Lade Inhalt...

Markenrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Unionsmarke beim Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU

©2017 Bachelorarbeit 44 Seiten

Zusammenfassung

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
...
4
1. Einleitung
...
6
1.1. Rechtliche Problemstellung
...
6
1.2. Zielsetzung der Bachelorarbeit
...
8
1.3. Vorgehensweise
...
9
2. Markenrechtliche Probleme
...
10
2.1. Geschmälerter Schutzbereich der Unionsmarke
...
10
2.1.1. Räumlicher Geltungsbereich der Unionsmarke
...
10
2.1.2. Fehlende Harmonisierungsmöglichkeit der EU
...
11
2.1.3. Verlust der Schutzrechte im austretenden Staat
...
12
2.2. Markenlöschung aufgrund fehlender kennzeichenmäßiger Benutzung
...
15
2.2.1. Grundsatz der rechtserhaltenden Benutzung
...
15
2.2.2. Markenschutz bei ausschließlicher Benutzung im austretenden Staat
...
16
2.2.3. Markenschutz bei fehlender Benutzung im austretenden Staat
...
17
2.3. Eingeschränkter Schutz der bekannten Marke
...
18
2.3.1. Schutzumfang der bekannten Marke innerhalb der EU
...
18
2.3.2. Verlust der Bekanntheit im austretenden Staat
...
19
2.3.3. Eventueller Verlust des Bekanntheitsgrades innerhalb der Union
...
19
2.4. Auswirkungen auf die Rechtsdurchsetzung
...
21
2.4.1. Markenrechtliche Rechtsdurchsetzung in der EU
...
21
2.4.2. Wirkung zukünftiger Verfügungen
...
22
2.4.3. Verlust bereits erwirkter Verfügungen
...
23
3. Übernahme des bestehenden Markenschutzes in das nationale Markenrech
...
24
3.1. Gesetzliche Regelungen
...
24
3.1.1. Rechtslage gem. EUV
...
24
3.1.2. Rechtslage gem. Unionsmarkenverordnung (EU) 2015/2424
...
25
3.1.3. Souveränität des austretenden Staates
...
25
2

3.2. Aufrechterhalten der Schutzrechte im austretenden Staat
...
27
3.2.1. Schaffen paralleler nationaler Schutzrechte
...
27
3.2.2. Einheitliche Wirkung der Markenrechte
...
28
3.2.3. Aushandeln eines Umwandlungsverfahrens
...
28
3.3. Umwandlung bisheriger Unionsmarken in nationale Marken
...
29
3.3.1. Entstehen gleichwertiger nationaler Marken
...
29
3.3.2. Entstehen inhaltlich identischer Marken
...
30
3.3.3. Aufrechterhalten der Priorität
...
30
3.3.4. Aufrechterhalten der Seniorität
...
31
3.4. Festlegen von Übergangsbestimmungen
...
31
3.4.1. Regelung einer Benutzungsschonfrist
...
32
3.4.2. Regelung des Schutzes der bekannten Marke
...
32
3.4.3. Regelung der Rechtsdurchsetzung
...
33
4. Fazit
...
34
(a) Zusammenfassung der rechtlichen Problematik
...
34
(b) Zusammenfassung der Erkenntniss
...
35
(c) Ausblick auf künftige Entwicklungen
...
37
Literaturverzeichnis
...
38
Judikaturverzeichnis
...
42
3

Abkürzungsverzeichnis
Abs
AEUV
Art
bspw
EG
ER
EU
EuGH
EUIPO
EUV
EWR
et al
f, ff
gem
grds
hpts
idR
IPO
lit
Marken-RL
Nr
Rn
RL
Rs
Rz
Slg
u.a.
UMV
Absatz
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel
beispielsweise
Europäische Gemeinschaft
Europäischer Rat
Europäische Union
Europäischer Gerichtshof
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum
Vertrag über die Europäische Union
Europäischer Wirtschaftsraum
und andere
und der/die/das folgende (Singular), die folgenden (Plural)
gemäß
grundsätzlich
hauptsächlich
in der Regel
Intellectual Property Office
Buchstabe
Markenrechtsrichtlinie
Nummer
Randnummer
Richtlinie
Rechtssache
Randziffer
Sammlung
unter anderem
Unionsmarkenverordnung
4

u.U.
v.a.
unter Umständen
vorallem
vgl
VK
VO
vergleiche
Vereinigtes Königreich
Verordnung
5

1.
Einleitung
1.1. Rechtliche Problemstellung
Großbritannien ist das erste Land in der Geschichte der Europäischen Union, das den Austritt
aus dem Staatenbund erklärt. Am 23. Juni vergangenen Jahres entschieden sich die Wähler im
Vereinigten Königreich mit einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen den Verbleib in
der Union.
1
Obwohl die Entscheidung für die britische Regierung nicht rechtsverbindlich ist,
verlangt sie politisches Tätigwerden.
2
Dementsprechend wurde am 29. März diesen Jahres das formelle Austrittsgesuch an den
Europäischen Rat gem. Art. 50 EUV übermittelt.
3
Die Union tritt daraufhin mit dem
austretenden Staat in Austrittsverhandlungen, in denen die künftigen Beziehungen zwischen
der EU und dem VK rechtlich geregelt werden.
4
Ist der Austrittsvertrag ausgehandelt, wird er
vom EuGH, der hierüber zunächst mit qualitativer Mehrheit nach den Vorgaben des Art. 238
(3) lit. b AEUV ohne den austretenden Mitgliedstaat entscheidet, im Namen der EU
abgeschlossen.
5
Die erste Brexit-Verhandlung fand am 19. Juni 2017 in Brüssel statt.
6
Ziel der Verhandlungen
ist es, Rechtsklarheit zu schaffen und ein Verfahren für den Austritt auszuhandeln, dass die
demokratische Legitimation der EU und die Souveränität des austretenden Staates
berücksichtigt. Bis zum endgültigen Austritt wird Großbritannien ein EU-Mitgliedstaat
bleiben, der an die EU-Verträge und Gesetze gebunden ist.
7
Als vollwertiges Unionsmitglied
bleiben bis dahin alle Rechte und Pflichten der Mitgliedschaft bestehen, wie auch das britische
Government verlauten lässt.
8
1
Secretary of State for Exiting the European Union, Legislating for the United Kingdom's withdrawal from the
European Union (2017) [7]
2
von Bomhard, BREXIT and Impact on EU trademarks and design rights, Kluwer Trademark Blog (2016)
3
Tagesschau.de, Großbritannien reicht Austrittsgesuch ein (29.03.2017)
4
Europäischer Rat, Leitlinien des Europäischen Rates (Artikel 50) für die Brexit-Verhandlungen (29.04.2017)
5
Europäisches Parlament, Artikel 50: Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU (2016)
6
Breitinger, Zeit online - der Brexit (26.06.2016)
7
von Bomhard, BREXIT and Impact on EU trademarks and design rights, Kluwer Trademark Blog (2016)
8
Department for Exiting the European Union, UK leaving the EU: what you need to know (07.04.2017)
6

Bis dato kennt die EU keinen Präzedenzfall für den Austritt eines Mitgliedstaates aus der
Union. Dies führt zu Rechtsunsicherheit unter den beteiligten Parteien. Die Entscheidung des
Referendums wurde vorrangig aus ökonomischen und rechtspolitischen Motiven getroffen.
Ziel des Austritts ist, eine neue und gleichberechtigte Partnerschaft mit der EU.
9
Die
Verhandlungen berücksichtigen dementsprechend einerseits die Wiedererlangung der
Eigenständigkeit des VK und schließen aber ein Aufrechterhalten bestimmter unionsweiter
Regelungen nicht aus. Befürworter des Austritts führen an, dass nun Rechtsklarheit und ein
Verfahren für einen Austritt geschaffen werden kann, das die demokratische Legitimation der
fortdauernden Integration, sowie die Wahlfreiheit und die Souveränität der Mitliedstaaten
betone.
10
Die Ergebnisse der Verhandlungen sind derzeit nicht eindeutig absehbar und die durch den
Austritt entstehenden Schutzlücken bieten Raum für Spekulation. Hier liegt es an den
verhandelnden Parteien, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beiden
Rechtspositionen zu schaffen. Jedenfalls dürfte feststehen, dass Großbritannien nach dem
formellen Austritt nicht länger von gemeinschaftsweiten Rechten umfasst sein wird.
11
Überall
dort, wo es praktikabel sein wird, soll jedoch weiterhin das gleiche Recht gelten wie zuvor, ließ
die britische Politik verlauten.
12
Die Regierung bereitet sich momentan darauf vor, die EU in
bestmöglicher Weise für das nationale Interesse des VK zu verlassen.
13
Die kürzlich
veröffentlichte ,,Great Repeal Bill" legt die Vorschläge der Regierung für den Austritt dar.
14
Als unionsweites Schutzrecht ist das Rechtsgebilde der Unionsmarke vom Austritt eines
Mitgliedstaates aus der Union unweigerlich betroffen. Die Unionsmarke ist eine auf dem
gesamten Gebiet der Union geltende Marke, die durch eine einzige Anmeldung Schutz auf dem
gesamten Gebiet erlangt.
15
Die aus der Unionsmarke entspringenden Rechte entfalten ihre
Wirkung auf dem gesamten Gebiet der EU, bislang auch im VK.
9
The Telegraph, Theresa May's Brexit speech in full (17.01.2017)
10
vgl. Oppermann, AVR (2004) [1, 8]; Zeh, ZEuS (2004) [209]
11
DLA Piper, Trademarks & Designs ­ Folgen eines Möglichen Brexit (2016)
12
Secretary of State for Exiting the European Union, Legislating for the United Kingdom's withdrawal from the
European Union (2017) [7]
13
Department for Exiting the European Union, Exiting the European Union (29.03.2017)
14
Secretary of State for Exiting the European Union, Legislating for the United Kingdom's withdrawal from the
European Union (2017) [7]
15
vgl. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2015/2424 ­ UMV
7

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU erstreckt sich der Schutzbereich von
Unionsmarken ohne ausgehandelte Übernahmeregelungen künftig nicht mehr auf das
Territorium Großbritanniens. Inhalt der bevorstehenden Austrittsverhandlungen wird demnach
auch die Zukunft der Unionsmarke in Großbritannien sein. Momentan scheinen die
vollständigen Auswirkungen des Brexit auf das Markenrecht noch unklar. Erklärungen der
Verantwortlichen auf Seiten der EU und Großbritanniens sowie die Ansprache von Theresa
May vom Januar 2017 geben keine konkreten Auskünfte darüber, welchen Weg das Vereinigte
Königreich in Bezug auf die Unionsmarke einschlagen wird. Auch der ,,Great Repeal Bill" sind
zu diesem Thema keine Informationen zu entnehmen.
Angenommen werden kann allerdings, dass Großbritannien die Rechte der
Unionsmarkeninhaber auch künftig anerkennen und fortführen wird.
16
Derzeit spricht viel
dafür, dass der territoriale Schutzbereich der Unionsmarke eingeschränkt wird, gleichzeitig
aber eine Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Schutzwirkung im VK geschaffen wird.
17
Als
Optionen stehen dabei das Schaffen paralleler nationaler Schutzrechte und eine Umwandlung
bisheriger Unionsmarken in nationale Marken offen.
18
Die genauen Rahmenbedingungen der
Übernahme werden sich erst mit Abschluss der Austrittsverhandlungen ergeben. Es können
derzeit nur mögliche rechtliche Probleme aufgezeigt und allfällige Lösungsvorschläge geboten
werden. Bis zum tatsächlichen Austritt bleibt der Schutzumfang jedenfalls erst einmal
bestehen.
19
1.2.Zielsetzung der Bachelorarbeit
Zentrales Ziel dieser Arbeit ist es, die markenrechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit
der Unionsmarke beim Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU entstehen, umfassend zu
untersuchen um im Anschluss allfällige Lösungsvorschläge aufzuzeigen. Im Mittelpunkt dieser
wissenschaftlichen Arbeit steht die theoretische Analyse der einzelnen Probleme, die erarbeitet
und ausführlich besprochen werden. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten einer
Übernahme des in der Unionsmarke gebotenen Schutzes in das nationale Markenrecht
diskutiert.
16
DLA Piper, Brexit Update: Impact on trademarks and design (03.03.2017)
17
Sklepek auf www.schrade-partner.de, Wie geht es weiter nach dem Brexit - Folgen für Unionsmarke und
Gemeinschaftsgeschmackmuster (2016)
18
Schuhmacher, Podiumsdiskussion zu den Folgen des Brexit auf das IP- und Kartellrecht (28.11.2016)
19
DLA Piper, Der Brexit und seine Folgen, Fokus: Intellectual Property, IT & Datenschutz (12.07.2016)
8

Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist ein praxisrelevantes Problem, das in der
Rechtsgeschichte der EU in dieser Form bisher noch nicht aufgetreten ist. Die entstehende
Schutzlücke bietet Möglichkeit zur Diskussion der rechtlichen Probleme und hypothetischen
Überlegung eines möglichen Umwandlungsverfahrens. Das Thema bietet als Teil der Brexit-
Austrittsverhandlungen Gegenwartsbezug und wurde bisher in der Literatur noch nicht
abschließend behandelt. Die Arbeit orientiert sich am aktuellen Austritt Großbritanniens aus
der EU, gibt jedoch Gestaltungsempfehlungen unabhängig vom britischen Recht, anwendbar
auf den Austritt eines jeden Staates.
1.3. Vorgehensweise
Die vorliegende Bachelorarbeit gliedert sich in vier Teile. Nach dem einleitenden ersten Teil
werden im zweiten Teil der Arbeit die zentralen Probleme des Austritts eines Mitgliedstaates
besprochen. Ziel dieser Ausführungen ist es, die Auswirkungen auf die einzelnen aus der
Unionsmarke entspringenden Rechte darzustellen. Eingegangen wird dabei neben dem Verlust
der Schutzrechte im austretenden Staat insbesondere auf Problematiken im Zusammenhang mit
dem Grundsatz der rechtserhaltenden Benutzung, dem Schutz bekannter Marken und der
Rechtsdurchsetzung. Gegenstand dieses Teils ist eine theoretische Untersuchung, im Zuge
derer die einzelnen Probleme ausführlich erläutert werden. Der zweite Teil stellt inhaltlich den
Schwerpunkt der Arbeit dar.
Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Übernahme des bestehenden Markenschutzes in das
nationale Markenrecht. Aufbauend auf den vorgestellten Problemen werden
Gestaltungsempfehlungen für das Schaffen paralleler nationaler Schutzrechte und eine
erfolgreiche Umwandlung in eine nationale Marke erarbeitet. Der abschließende vierte Teil der
Arbeit enthält eine Zusammenfassung der rechtlichen Problemstellung und eine Reflexion der
gewonnen Erkenntnisse sowie einen kurzen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Die Arbeit orientiert sich an Aussagen des IPO
20
, des britischen Government sowie anderen
politisch Verantwortlichen, versucht aber allgemeine Aussagen auch unabhängig vom
britischen Recht zu fassen. Ausgegangen wird von einem Rechtsverlust der europarechtlichen
Regelungen im austretenden Staat und einer allfälligen Übernahme der markenrechtlichen
Bestimmungen in das Rechtssystem des ausgetretenen Staates.
20
Intellectual Property Office (United Kingdom)
9

2. Markenrechtliche Probleme
2.1. Geschmälerter Schutzbereich der Unionsmarke
2.1.1. Räumlicher Geltungsbereich der Unionsmarke
Zu Beginn der Arbeit ist der räumliche Geltungsbereich der Unionsmarke abzugrenzen, um
ausgehend davon die auftretenden markenrechtlichen Probleme zu erläutern. Geprägt wird das
unionsweite Markenrecht vom Territorialprinzip.
21
Der daraus entspringende Schutz umfasst
ausschließlich das Gebiet, für das der Markenschutz angemeldet worden ist.
22
Bei der
Unionsmarke entspricht dies dem gesamten Unionsgebiet.
Gesetzlich verankert ist der räumliche Geltungsbereich in der Unionsmarkenverordnung.
Die Verordnung normiert einen ausdrücklichen Markenschutz. Dieser Schutz erfasst
systematisch, aber auch dem Wortlaut der Verordnung nach, explizit das Gebiet der
Europäischen Union und ist ausnahmslos auf dieses beschränkt
23
. Auf Staaten außerhalb der
Union erstreckt sich die Schutzwirkung dementsprechend nicht.
Der Unionsmarkenschutz wirkt einheitlich und hat in jedem Unionsstaat dieselbe Wirkung
Damit schafft die UMV ein einheitliches Markensystem auf europäischer Ebene, das davon
gekennzeichnet ist, dass eine Marke mit Wirkung für den gesamten Binnenmarkt erworben
werden kann. Das bedeutet, eine Unionsmarke kann für das gesamte Gebiet der EU einheitlich
angemeldet, übertragen, verfallen oder für nichtig erklärt werden (Prinzip der Einheitlichkeit
der Unionsmarke).
24
Darüber hinaus ist das europäische Markensystem ein duales System. Unionsmarkenrechte
koexistieren mit den nationalen Markenregelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten.
25
Unionsmarken treten neben die nach nationalem Recht geschützten Marken, ohne diese zu
ersetzen oder zu verdrängen.
26
Sie werden im gesamten Unionsgebiet wie nationale Marken
behandelt (Grundsatz der Koexistenz).
27
21
Hacker, Markenrecht
4
(2016) [87]
22
F. Schuhmacher/Rauch, Europäisches Marken-, Muster- und Urheberrecht² (2017) [1]
23
vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 2015/2424 ­ UMV
24
vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 VO (EU) 2015/2424 ­ UMV
25
vgl. Erwägungsgrund (3) RL (EU) 2015/2426 ­ Marken-RL
26
F. Schuhmacher/Rauch, Europäisches Marken-, Muster- und Urheberrecht² (2017) [5]
27
vgl. Art. 16 Abs. 1 VO (EU) 2015/2424 ­ UMV
10

Mit dem Austritt fällt der austretende Staat nicht mehr in das Unionsgebiet. Ohne eine Einigung
zwischen den verhandelnden Parteien finden die markenrechtlichen Regelungen der
Europäischen Union ab diesem Tag keine Anwendung mehr im austretenden Staat.
28
Es
entsteht eine Schutzlücke, die rechtlichen Regelungsbedarf erfordert. Dies führt zu der Frage,
inwieweit die inhaltlichen Schutzrechte künftig in territorialer Hinsicht Schutz beanspruchen.
2.1.2. Fehlende Harmonisierungsmöglichkeit der EU
Gehört der austretende Staat nicht mehr zum Unionsgebiet, entfällt neben den bestehenden
markenrechtlichen Regelungen auch die zukünftige Einflussnahme der EU auf das nationale
Markenrecht. Das betrifft nicht nur spätere Rechtssetzungsakte der Union, sondern kann auch
rückwirkend zur Abänderung/Abschaffung bestimmter Regelungen führen. Die EU strebt mit
dem Erlass von Richtlinien und Verordnungen eine möglichst umfassende Rechtsangleichung
und Rechtsvereinheitlichung an. Auf diesem Wege sollen Widersprüche zwischen den
nationalen Rechtssystemen schrittweise abgebaut und langfristig beseitigt werden.
29
Handelshindernisse auf dem Binnenmarkt werden beseitigt und ein Verfälschen der
Wettbewerbsbedingungen verhindert.
In der Vergangenheit wurde das europäische Markenrecht weitestgehend harmonisiert. Die
erste Harmonisierung der nationalen Markenrechte wurde mit der Markenrechtsrichtlinie
erzielt.
30
Mit dem Regelwerk der Gemeinschaftsmarke wurde später ein einheitliches, von
nationalen Marken unabhängiges Zeichen zur Kennzeichnung von Waren und
Dienstleistungen auf Ebene des europäischen Sekundärrechts geschaffen.
31
Im Rahmen einer
Novellierung entstand schließlich die heute geltende Unionsmarke.
32
28
Europäischer Rat, Leitlinien des Europäischen Rates (Artikel 50) für die Brexit-Verhandlungen (29.04.2017)
29
Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union
6
(2015) [246]
30
Erste Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken,
Abl 1989 L40/1, kodifizierte Fassung: RL 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken, Abl 2008 L 299/25
31
VO 40/94/EG über die Gemeinschaftsmarke, Abl 1994 L 11/1, kodifizierte Fassung: VO 207/2009/EG über
die Gemeinschaftsmarke, Abl 2009 L 78/1, GMV
32
VO 2015/2424/EU zur Änderung der VO 207/2009/EG über die Gemeinschaftsmarke und der VO
2868/95/EG zur Durchführung der VO 40/94/EG über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der VO
2869/95/EG über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zu entrichtenden Gebühren
11

Die Mitgliedstaaten sind aufgrund ihrer Unionszugehörigkeit zur Umsetzung der Marken-RL
verpflichtet.
33
Ihre Wirkung wird durch die richtlinienkonforme Auslegung verstärkt, wonach
innerstaatliche Gesetze im Einklang mit geltenden Richtlinien aufzulegen sind.
34
Verordnungen stellen allgemeine Regelungen mit unmittelbarer innerstaatlicher Geltung dar.
35
Neben der gesetzlichen Harmonisierung wird das europäische Markenrecht in großen Teilen
von der Rechtsprechung des EuGH geprägt, der eine einheitliche Auslegung der
markenrechtlichen Regelungen innerhalb der Union verfolgt.
36
Vor allem das EU-Primärrecht
wirkt sich durch die Rsp. auf das nationale Markenrecht aus.
37
Mit dem Unionsaustritt bleiben bereits umgesetzte Richtlinien als Teil des nationalen Rechts
grundsätzlich weiterhin anwendbar. Die entstandenen nationalen Gesetze werden allein durch
einen Austritt nicht abgeändert oder außer Kraft gesetzt. Dazu bedarf es expliziter nationaler
Rechtssetzungsakte des innerstaatlichen Gesetzgebers nach dem Austritt.
38
Langfristig kann
die Harmonisierungswirkung der Marken-RL auf das nationale Markenrecht durch
abweichende nationale Rechtssetzungsakte jedoch entfallen.
Unmittelbar anwendbare Verordnungen verlieren mit dem Austritt automatisch ihre Geltung
im Staatsgebiet. Dies betrifft unweigerlich die UMV. Die Fortgeltung einer EU-Verordnung,
auf die der austretende Staat nach dem Austritt keinen Einfluss mehr hat, würde auf eine
Einschränkung der nationalen Souveränität hinauslaufen, was nicht verlangt werden kann.
39
Das nationale Recht unterliegt zudem nach dem Austritt nicht mehr der einheitlichen
Auslegung durch den EuGH. Eine eventuelle Akzeptanz der Rsp. des Europäischen
Gerichtshofs, wie es bei den EFTA-Ländern (Norwegen, Schweiz, Island, Liechtenstein) der
Fall ist, ist allerdings nicht auszuschließen.
40
In diesem hypothetischen Fall dürfte die
historische EuGH-Rechtsprechung denselben verbindlichen oder präzedenten Status wie vor
dem Austritt haben.
33
Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union
6
(2015) [246]
34
Haag/Kotzur, Die Europäische Union
12
(2016) [202]
35
Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union
6
(2015) [245]
36
Wiebe, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht³ (2016) [111]
37
Müller/Höller-Prantner, Markenrecht kompakt (2013) [18]
38
DLA Piper, Der Brexit und seine Folgen, Fokus: Intellectual Property, IT & Datenschutz (12.07.2016)
39
Ahrens, GRUR-Int. (2016) [548]
40
Baudenbacher, The Relationship between the EFTA Court and the Court of Justice of the European Union in
The Handbook of EEA Law (2015) [179]
12

Der ehemalige Mitgliedstaat wird im Verhältnis zur EU und den verbleibenden Mitgliedstaaten
den Status eines Drittstaates erhalten.
41
Damit finden die Verträge über die EU keine
Anwendung mehr im austretenden Staat.
42
Auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts
vor dem nationalen Recht entfällt unweigerlich.
43
Die Beziehungen zwischen dem austretenden
Staat und dem Staatenbund bestimmen sich in diesem Fall durch eigens ausgehandelte
Abkommen. Ausschlaggebend ist zudem, ob der austretende Staat weiterhin in den
Geltungsbereich des Abkommens für den EWR fallen wird. Beschließt der austretende Staat,
sich dem EWR anzuschließen, kann die Marken-RL weiterhin gelten. Eine nationale
Abweichung wird dadurch begrenzt. Entscheidet sich der Staat hingegen gegen einen Beitritt
zum EWR, entfällt die Geltung der Marken-RL vollständig.
44
In diesem Fall sind individuelle
Freihandelsabkommen mit der Union auszuhandeln.
Ohne entsprechende Bestimmungen kommen die Regelungen nach dem allgemeinen
Völkerrecht, insbesondere nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit, andernfalls
Sukzessionsregeln oder die allgemeinen Rechtsgrundsätzen für die Abwicklung von beendeten
Rechtsbeziehungen zur Anwendung. Aufgrund des Austrittsvertrags und besonderer
nachbarschaftlicher Beziehungen besteht jedenfalls ein gewisses Naheverhältnis zur Union.
Des Weiteren kann es bspw. auf Grund von Statusverhältnissen zur Fortwirkung von Teilen
des Unionsrechts kommen.
45
Festzuhalten ist, dass höchstwahrscheinlich die Harmonisierungsmöglichkeit der EU im
austretenden Staat entfällt. Das bedeutet, die zukünftige Fortentwicklung des innerstaatlichen
Markenrechts richtet sich vorrangig nach der nationalen Rechtsordnung.
Es wird höchstwahrscheinlich durch eine Novellierung bestehender Vorschriften und eine vom
EuGH abweichende Rechtsauslegung der innerstaatlichen Gerichte langfristig zu einer
abweichenden Entwicklung des nationalen Rechts von der UMV und der Marken-RL kommen.
41
Meng, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 50 EUV Rn. 7.
42
Art. 50 (3) ­ EUV
43
Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union
6
(2015) [99]
44
Europäischer Rat, Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen
über ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, in dem die
Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union festgelegt werden (3.5.2017)
45
Engler, Rechtliche Rahmenbedingungen eines ,,Brexit" (2015)
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961161980
ISBN (Paperback)
9783961166985
Dateigröße
996 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2017 (November)
Note
1,6
Zurück

Titel: Markenrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Unionsmarke beim Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
44 Seiten
Cookie-Einstellungen