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Narrativer Review zur Wirksamkeit des Transtheoretischen Gesundheitsverhaltensmodells

©2013 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Die Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen nimmt jedes Jahr stark zu und es wird zunehmend schwierig, sich umfassend zu informieren. Daher ist es notwendig, einzelne Studien zur gleichen Thematik systematisch zusammenzufassen und kritisch zu bewerten. Auch im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Gesundheitsverhaltensmodellen ist die Ergebnislage der Einzelstudien teilweise unübersichtlich oder inkonsistent. Der narrative Review zu dem gewählten Thema bietet die Möglichkeit sich einen Überblick zur Wirksamkeit des Transtheoretischen Gesundheitsverhaltensmodells zu verschaffen. Die genannten Modelle finden innerhalb verschiedener Einsatzgebiete Anwendung. Zum einen werden damit Therapieformen unterstützt, zum anderen erfolgt im Coachingbereich das Aufzeigen des eigenen konkreten Risikoverhaltens. Die daraus resultierenden erlernten Verhaltensweisen dienen der Förderung des Gesundheitsverhaltens.
Das Transtheoretische Modell, im Weiteren TTM genannt, ist ein anerkanntes und häufig angewandtes “Hilfsmittel”. In der Praxis wurden bisher häufig die einzelnen Veränderungsphasen (Stages of Change) angewandt. Das TTM fand seinen Ursprung durch Diclemente et al. während der Arbeit und Beobachtung von Rauchern, die es schafften, sich vom Tabak zu entwöhnen. Es hilft denjenigen, die ihr eigenes Risikoverhalten selbst erkannt haben, jedoch weitere Hilfe benötigen, um das von ihnen gewählte Ziel zu erreichen. Die aktuelle Studienlage ist umfassend und unübersichtlich. Es bedarf einer Recherche, um genaue Schlussfolgerungen ziehen zu können. Mithilfe verschiedener Kriterien wird hierbei die Ergebnislage veranschaulicht.
Darüber hinaus wird untersucht, ob vorhandene Studien eventuelle Mängel, z. B. in der Durchführung oder Interpretation, aufweisen. Folgende Kriterien finden dazu Verwendung: das Vorhandensein von Vergleichsgruppen, das Studiendesign, die Alltagsrelevanz der Studienergebnisse auf ähnliche Personengruppen, die transparente Darlegung der angewandten Methoden, die verwendeten Instrumente, die Studiendauer, die Prüfung der wissenschaftlichen Seriosität, die Durchführung eines Prä- und Postvergleiches und die zu berücksichtigenden Einflussfaktoren. Die gesammelten Informationen innerhalb der gefilterten Studien werden in Bezug auf deren Qualität analysiert, miteinander verglichen und nach den bereits genannten Kriterien ausgewertet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



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1
Einleitung und Problemstellung
Die Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen nimmt jedes Jahr stark zu und es
wird zunehmend schwierig, sich umfassend zu informieren. Daher ist es notwendig,
einzelne Studien zur gleichen Thematik systematisch zusammenzufassen und kritisch zu
bewerten. Auch im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Gesundheitsverhaltens-
modellen ist die Ergebnislage der Einzelstudien teilweise unübersichtlich oder
inkonsistent. Der narrative Review zu dem gewählten Thema bietet die Möglichkeit sich
einen Überblick zur Wirksamkeit des Transtheoretischen Gesundheitsverhaltensmodells
zu verschaffen. Die genannten Modelle finden innerhalb verschiedener Einsatzgebiete
Anwendung. Zum einen werden damit Therapieformen unterstützt, zum anderen erfolgt
im Coachingbereich das Aufzeigen des eigenen konkreten Risikoverhaltens. Die daraus
resultierenden erlernten Verhaltensweisen dienen der Förderung des Gesundheits-
verhaltens. Das Transtheoretische Modell, im Weiteren TTM genannt, ist ein
anerkanntes und häufig angewandtes "Hilfsmittel". In der Praxis wurden bisher häufig
die einzelnen Veränderungsphasen (Stages of Change) angewandt. Das TTM fand
seinen Ursprung durch Diclemente et al. während der Arbeit und Beobachtung von
Rauchern, die es schafften, sich vom Tabak zu entwöhnen. Es hilft denjenigen, die ihr
eigenes Risikoverhalten selbst erkannt haben, jedoch weitere Hilfe benötigen, um das
von ihnen gewählte Ziel zu erreichen. Die aktuelle Studienlage ist umfassend und
unübersichtlich. Es bedarf einer Recherche, um genaue Schlussfolgerungen ziehen zu
können. Mithilfe verschiedener Kriterien wird hierbei die Ergebnislage veranschaulicht.
Darüber hinaus wird untersucht, ob vorhandene Studien eventuelle Mängel, z. B. in der
Durchführung oder Interpretation, aufweisen. Folgende Kriterien finden dazu
Verwendung: das Vorhandensein von Vergleichsgruppen, das Studiendesign, die
Alltagsrelevanz der Studienergebnisse auf ähnliche Personengruppen, die transparente
Darlegung der angewandten Methoden, die verwendeten Instrumente, die Studiendauer,
die Prüfung der wissenschaftlichen Seriosität, die Durchführung eines Prä- und
Postvergleiches und die zu berücksichtigenden Einflussfaktoren. Die gesammelten
Informationen innerhalb der gefilterten Studien werden in Bezug auf deren Qualität
analysiert, miteinander verglichen und nach den bereits genannten Kriterien
ausgewertet.

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Zielsetzung
Im Rahmen eines narrativen Reviews soll die vorliegende Arbeit die Wirksamkeit des
Transtheoretischen Gesundheitsverhaltensmodells untersuchen. Dabei wurden 15
thematisch geeignete Primärstudien aus insgesamt drei Anwendungsbereichen
ausgewählt. Zu diesen gehören: die Raucherentwöhnung, die Förderung der körper-
lichen Aktivität und die Verbesserung des Ernährungsverhaltens (Obst- und Gemü-
sekonsum).

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Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Beschreibung des Transtheoretischen Modells
KELLER/KALUZA/BASLER (2001) beschreiben in ihrer Arbeit, dass das
Coaching von Personen, die bereits gesundheitliche Risikofaktoren aufwiesen
und die ihre Verhaltensgewohnheiten verändern wollten, häufig ein frühes Ende
nahm. Frustration und Misserfolg gehörten in vielen Fällen zu den Auslösern für
den frühzeitigen Abbruch des Coachings. Aus diesem Grund wurde in den ver-
gangenen Jahren eine Vielzahl an psychologischen Modellen entwickelt. Dabei
spielt das TTM nach Prochaska et al. eine bedeutende Rolle. Anhand vieler wis-
senschaftlicher Studien konnte die Grundannahme des Modells bestätigt werden
und eindeutige Anleitungen für die Praxis der spezifischen Gesundheitsberatung
abgeleitet werden. Des Weiteren stellt das TTM für Maßnahmen, welche die Ge-
meinde und die Bevölkerung betreffen, aussichtsreiche Ansatzpunkte bereit (vgl.
KELLER/KALUZA/BASLER, 2001a, S. 2).
3.1.1 Theoretische Grundannahmen
Die theoretischen Grundannahmen des TTMs werden im englischsprachigen Ori-
ginaltext wie folgt charakterisiert:
"1. No single theory can account for all of the complexities of behavior
change. Therefore, a more comprehensive model will most likely emerge from
an integration across major theories.
2. Behavior change is a process that unfolds over time through a sequence of
stages.
3. Stages are both stable and open to change just as chronic behavioral risk
factors are both stable and open to change.
4. Without planned interventions, populations will remain stuck in the early
stages. There is no inherent motivation to progress through the stages of inten-
tional change as there seems to be in stages of physical and psychological de-
velopment.
5. The majority of at risk populations are not prepared for action and will not
be served by traditional action-oriented prevention programs. Health promo-
tion can have much greater impact if it shifts from an action paradigm to a
stage paradigm.
6. Specific processes and principles of change need to be applied at specific
stages if progress through the stages is to occur. In the stage paradigm, inter-
vention programs must be matched to each individual's stage of change.

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7. Chronic behavior patterns are under some combination of biological, social
and self-control. Stage matched interventions have primarily been designed to
enhance self-control" (PROCHASKA/REDDING/EVERS, 1996, S. 65).
KELLER/KALUZA/BASLER beschreiben in ihrem Beitrag, dass ausschlagge-
bend für die Entwicklung des TTMs eine vergleichende Analyse und Integration
der Wirkmechanismen verschiedener (psycho-) therapeutischer Ansätze war. Die
Bezeichnung ,,transtheoretisch" ist durch den systematischen Vergleich gemein-
samer Elemente durch verschiedene Therapieschulen (z. B. der Rogerianischen
Tradition) entstanden. Anhand der durchdachten Anschauung konnte festgestellt
werden, dass ungefähr zehn Prozesse oder Strategien (,,processes of change")
Relevanz an der Verwirklichung von Verhaltensänderungen haben. Personen
konnten durch Anwendung dieser Strategien zu unterschiedlichen Zeitpunkten im
Rahmen der Entwöhnungsversuche ein ungünstiges Verhalten (z. B. das Zigaret-
tenrauchen) ändern, ohne dabei auf professionelle Hilfe eines Therapeuten zu-
rückgreifen zu müssen (vgl. KELLER/KALUZA/BASLER, 2001b, S. 4).
BUSCH stellt das TTM als ein beratungs- und therapieübergreifendes Modell dar,
welches Personen ermöglicht, sich mit oder auch ohne professionelle Hilfe zu
verändern (vgl. BUSCH, 2011a, S. 179).
MAURISCHAT beschreibt es als ein Phasenmodell, mit Hilfe dessen die Bereit-
schaft zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung in Hinblick auf ein eindeu-
tig festgelegtes Problemverhalten charakterisiert wird. Dabei grenzt man sechs
Veränderungsphasen ab. Auf dem Pfad zu einer kontinuierlichen Verhaltensände-
rung werden diese Phasen vom Menschen durchlaufen. Hierbei werden auf der
Grundlage der Phasen insgesamt zehn Veränderungsstrategien beschrieben, wel-
che die betroffenen Individuen in Abhängigkeit von den Stadien anwenden, um
die eigene Person, die eigenen Erfahrungen oder ihre Umwelt zu verändern (vgl.
MAURISCHAT, 2001, S. 9).
BUSCH stellt klar, dass das TTM bei starken psychischen Leiden nicht zur
Selbsttherapie eingesetzt werden sollte. Gravierende Auswirkungen in Folge psy-
chischen Leidens, wie z. B. die Einschränkung des Denkvermögens, der zur Ver-
fügung stehenden Energie oder der Realitätswahrnehmung, sollten von entspre-
chenden Beratern und Therapeuten behandelt werden (vgl. BUSCH, 2011b,
S. 181).

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HEIDENREICH/HOYER sagen aus, dass man sich bis heute im deutschen
Sprachraum noch auf keine einheitliche Übersetzung für die von Prochaska et al.
(1992) dargelegten Veränderungsstadien festlegen konnte (vgl. HEIDENREICH/
HOYER, 2001, S. 159).
Im Folgenden werden die Stufen der Verhaltensänderung beschrieben.
PROCHASKA/DICLEMENTE/NORCROSS erläutern, dass der Prozess der Ver-
haltensänderung in fünf bzw. sechs diskrete, aufeinander aufbauende Stufen ein-
geteilt wird (siehe Tabelle 1). Es ist von der Person abhängig, wie lange man sich
in der jeweiligen Stufe aufhält. Nur durch das ,,Durchlaufen" aller Stufen und das
Realisieren der in den jeweiligen Stufen bedeutsamen Veränderungsprozesse
(,,processes of change"), ist eine erfolgreiche Modifizierung eines Problemver-
haltens möglich. Anderenfalls ist die Gefahr für Rückfälle in negative Verhal-
tensgewohnheiten signifikant erhöht (vgl. PROCHASKA/DICLEMENTE/NOR-
CROSS, 1992, S. 1104 f.).
BUSCH beschreibt, dass der Veränderungsprozess auch durch einen Rückfall in
eine vorhergehende Stufe gekennzeichnet sein kann. Dies ist in jeder Stufe mög-
lich, besonders jedoch in der Handlungs- und/oder der Aufrechterhaltungsstufe.
Folglich wird der Veränderungsprozess als ein spiralförmiges Geschehen ver-
standen, in dem Personen nach einem ,,Rückfall" in einer früheren Stufe ,,ver-
bleiben". Die Mehrheit der ,,rückfälligen" Personen verharrt jedoch weder in ei-
ner kreisförmigen Endlosschleife, noch muss wiederholt in der ersten Stufe ,,be-
gonnen" werden. Hierbei besteht die Chance, durch die erlebten Misserfolgser-
fahrungen zurückliegender Versuche, positivere Veränderungstechniken zu wäh-
len und dadurch schneller die gewünschte Veränderung herbeizuführen (vgl.
BUSCH, 2011c, S. 186).
Nach BUSCH beinhaltet das TTM zum einen die Veränderungsmethoden, mit
Hilfe dessen man beschreiben kann, wie die Veränderung in den verschiedenen
Stadien stattfindet und zum anderen die zeitbezogenen Stufen der Verhaltensän-
derung. Die zeitbezogenen Stufen sagen aus, wann eine Entwicklung im Verände-
rungsprozess absehbar ist. Durch die Verwendung beider Konzepte wird es mög-
lich, stufen- und verhaltensspezifische Interventionen durchzuführen, welche ge-
zielt den Veränderungsfortschritt von ,,Stufe zu Stufe" begünstigen (vgl. BUSCH,
2011d, S. 182).

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Im Folgenden werden die Stufen der Verhaltensänderung in einer Tabelle darge-
stellt.
Tab. 1: Stufen der Verhaltensänderung (vgl. KELLER/KALUZA/BASLER, 2001c, S. 6)
Absichtslosigkeit (,,precontem-
plation")
Es ist kein Bestreben vorhanden, das prekäre Ver-
halten in der nächsten Zeit (z. B. in den kommenden
sechs Monaten) zu verändern.
Absichtsbildung (,,contempla-
tion")
Es wird mit dem Gedanken gespielt, das prekäre
Verhalten in den kommenden sechs Monaten zu
verändern.
Vorbereitung (,,preparation")
Der ,,erste Schritt" zur Veränderung wurde unter-
nommen und das angestrebte Zielverhalten wird in
den kommenden 30 Tagen verwirklicht.
Handlung (,,action")
Seit weniger als sechs Monaten wird das anvisierte
Verhalten signalisiert.
Aufrechterhaltung
(,,mainte-
nance")
Das Verhalten wird seit mehr als sechs Monaten
aufrechterhalten.
Stabilisierung (,,termination")
Ähnlich der Aufrechterhaltung, im Gegensatz dazu
ist keine situative Verlockung bzw. kein Rückschritt
mehr existent.
Die folgende Abbildung von PROCHASKA/NORCROSS verdeutlicht die
,,Spirale des Wandels".
Abb. 1: Die Spirale des Wandels (PROCHASKA/NORCROSS, 2003, S. 523)

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In der nachstehenden Tabelle werden die wesentlichen Veränderungsstrategien
dargestellt.
Tab. 2: Zusammenfassung der wesentlichen Veränderungsstrategien (,,processes of change")
(Tabelle modifiziert nach PROCHASKA et al., 1994, S. 33)
Kognitive Strategien (,,experiential processes")
Steigern des Bewusst-
seins
,,consciousness
raising"
Aktives Aufnehmen von Informationen über sich selbst
und das Problemverhalten, z. B.: das Lesen von Artikeln zu
gesunder Ernährung.
Emotionales
Erleben
,,dramatic relief", ,,emo-
tional arousal"
Bewusstes Erleben und Ausdrücken der Gefühle bezüglich
des Problemverhaltens und möglicher Lösungen, z. B.: das
Artikulieren von Befürchtungen über die Folgen der eige-
nen unvorteilhaften Ernährung.
Wahrnehmen der per-
sönlichen Umwelt ,,en-
vironmental
re-
evaluation"
Wahrnehmen und Bewerten, in welcher Weise das Prob-
lemverhalten die persönliche Umwelt und andere Personen
betrifft, z. B.: das Erkennen der (positiven) Modellfunktion
günstiger Essgewohnheiten für die eigenen Nachkommen.
Selbstbewertung ,,self-
re-evaluation"
Emotionale und rationale Analyse, in welcher Form das
Problemverhalten oder die Änderung des Verhaltens die
eigene Person und das Selbstbild betrifft, z. B.: man stellt
sich selbst mit einem positiven Verhalten vor (täglicher
Verzehr von fünf Portionen Obst und Gemüse).
Wahrnehmen
förderli-
cher Umweltbedingun-
gen ,,social liberation"
Wahrnehmen von Umweltbedingungen, welche die Verän-
derung des Problemverhaltens erleichtern, z. B.: fettarme
und fettreduzierte Lebensmittel im Supermarkt auswählen.
Verhaltensorientierte Strategien (,,behavioral processes")
Selbstverpflichtung
,,self-liberation",
,,commitment"
Einen festen Vorsatz beschließen, sich selbst zu einer kon-
sequenten Veränderung des Problemverhaltens zu ver-
pflichten, z. B.: Personen aus dem engeren Umfeld über
die geplante Verhaltensänderung informieren.
Kontrolle der Umwelt
,,stimulus control"
Kontrolle von Situationen, Personen, oder anderen Stimuli,
um das Auftreten des Problemverhaltens zu verringern und
die Beibehaltung des Zielverhaltens zu erleichtern, z. B.:
die Obstschale an den Orten bereitstellen (Büro, Esstisch,
etc.), an denen man häufig verkehrt.
Gegenkonditionierung
,,counter conditioning"
Ersetzen unvorteilhafter Verhaltensweisen im Sinne einer
Problemlösung durch positives (vorteilhaftes) Verhalten, z.
B.: anstatt die Süßigkeiten zu essen wird ein Spaziergang
unternommen.
Nutzen hilfreicher Be-
ziehungen ,,helping rela-
tionships"
Aktive Einbeziehung der Personen aus dem sozialen Um-
feld um die Verhaltensänderung zu erleichtern, z. B.: mit
Freunden ein fettarmes Menü zubereiten.
(Selbst-)
Verstärkung
,,reinforcement
man-
agement", ,,reward"
Verwendung von (Selbst-) Belohnungsstrategien zur Errei-
chung des Zielverhaltens, z. B.: die Buchung einer Ganz-
körpermassage, sobald die eigenen Vorsätze sieben Tage
lang durchgehalten wurden.

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Im Folgenden werden die bereits genannten Stufen der Veränderung (siehe Tabelle
1) im Zusammenhang mit den Methoden der Veränderung (siehe Tabelle 2) darge-
stellt. PROCHASKA/NORCROSS/DICLEMENTE beschreiben dies wie folgt:
1) Vorstadium des Nachdenkens (Precontemplation)
Charakteristisch für diese Stufe ist, dass Personen in der näheren Zukunft keine
Absicht zur Veränderung eines spezifischen Problemverhaltens aufweisen. Die
Betroffenen bemerken nicht eindeutig, dass ein Problem besteht. Darüber hinaus
existiert auch keine Intention, das Verhalten zu modifizieren. Der Widerstand
gegen das Erfassen oder gegen die Modifizierung eines Problemverhaltens gehört
dabei zu dem charakteristischen Merkmal der Betroffenen. So lassen sich in die-
ser Stufe drei Gruppen unterteilen:
Das eigentliche Problem wird ausgeblendet. Das Bestreben etwas zu
verändern und die nötige Wahrnehmung, das Problem festzustellen, sind
nicht vorhanden. Die Thematik wird bereits von den Familienangehörigen,
Freunden, etc. angesprochen.
Die Verhaltensänderung kann durch sozialen Druck der Angehörigen oder
Freunde über eine bestimmte Zeitspanne hinweg begünstigt werden. In den
meisten Fällen führt dies zu einem Abwehrverhalten und dem Verharren in
der jeweiligen Stufe.
Wiederholte Fehlversuche eine Veränderung hervorzubringen, haben bei den
Betroffenen zu Resignation, Demotivation und Chancenlosigkeit geführt.
Die wichtigsten verwendeten Veränderungsmethoden sind hierbei: die Steigerung
des Bewusstseins, stützende Beziehungen und die soziale Befreiung (vgl. PRO-
CHASKA/NORCROSS/DICLEMENTE, 1997a, S. 48 ff., 90 ff.; 2002a, S. 75 ff.).
2) Stadium des Nachdenkens (Contemplation)
Personen in dieser Stufe beschäftigen sich aktiv mit dem problematischen Verhal-
ten, ohne dabei Veränderungen herbeizuführen. Es besteht die Absicht, etwas zu
verändern, jedoch fehlt dazu die nötige Entschlossenheit. Die in der ersten Stufe
genannten Veränderungsmethoden und die folgenden Methoden sind relevant: das
Bewusstwerden der Emotionen und der Entwicklung eines neuen Selbstbildes.
Für Letzteres eignen sich besonders drei Techniken:

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Erst denken, dann handeln.
Die genannte Herausbildung eines neuen Selbstbildes.
Entscheidungen treffen, bei denen die Vor- und die Nachteile abgewägt
und mithilfe von vier Grundkategorien getroffen wurden.
Zu den Grundkategorien gehören: die Auswirkungen der Veränderung und die
Reaktionen für einen selbst und für andere Personen als Resultat des Wandels.
Hierbei wird eine Einteilung in Pro und Kontra vorgenommen (vgl. PROCHAS-
KA/NORCROSS/DICLEMENTE, 1997b, S. 176 f.).
Das von JANIS/MANN (1977) entwickelte Entscheidungsmodell (,,Decisional
Balance") basiert auf diesem Konzept, welches je vier Kategorien von Vor- und
Nachteilen als unabdingbar erklären. Diese sind charakteristisch für den Ent-
scheidungsprozess. Die Entscheidung etwas zu ändern, ist im Veränderungspro-
zess aller Stufen wichtig. Im Stadium des Nachdenkens ist dies besonders er-
kennbar. PROCHASKA et al. bestimmen den Zeitraum des Stadiums des Nach-
denkens über ein Problem von bis zu zwei Jahren (vgl. PROCHASKA/
NORCROSS/DICLEMENTE, 1997c, S. 51 ff., S. 142 ff.; 2002b, S. 109 ff.).
3) Vorbereitungsstadium (Preparation)
Innerhalb der nächsten Zeit soll mit der Veränderung des Problemverhaltens be-
gonnen werden. Ein wichtiges Merkmal dieser Stufe ist das Vorhandensein einer
Handlungsentscheidung. Das neue Verhalten ist in den ,,Anfangszügen" erkenn-
bar. Das entscheidendste Kriterium für diese Phase ist jedoch, eine eindeutige
Entscheidung zu treffen. Es besteht eine klare Vorstellung über die nächsten
Schritte. Dazu wurden Informationen gesammelt, weitere Unterstützung einge-
holt und bereits erste Schritte zum neuen Verhalten umgesetzt. Das Zielverhalten
ist noch nicht erreicht. Vorangehende Fehlversuche spielen ebenso wie die Uner-
fahrenheit mit dem Zielverhalten keine Rolle. Die bereits beschriebenen Verände-
rungsmethoden der ersten beiden Stufen haben, wie die folgende Methode, eine
Bedeutung: die feste Absicht, als Willensbildung und Glaubenssatz, eine Ände-
rung umsetzen zu können. Im Wesentlichen helfen hierbei die Handlungstechni-
ken: ,,Prinzip der kleinen Schritte" und das ,,Treffen klarer Entscheidungen" (vgl.
PROCHASKA/NORCROSS/DICLEMENTE, 1997d, S. 53 f., S. 193 ff.; 2002c,
S. 145 ff.).

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4) Handlungsstadium (Action)
In dieser Phase werden die Veränderungsprozesse am deutlichsten sichtbar. Die
offenen, beobachtbaren Verhaltensweisen sind hier ausgeprägter, als die kognitiv-
affektiven Prozesse. Für das Bestreben, Änderungen umzusetzen, wird mehr Zeit
und Energie eingesetzt und man erhält durchschnittlich auch mehr Unterstützung
und Anerkennung aus dem sozialen Umfeld. Die Gefahr ist hierbei, dass das Ver-
halten jedoch noch nicht ,,in Fleisch und Blut" übergegangen ist und nicht stabil
verläuft. Ähnlich wie in den vorherigen Stufen bleiben die Veränderungsmetho-
den bestehen und werden ergänzt durch:
Der Gegenkonditionierung (Countering), mithilfe dessen ein Problemver-
halten durch ein gesundes Verhalten ersetzt wird. Sport, aktive Ablenkung,
Entspannung, etc., haben sich bei der Änderung von starren Denkmustern
durch positives Denken bewährt.
Die Kontrolle der Umwelt, um problemförderliche Reize zu vermindern.
Die Belohnung als Verstärkung gesundheitsförderlichen Verhaltens. Durch
Belohnung ist es möglich, neue und veränderte Verhaltensmuster positiv
zu bestätigen (vgl. PROCHASKA/NORCROSS/DICLEMENTE, 1997e, S.
54 f., S. 230 ff.; 2002d, S. 172 ff.).
5) Durchhaltestadium (Maintenance)
Das Durchhaltestadium ist gekennzeichnet durch eine dynamische und zielgerich-
tete Fortführung bereits erreichter Veränderungen. Das positive Verhalten wird
weiter gefestigt und sich aktiv mit Fehlern oder möglichen Rückfällen auseinan-
dergesetzt, um unerwünschtem Verhalten fernzubleiben. Der benötigte Zeitraum
hierfür kann einige Monate oder sogar den Rest des Lebens betragen.
In diesem Zusammenhang ist eine lebenslange, aktiv geführte Auseinanderset-
zung und der Austausch mit Personen denkbar, welche bereits Rückschläge hinter
sich gelassen haben. Die Veränderungsmethoden werden nur bei Bedarf genutzt.
Besonders wichtig ist es, der eigenen Selbsteffektivität, Selbstwirksamkeitser-
wartung (self-efficacy) und der Kompetenzerwartung zu vertrauen, um Verände-
rungen herbeizuführen und lenken zu können. Unter Selbstwirksamkeit versteht
man die Überzeugung, selbst bei schlechten Bedingungen über das nötige Know-
how zu verfügen, um ein Ziel zu erreichen. Die Selbstwirksamkeitserwartung

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beschreibt das Ausmaß der Zuversicht, die eine Person aufweist, um das ge-
wünschte Veränderungsverhalten unter widrigen Gegebenheiten zu zeigen. Zur
Erfassung der Selbstwirksamkeitserwartung trägt die Auswahl eines neuen Ver-
haltensmusters und das Aufzählen von gefährlichen Situationen bei, die das Ziel-
verhalten in Frage stellen könnten (vgl. PROCHASKA/NORCROSS/
DICLEMENTE, 1997f, S. 56 f., S. 272 ff.; 2002e, S. 202 ff.).
6) Schlussstadium (Termination)
In diesem Stadium hat man die Spirale des Wandels hinter sich gelassen. Die Be-
troffenen verfügen in der Regel über ausreichend Beharrlichkeit, Wissen und Er-
fahrung, den Zeitpunkt der Erreichung des Schlussstadiums selbst zu bestimmen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass für einige Verhaltensänderungen, z. B. der
Verzicht von Tabakkonsum, ein stabiles Verhalten erlangt wurde und somit keine
Rückfälle zu verzeichnen sind. Das Verlangen eine Zigarette zu konsumieren,
besteht nicht mehr. In anderen Bereichen der Verhaltensänderung fällt die Umset-
zung des Zielverhaltens schwerer. Gekennzeichnet ist dieses Stadium durch ein
stabiles neues Selbstbild, eine stabile Selbsterwartungshaltung, eine gesündere
Lebensweise und die Tatsache, dass Versuchungen der Vergangenheit angehören.
Experten kommen zu dem Schluss, dass man das gesamte Leben in dem Hand-
lungsstadium bleibt. In Bezug auf regelmäßige körperliche Betätigung oder eine
gesunde Ernährung, wird wie erwähnt, eine lebenslange Beschäftigung mit die-
sem Thema vermutet (vgl. PROCHASKA/NORCROSS/DICLEMENTE, 1997g,
S. 58, S. 372 ff.; 2002f, S. 274 ff.).
3.2 Kritische Beschreibung der aktuellen Forschungslage zur
Wirksamkeit
BUSCH hebt die Verwendung des TTMs in einer Vielzahl an ausländischen
(,,USA") und auch in europäischen Veröffentlichungen und ,,Stichprobenerhe-
bungen" hervor. Aus den Ergebnissen der vorangegangenen Veröffentlichungen
(z. B. KELLER, 1998) schlussfolgert BUSCH, dass die vorteilhaft gewertete
Anwendung der ,,Veränderungsmethoden" bei Verhaltensänderungen eine große
Rolle spielt. Es wird vermutet, dass ,,die differentiell ausgeführte" Relevanz der

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,,Veränderungsmethoden für Rauchen eine andere als für Alkohol, für Ernährung
oder für Krebsvorsorge" darstellt. So wurde aufgezeigt, dass die stetige Nutzung
der ,,Veränderungsmethoden" im Zuge des Durchlaufens der ,,Stufen" eine festi-
gende Wirkung auf die entsprechenden ,,Veränderungsprozesse" hat. Außerdem
wurde für die von PROCHASKA et al. dargestellte Wechselbeziehung ,,der Stu-
fen der Veränderung mit den spezifischen Methoden der Veränderung" ange-
merkt, dass diese ,,nicht immer nachvollziehbar" ist. Bisher konnte noch nicht
festgestellt werden, wie der Veränderungsprozess unter Zuhilfenahme der Metho-
den abläuft (vgl. BUSCH, 2011e, S. 194 f.).
KELLER (1998, Kapitel 7) stellte fest, dass das ,,Stufenkonzept der Verände-
rung" über eine hohe Zuverlässigkeit verfügt. Diese Aussage wurde hauptsäch-
lich in Veröffentlichungen mit der Thematik zu stoffgebundener Abhängigkeit
bewiesen.
,,Sicherlich ist das Erlernen der einzelnen Veränderungsmethoden für Klienten
in ,,einem Zug" oder eventuell auch längerfristig zu komplex, zeitlich zu auf-
wendig und für einzelne Klienten situativ auch nicht stimmig, doch bietet be-
sonders das Stadienmodell einfache grundlegende Entwicklungsschritte der
persönlichen Entfaltung an, die ebenso während des Beratungs- und Thera-
pieprozesses wie auch zu einem späteren Zeitpunkt relativ problemlos für ei-
gene Veränderungsprozesse eingesetzt werden können" (BUSCH, 2011f, S.
195).
BUSCH erläutert, dass durch das Konzept des TTMs die Möglichkeit gegeben ist,
wichtige Lernerfahrungen in Beratung und Therapie zu durchlaufen. Aufgrund
des erlebten Lerneffektes kann dem Kunden bewusst gemacht werden, dass der
,,Lebenswandel" eine immerwährende und fortschreitende Entwicklung darstellt.
In diesem Zusammenhang hat das TTM einen entscheidenden Einfluss auf die
,,bewusste Veränderung und Gestaltung" der persönlichen ,,Lebensumstände".
Außerdem fügt er hinzu, dass das eigene Bestreben und die ,,Motivation zur Ver-
änderung" dabei nicht unterschätzt werden sollten (vgl. BUSCH, 2011g, S. 195).
HOCH et al. deuten daraufhin, dass die Beliebtheit des TTMs weiterhin besteht.
Begründet wird dies durch die ,,heuristische" Nachvollziehbarkeit und die Einbe-
ziehung einer charakteristischen ,,Passung von Veränderungsstadien und anzu-
wendenden Interventionen" (,,matched-interventions"). So wurden die Modellan-
nahmen in den vergangenen Jahren in die ,,psychologische und ärztliche Versor-
gungspraxis in Deutschland" übernommen (vgl. HOCH et al., 2008, S. 6).

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KELLER bestätigt diese Annahme in seinem Editorial. So erfährt das TTM bei
Forschern und Praktikern durch die intuitive Plausibilität große Beliebtheit.
Durch die Stufen kann der Veränderungsprozess differenziert werden, sodass die
Mechanismen der Verhaltensänderung vertieft und die Forschung angeregt wer-
den konnte. Die Forschung setzte sich daraufhin mit den Einzelheiten des Verän-
derungsprozesses detailliert auseinander. So wurde ausgesagt, dass das TTM für
Praktiker den empirischen Hintergrund für die Handlungsleitlinie darstellt, um
den zu Behandelnden in der ,,Stufe", in der er sich aktuell befindet, zu erreichen.
Die Erkenntnis, Verhaltensänderung als Prozess anzusehen und die Transparenz
der für weitere Veränderungen notwendigen Schritte, resultiert in der Entlastung
für Patienten und für die Berater/Therapeuten. So hat sich das TTM in verschie-
denen Bereichen (insbesondere dem Rauchen) zu einem modernen Ansatz im
Kontext der Interventionsplanung gemausert (vgl. KELLER, 2004, S. 36).
LIPPKE/KALUSCHE deuten auf die mehrfach erfolgte Kritik von Stadienmodel-
len hin. Insbesondere wurde hierbei das TTM genannt. Diese betrifft nicht die
theoretische Grundidee, ,,sondern die Operationalisierung, die nicht durch die"
Verfasser des Modells beabsichtigt wurde. So beziehen sich die Kritikpunkte häu-
fig auf die Methodik oder werden durch die Auslegung der Wissenschaftler und
Praktiker herbeigeführt, welche die ursprünglichen Überlegungen zu den Stadien
nicht ausreichend erfasst und/oder ,,konzeptionalisiert" haben. So wird schlussge-
folgert, dass neben dem Wissen zu den theoretischen Ansichten des Modells auch
entsprechende Untersuchungsmethoden bekannt sein sollten (vgl. LIPP-
KE/KALUSCHE, 2007, S. 11).
Die Wissenschaft liefert stetig neue Erkenntnisse. Einen kleinen Beitrag zu der
bisherigen Forschungslage soll dieser narrative Review leisten. Dazu wird im
folgenden Kapitel näher auf die Herangehensweise der vorliegenden Arbeit ein-
gegangen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783961162147
ISBN (Paperback)
9783961167142
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH – Ernährungsberatung
Erscheinungsdatum
2018 (Januar)
Note
2,1
Schlagworte
TTM Transtheoretisches Gesundheitsverhaltensmodell Stages of Change Therapieform Prä- und Postvergleich Gesundheitsverhaltensmodell Diclemente Raucherentwöhnung Verbesserung des Ernährungsverhaltens
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