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Trends in der Anwendung von Markenwahlmodellen

©2004 Diplomarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit Jahrzehnten sind Forscher aus den unterschiedlichsten Fachbereichen wie Marketing, Ingenieurswesen oder Psychologie an der Analyse und der Vorhersage der Produkt- respektive Markenauswahl von Individuen interessiert. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei die Untersuchung von Faktoren, die das Wahlverhalten beeinflussen können. So haben demographische Variablen, psychologische Konstrukte, Heterogenität in den Präferenzen von Individuen oder persönliche Erfahrungen von Konsumenten signifikante Auswirkungen auf die Wahl einer bestimmten Marke. Im Marketing ist besonders die Untersuchung des Einflusses von Faktoren wie Preisänderungen oder anderer verkaufsfördernder Maßnahmen auf das Verhalten von Konsumenten wichtig. Dadurch wird die Wirkung dieser Marketing-Mix-Elemente transparenter und sie können zukünftig effektiver und effizienter in der Preis- und Produktpolitik eingesetzt werden.
Eine Marke definiert sich, als die Kombination von Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung zur Differenzierung gegenüber Produkten und Dienstleistungen der Konkurrenten (Gabler, 1993, S. 2188). Die Marke entsteht dabei aus der Farb- und Formgebung eines Produktes und dem Produkt- oder Firmennamen. Die Bildung einer Marke entsteht durch Werbung und durch einen hohen Bekanntheitsgrad des Produktes beziehungsweise der Dienstleistung. Vorteile der Markenbildung sind für den Hersteller ein bestimmtes Prestige, die Erlangung von akquisitorischem Potenzial und eine stärkere Position gegenüber dem Handel sowie der Konkurrenz. Für den Konsumenten liegen die Vor-teile in der Qualitätsgarantie, der guten Verfügbarkeit und dem bedarfsgerechten Einkauf aufgrund der guten Produktidentifikation (Wöhe, 1996).
Anbieter setzen die entstandenen Markenartikel als absatzpolitisches Instrument ein, bürgen für eine gewisse Qualität und hoffen, den Konsumenten zum Wiederkauf und zur Markentreue zu bewegen. Markenpolitik, die hauptsächlich an qualitätsbewusste und prestigebewusste Nachfrager gerichtet ist, bezieht sich hauptsächlich auf sogenannte Herstellermarken. Neben diesen Marken existieren sogenannte Handelsmarken, wie ALDI-Produkte, mit dem Ziel, die preisbewussten Konsumenten anzusprechen (Wöhe, 1996). Für diese Marken wird weitaus weniger Werbung betrieben als für Herstellermarken. Die wichtigsten Instrumente der Markenpolitik sind die Verpackungspolitik und die Werbung (Wöhe, 1996, S. 652ff.). Diese Steuerung des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Einleitung

1.1 Einführung in die Problemstellung

Seit Jahrzehnten sind Forscher aus den unterschiedlichsten Fachbereichen wie Marketing, Ingenieurswesen oder Psychologie an der Analyse und der Vorhersage der Produkt- respektive Markenauswahl von Individuen interessiert. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei die Untersuchung von Faktoren, die das Wahlverhalten beeinflussen können. So haben demographische Variablen, psychologische Konstrukte, Heterogenität in den Präferenzen von Individuen oder persönliche Erfahrungen von Konsumenten signifikante Auswirkungen auf die Wahl einer bestimmten Marke. Im Marketing ist besonders die Untersuchung des Einflusses von Faktoren wie Preisänderungen oder anderer verkaufsfördernder Maßnahmen auf das Verhalten von Konsumenten wichtig. Dadurch wird die Wirkung dieser Marketing-Mix-Elemente transparenter und sie können zukünftig effektiver und effizienter in der Preis- und Produktpolitik eingesetzt werden.

Eine Marke definiert sich, als die Kombination von Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung zur Differenzierung gegenüber Produkten und Dienstleistungen der Konkurrenten (Gabler, 1993, S. 2188). Die Marke entsteht dabei aus der Farb- und Formgebung eines Produktes und dem Produkt- oder Firmennamen. Die Bildung einer Marke entsteht durch Werbung und durch einen hohen Bekanntheitsgrad des Produktes beziehungsweise der Dienstleistung. Vorteile der Markenbildung sind für den Hersteller ein bestimmtes Prestige, die Erlangung von akquisitorischem Potenzial und eine stärkere Position gegenüber dem Handel sowie der Konkurrenz. Für den Konsumenten liegen die Vor-teile in der Qualitätsgarantie, der guten Verfügbarkeit und dem bedarfsgerechten Einkauf aufgrund der guten Produktidentifikation (Wöhe, 1996).

Anbieter setzen die entstandenen Markenartikel als absatzpolitisches Instrument ein, bürgen für eine gewisse Qualität und hoffen, den Konsumenten zum Wiederkauf und zur Markentreue zu bewegen. Markenpolitik, die hauptsächlich an qualitätsbewusste und prestigebewusste Nachfrager gerichtet ist, bezieht sich hauptsächlich auf sogenannte Herstellermarken. Neben diesen Marken existieren sogenannte Handelsmarken, wie ALDI-Produkte, mit dem Ziel, die preisbewussten Konsumenten anzusprechen (Wöhe, 1996). Für diese Marken wird weitaus weniger Werbung betrieben als für Herstellermarken. Die wichtigsten Instrumente der Markenpolitik sind die Verpackungspolitik und die Werbung (Wöhe, 1996, S. 652ff.). Diese Steuerung des Erscheinungsbildes sowie die Förderung des Bekanntheitsgrades dienen der Bildung einer positiven Verbindung für den Konsumenten mit einer bestimmten Marke. Nur diese positive Verbindung führt letztendlich zu einer Verkaufsteigerung des Produktes.

Der umfassende Kaufentscheidungsprozess eines Individuums kann angelehnt an Lilien, Kotler & Moorthy (1992) und Hruschka (1996) in folgende fünf Stufen aufgegliedert werden:

1. Problemerkennung,
2. Informationssuche,
3. Alternativenbewertung,
4. Kaufentscheidung,
5. Nachkaufverhalten.

Dieser Prozess beginnt bei dem Erkennen eines Bedürfnisses, geht weiter über die Suche nach möglichen Alternativen und deren Bewertungen, die dann zu einem möglichen Kauf einer bestimmten Marke beziehungsweise eines Produktes führt und endet mit den Rückschlüssen, die ein Individuum aus dem Kauf zieht. Die beobachtbare beziehungsweise messbare Wahl einer bestimmten Marke, die in dieser Arbeit im Fokus steht, erfolgt in der vierten Phase.

Als theoretische Basis für die Analyse der Wahl einer Marke haben sich Markenwahlmodelle verschiedenster Art herausgebildet. Eine wichtige und vielversprechende Form sind diskrete Entscheidungsmodelle, in denen ein Individuum zwischen sich gegenseitig ausschließenden Alternativen eine Wahl trifft. Diese Modelle - mit dem Ziel der Vorhersage von Entscheidungen - basieren auf dem auf Thurstone (1927) zurückgehenden Modell des zufälligen Nutzens. Einen besonderen Beitrag für die Anwendung und Entwicklung der diskreten Entscheidungsmodelle leistet die Studie von Guadagni & Little (1983), die zu einem Durchbruch in der Anwendung von diskreten Entscheidungsmodellen, insbesondere der des Logit-Modells, führte. Entscheidend sind ebenfalls die Arbeiten des Nobelpreis-trägers Daniel McFadden, die in vielen Untersuchungsbereichen der Markenwahlmodelle die Forschung kontinuierlich beeinflussen.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten und vielversprechendsten Entwicklungen und Erweiterungen von diskreten Markenwahlmodellen, die auf der individuellen disaggregierten Ebene existieren. Es werden statistische Verbesserungen für die Berechnung der Wahlwahrscheinlichkeiten von Individuen sowie inhaltliche Weiterentwicklungen der Modelle untersucht und bewertet. Der Fokus liegt besonders auf den Entwicklungen, die sich in den letzten Jahren einer steigenden Anwendungs- und Forschungsbeliebtheit erfreuen. Die Gründe für die Herausbildung der einzelnen Anwendungstrends, auf die im späteren Verlauf dieser Arbeit genauer eingegangen wird, sind im Bereich der statistischen Verbesserungen, die besseren und präziseren Schätzungen der Modelle und ihrer Parameter. Bei den Modellerweiterungen liegen die Ursachen in der realitätsnäheren Berücksichtigung von kognitiven Prozessen. Zusätzlich beweist diese Arbeit, das Potenzial der untersuchten diskreten Wahlmodelle und zeigt Gründe auf, weshalb eine intensivere praktische sowie theoretische Anwendung dieser Modelle in der Zukunft zu empfehlen ist.

Nach der Einleitung erfolgt im zweiten Kapitel dieser Arbeit eine Einordnung der dis-aggregierten, diskreten Markenwahlmodelle in die Theorie sowie eine Abgrenzung von anderen Modellformen. Im dritten Teil wird die am häufigsten untersuchte und angewandte Gruppe der diskreten Markenwahlmodelle, die Familie der Logit-Modelle, vorgestellt. Die Untersuchung beginnt mit der Betrachtung der einfachsten Formulierung, dem binären Logit, geht weiter über das aufgrund der Häufigkeit in der Anwendung als Standard-Logit beschriebene multinomiale Modell und endet mit der neuesten Spezifikation, dem gemischten Logit-Modell. Das vierte Kapitel befasst sich mit den Verbesserungen im statis-tischen Bereich, wobei der Schwerpunkt auf den Schätzmethoden, die Simulation nutzen, liegt. Im fünften Teil werden die Veränderungen in der Modellformulierung und die Erweiterungen um Komponenten des Verhaltens untersucht. Im Anschluss daran wird im sechsten Kapitel die Arbeit zusammengefasst und Schlussfolgerungen werden gezogen.

2 Theoretische Einordnung der Markenwahlmodelle

2.1 Einordnung in den entscheidungstheoretischen Kontext

2.1.1 Fundamentale Theorien der Wahlmodelle

Markenwahlmodelle basieren hauptsächlich auf vier verschiedenen formalen Theorien, die sich im Folgenden je nach Art der Präferenzen von Individuen, der Natur der Wahlalter-nativen, den Entscheidungsregeln und der Form der Entscheidungen aufgliedern lassen. Insbesondere wird in diesem Abschnitt der Arbeit die Theorie des zufälligen Nutzens betrachtet, da diese die Grundlage für alle im Hauptteil betrachteten Markenwahlmodelle bildet.

Neoklassische Ökonomische Theorie

In der von Lancaster (1966, 1971) erweiterten neoklassischen Theorie werden Produkte als Kombinationen verschiedener Eigenschaften betrachtet und in Form von Nutzenfunktionen ausgedrückt. Das Individuum besitzt genaue Kenntnis über die Charakteristika der Entscheidungsalternativen und entscheidet sich für diejenige Alternative, die den maximalen Nutzen bietet.

Risiko-Präferenzen Theorie

In der Risiko-Präferenzen Theorie (von Neumann & Morgenstern, 1947) wird eine Risikokomponente in die Präferenzfunktion eines Individuums aufgenommen. Anders als bei der neoklassischen Theorie werden hier die Entscheidungsalternativen nicht als deterministisch, sondern als stochastisch angenommen. Gewählt wird vom Entscheider diejenige Alternative, die den erwarteten Nutzen maximiert. Diese Erwartungsnutzentheorie hat sich später als Standard in der Ökonomie durchgesetzt (Corstjens & Gautschi, 1983).

Theorie der fixen Nutzen

In der Theorie der fixen Nutzen (Luce, 1959) wird einer Alternative in wiederholten Entscheidungssituationen immer der gleiche Nutzen zugeordnet. Die Wahlmöglichkeiten können deterministischer oder wahrscheinlichkeitsabhängiger Natur sein. Die Präferenzen von Individuen, die über die Alternativen definiert werden, haben wiederum deterministischen Charakter. Im Modell ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Alternative gewählt wird, der Quotient aus dem Nutzen der betrachteten Alternative, geteilt durch die Summe der Nutzen aller möglichen Alternativen in der Wahlmenge. Dies impliziert ein Verhältnis zwischen zwei Entscheidungswahrscheinlichkeiten, welches unabhängig von den anderen verfügbaren Alternativen ist. Diese Beziehung und Eigenschaft wird auch als IIA-Axiom ("Independence from Irrelevant Alternatives") bezeichnet. Luce beweist für positive Wahrscheinlichkeiten, dass die IIA-Eigenschaft zu einem fixem Nutzen führt.

Theorie des zufälligen Nutzens

In dem auf Thurstone (1927) basierenden Ansatz, wird dem individuellen Nutzen ein stochastischer Charakter zugesprochen. Dieser basiert auf der Beobachtung, dass unterschiedliche Individuen in identischen Situationen nicht immer die gleichen Entscheidungen treffen. Im Gegensatz zu den vorher dargestellten Theorien wird hier zusätzlich eine Zufallsvariable in die Nutzenfunktion einer Person aufgenommen. Diese Variable steht mit jeder Alternative der Wahlmenge in Beziehung, und die Möglichkeit, die den größten Nutzen bietet, wird gewählt (Zwerina, 1997).

Formal stellt sich der Nutzen einer Person n, der durch die Möglichkeit i entsteht, dar als:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

V bildet die systematische Komponente und ε die zufallsabhängige Komponente, die für den Forscher nicht beobachtbar ist, ab. Als Gründe für das Vorhandensein einer Zufallskomponente nennt Manski (1977) unbeobachtbare Attribute, Variation im Geschmack von Konsumenten sowie Messfehler und unvollständige Informationen (Ben-Akiva & Lerman, 1985). Der Ansatz des zufälligen Nutzens wird in der Marketingliteratur auch als "Random Utility Maximization" Modell (Marschak, 1960) bezeichnet und kann, angelehnt an Walker & Ben-Akiva (2002), wie in Abbildung 2.1, dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Modell der zufälligen Nutzen (angelehnt an Walker & Ben-Akiva, 2002)

Im Modell entsteht der Nutzen eines Produktes beziehungsweise einer Marke aus den erklärenden Variablen, die in den systematischen Komponenten enthalten sind, und der Einwirkung von Zufallseinflüssen. Basierend auf dieser Theorie des zufälligen Nutzens und den anderen vorgestellten Theorien kann wie im nächsten Abschnitt eine Einordnung der in dieser Arbeit untersuchten Markenwahlmodelle vorgenommen werden.

2.1.2 Erstellung einer Typologie basierend auf den Entscheidungsansätzen

In Anlehnung an Corstjens & Gautschi (1983) zeigt Abbildung 2.2 eine Einteilung der Wahlmodelle, die auf den in Abschnitt 2.1.1 erläuterten Theorien basieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Einteilung der Markenwahlmodelle (angelehnt an Corstjens & Gautschi, 1983)

Zunächst wird zwischen diskreten und stetigen Wahlmodellen unterschieden. In stetigen Modellformulierungen steht die Wahl des optimalen Konsumbündels im Mittelpunkt der Untersuchung. Ziel dieser Gruppe von Modellen ist es, die Entscheidung über die gewählte Menge eines Produktes vorherzusagen (Corstjens & Gautschi, 1983). Diskrete Modelle untersuchen die Entscheidungswahrscheinlichkeit, mit der ein Konsument eine bestimmte Marke wählt. In diesen Modellen wählt der Entscheider eine Alternative zwischen sich gegenseitig ausschließenden Möglichkeiten (Ben-Akiva & Lerman, 1985).

Bei den stetigen Wahlmodellen wird eine Entscheidung entweder deterministisch im Sinn der neoklassischen Theorie getroffen oder anhand von stochastischen Alternativen wie in der Risiko-Präferenzen-Theorie. Kahneman & Tversky (1979) entwickeln als weitere ste-tige Betrachtungsmöglichkeit die Prospect-Theorie, die einzelne risikobe­haftete Alterna-tiven nicht anhand der erwarteten Endnutzen vergleicht (von Neumann & Morgenstern, 1953), sondern eine Bewertung im Vergleich zu einem individuellen Referenzniveau beschreibt.

Diskrete Modelle basieren auf der Theorie der fixen (Luce, 1959) und des zufälligen Nutzens (Thurstone, 1927). Sie können zunächst auf der Grundlage des Besitzes der IIA-Eigenschaft unterschieden werden. Das von Luce entwickelte IIA-Axiom unterstellt eine Unabhängigkeit des Verhältnisses der Entscheidungswahrscheinlichkeiten zweier Wahlmöglichkeiten zu weiteren Alternativen. Die Annahme identischer und voneinander unabhängiger Zufallsgrößen führt zu der Gruppe der Modelle, die die IIA-Eigenschaft besitzen. Zu dieser Gruppe gehören - bei Annahme einer Weibull-Verteilung für die Zufallsgrößen - das binäre Logit-Modell und die von McFadden (1973) eingeführte konditionale beziehungsweise multinomiale Logit-Spezifizierung. Im Zuge der Entwicklung des multinomialen Logit-Modells zeigt McFadden, dass das Modell von Luce konsistent mit dem Modell des zufälligen Nutzens ist, wenn die stochastischen Komponenten unabhängig, identisch und Extremwert-verteilt respektive Weibull-verteilt sind. Das unabhängige Probit-Modell (Hausman & Wise, 1978) unterscheidet sich zu den Logit-Modellen durch die Annahme einer Normalverteilung für die Zufallsgrößen.

Die zweite Gruppe der in Abbildung 2.2 dargestellten diskreten Modelle besitzen nicht die restriktive IIA-Eigenschaft. Zwei wichtige Modellentwicklungen, die jeweils eine nichtdiagonale Varianz-Kovarianz Matrix den Zufallskomponenten der Nutzenfunktionen zuordnen, sind das Generalized-Extreme-Value Modell (McFadden, 1980) und das Generalized Probit-Modell (Hausman & Wise, 1978). Ersteres nimmt eine multivariate Extremwertverteilung an, während des zweite Modell den Zufallsgrößen eine multivariate Normalverteilung zuordnet. Batsell & Lodish (1981) umgehen die IIA-Eigenschaft durch Bildung von sich überschneidenden Unterwahlmengen, die auf wiederholten Beobachtungen basieren. Im Dogit-Ansatz (Gaudry & Dagenais, 1979) wird hingegen ein zusätzlicher Parameter in die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Entscheidung aufgenommen, der als Indikator für die Ähnlichkeit zwischen Alternativen dient. In hierarchischen Ansätzen, wie dem Elimi-nation-by-Aspects (Tversky, 1972a; Tversky, 1972b) oder dem Hierarchical Elimination Modell (Tversky & Sattath, 1979) werden die Alternativen zufällig beziehungsweise einer fixen Hierarchie folgend solange sequenziell eliminiert, bis eine Alternative verbleibt. Die aktuellste Entwicklung unter den Modellen, die nicht die IIA-Eigenschaft innehaben, ist das gemischte Logit von McFadden & Train (2000). Dieses Modell wird als Generalisierung des multinomialen Logit angesehen (Revelt & Train, 1998).

Diskrete Entscheidungsmodelle respektive Markenwahlmodelle stehen in dieser Diplomarbeit im Mittelpunkt der Untersuchung. Für eine weitere Analyse ist es deshalb notwendig, eine detailliertere Klassifizierung der Markenwahlmodelle im Hinblick auf das Antwortverhalten von Abnehmern vorzunehmen.

2.2 Einteilung der Markenwahlmodelle anhand des Responseverhaltens von Nachfragern

2.2.1 Stochastische Modelle

Stochastische Markenwahlmodelle, in der die Wahl eines Konsumenten eher zufällig anstatt deterministisch erfolgt, untersuchen vor allem die Beziehungen zwischen vergangenen und heutigen Markenentscheidungen. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Umgangs mit der Heterogenität von Individuen, des Einflusses von Kauf-Feedback und der Berücksichtigung von exogenen Marktfaktoren (Lilien, Kotler & Moorthy, 1992; Hruschka, 1996). Findet eine Berücksichtigung der Heterogenität statt, geschieht dies meist in Form der Annahme einer Mischverteilung. Jede Person der betrachteten Population erhält dabei Parameterwerte aus einer Zufallsverteilung.

Modelle, in denen die heutige Kaufwahrscheinlichkeit nicht von früheren Entscheidungen abhängt, werden als Modelle nullter Ordnung bezeichnet. Wichtigste Vertreter sind das heterogene Bernoulli-Modell (z.B. Bamberg & Coenenberg, 1994) und das Mehr-Marken-Modell von Ehrenberg (1972). In Modellen erster Ordnung, zu denen beispielsweise Markov-Modelle gehören, hat die vergangene Entscheidung einen Einfluss auf die heutige. Allerdings wird in Prozessen erster Ordnung häufig von identisch bedingten Wahrscheinlichkeiten für den Kauf einer Marke für alle Individuen ausgegangen. Der Einfluss der gesamten Kaufgeschichte auf die aktuelle Kaufwahrscheinlichkeit wird in linearen Lernmodellen berücksichtigt.

Marktfaktoren werden in stochastischen Modellen entweder explizit berücksichtigt oder die Effekte der Faktoren werden durch einen Zeittrend dargestellt. Modelle, in denen sich die Parameter nicht im Zeitablauf ändern, zählen zu den stationären Modellen.

Reine stochastische Modelle unterscheiden sich von diskreten Entscheidungsmodellen durch die Betrachtungsweise vergangener und heutiger Entscheidungen. Während in reinen stochastischen Spezifikationen die heutige Wahlwahrscheinlichkeit für eine Markenwahl direkt von der Wahrscheinlichkeit der vergangenen Periode abhängt, setzten diskrete Entscheidungsmodelle den heutigen zufälligen Nutzen und den vergangenen zufälligen Nutzen in Beziehung zueinander.

2.2.2 Aggregierte Modelle

In aggregierten Modellen wird das Marktverhalten eines Aggregats von Nachfragern respektive eines Gesamt- oder Teilmarktes, analysiert. Basierend auf der Annahme iden-tischer Präferenzen für alle Individuen, wird das Verhalten eines durchschnittlichen Repräsentanten untersucht (Renken, 1997). Als abhängige Variable dienen dabei der mengenmäßige Absatz, der wertmäßige Umsatz, der mengen- und wertmäßige Marktanteil, das Marktvolumen oder der Bekanntheitsgrad eines Produktes. Unabhängige Variablen, deren Wirkung auf abhängige Variablen geprüft wird, sind aus Unternehmenssicht die eigenen Marketinginstrumente, die Marketinginstrumente der Konkurrenten, die Merkmale des Aggregats von Nachfragern sowie verschiedene situative Faktoren wie das Brutto-inlandsprodukt (Hruschka 1996).

Grundlage der aggregierten Formulierungen stellt das folgende einfache lineare Modell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit Q als abhängiger Variable und X als unabhängigen Faktoren dar. Nachteilig für die Erklärung der Wirkung von abhängigen Variablen ist die Eigenschaft der konstanten Skalenerträge im linearen Modell. Eine bestimmte Änderung der Einsatzstärke eines Marketinginstrumentes führt zu dementsprechend hohen Änderungen des zu erklärenden Faktors. Besser geeignet ist daher die Verwendung von konkaven Funktionsverläufen, wie im multiplikativen, semi-logarithmischen oder quadratischen Modell. Modelle mit S-förmigen Responseverläufen, wie die logistische oder die Gompertz Funktion, beschreiben den Wirkungszusammenhang zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen ebenfalls besser als das einfache lineare Modell (für eine umfassendere Darstellung der Modelle s. Lilien, Kotler & Moorthy, 1992).

Aggregierte Nachfragemodelle respektive der durchschnittliche Repräsentant werden direkt mit Hilfe von aggregierten Daten geschätzt. Verhaltensänderungen und Verschiebungen der Nachfragergruppenstruktur werden nicht ausreichend berücksichtigt, da nur durchschnittliches Verhalten untersucht wird. Dies führt häufig zu falschen Prognosen und Schlussfolgerungen (Meckes, 1998). Aggregierte Modelle finden eine adäquate Anwendung zur Bestimmung von Markenwahlverhalten, wenn die Konsumenten einer Kategorie nicht allzu stark voneinander abweichen.

2.2.3 Disaggregierte Modelle

Im Gegensatz zu der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Klasse der aggregierten Modelle betrachten disaggregierte Modelle das Responseverhalten eines einzelnen Individuums, eines Haushaltes oder einer Organisation. Abhängige Variablen stellen nun Kauf beziehungsweise Kaufzeitpunkt, Kaufmenge einer bestimmten oder beliebigen Marke, individuenspezifische Präferenzen, Wahrnehmung und Bekanntheitsgrad einer Marke oder auch die Zugehörigkeit einer Marke zur Wahlmenge dar. Als unabhängige Variablen dienen eigene Marketinginstrumente, Marketinginstrumente der Konkurrenz, individuelle Merkmale des Nachfragers oder situative Faktoren (Hruschka, 1996).

Datengrundlage bilden häufig haushaltspezifische Umfragen oder Scanner Panels, mit deren Hilfe die Parameter für jeden Konsumenten in der betrachteten Stichprobe, und nicht nur für den Repräsentanten des Samples, geschätzt werden. Aufgrund der sich kontinuierlich verbessernden Verfügbarkeit von individuenspezifischen Daten steigt die Zahl der Anwendung von disaggregierten Markenwahlmodelle stetig an. Die höhere Varianz der in das Modell eingehenden Faktoren, die meist mit einer niedrigeren Kovarianz zwischen den Faktoren einhergeht, führt im Vergleich zu aggregierten Modellen zu präziseren Modellparametern, verlässlicheren Schätzungen und einer realitätsnaheren Darstellung der Kunden (Allenby & Ginter, 1995).

Eine wichtige Gruppe der disaggregierten Modelle stellen die Logit- respektive Probit-Modellformulierungen dar, die jeweils auf der in Abschnitt 2.1 beschriebenen zufälligen Nutzentheorie (Thurstone, 1927) basieren. Probit-Modelle nehmen eine Normalverteilung der Zufallsgrößen ε an. Logitspezifikationen beruhen hingegen auf der Annahme, dass die stochastischen Komponenten extremwertverteilt sind (Train, 2003). Die Logit-Modelle sind die bekannteste sowie in der Ökonomie am häufigsten angewendeten diskreten Entscheidungsmodelle und erfordern daher eine intensivere Untersuchung.

3 Logit-Modelle – Eine Detaillierte Untersuchung über eine Gruppe der disaggregierten Wahlmodelle

3.1 Charakteristika der Logit-Modelle

Logit-Modelle gehören zur Gruppe der diskreten Wahlmodelle und gehen auf die Theorie des zufälligen Nutzens (Thurstone, 1927) zurück. Gemäß Gleichung (1) ergibt sich der individuelle Nutzen einer Alternative i der Peson n aus einer systematischen Komponente V und einer für den Analysten unbeobachtbaren Zufallsgröße ε. Der systematische Nutzen V ist gegeben durch die Gleichung der Form:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit β als Koeffizienten- respektive Parametervektor und x als Vektor der erklärenden Variablen. Der durch den Forscher beobachtbare Vektor x umfasst Attribute von Alternativen, sozio-ökonomische Eigenschaften, Charakteristiken des Entscheidungskontexts oder die Entscheidungsfähigkeit selbst.

Alle Logit-Modelle haben die Eigenschaft den Stör- beziehungsweise Zufallsgrößen die gleiche Verteilung zuzuweisen. Allgemein nehmen Logit-Modelle voneinander unabhängige, identische, Typ I extremwertverteilte (auch Gumbel oder Weibull-Verteilung genannt) Zufallsgrößen an (Cramer, 1991). Durch die Annahme dieser Verteilung lassen sich die Entscheidungswahrscheinlichkeiten in geschlossener mathematischer Form abbilden, infolgedessen exakt berechnen und leicht interpretieren (Meckes, 1998). Diese analytische Berechnung der Wahrscheinlichkeiten vermeidet eine mit größerem Aufwand verbundene Schätzung durch Simulation. Das im nächsten Teil dieses Kapitels beschriebene sogenannte "mixed" oder gemischte Logit (McFadden & Train, 2000) kann nicht analytisch bestimmt werden, sondern nutzt das Verfahren der Dekomposition, dass analytische Berechnung und Simulation gleichzeitig verwendet (Train, 2003).

Logit-Modelle sind eine vielversprechende Alternative zu Regressionsmodellen in denen eine Schätzung mit Hilfe des sogenannten Kleinste-Quadrate-Verfahrens erfolgt. Probleme in der Qualität der Resultate, bei der Anwendung des zuletzt genannten Verfahrens, treten genau dann auf, wenn qualitative Variablen als zu erklärende Variablen in das Modell integriert werden. Logit-Modelle liefern hingegen qualitativ hochwertige Ergebnisse bei der Einbeziehung von qualitativen Variablen (Urban, 1993). Weitere Vorteile der Logit-Modelle sind die Möglichkeit der Schätzung von Effektstärken von Faktoren auf ab-hängige Variablen, die Analysefähigkeit von variierenden Effektstärken und die Möglichkeit der Untersuchung der Effekte von abhängigen Variablen. Die vielleicht wichtigste Eigenschaft der Familie der Logit-Modelle ist jedoch das Potenzial Lösungsvorschläge für bisher ungelöste Probleme zu geben und neue Anwendungen zu ermöglichen (Urban, 1993).

Die einzelnen Logit-Modelle werden im nächsten Abschnitt genauer untersucht und bewertet. Gleichzeitig wird die Entwicklung dieser Modellgruppe, beginnend bei der Betrachtung des sehr restriktiven binären Modells und endend bei der Analyse der flexiblen gemischten Logit-Formulierung, gezeigt.

3.2 Spezifische Logit-Modelle

3.2.1 Binäres Logit-Modell

Binäre Modelle werden angewendet, um das Wahlverhalten zwischen zwei Alternativen zu untersuchen. Die Wahlmenge Cn beinhaltet im binären Fall somit exakt zwei Alternativen i und j ( z.B. die Alternative i: "Reisen per Auto"versus Möglichkeit j: "Reisen per Bahn"). Die Wahrscheinlichkeit der Person n, die Möglichkeit i zu wählen, kann formal als folgendes Nutzenmaximierungsproblem abgebildet werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diesem Prinzip folgend bevorzugt das Individuum in diskreten Entscheidungsmodellen die Möglichkeit i nur, wenn der individuelle Nutzen Uin größer ist als der Nutzen aus Alternative j.

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erläutert, lässt sich der Nutzen in eine beobachtbare systematische Komponente V und eine zufallsabhängige, nicht beobachtbare Komponente ε teilen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die in Gleichung (4) dargestellte Entscheidungswahrscheinlichkeit gilt nun:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch die Annahme identischer, voneinander unabhängig verteilter Zufallsgrößen und die einer logistischen Verteilung für die Differenz εn = εjn – εin mit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

kann die Entscheidungswahrscheinlichkeit für eine Alternative i formuliert werden als:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alternativ drückt sich das binäre Logit-Modell formal wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Wahlwahrscheinlichkeit weist eine geschlossene Form auf und wird deshalb analytisch bestimmt. Die Parameter β lassen sich durch die, für den binären Fall am häufigsten angewandte, Methode der Maximum-Likelihood-Schätzung (Ben-Akiva & Lerman, 1985) ermitteln.

Die Anwendung des Modells ist jedoch auf die Analyse von zwei Alternativen begrenzt. In einem realen Entscheidungsumfeld wählt ein Konsument eine Alternative aus einer Vielzahl von Möglichkeiten. Aus diesem Grund ist die Betrachtung des multinomialen Falls unerlässlich.

3.2.2 Multinomiales Logit-Modell

Das populärste diskrete Entscheidungsmodell ist das multinomiale Logit-Modell (McFadden, 1973). Im multiplen Fall des Modells befinden sich in der Wahlmenge mehr als zwei Alternativen, die als J definiert werden. Die Option i wird gewählt, wenn der Nutzen größer beziehungsweise gleich dem Nutzen der anderen Möglichkeiten in der Wahlmenge Cn ist. Das dadurch betrachtete binäre Entscheidungsproblem zeigt sich nun wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie im binären Fall gilt im multinomialen Logit-Modell eine unabhängige und identische Verteilung der Zufallsterme ε und eine logistische Verteilung der Differenz εjn – εin. Diese Annahmen und Gleichung (9) führen zu Formulierungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

für das Modell (zur Herleitung der Formel s. a. Hruschka, 1996). Die Parameterwerte und die Wahlwahrscheinlichkeiten ergeben sich aus der Maximum-Likelihood-Schätzmethode (McFadden, 1976).

Die Annahme voneinander unabhängiger und identisch verteilter Störgrößen wird in der Marketingliteratur auch als i.i.d. gekennzeichnet. Diese bedeutet eine gleiche Varianz der Zufallskomponenten, einen identischen Mittelwert und eine Unkorrelation dieser Zufallsgrößen innerhalb sowie zwischen Individuen. Aus dieser restriktiven Annahme resultiert die IIA-Eigenschaft. Eine Postulierung verschiedener Substituierbarkeiten zwischen Produkten ist aufgrund dieser Eigenschaft mit diesem Modell nicht möglich (Baltas & Doyle, 2001). Neben der einfachen Schätzung und Vorhersage ist die transparente und elegante Wahrscheinlichkeitsformel, die eine klare Interpretation der relativen Nutzen zulässt (Baltas & Doyle, 2001), als Vorteil zu nennen. Die multinomiale Logit-Formulierung dient als Grundlage für viele wichtige Modellerweiterungen oder Spezifizierungen wie dem "nested" Logit oder dem gemischten Logit.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832440701
ISBN (Paperback)
9783838640709
DOI
10.3239/9783832440701
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2005 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
logit-modell finite mixture bayesianische prozedur
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