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Der Einfluss der Digitalisierung auf die Entertainmentindustrien am Beispiel der Musikwirtschaft

©2001 Diplomarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die fortschreitende Digitalisierung stellt die zentralen Bedingungen der wirtschaftlichen Verwertung von Informationsgütern grundsätzlich in Frage und erleichtert im hohen Umfang das unautorisierte Kopieren von digitalen Originalen. Insbesondere die internationale Musikindustrie ist von dieser Entwicklung stark betroffen – zum einen durch die zunehmende Verbreitung von CD-Brennern, zum anderen durch die Distribution unautorisierter digitaler Kopien über Computernetzwerke mithilfe des offenen MP3-Standards und der sehr erfolgreichen Filesharing-Netzwerke. Im Jahr 2001 sind weltweit zum ersten Mal mehr Musik-CDs unautorisiert kopiert als gekauft worden. Die Vertreter der Musikindustrie sehen dadurch nicht nur ihre Firmenergebnisse sondern die Existenz ihrer gesamten Branche gefährdet.
Ökonomisch stellt sich angesichts dieser Entwicklungen die Frage, ob unautorisiertes Kopieren tatsächlich die Anzahl der verkauften Entertainmentgüter und damit das Umsatzpotenzial und die Gewinnmöglichkeiten der Hersteller verringert. Welchen langfristigen Nettoeffekt hat die Digitalisierung auf die internationale Musikindustrie? Und wie wird diese Industrie in der nahen Zukunft strukturiert sein?
Gang der Untersuchung:
Die Arbeit widmet sich diesen Fragen in fünf Kapiteln. Kapitel A dient der Darlegung der Problemstellung und der ökonomischen Einordnung der Thematik. Kapitel B charakterisiert und analysiert die internationale Musikindustrie anhand des industrieökonomischen Structure-Conduct-Performance-Paradigmas. Es wird gezeigt, welchen besonderen Gesetzmäßigkeiten die Nachfrage nach Musik folgt und welche speziellen wettbewerblichen Marktstrukturen in der internationalen Musikindustrie herrschen.
Das Kapitel C widmet sich der mikroökonomischen Fundierung der Effekte der Digitalisierung auf die Nachfrage nach autorisierter und unautorisierter Recorded Music. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Arbeiten einer Reihe von Ökonomen, die positive Effekte des unautorisierten Kopierens von Informationsgütern auf die Gewinne ihrer Produzenten hervorheben. Anschließend werden zwei eigene Ansätze vorgestellt. In der Untersuchung wird deutlich, dass die Bedrohung der Musikindustrie durch die Digitalisierung von der Theorie bestätigt wird - und nicht etwa nur das Menetekel der als profitorientiert und zugleich innovationsscheu geltenden Plattenfirmen ist.
Zumindest kurz- und mittelfristig hat die Digitalisierung einen negativen Nettoeffekt […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4954
Bauckhage, Tobias: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Entertainmentindustrien am Beispiel
der Musikwirtschaft / Tobias Bauckhage - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Berlin, Universität, Diplom, 2001
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III
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... V
Abkürzungsverzeichnis ... VI
A.
Grundlegung ... 1
I.
Problemstellung ... 1
II.
Begriffskennzeichnung ... 4
1. Digitalisierung ... 4
2. Informationsgüter ... 5
3. Entertainmentindustrie ... 6
4. Copyright ... 7
III.
Abgrenzung zur herkömmlichen Reproduzierbarkeit ... 8
IV.
Beispiel der Musikindustrie ... 11
1. Gründe für die besondere Stellung der Musikwirtschaft ... 11
a. Neue Komprimierungstechnologien ... 11
b. Großes Digitales Angebot unautorisierter Musik ... 12
c. Hohe Internetaffinität der Musikkonsumenten ... 13
d. Geringe Kosten des Konsums digitaler Musik ... 14
2. Interessenskonflikt in der Musikwirtschaft ... 14
V.
Gang der Untersuchung ... 15
B.
Untersuchung der Musikwirtschaft ... 18
I. Einordnung der Analyse ... 18
II. Abgrenzung des betrachteten Marktes ... 19
III. Industrieökonomische Analyse der Musikwirtschaft ... 22
1. Rahmenbedingungen in der Musikwirtschaft ... 22
a. Nachfrage nach Musik ... 22
b. Angebot von Musik ... 32
2. Struktur der Musikwirtschaft ... 36
a. Konzentration des Marktes ... 37
b. Markteintrittsbarrieren ... 39

IV
c. Produktdifferenzierung ... 41
d. Vertikale Integration ... 41
3. Marktverhalten in der Musikwirtschaft ... 42
4. Marktergebnis in der Musikwirtschaft ... 44
C.
Ökonomische Theorie zum unautorisierten Kopieren ... 47
I. Literaturüberblick zur ökonomischen Theorie ... 48
1. Darstellung der grundsätzlichen Problematik ... 48
2. Theorie der Indirect Appropriability ... 49
3. Theorie der positiven Netzwerkeffekte ... 53
II. Industriespezifische Ansätze zum optimalen Kopierschutz ... 62
Ansatz1: Das Zwei-Perioden-Zwei-Generationen-Modell ... 62
Ansatz 2: Der Sampling-Effekt unautorisierter Kopien ... 67
III. Fazit zum optimalen Kopierschutz in der Musikindustrie ... 69
D.
Effekt der Digitalisierung auf die Industriestruktur ... 72
I. Veränderte Rahmenbedingungen in der Musikwirtschaft ... 73
1. Nachfrage nach digitaler Musik ... 73
2. Angebot von digitaler Musik ... 75
II. Veränderungen in der Struktur der Musikwirtschaft ... 78
1. Konzentration des Marktes ... 78
2. Markteintrittsbarrieren ... 79
3. Produktdifferenzierung ... 82
4. Vertikale Integration ... 82
III. Veränderungen im Marktverhalten der Musikwirtscha ft ... 86
IV. Veränderungen im Marktergebnis der Musikwirtschaft ... 90
E.
Ergebnis und Ausblick ... 95
Literaturverzeichnis ... 100

V
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Stilisiertes Abbild der Wertschöpfungskette
in der Musikindustrie ... 33
Abb. 2:
Aktuelle Marktanteile am internationalen Markt für
Recorded Music... 38
Abb. 3:
Marktergebnisse der fünf Majors im Geschäftsjahr 2000... 45
Abb. 4:
Neue Aufgabenbereiche in der Wertschöpfungskette von
digitalisierter Recorded Music ... 77
Abb. 5:
Aktuelle Konzentration in der internationalen Musikindustrie
als Reaktion auf die Digitalisierung ... 85
Abb. 6:
Umsatzprognose für den weltweiten Markt für
Online-Musik bis 2005 ... 94

VI
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AOL
America Online
A&R
Artists & Repertoire
BMG
Bertelsmann Music Group
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
CD
Compact Disk
CD-R
recordable Compact Disk
CD-ROM
Compact Disk Read Only Memory
DRM
Digital Rights Management
EBITA
Earnings before Interests, Taxes and Amortization
EBITDA
Earnings before Interests, Taxes, Depreciation and Amortization
E-Commerce
Electronic Commerce
et al
et alii
f.
folgende
ff.
fortfolgende
HMV
His Master's Voice
IFPI
International Federation of the Phonographic Industry
ISP
Internet Service Provider
LP
Langspielplatte
Majors
Major Labels
MP3
Motion Picture Experts 1, Layer 3, Dateiformat
MTV
Music Television
RIAA
Recording Industry Association of America
S-C-P
Structure-Coduct-Performance
SDMI
Secure Distribution of Music Initiative
USIC
United States Internet Council
Vgl.
Vergleiche
Vol.
Volume
WWW
World Wide Web

1
A. Grundlegung
I.
Problemstellung
Obwohl die Euphorie über die Verbreitung des Internets, die sogenannte New Economy und
die damit verbundenen neuen Informationstechnologien gegenwärtig etwas gedämpft
erscheint
2
, besteht kein Zweifel daran, dass diese technischen Innovationen weitreichenden
Einfluss auf die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesellschaft nehmen werden. Nach der
Ansicht einiger Autoren befinden wir uns mitten in der Transformation von der
Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft
3
, in der sich nicht nur die
Informationsströme und Geschäftsmodelle verändern sondern auch die Strukturen
zahlreicher Industrien. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften sind vor allem
Informationsgüter von diesen Veränderungen durch die Digitalisierung betroffen. Eine der
wichtigsten Industrien für Informationsgüter ist die Entertainmentindustrie .
4
An ihr lassen
sich derzeit eine ganze Reihe fundamentaler Veränderungen beobachten.
Digitalisierungstechnik, Computernetzwerke und neue Kommunikationstechnologien
verändern nachhaltig die Art, mit der Informationsgüter im allgemeinen und
Entertainmentgüter im speziellen produziert, verteilt, kontrolliert, veröffentlicht und
konsumiert werden. Sie heben deren räumliche und zeitliche Begrenzungen auf, so dass die
meisten Informationsgüter heute nahezu ohne Einschränkung zu jeder Zeit und von jedem
Ort über Computernetzwerke wie das Internet von vielen Personen gleichzeitig abrufbar
sind. Sie sind zudem in ihrer digitalen Form nicht mehr eng an ein physisches Trägermedium
gebunden und lassen sich zu marginalen Kosten ohne Qualitätsverlust reproduzieren.
Während die Digitalisierung auf der einen Seite die Produktion und Distribution von
Entertainmentgütern effizienter und effektiver gestaltet, und damit die Kosten der
Produzenten senkt, bringt sie auf der anderen Seite die Nutzer dieser Güter in Konflikt mit
den z.Zt. geltenden Gesetzen und Mechanismen zum Schutz der Urheberrechte.
2
So betitelte z.B. die Wirtschaftswoche ihre Ausgabe vom 11. Januar 2001 mit ,,New Economy: Rette sich wer
kann!" und leitete den dazu gehörigen Artikel ein mit: ,,Nach dem Absturz der High-Tech-Werte am Neuen
Markt kämpft die New Economy ums Überleben..."; ähnliche Aussagen fanden sich auch auf den Titelbildern
internationaler Wirtschaftsmagazine.
3
Vgl. z.B. Haefner (1984), S. 13
4
Eine genaue Abgrenzung der Begriffe Entertainmentindustrie und Informationsgüter folgt im nächsten
Abschnitt auf S. 4 f..

2
Die Digitalisierung bedeutet für den (geistigen) Eigentümer eines Entertainmentgutes
wirtschaftlich sowohl eine Chance wie auch eine Gefahr. Bisher sind Informationsgüter
meist an physische, für den betreffenden Informationsinhalt typische Trägermedien
gebunden, wie Bücher, Schallplatten, Zeichnungen, Landkarten etc.. Deren physische Form
begrenzt qualitativ und quantitativ die Reproduzierbarkeit ihrer Inhalte.
5
So ist die Anzahl
der Kopien, die ohne großen Qualitätsverlust von einem Original angefertigt werden kann,
prinzipiell begrenzt; und außerdem sind Kopien grundsätzlich von geringerer Qualität als das
Original. Die Bindung eines immateriellen Informationsgutes an ein materielles
Trägermedium beschränkt also bisher generell das unautorisierte Kopieren auf ein für den
Eigentümer tolerierbares, bzw. toleriertes Maß. Trotz ihrer Eigenschaften öffentlicher
Güter
6
, sind analoge Entertainmentgüter also wirtschaftlich verwertbar.
Die Digitalisierung stellt diese zentralen Bedingungen der wirtschaftlichen Verwertung in
Frage. Sie hebt die Bindung des Informationsgutes an die materiellen Träger auf und schafft
dessen generell bestehende, physikalisch bedingte Einschränkung ab. Dadurch erleichtert sie
das unautorisierte Kopieren erheblich. Hinzu kommt die zunehmende Nutzung von
Computernetzwerken, über die Informationsgüter in ihrer immateriellen digitalen Form unter
marginalen Kosten verbreitet werden können. Als Folge dieser technischen Veränderungen
kann die Digitalisierung für die Eigentümer des Entertainmentgutes (des Originals) daher vor
allem deswegen eine wirtschaftliche Bedrohung darstellen, weil geistiges Eigentum zwar
auch in Computernetzen durch das Copyright geschützt wird, die wirkungsvolle
Durchsetzung der Urheberrechte jedoch angesichts der dezentralen und internationalen
Beschaffenheit dieser Netzwerke und wegen des immensen Aufwandes für entsprechende
Kontrollen äußerst schwierig ist.
7
Von Seiten der Entertainmentindustrie wird daher behauptet, dass jegliche wirtschaftlichen
Anreize, Entertainmentgüter zu produzieren, und damit die Existenz einer ganzen Industrie
wegen dieses Effektes in Gefahr seien:
5
Insbesondere verschiedene Generationen von Kopien verlieren erheblich an Qualität.
6
Diese speziellen Eigenschaften (Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum) werden im nächsten
Abschnitt auf S. 6 näher erläutert.
7
Moglen (2001) führt an, dass die Filesharing-Netzwerke der Zukunft technisch und organisatorisch so
dezentral organisiert sein werden, dass sie nicht mehr rechtlich belangt werden können, juristische
Maßnahmen gegen unautorisiertes Kopieren von Informationsgütern zukünftig also nicht mehr durchsetzbar
sind ; Vgl. Moglen (2001), S. 2.

3
,,For Publishers and authors, the question is, how many copies of the work will be sold
(or licensed) if networks make possible planet-wide access ? Their nightmare is that the
number is one."
8
Diese Sorge hat die Vertreter der Entertainmentindustrie dazu bewegt, einen strengeren
Copyrightschutz und dessen härtere exekutive Durchsetzung zu fordern.
Ökonomisch stellt sich angesichts dieser Forderung aber die Frage, ob unautorisiertes
Kopieren tatsächlich die Anzahl der verkauften Entertainmentgüter und damit das
Umsatzpotenzial und die Gewinnmöglichkeiten der Hersteller verringert. Ob also die
befürchteten ökonomischen Konsequenzen wirklich realistisch und plausibel sind, oder ob
die positiven Konsequenzen der Digitalisierung nicht langfristig überwiegen könnten. Des
weiteren muss man fragen, welcher Kopierschutz aus Sicht der Hersteller digitaler
Informationsgüter optimal sein könnte und welchen langfristigen Nettoeffekt die
Digitalisierung auf die Industrien für Informationsgüter hat. Schließlich sollte man sich
kritisch fragen, ob nicht die Auswirkungen der neuen Technologien auf die
Entertainmentindustrie allgemein überschätzt werden und ob sie überhaupt, wie vielfach
behauptet, ihre Industriestruktur nachhaltig verändern werden.
Die vorliegende Arbeit soll aus industrieökonomischer Sicht diesen Fragen nachgehen, und
zwar am Beispiel der Musikindustrie, in der die Auswirkungen der Digitalisierung besonders
weit fortgeschritten sind. Anhand dieser Industrie lassen sich mögliche Effekte der
Digitalisierung auf unterschiedliche Akteure, Geschäftsfelder und Stufen der
Wertschöpfungskette identifizieren. Erkennbare Kausalitäten lassen sich auf ihre Plausibilität
prüfen, wodurch die teilweise vage und theoretische Diskussion zur Digitalisierung einen
realen Bezug erhält. Zwar bleibt es fraglich, ob die Ergebnisse dieser Untersuchung auch auf
andere Branchen der Entertainmentindustrie oder sogar auf Informationsgüter allgemein
übertragbar sind. Der Einfluss der Digitalisierung auf die gesamte Entertainmentindustrie
wird jedoch anhand des gewählten Beispiels insgesamt deutlicher und konkreter.
8
National Research Council (2000), S. 2

4
II.
Begriffskennzeichnung
Im folgenden werden kurz die Begriffe erklärt, die in der beschriebenen Problemstellung
eine wichtige Rolle spielen.
1.
Digitalisierung
Digitalisierung im engeren Sinne bedeutet die Transformation von analogen Signalen in
digitale Daten.
9
Digitale Informationen können von Computerprozessoren sowohl verarbeitet
als auch über große Entfernungen in Netzwerken transportiert werden. Die einheitliche
Verwendung der Digitaltechnik stellt eine gemeinsame Basis für den Datentransfer zwischen
der Medien-, Telekommunikations- und Informationsbranche her, die allgemein auch als
Konvergenz der Medien bezeichnet wird.
10
Neben Audio können auch Bilder einschließlich
Bewegbild (Video) und z.B. Daten in Textform digitalisiert und digital gespeichert, kopiert
und verteilt werden. Die Digitaltechnik ermöglicht eine räumliche und zeitliche Entkopplung
des Informationsaustausches.
In der vorliegenden Arbeit wird unter Digitalisierung das gemeinsame Auftreten von drei
wesentlichen Antriebskräften (,,Treibern") verstanden, die eine besondere Bedeutung für die
wirtschaftlichen Eigenschaften von Informationsgütern haben: Erstens die zunehmende
Speicherung und Nutzung von Informationsgütern in digitaler Form
11
, zweitens das schnelle
und weltweite Wachstum von digitalen Netzwerken
12
und drittens die zunehmende
Verbreitung des Word Wide Web (WWW).
13
Diese drei Treiber verändern nachhaltig die ökonomischen Rahmenbedingungen für
Informationsgüter. Die digitale Form erleichtert ihren Transport, macht sie universell
einsetzbar und sichert die Reproduktion ohne Qualitätsverlust. Netzwerke ermöglichen den
reibungslosen und schnellen Austausch von digitalisierten Informationsgütern und das World
Wide Web macht die weltweiten Netze für jedermann über seinen Computer zugänglich.
9
Vgl. Zerdick/Picot et al (1999), S. 140
10
Vgl. European Communication Council (1999), S. 130, der die Digitalisierung als technologische Triebfeder
der Konvergenz von Informationstechnologie und Telekommunikation sieht. Zur digitalen Darstellung von
Informationen siehe Fahrion (1989), S. 8ff..
11
Das entspricht der Digitalisierung im engeren Sinne.
12
Hierzu gehören neben Computer- und Telekommunikationsnetzen aus Metalldraht oder Glasfasern in
zunehmendem Maße auch Kabelnetze der Stromversorgung und sogenannte drahtlose (,,wireless")
Kommunikationsnetze.
13
Diese Begriffsdefinition ist vergleichbar mit der Darstellung im National Research Council (2000), S. 28.

5
Gemeinsam machen diese drei Treiber das Internet für Informationsgüter zu:
·
einem Massenmedium zur Veröffentlichung,
·
einem weltweit leistungsstarken Distributionsnetz und
·
der größten Kopiermaschine der Welt
14
Wenn im folgenden von digitalen Entertainmentgütern, digitaler Musik oder digitalen
Informationsgütern die Rede ist, so sind also nicht nur die Informationsinhalte in ihrer
digitalisierten Form gemeint, sondern sie sind im Zusammenhang mit den genannten drei
Treibern der Digitalisierung zu verstehen.
2.
Informationsgüter
Shapiro/Varian (1999) definieren Informationsgüter über ihre Digitalisierbarkeit.
15
Ein
Informationsgut kann demnach alles sein, was digitalisiert werden kann. Als Beispiele
nennen sie u.a. Bücher, Filme, Datenbanken, Sportergebnisse, Musik oder Aktienkurse.
Kuhlen (1995) beschreibt Informationen als immaterielle Güter, die auf Dienstleistungen
basieren.
16
Werden diese Informationen aber materialisiert, also an ein Trägermedium
gekoppelt, so spricht er von Informationsprodukten.
17
Informationsgüter bzw.
Informationsprodukte werden durch eine Reihe von Eigenschaften ausgezeichnet, die sie
gegenüber herkömmlichen Gütern unterscheidet. Hier werden in Anlehnung an Varian
(1998)
18
zwei Eigenschaften kurz vorgestellt, die für die weitere Untersuchung von
Bedeutung sind.
19
··
Kostenstruktur von Informationsgütern
Die Produktion von Informationsgütern verursacht hohe Fixkosten, aber nur sehr
geringe Grenzkosten. Die Informationsgüter sind also teuer in der Produktion und
billig in der Reproduktion. Diese Kostenstruktur führt zwangsläufig zu positiven
Größeneffekten der Produktion, sogenannten Economies of Scale.
14
Diese Bezeichnung findet sich beim National Research Council (1999), S. 2.
15
Vgl. Shapiro/Varian (1999), S. 3
16
Vgl. Kuhlen (1995), S. 83
17
Ebenda, S. 84
18
Vgl. Varian (1998), S. 3ff.

6
··
Ähnlichkeit zu Öffentlichen Gütern
Informationsgüter zeichnen sich wie öffentliche Güter durch die Nicht-Rivalität und
die Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum aus. Nicht-Rivalität bedeutet, dass der
Konsum durch eine Person nicht die Verfügbarkeit des Gutes für andere Personen
verringert. Nicht-Ausschließbarkeit bedeutet, dass Personen nicht vom Konsum des
Gutes ausgeschlossen werden können. Durch die geringen Reproduktionskosten
besteht bei der Nutzung von Informationsgütern in der Regel keine Rivalität. Die
Ausschließbarkeit ist nur ,,künstlich" durch rechtliche Zusatzregelungen und deren
Durchsetzung möglich.
20
3.
Entertainmentindustrie
Der Begriff der Entertainmentindustrie geht auf Vogel (1998) zurück.
21
Einleitend definiert
er Entertainment im weiteren Sinne als:
,,anything that stimulates, encourages, or otherwise generates a condition of pleasurable
diversion..."
22
Die Entertainmentindustrie macht er hingegen an einer begrenzten Anzahl von Branchen
fest, die er aufgrund ihrer ökonomischen Relevanz ausgewählt hat. Die
Entertainmentindustrie im engeren Sinne besteht demnach aus den Branchen für
medienabhängige Entertainmentgüter wie Filme, Radio- und Fernsehproduktionen, Musik,
Zeitungen/Zeitschriften, Bücher, und Videospiele und für medienunabhängige
Entertainmentgüter, wie Sportveranstaltungen, Freizeitparks und Glückspiele.
23
Bemerkenswerterweise sind die meisten medienabhängigen Entertainmentgüter den
Informationsgütern zuzuordnen ­ sie sind also in einem besonderen Maße von den Effekten
der Digitalisierung betroffen. Unterteilt man die Informationsgüter in Konsum- und
Investitionsgüter, so kann man vermuten, dass ein großer Teil des wirtschaftlich relevanten
Marktes für Informations-Konsumgüter durch die Entertainmentindustrie abgedeckt wird.
24
19
Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen charakteristischen Merkmale von Informationsgütern siehe
Priest (1994).
20
Das Copyright stellt diesen künstlichen Schutz dar, Vgl. S. 7.
21
Vgl. Vogel (1998), S. 1ff., sowie S. 29
22
Ebenda, S. xviii
23
Ebenda, S. xix
24
Das geht auch aus den zahlreich zitierten Veröffentlichungen der folgenden Kapitel hervor, die als Beispiele
für betroffene Informationsgüter vorzugsweise Entertainmentgüter anführen.

7
Das unterstreicht die Betroffenheit der Entertainmentindustrie angesichts der Digitalisierung
und macht die Wahl des Oberbegriffs für den Untersuchungsgegenstand plausibel.
4.
Copyright
Tschmuck (2000) definiert Copyright als ,,das staatlich garantierte Recht, das dem Schöpfer
eines intellektuellen Produkts sämtliche Verfügbarkeitsrechte über seine Schöpfung einräumt
und damit ein Kopieren durch Dritte ohne ausdrückliche Erlaubnis des Schöpfers unmöglich
machen soll."
25
Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem die ökonomische Bedeutung
des Copyright und nicht seine juristische Auslegung interessant. Deshalb dient der Begriff
auch insbesondere nicht als Abgrenzung des angloamerikanischen Rechtsgefüges, dem der
europäische Urheberrechtsschutz gegenübersteht, sondern er wird als allgemeiner Begriff für
diejenigen Schutzrechte verstanden, die den Zweck im Sinne der Definition von Tschmuck
(2000) erfüllen.
26
Demnach ist das Copyright die Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Verwertung von
Informations- bzw. Entertainmentgütern. Zunächst stellt es ein Urheberschutzrecht für die
Produktinnovation dar. Diese Funktion des Copyrights ist analog zum in der ökonomischen
Literatur ausführlich diskutierten Patentschutz
27
und als Anreiz zur Produktion neuer Güter
anzusehen. Es ist demnach also ein zeitlich beschränkt vergebenes Monopol und sorgt dafür,
dass nur der Monopolist von der wirtschaftlichen Verwertung seiner Kreation profitiert. Auf
der anderen Seite stellt das Copyright ein Ausschlussrecht vom Konsum dar. Das Copyright
auf Informationsgüter sorgt dafür, dass diejenigen Personen vom Konsum ausgeschlossen
werden, die nicht bereit sind, das verlangte Entgelt dafür zu zahlen. Verallgemeinert und
vereinfacht lässt sich also formulieren, dass das Copyright ökonomisch gesehen dafür sorgt,
dass aus einem wirtschaftlich nur schwer zu verwertenden Informationsgut mit den
besonderen Eigenschaften eines öffentlichen Gutes ein handelbares Wirtschaftsgut wird.
Allerdings kommt es nicht nur auf die Existenz des Copyright an. So bemerken
Shapiro/Varian (1999):
,,But the legal grant of exclusive rights to intellectual property via patents, copyright,
and trademarks does not confer complete power to control information. There is still the
25
Vgl. Tschmuck (2000), S. 3
26
Für eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Rechtsgefüge, ihrer Unterschiede, Entwicklungs-
geschichte und juristische Auslegung siehe Watt (2000), S. 3ff; Detering (2001), S. 28ff. und für eine spezielle
Darstellung für die Musikindustrie: Kulle (1998), S. 31ff..
27
Vgl. u.a. Gilbert/Shapiro (1990), Klemperer (1990) und Lerner (1995)

8
issue of enforcement, a problem that has become even more important with the rise of
digital technology and the Internet."
28
III.
Abgrenzung zur bisherigen Reproduzierbarkeit von Entertainmentgütern
,,For economic incentives to work appropriately, property rights must protect the rights
of capital assets. [...] At present [...] severe economic damage [is being done] to the
property rights of owners of copyrights in sound recordings and musical compositions
[...] under present and emerging conditions, the industry simply has no out [...] Unless
something meaningful is done to respond to the [...] problem, the industry itself is at
risk."
29
(Alan Greenspan, 1983)
In der Geschichte der Entertainmentindustrie hat es immer wieder Innovationen gegeben, die
wie die gegenwärtige Digitalisierung die unautorisierte Reproduzierbarkeit von geistigem
Eigentum erleichtert und damit die Einnahmen der Eigentümer gefährdet haben. Jedes Mal,
wenn so eine Innovation zu einer marktfähigen Technik oder zu einem erfolgversprechenden
Geschäftsmodell wurde, forderte die betroffene Branche einen schärferen
Urheberrechtsschutz, um das vermeintlich unabwendbare Ende der eigenen Industrie zu
verhindern. Im England des 18. Jahrhunderts galt die erfolgreiche Einführung von
Leihbüchereien als der Todesstoß für den nationalen Buchhandel.
30
Schon die erste
Photokopier-Maschine der Firma Xerox 1959 wurde als Gefahr für das gesamte
Verlagswesen angesehen
31
und bei der Markteinführung von Videorekordern im Jahre 1975
beschwor man das Ende des Kinos.
32
In keinem dieser Fälle führte die betreffende
Innovation zum Untergang der betroffenen Industrie. Im Gegenteil entstanden durch diese
Innovationen neue Märkte und Absatzmöglichkeiten, die die klagenden Industrien in neue
Wachstumsphasen versetzten.
33
28
Shapiro/Varian (1999), S. 4
29
Alan Greenspan in seiner Aussage im Home Recording Act 1983, Anhörung vor dem Subkomitee für
Patente, Copyrights und Trademarks am 25. Oktober 1983, zitiert nach Liebowitz/Singer (2001), S. 2.
30
Vgl. Shapiro/Varian (1999), S. 94
31
Vgl. Liebowitz (1985), S. 822f
32
Vgl. Shapiro/Varian (1999), S. 95 und für eine ausführliche Darstellung der Entwicklungen im privaten
Markt für Videorekorder: Vgl. Cusumano/Mylonadis/Rosenblum (1992), S. 51ff
33
Heute machen Filmproduktionsfirmen in vielen Fällen z.B. mehr Umsatz mit Videokopien als mit
Kinovorstellungen. Vgl. Liebowitz/Singer (2001), S. 8

9
Und selbst Innovationen, die keine neue Blütezeit für den betroffenden Wirtschaftszweig
initiierten, wie die bespielbaren Audiokassetten, auf die sich das vorangestellte Zitat von
Alan Greenspan bezieht, schadeten der betroffenen Industrie nicht in dem Maße, wie dies
allgemein zunächst befürchtet wurde. Greenspans scharfe Äußerung von 1983 wirkt aus
heutiger Sicht deshalb etwas verwunderlich. Tatsächlich stiegen die Umsätze der
Musikindustrie ohne eine deutliche Verschärfung des Copyright-Schutzes und unbeeindruckt
von der Verbreitung der Audiokassette bis 1990 mehr oder weniger stetig um etwa 130
Prozent an.
34
Diese Beispiele zeigen, dass die von einer neuen Kopiertechnologie ausgehende,
empfundene Bedrohung nicht immer auch real eintreten muss. Vermutlich stellt sie zum
einen lediglich eine übertriebene Reaktion auf unkontrollierbare Ängste vor
Technologieentwicklungen dar, deren Auswirkungen noch nicht vorhersagbar sind. Zum
anderen könnte sie als willkommener Anlass verstanden werden, die eigene
Verhandlungsposition gegenüber dem Gesetzgeber argumentativ zu stärken, um
Regulierungen zum eigenen Vorteil zu provozieren. Auch im aktuellen Fall der
Digitalisierung stellt sich deshalb die Frage, ob die seitens der Industrie formulierten
Befürchtungen begründet sind oder ob sich die neuen Kopiertechniken nicht sogar positiv
auf die Märkte der Entertainmentindustrie auswirken könnten.
Im letzten Abschnitt wurde die Digitalisierung als die Summe von drei Treibern beschrieben.
Insbesondere die Speicherung von Informationsgütern in digitalisierter Form ändert die
Charaktereigenschaften ihrer Reproduktionen nachhaltig. Kein Qualitätsverlust unterscheidet
die Kopie vom Original ­ und sogar die Kopie von der Kopie einer Kopie ist zum Original
vollkommen identisch. Außerdem sinken die Kopierkosten im Vergleich zur analogen
Reproduktion, da bisher benötigte, inhaltspezifische Trägermedien
35
und auf das analoge
Format spezialisierte Kopiertechnik überflüssig werden.
36
Das rapide Wachstum von Computer- und Kommunikationsnetzen ermöglicht weltweit eine
schnelle und preiswerte Verbreitung der digitalen Reproduktionen. Die Distributionskosten
von digitalen Informationsgütern nehmen in Computernetzen ab, da keine physischen
Trägermedien mehr benötigt werden, die den Transport erschweren und behindern, sondern
34
Vgl. Vogel (1994), S. 140
35
Z.B. Videokassetten oder Bücher

10
Informationen in ihrer digitalen und immateriellen Form z.B. direkt über ein Computernetz
transportiert werden können. Informationsgüter lassen sich also nicht nur schnell und
preiswert beim Nutzer (vor Ort) kopieren, sondern auch zu marginalen Kosten in sehr kurzer
Zeit weltweit verteilen.
37
Aus logistischer Sicht ist die zunehmende Anzahl der
Internetnutzer bereits durch einen digitalen Distributionskanal nicht nur mit den Anbietern
von Informationsgütern sondern auch untereinander (mit der Möglichkeit zur Weitergabe
unautorisierter Kopien) eng verbunden.
Das WWW erleichtert den schnellen und billigen Zugang zu kopierfähigen Vorlagen.
38
Dieser Zugang ist bei bisherigen Kopierprozessen zumeist räumlich und zeitlich beschränkt
gewesen: traditionell kann sich ein Nutzer z.B. in einer Bibliothek ein Buch mit der ihn
interessierenden Information ausleihen, das er anschließend fotokopiert.
39
Mit
Suchmaschinen und den komfortablen Verbindungen einzelner Internetseiten durch
sogenannte Links macht das WWW das Aufspüren von kopierfähigen Vorlagen der
gesuchten Informationen inzwischen wesentlich einfacher und zeitsparender. Die Suchkosten
nehmen deutlich ab und die Reproduktion von Informationsgütern wird einer ständig
wachsenden Zahl von Menschen erleichtert.
Die Digitalisierung hebt also nicht nur die bisher gültigen Einschränkungen bei der Nutzung
von Informationsgütern und die qualitativen und quantitativen Limitierungen ihrer
Reproduktion auf; sie eröffnet über diese Einzelnutzung hinausgehend zugleich durch
Computernetzwerke und das WWW die nahezu unbegrenzte weltweite Distribution dieser
Güter für die Nutzung und Reproduktion. Dies legt nahe, dass sich insbesondere auch die
neuen Kopiertechniken sehr wohl von den bisher angeführten Fällen unterscheiden müssen.
Die Digitalisierung vergrößert also die qualitative, quantitative und geographische
Machbarkeit von Kopien (gleichgültig, ob es sich dabei nun um autorisierte oder
unautorisierte Kopien handelt). Das bedeutet zugleich, dass die Einflussmöglichkeit, die der
unautorisierten Reproduktion auf das Copyright und die Eigentümer geistigen Eigentums
zuzuschreiben ist, durch die Digitalisierung tatsächlich um ein vielfaches verstärkt werden
könnte. Diese Vermutung wird eingehender in Kapitel C der vorliegenden Arbeit untersucht.
36
Ganz ohne Trägermedien funktioniert die Reproduktion allerdings nicht. Die benötigten Trägermedien, wie
z.B. Computerfestplatten sind jedoch für unterschiedliche Inhalte universell einsetzbar und im Vergleich zu
inhaltspezifischen Trägermedien deutlich billiger.
37
Abgesehen von sehr umfangreichen Dateien wie beispielsweise Filmen, deren Übertragungszeit sehr lange
dauert und deshalb auch hohe Verbindungs- und Opportunitätskosten verursacht.
38
Entweder ein Original oder eine kopierfähige Kopie.
39
Er muss sich jedoch an die Öffnungszeiten und Leihbedingungen der Bibliothek halten, sich dorthin bemühen
und hoffen, dass das gewünschte Buch überhaupt zugänglich und nicht ausgeliehen ist.

11
IV.
Beispiel der Musikindustrie
Die vorliegende Arbeit widmet sich von jetzt an ausschließlich ­ und beispielhaft für die
gesamte Entertainmentindustrie - der Musikwirtschaft, die bisher am stärksten von den
Auswirkungen der Digitalisierung betroffen ist:
,,Of all the content industries affected by the digital environment, the music industry
has, for a variety of reasons, been thrown first into the maelstrom."
40
1.
Gründe für die besondere Stellung der Musikwirtschaft
Tatsächlich ist die Digitalisierung in den anderen Branchen der Entertainmentindustrie noch
nicht so weit fortgeschritten. In Anlehnung an die Darstellung vom National Research
Council (2000) lassen sich vier Gründe für diese besondere Stellung der Musikwirtschaft
anführen
41
:
a.
Neue Komprimierungstechnologien
Zunächst lassen sich Musikprodukte mit neuen Techniken so komprimieren, dass sie mit den
heutigen Übertragungsraten in Computernetzwerken komfortabel gespeichert, verschickt,
klanggerecht wiedergegeben und kopiert werden können, ohne merklich an Audioqualität zu
verlieren. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Dateistandard MP3 (Motion Picture
Experts 1 Layer 3) zu, der von Karl-Heinz Brandenburg und einigen anderen
Wissenschaftlern in der Zeit von 1986 bis 1994 am Fraunhofer Institut in Erlangen
entwickelt wurde
42
und mit dem Musik zu sehr kleinen Computerdateien komprimiert
werden kann. Eine MP3-Datei zu erzeugen ist einfach: Zuerst kopiert der Nutzer einen Song
von der herkömmlichen Audio-CD auf seinen Computer. Dieser Prozess, zu dem eine
entsprechende Software (ein sogenannter ,,Ripper") und ein Compact Disc ­ Read Only
Memory ­Player (CR-ROM-Abspielgerät) benötigt werden, wird als ,,Ripping" bezeichnet.
Der ,,Ripper" übersetzt die Audiodatei in eine Computerdatei. Nachdem der Song ,,gerippt"
wurde, wird er in einem WAV-Dateiformat abgespeichert, das durchschnittlich 36
Megabytes groß ist. Nun wird ein MP3-Encoder benutzt, um die WAV-Datei in eine
komprimierte MP3-Datei umzuwandeln. Die Datei wird dabei bis auf 10% der WAV-
Dateigröße ohne merklichen Audioqualitätsverlust
43
verkleinert. Durch diese
40
National Research Council (2000), S. 76
41
Vgl. ebenda, S. 77ff.
42
Vgl. Rieger (2000), S. 1
43
Vgl. Allen (1998), S. 2

12
Komprimierung kann die MP3-Datei nun einfach und kostengünstig auf dem Computer
gespeichert, vervielfältigt und in seiner immateriellen digitalen Form z.B. über
Computernetze verschickt werden. Das Herunterladen ­ also die lokale Speicherung einer
Kopie von einem digitalisierten Song, der sich an einem anderen Ort im Computernetz
befindet - dauert wegen der leistungsstarken Komprimierung des MP3-Formats statt
mehrerer Stunden nur noch wenige Minuten. MP3-Musikdateien können unterschiedlich
genutzt werden. Zum einen ist es möglich, sie direkt am Computer mit MP3-Abspielsoftware
wie dem Real Audioplayer oder dem Windows Mediaplayer, die kostenlos erhältlich sind,
anzuhören und den Computer über eine Soundkarte mit der Stereoanlage zu verbinden. Es
sind also kaum zusätzliche Investitionen notwendig, um MP3-Dateien nutzen zu können. Die
Dateien lassen sich zum anderen aber auch in WAV-Audiodateien zurück umwandeln und
mit Compact-Disk-Aufnahmegeräten, sogenannten CD-Brennern, auf bespielbare CDs (CD-
Rs) überspielen, die mit einem normalen Audio-CD-Spieler abgespielt werden können.
Außerdem ist die Nutzung mit sogenannten MP3-Playern wie dem Rio möglich, meist
portable Endgeräte, auf denen sich MP3-Dateien ohne ein zusätzliches Tonträgermedium
speichern und abspielen lassen.
Der große Vorteil des MP3-Formats ist also, dass es Musik einfacher tauschbar und in
Computernetzen transportierbar macht, die bisherigen Nutzungsgewohnheiten aber nicht
beeinträchtigt. Denn auch heruntergeladene MP3-Dateien können wieder so umgewandelt
und auf eine CD gespeichert werden, dass sie auf herkömmlichen Musikabspielgeräten
konsumiert werden können.
b.
Großes digitales Angebot unautorisierter Musik
Wegen der komfortablen Eigenschaften des MP3-Formats hat sich sehr schnell ein
weitreichendes ­ zumeist unautorisiertes Angebot von digitaler Musik im Internet
entwickelt. Die meisten Angebote bieten ihren Nutzern MP3-Dateien zum Kopieren auf die
lokale Festplatte an.
44
Das bekannteste Beispiel ist die Musiktauschbörse Napster, in der
alleine im Februar 2001 rund 2,8 Milliarden Musikdateien unautorisiert heruntergeladen
wurden.
45
Napster basiert auf der Peer-to-Peer-Technologie
46
und ist ein sogenanntes
Filesharing-Programm.
44
Dieser Vorgang wird i.d.R. als Download bezeichnet.
45
Vgl. Anonym (2001c), S. 61
46
Die Peer-to-Peer-Technologie ermöglicht es den Internetnutzern, nicht zentral über einen sogenannten Server
miteinander Daten auszutauschen, sondern dezentral von Computer zu Computer; für eine ausführliche
Erläuterung dieser neuen Technologie: Vgl. Cortese (2001), S. 194ff..

13
Nutzer von solchen Filesharing-Programmen können die Festplatten anderer Nutzer nach
bestimmten Dateien durchsuchen und miteinander Daten austauschen ­ also Kopien der
gesuchten Datei auf die eigene Computerfestplatte herunterladen, abspeichern und dann
lokal nutzen oder weiterverarbeiten. Zwar ist Napster derzeit aufgrund einer gerichtlichen
Verfügung nicht mehr in Betrieb
47
, das unautorisierte Herunterladen von Onlinemusik
verteilt sich nunmehr aber auf eine ganze Reihe neuer Filesharing-Programme. Im Gegensatz
zu Napster verläuft bei diesen Anbietern der Suchprozess i.d.R. nicht mehr zentral über den
eigenen Server, sondern ebenfalls dezentral über das Peer-to-Peer-System. Das ist auch der
Grund, warum diese Anbieter im Vergleich zu Napster nur noch schwer juristisch angreifbar
sind: Weder der Such- noch der Austauschprozess finden auf ihren Datenservern statt und
sind deshalb zentral von ihnen zu verantworten.
48
Nach aktuellen Schätzungen des
Marktforschungsinstituts Webnoize, wurden im August 2001 über die vier wichtigsten
Nachfolger von Napster, FastTrack, Audiogalaxy, iMesh und Gnutella rund 3,05 Milliarden
Musikdateien getauscht.
49
Eine zu dieser Art des Downloads alternative Technik stellt das sogenannte Streaming dar.
50
Beim Streaming entsteht keine lokale Kopie der Musikdatei auf der eigenen Festplatte,
stattdessen wird die gewünschte Musikdatei direkt vom Computer des Anbieters aus
abgespielt. Eine Voraussetzung für den Konsum ist dabei, dass sich der Nutzer online
befindet und eine Verbindung zum Anbieter der Streaming-Audiodateien hergestellt wird.
Bei diesem Vorgang entsteht also keine Kopie des Songs.
51
c.
Hohe Internet-Affinität der Musikkonsumenten
Die wichtigste Zielgruppe der Musikindustrie, die 14-25 Jährigen
52
, sind in besonderem
Maße mit den für den Austausch digitaler Musik notwendigen neuen Medien vertraut. Viele
haben über ihre Universitäten und Schulen kostenlosen Zugriff auf moderne Informations-
47
So wurde vom Gericht entschieden, dass Napster zumindest den Suchvorgang zentral anbietet und seine
Nutzer damit zum unautorisierten Kopieren ermuntern würde. Vgl. Associated Press (2001a)
48
Den juristische Erfolg der Musikindustrie gegen Napster bezeichnet Moglen (2001) deshalb als Pyrrhussieg,
da die nachfolgenden Filesharing-Programme, die nicht mehr juristisch belangt werden könnten, davon nur
profitieren würden. Vgl. Moglen (2001), S. 1 ff.
49
Vgl. King (2001b), S. 1
50
Vgl. Borchers (2000), S. 13
51
Die Streaming-Technologie verletzt dabei nicht so sehr den Copyright-Schutz, da die Vervielfältigungs-
möglichkeit im Gegensatz zum Herunterladen eingeschränkt wird; für einen ausführlichen Vergleich der
beiden Technologien: vgl. Shirky (2001), S. 146
52
Vgl. Kapitel B, S. 23 f.

14
technologien und Internetverbindungen, die für das Herunterladen digitaler Musik benötigt
werden. Zudem lernen sie die neuen Techniken im Unterricht kennen. Der Umgang mit
ihnen und die Bedienung der benötigten elektronischen Gerätschaften fällt dieser Zielgruppe
also besonders leicht.
53
Zudem verfügt sie über die erforderliche Zeit und hat i.d.R. geringere
Löhne, also auch geringere Opportunitätskosten.
54
Das führt zum einen dazu, dass der
Download von Musikdateien für jüngere Konsumentengruppen besonders preiswert ist und
sie zum anderen genügend Zeit haben, um sich mit dem neusten Stand der Technik vertraut
zu machen.
d.
Geringe Kosten des Konsums digitaler Musik
Wie bereits in Abschnitt a. erwähnt, ist der Konsum digitaler Musik über Computernetze für
den Konsumenten kaum mit zusätzlichen Kosten verbunden. Er braucht seine bisherigen
Konsumgewohnheiten von Musik nicht grundlegend zu verändern. Stattdessen hat er
ergänzend zu seinen bisherigen Konsummöglichkeiten Zugriff auf unautorisierte
Musikdateien, die er ohne nennenswerte zusätzliche Investitionen am Computer
konsumieren kann oder über die Transformation auf eine Audio-CD in sein gewohntes
Konsumformat umwandeln kann. Umgekehrt kann er Musik aus dem herkömmlichen
Konsumformat mit geringem Aufwand in das neue Konsumformat übertragen. Die neue
Technik der digitalen Musik ist also beidseitig kompatibel zu dem gewohnten
Konsumtechniken von Musik. Die gewohnten Verhaltensweisen gegenüber dem
Entertainmentgut Musik müssen wegen der neuen Techniken also nicht geändert werden. Im
Gegensatz zu digitalen Filmen oder Büchern, wird für den Konsum der digitalen Musik in
den meisten Fällen kaum zusätzliche Technik benötigt. Es fallen daher auch nur geringe
Installations- bzw. Wechselkosten an, was die Popularität von Online-Musik erhöht.
2.
Interessenskonflikt in der Musikwirtschaft
Auswirkungen der Digitalisierung wie die Verbreitung unautorisierter Kopien sind in der
Musikindustrie besonders weit fortgeschritten. In ihrem aktuellen Report zur Musikpiraterie
beklagt die internationale Interessensvertretung der Musikindustrie, die International
Federation of the Phonographic Industry (IFPI)
55
:
53
,,Berührungsängste" mit neuen Techniken und technischen Geräten sind insbesondere bei älteren
Konsumentengruppen zu beobachten.
54
In Kapitel C wird ein eigenes Modell entwickelt, dass sich diesen Besonderheiten widmet. Vgl. S. 62 ff.
55
Die IFPI vertritt über 1400 Plattenfirmen und ­distributoren im Kampf gegen das unautorisierte Kopieren von
Musik in jeglicher Form und setzt sich vor allem für eine strengere Gesetzgebung und Rechtsprechung ein.

15
,,Music piracy poses a greater threat to the international music industry than at any other
time in its history. Traffic in pirate recordings is not only proliferating worldwide ­ it is
rapidly diversifying into new technologies and formats."
56
Die Digitalisierung hat zwei expansive Effekte auf den Umfang des unautorisierten
Kopierens: zum einen hat die private Verbreitung von CD-Brennern, mit denen Musik-CDs
und Musikdateien auf CD-Rs kopiert werden können, in den letzten zwei Jahren stark
zugenommen.
57
Dieser Effekt hat insbesondere Auswirkungen auf die herkömmlichen
Konsumformate von Musik und die Kompatibilität der digitalen Musik mit herkömmlichen
Abspielgeräten. Zum anderen ist die Distribution unautorisierter digitaler Kopien über
Computernetzwerke wegen des MP3-Standards und der Filesharing-Systeme, wie bereits im
letzten Abschnitt dargestellt wurde, erheblich gestiegen.
Dennoch ist die Musikindustrie allgemein darum bemüht, trotz der neuen
Rahmenbedingungen der Digitalisierung ihre Gewinne auch in Zukunft zu maximieren. Das
heißt zum einen, dass sie die Chancen der neuen Technologien nutzen wird, um neue Märkte
zu erschließen und neue Umsatzpotenziale auszuschöpfen, zum anderen dass sie die Risiken
der Digitalisierung durch neue technische Entwicklungen gering und kontrolliert halten will.
V.
Gang der Untersuchung
Aus industrieökonomischer Sicht gibt es nur sehr wenige Arbeiten, die sich ausgiebig mit
den Auswirkungen der Digitalisierung auf die einzelnen Industrien für Informationsgüter
beschäftigen. Zwar existiert eine Reihe mikroökonomischer Artikel zu den allgemeinen
Nachteilen der Digitalisierung, also den Effekten unautorisierten Kopierens auf die
Nachfrage nach Informationsgütern
58
, ihre Darstellung bleibt jedoch modellartig und
allgemein und wird nur vereinzelt auf ihre Gültigkeit für die realen Industrien untersucht.
Auch Kosten- und Nutzenvorteile der Digitalisierung von Informationsgütern
59
sowie
Aspekte der Produkt- und Preispolitik
60
werden meist nur allgemein und nicht
industriespezifisch dargestellt. Von der Musikindustrie selbst gibt es nur sehr wenige
56
Vgl. IFPI (2001b), Piracy Report, S. 2
57
Gemäß den Angaben des Piracy Reports der IFPI ist diese Entwicklung besonders auffällig in Westeuropa;
Deutschland und Frankreich seien trotz ihrer relativ kleinen Bevölkerungsgröße nach den USA die
zahlenstärksten Märkte für bespielbare CDs (CD-Rs). Vgl. IFPI (2001b), S. 3
58
Die wichtigsten Artikel werden in Kapitel C der vorliegenden Arbeit ausführlicher dargestellt.
59
Vgl. Porter (2001), S. 63ff oder Shapiro/Varian (1999)
60
Vgl. u.a. Varian (1997), Varian (1998), Bakos/Brynjolfsson (1996)

16
ökonomische Analysen.
61
Zumeist berücksichtigen sie noch nicht die Digitalisierung,
sondern widmen sich eher dem Status Quo der Musikindustrie vor der sogenannten digitalen
Revolution. Die Diskussion zu den aktuellen Entwicklungen in der Musikindustrie findet
also nur zu einem geringen Teil auf wirtschaftswissenschaftlicher Ebene statt.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Ergebnisse der allgemeinen ökonomischen Untersuchung der
Digitalisierung auf die besonders betroffene Industrie der Musikwirtschaft anzuwenden.
Dabei wird versucht, die ökonomischen Effekte möglichst umfassend und detailliert anhand
des industrieökonomischen Instrumentariums zu analysieren und ihre Tragweite und
Relevanz kritisch zu untersuchen. Zudem sollen relevante Zukunftsszenarien aufgezeigt und
diskutiert werden. Es geht bei dieser Untersuchung vor allem um den speziellen Einfluss,
den die Digitalisierung von Informationsgütern direkt auf die Struktur der Musikindustrie
ausübt und nicht um allgemeine Veränderungen, die auch die Kommunikation oder das
Marketing aller anderen Industrien verändern
62
, wie beispielsweise die Aufnahme neuer
Kommunikationstechniken (z.B. Electronic Mail) in den Marketing-Mix der Unternehmen.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Kapitel A dient der Darlegung der
Problemstellung, zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten und zur ökonomischen Einordnung
der Thematik. Kapitel B charakterisiert mithilfe des industrieökonomischen Structure-
Conduct-Performance (oder kurz: S-C-P) -Paradigmas die Besonderheiten und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der internationalen Musikindustrie. Es wird gezeigt,
welchen besonderen Gesetzmäßigkeiten die Nachfrage nach Musik folgt und welche
speziellen wettbewerblichen Marktstrukturen in der Musikindustrie herrschen. Dabei geht es
noch nicht um die Effekte der Digitalisierung sondern viel mehr um die Darstellung des
Status Quo vor der Beeinflussung durch die Digitalisierung. Das liegt zum einen daran, dass
die in der Literatur verfügbaren Analysen die Einflüsse der Digitalisierung noch nicht
berücksichtigen. Zum anderen dient diese Vorgehensweise dazu, die bisherigen Strukturen
klar von den Effekten der Digitalisierung zu trennen, um diese anschließend umso genauer
untersuchen zu können. Zwar verschiebt sich die eigentliche Analyse der
Digitalisierungseffekte damit etwas nach hinten, ein allgemeines Verständnis der
Musikindustrie ist aber unumgänglich, um die speziellen Einflüsse der Digitalisierung richtig
deuten zu können. Diese Untersuchung bereitet also die Grundlage, für die später folgende
Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung.
61
Als ausführliche Industriebeschreibungen sind hier vor allem Vogel (1998) und Hull (2000) für die US-
amerikanische bzw. internationale Industrie und Kulle (1998) für die deutsche Industrie zu nennen.

17
Das Kapitel C widmet sich der mikroökonomischen Fundierung der wichtigsten Effekte der
Digitalisierung auf die Nachfrage nach autorisierter und unautorisierter Musik. In diesem
Kapitel wird der bereits oben erwähnte negative Effekt auf die Nachfrage nach autorisierter
Musik untersucht. Dabei bilden sich einige Produktmerkmale heraus, die für die
Auswirkungen der Digitalisierung von entscheidender Bedeutung sind. Zunächst wird die
mikroökonomische Literatur zum optimalen Kopierschutz diskutiert und bewertet. Die
industriespezifischen Erkenntnisse aus Kapitel B werden genutzt, um die meist allgemein
formulierten Modellansätze kritisch bezüglich ihrer Anwendbarkeit auf die Musikwirtschaft
zu untersuchen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Arbeiten einer Reihe von
Ökonomen, die positive Effekte des unautorisierten Kopierens von Informationsgütern auf
die Gewinne ihrer Produzenten hervorheben. Anschließend werden zwei eigene Ansätze
vorgestellt, die aus den Ergebnissen des Kapitel B abgeleitet werden und jeweils einen neuen
Effekt des unautorisierten Kopierens auf die Gewinne der Produzenten abbilden. Auch diese
eigenen Ansätze werden auf ihre Gültigkeit und Relevanz für die Musikindustrie geprüft.
Zum Abschluss des Kapitels wird versucht, den realen Nettoeffekt des unautorisierten
Kopierens auf die Umsätze der Plattenfirmen abzuschätzen und den optimalen Kopierschutz
aus Sicht der Hersteller zu bestimmen. Vereinfachend wird dabei angenommen, dass die
Musikindustrie die Höhe des Kopierschutzes frei wählen kann.
Kapitel D greift die Ergebnisse zur Frage des optimalen Kopierschutzes aus Kapitel C auf
und wendet sie etwas allgemeiner auf die Struktur der Musikindustrie an. Es wird untersucht,
welche Veränderungen sich für die einzelnen Industriemerkmale und für den Wettbewerb in
der Musikwirtschaft ergeben. Dabei geht es sowohl um Veränderungen, die bereits als
Reaktion auf die Digitalisierung stattgefunden haben als auch um solche, die in naher
Zukunft zu erwarten sind. Die wichtigsten Treiber für die weitere Entwicklung werden
identifiziert und einige relevante Zukunftsszenarien der Musikindustrie aufgezeigt. Zur
besseren Übersichtlichkeit orientiert sich dieses Kapitel an dem Aufbau des Kapitels B.
Kapitel E fasst die Ergebnisse der Untersuchung schließlich zusammen, gibt einen
allgemeinen Ausblick und diskutiert kurz die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere
Branchen der Entertainmentindustrie.
62
Für die Darstellung dieser allgemeinen Veränderungen, die in nahezu allen Branchen durch die
Digitalisierung hervorgerufen werden: vgl.. Porter (2001, S. 62 ff..

18
B. Untersuchung der Musikwirtschaft
I.
Einordnung der Analyse
Um ein möglichst umfassendes und für die weitere Analyse nützliches Bild von der
Musikwirtschaft zu bekommen, folgt die Untersuchung dem Standardansatz der
Industrieökonomik: dem Structure-Conduct-Performance-Paradigma.
63
Dieser Ansatz
ermöglicht einen vollständigen Überblick über die Beschaffenheit einer Industrie und stellt
die Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Charakteristika der Industrie
vereinfacht dar. Er geht davon aus, dass das wirtschaftliche Ergebnis (Performance) der
untersuchten Industrie von dem Verhalten von Anbietern und Nachfragern (Conduct)
abhängt, was von der Industriestruktur (Structure) bestimmt wird, die zum Teil in den
Rahmenbedingungen des Marktes begründet liegt (Basic Conditions).
64
Die Vielzahl der
charakteristischen Merkmale, die sich bei der Beschreibung einer Industrie finden lassen,
werden diesen vier Bereichen systematisch untergeordnet.
Eigentlich ist das S-C-P-Paradigma nicht dazu entwickelt worden, externe Einflüsse und
deren Auswirkungen auf eine Industrie abzubilden. Vielmehr geht es bei diesem Ansatz um
die Darstellung industrieinterner Zusammenhänge. Die Untersuchung der vorliegenden
Arbeit konzentriert sich dagegen auf die induzierten Veränderungen durch die drei externen
Treiber der Digitalisierung. Doch auch für diese Untersuchung ist die Systematik des S-C-P-
Ansatzes hilfreich. Allerdings liegt der besondere Augenmerk im Gegensatz zur
herkömmlichen Anwendung auf der Untersuchung der Rahmenbedingungen, die
insbesonders von den Auswirkungen der Digitalisierung betroffen sind. Der S-C-P-Ansatz
wird also nicht in seiner herkömmlichen Absicht angewendet, sondern lediglich als
systematisches Hilfsmittel benutzt.
Die Annahme der einfachen Wirkungskette im S-C-P-Ansatz wurde in der Literatur häufig
kritisiert, da sie den komplexen wechselseitigen Beziehungen der Industriemerkmale
untereinander nicht gerecht wird.
65
Diese Kritik scheint auch im Fall der Musikwirtschaft
63
Das Structure-Conduct-Performance (oder kurz S-C-P) Paradigma geht auf den Harvard Professor Edward
S. Mason (1939, 1949) zurück. Eine aktuellere Darstellung findet sich bei Carlton/Perloff (1990), S. 2ff..
64
Für eine ausführliche Diskussion des Structure-Conduct-Performance-Paradigmas: Vgl. Carlton/Perloff
(1990), S. 2ff., und Scherer/Ross (1990), S.4-7.
65
Vgl. Stead/Curwen/Lawler(1996), S. 7f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832449544
ISBN (Paperback)
9783838649542
DOI
10.3239/9783832449544
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2002 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
musikindustrie napster informationsgüter entertainment
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