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Die Wirtschaftskrisen von 1929 und 2008. Ein Vergleich

©2017 Bachelorarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Die Finanzkrisen von 1929 und 2008 gehen als prägende Ereignisse für die Finanzwelt und die globale Bevölkerung in die Geschichte ein, da sie viele Menschen negativ betroffen haben. Das Phänomen der Finanzkrisen ist jedoch bereits so alt wie das heutige Finanzsystem selbst. Es begleitet uns seitdem und tritt immer mal wieder in unregelmäßigen Zeitintervallen und in verschiedenen Intensitäten auf. Finanzkrisen stellen durch die untrennbare Vernetzung mit den Finanzmärkten eine Herausforderung und Bedrohung mit immensem Potential für eine Störung der Weltwirtschaft dar. Dabei werden im Regelfall nach jeder Krise regulatorische Maßnahmen ergriffen, um eine zukünftige Krise sowie Fehlentwicklungen und ähnliche Exzesse wie vor der Krise 1929 zu verhindern. In der Folgezeit nach 1929 konnten durch diverse Lerneffekte und neue Erfahrungen diese Regulierungen angepasst werden, was jedoch nicht weitere Crashs an den Finanzmärkten verhindern konnte. In der folgenden Arbeit wird zuerst ein allgemeiner Überblick über das Thema der Spekulation gegeben. Anschließend wird der Börsencrash 1929 näher untersucht. Dabei wird auf den Gold-Devisen-Standard, die Spekulation, den Handlungen der Fed, den Finanzinnovationen und das Kreditvolumen eingegangen. Hier sollen die Ursachen, welche zur Krise 1929 geführt haben, näher behandelt werden.
Danach erfolgt die selbe Analyse für die Subprime-Krise. Anschließend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Krisen herausgestellt, sodass abschließend ein Fazit gezogen werden kann, inwiefern sich diese beiden Krisen unterscheiden und welche Faktoren sich ähneln.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Dow Jones Industrial Index von 1924 bis 1933
S.17
Abbildung 2: Leitzinsentwicklung USA von 2000 bis 2010
S.23
Abbildung 3: Immobilienpreisentwicklung USA von 1953 bis 2011
S.27
Abbildung 4: Immobilienpreise und Zunahme von Hypothekendarlehen für den Immobi-
lienerwerb
in
elastischen
Städten
S.29
Abbildung 5: Immobilienpreise und Zunahme von Hypothekendarlehen für den Immobi-
lienerwerb
in
unelastischen
Städten
S.30
Abbildung 6: Löhne im Finanzsektor im Vergleich zum Rest der Wirtschaft in den USA
im
Zeitraum
von
1909
bis
2005
S.36,
S.47
Abbildung 7: Das Verhältnis der privaten und staatlichen Schulden zum US-Bruttoin-
landsprodukt
S.41

II Abkürzungsverzeichnis
SEC
United States Securities and Exchange Commission
FED
Federal
Reserve
MBS
Mortgage Backed Securities
CDO
Collateralized Debt Obligation
CDS
Credit Default Swap
ABS
Asset Backed Securities
EZB
Europäische
Zentralbank
IFRS
International Financial Reporting Standards

1. Einleitung
24. Oktober 1929, New York, Manhattan, Börse. Die Aktienkurse fallen plötzlich rapide
in die Tiefe. Panik auf dem Parkett der Börse. Einige Börsenmakler sprangen aus den
Fenstern, da sie ihr komplettes Vermögen verloren hatten und ihnen als Kurzschlussre-
aktion der Tod attraktiver vorkam als das Weiterleben (vgl. Galbraith 2009, S.145). Jeder
wollte mit den absackenden Preisen seine Aktien verkaufen, um wenigstens noch ein
bisschen Geld zu sichern und so nicht einen Totalverlust zu erleiden (vgl. Galbraith 2009,
S.146).
-Zeitsprung-
14. September 2008, New York, Manhattan, Börse. Blanke Panik. Anspannung liegt in
der Luft. Durch die Insolvenz von Lehman Brothers, die im Vorfeld abgestürzten Immo-
bilienpreise und dem Platzen der Immobilienblase sind die Aktienkurse abgestürzt. ,,2,6
Millionen Menschen verlieren ihren Job. Die Wirtschaft der USA bricht 2008 um 8,5
Prozent ein. Dem Land droht ein ökonomisches Chaos, die größte Wirtschaftskrise seit
der Großen Depression 1929." (http://www.taz.de/!5350866/, zuletzt aufgerufen am
10.03.17)
Diese zwei Tage gehen als prägendes Ereignis für die Finanzwelt und der globalen Be-
völkerung ein, da sie viele Menschen negativ betroffen hat. Das Phänomen der Finanz-
krisen ist jedoch bereits so alt wie das heutige Finanzsystem selbst. Sie begleiten uns
seitdem und treten immer mal wieder in unregelmäßigen Zeitintervallen und in verschie-
denen Intensitäten auf. Finanzkrisen stellen durch die untrennbare Vernetzung mit den
Finanzmärkten eine Herausforderung und Bedrohung mit immensem Potential für eine
Störung der Weltwirtschaft dar. Dabei werden im Regelfall nach jeder Krise regulatori-
sche Maßnahmen ergriffen, um eine zukünftige Krise sowie Fehlentwicklungen und ähn-
liche Exzesse wie vor der Krise 1929 zu verhindern. In der Folgezeit nach 1929 konnten
durch diverse Lerneffekte und neue Erfahrungen diese Regulierungen angepasst werden,
was jedoch nicht weitere Crashs an den Finanzmärkten verhindern konnte. In der folgen-
den Arbeit wird zuerst ein allgemeiner Überblick über das Thema der Spekulation gege-
ben. Anschließend wird der Börsencrash 1929 näher untersucht.
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Dabei wird auf den Gold-Devisen-Standard, die Spekulation, den Handlungen der Fed,
den Finanzinnovationen und das Kreditvolumen eingegangen. Hier sollen die Ursachen,
welche zur Krise 1929 geführt haben, näher behandelt werden.
Im Anschluss wird dasselbe für die Subprime-Krise gemacht. Es wird auf die Rolle der
Fed, den Immobilienboom, die fehlende Kontrolle, die Probleme des moralischen Risikos
und Interessenskonflikte eingegangen. Im dritten Teil dieser Arbeit werden die Gemein-
samkeiten und Unterschiede dieser beiden Krisen herausgestellt, sodass abschließend ein
Fazit gezogen werden kann, inwiefern sich diese beiden Krisen unterscheiden und welche
Faktoren sich ähneln.
Mein Interesse in dieses Themengebiet und speziell das an der Wirtschaftskrise von 1929
und der Subprime-Krise von 2007 resultiert hierbei aus der gewaltigen Macht, die von
Finanzmärkten ausgeht. Finanzmärkte können das Vermögen von vielen Menschen in
kurzer Zeit stark ansteigen lassen und auf diese Weise für ein besseres Leben dieser Men-
schen sorgen. Dieser Effekt kann jedoch auch umgekehrt wirken, sodass in kurzer Zeit
viele Menschen ihr Vermögen verlieren. Gerade der Zusammenhang zwischen Manie und
Depression, deren wechselseitiger Eintritt an den Finanzmärkten sowie die psychologi-
sche Ursache der Menschen mit deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die teilweise
zu starke Naivität und andererseits der zu starke Pessimismus der menschlichen Einstel-
lung ist eine Sache, die mich immer wieder fasziniert und meine Wissensbegierde nach
diesem Thema stark ansteigen lässt. Gekoppelt mit der rasanten internationalen Auswir-
kung dieser Krisen, den globalen Einflüssen, welche zurückzuführen sind auf ein einziges
Land und das fehlerhafte Handeln einiger weniger Institutionen des ,,Auslöserlandes"
sind zudem ein Phänomen, welches eine Finanzkrise so einzigartig und zugleich gefähr-
lich und unberechenbar machen. Man kann die genauen Folgen und den Radius der Zer-
störung, der durch einen Börsencrash resultiert, nie im Vornherein bestimmen. Ein wei-
terer Aspekt, welcher mein Interesse für dieses Themengebiet weckt, ist die soziale Um-
verteilung, die durch die Finanzmärkte stattfindet. Es ist höchst interessant wie sich die
Einkommens- und Vermögensstrukturen eines Landes oder auch länderübergreifend, ja
sogar global durch eine Finanzkrise beziehungsweise Weltwirtschaftskrise verändern
kann und dadurch jedes Mal aufs Neue umstrukturiert wird beziehungsweise sich die
Extrema immer weiter verhärten.
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Auch die psychologische Seite des Marktes begeistert mich. Wieso investieren Men-
schen, ohne dass dafür benötigte Vermögen zu besitzen in einen riskanten Markt? Wieso
nehmen sie das Risiko einer Spekulation auf Pump so einfach hin, ohne die möglichen
Folgen zu berücksichtigen oder das Risiko eines Kursfalles überhaupt mit einzubeziehen?
Jedoch nicht nur das Handeln der Investoren ist interessant, sondern auch das der staatli-
chen Institutionen. Wieso handeln diese teilweise so verantwortungslos und bestimmen
Deregulierungen in der Finanzbranche, ohne die Folgen oder das mögliche Risiko zu
kennen?
Orientiert sich das Handeln dieser Institutionen in diesen Fällen wirklich an dem Allge-
meinwohl? Oder gibt es Interessensgruppen, mangelnde Objektivität oder gar Korruption,
damit manche Regulierungen eingeführt werden oder eben nicht. Ein außerdem topaktu-
elles Thema der Finanzmärkte ist die rasante Geschwindigkeit, mit welcher Finanztrans-
aktionen durchgeführt werden. Millisekunden sind hier ausreichend. Geht von dieser für
Aufsichtsbehörden teilweise nicht einsehbaren oder schwer nachvollziehbaren Transak-
tionen eine Gefahr aus? Kann die Geschwindigkeit, mit der Transaktionen durchgeführt
werden bei einem Crash wie dem in 1929 zu einem schnelleren Absturz der Börsenkurse
führen und kann hier die Panik und der Schaden noch größer ausfallen? Und zuletzt ist
auch die Frage interessant, ob sich Finanzkrisen vorhersagen lassen. Ist ein Lerneffekt
vorhanden und reicht dieser aus, um zukünftige Krisen im Vornherein zu verhindern?
Oder ist es ein Thema, welches in seiner Grundgesamtheit viel zu komplex ist, als dass
man die Folgen einer Handlung vorhersehen und mit anderen Handlungen in Beziehung
setzten kann, um das Endergebnis erkennen zu können. Haben sich die auslösenden Fak-
toren, welche zu diesen zwei Krisen geführt haben wirklich geändert? Diese Frage hoffe
ich mit der folgenden Bachelorarbeit beantworten zu können.
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2. Entstehung von Spekulationsblasen
Als Spekulationsblase wird eine Marktsituation bezeichnet, in welcher die Preise eines
oder mehrerer Handelsgüter über ihren inneren Wert beziehungsweise Fundamentalwert
steigen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Spekulationsblase; zuletzt aufgerufen am
19.06.17).
Galbraith definiert drei Grundvoraussetzungen für die Entstehung einer Spekulations-
blase: Die Menschen müssen eine positive Zukunftserwartung, leicht zugängliche Refi-
nanzierungsmöglichkeiten und innovative Finanzprodukte haben. Dabei ist die positive
Zukunftserwartung laut Galbraith der größte Treiber einer Spekulationsblase (vgl. Gal-
braith 2009, S.209). Eine zwingende Voraussetzung für die positive Einstellung der Men-
schen gegenüber der Börse ist, dass der letzte Crash schon eine gewisse Zeit in der Ver-
gangenheit liegt. Denn die Erinnerung an einen Börsencrash führt zu einer negativen
mentalen Einstellung gegenüber der Börse, wodurch Misstrauen entsteht. Sobald die
Menschen misstrauisch sind, erzeugen auch sehr niedrige Zinsen keine Spekulations-
blase, da die Menschen vorsichtig sind und daher auch vorsichtiger ihre Investments tä-
tigen (vgl. Galbraith 2009, S.208 ff.). Aber auch eine Spekulationsblase allein ist keine
hinreichende Bedingung für das Entstehen einer Krise. ,,Die Blase allein reicht jedoch
nicht, um eine Krise auszulösen. Mill erkannte vielmehr die entscheidende Rolle von
Krediten und Schulden." (Roubini 2011, S.67) Zu Beginn der Blase steigt die Kredit-
vergabe an. Es ist leichter an Kredite zu kommen. Sobald der Boom nachlässt und die
Kurse zurückgehen, werden viele Kreditnehmer unerwartet zahlungsunfähig. Misstrauen
wird erzeugt. Aufgrund der gestiegenen Unsicherheit verschärft sich die Kreditvergabe.
Nach dem Ausbleiben der Kredite kommt es zu Notverkäufen, wodurch es zu Preisrück-
gängen kommt. Dies ist darin begründet, dass der vorherige Preisanstieg der Vermögens-
werte zum Großteil kreditfinanziert war. Als Notverkäufe werden solche Verkäufe be-
zeichnet, die aus einer Zwangssituation heraus entstehen. Das heißt Menschen, die nicht
unbedingt ihre Wertpapiere verkaufen wollen, werden aus der aktuellen Situation heraus
dazu gezwungen, diese zu verkaufen. Zum Schluss sinken die Preise sogar unter ihr ver-
nünftiges Niveau. Das vernünftige Niveau wird an der Grenze festgelegt, wo Deflation
entsteht, da diese besonders schädlich für die Wirtschaft ist.
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Die Panik ist genauso übertrieben wie die vorherige Zuversicht, da erst mit zu starkem
Optimismus spekuliert wird und dieser Optimismus sich in der Panik dann genau in die
entgegengesetzte Richtung dreht (vgl. Roubini 2011, S.67). Mill erkannte somit schon im
19. Jahrhundert einen Zusammenhang zwischen dem Schuldenniveau und der Krisenent-
stehung. Er ging von einer Spekulationsblase aus, bei der das Schuldenniveau in einer
manischen Phase enorm anwächst und die Spekulationsblase beflügelt. Zum Krisenbe-
ginn schlägt diese Manie über Unsicherheit und Angst in Panik um.
An diese von Mill entwickelte Theorie hat Minsky im 20. Jahrhundert angeknüpft, indem
er die Kredite mit welchen Spekulationen finanziert wurden, genauer betrachtete. Er iden-
tifizierte drei Gruppen von Krediten: Die abgesicherte Finanzierung, die spekulative Fi-
nanzierung, und das sogenannte ,,Schneeballsystem". Bei der abgesicherten Finanzierung
generieren die Kreditnehmer genug Einnahmen um laufende Zins- und Tilgungsver-
pflichtungen zu erfüllen. Der Kredit ist somit relativ stabil und wird mit hoher Wahr-
scheinlichkeit zurückgezahlt. Die spekulative Finanzierung ist eine Finanzierung, bei der
die laufenden Einnahmen ausreichen, um die Zinsen zu bezahlen. Der Kredit selbst kann
jedoch erst zum Ende der Investition abgelöst werden und wird bis dahin aufgeschoben.
Da eine Investition jedoch immer mit Unsicherheit verbunden ist, ist dieser Kredit schon
nicht mehr stabil und das Risiko erhöht sich, dass der Kredit nicht zurückgezahlt werden
kann. Er hat das Potenzial, nicht bedienbar zu sein. Bei der dritten Kategorie: dem
,,Schneeballsystem", reichen die laufenden Einnahmen weder für die Rückzahlung des
Kredits, noch für die Bedienung der Zinsen aus. Hier werden mithilfe der Aufnahme
neuer Schulden die Zinslasten alter Schulden bezahlt. Durch ein starkes Wachstum des
Kreditvolumens steigt die Nachfrage nach Gütern, was wiederum die Preise steigen lässt.
Sobald einige Schuldner ihre Schulden nicht mehr bedienen können, da beispielsweise
die Zinsen steigen oder ihre Investition nicht das geplante Geld abwirft, kommt es auf-
grund der Nachfragesenkung zu Preisrückgängen und Notverkäufen, bis letztendlich die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage kleiner als das Angebot ist und dies zu einer Deflation
führt (vgl. Roubini 2011, S.77ff.). Das ,,Schneeballsystem" kann also nur zeitlich be-
grenzt erfolgen, da es in der Realwirtschaft kein unendliches Wachstum geben kann. Dies
ist vergleichbar mit einem Luftballon, den man aufbläst. Wenn immer mehr Luft in ihn
hineingelangt, wird er irgendwann platzen- es ist nur eine Frage der Zeit. Minsky erwei-
tert also Mill's Theorie um das Risiko der der Kreditvergabe.
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Sobald es in der von ihm erstellten Kategorisierung zu viele Kredite in der zweiten und
dritten Kategorie gibt, nimmt die Stabilität an der Börse ab, denn besonders die dritte
Kategorie- die des Schneeballsystems- ist enorm instabil und hält nur so lange stand, wie
auch der Boom fortgesetzt wird. Sobald die Preise oder Kredite nicht weiter steigen, fällt
das ganze System auf Pump in sich zusammen. Dieser Vorgang überträgt sich wiederum
auf die zweite Kategorie von Krediten und macht diese auch untragbar. Es wird eine Ab-
wärtsspirale erzeugt.
Sowohl Fisher als auch Kindleberger erkannten den Zusammenhang zwischen dem
Schuldenniveau und der Entstehung einer Spekulationsblase. In Fishers im Jahre 1933
erschienenen Buch ,,Booms and Depressions" geht er dabei vor allem auf die unproduk-
tiven Schulden ein, die sich in einem hohen Ausmaß zu einer Blase und darauffolgend zu
einer Krise entwickeln können. Als unproduktive Schulden kann man solche verstehen,
die durch ihre Investition keinen Mehrwert schaffen (vgl. Fisher 1933, S.8f., S.45).
Kindleberger zieht einen Vergleich zwischen verschiedenen Krisen, wie zum Beispiel der
Tulpenmanie in den Niederlanden im 17. Jahrhundert und die Schifffahrtskanal-Manie
im 18. Jahrhundert des Großbritanniens. In beiden Fällen war die Kreditvergabe der Ur-
sprung der Spekulationsblase und wurde von ihr genährt. Dabei wurde die Tulpenpreis-
blase durch eine Art Anbieterkredit befeuert, den die Tulpenkäufer bei den Tulpenanbie-
tern aufgenommen hatten (vgl. Mian und Sufi 2015, S.135). Durch die Preissteigerungen
wollten immer mehr Menschen an diesem Gut verdienen, weshalb die Preise sehr stark
inflationiert sind, bis letzten Endes die Blase geplatzt ist und viele Menschen ihr Vermö-
gen verloren (vgl. http://www.wirtschaft-global.de/der-erste-borsencrash-der-weltge-
schichte.html; zuletzt aufgerufen am 13.06.17). Und auch die Schifffahrtskanal-Manie
wurde von Krediten erzeugt, wobei in diesem Fall die Banken an Unternehmen Kredite
ausgaben, damit diese Kanäle bauen. Zu dieser Zeit wurde auch viel in Eisenbahnstrecken
und Landerschließungen investiert. Dies wurde auch durch Kredite finanziert. Als jedoch
aufgrund von Fehlinvestitionen die New Yorker Filiale der Bank ,,Ohio Life Insurance
and Trust Company" Konkurs anmeldete, reduzierten die Banken ihre Kreditvergabe und
die Zinssätze wurden angehoben. Dies hat zu Unsicherheit und Panik im Volk geführt,
sodass viele Menschen ihre Wertpapiere abgestoßen haben (vgl. http://www.bo-
erse.de/boersenwissen/boersengeschichte/Die-Weltwirtschaftskrise-1857-78, zuletzt
aufgerufen am 13.06.17). Dadurch formulierte Kindleberger das Axiom, dass Spekulati-
onsblasen positiv von dem Schuldenvolumen abhängen (vgl. Mian und Sufi 2015, S.135).
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All diese Aussagen haben eines gemeinsam: Ein hohes Kreditvolumen ist definitiv ein
Hauptfaktor, der zur Erzeugung einer Spekulationsblase führt. Diese Spekulationsblase
wird zur Gefahr, wenn es zu viele riskante beziehungsweise unproduktive Kredite gibt.
3. Der Crash von 1929
3.1 Der Gold-Devisen-Standard
Der Gold-Devisen-Standard ist eine abgeschwächte Form des Goldstandards. Hier folgt
eine Währung stets dem Goldstandard beziehungsweise der Leitwährung. Die anderen
Währungen werden in einem festen Wechselkurs zur Leitwährung gesetzt (vgl.
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/gold-devisen-standard.html; zuletzt aufge-
rufen am 19.06.17).
Bereits David Hume hat 1754 den Goldstandard anhand eines vereinfachten Modells er-
klärt. Er stellte die These auf, dass bei einer positiven Handelsbilanz- das heißt wenn die
Exporte die Importe eines Landes übersteigen- ein Goldzufluss aus dem Ausland in das
Land stattfindet. Dies begründet er damit, dass Konsumgüter ausgeführt werden, die mit
nicht-konsumierbaren Gütern bezahlt werden und somit mehr Gold und Edelmetalle in
das Land gelangen. Umgekehrt hat eine negative Handelsbilanz- wenn also die Importe
die Exporte übersteigen- einen Goldabfluss vom Inland in das Ausland zur Folge. In der
Konsequenz daraus erhöht oder vermindert sich der Bestand an Goldmünzen, die sich im
Umlauf befinden. Dies hat wiederum eine Auswirkung auf das Preisniveau. Dies liegt
darin begründet, dass bei einem Goldabfluss in das Ausland der Geldmenge weniger Gold
gegenübersteht und die Währung so abgeschwächt wird. Andersherum verhält es sich bei
einem Goldzufluss aus dem Ausland. Aufgrund der Erhöhung der Goldmenge von Län-
dern mit positiver Handelsbilanz, steigen die Preise in diesem Land und die Währung
wird aufgewertet. Die Preiserhöhung verteuert die Güter dieses Landes für das Ausland.
Die Nachfrage sinkt und die Exporte gehen zurück. Umgekehrt gilt dies für eine negative
Handelsbilanz, wo durch das Senken des Umlaufgeldes die Preise fallen und nun für den
Export attraktiver werden (vgl. Eichengreen 2000, S.45). Jedoch hatte Hume das Prinzip
der Zentralbanken nicht auf sein System angewendet. Eine Zentralbank kann den Dis-
kontsatz über das Geld steuern und auf diese Weise die Anpassung des Geldumlaufes
beschleunigen. Dadurch kann man einen Goldabfluss verhindern.
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Die Banken leihen das Geld wiederum an die Wirtschaft, wodurch deren Geschäfte zwi-
schenfinanziert werden können (vgl. Obst, Kloten 1993, S.424). Wenn die Zentralbank
den Diskontsatz erhöht, muss die Geschäftsbank einen höheren Abschlag hinnehmen.
Auf diese Weise wird die Kreditvergabe gesteuert. Wird ein Goldabfluss erwartet, so
kann die Zentralbank also den Diskontsatz erhöhen. Dies führt zu steigenden Zinsen, wel-
che die Geschäftsbanken für ihre Kredite verlangen und die Kreditnachfrage nimmt ab.
Nachdem die Kreditnachfrage gesunken ist, gehen automatisch auch die Investitionen
zurück, wodurch die Produktion und das Einkommen fallen. Dieser Prozess senkt wiede-
rum die Importe und das Preisniveau, was wiederum einen Exportanstieg zur Folge hat.
Dieser Ablauf wird auch als ,,Geldmengen-Einkommens-Mechanismus" bezeichnet.
Zusätzlich kommt es zu höherem Auslandskapitalzufluss, da der Inlandszins für auslän-
dische Investoren attraktiv ist und diese anlockt. Dies wird auch als ,,Geldmengen-Zins-
Mechanismus" bezeichnet (vgl. Kindleberger 2011, S.81). Umgekehrt werden bei einer
Senkung des Diskontsatzes die Kredite günstiger, was die Nachfrage nach Krediten und
damit zusammenhängend die Geldmenge steigen lässt (vgl. Eichengreen 2000, S.47f.).
Der hier erläuterte Goldstandard wurde nach dem ersten Weltkrieg um die Komponente
anderer Devisen ergänzt und in die Währungssicherung einiger Nationen mit aufgenom-
men. Die Ursache hierfür liegt bei dem hohen Preisniveau, welches durch die Kriegsin-
flationen und durch die erhöhte Nachfrage nach Geld und Sichteinlagen erzeugt wurde.
Damit wollte man einer drohenden Deflation vorbeugen. Die Zeit von 1924 bis 1929 kann
man als eine Zeit des allgemeinen, weltweiten Wirtschaftsaufschwunges bezeichnen. Zu-
dem herrschte eine starke Nachfrage nach Geld und Krediten. Jedoch hat sich Relation
von Geldmenge und damit verknüpfter Goldmenge stark geändert, sodass durch geringere
Goldförderung und der Nachfrageerhöhung nach Geld eine immer größere Menge an
Geld immer weniger Gold gegenüberstand. Die USA hatte zu diesem Zeitpunkt mehr als
40% des weltweit verfügbaren Goldes angehäuft. Dies geschah vor allem durch die Kre-
ditvergabe und dem Verkauf von Rüstungsgütern während des ersten Weltkrieges. Die
Goldreserven waren also auch stark ungleichmäßig verteilt (vgl. Eichengreen 2000,
S.96ff.). Durch diesen enormen Anstieg an Goldreserven in den USA hätte man das Preis-
niveau dementsprechend erhöhen müssen, um einen Ausgleichsmechanismus zwischen
den verschiedenen Nationen zu schaffen. Jedoch war das Ziel der Fed in den 1920er Jah-
ren eine Stabilisierung des Preisniveaus.
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Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Kreditsumme für Geschäftsbanken begrenzt und
auf diese Weise jede zusätzliche Liquidität mittels Goldzuflüsse entgegengesetzt (vgl.
Ahamed 2010, S.190f). Da die USA das weltweit verfügbare Gold durch die Goldanhäu-
fung im eigenen Land stark beschränkt hat, war ein ständiger Liquiditätsengpass im Sys-
tem die Folge. Somit kann man unter anderem diese extreme Anhäufung von Goldreser-
ven der USA als eine Grundlage für die spätere Deflation sehen. Aus Angst vor einer
Währungsabwertung tauschten immer mehr Menschen ihre Devisen gegen Gold,
wodurch sich der Gold-Devisen-Standard bald einem reinen Goldstandard annäherte.
Durch diesen Tausch verknappte die Geldmenge zunehmend. Dies heizte die Deflation
weiter an. Um einen Goldabfluss ins Ausland zu verhindern, erhöhten viele Zentralban-
ken ihre Diskontsätze- sprich das inländische Zinsniveau. Gleichzeitig wollte man damit
Gold aus dem Ausland anziehen. Die Deflation wurde dadurch stark angeheizt (vgl. Ei-
chengreen 2000, S.107f.; vgl. Bernanke 1990, S.38). Durch die Deflation konnten immer
mehr Menschen ihre Kredite nicht mehr bedienen: Banken waren nicht bereit Kredite zu
erneuern oder Neue zu vergeben, was auch viele Unternehmen in die Insolvenz führte
(vgl. Bernake 1990, S.44). Dies liegt darin begründet, dass in einer Deflation das Geld an
Wert zunimmt. Hat man also Schulden, vermehren sich diese durch die Deflation (Fisher
1933, S.17f.). Durch diese Insolvenzen wurden Arbeitsplätze frei. In dessen Folge sanken
die Investitionen und auch die Nachfrage. Diese Geschehnisse kann man als Abwärtsspi-
rale bezeichnen, da sich hier Effekte gegenseitig bedingen und verstärken. Am Ende die-
ser Spirale wurden selbst Banken illiquide. Die Zentralbank hatte auch keine Mittel be-
reitgestellt um diese mit Liquidität zu versorgen. Doch selbst wenn die Zentralbank Mittel
dafür bereitgestellt hätte, hätte aus Angst vor einer Abwertung höchstwahrscheinlich um-
gehend Kapitalflucht eingesetzt, denn das zusätzlich erzeugte Geld, welches die Zentral-
bank den Geschäftsbanken bereitstellen würde, wäre nicht ausreichend mit Gold oder
Devisen gedeckt gewesen und würde damit ein zu hohes Risiko der Entwertung darstellen
(vgl. Eichengreen 2010, S.110). Somit kann man den Goldstandard als einschränkendes
Mittel für die Zentralbank sehen, welche eine Bankenrettung unmöglich gemacht hätte.
Eine Lösung für das damalige Problem wäre eine internationale Kooperation gewesen.
Jedoch kannte man die Ursache der Weltwirtschaftskrise zu dieser Zeit nicht eindeutig
und stand in einigen Ländern wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich einer expan-
siven Geldpolitik sehr kritisch gegenüber. Grund hierfür war die vorher schlechte Erfah-
rung einer solchen Politik durch die großen Inflationen in den 1920er Jahren (vgl. Ei-
chengreen 2000, S.112f.).
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3.2 Ablauf der Spekulation
In den 1920er Jahren wuchs die Produktion, noch mehr jedoch die Produktivität der Ar-
beiter weltweit. Die Löhne und Gehälter stiegen jedoch nicht in entsprechendem Umfang
wie die Produktivitätszuwächse. Daraus resultierte eine Kostensenkung der Produktion
und die Gewinne, Dividenden und Aktienkurswerte der Unternehmen stiegen.
Dies führte auch zu einem vermehrten Kapitalabfluss aus Europa nach Amerika. Um die-
sen zu unterbinden, sahen sich immer mehr Staaten dazu gezwungen, ihre Diskontsätze
zu erhöhen, um das Kapital im Land halten zu können (vgl. Kindleberger 2011, S.144).
Daher beschloss die Fed Anfang Juli 1927 eine Senkung des Diskontsatzes, um weiter
Geld auf die Märkte fließen zu lassen. Friedmann und Schwarz gehen davon aus, dass die
dadurch entstandene günstigere Refinanzierungsmöglichkeit die Spekulation anheizte
und somit unter anderem ursächlich für das Entstehen der Spekulationsblase von 1929
war (vgl. Kindleberger 2011, S.87ff.). Außerdem stieg die Produktion von Investitions-
güter um 6,4%, die der kurzlebigen Konsumgüter um 2,8% und die der dauerhaften Kon-
sumgüter wie beispielsweise Autos um 5,9% pro Jahr in den USA der 1920er Jahre.
Dadurch wird klar, dass der Aufschwung von vermögenden Konsumenten, welche auto-
matisch die Kapitalgeber darstellen, getragen wird und nicht durch die ,,kleinen Leute".
Das lässt sich daran erkennen, dass das Wachstum im Investitionsbereich stärker ange-
wachsen ist, als im dem der Konsumgüter. Würde diese Nachfrage wegfallen hätte dies
einen entsprechenden Nachfrageeinbruch der Investitionsgüter zur Folge (vgl. Galbraith
2009, S. 214). Aufgrund der ungleichen Einkommensverteilung zwischen Kapitalgebern
und Lohnempfängern war die damalige Nachfrage besonders börsenabhängig (vgl. Gal-
braith 2009, S.216). Irgendwann bildeten die Kurse jedoch nicht mehr die reale Gewinn-
steigerung und Wertentwicklung ab beziehungsweise basierte der Marktwert zunehmend
auf Spekulation anstatt auf fundamentalen Marktdaten wie Unternehmensgewinne oder
auf das Kurs-Gewinn Verhältnis und anderen relevanten Kennzahlen.
Jedoch sorgte eine zu diesem Zeitpunkt nicht gesättigte Nachfrage zu immer weiteren
Kursanstiegen. Der Dow-Jones-Index stieg beispielsweise im Bereich der Industrieaktien
von 198 Punkte Anfang 1928 auf einen Rekordstand von 381 Punkten im September 1929
(vgl. Kindleberger 2011, S.139). Dabei stellt der Dow-Jones-Index den wichtigsten und
bekanntesten Aktienindex der USA dar, welcher seit 1929 die wichtigsten Industrieun-
ternehmen beinhaltet.
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961162024
ISBN (Paperback)
9783961167029
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Heidelberg Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften – Wirtschaftsgeschichte
Erscheinungsdatum
2017 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
Wirtschaftskrise Finanzkrise 2007 2009 Krise Krisengeschichte Krisenentstehung Krisenüberwindung
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Titel: Die Wirtschaftskrisen von 1929 und 2008. Ein Vergleich
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