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Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH

©2017 Diplomarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses aus der GmbH aus wichtigem Grund. Zunächst wird die Möglichkeit einer Analogie zu § 140 UGB untersucht, der das Ausschlussrecht für die OG und KG vorsieht, wobei mit Hilfe der Interpretationsmethoden ermittelt wird, ob eine planwidrige Lücke, die zur Analogie berechtigt, vorliegt. Im Anschluss wird aufgrund der GesbR-Reform im Jahr 2015 die neue Rechtslage betrachtet und untersucht, ob das GesbR-Ausschlussrecht durch § 1175 Abs 4 ABGB für die GmbH subsidiär zur Anwendung kommt. § 1175 Abs 4 ABGB sieht vor, dass die Bestimmungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts für andere Gesellschaftsformen subsidiär zur Anwendung kommen, wenn keine besonderen Vorschriften für den fraglichen Gesellschaftstyp vorhanden sind und die Anwendung angemessen ist. Wann diese Kriterien erfüllt sind, wird mit Hilfe der Interpretationsmethoden ermittelt.
Des Weiteren beschäftigt sich die Arbeit mit der rechtstechnischen Umsetzung des Ausschlusses, da aufgrund markanter Unterschiede der Gesellschaftstypen die Regelungen der Personengesellschaften oft nicht auf die GmbH übertragen werden können. Zu denken ist etwa an das Verbot der Einlagenrückgewähr von § 82 GmbHG.
Daher wird für die GmbH besprochen, wann ein wichtiger Grund, der zum Ausschluss berechtigt vorliegt. Außerdem wird die Aufbringung und Höhe der Abfindung zu Gunsten des ausgeschlossenen Gesellschafters thematisiert sowie verfahrensrechtliche Aspekte etwa betreffend die Aktivlegitimation und Ausgestaltung der Klage. Zuletzt beschäftigt sich die Arbeit noch mit allfälligen Übertragungsbeschränkungen und der Frage, ob der auszuschließende Gesellschafter einen Freistellungsanspruch bzgl persönlicher Sicherheiten hat.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


5.4.
Bereicherungsverbot ... 34
5.5.
Einzelfallprüfung ... 35
5.6.
Interessenabwägung ... 35
5.7.
Zeitgerechte Klagseinbringung ... 36
5.8.
OG ... 36
5.9.
KG ... 38
5.10.
GmbH ... 38
6.
Zwischenergebnis ... 40
G. Subsidiäre Anwendung von § 1175 Abs 4 ABGB ... 41
1.
Interpretation § 1175 Abs 4 ABGB ... 41
2.
Lehre ... 44
3.
Der wichtige Grund nach § 1213 ABGB ... 47
4.
Zwischenergebnis ... 47
H. Voraussetzungen und rechtstechnische Umsetzung des Ausschlusses ... 48
1.
Allgemeines ... 48
2.
Vorliegen eines wichtigen Grundes ... 49
3.
Gesellschafterbeschluss ... 50
4.
Abfindung ... 51
4.1.
Aufbringung der Abfindung ... 51
4.2.
Höhe der Abfindung ... 53
4.3.
Gesellschaftsvertragliche Bewertungsregelung ... 55
5.
Exkurs: Abfindung eines ausgeschlossenen GmbH & Co KG-Gesellschafters ... 57
6.
Verfahrensrechtliche Durchsetzung des Ausschlusses ... 58
6.1.
Aktivlegitimation ... 59
6.2.
Ausgestaltung der Klage ... 61
6.3.
Volleinzahlung der Stammeinlage ... 64
7.
Übertragungsbeschränkungen ... 64
7.1.
Vinkulierung ... 65
7.2.
Aufgriffsrechte und Angebotsverpflichtungen ... 66
8.
Freistellungsanspruch ... 66
I.
Zusammenfassung ... 68
Literaturverzeichnis ... VIII

Abkürzungsverzeichnis
ABGB
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
AktG Aktiengesetz
Anh Anhang
bzgl bezüglich
bzw beziehungsweise
dh das
heißt
gem gemäß
GES
Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
GesAusG Gesellschafter-Ausschluss-Gesetz
GesbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GesRZ Der
Gesellschafter
GmbH & Co KG
Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co.
Kommanditgesellschaft
GmbHG
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
hL herrschende
Lehre
idR
in der Regel
ieS im
engeren
Sinn
inkl inklusiv
iVm
in Verbindung mit
KG Kommanditgesellschaft
mE meines
Erachtens
OG Offene
Gesellschaft
OGH Oberster
Gerichtshof
ÖJZ Österreichische
Juristen-Zeitung
RdW Recht
der
Wirtschaft
RS Rechtssatz
UGB Unternehmensgesetzbuch
vgl vergleiche
wbl wirtschaftsrechtliche
blätter

Abstract 1
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses aus
der GmbH aus wichtigem Grund. Zunächst wird die Möglichkeit einer Analogie zu § 140
UGB untersucht, der das Ausschlussrecht für die OG und KG vorsieht, wobei mit Hilfe der
Interpretationsmethoden ermittelt wird, ob eine planwidrige Lücke, die zur Analogie berech-
tigt vorliegt. Im Anschluss wird aufgrund der GesbR-Reform im Jahr 2015 die neue Rechtsla-
ge betrachtet und untersucht, ob das GesbR-Ausschlussrecht durch § 1175 Abs 4 ABGB für
die GmbH subsidiär zur Anwendung kommt. § 1175 Abs 4 ABGB sieht vor, dass die Best-
immungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts für andere Gesellschaftsformen subsidi-
är zur Anwendung kommen, wenn keine besonderen Vorschriften für den fraglichen Gesell-
schaftstyp vorhanden sind und die Anwendung angemessen ist. Wann diese Kriterien erfüllt
sind, wird mit Hilfe der Interpretationsmethoden ermittelt.
Des Weiteren beschäftigt sich die Arbeit mit der rechtstechnischen Umsetzung des Aus-
schlusses, da aufgrund markanter Unterschiede der Gesellschaftstypen die Regelungen der
Personengesellschaften oft nicht auf die GmbH übertragen werden können. Zu denken ist et-
wa an das Verbot der Einlagenrückgewähr von § 82 GmbHG.
Daher wird für die GmbH besprochen, wann ein wichtiger Grund, der zum Ausschluss be-
rechtigt vorliegt. Außerdem wird die Aufbringung und Höhe der Abfindung zu Gunsten des
ausgeschlossenen Gesellschafters thematisiert sowie verfahrensrechtliche Aspekte etwa be-
treffend die Aktivlegitimation und Ausgestaltung der Klage. Zuletzt beschäftigt sich die Ar-
beit noch mit allfälligen Übertragungsbeschränkungen und der Frage, ob der auszuschließen-
de Gesellschafter einen Freistellungsanspruch bzgl persönlicher Sicherheiten hat.

Abstract 2
This paper handles about the exclusion of a partner from an Austrian limited liability partner-
ship because of an important reason. Therefore, an analogy with Article 140 Austrian Com-
mercial Code is discussed with the aid of the methods of interpretation. 2015 the reform of the
Austrian partnership under civil law (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) changed the initial
situation. Article 1175 Paragraph 4 of the Austrian Civil Code (Allgemeines bürgerliches Ge-
setzbuch) stats that the Articles of the partnership under civil law should be also used for oth-
er forms of companies, if there is no special Article and if the application is reasonable.
Later, the paper deals with the implementation as the provisions of the partnership under civil
law can often not be used because of significant distinctions of the different forms of compa-
nies. Therefore, the raising and amount of compensation and procedural issues like the capaci-
ty of sue and the structure of the action are discussed. At least the paper deals with transfer
restrictions and with the question, if the excluded partner has a right to reclaim personal guar-
antees which he or she provided for obligations of the company.

1

A.
Einführung
Der Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH ohne gesellschaftsvertragliche Regelung
ist mittlerweile ein seit über 60 Jahren in Lehre und Rechtsprechung diskutiertes Thema. Eine
normative Bestimmung betreffend ein allgemeines Ausschlussrecht aus wichtigem Grund
sucht man im GmbHG vergeblich. Das Gesetz kennt bislang nur zwei ausdrücklich auf die
GmbH bezogene Formen des Ausschlusses, die Kaduzierung in § 66 GmbHG, welche schon
zu Beginn des GmbHG vorgesehen war und den Ausschluss des mit seiner Einlageverpflich-
tung säumigen Gesellschafters regelt, sowie das 2006 in Kraft getretene Gesellschafter-
Ausschlussgesetz, durch welches eine unter 10% liegende Minderheit ausgeschlossen werden
kann. Jedoch lösen diese beiden Regelungen nur spezielle Fälle und sind kein allgemeines
Ausschlussrecht. Dennoch sind viele Situationen denkbar, in denen ein solches Ausschluss-
recht von Nöten wäre, um die unzumutbar gewordene Zusammenarbeit mit einem Gesell-
schafter zu beenden. Im Gegensatz zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung kennt das Per-
sonengesellschaftsrecht gesetzliche Ausschlussmöglichkeiten (§ 140 UGB und § 1213
ABGB).
Erstmals sprach sich Kastner für ein Ausschlussrecht bei Vorliegen eines wichtiges Grundes
aus, durch welchen den übrigen Gesellschaftern die Zusammenarbeit mit dem störenden Ge-
sellschafter unzumutbar gemacht wird.
1
Mittlerweile anerkennt die herrschende Lehre fast
einheitlich die Notwendigkeit eines Ausschlussrechts und begründet dies mit einer Analogie
zum Personengesellschaftsrecht.
2
Die Rechtsprechung verneinte bisher ein solches Aus-
schlussrecht mit der Begründung, dass der Gesetzgeber ein solches nicht regeln will, was auch
ersichtlich wird, da trotz unterschiedlicher Meinung in Lehre und Rechtsprechung keine nor-
mative Regelung erlassen wurde. Als weiteres Argument wird angeführt, dass der Gesetzge-
ber 2006 das Gesellschafter-Ausschlussgesetz zwar kundgemacht hat, jedoch weiterhin keine
allgemeine Ausschlussmöglichkeit vorgesehen hat.
3
Folgt man der Ansicht der herrschenden Lehre, darf jedoch keinesfalls die praktische Proble-
matik der Durchführung verschwiegen werden, denn die Bestimmungen zur Durchführung
des Ausschlusses bei der Personengesellschaft können meist nicht auf die GmbH übertragen
werden, da das Grundmodell der GmbH in einigen Punkten markant von jenem der Personen-
gesellschaft abweicht. Außerdem muss stets darauf geachtet werden, ob die GmbH personalis-
1
Kastner, ÖJZ 1952, 183.
2
Rauter in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 75 Rz 131.
3
RIS-Justiz RS0059745; OGH SZ 26/285; SZ 69/37; OGH 6 Ob 657/95; 6 Ob 80/11z.
2

tisch oder kapitalistisch strukturiert ist,
4
da das Kriterium des wichtigen Grundes öfters bei
einer personalistisch ausgeprägten GmbH ­ aufgrund der engen Beziehung der Gesellschafter
untereinander ­ erfüllt ist.
Im Folgenden wird erläutert, ob die Regelungen über die Personengesellschaft analog auf die
GmbH angewandt werden können oder ob keine planwidrige Lücke zu finden ist. Außerdem
stellt sich die Frage, ob und wie sich die Neureglung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im
Jahr 2015 auf dieses Problem ausgewirkt hat. Selbst bei Heranziehung der personengesell-
schaftlichen Ausschlussregelung muss bei der Durchführung bedacht auf die unterschiedli-
chen Grundmodelle der Gesellschaftsformen genommen werden.
B.
Problemdarstellung
In der Theorie lassen sich viele Fälle konstruieren, in welchen ein Gesellschafter einer GmbH
ein Verhalten gesetzt hat, das es den übrigen Gesellschaftern äußerst schwer macht, weiter mit
dem störenden Gesellschafter zusammenzuarbeiten. Beispiele sind etwa, dass ein Gesellschaf-
ter intensiv rufschädigend gegenüber Dritten tätig wird oder dass ein Streit zwischen den Ge-
sellschaftern derart ausartet, dass ein Gesellschafter alle sinnvollen Gesellschafterbeschlüsse
blockiert und somit de facto die Handlungsunfähigkeit der GmbH herbeiführt. Außerdem ist
an die Tätigkeit eines Gesellschafters in einem konkurrierenden Unternehmen zu denken,
wodurch die GmbH Verluste erleidet oder ihre Stellung am Markt geschwächt wird.
5
Die Praxis zeigt eindeutig, dass diese Überlegungen nicht rein theoretischer Natur sind. Der-
zeit wird es den Gesellschaftern zugemutet etwa bei Verletzungen der Treuepflicht, ein ge-
sellschaftsschädigendes Verhalten eines Gesellschafters oder gar die herbeigeführte Hand-
lungsunfähigkeit der GmbH hinzunehmen. Im GmbH-Recht gibt es im Gegensatz zum Perso-
nengesellschaftsrecht, wo der Ausschluss eines Gesellschafters der Beendigung der Gesell-
schaft vorzuziehen ist, keine gesetzliche Lösung für dieses Problem. Dies ist, meiner Meinung
nach, problematisch, da der Gesetzgeber zwar die Gesellschaftsform der GmbH zur Verfü-
gung stellt, nicht aber ihre Handlungsfähigkeit garantiert. Letztlich ist aber nicht das prakti-
sche Bedürfnis nach einer Regelung ausschlaggebend, sondern das Vorhandensein einer nor-
mativen Regelung, die subsidiär oder mittels Analogie für die GmbH zur Anwendung
4
Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar Anh § 71 Rz 14.
5
vgl Reich-Rohrwig in FS Koppensteiner, 242.
3

kommt.
6
Hilfreich könnte hier zum Beispiel sein, dass der Gesetzgeber mit den personenge-
sellschaftsrechtlichen Ausschlussregelungen der § 1213 ABGB und § 140 UGB zeigt, dass
das Interesse der übrigen Gesellschafter am Fortbestand der Gesellschaft berücksichtigungs-
würdig ist.
7
An dieser Stelle wird oft eingewandt, dass ein Gesellschafter, der nicht mehr mit dem Stören-
den zusammenarbeiten möchte, seinen Anteil verkaufen könnte, doch in solchen Fällen wird
sich kaum ein Käufer finden, der die Probleme der GmbH mit übernehmen möchte.
8
Selbst,
wenn der Gesellschafter einen Käufer findet, wird dieser meist keinen angemessenen Preis für
den Geschäftsanteil zahlen.
9
Weiters kann es aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens eines Gesellschafters zu einem
schadenersatzrechtlichen Anspruch der übrigen Gesellschafter kommen.
10
Liegt ein solcher
vor, stellt sich die Frage, ob die anspruchsberechtigten Gesellschafter ihren Schadenersatz in
Form des Geschäftsanteils des ersatzpflichtigen Gesellschafters verlangen können. Ist dies
nicht möglich, ist aber noch an den allgemein anerkannten Grundsatz zu denken, dass Dauer-
schuldverhältnisse aus wichtigem Grund gelöst werden können, der unter anderem zeigt, dass
ein Vertragspartner nicht bis zur Beendigung des Vertrages zusehen muss, wie seine Scha-
denersatzansprüche weiter in die Höhe schnellen.
Dazu kommt, dass die Gesellschafter ständig fürchten müssen ­ aufgrund des Fehlverhaltens
des unzumutbar gewordenen Gesellschafters ­ haftungsrechtlich in Anspruch genommen zu
werden, dies etwa aufgrund der in § 70 GmbHG normierten subsidiären Mithaftung für die
Leistung ausständiger Stammeinlagen oder aufgrund einer verbotenen Einlagenrückgewähr an
andere Gesellschafter (§ 83 Abs 3 GmbHG).
11
Ein Argument für die Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses aus wichtigem Grund ist,
dass zum Zeitpunkt der Erlassung des GmbHG der historische Gesetzgeber die GmbH als der
Aktiengesellschaft angenäherte kapitalistische Gesellschaftsform ohne Treupflichten betrach-
tet hat.
12
Heutzutage gehören der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaften mit beschränk-
6
Koppensteiner, GesRZ 2013, 5.
7
Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar Anh § 71 Rz 13.
8
Reich-Rohrwig in FS Koppensteiner, 237.
9
Walch, RdW 2015, 80.
10
vgl Walch, RdW 2015, 80.
11
Reich-Rohrwig in FS Koppensteiner, 237.
12
vgl RV 236 Blg stProt HH XVII. Session (1904), 53.
4

ter Haftung nur eine kleine Anzahl von Gesellschaftern an.
13
Durch die weitgehend dispositi-
ven Vorschriften des Gesellschaftsrechts wurden der Praxis große Gestaltungsmöglichkeiten
zugestanden, weshalb durch Festlegung im Gesellschaftsvertrag die GmbH im Innenverhält-
nis ziemlich unterschiedlich ausgestaltet sein kann.
14
Die GmbH wird in Österreich nur zu
einem sehr geringen Teil als kapitalistische GmbH gegründet, vielmehr kommt der Einperso-
nen-GmbH immer größere Bedeutung zu.
15
Als Folge der personalistischen Ausgestaltung der
GmbH kommt meist den Gesellschaftern eine wichtige Rolle zu,
16
etwa als Geschäftsführer,
durch die besondere Ausgestaltung von Stimmrechten betreffend Beschlüsse oder dem Privi-
leg eines Vorkaufsrechtes bzgl anderer Geschäftsanteile.
Praktisch stellt der Geschäftsanteil oft einen immensen Teil des privaten Vermögens dar und
Haftungen eines Gesellschafters mit persönlichen Sicherheiten für Verpflichtungen der Ge-
sellschaft sind nicht unbekannt, weshalb der Gesellschafter ein intensives Interesse am Fort-
bestand und Erfolg der GmbH hat.
Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die GmbH in vielen Fällen immer mehr an die Perso-
nengesellschaften annähert, was für eine ähnliche oder in gewissen Bereichen auch gleiche
Behandlung der Gesellschaftsformen spricht. Aufgrund des Naheverhältnisses und der Ein-
flussmöglichkeiten der Gesellschafter in einer GmbH mit wenigen Gesellschaftern, stellt sich
die Frage, warum das Problem des unzumutbar gewordenen Gesellschafters anders als bei der
Personengesellschaft behandelt werden soll. Die Zulässigkeit des Ausschlussrechts eines
GmbH-Gesellschafters führt keineswegs dazu, dass Gesellschafter der kapitalistischen GmbH,
die kaum Einfluss auf die Gesellschaft haben, leitfertig eliminiert werden können, da bei der
Prüfung des Kriteriums des wichtigen Grundes besonderes Augenmerk auf die personalisti-
sche oder kapitalistische Ausgestaltung der Gesellschaft geworfen wird.
17
Wird der Gesellschafterausschluss aus wichtigem Grund auch bei der GmbH zugelassen,
muss aber auf die Probleme der praktischen Durchführung hingewiesen werden. Ein wesentli-
ches Problem stellt hier, im Gegensatz zur Personengesellschaft, die Regelung der Kapitaler-
haltung dar, weil dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht einfach seine Einzahlung zu-
13
Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensrechtsformen in Österreich, 1761 nicht mehr als vier Gesellschafter.
14
Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensrechtsformen in Österreich, 177, 1899.
15
Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensrechtsformen in Österreich, 1763, 1764.
16
Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensrechtsformen in Österreich, 1761.
17
Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar Anh § 71 Rz 14; RIS-Justiz RS0061991; vgl OGH 4 Ob 502/78 wo-
rin festgehalten wird, dass bei der Prüfung des wichtigen Grundes für einen Kommanditisten nur dann der
gleiche Maßstab wie für einen Komplementär heranzuziehen ist, wenn der Kommanditist gleich intensiv in die
Gesellschaft eingebunden ist wie üblicherweise der Komplementär.
5

rückgezahlt werden kann, da dies einer verbotenen Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG) ent-
spricht. Zu sagen, der störende Gesellschafter hätte kein Recht auf eine Abfindung, da die
Zusammenarbeit aus Gründen, die in der Person des betroffenen Gesellschafters liegen, un-
zumutbar ist, würde einer unrechtmäßigen Enteignung gleichkommen und daher keine legiti-
me Lösungsmöglichkeit darstellen.
18
Es stellt sich also die Frage, wer für die Abfindung des
auszuschließenden Gesellschafters aufkommt. Eine Überlegung ist, die Summe anhand von
nicht entnommenen Gewinnen oder einer Kapitalherabsetzung aufzubringen. In der Praxis
würde dies aber in so gut wie jedem Fall scheitern, da meist kein Gewinn vorhanden ist, der
nicht bereits entnommen wurde. Die Kapitalherabsetzung scheitert daran, dass in die meisten
Gesellschaften nur das absolute gesetzliche Minimum des Stammkapitals einbezahlt wurde,
weshalb eine Herabsetzung normativ verboten ist,
19
oder der bei einer Kapitalherabsetzung
anzuwendende Gleichheitssatz im Wege steht, welcher die Auflösung bloß eines bestimmten
Geschäftsanteils gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters verbietet.
20
Eine andere
denkbare Möglichkeit ist, bei der jedoch fraglich ist, ob sie in der Praxis viele Anwendungs-
fälle findet, dass die verbleibenden Gesellschafter einen Dritten finden, der den Anteil des
Ausgeschlossenen übernimmt und sogleich die Abfertigung in voller Höhe bezahlt.
21
C.
Gesetzliche Ausschlussmöglichkeiten
1.
Kaduzierung
Die Kaduzierung (§ 66 GmbHG) behandelt den Fall, dass ein Gesellschafter seiner Einzah-
lungsverpflichtung nicht zeitgerecht nachkommt. Unter diesem Umstand kann die Gesell-
schaft selbst dem Säumigen eine Nachfrist für die Einzahlung setzen und bei Nichterfüllung
den Ausschluss aus der Gesellschaft androhen (§ 66 Abs 1 GmbHG). Sinn dieser Norm ist die
tatsächliche Bezahlung der gesetzlich geforderten Kapitalaufbringung, welche dem Schutz der
Gläubiger dient.
22
Das Gesetz spricht von einer vorhergehenden Androhung des Ausschlusses
bevor dieser wirklich stattfindet; dies wohl einerseits um den säumigen Gesellschafter zur
Zahlung zu motivieren und andererseits stellt der Ausschluss den wahrscheinlich stärksten
18
Koppensteiner, GesRZ 2013, 5 f.
19
Koppensteiner, GesRZ 2013, 6.
20
Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar § 54 Rz 10.
21
Koppensteiner, GesRZ 2013, 6.
22
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 1.
6

möglichen Eingriff in die Rechte des Gesellschafters dar.
23
Ähnlich wie die Kündigung ist die
Aufforderung zur Einzahlung eine einseitige, empfangsbedürftige Erklärung, welche von al-
len vertretungsbefugten Geschäftsführern unterfertigt werden muss.
24
Wichtig ist, dass auf-
grund des Gleichheitssatzes nicht nur einzelne säumige Gesellschafter mit dem Ausschluss
bedroht werden können, die Geschäftsführer müssen also gegen alle säumigen Gesellschafter
gleichzeitig vorgehen.
25
Tritt die Kaduzierung ein, verliert der betroffene Gesellschafter alle
seine Rechte aus dem Geschäftsanteil
26
und die Gesellschaft erlangt die Verfügungsbefugnis
über diesen.
27
Daraufhin wird der Geschäftsanteil von der Gesellschaft verkauft oder verstei-
gert, wobei der ausgeschlossene Gesellschafter ein Recht auf den ­ die ausständige Stamm-
einlage übersteigenden ­ Verkaufserlös hat.
28
Somit stellt die Kaduzierung einen Sonderfall dar, der nur greift, wenn ein Gesellschafter sei-
ner Einzahlungsverpflichtung nicht zeitgerecht nachkommt. Ein allgemeines Ausschlussrecht
eines Gesellschafters liegt jedoch nicht vor.
2.
Gesellschafter-Ausschluss-Gesetz
Das 2006 in Kraft getretene auf einer EU-Richtlinie
29
beruhende GesAusG regelt den Aus-
schluss eines Aktien- oder GmbH-Gesellschafters auf Wunsch des Hauptgesellschafters (§ 1
GesAusG). Der Hauptgesellschafter hat einen Antrag auf Übertragung des betroffenen Ge-
schäftsanteils zu stellen, welcher in der Generalversammlung behandelt wird.
30
Vorausset-
zung ist, dass der Hauptgesellschafter mindestens 90% des Nennkapitals zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung hält.
31
Jedenfalls muss dem auszuschließenden Gesellschafter eine ange-
messene Barabfindung geleistet werden, wobei als Stichtag für die Höhe der Tag der Be-
schlussfassung gilt.
32
Die Abfindung muss vom Hauptgesellschafter aufgebracht werden und
ist zwei Monate nach dem Tag der Eintragung des Ausschlusses fällig (§ 2 GesAusG). Ähn-
lich wie die Kaduzierung stellt das GesAusG somit einen Sonderfall dar, der zwar einen
grundlosen Ausschluss rechtfertigt, wobei jedoch ein Hauptgesellschafter vorhanden sein
23
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 2.
24
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 12.
25
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 28.
26
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 34.
27
Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 36.
28
Gellis/Feil, Kommentar zum GmbH-Gesetz § 66 Rz 8 und 9.
29
RL 2004/25/EG vom 21.04.2004.
30
Warto in Gruber/Harrer, GmbHG Anh § 76 Rz 6.
31
Warto in Gruber/Harrer, GmbHG Anh § 76 Rz 7.
32
Warto in Gruber/Harrer, GmbHG Anh § 76 Rz 16.
7

muss. Schon daran, dass der Ausschluss den wohl der intensivste Eingriff in die Rechte eines
Gesellschafters darstellt
33
und dieser hier ohne Grund möglich ist, ist zu sehen, dass das Ges-
AusG nicht als allgemeines Ausschlussrecht herangezogen werden kann.
Dieses Gesetz wurde geschaffen, um eine Minderheit von weniger als 10% von einem Mehr-
heitsgesellschafter von mindestens 90% des Nennkapitals ausschließen zu können, ohne dass
dafür eine vermögensübertragende Umgründung nötig ist. Gleichzeitig wurde durch das Ges-
AusG der Anwendungsbereich, trotz weiteren Bestehens, der vor Erlass des Gesetzes heran-
zuziehenden Möglichkeiten im SpaltG und UmwG eingeschränkt und dem GesAusG inhalt-
lich und verfahrensrechtlich angepasst.
34
3.
Exkurs: Exekution auf den Geschäftsanteil
Aufgrund des Fehlverhaltens eines Gesellschafters kann dieser gegenüber der Gesellschaft
schadenersatzpflichtig werden. Wurde ein exekutionsfähiger Titel erwirkt, stellt sich die Fra-
ge, ob die übrigen Gesellschafter im Namen der GmbH auf den Geschäftsanteil des störenden
Gesellschafters Exekution führen können, um ihn auf diesem Weg auszuschließen.
35
Zunächst ist festzuhalten, dass die GmbH selbst Gläubigerin des Schadenersatzanspruches ist.
Gem § 81 Satz 2 GmbHG ist es der GmbH gestattet, eigene Geschäftsanteile im Exekutions-
weg zur Tilgung eigener Forderungen zu erwerben, wobei im Gesellschaftsvertrag eine ge-
gensätzliche Regelung getroffen werden darf.
36
Somit kann der störende Gesellschafter, gegen
den ein Schadenersatzanspruch gerichtlich erwirkt wurde, in Folge der Exekution auf seinen
Geschäftsanteil ausgeschlossen werden.
37
Kommt kein Gesellschafterbeschluss zustande,
kann gem § 48 GmbHG auch eine Minderheit von Gesellschaftern diese Forderung der GmbH
geltend machen.
Zu beachten ist, dass der ersatzpflichtige Gesellschafter jederzeit durch Tilgung der Schuld
auf andere Weise dem Ausschluss entkommen kann. Außerdem ist es praktisch meist mühsam
33
vgl Sprohar-Heimlich in Gruber/Harrer, GmbHG § 66 Rz 2.
34
Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Rz 1099.
35
Gellis/Feil, Kommentar zum GmbH-Gesetz § 75 Rz 9 zum Verfahrensablauf eines Exekutionsverfahrens auf
den Geschäftsanteil durch einen Dritten.
36
Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 81 Rz 41.
37
vgl in RV 236 Blg stProt HH XVII. Session (1904), 79 wird darauf verwiesen, dass die Kaduzierung nicht obliga-
torisch ist, sondern die Gesellschaft stattdessen die zwangsweise Eintreibung bei den säumigen Gesellschaftern
vorziehen kann, wobei hier selbstverständlich zwischen dem Schadenersatzanspruch und der säumigen Einzah-
lung differenziert werden muss.
8

und mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, zuerst einen exekutionsfähigen Titel zu erwir-
ken, um dann den Geschäftsanteil einfordern zu können.
38
Dies kann zu einer weiteren Ge-
fährdung der GmbH führen. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass ein wichtiger Grund nicht
zwangsläufig auf dem Verschulden des betroffenen Gesellschafters gründen muss.
39
Diese
Möglichkeit schränkt somit jedenfalls den Ausschluss wesentlich ein, in absoluten Ausnahme-
fällen könnte sie jedoch Abhilfe leisten. Ein allgemeines Ausschlussrecht aus wichtigem
Grund ist dieser Weg aber eindeutig nicht.
D.
Anwendung der Interpretationsmethoden
1.
Gesetzesinterpretation
Durch die Autonomie des Gesetzgebers bei Erstellung der Gesetze kann dieser selbst bestim-
men, welche Tatbestände einer normativen Regelung unterzogen werden sollen und welche
nicht. Jedoch zeigt sich in der Praxis das Problem, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass der
Gesetze der Sprache bedienen muss, die oft ungenau ist, da Wörter verschiedene Bedeutungen
haben können. Außerdem können genaue Umschreibungen zu sehr umständlichen Formulie-
rungen führen und oft ist eine zu enge Umschreibung gar nicht erwünscht, da das Gesetz abs-
trakt sein und dadurch viele verschiedene Tatbestände umfassen soll.
40
Zur Lösung dieses Problems wurden die bekannten Interpretationsmethoden entwickelt. Erst
wenn durch Heranziehung dieser Auslegungsmethoden kein eindeutiges Ergebnis vorliegt,
stellt sich die Frage, ob eine Rechtslücke gegeben ist.
Jedoch kann ein Tatbestand einerseits ganz bewusst vom Gesetzgeber nicht geregelt worden
sein, da er dies in einem Bereich nicht für nötig hält oder andere Gründe dagegensprechen.
Andererseits besteht der Gesetzgeber schlussendlich nur aus Menschen,
41
wodurch es auch
denkbar ist, dass sich der Gesetzgeber beim Gesetzeswortlaut eines unpassenden Ausdrucks
38
vgl Fritz, Gesellschafts- und Unternehmensrechtsformen in Österreich, 1733.
39
OGH 5 Ob 708/83, GesRZ 1984, 105: ein wichtiger Grund kann bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (hier:
bestimmter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH) vorliegen, wobei ein Vorgehen gegen die Komplemen-
tär-GmbH nicht ihr Verschulden an der Abberufung ihres Geschäftsführers voraussetzt; Koppensteiner/Auer in
Straube, WK UGB I § 140 Rz 7; 4 Ob 584/73 veröffentlicht in 8152/15 ein wichtiger Grund kann auch unver-
schuldet eintreten (hier: Auflösungsgrund).
40
Höltl, Lückenfüllung, 117; Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 71.
41
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 580.
9

bedient hat, einen Tatbestand bzw dessen Regelungsbedürftigkeit schlicht nicht erkannt hat
oder zum Zeitpunkt der Erlassung des Gesetzes die äußeren Umstände noch andere waren.
42
Somit kann es zu einer Lücke im Gesetz kommen, die nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt
war und daher planwidrig ist. In solchen Fällen scheint es sinnvoll, sich ähnliche Rechtsberei-
che anzusehen und eine Analogie in Anlehnung an diese ähnlichen Rechtsbereiche zuzulas-
sen.
Bei der Suche nach einer normativen Regelung für den Ausschluss eines Gesellschafters aus
der GmbH müssen zunächst die einzelnen Interpretationsmethoden herangezogen werden, um
festzustellen, ob der Gesetzgeber für diesen Fall eine Regelung getroffen hat.
2.
Wortinterpretation
Bei dieser Methode kommt es auf den genauen Wortsinn einer Regelung, den Begriffskern,
an.
43
Dabei wird untersucht, welche Bedeutung dem Wort primär im juristischen und sekun-
där im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt.
44
Als Hilfestellung werden vom Gesetzgeber
oft Legaldefinitionen festgelegt, die bei der Auslegung des betroffenen Wortes heranzuziehen
sind.
45
Liegt keine Legaldefinition vor, können Ausdrücke meist mehrdeutig ausgelegt wer-
den, wodurch der Wortinterpretation eher Bedeutung im Hinblick auf die Grenzen der Ausle-
gung zukommt, da die Auslegung einer Norm nicht gegen den ,,nach dem Sprachgebrauch
möglichen Wortsinn"
46
erfolgen darf.
47
Folgt man dem Wortlaut des GmbHG, ist zu sehen, dass der Gesetzgeber nur einen Fall des
Ausschlusses eines GmbH-Gesellschafters im GmbHG vorgesehen hat, welcher die Kaduzie-
rung (§ 66 GmbHG) ist. Wie oben schon besprochen, ist nach dem Wortlaut von § 66
GmbHG erkennbar, dass diese Norm nur auf einen Fall anzuwenden ist, in dem ein Gesell-
schafter seiner Einzahlungsverpflichtung nicht zeitgerecht nachkommt, weshalb die Regelung
42
Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 72.
43
Höltl, Lückenfüllung, 118.
44
Bydlinski P., Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil, 1/37; Bydlinski F., Grundzüge der juristischen Methodenleh-
re, 27; Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 88.
45
Posch in in Schwimann/Kodek, ABGB § 6 Rz 10; Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff,
441.
46
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 441.
47
RIS-Justiz RS0008796; Schauer in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 6 Rz 8; Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches
Recht I, Rz 89.
10

nur in diesem speziellen Fall hilfreich ist. Für ein allgemeines Ausschlussrecht kann diese
Norm vom Wortlaut her nicht herangezogen werden.
Außerhalb des GmbHG findet sich das GesAusG, das ebenfalls den Ausschluss eines Gesell-
schafters regelt. Nach § 1 GesAusG kann ein Hauptgesellschafter einen anderen Gesellschaf-
ter grundlos aus der Gesellschaft ausschließen, wobei er, wie oben angesprochen (C.2.), eine
angemessene Barabfindung leisten muss. Da der Wortlaut eindeutig einen Hauptgesellschafter
mit mindestens 90% des Nennkapitals verlangt, ist diese Regelung für ein allgemeines Aus-
schlussrecht nicht hilfreich.
Weiters findet sich außerhalb des GmbHG die Regelung des § 1175 Abs 4 ABGB, der fest-
legt, dass die normativen Bestimmungen der GesbR auf die anderen Gesellschaftsformen an-
zuwenden sind, wenn keine besondere Norm besteht und dies ,,angemessen" ist. Daher ist zu
überlegen, ob das Ausschlussrecht der GesbR von § 1213 ABGB auf die GmbH Anwendung
findet. Sollten die Voraussetzungen des § 1175 Abs 4 ABGB erfüllt sein, scheint die Heran-
ziehung des Ausschlussrechts für die GmbH vom Wortlaut gedeckt zu sein, doch dazu später
(G.).
3.
Systematisch-logische Interpretation
Bei der systematischen Interpretation wird die betroffene Norm in einem Gesamtzusammen-
hang gesehen. Es kommt nicht nur auf das einzelne Wort, die Wortfolge oder das betroffene
Gesetz selbst an, sondern auf die Wertung unter Heranziehung anderer Normen des gleichen
Gesetzes, aber auch anderer normativer Regelungen, die mit der betroffenen Norm in einem
Zusammenhang stehen.
48
Außerdem werden bei dieser Methode logische Schlüsse aus der
allgemeinen Erfahrung über das menschliche Verhalten bei der Erstellung von Gesetzen her-
angezogen.
49
Eine umfassende Betrachtungsweise unter aktuellen Wertvorstellungen, wie bei
der teleologischen Interpretation, erfolgt hingegen nicht, weshalb diese Methode meist nur im
Streitfall der verschiedenen Interpretationsmethoden helfen kann.
50
Sind etwa unterschiedli-
che Auslegungsvarianten eines Gesetzestextes möglich, kann die systematisch-logische Inter-
48
Bydlinski F., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 31.
49
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 442 f.
50
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 443.
11

pretation dabei helfen zwischen diesen zu unterscheiden, da die betroffene Norm nicht so
ausgelegt werden darf, dass sie im Widerspruch zu den Normen des gleichen Gesetzes steht.
51
Jedenfalls muss eine Bestimmung so interpretiert werden, dass die Gesamtregelung des Ge-
setzes konsequent erscheint, da der Gesetzgeber wohl kaum Normen erlassen wollte, die nicht
anwendbar oder zwecklos sind.
52
Dies ist etwa der Fall, wenn eine Norm so ausgelegt wird,
dass die bereits durch eine andere normative Regelung getroffene Rechtsfolge wiederholt
wird, wobei nicht verschwiegen werden darf, dass der Gesetzgeber in manchen Fällen zur
Klarstellung eine Rechtsfolge erneut an anderer Stelle anordnet.
53
Wie schon angesprochen, findet sich im GmbHG keine normative Regelung, die mittels sys-
tematischer Interpretation ausgelegt werden kann. Diese Methode könnte aber bei der Ermitt-
lung, ob der Ausschluss eines Gesellschafters bei der GesbR auf die GmbH anwendbar ist (§
1175 Abs 4 iVm § 1213 ABGB), hilfreich sein. Das Gesetz besagt in § 1175 Abs 4 ABGB,
dass die Regelungen über die GesbR auf andere Gesellschaftstypen Anwendung finden, wenn
dies ,,angemessen" ist. Wann diese ,,Angemessenheit" vorliegt, ist wiederum eine Frage der
Auslegung. Etwa im Hinblick darauf, dass der Ausschluss eines Gesellschafters bei der
GesbR, OG und KG ­ auch für Kommanditisten ­ geregelt ist, stellt sich die Frage, ob im
systematisch-logischen Zusammenhang dieser gesellschaftsrechtlichen Gesetze die Anwen-
dung des GesbR-Ausschlussrechts auf die GmbH angemessen ist. Diesem Punkt wird sich an
anderer Stelle dieser Arbeit noch gewidmet werden (G.).
Jedoch kann die systematisch-logische Methode, wie erwähnt, meist nur bei Streitfällen zu
Rate gezogen werden, dies vor allem bei Widersprüchen der historischen und teleologischen
Interpretation. Daher wird zunächst der Fokus auf diese beiden Auslegungsmethoden gerich-
tet.
4.
Historische Interpretation
Die historische Interpretation orientiert sich am Willen des Gesetzgebers zur Zeit der Erlas-
sung des Gesetzes. In einer Demokratie kann dies zu Problemen führen, da sich die einzelnen
Parlamentarier unterschiedlich stark mit einem Gesetz befassen und meist Mitarbeiter der
51
Posch in Schwimann/Kodek, ABGB § 6 Rz 15; Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 443.
52
Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 92; Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbe-
griff, 444.
53
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 445.
12

Ministerien die Gesetze formulieren, aber nicht der Gesetzgeber selbst.
54
Abhilfe können hier
die Gesetzesmaterialien leisten, wobei diese nicht bindend sind, da der Wille des Gesetzesver-
fassers und nicht der des Gesetzgebers wiedergespiegelt wird.
55
Die Unterkategorie der historisch-teleologischen Interpretation zielt auf den Zweck, den der
historische Gesetzgeber verfolgt hat, ab. Zur Ermittlung dieses Zweckes ist die Heranziehung
der Materialien meist sehr nützlich und oft wird durch Ermittlung des Zwecks die Norm erst
anwendbar gemacht.
56
Außerdem kann es hilfreich sein, den Rechtszustand vor dem Erlass
des Gesetzes zu betrachten, da hier der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck kommen kann,
welcher Sachverhalt genau geregelt werden sollte. Auch die vor Erlass des Gesetzes vorhan-
dene juristische Literatur, mit besonderem Blick auf die Schriften der Verfasser des Gesetzes-
textes, kann hilfreich sein.
57
Ein Nachteil dieser subjektiven Interpretationsmethode besteht darin, dass kein Bedacht auf
die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen genommen wird.
58
Jedenfalls ist
dem historischen Gesetzgeber nicht zu folgen, wenn der aktuelle Gesetzgeber andere Absich-
ten hat und diese ins positive Recht einfließen lässt.
59
Das 1906 in Kraft getretene österreichische GmbHG orientiert sich am deutschen Vorbild. In
den Gesetzesmaterialien zum GmbHG wird vom Gesetzgeber die Problematik der Auflö-
sungsklage und des Austritts eines GmbH-Gesellschafters angesprochen. Die Auflösungskla-
ge aus wichtigem Grund und infolge der Austritt eines Gesellschafters wurden nicht zugelas-
sen, da es zwar sein kann, dass ein Austritt dem einzelnen Gesellschafter, der nicht die erfor-
derliche Mehrheit für einen Auflösungsbeschluss erwirken kann, sehr schwer oder gar un-
möglich gemacht wird, dies jedoch hingenommen wird, da sich das praktische Problem zeige,
dass den Gerichten die Beurteilung der Wichtigkeit eines Grundes, der zum Austritt berech-
tigt, kaum möglich sei. Aufgrund der fehlenden Austrittsmöglichkeit sei auch der Ausschluss
eines Gesellschafters unzulässig. Der historische Gesetzgeber entschied sich stattdessen den
Auflösungsbeschluss mit einfacher Mehrheit zuzulassen (§ 39 Abs 1 iVm § 84 Abs 1
GmbHG).
60
Jedoch ist der damalige Zweck, die Gerichte nicht mit der Interpretation des
,,wichtigen Grundes" zu belasten, den der Gesetzgeber mit der Unterlassung der Regelung
54
Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 95.
55
Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 96.
56
Bydlinski F., Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 451.
57
Bydlinski F., Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 35.
58
Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 98.
59
F. Bydlinski, Methodenlehre, 577 ff; Koziol/Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I, Rz 98.
60
RV 236 Blg stProt HH XVII. Session (1904), 91; Kastner, ÖJZ 1952, 184.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961161928
ISBN (Paperback)
9783961166923
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Salzburg – Arbeits- und Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2017 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
GmbH-Gesellschafter Ausschluss Gesellschafter Wirtschaftsrecht Gesellschafterausschluss
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Titel: Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH
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