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Die internet-gestützte Testung von sozialen Kompetenzen

©2001 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ein anhaltender Engpass auf dem Bewerbermarkt und ein damit einhergehender Nachfrage-Boom nach sehr guten Absolventen aller Fachbereiche führt dazu, dass ein intensiver Wettbewerb im Kampf um den heiß begehrten Mitarbeiternachwuchs geführt wird. Das führt dazu, dass in jüngster Zeit das Internet als innovativer Anspracheweg genutzt wird. Auf diesem Wege erhalten die Recruiter allerdings eine sehr große Anzahl von Bewerbungen, die nicht immer von der geeigneten Zielgruppe stammen. Die Auswertung der Bewerbungsunterlagen ist mit hohen zeitlichen und monetären Kosten verbunden. Zudem kann über die Bewerbungsanalyse nicht herausgefunden werden, ob der zukünftige Mitarbeiter über soziale Kompetenzen verfügt, die zu einem in der Praxis zunehmend stärker betonten Anforderungsmerkmal geworden sind. In einem Zitat von Faix und Laier wird die Wichtigkeit von sozialen Kompetenzen herausgestellt: „Ohne soziale Kompetenz der Mitarbeiter hat heutzutage kein Unternehmen, das auf Dauer auf dem Weltmarkt bestehen will, eine Chance. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg, das künftige Lebenselixier der Wirtschaft.
Es fehlen also zuverlässige und ökonomische Auswahlmethoden, die fähig sind, die soziale Kompetenz der Nachwuchsmitarbeiter zu erfassen.
Zu den zuverlässigen Auswahlmethoden zählen insbesondere psychologisch fundierte Tests. Doch diese Auswahlinstrumente, die es meist als „paper and pencil“ Verfahren gibt, sind nicht kostengünstig, da erfahrenes Personal die Durchführung dieser Tests begleiten muss. Hinzu kommt, dass die Bewerber in der Regel zu dem Unternehmen, das diese Auswahlverfahren vor Ort durchführt, reisen müssen, und dadurch weitere Kosten entstehen.
Als Alternative bietet sich ein global zugängliches Medium an, das innovativ ist und die Grundlage für eine ökonomische Personalauswahl bieten kann: das Internet.
Die Verbindung von psychologisch fundierten Testmethoden mit dem Internet können effiziente Testverfahren zur Erfassung von sozialen Kompetenzen ergeben. Mit diesem Thema beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.
Gang der Untersuchung:
Das Ziel dieser Arbeit ist die Konstruktion von internet-gestützten Tests, mit denen die Testung von sozialen Kompetenzen ermöglicht werden soll. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung von Testskalen zur Messung von Konfliktfreude, Kooperationsorientierung und Begeisterungsfähigkeit gelegt, die allesamt zum Globalkonstrukt soziale Kompetenz zählen.
Das hieran anschließende […]

Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Das Internet
2.1. Technik
2.1.1 World Wide Web (WWW)
2.2. Nutzer des Internet
2.3. Entwicklungstendenzen des Internet

3. Psychologische Testverfahren
3.1. Allgemeiner Überblick
3.1.1. Intelligenztests
3.1.2. Leistungstests
3.1.3. Persönlichkeitstests
3.2. Neuere Entwicklungen in der psychologischen Eignungsdiagnostik
3.2.1. Computer-gestützte Testverfahren
3.2.1.1. Vorteile computer-gestützter Testverfahren
3.2.1.2. Nachteile computer-gestützter Testverfahren
3.2.2. Internet-gestützte Testverfahren
3.2.2.1. Chancen von Internet-gestützten Testverfahren
3.2.2.2. Nachteile und Grenzen von Internet-gestützten Testverfahren
3.2.2.3. Online-Assessment-Center
3.2.3. Kommunikationspsychologische Aspekte bei Online-Assessment-Center
3.2.3.1. Computervermittelte Kommunikation (CMC)
3.2.3.1.1. Social Presence Theory
3.2.3.1.2. Social cues filtered out hypotheses
3.2.3.1.3. Imaginationstheorie
3.2.3.2. Implikationen für Online AC´s

4. Soziale Kompetenz
4.1. Die Bedeutung der sozialen Kompetenz von Mitarbeitern für Organisationen
4.2. Begriffliche Einordnung
4.3. Die verschiedenen Facetten von sozialer Kompetenz
4.4. Psychologische Messverfahren zur Erfassung der sozialen Kompetenz
4.4.1. Leistungstests
4.4.2. Fragebogenverfahren
4.4.3. Situationsfragebögen
4.4.4. Situative Interviews
4.4.5. Gruppendiskussionen
4.4.6. Rollenspiele
4.4.7. Filmszenen
4.4.8. Implikationen für die Entwicklung von internet-gestützten Tests zur Erfassung von sozialen Kompetenzen

5. Konstruktion der Testskalen Konfliktfreude, Kooperationsorientierung und Begeisterungsfähigkeit
5.1. Einleitung
5.2. Testentwicklungsstrategien
5.2.1. Die induktive Strategie
5.2.2. Die kriteriumsorientierte Strategie
5.2.3. Die deduktive Strategie
5.3. Statistische Verfahren und Testkennwerte
5.3.1. Faktorenanalyse
5.3.2. Schwierigkeitsindices
5.3.3. Trennschärfe
5.3.4. Reliabilität
5.3.5. Validität
5.4. Konstruktion der Skala Konfliktfreude
5.4.1. Theoretische Grundlage
5.4.2. Konkrete Vorgehensweise bei der Konstruktion und Operationalisierung
5.4.3. Testbeschreibung
5.4.4. Ergebnisse für die Skala Konfliktfreude
5.4.4.1. Stichprobe
5.4.4.2. Deskriptive Test- und Itemkennwerte
5.4.4.2.1. Häufigkeiten
5.4.4.2.2. Testkennwerte
5.4.4.3. Diskussion
5.5. Konstruktion der Skala Kooperationsorientierung
5.5.1. Theoretische Grundlage
5.5.2. Konkrete Vorgehensweise bei der Konstruktion und Operationalisierung
5.5.3. Testbeschreibung
5.5.4. Ergebnisse für die Skala Kooperationsorientierung
5.5.4.1. Stichprobe
5.5.4.2. Deskriptive Test- und Itemkennwerte
5.5.4.2.1. Häufigkeiten
5.5.4.2.2 Ergebnisse der Faktorenanalyse
5.5.4.2.3. Testkennwerte
5.5.5. Diskussion
5.6. Konstruktion der Skala Begeisterungsfähigkeit
5.6.1. Theoretische Grundlage
5.6.2. Konkrete Vorgehensweise bei der Konstruktion und Operationalisierung
5.6.3. Testbeschreibung
5.6.4. Ergebnisse für die Skala Begeisterungsfähigkeit
5.6.4.1. Stichprobe
5.6.4.2. Deskriptive Test- und Itemkennwerte
5.6.4.2.1. Häufigkeiten
5.6.4.2.2. Ergebnisse der Faktorenanalyse
5.6.4.2.3. Testkennwerte
5.6.5. Diskussion
5.6.6. Klassifizierungsanalyse mit CART (Classification and regression trees)
5.6.6.1. Ergebnisse der CART Analyse
5.6.6.2. Diskussion der CART Analyse

6. Diskussion und Ausblick
6.1. Allgemeine Diskussion
6.2. Ausblick

7. Literatur

1. Einleitung

Ein anhaltender Engpass auf dem Bewerbermarkt und ein damit einhergehender Nachfrage-Boom nach sehr guten Absolventen aller Fachbereiche führt dazu, dass ein intensiver Wettbewerb im Kampf um den heiß begehrten Mitarbeiternachwuchs geführt wird (Kerkow, 2001). Das führt dazu, dass in jüngster Zeit das Internet als innovativer Anspracheweg genutzt wird (Moser & Zempel, 2001). Auf diesem Wege erhalten die Recruiter allerdings eine sehr große Anzahl von Bewerbungen, die nicht immer von der geeigneten Zielgruppe stammen (Wild, et al., 2001). Die Auswertung der Bewerbungsunterlagen ist mit hohen zeitlichen und monetären Kosten verbunden. Zudem kann über die Bewerbungsanalyse nicht herausgefunden werden, ob der zukünftige Mitarbeiter über soziale Kompetenzen verfügt, die zu einem in der Praxis zunehmend stärker betonten Anforderungsmerkmal geworden sind (vgl. Richter, 1995; Rosenstiel, 2001). In einem Zitat von Faix und Laier (1996) wird die Wichtigkeit von sozialen Kompetenzen herausgestellt: „Ohne soziale Kompetenz der Mitarbeiter hat heutzutage kein Unternehmen, das auf Dauer auf dem Weltmarkt bestehen will, eine Chance. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg, das künftige Lebenselixier der Wirtschaft“ (S. 41).

Es fehlen also zuverlässige und ökonomische Auswahlmethoden, die fähig sind, die soziale Kompetenz der Nachwuchsmitarbeiter zu erfassen.

Zu den zuverlässigen Auswahlmethoden zählen insbesondere psychologisch fundierte Tests. Doch diese Auswahlinstrumente, die es meist als „paper and pencil“ Verfahren gibt, sind nicht kostengünstig, da erfahrenes Personal die Durchführung dieser Tests begleiten muss. Hinzu kommt, dass die Bewerber in der Regel zu dem Unternehmen, das diese Auswahlverfahren vor Ort durchführt, reisen müssen, und dadurch weitere Kosten entstehen.

Als Alternative bietet sich ein global zugängliches Medium an, das innovativ ist und die Grundlage für eine ökonomische Personalauswahl bieten kann: das Internet.

Die Verbindung von psychologisch fundierten Testmethoden mit dem Internet können effiziente Testverfahren zur Erfassung von sozialen Kompetenzen ergeben. Mit diesem Thema beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.

Das Ziel dieser Arbeit ist die Konstruktion von internet-gestützten Tests, mit denen die Testung von sozialen Kompetenzen ermöglicht werden soll. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung von Testskalen zur Messung von Konfliktfreude, Kooperationsorientierung und Begeisterungsfähigkeit gelegt, die allesamt zum Globalkonstrukt soziale Kompetenz zählen.

Das hieran anschließende Kapitel stellt die Grundlagen zum Thema Internet dar. Dort wird insbesondere auf die Technik des Internets, die Nutzer dieses Mediums und die Entwicklungstendenzen eingegangen.

Das dritte Kapitel setzt sich mit psychologischen Testverfahren auseinander. Zuerst wird ein allgemeiner Überblick gegeben, bevor die Chancen und Grenzen von neueren Entwicklungen in der psychologischen Eignungsdiagnostikdiagnostik – computer- und internetgestützte Testsysteme - dargestellt werden. Zudem wird in diesem Abschnitt auf kommunikationspsychologische Aspekte bei Internet-Assessment-Center eingegangen.

Was sich hinter dem geheimnisvollem Erfolgsfaktor soziale Kompetenz verbirgt, warum sie für Organisationen so wichtig ist und wie man sie im Rahmen von Personalauswahlentscheidungen erfassen könnte, wird im vierten Kapitel erörtert.

Im fünften Abschnitt wird die Konstruktion der Testskalen Konfliktfreude, Kooperationsorientierung und Begeisterungsfähigkeit und ihre erste Erprobung im Feld beschrieben. Das Kapitel schließt mit der Ergebnisdarstellung und der Diskussion der Ergebnisse.

Abschließend wird im sechsten Kapitel eine allgemeine Diskussion und ein Ausblick gegeben.

2. Das Internet

2.1. Technik

Das Internet gilt als das weltweit größte öffentliche Computernetzwerk (Döring, 1999), wobei es auf der ganzen Welt Einzelrechner und ganze Computernetzwerke integriert. Hervorgegangen ist das Internet aus dem 1969 entwickelten ARPA-Net (Advanced Research Projects Agency Net) - eine Forschungsbehörde des amerikanischen Verteidigungsministerium (Döring, 1999).[1] Nach Schade (2000) basiert die gesamte Kommunikationsstruktur des Internets auf dem „Client – Server – Modell“(CSM). Dabei stehen einige wenige Server meist mehreren gleichzeitig anfragenden Internetdiensten (Clients) zur Verfügung. Ein Server kann eine Vielzahl von Clients asynchron und parallel bedienen. Die Verbindung zwischen dem Server und dem Client stützt sich auf dem Internetstandardprotokoll „TCP/IP“. Die verschiedenen Internetdienste gebrauchen dieses Standardprotokoll für eigene, abstraktere Protokolle wie z.B. E-Mail oder http (Hyper Text Transfer Protocoll) für die Kommunikation zwischen World –Wide –Web- (WWW) Servern und –Browsern.

Mittels FTP (File Transfer Protocoll) ist es möglich, Dateien zwischen zwei Computern – einem speziellen Server und einem Client – zu übertragen. Der Verkehr kann hierbei in beide Richtungen erfolgen. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung ist vor allem von der entsprechenden Hardware der Internetbenutzer abhängig. Es finden sich auf dem Markt die unterschiedlichsten Datenübertragungsformen. Angefangen von eher langsamen Modemverbindungen, die Übertragungen von ca. 64 Kilobit pro Sekunde erreichen bis hin zu sehr leistungsfähigen Geräten, mit denen Übertragungen von mehreren Megabit pro Sekunde erzielt werden können.

2.1.1 World Wide Web (WWW)

Das World Wide Web (WWW) entstand 1992 am Kernforschungszentrum Cern in Genf (Schade, 2000). Das WWW ist heute einer der größten Internet– Wirtschaftsfaktoren überhaupt. Es vereint die Internetbasisdienste (u.a. CSM, FTP, vgl. auch Kap. 2.1) unter einheitlicher meist grafischer Benutzeroberfläche und fügt Hypermedialfähigkeiten (Bild, Ton, Text, Bewegbild, Simulation und Animation) hinzu (ebd., S.71). WWW-Dokumente werden durch die Beschreibungssprache HTML (Hyper Text Markup Language) in ihrem Layout grob beschrieben. Das exakte Aussehen ist jedoch von den PC-Einstellungen und dem verwendeten Browser Typ abhängig.

2.2. Nutzer des Internet

Fittkau & Maaß (1999) fanden in einer Studie, an der ca. 96000 Personen teilnahmen, heraus, dass nahezu zwei Drittel der Internet Nutzer männlich sind, wobei jedoch der Anteil der weiblichen Nutzer weiter ansteigt. Die Gruppe der jungen Berufstätigen von 20 bis 29 Jahren (35,1%) und 30-39 Jahren (30,5%) bilde noch immer die Mehrheit der Internet Nutzer, aber jüngere und ältere Nutzergruppen wachsen prozentual stärker und die Altersstruktur werde immer heterogener. Der Bildungsstand der Internet-Nutzer sei überdurchschnittlich hoch. Fast 27% der Nutzer können einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss vorweisen. Der Anteil an Studenten sei jedoch mit 15% eher rückläufig. Angestellte (46%) und Selbständige (14%) erobern mehr und mehr das Internet (Fittkau und Maaß, 1999).

2.3. Entwicklungstendenzen des Internet

Bis dato sei Deutschland zwar noch „weit von amerikanischen Zuständen entfernt“ (Dohmen, 1999, S.10), doch beeinflusst die neue Technologie bereits nahezu jeden Bereich des täglichen Lebens. Straub (1997) behauptet, dass das Internet keineswegs nur eine Modethema sei. Vielmehr entwickelt sich dieses Medium zum globalen Marktplatz und erlebt eine unausgesetzte Kommerzialisierung (Wupperfeld, 1996). Dies liegt nicht zuletzt an den Vorteilen wie der hohen Verfügbarkeit und der Zeit- und Kostenersparnis (Bolender, 1999).

In den kommenden Jahren wird das Internet nicht nur im privaten Bereich sondern speziell im Personalbereich weiter an Bedeutung gewinnen (ebd.).

3. Psychologische Testverfahren

3.1. Allgemeiner Überblick

Brandstätter (1979, S.82) fasst psychologische Tests als „standardisierte, routinemäßig anwendbare Verfahren zur Messung individueller Verhaltensmerkmale“ auf, „aus denen Schlüsse auf Eigenschaften der betreffenden Person oder auf ihr Verhalten gezogen werden können“.

Nach Schuler (1996) sind psychologische Testverfahren in der wissenschaftlich kontrollierten Eignungsdiagnostik, die am häufigsten verwendeten Instrumente.

Psychologische Testverfahren lassen sich grob unterteilen in:

- Intelligenztests,
- Leistungstests mit unterschiedlichen Ausprägungen und
- Persönlichkeitstests.

Eine Übersicht über psychologische Tests bietet Brickenkamp (1997). Nachfolgend werden die o.g. drei Gruppen kurz angerissen.

3.1.1. Intelligenztests

„Da es keine einheitliche Definition von Intelligenz gibt, werden Testverfahren dieser Kategorie zugeordnet, die von ihren Autoren als solche charakterisiert werden“ (Brickenkamp, 1997, S. 17). Das bedeutet, dass Intelligenz das ist, was der jeweilige Test misst (Obermann, 1992).

Auf der Itemebene bestehen Intelligenztests aus einer Reihe ähnlicher Aufgaben, die mit möglichst wenig mentalen Operationen unter Zeitdruck gelöst werden sollen (Obermann, 1992). Dazu zählen u.a. Satzergänzungen, Fortsetzung von Zahlenreihen, Dreisatz-Aufgaben, Erkennen von Gemeinsamkeiten in vorgegebenen Begriffen.

Bekannte und häufig angewandte Intelligenzverfahren sind der IST 70 von Amthauer (1973), der Grundintelligenztest CFT3 nach Weiss (1976), der Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE) nach Wechsler (1956), das Leistungsprüfsystem (LPS) nach Horn (1962) und die Standard Progressive Matrizes (SPM) nach Raven (1971) (vgl. Brickenkamp, 1997).

Validitätsuntersuchungen, die als externe Kennziffer den Berufs- oder Ausbildungserfolg zu Grunde legen, zeigen eine hohe prognostische Validität[2] bezüglich des Ausbildungs-, nicht aber des Berufserfolgs (Obermann, 1992). Schmitt et al. (1984) zeigten in einer Metaanalyse, in der 25 Studien zusammengefasst wurden, einen mittleren Zusammenhang von r=.22 zwischen Intelligenztestwerten und Leistungsbeurteilungen.

Jäger (1986, S.280) weist darauf hin, dass „mit zunehmender Komplexität und Schwierigkeit der beruflichen Anforderungen, etwa bei Führungskräften, (...) der mit Intelligenztests vorhersagbare Varianzanteil geringer“ wird.

Auch Obermann (1992, S. 136) sieht Intelligenztests „bestenfalls als Beitrag für die Auswahl von Auszubildenden...“. Ihr Beitrag für die Prognose des Berufserfolgs für weiterführende Berufe, insbesondere im Management, sei sehr fragwürdig.

3.1.2. Leistungstests

Brickenkamp (1997, S. 17) definiert allgemeine Leistungstests oder Fähigkeitstests als „Verfahren, die allgemeine Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit erfassen sollen, nämlich das, was mit Aufmerksamkeit, Konzentration, allgemeiner Aktiviertheit oder dergleichen bezeichnet wird.“

Leistungstest erfassen also die Fähigkeit, sich auf spezifische Reize konzentrieren zu können und unter Zeitdruck Fehler aus Texten oder einfachen Reizmustern zu erkennen.

Nach Obermann (1992) sind die gebräuchlichsten Konzentrationstests der d2-Aufmerksamkeits-Belastungstest von Brickenkamp (1994), der Konzentrations- Verlaufstest von Abels (1974) und der Konzentrations-Leistungstest nach Düker und Lienert (1965).

Mit einem durchschnittlichen Validitätskoeffizienten von r=.54 ist die prognostische Validität, bezogen auf den Ausbildungserfolg, sehr hoch (Schuler und Funke, 1989). Einen ähnlich hohen prognostischen Validitätskoeffizienten von r=.48 für berufsspezifische Wissenstests, haben Hunter und Hunter (1984) in ihrer metaanalytischen Studie herausgefunden.

Trost und Fay (1996, S.553) konnten aufzeigen, dass Fähigkeitstests eher im Bereich der öffentlichen Verwaltung als in Unternehmen eingesetzt werden.

Obermann (1992) weist darauf hin, dass sich bei der Auswahl von Führungsnachwuchskräften, oder zur Ermittlung von Stärken-Schwächen Profilen von internen Mitarbeitern, vor allem Tests eignen, die auf die jeweiligen Berufsanforderungen zugeschnitten sind. Das seien beispielsweise

- spezielle Wissenstest für technische Berufe,
- Eignungstests für EDV–Programmierer, bei denen die Umsetzung von verbalen Beschreibungen in Rechen Algorithmen überprüft werden kann,
- Verfahren zur Überprüfung von sensomotorischen Fähigkeiten für die Auswahl von Ingenieuren oder
- Testverfahren zum zahlengebundenen Denken im betriebswirtschaftlichen Kontext für die Auswahl im Bereich des Controllings/ Rechnungswesens.

Im allgemeinen ist die Akzeptanz von Fähigkeits- und Leistungstests höher als die von Persönlichkeits- und Interessenverfahren (Schuler, 1996).

3.1.3. Persönlichkeitstests

Persönlichkeitseigenschaften (engl. traits) sind über die Zeit stabile Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen (Obermann, 1992). Wenn davon ausgegangen wird, dass spezifische berufliche Positionen bestimmte Persönlichkeitseigenschaften voraussetzen (z.B. Gewissenhaftigkeit beim Buchhalter), so wird der Nutzen von Persönlichkeitstests und der damit einhergehenden potentiellen Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften deutlich. In Deutschland ist aber derzeit das wissenschaftliche und praktische Interesse an Persönlichkeitstests immer noch eher gering (vgl. Hossiep, 1996). Dabei sind „persönliche und soziale Kompetenzen (...) stets eine unabdingbare Qualifikation im Rahmen berufsbezogener Platzierungsentscheidungen“ (Hossiep et al., 2000, S.1).

Auch wenn die Beurteilung der Persönlichkeit eines Bewerbers in „nahezu allen betrieblichen Auswahlsituationen stattfinden“ (ebd., S.2), sind die Methoden dazu sehr unterschiedlich: sie reichen von sehr elaborierten Assessment Centern mit ausgefeilten, standardisierten Beobachtungsinstrumenten, bis hin zu völlig frei geführten Interviews (Hossiep et al., 2000).

Im deutschsprachigen Raum sind bekannte Verfahren der 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test nach Schneewind, Schröder und Catell (1986), das Freiburger Persönlichkeitsinventar nach Fahrenberg, Hampel und Selg (1984) sowie der deutsche CPI nach Weinert et al. (1982). Einen Überblick über Persönlichkeitstest im Personalmanagement geben Hossiep et al. (2000).

Die prognostische Validität von Persönlichkeitstests ist nur mäßig: Schmitt et al. (1984) berichten in ihrer Metaanalyse, in der 62 Studien zusammengefasst sind, von einem mittleren Koeffizienten von r=.15.

Neben dem beschränkten Aussagewert bezüglich der Prognose, berichteten Fruhner und Schuler (1991) von einer eher niedrigen Akzeptanz der Verfahren im Vergleich zu anderen eignungsdiagnostischen Methoden. Dies dürfte nach Schuler (1996b, S. 112) zum Teil an der Befürchtung liegen, dass mit diesen Verfahren in Persönlichkeitsbereiche eingedrungen werde, die nichts mit der beruflichen Situation zu tun haben. Borchers (1996) fand heraus, dass sich die Akzeptanz eines Persönlichkeitstests erhöht, wenn die Teilnehmer vermehrt Informationen über diesen Test erhalten.

Eine spezielle Form von Persönlichkeitstests sind sog. projektive Verfahren. Bei diesen Tests wird dem Probanden eine Reihe von Stimuli vorgelegt, die, dem Zweck entsprechend, mehrdeutig sind, wie abstrakte Muster, unvollständige Bilder und Zeichnungen, so dass es unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten gibt. Die Person soll sich nun in einer freien nicht festgelegten Weise mit den Stimuli auseinandersetzen. Da die Stimuli vage sind, wird die Reaktion durch das bestimmt, was die Person in die Situation einbringt, wie innere Gefühlszustände, persönliche Motive und Konflikte aus vergangenen Lebenserfahrungen.

Bekannte projektive Verfahren sind der TAT (Thematischer Apperzeptionstest), in dem Geschichten erzählt werden sollen, oder der Rorschachtest, in dem Formen gedeutet werden sollen (vgl. auch Zimbardo, 1988).

Die geringe Objektivität, die starke Abhängigkeit von Test und Diagnostiker, sowie die schlechte methodische Absicherung sind die größten Kritikpunkte an diesen Verfahren (Obermann, 1992). Die zuständige Sektion im Bundesverband für Psychologen betrachtet die Durchführung von projektiven Tests im Rahmen von eignungsdiagnostischen Maßnahmen als nicht zulässig (BDP,1985).

3.2. Neuere Entwicklungen in der psychologischen Eignungsdiagnostik

In diesem Kapitel werden vor allem zwei neuere Entwicklungen im Bereich der psychologischen Eignungsdiagnostik vorgestellt: Computer-gestützte Testverfahren und die darauf aufbauenden internet-gestützten Testmethoden.

3.2.1. Computer-gestützte Testverfahren

In den letzten Jahren hat der Einsatz von Computern in der psychologischen Diagnostik verstärkt an Bedeutung gewonnen (vgl. Schuler, 1996b; Booth, 1992).

Die computergestützte Diagnostik stellt eine strategische Alternative zur traditionell betriebenen Diagnostik dar, d.h. sie kann als Hilfsfunktion genutzt werden: „Computerdiagnostik wird als eine strategische Variante innerhalb der Diagnostik verstanden, um psychologisch relevante Variablen zu erfassen, deren Auswahl zu steuern, die erhaltenen Informationen zu einem Urteil zu verdichten und gegebenenfalls schriftlich und /oder bildlich darzustellen“ (Booth, 1992, S.186). Computergestützte Diagnostik kann aufgrund ihrer Komplexität dazu beitragen, flexible Anpassungen an bestehende Frage- und Problemstellungen zu realisieren (Booth, 1992).

Schuler & Höft (2001) teilen die zur Zeit praktizierte Computerdiagnostik in drei große Gruppen ein:

- Computerversionen von Papier-Bleistift Testverfahren: Zu den meisten bekannten paper and pencil Verfahren liegen EDV Versionen vor, die eine äquivalente Testdurchführung am PC ermöglichen sollen.
- Adaptive Testung: Unter adaptivem Testen werden Strategien der Testvorgabe verstanden, bei denen sich die Auswahl der Items am Leistungsniveau der Testperson orientieren. In der Eignungsdiagnostik werden nach Schuler & Höft (2001) adaptive Tests aufgrund des hohen Konstruktionsaufwandes kaum durchgeführt.
- Komplexe Simulationen: Hiermit sind Computerszenarien angesprochen, in denen komplexe Systeme simuliert werden, in die der Testbearbeiter eingreifen soll.

3.2.1.1. Vorteile computer-gestützter Testverfahren

Die Computerentwicklung hat dazu geführt, die „paper and pencil“ – Verfahren zunehmend auf den Computer zu übertragen. Das bringt einige Vorteile mit sich, die wie folgt aufgelistet sind (aus Schuler und Funke, 1995, S. 254) :

- Volle Standardisierung der Durchführung und Auswertung sowie Kontrolle der Zeitvorgabe für Items und Verfahrensteile;
- Möglichkeit zur Registrierung von Zusatzdaten wie Bearbeitungszeiten, Fehlerreaktionen und Korrekturen;
- Rationalisierung bei Durchführung und Auswertung, schnellere Ergebnisverfügbarkeit, Einsparung separater Dateneingaben für spätere Analysen;
- erhöhte Schutzmöglichkeiten gegen unzulässige Verbreitung des Verfahrens (Kopierschutz);
- Akzeptanz computergestützter Verfahren ist bisher meist höher als die bei vergleichbaren „paper and pencil“ –Verfahren, wobei die Computererfahrung in der Mehrzahl der Studien einen positiven Einfluss auf die Akzeptanz hat;

Sonnenberg (1993) sieht zudem einen Vorteil darin, bei großen Fallzahlen und entsprechender Softwareausrüstung eigene Testnormen erstellt und zur Auswertung herangezogen werden können.

3.2.1.2. Nachteile computer-gestützter Testverfahren

Sonnenberg (1993) weist bezüglich computergestützter Arbeitsproben darauf hin, dass es fraglich sei, inwieweit der durch ein starres Programm sowie durch die Schnittstellen Tastatur, Bildschirm, Maus erzeugte Anpassungszwang an bestimmte Abläufe und Zeiten geeignet sei den Arbeitsalltag von Führungskräften abzubilden. Weiterhin fehlt Sonnenberg bei den PC-gestützten Arbeitsproben eine ausreichende „Face to Face“ Interaktion, die im Berufsalltag einer Führungskraft eine schwerpunktmäßige Rolle spiele. Ähnliches kritisiert auch Thornton (1992), der meint, dass die Beobachtung des aktiven Verhaltens nicht durch Computervorgabe ersetzbar ist, auch wenn dadurch der mangelnden Standardisierung mancher AC-Übungen entgegengewirkt werden kann.

Jäger (1990) führt an, dass die Kompetenz des Diagnostikers um die Computerkompetenz erweitert werden muss. Zudem müsse der Diagnostiker erkennen, dass ihm der Computer lediglich eine Hilfe sein könne und er ihm nie die Verantwortung abnehmen werde.

Allgemeinere Kritiken lauten, dass die Computertechnologie eine Art Verarmung mit sich bringe, indem sie Diagnosen weniger intuitiv, unflexibel und weniger human mache. Überdies bestehe die Gefahr, Daten mehr oder weniger ziellos zu sammeln (vgl. Booth, 1992).

3.2.2. Internet-gestützte Testverfahren

Eine der neuesten Entwicklungen im Bereich der psychologischen Eignungsdiagnostik sind internet-gestützte Testverfahren. Auf dem ersten Blick gelten für diese Testarten die gleichen Vor- und Nachteile, wie für die computer-gestützten Testverfahren. Da sich allerdings Internet-basierte Tests in einigen Punkten von den PC-Verfahren unterscheiden, werden hier die Chancen und Grenzen von Internet-gestützten Tests ausführlich dargelegt.

3.2.2.1. Chancen von Internet-gestützten Testverfahren

Nach Fontaine et al. (im Druck) wird der Personalauswahlprozess mit dem Einsatz Internet-gestützter Testverfahren auf eine neue, mit derzeitigen Methoden nicht erzielbare Qualitätsebene gehoben, da es gegenwärtig immer mehr Ansätze gebe, mit denen die Interaktivität des Mediums genutzt werden könne. Zur Zeit wird jedoch die Personalauswahl via Internet nur von einer Minderheit praktiziert, und zwar von Unternehmen, die eine starke Affinität zu den Informations- und Kommunikationstechnologien unterhalten (Wagner, 1999). Allerdings räumt Wagner (1999) ein, dass sich „Personalauswahl via Internet (...) nicht aufhalten lassen [ wird ]“ (S. 587, kursiv gedr. als Anm. des Verf.).

Internet-basierte Testverfahren bieten zahlreiche Vorteile, die im folgenden kurz aufgeführt werden (vgl. Kerkow, 2001, Wild et al., 2001; Wottawa, 2001):

1. Eine standardisierte Datenerhebung und einheitliche Auswertung sichert eine höhere Objektivität.
2. Einige für die Ausübung des Jobs identifizierte Kernkompetenzen bzw. Anforderungen können bereits vor dem ersten persönlichen Kontakt überprüft werden.
3. Eine zeitgemäße Internet-Präsenz kann das Image des jeweiligen Unternehmens verbessern, da es als innovativer wahrgenommen wird. Dies ist vor allem für Unternehmen vorteilhaft, die Nachwuchs benötigen, der z.Zt. schwer zu rekrutieren ist.
4. Es kann eine Ansprache von Personen gewährleistet werden, die sich zunächst beruflich nicht verändern wollen, sich dann aber aufgrund eines innovativen Auswahlverfahrens interessiert zeigen.
5. Die Testteilnehmer können selbst entscheiden wann sie die Tests durchführen. Es ist eine Anpassung an den persönlichen Biorhythmus und die individuelle Leistungsfähigkeit möglich.
6. Die Tests können jederzeit unterbrochen und weitergeführt werden.
7. Der Bewerber erhält durch die Art der Aufgabenstellung der Tests einen Einblick in die Aufgabenbereiche der ausgeschriebenen Stelle.
8. Die Tests können an jedem Ort der ganzen Welt durchgeführt werden. Dadurch sind hohe Kosteneinsparungen gegeben, da der Bewerber nicht zum Unternehmenssitz reisen muss.
9. Es ist eine einfache und schnelle Ansprache auch von internationalen Bewerbern möglich.
10. Es ergeben sich Zeit- und Kostenvorteile bei der Bewerberabwicklung.
11. Es ist eine schnelle, standardisierte Rückmeldung an die Bewerber möglich.
12. Die Internet-Tests können als Maßnahme gegen die Bewerberschwemme genutzt werden, die sich aufgrund der fehlenden monetären Kosten bei einer Online Bewerbung ergeben kann. Für einen Bewerber geht es oft schneller, sich auf eine Internet Anzeige zu bewerben, als sie ausführlich zu studieren. Der Test kann somit als Selbstselektion dienen, da sich Kosten seitens des Bewerbers durch Testzeit und Mühe ergeben. Demgemäss machen nur wirklich Interessierte die Tests.
13. Es kann eine Umbewerbungsmöglichkeit angeboten werden, d.h. bei Nicht-Passung zum Anforderungsprofil wird ein Abgleich mit anderen offenen Stellen getroffen.
14. Überdies ergibt sich für interne Mitarbeiter die Möglichkeit einer risikofreien Vortestung bei Bewerbung auf eine interne Stellenausschreibung oder platzbegrenzte Personalentwicklungsmaßnahme. Dieses Vorgehen kann einem möglichen Gesichtsverlust bei einer Ablehnung entgegenwirken. Zudem erhält der Bewerber eine bessere persönliche Information bezüglich der Passung zu vorhandenen PE-Angeboten. Für Unternehmen ergibt sich die Chance Personalportfolios als Grundlage strategischer Personalarbeit zu erstellen.

3.2.2.2. Nachteile und Grenzen von Internet-gestützten Testverfahren

Internet-basierte Testverfahren haben aber auch ihre Grenzen, die zur Verzerrung von Testergebnissen führen können. Mögliche Störvariablen werden hier kurz aufgezeigt (Punkt 1-5 vgl. Wild et al., 2001; Wottawa, 2001):

1. Es gibt keine Sicherheit, ob der Testteilnehmer die Aufgaben alleine löst oder beispielsweise in der Gruppe.
2. Testergebnisse können schnell bekannt werden und sich leicht herumsprechen.
3. Bei Fragebogenskalen können Antworttendenzen in Richtung sozialer Erwünschtheit auftreten.
4. Es werden kaum ältere und unmoderne, dafür aber erfahrene Fachkräfte angesprochen, die Hemmungen haben, sich über das Internet zu bewerben.
5. Es können Kapazitätsprobleme auftreten, wenn sich zu viele Personen auf einmal einloggen, um den gleichen Test bearbeiten zu wollen. Demzufolge kann es zu langen Warte- und Ladezeiten kommen, die möglicherweise Frustrationen evozieren.
6. Ferner können lange Ladezeiten und damit einhergehende mögliche Frustrationserlebnisse aufgrund der unterschiedlich leistungsfähigen Datenübertragungstechniken entstehen. Somit führen die Probanden die Tests nicht unter gleichen Bedingungen durch.

Einige der oben angesprochenen Kritikpunkte können durch entsprechende Maßnahmen gemildert werden. So können beispielsweise „geschützte Verfahren“ - bei denen ein Kennwort zum einloggen benötigt wird - eingesetzt werden, um dem schnellen Bekannt werden von Testlösungen entgegen zu wirken (vgl. Punkt 1)(Wild et al., 2001).

Die in Punkt drei benannte Kritik kann nach den Ergebnissen einer Studie von Joinson (1999) teilweise entkräftet werden. In dieser Untersuchung fand er heraus, dass Online-basierte Fragebögen ehrlicher und weniger sozial erwünscht beantwortet werden als paper and pencil Fragebögen. Dies treffe besonders dann zu, wenn die Daten anonym behandelt würden.

Wottawa (2001) weist darauf hin, dass wegen der möglichen Verzerrung der Testergebnisse bei Bewerbern nur eine Negativ-Selektion angezeigt ist. Schlechte Ergebnisse würden auch schlechte Eignung nahe legen, aber gute Ergebnisse nicht unbedingt eine gute Eignung. Auch Wild et al. (2001) sprechen sich dafür aus, dass Internet-Tests nicht als alleiniges Auswahlkriterium angesehen werden sollten. Bei widersprüchlichen Ergebnissen zu biografischen o.a. Daten, solle der Test in der Endauswahl wiederholt werden.

Internetbasierte Tests für sich allein reichen nicht aus, um dem Unternehmen eine optimale Auswahlentscheidungsgrundlage zu bieten (Fontaine, et al., im Druck). Ihre wahre Leistungsfähigkeit könnten sie nur in Kombination mit anderen, auch Face-to-Face Komponenten beinhaltenden Verfahren zeigen (ebd., S.1). Gerade die Berücksichtigung von Face-to-Face Komponenten sei bei Personalauswahlprozeduren sehr wichtig, da der zukünftige Mitarbeiter in die vorherrschende Organisationskultur passen soll. Dazu müsse auch die Chemie zwischen dem Bewerber und dem zukünftigen Arbeitgeber stimmen. Und diese könne nicht mit Hilfe von Online-Tests erhoben werden (vgl. auch Kap. 3.2.3).

Zusammenfassend kann betont werden, dass Internetgestützte Testverfahren effiziente und kostengünstige Hilfen für die Personalauswahl bieten, ihr Einsatz aber nur in Verbindung mit zusätzlichen Auswahlmethoden sinnvoll ist. „Der Schwerpunkt der Online-Anwendungen dürfte maßgeblich bei der Vorauswahl und der Kontaktanbahnung liegen“ (Wagner, 1999, S. 587).

3.2.2.3. Online-Assessment-Center

Online- oder Internet-Assessment-Center (im folgenden Online-AC abgekürzt) sind eine Serie mehrerer Internet-basierter Tests, welche verschiedene Fähigkeiten der Bewerber erfassen sollen. Obwohl Autoren darauf hinweisen, dass sich die Kosten bei Online AC´s im Vergleich zu klassischen AC´s auf ca. 200 Mark pro Bewerber reduzieren würden (vgl. Mest, 2001) soll mit diesem Verfahren das herkömmliche Assessment-Center[3] nicht ersetzt werden. Dieses ist nach Obermann und Schiel (2001) vor allem aus dem Grunde nicht machbar, weil nicht kontrollierbar ist, ob z.B. ein Bewerber einen Postkorb im Internet im Kreise seiner Freunde oder alleine das Ganze zum fünften Mal löst. Im Focus stehe vielmehr ein Vortesten. Dadurch können Bewerber direkt ein Feedback über ihre Testleistung bekommen und erhalten somit mehr Kontrolle über ihre Web-Bewerbung. Für die Unternehmen entstehe durch das Online-AC der Vorteil, nicht mehr unkontrolliert mit einer hohen Quantität, aber schlechten Qualität von Bewerbungen überhäuft zu werden (ebd.)

Online-AC können verschiedene Formen annehmen. So weist Starcke (1996) darauf hin, dass einige Unternehmen Online-Bewerbungen in Profil Datenbanken speichern, auf welche die Recruiter zurückgreifen können, indem automatisch nach spezifischen Daten der Bewerber gesucht werden kann. So entwickeln auch viele Unternehmen ein sogenanntes Kompetenzmodell, dass wichtige Kernkompetenzen der neu zu besetzenden Stelle definiert. Dieses Modell dient der Bedarfsklärung, und dient der Auswahl von entsprechenden Tests aus einem Testpool. Das Online-Potenzialmanagementsystem PERLS[4] bietet diese Möglichkeit.

PERLS´ inhaltliches Kernstück bilden derzeit ca. 70 psychodiagnostische Testverfahren aus den Bereichen kognitive Fähigkeiten, soziale Kompetenzen, Management Kompetenzen und Motivation (Fontaine et al., im Druck), welche die im Kompetenzmodell von der Siemens AG[5] definierten Kernkompetenzen erfassen können. Die Internet-basierten Tests bestehen zum Teil aus situativen Fragebögen und Leistungstests mit Spielcharakter, die wissenschaftlich fundiert sind. PERLS wird zur Zeit für die Bereiche Personalmarketing, Personalrecruiting und Personalentwicklung eingesetzt.

3.2.3. Kommunikationspsychologische Aspekte bei Online-Assessment-Center

Eine oft auftauchende Kritik an Online-AC´s ist der fehlende Face-to-Face Bezug (vgl. Punkt 3.2.1.2), der ein wesentlicher Bestandteil von klassischen AC´s ist. Hierbei werden die Bewerber in Rollenspielen, Interviews, Gruppendiskussionen o.a. sozialen Situationen beobachtet, wobei die Teilnehmer im Verbund mit anderen Personen diskutieren oder ein Problem lösen sollen. Diese Übungen dienen u.a. dazu die kommunikativen Kompetenzen der Bewerber zu erfassen.

So sollen beispielsweise in einigen Online-AC´s (vgl. z.B. www.cyquest.de oder www.sqt.siemens.de) die Teilnehmer im Zusammenspiel mit anderen Personen spezifische Aufgaben lösen, bei denen es u.a. um Diskussionsrunden in Chatform[6] geht. Mit dieser Methode wollen die Beobachter die kommunikative Kompetenz der Teilnehmer erfassen.

Es stellt sich die Frage, ob mit diesen virtuellen Übungen ähnliche Aspekte erfasst werden können, wie mit den klassischen AC-Übungsbausteinen.

Sicherlich können nicht dieselben Aspekte beobachtet werden, die unter Face-to-Face Gesichtspunkten erhoben werden könnten, wie der persönliche Eindruck oder die Wirkung der Stimme. Doch weisen Frindte und Köhler (1999) darauf hin, dass computervermittelte Kommunikation (CMC[7] ) - und dazu zählen Diskussionen im Netz – sich zwar von Face-to-Face Kommunikation abgrenzt, jedoch Medien (wie der PC oder das Internet) keineswegs kommunikativ neutral seien. Sie hätten vielmehr Einfluss auf den vermittelten Inhalt und die Beziehung der Kommunikationspartner.

Dies ist ein wichtiger Aspekt, um sich näher mit kommunikationspsychologischen Aspekten bei Online-AC´s zu beschäftigen. Deshalb werden nachfolgend einige Theorien zur computervermittelten Kommunikation (CMC) dargestellt. Einen ausführlicheren Überblick geben Frindte und Köhler (1999) bzw. Döring (1997 und 1999).

3.2.3.1. Computervermittelte Kommunikation (CMC)

Döring (1997) sieht in der Face-to-Face-Situation (bzw. Body-to-Body-Situation) die „Grundform der zwischenmenschlichen Kommunikation“, bei der „die KommunikationspatnerInnen zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammenkommen (Kopräsenz) und in einem wechselseitigen Verständigungs- und Aushandlungsprozess verbale und nonverbale Botschaften austauschen. Potentiell sind dabei alle Sinnesmodalitäten (sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen) involviert“ (S.268). Durch die Kommunikationsmedien wie Telefon, Brief, Telefax, E-Mail u.a. seien diese Einschränkungen aufgehoben.

Döring (1997) unterscheidet zwei Formen der Telekommunikation:

a) asynchrone Telekommunikation: Hier werden Botschaften aufgezeichnet oder aufgeschrieben, zeitlich verzögert zum Adressaten gesendet und erst dann empfangen: Dazu zählen u.a. Briefe, E-Mail, Telefax, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter etc.
b) synchrone Telekommunikation: Hierbei handelt es sich um eine wechselseitige Kommunikationsverbindung, wobei die Kommunikationspartner zur gleichen Zeit aktiv sind. Es liegt eine unmittelbare Rückkopplung vor, wie beim telefonieren, chatten, Videokonferenzen halten u.ä.

CMC ist als eine nach technischen Kriterien abgrenzbare Form der medial vermittelten Telekommunikation zu verstehen. CMC kann sowohl der asynchronen (E-Mail, Mailinglisten, Newsgroups) als auch der synchronen Telekommunikation (Chat u.ä.) zugeordnet werden.

Frindte und Köhler (1999) verstehen unter CMC „die Kommunikation, bei der mindestens zwei Individuen in einer nicht Face-to-Face-Situation durch die Anwendung eines oder mehrerer computerbasierter Hilfsmittel miteinander in Beziehung treten“ (S.143).

An diesen Definitionsversuchen wird deutlich, dass es sich bei CMC um einen weiten Begriff handelt, der nicht genau eingegrenzt werden kann.

Anknüpfend werden beispielhaft drei Theorien zur computervermittelten Kommunikation angerissen, die unterschiedliche Aussagen darüber machen, wie das Kommunizieren im Netz das Verhalten und Erleben der Personen beeinflusst.

3.2.3.1.1. Social Presence Theory

Die „Social Presence Theory” wurde von Short, Williams und Christie (1976) entwickelt. Social Presence bezeichnen sie als ein Gefühl, dass auch andere Personen in der kommunikativen Interaktion involviert sind. Das Gefühl für die soziale Anwesenheit anderer sei abhängig von der Anzahl der Kanäle[8], über die das jeweilige Medium verfügt. Je weniger Kanäle vorhanden seien, desto weniger sei man sich der Präsenz anderer Personen bewusst und desto unpersönlicher laufen die Interaktionen ab. CMC erfolgt in erster Linie über Text. Andere visuelle Eindrücke, wie z.B. Bilder oder auditive und taktile Informationen fehlen fast vollständig. Mit der Beschränkung auf wenige Kanäle verfügt diese Kommunikationsform somit über eine geringe Social Presence. Daraus resultiert, dass die Interaktionspartner nicht bewusst als Personen, die z.B. durch Worte verletzt werden können wahrgenommen werden. Aufgrund dieser Aspekte gelte CMC als unpersönlicher und aufgabenorientierter als Face-to-Face Kommunikation.

Frindte und Köhler (1999) sehen die Leistung dieses „einfachen Erklärungsmodells“ (S.148) darin, dass es erklären kann warum Kommunikation über Computer unpersönlicher, ungehemmter und unhöflicher ist, als unter Face-to-Face-Bedingungen.

[...]


[1] zur Geschichte des Internets vgl. Musch, 2000

[2] prognostische Validität, syn. prädikative Validität:

Für Eignungstests ist dies die wichtigste Form der Kriteriumsvalidität. Können die Werte des Außenkriteriums (beispielsweise Werte, die Berufserfolg repräsentieren, etwa Verkaufsziffern oder Gehaltswachstum) erst zu einem späteren Zeitpunkt gemessen werden als die Ergebniswerte des diagnostischen Instruments (z.B. Werte aus dem AC, die Berufseignung repräsentieren), so spricht man von prädikativer Validität. Hierbei stellen die zeitlich früher erhobenen Ergebniswerte eine Vorhersage der später gemessenen Kriteriumswerte, also zukünftigen Verhaltens bzw. zukünftiger Leistungen, dar.

[3] Der Begriff Assessment-Center bezeichnet die Zusammenfassung einer Menge verschiedener diagnostischer Instrumente, die sowohl kognitive als auch instrumentelle Fähigkeiten von Probanden erfassen und in ihrer Gesamtheit ein breites Bild der Bewerber geben (Hossiep, 1994). Neben dem Einsatz in der Personalauswahl wird das Assessment-Center vorrangig zur Rekrutierung von Führungskräften aus den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens eingesetzt (Potentialbeurteilung). Das Verfahren, das heute als Assessment-Center bezeichnet wird, steht in der Tradition der Arbeitsproben und wurde zuerst bei der Auswahl von Offiziersbewerbern in der Deutschen Wehrmacht eingesetzt.

Einen wichtigen Baustein eines jeden AC´s stellt die Postkorbaufgabe dar. Die zu bearbeitenden Schriftstücke haben einen konkreten Bezug zu der Tätigkeit, für die eine Auswahl getroffen werden soll. Bei dem Postkorb-Verfahren soll der Bewerber eine Reihe von Aufgaben, eines mit Schriftstücken gefüllten Eingangpostkorbes, in einer vorgegeben Zeit bearbeiten. Dazu gehört beispielsweise die Bearbeitung von Aktenvermerken, Notizen von Vorgesetzten und Kollegen, Briefen, Besprechungen etc. Aber auch Mitarbeitergespräche, Konfliktgespräche, Präsentationen, Tests und Gruppendiskussionen zählen zu den Bestandteilen eines AC´s.

[4] https://www.e-perls.de/

[5] http://www.siemens.de

[6] Chat = virtueller Kommunikationsraum, die Unterhaltung erfolgt meist über Eingabemedien wie Tastatur

[7] CMC = computer –mediated communication

[8] gemeint sind die physikalischen Kanäle: taktil, visuell, auditiv, olfaktorisch (riechen)

Details

Seiten
91
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832454210
ISBN (Paperback)
9783838654218
DOI
10.3239/9783832454210
Dateigröße
833 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – unbekannt
Erscheinungsdatum
2002 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
internet-assessment-center psychologische tests testkonstruktion testverfahren
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Titel: Die internet-gestützte Testung von sozialen Kompetenzen