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Customer Relationship Management bei Energieversorgungsunternehmen in einem liberalisierten Energieversorgungsmarkt

©2001 Diplomarbeit 126 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 29.04.1998 wurde die Liberalisierung des Stromversorgungsmarktes in der BRD durch die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes eingeleitet. Anders als in den restlichen Staaten der Europäischen Union, hat Deutschland „weltweit das höchste Maß an Liberalisierung gewählt und die kürzeste Schrittfolge“.
In Deutschland wurde auf die Einrichtung einer Regulierungsbehörde verzichtet und die Bedingungen für die Stromdurchleitung bzw. die Netznutzung durch die Verbändevereinbarungen I u. II geregelt. Die konkrete Ausgestaltung der Netznutzung durch Dritte wurde von den drei Verbänden der Wirtschaft vereinbart, die die Richtlinien für die Netzzugangsbedingungen und -entgelte für die Durchleitung in der Verbändevereinbarung festgelegt haben. Die folgenden Wirtschaftsverbände waren an der Vereinbarung beteiligt: Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V. (VDEW), Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (BDI) und der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK). „Erklärtes Ziel der Verbände ist es, die Vereinbarung einfacher, transparenter, börsenfähig, europakompatibel und wettbewerbsfähig zu gestalten“.
Die Monopolstellung der EVU in den ihnen ursprünglich zugeteilten Versorgungsgebieten wurde hierdurch, mit einer geringen Übergangsfrist, in kürzester Zeit vollständig aufgehoben. Die EVU stehen somit untereinander im direkten Wettbewerb um den Kunden.
Durch die Liberalisierung hat der Kunde seitdem die Möglichkeit seinen Lieferanten frei zu wählen und ist nun nicht mehr zwangsläufig an sein Energieversorgungsunternehmen (EVU) gebunden. Zu den bereits etablierten Unternehmen drängen weitere ausländische Unternehmen sowie Nischenanbieter auf den Markt, die um Marktanteile in einem stagnierenden Stromversorgungsmarkt kämpfen.
Durch die enorm abnehmenden Margen bei nur sehr moderat steigendem Energieverbrauch steigt der Druck zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, z. B. durch die Optimierung von Prozessen. „Die Geschäftsleitungen der meisten Energieversorgungsunternehmen sind sich darüber im klaren, dass sie nur durch den Abbau des in den Monopoljahren aufgeblähten Personals, durch das Angebot von wettbewerbsfähigen Dienstleistungen und durch die Optimierung ihrer Strukturen und Abläufe bestehen können.“
Die Kundenbindung bzw. Kundengewinnung steht nunmehr im Mittelpunkt der Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten und sind für jedes EVU überlebensnotwendig. Durch die Umsetzung der gesetzlichen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wettbewerbsstrategien für EVU im liberalisierten Energiemarkt
2.1 Ausgangssituation für EVU
2.2 Positionierung und Zielsetzungen im Strom-Wettbewerb
2.3 Marktsegmentierung
2.4 Produkt- und Dienstleistungsstrategien

3 Customer Relationship Management bei EVU
3.1 Definition des Customer Relationship Management
3.2 Call Center als CRM-Komponente
3.2.1 Einsatzgebiete und Aufgabenschwerpunkte bei einem EVU
3.2.2 Inbound
3.2.3 Outbound
3.3 E-Commerce als CRM-Komponente
3.3.1 Definition von E-Commerce
3.3.2 Formen des E-Commerce
3.3.3 Wirtschaftliche Bedeutung des E-Commerce
3.3.4 Inhaltliche Gestaltung des Internet-Auftritts
3.3.5 Optimierungspotential von Geschäftsprozessen

4 Konzeption eines Customer Relationship Management Systems
4.1 Die Branchenlösung SAP IS-U/CCS
4.2 CRM Komponenten in SAP IS-U
4.2.1 Einsatz des SAP IS-U/CIC im Service Center
4.2.2 IS-U Self-Service Szenarien
4.2.3 SAP Business Workflow bei EVU
4.3 Einführung eines integrierten CRM Systems für EVU
4.3.1 Einsatzbereiche von CRM und IS-U/CCS
4.3.2 SAP CRM Geschäftszenarien
4.3.2.1 Call Center und Service Center
4.3.2.2 Internet
4.3.2.3 Vertrieb
4.3.2.4 Technischer Service
4.3.3 CRM IT-Architektur

5 Befragung zum Customer Relationship Management bei EVU
5.1 Durchführung der Befragung
5.2 Aufbau des Fragebogens
5.3 Auswertung und Analyse

6 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schritte der Marktsegmentierung

Abbildung 2: Segmentierung im Konsumgüterbereich

Abbildung 3: Segmentierungskriterien im Investitionsgüterbereich

Abbildung 4: Segmentierung der Mitglieder des Buying-Centers

Abbildung 5 : Produkt- und Dienstleistungsspektrum

Abbildung 6 : Aufgabengebiete in einem Service Center

Abbildung 7 : Inbound Kampagne

Abbildung 8 : Outbound Kampagne

Abbildung 9 : Marktsegmente des E-Commerce

Abbildung 10 : Dienste im Internet

Abbildung 11 : Leistungsumfang IS-U/CCS

Abbildung 12 : Customer Interaction Center (CIC)

Abbildung 13 : Bearbeitungsdauer von Tätigkeiten

Abbildung 14 : Workflow zur Tarifänderung

Abbildung 15 : Workflow Sperren/Wiederinbetriebnahme (WIB)

Abbildung 16 : Einsatzbereiche CRM/IS-U und Schnittstellen

Abbildung 17 : CRM IT-Architektur

Abbildung 18 : Funktion der Befragten bei EVU

Abbildung 19 : Rechtsform der EVU

Abbildung 20 : Umsatz der antwortenden EVU Teil 1

Abbildung 21 : Umsatz der antwortenden EVU Teil 2

Abbildung 22 : Mitarbeiteranzahl der EVU

Abbildung 23 : Verbundform der EVU

Abbildung 24 : Definition von CRM

Abbildung 25 : Bedeutung von CRM bei EVU

Abbildung 26 : Bedeutung von CRM in Bereichen bei EVU

Abbildung 27 : Leistungsparameter für die Kundenzufriedenheit bei EVU

Abbildung 28 : Mainframe

Abbildung 29 : Frontends

Abbildung 30 : Datenbanken

Abbildung 31 : Applikationssoftware

Abbildung 32 : E-Mail-System

Abbildung 33 : Server

Abbildung 34 : Status von CRM Projekten

Abbildung 35 : Gründe gegen den Einsatz einer CRM-Lösung

Abbildung 36 : Unterstützung von Geschäftsprozessen durch CRM

Abbildung 37 : Kriterien für die Auswahl des CRM-Systems

Abbildung 38 : Verantwortung für CRM-Entscheidungsprozesse

Abbildung 39 : Integration der CRM-Lösung in bestehende IT-Architektur

Abbildung 40 : Hardware beim CRM-System

Abbildung 41 : Berichtspflicht des CRM-Projektleiters

Abbildung 42 : Ziele der Einführung des CRM-Systems

Abbildung 43 : Arten der Erfolgsmessung

Abbildung 44 : Überlegung zur Einführung eines CRM-Managers

Abbildung 45 : Erwartung über Vorteile durch CRM-Lösung

Abbildung 46 : Erwartung von Technologieveränderungen

Abbildung 47 : Technologische/wirtschaftliche Herausforderungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Am 29.04.1998 wurde die Liberalisierung des Stromversorgungsmarktes in der BRD durch die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes eingeleitet. Anders als in den restlichen Staaten der Europäischen Union, hat Deutschland „weltweit das höchste Maß an Liberalisierung gewählt und die kürzeste Schrittfolge“[1].

In Deutschland wur die Einrichtung einer Regulierungsbehörde verzichtet und die Bedingungen für die Stromdurchleitung bzw. die Netznutzung durch die Verbändevereinbarungen I u. II geregelt. Die konkrete Ausgestaltung der Netznutzung durch Dritte wurde von den drei Verbänden der Wirtschaft vereinbart, die die Richtlinien für die Netzzugangsbedingungen und -entgelte für die Durchleitung in der Verbändevereinbarung festgelegt haben. Die folgenden Wirtschaftsverbände waren an der Vereinbarung beteiligt: Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V. (VDEW), Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (BDI) und der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK). “Erklärtes Ziel der Verbände ist es, die Vereinbarung einfacher, transparenter, börsenfähig, europakompatibel und wettbewerbsfähig zu gestalten“[2].

Die Monopolstellung der EVU in den ihnen ursprünglich zugeteilten Versorgungsgebieten wurde hierdurch, mit einer geringen Übergangsfrist, in kürzester Zeit vollständig aufgehoben. Die EVU stehen somit untereinander im direkten Wettbewerb um den Kunden.

Durch die Liberalisierung hat der Kunde seitdem die Möglichkeit seinen Lieferanten frei zu wählen und ist nun nicht mehr zwangsläufig an sein Energieversorgungsunternehmen (EVU) gebunden. Zu den bereits etablierten Unternehmen drängen weitere ausländische Unternehmen sowie Nischenanbieter auf den Markt, die um Marktanteile in einem stagnierenden Stromversorgungsmarkt kämpfen.

Durch die enorm abnehmenden Margen bei nur sehr moderat steigendem Energieverbrauch steigt der Druck zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, z. B. durch die Optimierung von Prozessen. „Die Geschäftsleitungen der meisten Energieversorgungsunternehmen sind sich darüber im klaren, dass sie nur durch den Abbau des in den Monopoljahren aufgeblähten Personals, durch das Angebot von wettbewerbsfähigen Dienstleistungen und durch die Optimierung ihrer Strukturen und Abläufe bestehen können.“[3]

Die Kundenbindung bzw. Kundengewinnung steht nunmehr im Mittelpunkt der Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten und sind für jedes EVU überlebensnotwendig. Durch die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen im Hinblick auf die Verbändevereinbarung II sowie die Anpassung an die veränderten Marktbedingungen werden tiefgreifende organisatorische Umstrukturierungen sowie Veränderungen in der Informationsverarbeitung erforderlich.

Die Bereiche Marketing und Vertrieb gewinnen in einem liberalisierten Marktumfeld an enormer Bedeutung und müssen entsprechend ausgebaut werden. Hierdurch entstehen auch erhöhte Anforderungen an eine effiziente EDV für die tägliche Abwicklung des Massengeschäfts in der Kunden-
betreuung sowie in der effektiven Unterstützung der Marketing- und Vertriebsprozesse eines EVU.

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit untergliedert sich in 5 Kapitel. Nach der Einleitung wird im Kapitel 2 die Ausgangssituation der EVU in einem liberalisierten Energiemarkt beschrieben. Hierbei werden mögliche Strategien im Hinblick auf die Positionierung und Zielsetzungen von einem EVU in einem liberalisieren Umfeld in Bezug auf das Marketing für die Kundenbindung und Kundengewinnung dargestellt. In diesem Zusammenhang wird Marktsegmentierung als Instrument des differenzierten Marketing zur Kundenansprache näher erläutert. Hierbei werden Strategien für die Segmentierung nach verschiedenen Kriterien dargestellt. Zur Durchführung einer Marktsegmentierung wird die empirische Bestimmung und Überprüfung von Marktsegmenten erörtert. Des weiteren werden unterschiedliche Produkt- und Dienstleistungsstrategien für EVU diskutiert. Die Strategien werden, neben den Kernenergiedienstleistungen, nach energienahen und energiefernen Produkt- und Dienstleistungen differenziert.

Im Kapitel 3 werden eingangs verschiedene Sichtweisen unterschiedlicher Personengruppen, die mit der Thematik CRM vertraut sind aufgezeigt und Definitionen zu CRM dargestellt. Im folgenden werden mit den CRM-Komponenten Call Center und E-Commerce die wichtigsten Bestandteile einer CRM Strategie eingehend diskutiert. Beim Call Center werden die Aufgabengebiete skizziert und mit der Darstellung des Prozesses einer Inbound und Outbound Kampagne die Aufgabenschwerpunkte für die Kundenbindung und -gewinnung beschrieben. Als weiterer wesentlicher CRM Bestandteil für EVU wird E-Commerce dargestellt. Neben einer Definition für E-Commerce werden die verschiedenen Formen erläutert und die wirtschaftliche Bedeutung sowie zukünftige Aussichten betrachtet. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Möglichkeiten für die inhaltliche Gestaltung des Internet Auftritts einer Internet Strategie von EVU beschrieben. Zuletzt wird das Optimierungspotential durch E-Commerce am Beispiel des Geschäftsprozesses Hausanschlusswesen bei EVU aufgezeigt.

Das Kapitel 4 beschreibt den Leistungsumfang der SAP Branchenlösung für Energieversorger IS-U/CCS. Hierbei wird der Funktionsumfang der Industrie- lösung für EVU und die betroffenen Bereiche in einem EVU als Abrechnungs- und Kundeninformationssystem aufgezeigt. Des weiteren werden bereits enthaltene CRM Komponenten bzw. Funktionalitäten von IS-U für den Einsatz im Call Center sowie für die Implementierung von Internetszenarien für EVU dargestellt. In diesem Zusammenhang werden die Möglichkeiten von SAP Business Workflow als Werkzeug und Bestandteil einer CRM-Strategie beschrieben. Anhand der Workflows Tarifänderung und Wiederinbetriebnahme/Sperrung wird das Optimierungspotential für die Geschäftsprozesse beispielhaft erläutert. Im folgenden werden die Schnittstellen zwischen der Industrielösung SAP IS-U und einem vollständig integrierten CRM System in einem EVU dargestellt. An dieser Stelle werden die CRM-Szenarien der SAP AG näher beschrieben. Abschließend wird die potentielle IT-Architektur eines integrieren CRM Systems bei einem EVU dargestellt.

Im Kapitel 5 wird eine durchgeführte Befragung zum Thema CRM bei EVU vorgestellt. Zu Beginn werden die Rahmenbedingungen für die Durch- führung der Befragung erläutert. Neben den Rahmenbedingungen wird auch der Aufbau des Fragebogens und die Schwerpunkte der Befragung genannt. Zum Abschluss des Kapitels erfolgt die Darstellung und Analyse der Befragungsergebnisse.

Im Kapitel 6 wird ein Fazit über die vorliegende Arbeit gezogen. In diesem Zusammenhang wird eine Analyse und Bewertung der dargestellten Inhalte im Hinblick auf einen ganzheitlichen Ansatz einer integrierten CRM-Strategie bei Energieversorgungsunternehmen durchgeführt.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es das Thema Customer Relationship Management als ganzheitlichen Ansatz bzw. Philosophie zu beschreiben. Der ganzheitliche Ansatz soll hierbei von der betriebswirtschaftlichen Strategie bis zur Implementierung eines entsprechenden CRM-Systems in der IT zur Realisierung und Unterstützung der betriebswirtschaftlichen Anforderungen im Hinblick auf ein effektives Kundenbindungs- und Kundengewinnungsmanagement bei EVU betrachtet werden. Hierzu soll eine durchgeführte Befragung zum Thema CRM bei EVU im Bezug auf die fachlichen Anforderungen an CRM und die Abdeckung der Funktionalitäten durch ein CRM-System in der IT einen tiefgreifenden Überblick über Customer Relationship Management bei EVU vermitteln.

2 Wettbewerbsstrategien für EVU im liberalisierten Energiemarkt

2.1 Ausgangssituation für EVU

Am 29.04.1998 wurde der Wettbewerb auf dem Strommarkt durch das Energiewirtschaftgesetz in Gang gesetzt. Dieses Gesetz beendete die bisherige Beschränkung des Wettbewerbs durch Demarkations- und Konzessionsverträge der Energieversorger[4]. Das Energiewirtschaftsgesetz sah hierbei eine vollständige Liberalisierung ohne definierte Übergangsfrist für eine stufenweise Liberalisierung vor. Zusätzlich hierzu wurden eine Reihe von staatlichen Wettbewerbsbeschränkungen aufgehoben, wie z. B. Markteintritts-, Investitions- oder Preisregulierungen im Energiemarkt.

Durch die Energieversorgungsunternehmen wurde vorrangig versucht die Sondervertragskunden und anschließend die Gewerbekunden außerhalb der ursprünglichen Versorgungsgebiete zu umwerben und neu hinzuzugewinnen. Die Belieferung eines Kunden durch einen Energieversorger und die Problematik der Einspeisung und Durchleitung des Stroms durch ein fremdes Netz wurde erst mit der Verbändevereinbarung II ausreichend geregelt, sodass nunmehr auch das Segment der Tarifkunden, die einen Anteil von ca. 25 % am gesamten Stromaufkommen in der BRD haben, von den Energieversorgern angegangen wurde. Seit Juli 1999 wurden hierbei aufwendige Werbekampagnen, wie z.B. Yello Strom, Avanza, etc. für die Gruppe der Tarifkunden durchgeführt.

Durch einen nahezu stagnierenden Strommarkt in Deutschland und die bestehenden Überkapazitäten in Europa führt der Wettbewerb zu Fusionen, Kooperationen und strategischen Allianzen. So haben sich, z. B., die regionalen Versorger HEVAG, EMO, MEVAG und OSE zur e.dis Energie Nord AG zusammengeschlossen. Der Höhepunkt dieser zunehmenden Entwicklung ist der Zusammenschluss zwischen der VEBA AG und VIAG AG zu Eon.

2.2 Positionierung und Zielsetzungen im Strom-Wettbewerb

Durch die Liberalisierung der Energiemärkte hat sich ein grundsätzlicher Wandel des Strommarktes ergeben. Bis zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zum April 1998 wurde der Kundenkreis durch das Gebietsmonopol des anbietenden EVU bestimmt. Eine Differenzierung fand nach der Abnahmemenge als Tarif- oder als Sondervertragskunde statt. Hierbei wurden Tarifkunden nach einheitlichen Tarifen und Sondervertragskunden nach standardisierten oder individuellen Sondervereinbarungen versorgt. Beide Gruppen können nun den Energieversorger frei wählen.

„Marktstrukturveränderungen im Industrie- und Dienstleistungssektor führen jedoch dazu, dass immer mehr Unternehmen feststellen müssen, dass Wettbewerbsvorteile vor allem durch Differenzierungs- bzw. Präferenzstrategien zu erzielen sind“.[5]

Das Thema CRM ist daher im Hinblick auf die Kundenbindung bestehender Kunden sowie die Gewinnung von neuen Kunden eine große Heraus-
forderung für die etablierten EVU als auch für neue Marktteilnehmer.

Für die Akquisition von neuen Kunden ist das Wissen über die Kunden-
bedürfnisse und Wünsche von hoher Bedeutung. Nur durch das Wissen über den Kunden kann eine auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Marketingstrategie bei EVU realisiert werden.

Der effektive Einsatz der Marketinginstrumente Produkt-, Kommunikation-, Distribution- und Preispolitik muss hierbei im Hinblick auf die Entscheidung zu einem undifferenziertem Marketing oder einer Segmentierungsstrategie getroffen werden.

Ein undifferenziertes Marketing ist hierbei ausgerichtet an die Standardanforderungen, die der Befriedigung von Bedürfnissen eines durchschnittlichen Kunden dienen. Bei einem derartigen Marketing wird dem Kunden, z.B. nur ein Produkt mit einem einheitlichen Preis angeboten.[6]

Als Alternative kann die Strategie der Segmentierung gewählt werden. Hier werden bestimmte Kundengruppen identifiziert und mit einer ent-
sprechenden Strategie angesprochen. Im folgenden werden verschiedene Marksegmentierungsstrategie dargestellt.

2.3 Marktsegmentierung

Das Ziel bei der Marktsegmentierung ist es eine Zerlegung des Strom-
marktes in mehrere Teilmärkte vorzunehmen, in denen die selektierten Kunden genauso homogen im Teilsegment reagieren als die Kunden im Gesamtstrommarkt. Die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden sollen hierbei in Gruppen aufgeteilt werden, sodass die identifizierten Gruppen hinsichtlich ihrer Anforderung möglichst ähnlich sind. Nach der Selektion der relevanten Segmente wird der Marketing Mix entsprechend ausgerichtet, sodass auf die Zielgruppen ein effizientes Marketing eingesetzt werden kann. Eine Marktsegmentierungsstrategie umfasst daher die folgenden drei Schritte, wie in Abbildung 1 dargestellt wird:[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schritte der Marktsegmentierung[8]

Eine erste Selektion der Marktsegmente kann durch die Nutzung von Strom für konsumtive und investive Zwecke vorgenommen werden. Hierbei fragen Haushalte vorrangig Strom als Konsumgut nach, wogegen Unternehmen Strom als Investitionsgut nachfragen.

- Segmentierung der Privatkunden[9]

Die Kriterien für die Selektion der Segmente im Konsumgüterbereich können nach allgemeinen Merkmalen des Kunden vorgenommen werden, z.B. sein Einkommen, Haushaltsgröße oder kaufverhaltsbezogene Merkmale wie, z.B. die nachgefragte Strommenge. Weiterhin können die beobachteten Merkmale nach der empirischen Erfassbarkeit unterschieden werden, d.h. ob es sich um direkt beobachtbare Einzelmerkmale, z.B. die Stromabnahmemenge, oder um abgeleitete komplexe Merkmale, z.B. die Einstellung eines Kunden gegenüber dem Produkt Strom handelt. Die verschiedenen Merkmale für die Segmentierung im Konsumgüterbereich werden in Abbildung 2 abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Segmentierung im Konsumgüterbereich[10]

Es existieren verschiedene Ansatzpunkte für die Segmentierung im Privatkundensegment, die im folgenden näher erläutert werden:

Segmentierung nach geographischen Kriterien[11]

Vor der Liberalisierung des Energiemarktes in der BRD wurden Versorgungsgebiete als Gebietsmonopol geographisch definiert. Die geographische Segmentierung ermöglicht die Marktsegmentierung von Stadtwerken und regionalen Versorgern zum Ziel der Kundengewinnung. Aufgrund dieser Kenntnis haben konkurrierende EVU die Möglichkeit eine Segmentierung der Kunden nach dem Wohnort vorzunehmen. Hierbei ist das traditionelle Energieversorgungsunternehmen bekannt. Ein preisaggressiver Stromanbieter hätte die Möglichkeit gezielt die Kunden anzusprechen, die bisher von einem hochpreisigen Anbieter in der Vergangenheit versorgt worden sind. Der Preis ist entsprechend das Kernargument einer Marketingstrategie, um neue Kunden zu gewinnen.

Segmentierung nach der Haushaltsgröße[12]

Ein weiteres Kriterium, um eine Segmentierung vorzunehmen sind soziodemographische Merkmale. Hierbei wird, z.B., eine Unterteilung in Singles und Familien vorgenommen. Eine solche Zweiteilung richtet sich nach der Stromabnahmemenge, die in einem direkten Zusammenhang zur Anzahl an Personen in einem Haushalt steht.

Segmentierung nach dem Verwendungszweck[13]

In der Regel existieren keine spezifischen Verwendungsanlässe für die Nutzung von Strom und eine stabile Stromversorgung von Seiten des EVU sollte gewährleistet sein. Ein Beispiel für einen konkreten Verwendungszweck ist die Nutzung von stromintensiven Geräten, wie z.B. der Nachtspeicherheizung. In diesem Fall besteht ein geändertes Nachfrageverhalten bzw. Lastprofil und eignet sich daher für eine Segmentierung bzw. für spezielle Angebote.

Segmentierung nach dem Nutzen[14]

Bei der Nutzen-Segmentierung (Benefit-segmentation) sollen die Erwartungen des Kunden beim Kauf bzw. Konsum von Strom erfüllt werden. Als Beispiel hierfür sei der Wunsch der Kunden nach umweltfreundlichen Strom genannt. Das Wissen des EVU über das Wertesystem des Kunden ist von großer Bedeutung um eine derartige Segmentierung vornehmen zu können.

Als Verfahren zur Messung des Wertesystems dient die Conjoint-Analyse (Conjoint Measurement) mit deren Hilfe der Beitrag einzelner Eigenschaften eines Stromangebotes zum Gesamtnutzen ermittelt werden kann.[15] Der Ausgangspunkt einer Conjoint-Analyse ist die Analyse individueller Nutzenvorstellungen der Kunden und die anschließende Aggregation der individuellen Ergebnisse, die dann in eine Nutzenstruktur einer Gruppe von Kunden resultiert.

- Segmentierung der Industriekunden[16]

Bei der Segmentierung von Kunden im Industriebereich kann eine Analyse der Kaufprozesse im Business-to-Busines-Bereich erfolgen. Den Ausgangspunkt der Analyse bilden die Merkmale des Unternehmens, z.B. Branche oder die Unternehmensgröße. Die umworbenen Kunden treten allerdings nicht als Unternehmen auf, sondern werden durch ihre Mitarbeiter repräsentiert, die durch Merkmale ihrer Persönlichkeit charakterisierbar sind.

Ein Überblick über die Kriterien zur Unternehmenssegmentierung wird in der Abbildung 3 wie folgt dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Segmentierungskriterien im Investitionsgüterbereich[17]

In diesem Zusammenhang sind die Kunden relevant, die durch ein Key-Account Management betreut werden. Es handelt sich hierbei um Großkunden, die aufgrund ihrer Abnahmemengen eine Verhandlungsposition bezüglich der Preise und Konditionen besitzen. Das erklärte Ziel eines effektiven Key-Account Managements ist die intensive Betreuung der selektierten Schlüsselkunden und eine umfassende Beziehungspflege. Neben der Strommenge qualifiziert sich ein Unternehmen als Key Account durch qualitative Kriterien, wie z.B. Imagewirkung, Meinungsbildnerfunktion, hoher Innovationsgrad, Wachstumspotential, Abwanderungsgefahr oder die Möglichkeit Zugang zu einer Einkaufsgemeinschaft (z.B. Ketten- oder Tochterunternehmen eines Konzerns) zu erlangen.

Im Anschluss an die Ausgliederung der Key-Accounts kann für die übrig gebliebenen Kunden im ersten Schritt eine Selektion der Kunden nach den entsprechenden Branchen vorgenommen werden. Im nächsten Schritt erfolgt eine Untersuchung der kaufspezifischen Merkmale, die dann in einem potentiellen Angebot für zusätzliche Dienstleistungen resultieren kann. Der dritte Schritt umfasst eine Analyse der Merkmale der verantwortlichen Person für den Strombeschaffungsprozess von Seiten des Kunden wie in Abbildung 4 aufgeführt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Segmentierung der Mitglieder des Buying-Centers[18]

Eine Segmentierung nach demographischen und sozioökonomischen Kriterien kann nicht immer sinnvoll sein und daher ist zu prüfen, ob eine Selektion nach der Funktion bzw. hierarchischen Position der am Beschaffungsprozess beteiligten Personen möglich ist.

„Die Erhebung und Nutzung abgeleiteter, komplexer und kaufverhaltensrelevanter Kriterien der Mitglieder des Buying-Centers bildet die beste Grundlage einer Segmentierung. Für ihre Ermittlung müssen gezielt Markforschungsdaten erhoben und ausgewertet werden. Geeignete und noch relativ leicht erfassbare Merkmale sind die von den Anwendern empfundenen Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung und des Erfüllungsgrades einzelner Anforderungen an Strom und Energiedienstleistungen.“[19]

- Empirische Bestimmung von Marktsegmenten

Für die Durchführung einer Marktsegmentierung in den betrachteten Gruppen, Privat-, Industrie- oder Gewerbekunden, ist es nicht ausreichend stichhaltige Segmentierungskriterien zu finden. Vielmehr muss das EVU in einem weiteren Schritt empirisch überprüfen, ob die Kunden tatsächlich in die vorgesehenen Gruppen einzuordnen sind. Dies erfolgt durch den Einsatz multivariater Analyseverfahren, wobei sich neben dem Conjoint Measurement insbesondere die Faktoren-, Cluster- und die Diskriminanzanalyse kombiniert einsetzen lassen.[20]

Es existieren eine Vielzahl von in Frage kommenden Segmentierungskriterien. In diesem Zusammenhang nimmt die Wahrscheinlichkeit mit der Anzahl der Kriterien zu, dass die Kriterien nicht unabhängig voneinander sind. Ein statistischer Zusammenhang kann durch den Einsatz der Faktorenanalyse für die Beurteilung einzelner Kriterien und möglichen übergeordneten Beurteilungsfaktoren herausgefunden werden[21].

In einem zweiten Schritt können die Kunden einer Clusteranalyse unterzogen werden, sobald die kaufentscheidenden Faktoren vorhanden sind[22]. Bei der Clusteranalyse handelt es sich um ein Verfahren zur Gruppenbildung. Grundlage für die Gruppenbildung sind die kaufentscheidenden Faktoren. Die identifizierten Gruppen, die aus dem beschriebenen Verfahren selektiert worden sind, bilden mögliche Marktsegmente, wobei die Kunden eines Segments überwiegend eine gleiche Struktur aufweisen und zwischen den einzelnen Segmenten möglichst geringe Ähnlichkeiten bestehen.

Im Anschluss an das Verfahren der Clusteranalyse stellt sich die Frage, ob Merkmale existieren, die zum einen leicht zu erfassen sind (z.B. demographische Merkmale), nach denen sich zum anderen aber auch alle nicht befragten Kunden einem Marktsegment eindeutig zuordnen lassen. Diese sogenannten „Außenkriterien“ können mit einer Diskriminanzanalyse bestimmt werden. In einer Diskriminanzanalyse wird untersucht, ob sich die identifizierten Marksegmente hinsichtlich soziodemographischer Merkmale unterscheiden und welche Kriterien besonders zu einer Segmentierung geeignet sind. Kriterien, die die repräsentierten Segmente besonders gut beschreiben, werden für die Auswahl des Segments verwendet.[23]

Durch die empirische Überprüfung in Frage kommender Segmentierungskriterien und deren Validierung der Tragfähigkeit der identifizierten Segmente wird sichergestellt, dass die Strategie der Marksegmentierung den angestrebten Erfolg erzielt.

2.4 Produkt- und Dienstleistungsstrategien

Bei dem Produkt Strom handelt es sich um eine Commodity, die als Ware kaum veränderbar bzw. verbesserungsfähig ist. Aus diesem Grunde nimmt der Preis einen hohen Stellenwert von Seiten der Kunden ein für die Auswahl des Energieversorgers, wie empirische Studien aus bereits liberalisierten Energieversorgungsmärkten zeigen. Daher ist ein wettbewerbsorientierter Preis von besonderer Bedeutung. Ein derartiger Preis ist aber nur bei Kostenführerschaft als Strategie erfolgreich durchzuhalten und ein reiner Preiswettbewerb führt unvermeidbar in einen Preiskrieg.[24]

Die Energieversorgungsunternehmen müssen daher versuchen eine Differenzierungsstrategie zu entwickeln, um sich von den Wettbewerbern abzuheben.

Das größte deutsche EVU, die RWE Energie AG in Essen, setzt in zunehmendem Maße auf Komplettangebote. Mit diesen Komplettangeboten soll eine hohe Kundenbindung, durch die langfristige Verzahnung mit der Wertschöpfungskette des Kunden, erreicht werden. Zu derartigen Komplettangeboten zählen auch Paketangebote für die Lieferung von Strom und Erdgas aus einer Hand. Rund zwei Drittel der Industriekunden zählen, laut RWE Energie, hierzu.[25] In Abbildung 5 ist das Produkt- und Dienstleistungsspektrum dargestellt mit dem das Kernprodukt Strom ergänzt werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 : Produkt- und Dienstleistungsspektrum[26]

- StromPlusDienstleistungen

Bei StromPlusDienstleistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die außerhalb der eigentlichen Basisleistung vom EVU ausgeführt werden. Die genannten Dienstleistungen teilen sich in die beiden Bereiche Komplett- und Paketangebote auf. Ein EVU tritt hierbei als Generalunternehmer auf, der nicht nur als Energielieferant fungiert sondern als Systemdienstleister. Das EVU wird dadurch fester Bestandteil in der Wertschöpfungskette des Kunden. Im folgenden seien einige Beispiele für Komplettangebote genannt:[27]

- Kälteservice
- GUD/Blockheizkraftwerk
- Enerieverteilungsanlagen (z.B. Transformatoren)
- Beleuchtung
- Energieverteilungsnetze (z.B. Mittelspanungsnetz)
- Wärmeservice

Die genannten Komplettangebote werden teilweise schon von Energieversorgungsunternehmen angeboten. Als Beispiel für derartige Angebote sei die RWE Energie AG, im folgenden näher beschrieben, die durch Komplettangebote für Eigenerzeugungsanlagen eine erhöhte Kundenbindung erreichen will.[28] Im März 1998 wurde ein Vertrag mit der Bayer AG zur Errichtung eines GUD-Kraftwerkes in Dormagen abgeschlossen. Hierbei wurde das 40 Jahre alte Braunkohlekraftwerk durch das moderne gasbetriebene Kraftwerk Mitte 2000 ersetzt. Beide Vertragspartner profitieren von dem Projekt in erheblichem Maße. Die Bayer AG kann durch die Abgabe der bisherigen eigenen Energieversorgungsaktivitäten eine Fokussierung auf die eigentlichen Kernkompetenzen vornehmen. Die RWE Energie profitiert bei diesem Projekt von der Intensivierung der Kundenbindung zur Bayer AG und der Erweiterung der eigenen Wertschöpfungstiefe durch die zusätzlichen Aktivitäten als Systemdienstleister.[29]

- Energienahe Dienstleistungen[30]

Bei Energienahen Dienstleistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die eng mit der eigentlichen Lieferung von Strom zusammenhängen. Hierzu gehören, z. B., die Vermietung, Reparatur, Wartung, Entsorgung und Recycling von Transformatoren. Andere Dienstleistungen liegen im Lastmanagement- bzw. Lastganganalyse für den Kunden. Eine Analyse der Verbrauchskurven von Seiten des EVU kann hierbei zu Empfehlungen für Energiesparmaßnahmen führen. Eine weitere Dienstleistung liegt in der zur Verfügungsstellung von zeitnahen Verbrauchsdaten für die Transparenz von aufgelaufenen Energiekosten.

Die Errichtung der Strombörsen in Leipzig und Frankfurt kann ebenfalls zu zusätzlichen Dienstleistungen von Seiten der EVU führen. Eine Anbindung des Strompreises für einen Versorgungsvertrag könnte hierbei variabel an die Entwicklung eines Strompreisindex am Spot bzw. Futures Markt der entsprechende Strombörse geknüpft sein. In diesem Zusammenhang könnte eine Meldung des EVU an den Kunden über erwartete Spitzenzeiten am Tag erfolgen, damit z.B. ein Industrieunternehmen eine Anpassung der Produktion vornehmen kann um Energiekosten zu reduzieren.

- Energieferne Dienstleistungen[31]

Viele Energieversorgungsunternehmen versuchen in neuen Betätigungs-feldern einen zusätzlichen Umsatz zu generieren. Schwerpunkt ist hierbei der Bereich der Telekommunikation und das Facility Management.

Das Facility Management kann in die drei Bereiche kaufmännische, infrastrukturelle und technische Dienstleistungen unterteilt werden. EVU haben ihre Kernkompetenzen tendenziell bei technischen Fragestellungen.

Damit eine EVU die gesamte Palette des Facility Management anbieten kann, müssen entsprechende Partner für die fehlende Kompetenzen gesucht werden.

- Sonstige Versorgunsleistungen

In diesem Zusammenhang sind weitere Energieträger, wie z. B. Erdgas, Öl oder Versorgungs- bzw. Entsorgungsleistungen denkbar. So umfasst das Leistungsspektrum der RWE Energie AG Telekommunikations-, Erdgas-, Strom-, Wasser- und Entsorgungsleistungen, der als Multi-Utility Ansatz bezeichnet wird[32].

3 Customer Relationship Management bei EVU

3.1 Definition des Customer Relationship Management

Der Begriff Customer Relationship Management wird von verschiedenen Personengruppen unterschiedlich betrachtet und in seinen Schwerpunkten bewertet. CRM wird, z.B. von Softwareentwickler, eher als eine technologische Herausforderung für die Integration von Data Mining oder CRM-Plattformen für die Behandlung aller Medien wie Telefon, Fax, E-Mail, etc. angesehen. Hingegen werden von Unternehmensberater als Heraus-
forderung die organisatorische Veränderungen durch die Einführung von CRM und deren Integration im Unternehmen gesehen. Managementberater haben hierzu die Auswirkungen von CRM auf die Unternehmensstrategie im Auge.

Bei Customer Relationship Management handelt es sich ursprünglich um ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, dass an den Universitäten von Atlanta, Cranfield und Stockholm entwickelt worden ist. Der Ursprung dieses neuen Konzeptes waren die zunehmenden Zweifel an der Gültigkeit des traditionellen Marketingansatzes sowie die wachsende Bedeutung von langfristigen Kundenbeziehungen.[33]

Eine mögliche Definition des Customer Relationship Management lässt sich wie folgt beschreiben: „Kundenbindungsmanagement ist die systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen“[34]

In der folgenden Definition wird der Aufbau einer persönlichen Kundenbeziehung herausgestellt und als wesentliches Merkmal gewertet:
„Customer Relationship Management handelt von dem Aufbau und dem Erhalt einer möglichst persönlichen Kundenbeziehung und von der Nutzung dieser Beziehung zum Vorteil des Kunden und des Unternehmens“[35]

Hierbei definiert Customer Relationship Management die Neuorientierung vom funktionalem, klassischen Marketing, das auf das Produkt und die Kundenakquisition fokussiert ist, hin zum ganzheitlichen Ansatz eines Marketing, das auf die Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen gezielt ist.[36]

Hierbei bauen CRM-Systeme auf der Erkenntnis auf, dass isolierte Lösungen für Vertrieb, Marketing und Service beziehungsweise Kundendienst nicht den gewünschten Erfolg bringen, weil hier oft Informationsverluste entstehen, die eine unternehmensweite Kundenorientierung blockieren.[37]

Die Firma AMR Research schätzt, dass der Customer Relationship Management Markt mit einer jährlichen Rate von über 50 % wächst. Der Marktwert wird von 1,2 Milliarden Dollar im Jahre 1997 auf 11,5 Milliarden Dollar im Jahre 2002 ansteigen.[38]

3.2 Call Center als CRM-Komponente

Das Call-Center spielt die wichtigste Rolle in einer integrierten CRM Strategie. Durch die hohe Anzahl an Mobiltelefonen hat das Call-Center für den Kunden große Vorteile für den Zugang zu einem Unternehmen. Die Herausgeber des „Call-Center Magazine“ definieren den Begriff Call Center wie folgt: „eine Abteilung, in der Anrufe in hohem Volumen getätigt oder entgegengenommen werden. Die Ursache des hohen Anrufvolumens sind Verkaufs- oder Marketingaktivitäten, Kundendienstleistungen, technische Unterstützung oder andere Geschäftsaktivitäten, die per Telefon abgewickelt werden können“.[39]

In Abbildung 6 sind die Aufgaben des Call/Service Center und der Prozessablauf von der eingehenden Anfrage bis zur Bearbeitung im Back Office modelliert.

Das Call Center soll hierbei die Masse an eingehenden Anfragen in 90 % der Fälle direkt abarbeiten. Den Agenten steht für jede einzelne Anfrage in der Regel nur maximal drei Minuten für die Bearbeitung zur Verfügung.[40] Für komplexere Fragestellungen wird die Anfrage des Geschäftspartners aufgenommen und an das Back-Office zur Bearbeitung weitergeleitet.

Zum Aufgabenspektrum des Call Centers gehört zukünftig auch die Durchführung von Kampagnen, z.B. zur Gewinnung von Neukunden, die klassischerweise in den Bereich Vertrieb fällt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 : Aufgabengebiete in einem Service Center

3.2.1 Einsatzgebiete und Aufgabenschwerpunkte bei einem EVU

3.2.2 Inbound

In Abbildung 7 wird ein Beispiel für eine Inbound Kampagne dargestellt. Eine derartige Kampagne kann über Werbungsspots in TV und Rundfunk durchgeführt werden. Ziel der Kampagne kann die Erhöhung des Bekanntheitsgrades des EVU oder die Akquisition von Neukunden durch die Einführung neuer Tarif und Dienstleistungen außerhalb Versorgungs-
gebietes des EVU sein. Aufgrund der durchgeführten Werbemaßnahmen durch den Bereich Vertrieb können Anfragen von Interessenten in Service Center/Call Center bearbeitet werden. Komplexe Versorgungsanfragen oder technische Detailfragen zum Hausanschlusswesen können, z.B. in das Back Office zur Bearbeitung abgegeben werden.

Eingehende Anfragen können hierbei über verschiedene Kommunikationskanäle, wie z.B. per E-Mail, Brief oder Telefon erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 : Inbound Kampagne

3.2.3 Outbound

In Abbildung 8 ist ein Beispiel für eine Outbound Kampagne und der Prozess hierfür modelliert. Bei einer derartigen Kampagne können anhand von vorhandener Kundendaten oder zugekaufter Daten Kundenzielgruppen identifiziert und selektiert werden. Zielgruppe könnte hierfür, z.B. der Single Haushalt mit einem bestimmten Jahresverbrauch sein, die über eine außerordentliche Wechselbereitschaft und über ein enormes Preis-bewusstsein verfügen. Diese Gruppe soll von einem EVU mit einem neuen Tarif angesprochen werden und hierzu soll eine Kampagne initiiert werden.

Zur Durchführung sollen alle Kommunikationskanäle, wie z.B. Internet,
E-Mail, Brief und Telefon genutzt werden. Zur Durchführung können Telephonlisten für das Call Center erstellt werden, die die Ansprache der selektierten Kunden per Telefon durchführen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 : Outbound Kampagne

Unter der Angabe der Service Telefonnummer werden eingehende Anrufe von Interessenten über das Call Center abgewickelt. Dies kann sich ebenfalls auf die Kommunikationskanäle Internet, E-Mail und Fax beziehen.

3.3 E-Commerce als CRM-Komponente

3.3.1 Definition von E-Commerce

Der Begriff E-Commerce umfasst alle Formen der Unterstützung bzw. Automatisierung der wirtschaftlichen Leistungskoordination. Hierbei wird der Begriff vor allem im Zusammenhang mit der digitalen Abwicklung von Geschäftsprozessen im gesamten Umfang der Wertschöpfungskette zwischen Unternehmen, Kunden und öffentlichen Einrichtungen im Internet verwendet.

Es existieren eine Vielzahl von Definitionen zu E-Commerce. Die folgenden Aussagen sind zwei Beispiele für die Begriffsdefinition: „E-Commerce bezeichnet die Ausnutzung der technischen Mittel elektronischer Datennetze, um die Wirtschafts- und Absatzpotentiale einer Unternehmung zu fördern und neue Absatzwege zu erschließen. Die Einzelziele erstrecken sich dabei von der Unternehmenskommunikation über die Wertschöpfungskette bis zum Verkaufsvorgang über alle Marktphasen.“[41]

„Das Wesen des Electronic Commerce ist die Integration von Wertschöpfungsketten mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie“[42].

3.3.2 Formen des E-Commerce

In der Fachliteratur und in der Praxis wird der E-Commerce in verschiedene Marktsegmente eingeteilt. Hierbei sind drei Gruppen, die Unternehmen (Business), die Kunden (Consumer) und die öffentlichen Stellen (Administration) beteiligt. Zwischen den Gruppen und auch innerhalb der Gruppen bestehen Geschäftsbeziehungen, die die unterschiedlichen Formen bzw. Marksegmente der E-Commerce darstellen.

In der folgenden Abbildung 9 sind die wesentlichen Marktsegmente des E-Commerce dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 : Marktsegmente des E-Commerce[43]

1. Business-to-Consumer: Schwerpunkt dieses Segments sind Marketing-/Vertriebsaktivitäten und Anwendungen, die sich direkt an den Endverbraucher wenden.
2. Business-to-Business: Hier reicht das Spektrum der EC-Anwendungen von Bestellsystemen über Auftragsverfolgung, Lieferung und Bezahlung bis hin zu Servicediensten und Konzepten wie kooperativer Entwicklung von Produkten und Schaffung von elektronischen Märkten.
3. Business-to-Administration: Diese Form beinhaltet den elektronischen Austausch von Dokumenten von Unternehmen mit öffentlichen Institutionen wie Finanzämter und Verwaltung- und Genehmigungs-
behörden im Rahmen beispielsweise grenzüberschreitender Geschäfte, öffentliche Ausschreibungen, Auftragswesen und die Übermittlung statistischer Daten.
4. Consumer-to-Administration: Vorstellbar sind hier kommerzielle, elektronisch gestützte Beziehungen zwischen Verbraucher/Bürger und öffentlichen Einrichtungen wie die Abwicklung von Steuererklärungen und Transferzahlungen, An- und Abmeldungen.
5. Consumer-Consumer: Auf Basis vorhandener elektronischer Marktpläze bzw. informatorischer Infrastrukturen wie Mailbox-Anbieter, kommerzielle Online-Dienste und nicht zuletzt dem Internet lassen sich für eine Vielzahl von EC-Anwendungen Potential finden, die wirtschaftliche Beziehungen zwischen Haushalten, beispielsweise durch elektronische Kleinanzeigenmärkte, bedienen.
6. Administration-to-Administration: Strittig ist, ob dieser Bereich dem EC zugerechnet werden kann. Prinzipiell sind hier Anwendungen denkbar, die eine Integration des Flusses von elektronisch verfügbaren Dokumenten über einzelne Behörden hinaus gewährleisten.[44]

3.3.3 Wirtschaftliche Bedeutung des E-Commerce

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts avanciert das Internet zum wichtigsten Massenmedium. Hierbei hat sich kein anderes Kommunikationsmedium in der Geschichte schneller entwickelt als das World Wide Web (WWW). Die Anzahl der User im Internet verdoppelt sich, nach einer Studie der International Data Corporation, alle 14 bis 19 Monate. Im Jahre 2000 wird ein Anstieg der Useranzahl auf 327 Mio. weltweit angenommen. Im Jahre 2005 sollen es 720 Mio. User sein.[45]

In diesem Zusammenhang hat Deutschland die größte Anzahl an Internet Domains; d.h. die Anzahl der Internetseiten, die auf die Endung „de“ enden. Hier ist im März 2000 die Zwei-Millionen-Grenze überschritten worden. Dies ist ein Indiz dafür, dass immer mehr deutsche Firmen ins Internet drängen, um hier präsent zu sein[46].

[...]


[1] Vgl. Köhler-Frost/Schulte, Seite 8

[2] Vgl. Köhler-Frost/Schulte, Seite 10

[3] Vgl. Köhler-Frost/Schulte (2000), Seite 19

[4] Vgl. Eickhoff (1998), Seite 437

[5] Vgl. Reinecke (1998), Seite 264

[6] Vgl.Becker (1992), Seite 214 ff. in Laker (2000)

[7] Vgl. Kleinaltenkamp (1999), Seite 665 in Laker (2000)

[8] Vgl. Kleinaltenkamp (1999) in Laker (2000), Seite 98

[9] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 100

[10] Vgl. Hammann/Palupski/von der Gathen (1998) in Laker (2000), Seite 100

[11] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 100

[12] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 101

[13] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 102

[14] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 103

[15] Vgl. Backhaus et al. (1996) in Laker (2000), Seite 103

[16] Vgl. Von der Gathen in Laker (2000), Seite 107

[17] Vgl. Hammann/Palupski/von der Gathen (1998), Seite 82

[18] Vgl. Kleinaltenkamp (1999) in Laker (2000), Seite 109

[19] Vgl. Kleinaltenkamp (1999) in Laker (2000), Seite 110

[20] Vgl. Kleinaltenkamp (1999) in Laker (2000), Seite 112

[21] Vgl. Backhaus et al. (1996) in Laker (2000), Seite 112

[22] Vgl. Backhaus et al. (1996) in Laker (2000), Seite 112

[23] Vgl. Backhaus et al. (1996) in Laker (2000), Seite 112

[24] Vgl. von der Gathen in Laker (2000), Seite 116

[25] Vgl. Junker (1998) in Laker (2000), Seite 119

[26] Vgl. Laker/Herr (2000), Seite 119

[27] Vgl. Laker/Herr (2000), Seite 121

[28] Vgl. Laker/Herr (2000), Seite 122

[29] Vgl. (2000), Seite 123

[30] Vgl. (2000), Seite 124

[31] Vgl. Laker (2000), S. 126

[32] Vgl. www.rwe.de

[33] Vgl. Rapp (2000), Seite 42 ff

[34] Vgl. Bruhn/Homburg (1999), Seite 8

[35] Vgl. Wehrmeister (2001), Seite 16

[36] Vgl. Rapp (2000), Seite 42 ff

[37] Vgl. Schwetz (2000), Seite 25

[38] Vgl. Muther (1999), Seite 47

[39] Vgl. Hoffmann/Mertiens (2000), Seite 130

[40] Vgl. Vortrag Helnerus (2000)

[41] Vgl. Fochler/Perc/Ungermann (1998), Seite 23

[42] Vgl. Illik (1999), Seite 18

[43] Vgl. Müller/Schoder (1999), Seite 79

[44] Vgl. Müller/Schoder (1999), Seite 85

[45] Vgl. Studie Unternehmensberatung Mummert + Partner, Seite 3

[46] Vgl. Fokus Studie der Online Kommunikation, in Studie Mummert + Partner, Seite 3

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832450700
ISBN (Paperback)
9783838650708
DOI
10.3239/9783832450700
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule – Informatik
Erscheinungsdatum
2002 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
kundenbindung
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Titel: Customer Relationship Management bei Energieversorgungsunternehmen in einem liberalisierten Energieversorgungsmarkt
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