und eine erweiterte Zielsetzung in der Berufsausbildung, welches entsprechende Qualifikationen entwickeln und fördern soll. Aus den formulierten Schlüsselqualifikationen wird der Erwerb von Kompetenzen abgeleitet, welche die allgemeine Fähigkeit[11] der Auszubildenden entwickeln soll, konkrete Handlungen (Tun, Sprechen, Denken, Planung, u.a.) jeweils neu situationsgerecht zu generieren bzw. zu aktualisieren (vgl. Reetz, L., 1990, S. 17).

Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich hierbei nicht mehr wie bisher in der Berufsausbildung, um die normative Vorgabe von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, sondern um den Erwerb einer höheren Form beruflicher Handlungsfähigkeit (vgl. Reetz, L., 1990, S. 18).

3.2.1 Berufliche Handlungsfähigkeit

Die berufliche Handlungsfähigkeit kann wie folgt beschrieben werden:

- Sie ist eher persönlichkeits- als situationsbezogen.
- Hinsichtlich ihrer Reichweite ist sie mehr allgemein und situationsunabhängig als spezifisch und situationsgebunden orientiert.
- Sie ist in ihrem Umfang eher komplex als einfach strukturiert, was sich z.B. darin äußert, daß nicht nur die Ebene der Ausführung, sondern auch die Ebene der Planung und Kontrolle erfaßt wird.
- Sie schließt Abstraktions- und Erkenntnisleistung sowie das Umgehen mit theoretischen Wissen unbedingt mit ein und beschränkt sich nicht nur auf ein rein „praktisches“ Lösen von Aufgaben.

„In dem Maße, in dem das Individuum in der Lage ist, sich mit der Situation handelnd auseinanderzusetzen, sie zu gestalten, zu bewältigen, erlangt die Person Handlungsfähigkeit. Besitzt diese Handlungsfähigkeit einen gewissen Grad von Reife und einen abgrenzbaren situativen Bezug, sprechen wir von Qualifikation. Im Kontext der Arbeitsmarkt- und Qualifikationsforschung begrenzt sich dieser Qualifikationsbegriff auf das vom Arbeitsmarkt nachgefragte Leistungspotential, das zur Bewältigung bestimmter beruflicher Situationen erforderlich ist. Allerdings darf Qualifikation dabei nicht zu einer bloß statischen Eigenschaft der Person werden.“ (vgl. Reetz, L., 1990, S. 17).

Es ist festzuhalten, daß neben dem fachlichen, handwerklichen Fachwissen, übergreifende Qualifikationen zur Entfaltung der Persönlichkeit gefordert werden, welche für die Bewältigung differenzierter und sich veränderten Problemstellungen sowohl im Beruf und in der Ausbildung, als auch in der außerberuflichen Lebensgestaltung als notwendig betrachtet werden. Das Konzept der Schlüsselqualifikationen kann somit als Teil der Sozialisation betrachtet werden, welches entsprechend auf die Persönlichkeit wirkt (vgl. Hurrelmann, K., 1990, S. 99).

H. BECK (1993, S. 15) unterstützt die wachsende Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung bei der erfolgreichen Ausübung eines Berufes:

„Zu einem ‚guten‘ Mitarbeiter gehört aber weit mehr als die fachlichen Qualitäten – er muß zusätzlich über- und außerfachliche Qualitäten aufweisen. Weisen mehrere Bewerber eine gleichwertige fachliche Eignung vor, sind solche Schlüsselqualifikationen für die Einstellung bzw. den beruflichen Aufstieg entscheidend. Schlüsselqualifikationen als die beste Garantie für eine Top-Position!“

Nach Aufzeigen der allgemeinen beruflichen Handlungsfähigkeit ist die neben der Familie am stärksten sozialisationsprägende Institution im Hinblick auf Schlüsselqualifikationen zu beleuchten.

3.3 Schule

Heutige Industriegesellschaften besitzen ein hohes Maß an Komplexität und spalten sich folglich in viele Subbereiche und Disziplinen auf. Für die Betrachtung von Schlüsselqualifikationen unter dem Aspekt von Bildungsvermittlung soll an dieser Stelle der Bereich der Wissenschaften und deren Übertragung in den Schulalltag als exemplarisches Beispiel dienen.

Die einzelnen Wissenschaften, wie z.B. Biologie, Chemie, Mathematik oder die Sprachwissenschaften, unterliegen einem hohen Grad an Spezialisierung. Durch diese Spezialisierung kann es, verkürzt gesprochen, zu einem Verlust an Verfügbarkeit und Kritisierbarkeit füreinander kommen (vgl. Zingelmann, K., 1984, S. 110).

Es kommt zu einer Ausbildung von Fachwissenschaften und Expertentum in bestimmten spezialisierten Bereichen.

Allein aus diesem Grunde stellt sich hier die Forderung nach einem interdisziplinären Vorgehen, um die Erkenntnisse und Wissensstände für Angehörige anderer Wissenschaftszweige und Fachbereiche zugänglich zu machen und verfügbar zu halten. Ansonsten könnte das gewonnene Wissen auf einen kleinen Kreis beschränkt bleiben, wodurch es in seinem eigentlichen Wert, nämlich seine Verfügbarkeit, verlieren würde. Die konkreten Forderungen, welche sich aus diesen Bedingungen ableiten, beinhalten eine umfassende Koordinierung dieser Subdisziplinen, um Verständigungsschwierigkeiten bei der Entfaltung wissenschaftstheoretischer Positionen zu vermeiden und einen lebensweltlichen Bezug des Wissens herzustellen. In diesem Zusammenhang sind als grundlegende Qualifikationen Kommunikation und Kooperation zu nennen. Übertragen auf die Bildungseinrichtung Schule bedeutet dies, eine Überprüfung der Lehrpläne bezüglich ihrer interdisziplinären Struktur sowie die Einbindung und der Erwerb entsprechender Schlüsselqualifikationen. Für die einzelnen Fachwissenschaften in den Schulen heißt dies, daß ihre vorgeschriebenen inhaltlichen Aspekte nicht unreflektiert bleiben dürfen, sondern gegebenenfalls angepaßt werden müssen. In anderen Worten ausgedrückt: nicht jedes Schulfach darf sich unreflektiert allein auf seine Inhalte beschränken, sondern muß Verbindungen zu anderen Fächern herstellen, um eine Fragmentierung des schulischen Wissens zu verhindern und entgegenzuwirken.

Um einer solchen „Aufspaltung“ des schulischen Wissens zu begegnen, bietet sich hier das Modell des fächerübergreifenden Unterrichts an, das eine interdisziplinären Zusammenarbeit zum Ziel hat. Das Lernen wird nicht als ein voneinander getrennter Vorgang in verschiedenen Teilbereichen betrachtet, sondern als ein ganzheitliches Lernen, das übergreifende Erkenntnisse ermöglichen kann.

Im Rahmen von fächerübergreifenden Projekten und Fragestellungen wird das Erlernen und das Erkennen der Notwendigkeit von Kooperation und Kommunikation begreifbar und so im schulischen wie im außerschulischen Zusammenhang eindrucksvoll vermittelt.

In der Praxis ist dies z.B. durch eine transdisziplinäre Problemstellung zu verwirklichen, welche die Mitarbeit verschiedener Fächer benötigen würde (vgl. Zingelmann, K., 1984, S. 119).

Eine Konsequenz für die Situation im Klassenverband ist, daß nicht nur die Einzelleistung Belobigung und Anerkennung finden würde, sondern auch die gemeinsame Erarbeitung von Problemstellungen. In diesem Kontext sind Maßnahmen wie Gruppenarbeit mit entsprechend strukturierten Aufgabenstellungen zu nennen, um die gewünschten Qualifikationen bei den Schülern und Schülerinnen zu fördern.

Es ist jedoch fraglich, ob bereits durch bloße Formulierung gewisser Ansprüche an den Jugendlichen / Arbeitnehmer, wie z.B. Fleiß, Strebsamkeit, Eigeninitiative, diese auch von ihm akzeptiert bzw. in sein Verhalten integriert werden kann. Letztendlich muß ebenfalls überprüft werden, inwiefern der Einzelne aufgrund seiner Ausbildung und Sozialisation überhaupt in der Lage ist, die Bedeutung für die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu erkennen.

Ein entscheidender Schritt zur Vermittlung der geforderten ehemals als Tugenden bezeichneten Schlüsselqualifikationen ist die Vermittlung der Sinnhaftigkeit der geforderten Fähig- und Fertigkeiten, um somit die Akzeptanz der Ausbildung zu erhöhen.

Hinweise wie solche Ansprüche historisch / gesellschaftlich gewachsen sind, gibt BECKER (1998, S. 4):

„ ... der ursprüngliche Legitimationszusammenhang löste sich im Laufe des 19. Jahrhunderts mit zunehmender Industrialisierung und Proletarisierung der Arbeitsprozesse auf. In dem Maße, wie die Anforderungsmuster der Arbeit ausschließlich monotonieresistente Individuen verlangten, die zudem die fremde Arbeit zu ihrer eignen machen sollten, traten Ordnung, Fleiß, Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit oder Pflichterfüllung als von außen kommende fremde Erwartungen auf. Sukzessiv wurden sie der Eigenregie entzogen und entwickelten sich auf ihrem Wege in die Fremdbestimmung zu sinnleeren Sekundärtugenden. Um ihre Wirkungen sicherzustellen, und um eine sich dem zeitverschwendenden Müßiggang hingebende, antiökonomische Einstellung frühzeitig zu unterbinden, übernahmen neben den Fabrikherren mit ihren drastischen Erziehungsmaßnahmen (vgl. Treiber 1990) (Industrie-)Schulen die sozialdisziplinierende Aufgabe den „Mangel an industriösen Unterthanen“ (CAMPE) zu beheben, indem sie die Affektpotentiale der Kinder unterer Stände in das Pflichtkorsett einer folgsamen, fleißigen, zeitnutzenden, ordnungsliebenden, pflichtbewußten Arbeitshaltung zwängten. Reste dieser Sozialdisziplinierung haben in Deutschland bis vor kurzer Zeit in den sogenannten Kopfnoten: Betragen, Fleiß, Ordnung und Aufmerksamkeit in den Schulzeugnissen überlebt.“

(Becker, P., 1998, S. 4)

Als zentrale These läßt sich der sukzessive Entzug der geforderten Tugenden aus der Eigenregie herausarbeiten, die zu einer Entwicklung zu fremdbestimmten, sinnleeren Sekundärtugenden geführt hat (Becker, P., 1998, S. 4).

Es besteht hier die Gefahr, daß die so geforderten Ansprüche an den Arbeitnehmer ihres eigentlichen Sinnzusammenhanges beraubt werden und somit in ihrer Sinnhaftigkeit für den Arbeitnehmer nicht mehr nachvollziehbar werden. Im Klartext bedeutet dies ein reines Benutzen und Erfüllen dieser „Vorschriften“, um das Funktionieren des einzelnen Arbeitnehmer zu gewährleisten. Warum er dies nun so tut und weshalb gewisse Dinge nun so gehandhabt werden, spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.

Wie kann man nun diesen „Mißständen“ entgegentreten und wie können solche „defizitären“ Jugendliche erreicht werden? Auch hier besteht die Gefahr, bei allen „Ausgleichsangeboten“ den Teilnehmern wiederum nur einen „hohlen Mantel“ an Verhaltensregeln und Vorschlägen zu vermitteln, der im Grunde genommen wiederum nichts anderes darstellt als ein sinnleeres, bedeutungsloses Gebilde von Regeln, welches weitgehend fremdbestimmt bleibt. Der Sozialarbeiter oder Lehrer wird vermutlich sein Klientel durch ständiges Belehren und Erklären kaum erreichen oder gar Verhaltensänderungen bewirken. Erst wenn der Sinn der geforderten Handlung bzw. Vorgehensweise erkannt wird, besteht eine Chance auf Veränderung.

Eine Lösung dieses Dilemmas liegt meiner Meinung nach darin, den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit und vor allen Dingen den Handlungsspielraum anzubieten, sich die geforderten Fähigkeiten durch ansprechende Arrangements und Situationen eigentätig zu erschliessen und sie sich somit anzueignen. Das Handeln auf Grund eigener Erkenntnis wird hier zur Voraussetzung. Wenn es so gelingt, über die initiierten Lernprozesse, eine positive Grundhaltung zu erwirken, so daß die erwünschte Motivation selbstbestimmt ist, wäre die Möglichkeit gegeben, die entsprechenden Qualifikationen in dem veränderten Kontext von Erfahrung, Sinn und Ausbildung zu erwerben.

Wie kann aber dieses Ziel erreicht werden und wie können Jugendliche dazu bewegt werden, eine intrinsische Motivation zur Teilnahme an Aktivitäten zu entwickeln?

An dieser Stelle befinden wir uns wieder an dem Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Die oben genannten Qualifikationen setzen dort an, wo sie am meisten fehlen: in der Interaktion und der Auseinandersetzung von einzelnen Personen mit sich selbst und anderen. Geschieht dies in einem sozialen Beziehungsgefüge mit einem gemeinsamen Ziel, so kann von einer Gruppe die Rede sein. Es bietet sich folglich an, die Förderung dort anzusetzen, wo sie am deutlichsten zu Tage tritt: im kooperativen Miteinander in der Gruppe.

Die Schlüsselqualifikation Kooperation soll daher als exemplarisches Beispiel dienen, das Konzept zu verdeutlichen. Aufgrund ihrer Wichtigkeit, die im folgenden dargelegt werden wird, soll sie als Förderungsgegenstand und gleichzeitig Evaluationsziel der in Kapitel 8 und 9 beschriebenen Praxismaßnahme dienen.

Im folgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, warum der Begriff der Kooperation als so essentiell erscheint? Kaum eine Beschreibung von Zusammenarbeit oder Wirken von Menschen in einer Gruppe oder Gemeinschaft kommt ohne die Metapher der Kooperation zur Beschreibung ihres Handelns aus. Der folgende Punkt soll eine Erklärung für die Betonung dieser Fähigkeit bieten.

4. Auswahl einer bestimmten Schlüsselqualifikation:

Die Kooperation und ihre Definition

Um sich mit der Evaluation eines Gegenstandes befassen zu können, ist es nötig, eine genaue Vorstellung desselben zu entwickeln. Es stellt sich also die Frage, was unter Kooperation überhaupt zu verstehen ist. Das Lexikon übersetzt dieses Wort mit dem Begriff der Zusammenarbeit (Neues Deutsches Wörterbuch, 1981, S. 302).

Die Forderung an kooperative Fähigkeiten stellt sich nach dieser Definition z.B. überall dort, wo Menschen miteinander in Aktion treten, um ein Ziel zu erreichen, wo es notwendig ist, Kompromisse auszuhandeln und letztlich Pläne in die Tat umzusetzen. Kooperation findet sich also in allen Subbereichen des täglichen Lebens, in der Arbeitswelt, in der Schule und in der Politik wieder, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein Mangel an Kooperation erschwert die Zusammenarbeit der Beteiligten erheblich und es können nur schwer oder überhaupt keine befriedigende Ergebnisse erzielt werden. Im Konzept der Schlüsselqualifikation möchte ich Kooperation als das Erlebnis des gemeinsamen Handelns in einer Gruppe von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen statt miteinander zu konkurrieren, bezeichnen (Gilsdorf, R., Kistner, G., 1997, S. 13).

Ein Qualitätsmerkmal ist demnach das gemeinsame Handeln und Erleben in einer Gruppe. Doch nach welchen Kriterien kann kooperatives Handeln beurteilt werden und zum Erfolg führen?

Die zentrale Funktion der Kooperation beruht auf einem Konsensbildungsprozeß, der in einem gemeinsamen, kooperativen Handeln mündet. Kooperation ist als komplexes Konstrukt aus differenzierten Elementen aufgebaut:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Kooperationspyramide I

(eigene Darstellung)

Als Voraussetzung für eine gelingende und fruchtbare Zusammenarbeit ist die Entwicklung einzelner Vorstellungen und Pläne zur Lösung eines Problems anusehen. Die divergierenden Zielvorstellungen und kognitiven Grundstrukturen müssen deutlich herausgestellt und in ihren Wechselwirkungen erörtert werden, was entsprechende Kommunikationsfähigkeiten erfordert. Bereits durch diesen einfachen Sachverhalt werden Überschneidungen und Vernetzung von Schlüsselqualifikationen deutlich (þ z.B. Kommunikationsfähigkeit, Planungskompetenz). Die formulierten Ziele und kognitiven Grundstrukturen müssen verallgemeinerungsfähig sein, d.h. sie müssen klar definiert werden und sich in eine eventuelle Zielhierarchie[12] einordnen lassen. Die Qualität des Konsensniveaus korreliert mit einem hohen Aktivitätsniveau, d.h. der Konsens wird erst mit Überschreitung eines bestimmten Grenzwertes[13] an individuellen Aktivitäten möglich und gleichzeitig dringend notwendig. Die „Güte“ der Konsensbildung kann als Indikator für bestehende Beziehungs- und Machtstrukturen betrachtet werden (Zingelmann, K., 1984, S. 92).

Aufgrund der hier vorgestellten Aspekte der Kooperation ist die folgende Definition festzuhalten:

Kooperation ist die Umsetzung der koordinierten Zielvorstellungen und kognitiven Grundstrukturen verschiedener Planungssubjekte in die Tat.

Die einzelnen Planungssubjekte sind gezwungen, nicht nur ihre eigenen Zielvorstellungen und kognitiven Grundstrukturen zu reflektieren, sondern darüber hinaus sich mit den partikulären Plänen anderer Planungssubjekte kritisch auseinanderzusetzen.

Wie können die hier getroffenen Aussagen Übertragung in ein entsprechendes Praxiskonzept finden? Als ein wichtiger Aspekt, auf den im Rahmen des Fazits näher eingegangen wird (Kapitel 10.2), ist die Überschreitung einer gewissen persönlichen Aktivität jedes Teilnehmenden zu sehen. Wie im Laufe der weiteren Punkte ersichtlich werden wird, sind Verhaltensmodifikationen nur möglich, wenn sowohl bestimmte Intensitäts- wie auch zeitliche Grenzwerte der Auseinandersetzung mit Lerninhalten / Aufgabenstellungen überschritten werden.

Eine mögliche Antwort auf dieses Frage stellt das Lernen durch Erfahrung durch das Abenteuer dar.

5. Verknüpfung des Konzepts „Schlüsselqualifikationen“ mit dem Lernen aus Erfahrung durch das Abenteuer

Das Vehikel zur Auseinandersetzung stellt im folgenden angewandten Programm (Kapitel 8 und 9) das Abenteuer dar, welches den nötigen Rahmen bietet, um die Jugendlichen einzubinden.

Als besonderes Medium der Persönlichkeitsentwicklung möchte ich das Adventure Based Counseling – Konzept mit seinen Erlebnis- und Abenteuerelementen vorstellen.

Eine Einführung in die grundlegenden Aspekte des Erfahrungslernens erscheint hier sinnvoll, da die Modelle und die daraus entwickelten Praxismaßnahmen auf diesen Annahmen beruhen.

5.1 Lernen aus Erfahrung

Die in der Praxis angebotenen Handlungsmöglichkeiten fördern das Lernen in einem ganzheitlichen Sinne, d.h. es findet mit „Kopf, Herz und Hand“ statt. Die Aufgaben sind dabei bewegungs- und sportorientiert, so daß die körperliche Handlungsfähigkeit gleichberechtigt neben den kognitiven Fähigkeiten steht. Es werden so Erfahrungen möglich, welche den Menschen als „System“[14] betrachten.

Das eigentliche Lernen beruht auf der Absicht, das Verhalten des Teilnehmers in einen Kontext zu stellen, der es ihm ermöglicht, Konsequenzen für zukünftiges Handeln zu entwickeln:

„Wenn eine gegebene Erfahrung nicht in ein höheres unbekanntes Gebiet hinausführt, entstehen keine Probleme. Gerade solche Probleme sind aber Anreger des Denkens (...). Es ist Aufgabe des Lehrers zwei Dinge gleichermaßen zu beachten:

erstens, daß das Problem sich aus den Bedingungen der gegenwärtigen Erfahrung ergibt und daß es im Bereich der Fähigkeiten (...) liegt;

und zweitens, daß es sich um ein Problem handelt, das zu aktiven Forschen und zu neuen Ideen anregt (...).“

(Dewey, J., 1964, S. 435)

„Durch Erfahrung lernen, heißt das, was wir den Dingen tun, und das, was wir von den Dingen erleiden, nach rückwärts und vorwärts miteinander in Verbindung bringen.“

(Dewey, J., 1964, S. 187)

Die ABC-Modelle fußen auf dem Begriff des Erfahrungslernens und versuchen, das Individuum zu einem reflektierten Handeln zu bewegen und durch die gemachten Erfahrungen modifiziertes Verhalten anzuregen. Die Bemühungen solcher erzieherischen Tätigkeiten zielen auf die Veränderung alltäglichen Verhaltens durch die Übertragung in andere aber vergleichbare (isomorphe) Situationen erworbenen Erfahrungen ab. Dabei spielt für die Übertragung u.a. die persönliche Bedeutung des Gelernten eine wichtige Rolle.

Der folgende Abschnitt versucht ein Modell zu entwickeln, welches den komplexen Entwicklungsprozeß von Lernen durch Erfahrung zu beschreiben vermag.

5.1.1 Lernmodell zum Lernen aus Erfahrung

Die wissenschaftstheoretischen Grundannahmen sind bei den Entwicklungstheoretikern zu finden, welche Entwicklung als Resultat der handelnden Auseinandersetzung des Subjekts mit den Anforderungen der Umwelt begreifen (vgl. Krüger, H. H., Lersch, R., 1993, S. 143). Grundlegende Annahme ist das Prinzip von Wechselwirkung und Kontinuität von Erfahrung. Dabei geht es um die Erweiterung des einfachen Lernbegriffs. Fertigkeitsentwicklung geht mit der Entwicklung und Berücksichtigung von individuellen Fähigkeiten einher. Der Erwerb von Kompetenzen dient der Persönlichkeitsentwicklung, wodurch der Prozeßcharakter von Erziehung und Lernen unterstrichen wird. Dieses Lernen kann auf den Begriff der intrinsischen Motivation[15] zurückgeführt werden. Das Ziel eines so geprägten Lernens ist von der Absicht getragen, Interesse für die Aufgabe zu wecken, um so zu einer höheren und befriedigenderen Leistung mit persönlicher Identifikation zu gelangen. Jedes Individuum steht in einer ständigen Kommunikation mit seiner Umwelt. Welche Reize nun wahrgenommen, aufgegriffen und verwertet werden, hängt nicht einseitig von der Umwelt, sondern auch von den eigenen Richtungstendenzen und Bewertungsmustern des Einzelnen ab. Erst das Interesse für die eigentliche Information entscheidet, was für das Individuum als relevant oder irrelevant eingestuft wird, sprich welche Bedeutung es ihr zumißt. Die handelnde Auseinandersetzung mit dem Regelmechanismus von Wahrnehmung, Bewertung, Antizipation, Durchführung und Erfahrbarkeit der Konsequenzen der eigentlichen Handlung kann als Grundvoraussetzung für das Lernen gesehen werden.

Die Abb. 3 beschreibt u.a. den oben angesprochenen Regelmechanismus. Die sinnliche Rückmeldung als Teil der Wahrnehmung ist immer im Zusammenhang mit den bereits erlebten und verinnerlichten Erfahrungen zu sehen. So steht die Wahrnehmung auch immer unter dem Einfluß einer persönlichen Bewertung, welche durch das Selbstkonzept einer jeden Person bedingt wird. Erst in der Auseinandersetzung mit der inneren Erfahrung wird die aktive Handlung konzipiert und in Hinblick auf die antizipierte Wirkung konkretisiert. Die Auswirkungen oder auch Konsequenzen des Handelns, die in Abb. 3 mit den Bereichen der Realität beschrieben sind, werden ebenfalls durch einen „individuellen Filter“ wahrgenommen. Dieser Filter stellt bildlich gesprochen eine Brille dar, deren Gläser durch die persönliche Bewertung des Individuums getönt ist. So werden im Grunde nur entsprechend modifizierte bzw. individuelle „Bilder“ wahrgenommen und der persönlichen Bewertung unterzogen, die wiederum unter Umständen Einfluß auf das Selbstkonzept haben. Wie unterschiedlich die Wahrnehmung bestimmter Rückmeldungen sein kann, beschreibt z.B. das unter Kapitel 5.2 genannte Beispiel der Selbstwirksamkeit und den daraus beschriebenen Umgang mit Erfolg/Mißerfolg . Wie aus Abb. 3 hervorgeht, wirken die Elemente wechselseitig.

Um diesen Regelmechanismus besser verständlich zu machen, ist es sinnvoll von folgender Modellvorstellung des Erfahrungslernens auszugehen: Der Erfahrungsprozeß kann in zwei Phasen geteilt werden; in die Phase der aktiven Handlung und in die passive Phase der sinnlichen Rückmeldung (vgl. Krüger, H. H., Lersch, R., 1993, S. 145). Die eigentliche Forderung für den Erwerb von Erfahrung ist die bewußte Verknüpfung der aktiven Handlung mit den rückgemeldeten Konsequenzen (sinnliche Wahrnehmung). Das Denken und die Erkenntnis der Zusammenhänge bestimmen das weitere Verhalten. Erst durch diesen Schritt können folgerichtige Veränderungen von Verhalten bewirkt werden. Der Aufbau von Erfahrungen wird also erst durch die reflexive Verarbeitung der inneren und äußeren Eindrücke ermöglicht (vgl. Krüger, H. H., Lersch, R., 1993, S. 145).

Die Abbildung 3 versucht, diesen komplexen Vorgang in eine modellhafte Vorstellung zu übertragen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Wechselwirkungsprinzip

(Quelle: vgl. Krüger, H. H., Lersch, R., 1993, S. 147)

Wie lassen sich nun diese lerntheoretischen Betrachtungen auf konkrete Lernsituationen übertragen? Wie müssen die Kurse und Angebote Gestaltung finden, um wirksam zu werden? Eine Antwort kann hier das bereits angesprochene Konzept des Adventure Based Counseling bieten.

5.1.2 Adventure Based Counseling

Das ABC-Lernkonzept wurde in den USA entwickelt und basiert auf den Grundelementen des menschlichen Handelns: Affect – Behaviour – Cognition[16]. Die TeilnehmerInnen interagieren auf diesen drei Ebenen und werden wie bereits oben angesprochen ganzheitlich gefordert. Es werden versucht, gruppendynamische Prozesse zu initiieren und dadurch weitreichende individuelle Erfahrungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Dies geschieht u.a. dadurch, daß die Interaktionen durch Reflexionen bewußt gemacht werden und somit strukturiertere Lernchancen eröffnet werden können. Der Prozeß wird durch Teamer[17] begleitet. Das verbindende Element zum Erfahrungslernen (vgl. oben Dewey) ist die Verknüpfung der Handlungen durch Reflexionen (Zurückschauen). Erst dann wird aus der bloßen Handlung eine Erfahrung, welche im Gegensatz zum konsumierenden Handeln[18] ohne Bedeutung für eine weitere Entwicklung bleibt.

Die Reflexionen können hierbei unterschiedlich arrangiert stattfinden (vgl. Kapitel 5.1.2.2). Eine ideale Abfolge des Zurückschauens gibt Tabelle 1 wieder.

Ideal deshalb, weil die Dreiphasenstruktur in der Praxis bestand hat, jedoch in ihrem Ablauf erhebliche Abweichungen auftreten können. So bestehen für manche Gruppen, wie z.B. die beiden im Rahmen dieser Arbeit begleiteten Klassen, Probleme, über emotionale Hintergründe zu sprechen und diese darzustellen. So obliegt es den Teamern, neben der physischen auch für die emotionale Sicherheit Sorge zu tragen. Um auf die Problematiken der Gruppen eingehen zu können, müssen Themen bearbeitet werden, die auch lösbar erscheinen, um Überforderungen zu vermeiden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Reflexionsfragen

Grundlegende Absicht ist die Herstellung eines Transfers in den Alltag, welche u.a. durch entsprechende Fragestellungen wie z.B. „Kennt Ihr vergleichbare Situationen im Alltag oder erinnert Euch dieses Verhalten an andere Situationen in Eurem Leben?“ hergestellt werden sollen. Kapitel 5.1.2.2 beschäftigt sich eingehender und ausführlicher mit der Frage des Transfers und den daraus möglichen Lernerfahrungen.[19]

5.1.2.1 Programmbestandteile des ABC-Konzepts

Die Gruppenaktivitäten lassen sich in fünf Kategorien einordnen, wobei Überschneidungen möglich und auch gewollt sind:

1. Kennenlernspiel (-Icebreaker-)

Die sogenannten Fun- oder auch Spaßspiele dienen der Auflockerung der Teilnehmer und der Situationen. Weiterhin sind sie hilfreich für das gegenseitige Kennenlernen. Sie spielen dabei keine unbedeutende Rolle für die Schaffung einer entspannten und produktiven Arbeitsatmosphäre.

2. Spaßspiele (-Funspiele-)

3. Problemlöseaktivitäten

Aufbauend auf der Grundlage der Kooperations- und Vertrauensaktivitäten stehen die Problemlöseaktivitäten als ein Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit im Vordergrund. Als Motivation für eine intensive Interaktion mit den anderen Teilnehmer dient das herausfordernde Aufgabenprofil[20] der Lernarrangements. Durch die Handlungen und Abläufe in den Aktivitäten sollen mit Hilfe anschließender Reflexionen das Aufdecken von Interaktions- und Kommunikationsproblemen ermöglicht und Initiierung von neuen Verhaltens- und Bewältigungsstrategien angestrebt werden.

4.Vertrauensaktivitäten

Der Einsatz von Kooperations- und Vertrauensaktivitäten konfrontiert den einzelnen mit Situationen, in denen er die Gelegenheit erhält, sich sowohl persönlich als auch in der Gruppe mit leistungsforderden und positiven Erfahrungen auseinanderzusetzen. Voraussetzung ist hier zum einen die Schaffung von individuellen Gestaltungs- und Freiräume und zum anderen eine vertrauensvolle und positive Gruppenatmosphäre, welche einen entsprechenden Gruppenprozeß fördern und zu einer Verbesserung der Fremd- und Eigenwahrnehmung führen soll.

5. Niedrige und hohe Abenteuerstationen (-Actionsituationen-)

Die Action-Situationen fordern den einzelnen neben den kognitiven und emotionalen auch in einem ganz erheblichen Maße in seiner physischen Leistungsfähigkeit, wodurch dem ganzheitlichen Konzept von Kopf, Herz und Hand entsprochen wird.

Die Aktivitäten besitzen einen hohen Aufforderungscharakter (vgl. Kapitel 6) und eine gezielte Struktur durch welche Gruppenprozesse in Gang gesetzt werden, die durch eine entsprechende Verarbeitung zu einer realistischen Einschätzung eigener Rollen- und Verhaltensweisen führt. Es gilt das Prinzip der selbstbestimmten Herausforderung (Challenge by Choice), welches dem Teilnehmenden die Möglichkeit bietet, Angebote, wie z.B. das Balancieren auf einem Drahtseil, anzunehmen, abzulehnen oder es zu einem anderen Zeitpunkt, noch einmal zu versuchen. Die Erfahrung, Unterstützung von seiten der Gruppe zu erhalten, ist wichtiger als das Ereignis selbst. So können verschiedene Positionen und Aufgaben übernommen und erprobt werden. Auf diese Art und Weise kann Respekt vor den Grenzen andere und der eigenen erkannt und erlernt werden. Darüber hinaus besteht die Option diese individuelle Grenzen zu erweitern, indem neue Verhaltensweisen entwickelt werden können. So kann die realistische Annahme von Herausforderungen erlernt werden.

Um über den Prozeß hinaus, die emotionale und physische Sicherheit der Teilnehmer zu gewähr leisten sind einige Regel- und Zielvereinbarungen nötig. Diese sind je nach Entwicklungsstand der Gruppe und ihrer Mitglieder zu behandeln und gegebenenfalls herauszuarbeiten. Grundlage eines solchen „Vertrages“ sollten folgende Punkte sein:

- Einverständnis der TeilnehmerInnen körperlich und mental anwesend zu sein, um an den Aktivitäten teil zu haben.
- Einverständnis der Gruppenmitglieder, auf die eigene und der der anderen körperliche und emotionale Sicherheit zu achten.
- Übereinkunft aller, an individuellen Zielen sowie an Gruppenzielen zu arbeiten und diese zu gestalten.
- Zustimmung aller sich in ehrlicher und aufrichtiger Art, Rückmeldung sich selbst und auch gegenüber anderen zu geben.
- Loslassen von alten Strukturen und Verhaltensweisen, um Entwicklung zu ermöglichen.

Bei genauerer Betrachtung dieser Aspekte wird deutlich, daß es sich hierbei bereits um optimale Ausgangsbedingungen für einen fruchtbaren Gruppenprozeß handelt. Aus der eigenen Erfahrung heraus, können diese Aspekte nicht als Voraussetzung betrachtet werden, sondern als lohnenswerte Ziele, die es gleichfalls zu erarbeiten gilt. So setzen einige Punkte bereits wichtige Elemente wie z.B. Vertrauen, Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit voraus, welche in der Regel noch nicht ausreichend vorhanden sind. Die bloße Formulierung eines Vertrages sagt noch nichts über dessen Beständigkeit und Relevanz aus, so daß der Umgang mit diesem Instrument wohlüberlegt sein muß. In der Arbeit mit den beiden Schulklassen wurde auf die Einführung dieses Vertrages verzichtet, da erst die Grundlagen dafür geschaffen werden mußten. So wurde versucht, die bestehenden und im Laufe des Programms deutlich werdende Defizite wie z.B. Vertrauen in einander und Hierarchiestrukturen sukzessiv zu bearbeiten und zu lösen (vgl. hierzu Problematiken Kapitel 8.1 und 9.1).

5.1.2.2 Die Transferebene: ABC - Reflexionsmodelle

„Wir bewältigen mit unseren Kursteilnehmern Aktivitäten mit herausforderndem Charakter in der Natur oder in anderen ungewöhnlichen Umfeldern. Dies soll Veränderungen auch im Alltagsverhalten der Betreffenden zur Folge haben. Wir behaupten also einen Transfer.“

(Schad, N., 1993, S. 49)

Es liegen drei Modelle zu Grunde:

1.Modell: The Mountains Speak for Themselves[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: The Mountains Speak for Themselves

(Quelle: Schad, N., 1993, S. 50)

Die Grundannahme dieses Modells besteht in der Auffassung, daß allein durch die Erlebnisse und erworbenen Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der Natur automatisch Lernergebnisse auftreten, die Wirkung auf das Alltagsverhalten haben.

Die Aufgabe der Teamer besteht darin, Situationen[22] in der Natur zu arrangieren, die herausfordernden Charakter besitzen, um eindrucksvolle Erlebnisse zu ermöglichen. Ein Beispiel könnte eine Bergwanderung mit Kletterelementen sein, welche ein hohes Maß an Rücksichtsnahme und Verantwortung des einzelnen gegenüber sich selbst und der Gruppe beinhalten könnte. Die Übernahme von Verantwortung, z.B. jemanden an einem Seil zu sichern, könnte eine Handlungsalternative zu dem bisherigen Verhalten des Teilnehmenden darstellen. Diese eindrucksvollen Erlebnisse werden sinnlich erfaßt, verarbeitet und führen quasi „automatisch“ zu Verhaltensänderungen. Wie, ob überhaupt und in welcher Form dies geschieht, wird nicht weiter betrachtet und weitgehend dem Teilnehmer überlassen.

Strukturierte Reflexionen sind im Rahmen dieses Konzepts nicht vorgesehen, wenngleich Erfahrungsaustausch in Form von Gesprächen zwischen Teilnehmern und Kursleiter sicherlich stattfinden. Eine gezielte Bearbeitung der Erfahrungen ist nicht Inhalt dieses Modells. Letztendlich werden die angestrebten Folgerungen und Ergebnisse der Maßnahmen und Aktivitäten, sprich die einzelnen Bedeutungen der Situationen und daraus folgenden Konsequenzen (z.B. Handlungsveränderungen, Einstellungen) in ihrer Erfassung den Teilnehmern selbst überlassen.

[...]


[1] Adventure Based Counceling: ein Konzept zum erfahrungsgeleiteten Kompetenzerwerb in der Arbeit mit Gruppen.

[2] Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugensozialarbeit e.V.

[3] Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), an der 1027 Lehrer an 21 hessischen Schulen teilnahmen, nennt u.a. mit 65,1 % der Befragten als Hauptproblem der Schule schwierige Schüler (Oberhessische Presse vom 7. Januar 1999).

[4] Unter dem Begriff „handlungsorientiertes Verhalten“, soll Verhalten verstanden werden, welches individuelles Handeln sinnhaftig besetzt.

[5] Projekt zur Förderung beruflicher Kompetenzen und Integration jugendlicher MigrantInnen

[6] Das hier zu Grunde liegende Wissen, ist als vertraulich zu betrachten und ist auf den Aussagen des Klassenlehrers begründet.

[7] Berufsvorbereitungsjahr

[8] „ In der Einführung der Rahmenrichtlinien des Hessischen Kultusministeriums für Berufsschulen (1986) wird z.B. die Aufgabe des BVJ u.a. als die Vermittlung jenes „Rüstzeugs“ bestimmt, das zur Übernahme einer beruflichen Ausbildung oder Tätigkeit notwendig ist. Neben der Vermittlung sachgerechten Arbeitsverhaltens soll der Unterricht dazu beitragen, daß die Jugendlichen sich in der modernen Leistungsgesellschaft zurechtfinden. Darüber hinaus soll er soziales Verhalten stabilisieren sowie Kooperationsfähigkeit, Konfliktbewältigung, Kreativität und Planungs-, Kontroll- und Steuerungsvermögen fördern. Wer (Berufs-) Schulen von innen kennt, weiß wie ernst man diese Erwartungen nehmen muß.“

(Becker, P., 1998, S. 6)

[9] Als Institutionen, welche sich intensiv mit diesen Formen des Lernens und Handeln beschäftigen, möchte ich stellvertretend und für den Raum Hessen die Freie Waldorf Schule in Kassel, den bsj e.V. und das Marburger Abenteuerprojekt in Marburg benennen.

[10] Unter der Begrifflichkeit der „äußeren Bedingungen“ möchte ich die Veränderungen in der Berufs-, Fach- und Lebenswelt des Betroffenen nennen, welche neue Verhaltens- und Problemlösestrategien von ihm einfordern, z.B. Arbeitszerlegung im Betrieb, Integration und Vernetzung von Aufgaben, Kooperationsbereitschaft, Veränderungen im privaten Bereich u.a. (vgl. auch Punkt 3.2 dieser Arbeit).

[11] Unter einer „allgemeinen Fähigkeit“ wird die Fähigkeit verstanden, die oben genannten Handlungen unabhängig von spezifischen Situationen einsetzen zu können. Sie bleiben nicht auf einen bestimmten Kontext beschränkt.

[12] Der Aufbau einer Zielhierarchie kann notwendig werden, wenn die Lösung eines komplexen Problems ansteht, welches eine entsprechende Planung erfordert.

[13] Als Grenzwert möchte ich hier ein Mindestmaß an persönlicher Beteiligung und Aktivität verstanden wissen, welche die Grundlage für eine konstruktive Auseinandersetzung darstellt (vgl. Kapitel 10.2 b).

[14] Untrennbarkeit von kognitivem, affektivem, sozialem und motorischem Verhalten.

[15] Intrinsische Motivation: Die Motivation, sich einer Tätigkeit um ihrer selbst willen zu widmen (Zimbardo, P. G., 1988, S. 378).

[16] Affekte, Verhalten, Kognition

[17] Betreuer der Kurse, welche diese arrangieren und einrichten, jedoch nicht direkt am Geschehen teilnehmen.

[18] Erleben ohne Rückschau.

[19] Vgl. Eckern, M. und Linder, M., Butzbach, 1997.

[20] Grundlage für ein herausforderndes Aufgabenprofil ist die Erzeugung einer entsprechenden Spannung, welche sich auf Faktoren wie einen ungewissen Ausgang der Situation (Lösungsfindung), Risikoempfindung, Neuigkeit, Wechsel der Situation und Komplexität auszeichnet.

[21] Die Berge sprechen für sich.

[22] Herausfordernde, auf den ersten Blick vielleicht sogar „bedrohliche“ Situationen mit einem Höchstmaß an objektiver Sicherheit und einem gewissen Maß an subjektiver Unsicherheit.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832460570
ISBN (Paperback)
9783838660578
DOI
10.3239/9783832460570
Dateigröße
14 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Philipps-Universität Marburg – Erziehungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (November)
Note
1,0
Schlagworte
persönlichkeitsentwicklung lernen schule qualifikation
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Titel: Über das Abenteuer zur Kooperation
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