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Bilanzielle Berücksichtigung von Risiken in der internationalen Rechnungslegung. Eine empirische Untersuchung am Beispiel eines ausgewählten DAX-30-Konzerns

©2016 Bachelorarbeit 148 Seiten

Zusammenfassung

Die Zielsetzung der Arbeit ist die empirische Analyse des DAX-30-Konzerns Bayer. Dabei wird untersucht, in welchem Maß der Bilanzposten „sonstige Rückstellungen“ den Standards der internationalen Rechnungslegung gerecht wird und inwieweit er der Zielsetzung des IASB entspricht. Die Arbeit untersucht bilanzpolitische Ermessens- und Manipulationsspielräume und analysiert weiter, ob und in welcher Höhe diese vom Bayer Konzern in den vergangenen Geschäftsjahren ausgenutzt wurden. In diesem Zusammenhang werden auch die subjektiven Interessenkonflikte des Managements gegenüber den objektiven Interessen der Bilanzleser betrachtet und näher beschrieben. Durch die Vielzahl der sonstigen Rückstellungsarten wird, bedingt durch den begrenzten Seitenumfang der Arbeit, nur auf drei sonstige Rückstellungsarten detailliert eingegangen. Dabei handelt es sich um
Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen, Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen sowie Rechtsstreitigkeiten, welche der Bayer Konzern u.a. auch näher in seinen veröffentlichten Chancen- und Risikoberichten der vergangenen Geschäftsjahre beschreibt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


II
4. Analyse des Bayer Konzerns ... 58
4.1. Einführung
... 58
4.2.
Vorstellung des Bayer Konzerns ... 60
4.3.
Allgemeine Daten der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz des Bayer Konzerns ... 65
4.4.
Bayer auf Erfolgskurs - Überblick der Geschäftsjahre 2013, 2014 und 2015 ... 78
4.5.
Analyse ausgewählter sonstiger Rückstellungsarten des Bayer Konzerns ... 79
4.5.1. Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen ... 79
4.5.2. Rückstellungen für Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen ... 86
4.5.3. Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten ... 90
4.6.
Zusammenfassende Analyse und Auswertung der Ergebnisse des Bayer Konzerns ... 94
5. Ergebnisglättung bei der Rückstellungsbilanzierung nach IAS 37 - eine selektive
Beurteilung ... 101
5.1. Bilanzpolitik
... 101
5.2.
Bayer - Ein geschminkter DAX-30-Konzern? ... 101
5.3. Zusammenfassende
Gestaltungsmöglichkeiten
...
104
6. Schlussbetrachtung ... 106
Anhang ... VII
Literaturverzeichnis ...
XXXVIII

III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Inhalte des Rahmenkonzeptes ... 5
Abbildung 2: Informationsinteresse der verschiedenen Bilanzadressaten ... 7
Abbildung 3: Wesentliche Grundvoraussetzungen an einen IFRS-Abschluss ... 10
Abbildung 4: Prüfungsreihenfolge der Primärgrundsätze ... 15
Abbildung 5: Inhalt des IAS 37 ... 22
Abbildung 6: Übersicht der unsicheren Schulden nach IAS 37 ... 23
Abbildung 7: Formen der Begründung einer Verpflichtung ... 25
Abbildung 8: Entscheidungsbaum - Überblick über die zu prüfenden Ansatzvoraussetzungen ... 27
Abbildung 9: Unterschiede zwischen Eventualverbindlichkeiten, Rückstellungen und
Verbindlichkeiten ... 32
Abbildung 10: Übersicht zur Behandlung unsicherer Schulden ... 33
Abbildung 11: Bilanzierung unsicherer Vermögenswerte und Schulden ... 34
Abbildung 12: Aufbau eines Rückstellungsspiegels ... 45
Abbildung 13: Rückstellungsspiegel des Bayer Konzerns 2015 ... 46
Abbildung 14: Schema von Umweltschutzverpflichtungen ... 52
Abbildung 15: Mögliche Rückstellungsbildungen für Kläger und Beklagten ... 56
Abbildung 16: Struktur des Bayer Konzerns bis 2015 ... 62
Abbildung 17: Struktur des Bayer Konzerns ab 2016 ... 63
Abbildung 18: Prozentuale Verteilung der Segmente im Bayer Konzern 2015 ... 64
Abbildung 19: Rückstellungsspiegel des Bayer Konzerns aus 2013, 2014 und 2015 ... 68
Abbildung 20: Sonstige betriebliche Erträge und Aufwendungen des Bayer Konzerns aus den Jahren
2013, 2014 und 2015 ... 70
Abbildung 21: Rückstellungsspiegel des Bayer Konzerns aus 2013, 2014 und 2015 ... 73
Abbildung 22: Rückstellungsgruppen im Bayer Konzern ... 77

IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kerndaten des Bayer Konzerns aus den Geschäftsjahren 2013, 2014 und 2015 ... 60
Tabelle 2: Segmente im Bayer Konzern ... 61
Tabelle 3: Kennzahlen der Segmente im Bayer Konzern 2015 ... 63
Tabelle 4: Ausgewählte Daten der Gewinn- und Verlustrechnung des Bayer Konzerns ... 66
Tabelle 5: Ausgewählte Grunddaten der Gewinn- und Verlustrechnung des Bayer Konzerns ... 72
Tabelle 6: Ausgewählte Daten der Bilanz des Bayer Konzerns ... 74
Tabelle 7: Ausgewählte Daten der Bilanz des Bayer Konzerns ... 74
Tabelle 8: Aufschlüsselung von einzelnen sonstigen Rückstellungsarten des Bayer Konzerns ... 75
Tabelle 9: Sonstige betriebliche Erträge / Aufwendungen und Gewinn- und Verlustrechnungen des
Bayer Konzerns aus 2013, 2014 und 2015 ... 76
Tabelle 10: Erfolgswerte des Bayer Konzerns im Vergleich ... 78
Tabelle 11: Umweltschutzverpflichtungen aus den Rückstellungsspiegeln des Bayer Konzerns ... 84
Tabelle 12: Kunden- und Lieferantenverkehrverpflichtungen aus den Rückstellungsspiegeln des Bayer
Konzerns ... 88
Tabelle 13: Entwicklung der Rechtsstreitigkeiten im Bayer Konzern ... 92
Tabelle 14: Zusammenfassender Vergleich der untersuchten Rückstellungsgruppen im Hinblick auf
Informationsangaben im Bayer Konzern ... 95
Tabelle 15: Zusammenfassende Einflussnahme der Rückstellungen auf das Betriebsergebnis im Bayer
Konzern ... 98
Tabelle 16: Sonstige betriebliche Erträge / Aufwendungen und Gewinn- und Verlustrechnungen des
Bayer Konzerns aus 2013, 2014 und 2015 ... 102
Tabelle 17: Nutzung von Ermessensspielräumen beim Ansatz von Rückstellungen ... 104
Tabelle 18: Nutzung von Ermessensspielräumen bei der Bewertung von Rückstellungen ... 105

V
Abkürzungsverzeichnis
AG
Aktiengesellschaft
BFH
Bundesfinanzhof
DAX-30
Deutscher Aktienindex der 30 größten deutschen Unternehmen
EBIT
Earnings Before Interest and Tax
EBITDA Earnings
Before
Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
F.
Framework
FASB
Financial Accounting Standards Board
GoB
Grundsätze
ordnungsmäßiger
Buchführung
GuV
Gewinn-
und
Verlustrechnung
HGB
Handelsgesetzbuch
IAS
International
Accounting
Standard
IASB
International
Accounting
Standard
Board
IFRIC
International
Financial Reporting Interpretations Committee
IFRS
International Financial Reporting Standards
Life Sciences
Lebens- / Biologiewissenschaften
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
US-GAAP
US-amerikanische
Rechnungslegungsnormen
Von einer Auflistung gängiger Abkürzungen wurde abgesehen.


1
1.
Einleitung
1.1.
Problemstellung der Arbeit
Durch schwierige Zeiten und schlechte Nachrichten der letzten Jahre in Bezug auf Bilanzskandale,
Finanzkrisen und Rezessionen, verschärfte sich der Blick auf Jahresrechnungen in Unternehmen sehr
stark. Dargestellte Bilanzzahlen werden immer häufiger hinterfragt, zugrunde gelegte Annahmen
verstärkt auf Plausibilität kontrolliert und der Bilanzanhang der Jahresrechnung wird immer intensiver
gelesen. In diesem Zusammenhang spielen die verwendeten Rechnungslegungsvorschriften eine
wichtige Rolle, welche immer mehr ins Interesse der Öffentlichkeit rücken. Sie bilden den Rahmen für
verlässliche, vergleichbare und den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende und
entscheidungsrelevante Informationen.
Eine der wichtigsten Finanzkennzahlen der Berichterstattung in Unternehmen ist das Betriebsergebnis.
Das Betriebsergebnis als Resultat des Rechnungslegungsprozesses wird jedoch in der Praxis nicht nur
vom Preis- und Mengengerüst der Wertschöpfungsaktivitäten im Unternehmen gesteuert, nein, es kann
auch bewusst durch bilanzpolitische Maßnahmen beeinflusst werden. Dabei können Gesetze- und
Standards, Flexibilität in Form von Ermessensspielräumen bei der Anwendung der internationalen
Rechnungslegung nach IFRS bieten. Die Geschäftsführung des Unternehmens kann dabei reale
Geschäftsvorfälle und Transaktionen gezielt gestalten, um so Einfluss auf das Periodenergebnis zu
nehmen. Dieses Handlungsverhalten bilanzierender Unternehmen eröffnet einen Spielraum, innerhalb
dessen das Betriebsergebnis ausgewiesen werden kann, um so beispielsweise ein geglättetes
Periodenergebnis am Jahresende zu präsentieren.
1
In Zeiten guter Ertragslage könnten Unternehmen stille Reserven bilden, die in Zeiten schlechter
Ertragslage wieder aufgelöst werden, um somit ihr Betriebsergebnis zu verbessern. Durch diese
Vorgehensweise haben Unternehmen die Möglichkeit, ein Ergebnis auszuweisen, dass im Zeitablauf
geringere Schwankungen aufweist, als das Ergebnis, das sich infolge wirtschaftlicher Gegebenheiten
tatsächlich ergeben würde.
Der Ergebnisglättung in Unternehmen wird in Literatur und Praxis viel Aufmerksamkeit geschenkt, da
Unternehmen aus verschiedenen Gründen motiviert sein können, Ergebnisglättungen vorzunehmen. In
deutschen Unternehmen spielen steuerliche und vertragsorientierte Motive oftmals eine wesentliche
Rolle. Durch diese Spielräume und Steuerschlupflöcher, die Unternehmen in der Praxis kennen und
nutzen, entstehen dem Staat und der Gesellschaft jährlich Schäden in Milliarden Höhen.
Des Weiteren kann das Unternehmen bestrebt sein, mittels Ergebnisglättung, das verschönerte
Betriebsergebnis an Investoren zu vermitteln und so die Prognosefähigkeit des künftigen Ergebnisses
zu verbessern. Beurteilen Investoren das Risiko des Unternehmens infolge der Ergebnisglättung als
gering, kann dies zu geminderten Renditeforderungen der Investoren und damit zu niedrigeren
Eigenkapitalkosten im Unternehmen führen. Durch geglättete Betriebsergebnisse können
Abschlussadressaten gehindert werden, das wirtschaftliche Umfeld des Unternehmens genau
einzuschätzen.
2
Bei dieser Art der Ausnutzung der möglichen Ermessens- und
Manipulationsspielräume wird deutlich, dass die objektiven Informationsbedürfnisse der
Bilanzadressaten und die subjektiven bilanzpolitischen Interessen der Geschäftsführung in einem
Unternehmen auseinander fallen.
1
Kaiser (2013), S. 1 ff..
2
Ebenda.

2
Diese Entwicklung hat vor Jahren dazu geführt, dass vergleichbare Unternehmensinformationen
gefordert wurden, welche in Form international anerkannter Rechnungslegungsstandards umgesetzt
worden sind. Bei den herausgegebenen International Financial Reporting Standards (IFRS) des IASB
(Gremium in London) war es das Ziel, dass eine vergleichbare, zuverlässige, verständliche und
informative Rechnungslegung geschaffen werden sollte.
3
Im Gleitwort des aktuellen IFRS 2016 steht
dazu folgendes:
,,Rechnungsleger weltweit sprechen keine nationalen Sprachen mehr, sondern eine internationale
Sprache. Die gemeinsame Sprache der Rechnungsleger heißt - International Financial Reporting
Standards (IFRS) - des International Accounting Standard Board (IASB)."
4
Für Geschäftsjahre ab dem 01.01.2005 sind deutsche börsennotierte Unternehmen verpflichtet,
aufgrund der IAS-Verordnung der Europäischen Union, ihre Jahresabschlüsse nach IFRS
aufzustellen.
5
Durch diese Verpflichtung der IFRS-Rechnungslegung können seither Effekte auf
Ergebnisglättungen vergleichsweise gut im deutschen Kapitalmarkt analysiert werden. Ob jedoch die
internationalen Vorschriften die Möglichkeiten für Ergebnisglättungen in Unternehmen beschränken,
bleibt letztlich eine empirische Untersuchungsfrage.
Vor diesem Hintergrund ist das Ziel der Arbeit, die Auswirkungen der internationalen
Rechnungslegung nach IFRS auf die Ergebnisglättung im DAX-30-Bayer Konzern empirisch zu
untersuchen.
1.2.
Zielsetzung und methodischer Aufbau der Arbeit
Die Zielsetzung der Arbeit ist die empirische Analyse des DAX-30-Konzerns Bayer. Dabei wird
untersucht, in welchem Maß der Bilanzposten ,,sonstige Rückstellungen" den Standards der
internationalen Rechnungslegung gerecht wird und inwieweit er der Zielsetzung des IASB entspricht.
Die Arbeit untersucht bilanzpolitische Ermessens- und Manipulationsspielräume und analysiert weiter,
ob und in welcher Höhe diese vom Bayer Konzern in den vergangenen Geschäftsjahren ausgenutzt
wurden. In diesem Zusammenhang werden auch die subjektiven Interessenkonflikte des Managements
gegenüber den objektiven Interessen der Bilanzleser betrachtet und näher beschrieben.
Durch die Vielzahl der sonstigen Rückstellungsarten wird, bedingt durch den begrenzten Seitenumfang
der Arbeit, nur auf drei sonstige Rückstellungsarten detailliert eingegangen. Dabei handelt es sich um
Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen, Gewährleistungs- und Produkthaftungs-
verpflichtungen sowie Rechtsstreitigkeiten, welche der Bayer Konzern u.a. auch näher in seinen
veröffentlichten Chancen- und Risikoberichten der vergangenen Geschäftsjahre beschreibt.
Die Arbeit teilt sich in zwei große Abschnitte. Sie hat einen methodischen Aufbau von sechs
Kapiteln
und gliedert sich anfangs in einen theoretischen Teil und später in einen praktischen Teil. Nach der
Einführung in die Thematik, der Problemstellung und der Zielsetzung, beschreibt das zweite Kapitel
detailliert die fundamentalen theoretischen Grundlagen der internationalen Rechnungslegung. Diese
Grundlagen sollen dem Leser ein tiefgründiges Wissen vermitteln, um ein besseres Verständnis für die
nachfolgenden Kapitel zu erhalten.
3
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 2 ff..
4
IFRS Geleitwort (2016), S. VI.
5
Achleitner / Behr / Schäfer (2009), S. 4.

3
Danach wird im dritten Kapitel der Schwerpunkt auf das ausgewählte Glättungsinstrument gerichtet -
die sonstigen Rückstellungen. Da sich Rückstellungen in Unternehmen mit ungewissen
Verpflichtungen auseinandersetzten, ist ihr Ansatz- und ihre Bewertung mit Schätzungen, d.h. mit
subjektiven Einschätzungen des Managements verbunden. Zu Schätzungen kommt es beispielsweise
dann, wenn es um die Beurteilung geht, ob eine Verpflichtung vorliegt (kritisch u.a. bei
Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten) und ob es wahrscheinlich ist, dass es in der Zukunft zu
Auszahlungen kommen wird und in welcher Höhe diese voraussichtlich eintreten werden.
Rückstellungen bieten dabei umfangreiche bilanzpolitische Ermessensspielräume und sind ein häufig
genutztes Instrument der Ergebnisglättung. Wie Rückstellungen in Unternehmen zu bilanzieren sind
und welche Möglichkeiten der Ergebnisglättung die Rückstellungsbilanzierung nach IFRS bietet,
beschreibt anschließend das Kapitel vier.
Auf der Basis des theoretischen Wissens baut sich in Kapitel vier die empirische Analyse auf. In
diesem Kapitel wird genau geprüft, inwieweit der Jahresabschluss des Bayer Konzerns, verglichen
über drei Geschäftsjahre, mit der Zielsetzung der internationalen Rechnungslegung übereinstimmt. Im
Fokus stehen dabei insbesondere die Bilanzadressaten und die Frage, ob diese die nach IFRS
geforderten entscheidungsrelevanten Informationen erwarten dürfen. Den Abschluss des Kapitels
bildet eine zusammenfassende Analyse und Auswertung der Erkenntnisse.
Im fünften Kapitel erfolgt abschließend eine selektive Beurteilung zur Bilanzpolitik, bevor im sechsten
Kapitel schließlich die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit nochmals kurz beschrieben werden.

4
2.
Theoretische Grundlagen der Rechnungslegung nach IFRS
2.1.
Das Rahmenkonzept (Framework)
Die Grundlage der internationalen Rechnungslegung bildet das Rahmenkonzept, welches ,,Framework
for the Preparation and Presentation of Financial Statements" oder Framework genannt wird, im Jahr
1989 erarbeitet und verabschiedet wurde und seit dem Jahr 2004 umfassend überarbeitet wird.
6
Das Rahmenkonzept gilt als Basis für die Neu- und Weiterentwicklung konsistenter
Rechnungslegungsstandards (IAS/IFRS), die Vereinheitlichung der praktizierten
Rechnungslegungsmethoden, sowie die Ableitung von Bilanzierungsfragen.
7
Die international
anerkannten Rechnungslegungsnormen der International Financial Reporting Standards (IFRS), die bis
zum Jahr 2001 International Accounting Standards (IAS) genannt wurden, gewannen durch die
steigende Internationalisierung unternehmerischer Tätigkeiten und des wachsenden Kapitalmarkts in
den letzten Jahren, stark an Bedeutung.
8
Ziel der Rechnungslegung ist es, die Bereitstellung finanzieller Informationen und der Ansatzpunkt für
die Neu- und Weiterentwicklung der einzelnen Standards, welche für bestehende und potenzielle
Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger nützlich sind, damit adäquate Entscheidungen
verlässlicher getroffen werden können.
9
Das Rahmenkonzept erfüllt den Zweck, als Auslegungs- und Orientierungshilfe der speziellen IFRS-
Standards zu dienen, da die Frameworkregelungen grundsätzlich unverbindlich sind, nur eine
ergänzende Funktion haben und selbst keinen eigenen IFRS-Standard darstellen.
10
Im HGB existiert
ein solcher vergleichbarer Rechnungslegungsrahmen nicht, jedoch ergeben sich dort die
grundlegenden Merkmale aus dem Gesetz selbst bzw. aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung (GoB).
Das Rahmenkonzept hat demnach nicht das Ziel, im Gegensatz zu den IFRS-Standards, Bilanzierungs-
und Bewertungsvorschriften vorzugeben. Eine grafische Übersicht über die Inhalte und den Aufbau
zeigt die Abbildung 1.
6
Petersen / Bansbach / Dornbach (2016), S. 7.
7
Kaiser (2013), S. 165.
8
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 56.
9
Küting / Weber / Kußmaul (2007), S. 1.
10
Baetge / Kirsch / Thiele (2014), S. 151.

5
Abbildung 1: Inhalte des Rahmenkonzeptes
11
Ausgehend von dem Ziel der Rechnungslegung nach IFRS, steht die Vermittlung
entscheidungsrelevanter Informationen an oberster Stelle. Auf dieser Grundlage werden die
Rechnungslegungsprinzipien und Definitionen für die wichtigen Abschlussposten der Bilanz
entwickelt.
12
Darauf aufbauend, werden Ansatz- und Bewertungskriterien sowie unterschiedliche
Kapitalerhaltungskonzepte dargestellt.
11
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 86.
12
Kaiser (2013), S. 166.
Ziel
Informations-
vermittlung
Rechnungs-
legungs-
Abschlussposten
grundsätze
1. Basisannahme
1. Vermögenswerte
2. Primär- und
2. Schulden
Sekundärgrundsätze
3. Eigenkapital
3. Nebenbedingung
4. Aufwendungen
5. Erträge
Ansatz
Bewertung
Kapitalerhaltungs-
konzepte
1. Abschlussposten-
1. Anschaffungs- oder
definition erfüllt Herstellungskosten 1. Finanzwirtschaft-
2. Wahrscheinlicher 2. Wiederbeschaffungs-
liche Kapital-
Nutzenzufluss kosten erhaltung
3. Zuverlässige 3. Veräußerungspreis/ 2. Leistungswirt-
Bewertbarkeit Erfüllungsbetrag schaftliche
4. Barwert Kapitalerhaltung

6
2.2.
Anwendungsbereich des IAS 37
In der internationalen Rechnungslegung regelt der Standard IAS 37 die Bilanzierung und Angaben für
den Ansatz, die Bewertung und die Berichterstattung von Rückstellungen ,,provisions, contingent
liabilities and contingent assets", was übersetzt heißt: ,,Rückstellungen, Eventualschulden und
Eventualforderungen."
13
Diese Arbeit verwendet die derzeitig gültige Fassung des Regelungswerks des IAS 37, da sich der
Standard seit 2005 in Überarbeitung beim IASB befindet.
14
An späterer Stelle wird schwerpunktmäßig
der Abschlussposten ,,Schulden" und die darin enthaltenen ,,sonstigen Rückstellungen" untersucht.
Die maßgebende Richtlinie dieser Arbeit bezieht sich folglich auf das Framework und den Standard
des IAS 37, welcher in den folgenden Kapiteln ausführlich beschrieben wird.
2.3.
Adressaten der Rechnungslegung und deren Informationsinteressen
Die Rechnungslegung basiert auf dem Grundsatz, dass ein Mensch bzw. eine Gruppe von Menschen
(der Rechnungsleger) mehr über die rechnungslegende Einheit wissen, als eine oder mehrere andere
Personen (die Rechnungslegungsadressaten).
15
Dieses Mehr an Wissen über das Unternehmen soll
durch die Präsentation von prägnanten und verdichteten Informationen, insbesondere in den
Rechenwerken reduziert werden. Dabei spricht man in der Rechnungslegung von einem Metazweck,
der als gezielte Reduktion der Informationsverteilung zwischen dem Rechnungsleger und den
Rechnungslegungsadressaten verstanden werden kann.
Die Rechnungslegung in einem Unternehmen wird von Menschen erstellt, die eigene Interessen
verfolgen und Handlungs- und Wissensbeschränkungen unterliegen. Bei dieser Personengruppe
handelt es sich meistens um Unternehmensinsider, z.B. Manager die durch spezialisierte Mitarbeiter
technisch unterstützt werden. Warum sollte der Rechnungsleger aber sein Wissen über das
Rechnungslegungsobjekt preisgeben? Welche Anreize besitzt er?
Um diese aufgeworfenen Fragen zu klären, müssen die weiteren Akteure der Rechnungslegung
vorgestellt werden. Die Rechnungslegung ist zumeist öffentlich und somit dem Grunde nach für eine
Vielzahl von Adressaten bestimmt.
16
Da sich jedoch naturgemäß nicht die gesamte Weltbevölkerung
für den Abschluss eines Unternehmens interessiert, sondern nur diejenigen, die mehr oder weniger
direkte Vertragsbeziehungen zu diesem Unternehmen haben, schränkt sich der Adressatenkreis ein.
Die verbleibenden Rechnungslegungsadressaten sind dann bereit, die erforderliche Zeit zu investieren
und sich mit der Rechnungslegungspublizität, d.h. dem veröffentlichten Ergebnis des Unternehmens,
zu beschäftigen.
17
13
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
14
Buschhüter / Striegel (2011), S. 957.
15
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 4.
16
Kaiser (2013), S. 166.
17
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 4.

7
Klassische Abschlussadressaten von Unternehmen, die individuelle Informationsbedürfnisse haben,
aber auch nach Meinung des IASB nicht vollständig durch die IFRS-Rechnungslegung befriedigt
werden können, sind vor allem die im folgenden dargestellten Personengruppen:
Abbildung 2: Informationsinteresse der verschiedenen Bilanzadressaten
18
18
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 88; Heno (2016),
S. 5 ff..
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8
2.4.
Ziele eines IFRS-Abschlusses
Im Gegensatz zu vielen Wahlrechten mit gesellschafts- und steuerrechtlichen Aspekten nach dem
HGB, verfolgt die IFRS-Rechnungslegung das zentrale Ziel der ,,Bereitstellung von
entscheidungsrelevanten Informationen" für den Adressatenkreis gemäß F. 12 - 20 (decision
usefulness).
19
Dabei ist zu sagen, dass die Adressaten von einem Abschluss nach IFRS nicht die
vollständige Befriedigung aller ihrer Informationswünsche erhalten können, aufgrund der
unterschiedlichen Informationsbedürfnisse.
20
Aus diesem Grund ist es in erster Linie so, dass das
IASB die im Abschluss dargestellten Informationen auf die Informationsbedürfnisse derzeitiger und
potenzieller Investoren eingeengt hat, da diese dem Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen.
Dieses Vorgehen hat den Grund, dass der Informationsbedarf von Risikokapitalgebern oftmals genau
den Informationsbedürfnissen der anderen Personengruppen entspricht. Die Informationen der Bilanz
werden sodann unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsnützlichkeit auf die Vermögens-
(Aktivseite), Finanz- (Passivseite) und Ertragslage, sowie auf den Cashflow (Kapitalflussrechnung)
eines Unternehmens beschränkt (IAS 1.15, fair presentation).
21
Somit besteht die wichtigste Aufgabe
der externen Rechnungslegung nach IFRS in der Informationsvermittlungsfunktion für die
Investoren.
22
Dabei orientiert sich die Vermittlung der relevanten Informationen stark an der
Bewertungsfunktion der Rechnungslegung.
Eine Ausnahmeregelung zu Abweichungen der fair presentation gestattet IAS 1.19, wenn es bei der
Anwendung eines Standards / einer Interpretation nicht mehr zu einem den tatsächlichen Verhältnissen
entsprechenden Bildes der wirtschaftlichen Lage kommen würde (overriding principle).
23
Mit der Übermittlung entscheidungsrelevanter Informationen soll für gegenwärtige und potentielle
Investoren und Kreditgeber eine bessere Grundlage für spezifische Entscheidungen geschaffen werden.
Die Kapitalgeber sollen in die Lage versetzt werden, künftige Netto-Zahlungszuflüsse des
Unternehmens, bzw. ihre entsprechenden returns, besser abschätzen zu können. Sie sollen bei
wirtschaftlichen Entscheidungen unterstützt werden, insbesondere wenn es darum geht, einem
Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, Unternehmensanteile zu halten oder aber auch
Unternehmensanteile zu veräußern.
24
Der primäre Abschlussadressat ist der Investor, sei es ein
Aktionär, ein Kreditgeber oder ein sonstiger Gläubiger, um seine Investitions- und
Desinvestitionsentscheidungen zu unterstützen.
25
,,Da Investoren dem Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen, werden die Angaben aus den
Abschlüssen, die ihrem Informationsbedarf entsprechen, auch den Informationsbedürfnissen der
meisten anderen Adressaten entsprechen, die ein Abschluss erfüllen kann."
26
In diesem Zitat des IFRS-Standards 2016 wird deutlich, dass der Investor als wichtigster Adressat
eines Jahresabschlusses im Vordergrund steht.
19
IFRS Framework 12-20 (2016), S. 8 ff.; Müller (2007), S. 22.
20
Heno (2016), S. 11.
21
IFRS IAS 1.15 (2016), S. 40; Heno (2016), S. 17.
22
Müller (2007), S. 22.
23
IFRS IAS 1.19 (2016), S. 42; Coenenberg / Haller / Schulze (2016), S. 68.
24
Buschhüter / Striegel (2011), S. 62.
25
Grünberger (2016), S. 27 f..
26
IFRS Framework 10 (2016), S. 8.

9
In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass die Geschäftsberichte eines Unternehmens für
potentielle Investoren einen sehr hohen Stellenwert einnehmen. Das resultiert vor allem daraus, da die
veröffentlichten Geschäftsberichte oftmals die einzige Möglichkeit sind, die benötigten Informationen
zu erhalten, auch wenn wie zuvor bereits erwähnt, die Investoren nicht immer zu ihrer vollsten
Zufriedenheit mit Informationen versorgt werden.
27
Schwachstellen treten dann auf, wenn Geldgeber Informationen benötigen, die die Zukunft eines
Unternehmens betreffen. In dieser Situation ist es schwierig relevante Informationen in Erfahrung zu
bringen, da IFRS-Abschlüsse überwiegend wirtschaftliche Ereignisse aus der Vergangenheit
beinhalten.
28
Die untersuchten Geschäftsberichte aus den Rückstellungsbeiträgen für Umweltschutzverpflichtungen,
Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen sowie Rechtsstreitigkeiten des Bayer Konzerns
in Kapitel 4 werden zeigen, inwieweit die enthaltenen Informationen der Geschäftsberichte den
Bedürfnissen der Abschlussadressaten gerecht werden.
27
Buschhüter / Striegel (2011), S. 62.
28
IFRS Framework 13 (2016), S. 8.

10
2.5.
Grundsätze der internationalen Rechnungslegung
2.5.1.
Basisannahmen der Abschlusserstellung
Das aktuelle Rahmenkonzept beinhaltet wesentliche Grundvoraussetzungen, die zu berücksichtigen
sind, damit aufgestellte IFRS-Abschlüsse ihrer Zielsetzung gerecht werden. Zu diesen wesentlichen
Grundsätzen gehören einerseits die Basisannahmen und andererseits die qualitativen Anforderungen
an einen IFRS-Abschluss, sowie die Nebenbedingungen der Kosten- und Nutzenabwägung. Einen
zusammenfassenden Überblick zu den genannten Grundvoraussetzungen zeigt die folgende
Abbildung 3:
ZIELSETZUNG
Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen
Basisann ah men
Annahme der Unternehmensfortführung
Fund amen talgrunds ätze
Relevanz
Glaubwürdige Darstellung
Wesentlichkeit
Vollständigkeit
Neutralität
Fehlerfreiheit
Erwei terung sg rund sätze
Vergleichbarkeit Nachprüfbarkeit Zeitnähe Verständlichkeit
Neb enb edingung
Kosten-und Nutzenabwägung
Abbildung 3: Wesentliche Grundvoraussetzungen an einen IFRS-Abschluss
29
29
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Baetge / Kirsch / Thiele (2014), S. 160.

11
Im aktuellen Rahmenkonzept 2016 ist die Unternehmensfortführung (F. 23, IAS 1.25-26) eine
grundlegende Annahme, die für eine IFRS-Abschlusserstellung zwingend notwendig ist und dem
,,going concern principle" entspricht.
30
Gemäß dem Rahmenkonzept ist ein Unternehmensabschluss unter der Annahme der
Unternehmensfortführung solange aufzustellen, bis das Management des Unternehmens
berücksichtigt, seine Tätigkeit einzustellen oder den Umfang des Unternehmens wesentlich
einzuschränken.
31
Diese Prognose hat die Unternehmensleitung vor jeder Aufstellung des
Jahresabschlusses zu treffen. Sollten wesentliche Zweifel bestehen, dass bestimmte Faktoren die
Unternehmensfortführung in den nächsten 12 Monaten gefährden könnten gemäß IAS 1.26 (rechtliche
oder tatsächliche Gründe), müssten diese im Unternehmensabschluss zwingend offengelegt werden
(IAS 1.25).
32
In unsicheren Situationen ist die Annahme der Unternehmensfortführung umfassend zu
untersuchen und zu hinterfragen.
33
Ein rechtlicher Grund wäre beispielsweise die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, da diese im
Ernstfall zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen kann. Kommt ein Unternehmen in eine
solche Schieflage, besteht die Möglichkeit, dass die vorhandenen Vermögenswerte mit ihren
Liquiditätswerten angesetzt werden. Existiert im Unternehmen hingegen eine positive
Zukunftsprognose in Bezug auf die Unternehmensfortführung, so sind die vorhandenen
Vermögenswerte mit ihren fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellkosten anzusetzen und zu
bilanzieren. Diese Vorgehensweise resultiert daraus, dass in einem solchen Fall davon ausgegangen
werden kann, dass die vorhandenen Vermögenswerte im Unternehmen noch verwendet werden
können. Weiter geht man davon aus, dass der erzielte Nutzen in der Regel nicht unter dem Wert der
Anschaffungs- oder Herstellkosten liegt.
34
Liegt ein tatsächlicher Grund in einem Unternehmen vor, der die Unternehmensfortführung
beeinflusst, entspricht das nicht dem ,,going concern principle" und muss zwingend im
Unternehmensabschluss angegeben werden. Dazu könnte es kommen, wenn z.B. der Vorstand einer
Aktiengesellschaft (AG) beschließen würde, die Unternehmenstätigkeit einzustellen. Ein weiterer
tatsächlicher Grund könnte vorliegen, wenn das Unternehmen zukünftig keine Unterstützung seiner
wichtigen Akteure erhält, d.h. Aktionäre oder Banken dem Unternehmen kein Geld mehr zur
Verfügung stellen. In einer solchen Situation könnte es auch schnell zu einer Unternehmenseinstellung
kommen, wenn ein Unternehmensverkauf nicht frühzeitig zustande kommt.
35
Prüft man in diesem Zusammenhang die Fortführungsprognose des Bayer Konzerns, so ist
festzustellen, dass diese als gegeben anzusehen ist, da lt. veröffentlichtem Geschäftsbericht 2015 keine
Indizien für eine Unternehmenseinstellung sprechen.
30
Buschhüter / Striegel (2011), S. 66.
31
IFRS IAS 1.25 (2016), S. 42; Kaiser (2013), S. 168.
32
IFRS IAS 1.25 f. (2016), S. 42 f.; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 91; Hoffmann / Lüdenbach (2013),
S. 27 f..
33
Grünberger (2016), S. 340 f..
34
Buchholz (2013), S. 18 ff..
35
Ebenda.

12
Neben dem Grundsatz der Unternehmensfortführung wird das Prinzip der Periodenabgrenzung
gefordert. Das Konzept der Periodenabgrenzung (accrual basis)
36
wird im Rahmenkonzept zwar nicht
mehr ausdrücklich als Basisannahme erwähnt, ist aber dennoch zu berücksichtigen, da es als
methodische Grundlage für die Gewinnermittlung dient.
37
Die Periodenabgrenzung findet sich in F. 22
und IAS 1.27-28 wieder, mit dem Wortlaut:
,,Ein Unternehmen hat seinen Abschluss, mit Ausnahme der Kapitalflussrechnung, nach dem Konzept
der Periodenabgrenzung aufzustellen."
38
In der Praxis ist es oftmals so, dass sich Geschäftsvorfälle in einem Unternehmen über mehrere
Perioden verteilen, sodass eine periodengerechte Abgrenzung vorzunehmen ist.
39
Dabei ist es wichtig,
dass jeder Periode der in ihr angefallene Geschäftsvorfall zugeordnet wird.
40
Demnach sind
Aufwendungen sowie Erträge nicht im Zahlungszeitpunkt zu erfassen, sondern in der dazugehörigen
Periode, in der sie im Unternehmen angefallen sind (matching principle).
41
Auch die Bildung von
Rückstellungen erfolgt nach dem matching principle, d.h. dass Rückstellungen in der Periode ihrer
Verursachung anzusetzen sind.
42
Des Weiteren werden Vermögenspositionen erst dann erfasst, wenn
sie in den Besitz des Betriebes eingehen und nicht in der Periode, in der die Verbindlichkeit an den
Gläubiger ausgeglichen wurde. Einen Ausnahmefall vom Konzept der Periodenabgrenzung stellt dabei
die Kapitalflussrechnung dar, auf welche jedoch aufgrund des Umfangs der Arbeit nicht weiter
eingegangen wird.
43
Es lässt sich sagen, dass mit dem Grundsatz der Unternehmensfortführung und dem Konzept der
Periodenabgrenzung zwei grundlegende Basisannahmen unterschieden werden, die bei der
Abschlusserstellung nach IFRS-Standards 2016 berücksichtigt werden müssen.
2.5.2.
Qualitative Anforderungen an einen IFRS-Abschluss
Neben den grundlegenden bereits dargestellten Basisannahmen sind weiter qualitative Anforderungen
zu erfüllen, um die Informationsvermittlungsfunktion eines Jahresabschlusses sicher zu stellen.
44
Im Conceptual Framework lassen sich die qualitativen Anforderungen eines Jahresabschlusses in drei
Gruppen unterscheiden. Dazu zählen die grundlegenden Anforderungen, die verstärkten
Anforderungen sowie die Nebenbedingungen der Kosten- und Nutzenabwägung bei der
Abschlusserstellung. Teilweise werden vereinzelt noch genauere Unterscheidungen gemacht. Zu den
grundlegenden Anforderungen zählen die Relevanz (relevance) als erster Primärgrundsatz und die
glaubwürdige Darstellung (faithful representation) als zweiter Primärgrundsatz.
45
Zu den verstärkten
Anforderungen an einen Jahresabschluss zählen die Sekundärgrundsätze der Vollständigkeit
(completeness), Vergleichbarkeit (comparability), Nachprüfbarkeit (verifiability) und der Aktualität
(timeliness).
46
36
Blasius (2006), S. 233.
37
Buschhüter / Striegel (2011), S. 66.
38
IFRS IAS 1.27 (2016), S. 44.
39
Kaiser (2013), S. 167.
40
Wagenhofer (2009), S. 127.
41
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 103.
42
Schrimpf-Dörges (2007), S. 194.
43
IFRS IAS 1.27 (2016), S. 44; Hoffmann / Lüdenbach (2013), S. 28; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 91 ff..
44
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 92.
45
Heno (2016), S. 95.
46
Grünberger (2016), S. 31.

13
Die Relevanz als erster Primärgrundsatz steht in einem engen Zusammenhang mit der Zielsetzung der
IFRS-Rechnungslegung.
47
Sie hat den Zweck, Informationen zu berücksichtigen, die für wichtige
Entscheidungen eines Abschlussadressaten wesentlich und relevant sind. Eine Information ist gemäß
F. 26 dann wesentlich, wenn eine Verfälschung oder ein Weglassen die getroffene wirtschaftliche
Entscheidung des Bilanzlesers beeinflussen könnte.
48
Die Relevanz als qualitative Anforderung wird
somit als wesentliche Eigenschaft einer Information angesehen, die die ökonomische Entscheidung des
Adressaten beeinflussen kann. In einer solchen Situation kommt es nicht auf die tatsächliche
Beeinflussung an, sondern darauf, dass die Möglichkeit der Beeinflussung überhaupt besteht.
49
Von
einer Beeinflussung ist dann auszugehen, wenn sie Beurteilungen der Adressaten aus der
Vergangenheit bestätigen oder korrigieren.
50
Neben dem übergeordneten Ziel der Vermittlung von relevanten Informationen gehört es zur Aufgabe
des Managements, überlegt zu entscheiden, welche Informationen die wirtschaftliche Lage des
Unternehmens adäquat widerspiegeln.
51
Diese konsequente Anwendung der qualitativen Anforderung
hat zur Folge, dass für Entscheidungen nicht relevante Daten weggelassen werden können. Demnach
ist die Wesentlichkeit einer bestimmten Information abhängig von ihrer Art und ihrer Auswirkung auf
zentrale Größen wie dem Eigenkapital und dem Gewinn- oder Verlust.
52
Dabei bleibt strittig, wie dies
in der Praxis umzusetzen ist, da das IASB keinerlei quantitativen Wesentlichkeitsschwellen definiert.
53
Durch dieses Vorgehen werden dabei nicht unerhebliche Spielräume in Bezug auf die
Rückstellungsbilanzierung und die Möglichkeit zur Ergebnisglättung eröffnet. Beurteilt man die
sonstigen Rückstellungen des Bayer Konzerns aus dem Geschäftsjahr 2015 im Verhältnis zur
Bilanzsumme, so wird deutlich, dass die Rückstellungen einen durchaus großen Bilanzposten
einnehmen und alles andere als unwesentlich erscheinen. Bayers Bilanzanteil von fast 10 % an
sonstigen Rückstellungen beläuft sich dabei auf knapp 7.000 Mio. Euro bei einer Bilanzsumme von ca.
74.000 Mio. Euro.
54
Die empirische Untersuchung in Kapitel 4 wird dieses Verhalten später im Detail
noch beschreiben.
47
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 92.
48
IFRS Framework 26 (2016), S. 12.
49
Buschhüter / Striegel (2011), S. 64.
50
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 92.
51
Aschfalk-Evertz (2011), S. 33.
52
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 92 f..
53
Aschfalk-Evertz (2011), S. 33 f..
54
Geschäftsbericht Bayer AG (2015), S. 232.

14
Als zweiter fundamentaler Primärgrundsatz der Rechnungslegung im Rahmenkonzept des IASB gilt
die glaubwürdige Darstellung nach den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen.
55
Danach
müssen sämtliche Geschäftsvorfälle und Informationen einen Sachverhalt vollständig, neutral und
fehlerfrei, aber nicht perfekt abbilden, damit sie nützlich sind.
56
Dies wird dann als gegeben
angesehen, wenn Geschäftsvorfälle und sonstige Sachverhalte glaubwürdig in den dargestellten
Informationen wiedergegeben werden und möglichst frei von subjektiv verzerrten Einflüssen sind.
57
Eine klare Definition von Glaubwürdigkeit existiert dabei im Rahmenkonzept nicht, da dieser
Grundsatz lediglich umschrieben wird.
58
Schulden und Vermögenswerte eines Unternehmens lassen
sich jedoch nach dem Grundsatz auf vorhandene und existierende Geschäftsvorfälle zurückführen.
Folglich sind ,,Luftbuchungen unzulässig und ausgeschlossen."
59
Der Grundsatz wird weiter durch die
Unterprinzipien der Vollständigkeit, Neutralität und Fehlerfreiheit konkretisiert.
60
Gemäß F. 33-34 liegt eine vollständige Darstellung dann vor, wenn jegliche notwendige
Informationen zum Verständnis des Sachverhalts lückenlos vorliegen. Das Kriterium der Neutralität
meint, dass die Rechnungslegungsinformationen im Zusammenhang mit einem konkreten Ergebnis
nicht verschönert und damit nicht angepasst oder verfälscht werden dürfen.
61
Durch ein solches
Fehlverhalten der Geschäftsführung wäre die Objektivität der Abschlussinformationen nicht gewahrt
und zuvor festgelegte Unternehmensziele könnten bilanzpolitisch zur Anwendung kommen.
Abschlussinformationen müssen demnach neutral, d.h. frei von subjektiven Urteilen sein, um dem
Kriterium der Neutralität gerecht zu werden.
Dass jedoch Verschönerungen der Bilanzpolitik beim Bayer Konzern existieren, wird später der
empirische Teil der Arbeit noch zeigen.
Bei dem Kriterium der Fehlerfreiheit geht es um das konkrete Herleiten von Informationen, welche
sich auf das Endergebnis eines Sachverhalts im IFRS-Abschluss beziehen.
62
Ein fehlerfreier
Jahresabschluss kann demnach nur unter richtiger Anwendung der Rechnungslegungsprozesse erstellt
werden.
63
So müssen beispielsweise Schätzungen - welche vom IASB legitim sind - fehlerfrei und klar
umschrieben sein.
64
Dabei geht es nicht um die perfekte Fehlerfreiheit und die richtige Bewertung der
Schätzung, nein, es geht dabei um den verständlichen Nachweis des Zustandekommens.
65
Insbesondere unterliegt die Bilanzposition ,,Rückstellungen" Schätzungen, sowohl beim Ansatz als
auch bei der Bewertung, welche bilanzpolitische Ermessensspielräume der Geschäftsführung eröffnen
können.
An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass das Verhältnis der Primärgrundsätze zueinander im
Jahresabschluss sowohl relevant, als auch glaubwürdig dargestellt werden sollte und beide Grundsätze
gleichrangig zueinander sind.
Dass dabei Zweifel aufkommen können, ob dem wirklich so ist, wird sich an späterer Stelle im
empirischen Teil der Arbeit im 4 Kapitel am Beispiel des Bayer Konzerns noch zeigen.
55
Buschhüter / Striegel (2011), S. 64.
56
Grünberger (2016), S. 31.
57
Aschfalk-Evertz (2011), S. 34.
58
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 93.
59
IFRS Framework 33-34 (2016), S. 14.
60
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 53.
61
Buschhüter / Striegel (2011), S. 64.
62
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 93.
63
Baetge / Kirsch / Thiele (2014), S. 154.
64
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 93.
65
Buschhüter / Striegel (2011), S. 65.

15
Nach dem Rahmenkonzept ergibt sich eine Art Prüfungsreihenfolge der Primärgrundsätze die zeigt,
dass der Grundsatz der Relevanz Vorrang vor dem Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung hat. Zur
Verdeutlichung soll die grafisch erstellte Abbildung 4 der Verfasserin dienen:
Abbildung 4: Prüfungsreihenfolge der Primärgrundsätze
66
In Anlehnung an die Abbildung wird zunächst vom Management festgelegt, welche Informationen für
den vorliegenden Sachverhalt die relevantesten sind. Steht die Entscheidung fest und sind die
Informationen verfügbar und glaubwürdig, werden diese berücksichtigt und verwendet. Diese
Vorgehensweise wird anschließend beliebig oft wiederholt, bis genügend entscheidungsnützliche
Informationen für den Bilanzadressaten zur Verfügung stehen.
67
66
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 94.
67
Buschhüter / Striegel (2011), S. 65.
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1HLQ
1HLQ
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-D
-D

16
2.5.3.
Weitere Nebenbedingungen und Beschränkungen
Wie anfangs im Kapitel erwähnt, spielen neben den Primärgrundsätzen auch die Sekundärgrundsätze
eine wichtige Rolle. Den Sekundärgrundsätzen lassen sich vier weitere Anforderungen zuordnen, die
für die Abschlusserstellung unentbehrlich sind. Dazu zählen die Vergleichbarkeit, die
Nachprüfbarkeit, die Zeitnähe und die Verständlichkeit.
68
Geht man von der zentralen Zielsetzung der Rechnungslegung aus, dass dem Bilanzleser
entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen, soll er die Möglichkeit
haben, einerseits Abschlussdaten eines Unternehmens über mehrere Geschäftsjahre hinweg zu
vergleichen (zeitliche Vergleichbarkeit) und andererseits zwischen verschiedenen Unternehmen
(zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit) vergleichen zu können.
69
Um dabei eine aussagekräftige
Vergleichbarkeit (comparability) eines Unternehmens zu erhalten und die Entscheidungsqualität zu
beeinflussen, müssen Bilanzierung und Ausweis der verschiedenen Sachverhalte im Unternehmen
wiederkehrend und regelmäßig erstellt werden.
70
Durch diesen Grundsatz können die
Abschlussadressaten aussagekräftigere Rückschlüsse aus der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des
Unternehmens ziehen. Dabei spielt das Prinzip der Stetigkeit eine bedeutende Rolle, d.h. dass die
angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden im Zeitverlauf beizubehalten sind und gleiche
Sachverhalte weiterhin einheitlich zu bilanzieren sind.
71
Bei diesem Vorgehen bleibt die Einführung
neuer und geeigneter Rechnungslegungsregeln ausgenommen.
72
Die Geschäftsberichte des Bayer Konzerns lassen sich über mehrere Geschäftsjahre problemlos
zusammenhängend miteinander vergleichen. Die Bilanzleser können dadurch die wirtschaftliche Lage
des Unternehmens gut beurteilen und werden in ihren zukünftigen Finanzentscheidungen bestärkt.
Der Sekundärgrundsatz der Nachprüfbarkeit (verifiability) liegt vor, wenn mehrere fachkundige und
unabhängige Beobachter die gleiche Meinung vertreten, dass die vorliegenden Informationen keine
erheblichen Fehler enthalten (direkte Nachprüfbarkeit) oder die vorhandenen Informationen durch eine
fehlerfreie Anwendung der Methoden entstanden sind (indirekte Nachprüfbarkeit).
73
Ein weiterer Sekundärgrundsatz gemäß F. 43 ist die Zeitnähe (timeliness).
74
Dabei ist es wichtig, eine
zeitnahe Berichterstattung anzustreben, da mit steigender Zeitspanne zwischen Bilanzstichtag und
Abschlussveröffentlichung der Wert der ausgewählten Informationen für den Adressaten regelmäßig
abnimmt.
75
Bei bestimmten entscheidungsrelevanten Informationen trifft diese Annahme jedoch nicht
zu. Gemeint sind hier ältere Informationen über eine gewisse Zeitspanne hinaus, welche beispielsweise
Entwicklungen und Trends einer ausgewählten Branche prognostizieren.
76
Die Geschäftsführung muss
bei diesem Zielkonflikt dennoch einen Weg finden, die Verhältnisse des Unternehmens tatsächlich und
wirtschaftlich korrekt im Jahresabschluss abzubilden.
77
68
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 69.
69
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 54; Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 69.
70
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 69; Buschhüter / Striegel (2011), S. 65.
71
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 95; Heno (2016), S. 90.
72
Buschhüter / Striegel (2011), S. 65.
73
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 55 f.; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 95.
74
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 70.
75
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 56; Buschhüter / Striegel (2011), S. 65.
76
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 95; Baetge / Kirsch / Thiele (2014), S. 155.
77
Aschfalk-Evertz (2011), S. 35.

17
Der vierte und letzte Sekundärgrundsatz ist die Verständlichkeit (understandability). Dieser Grundsatz
verlangt, dass die Informationen eines IFRS-Abschlusses klare und prägnante Klassifizierungen,
Charakterisierungen und Darstellungen enthalten, damit sichergestellt werden kann, dass ein
fachkundiger und interessierter Leser diese leicht versteht (F. 25).
78
Handelt es sich um komplexe und
schwierige Sachverhalte, die aber für die Entscheidungsfindung des Adressaten wichtig sein könnten,
sind diese nicht unter Verweis auf mangelnde Verständlichkeit auszuschließen, weil sie evtl. für
bestimmte Abschlussadressaten nur sehr schwer verständlich sein könnten.
79
Der Sekundärgrundsatz
der Verständlichkeit spielt insbesondere bei den Anhangangaben im Jahresabschluss eine wichtige
Rolle.
80
Bei komplexen Sachverhalten ist darauf zu achten, dass die wesentlichen Informationen in
einer verständlichen Form dargestellt werden und der typische Bilanzleser, der über angemessene
Wirtschafts- und Rechnungslegungskenntnisse verfügt, die zur Verfügung gestellten Informationen mit
angemessener Sorgfalt prüfen kann.
81
Bei den untersuchten Geschäftsberichten der letzten drei Geschäftsperioden des Bayer Konzerns, wird
sich später in Kapitel 4 noch zeigen, dass diese nicht in jeder Hinsicht für die Bilanzleser verständlich
sind.
Die soeben beschriebenen Primär- und Sekundärgrundsätze werden gemäß F. 44 durch eine Kosten-
und Nutzenabwägung ergänzt. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten für die
Informationsbereitstellung beim Abschlussersteller nicht höher sein sollten, als der Informationsnutzen
beim Abschlussadressaten (Wirtschaftlichkeit).
82
Bei der damaligen Entwicklung des IFRS hat der
IASB den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit jedoch nicht unbedacht gelassen. Er sah vor, dass wenn es
zu einer ordnungsgemäßen Anwendung des IFRS kommt, die Kosten der Informationsgewinnung-
bzw. Vermittlung i.d.R. den Informationsnutzen für das Unternehmen nicht übersteigen.
83
78
IFRS Framework 25 (2016), S. 12; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 96.
79
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 70; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 96.
80
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 96.
81
IFRS Framework 25 (2016), S. 12; Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 56.
82
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 59; Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 70.
83
IFRS Framework 35 (2016), S. 14.

18
3.
Bilanzielle Behandlung von sonstigen Rückstellungen
3.1.
Allgemeines zur bilanziellen Behandlung von sonstigen Rückstellungen
Unternehmen werden heutzutage immer mehr und mehr diversen Risiken ausgesetzt. Um auf dem hart
umkämpften Wirtschaftsmarkt zu überleben und zu existieren sind sie deshalb gezwungen, sich diesen
Herausforderungen zu stellen. Dazu zählt beispielsweise der Umgang mit Risiken, welche es gilt zu
negieren, einzudämmen oder aber Vorsorgemaßnahmen für den Ernstfall zu treffen.
Im Zusammenhang mit Vorsorge haben Unternehmen die Möglichkeit, Versicherungsverträge für
Risiken abzuschließen und so finanziellen Aufwendungen entgegenzuwirken, was in der Praxis auch
gemacht wird. Ein vollständiger finanzieller Schutz besteht dabei jedoch nicht, da Versicherungen
oftmals nur einen Verpflichtungsteil übernehmen, aufgrund des vorhandenen Versicherungsumfangs.
84
Folglich sind Unternehmen dazu gezwungen, Rückstellungen zu bilden, was aufgrund bestehender
bilanzpolitischer Ermessensspielräume - siehe Kapitel 3.3., zu einer Reduzierung des
Gewinnausweises in der Bilanz führt.
Durch diese Art und Weise eröffnet sich für Unternehmen die Möglichkeit, ihren Gewinnausweis zu
verkürzen, was zur Folge hat, dass sich die Steuerbemessungsgrundlage am Jahresende verringert und
weniger Dividende an Aktionäre (Teil des Gewinns) ausgeschüttet werden muss.
Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die Steuerbemessungsgrundlage bei
Einzelabschlüssen, da dabei die steuerliche Gewinnermittlung aus einem Betriebsvermögensvergleich
gemäß § 4 Abs. I S. 1 EStG resultiert.
85
Die materiell entscheidende Größe zur Definition der
Besteuerungsgrundlage ist also das Betriebsvermögen, welches wiederrum gemäß § 5 Abs. I S. 1 EStG
nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist.
86
Hier gilt
das Maßgeblichkeitsprinzip, welches die steuerliche- mit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung
verknüpft.
87
An dieser Stelle bleibt festzustellen, dass sich aus kaum einer anderen Position der Bilanz so viele
Schwierigkeiten ergeben, wie es bei der Bilanzposition ,,Rückstellungen" der Fall ist. Unternehmen
haben durch die Strategie der Vorsorgemaßnahmen die Möglichkeit, Bilanzgestaltungen vorzunehmen
und so willkürlich auf ihren Gewinnausweis einzuwirken. Diese Vorgehensweise eröffnet für
Unternehmen einen gangbaren und attraktiven Weg der Bilanzmanipulation, welcher zu
Ergebnisglättungen führt und zu ,,Maßnahmen der Bilanzpolitik" einlädt - siehe Kapitel 5.
84
Kaiser (2013), S. 202; Buschhüter / Striegel (2011), S. 965 f..
85
Kirchhof (2015), S. 239 f..
86
Kirchhof (2015), S. 412 f.; Hoffmann / Lüdenbach (2011), S. 486.
87
Winnefeld (2015), S. 368 ff..

19
Gemäß IFRS fallen Bilanzpositionen, welche handelsrechtlich als Rückstellungen zu bezeichnen sind,
unter den im Framework vorgeschriebenen Schuldenbegriff. Die ausschlaggebenden Regelungen für
die Bilanzierung von Rückstellungen finden sich in IAS 37 ,,Rückstellungen, Eventualschulden und
Eventualforderungen" wieder.
88
Dabei werden Rückstellungen nach bilanztheoretischer Perspektive konzeptionell unterschiedlich
betrachtet und in statische- und dynamische Bilanztheorien eingeteilt - siehe Kapitel 3.3.2.1.
Nach der statischen Bilanztheorie sind Rückstellungen Schulden, denen das Unternehmen am
Bilanzstichtag ausgesetzt ist und welche jedoch bezüglich ihrer Existenz, ihrer Fälligkeit und / oder
ihrer Höhe (noch) ungewiss sind. Geht man in einem Unternehmen von einem vollständigen
Schuldenausweis aus, so fordert dieser, dass auch ,,ungewisse Schulden" am Bilanzstichtag zu erfassen
sind, wenn sie gegenüber einem Dritten bestehen und Außenverpflichtungen darstellen.
89
Bei der dynamischen Bilanztheorie steht die periodengerechte Erfolgsermittlung, d.h. die zutreffend
zeitliche Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen (Verursachungsprinzip) im Vordergrund.
Danach sollen Rückstellungen, im Sinne eines Abgrenzungspostens, alle Aufwendungen erfassen, die
wirtschaftlich einer bestimmten Periode zuzurechnen sind, aber bei denen es erst in der Zukunft zu
Auszahlungen kommt.
90
Gemäß der dynamischen Interpretation werden danach auch
Aufwandsrückstellungen eingeschlossen, d.h. Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber sich
selbst. Da eine Rückstellung nach IFRS-Rechnungslegung aber eigentlich nur bei einer bestehenden
Verpflichtung gegenüber einem Dritten gebildet werden darf, wird an dieser Stelle der dynamische
Rückstellungsbegriff weiter als der statische Begriff gefasst und somit entspricht dieser weitgehend
dem Verständnis der IFRS-Rechnungslegung.
88
IFRS IAS 37 ff.. (2016), S. 538; Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 648.
89
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
90
Ebenda.

20
3.2.
Definition von sonstigen Rückstellungen
Der Jahresabschluss sollte, wie bereits erwähnt, dem Bilanzleser einen angemessenen und
umfassenden Einblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens geben. Um der Bedingung der
informationsgerechten Jahresabschlusserstellung nachzukommen, ist die Erfassung von
Verpflichtungen im Unternehmen wesentlich und unentbehrlich. Das ist vor allem für die Bilanz
wichtig, da sich wesentliche Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im
Unternehmen ergeben können. In F. 49 werden dazu die Bestandteile der Bilanz (Vermögenswerte,
Schulden und Eigenkapital) definiert.
91
Die IFRS-Rechnungslegung zählt Rückstellungen ,,provisions" zu Schulden.
92
Das englische Wort für
den Begriff Rückstellungen stammt aus der Wortgruppe ,,to make provision" und bedeutet
umgangssprachlich übersetzt, ,,Vorkehrungen treffen." Um eine konkrete Definition von
Rückstellungen festzulegen, sollte zunächst der Begriff einer ,,Schuld" nach IFRS geklärt werden.
Das IFRS-Framework definiert gemäß F. 49 (b) den Begriff einer Schuld wie folgt:
,,Eine Schuld ist eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der
Vergangenheit entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss
von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist."
93
Nach IAS 37.10 wird der Begriff der Schuld verkürzt wiedergegeben und der Begriff Rückstellung wie
folgt definiert:
,,Eine Rückstellung ist eine Schuld, die bezüglich ihrer Fälligkeit oder ihrer Höhe ungewiss ist. Eine
Schuld ist eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit
entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von
Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist."
94
Folgerichtig haben Rückstellungen, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Schulden, die gleichen
Ansatzkriterien zu erfüllen. Sie stellen in Bezug auf ihre Fälligkeit und Höhe, ungewisse und
gegenwärtige Verpflichtungen dar, resultieren aus einem Ereignis der Vergangenheit und lassen einen
künftigen Abfluss wirtschaftlicher Ressourcen erwarten.
95
91
Lüdenbach / Christian (2015), S. 7; Aschfalk-Evertz (2011), S. 35.
92
IFRS IAS 37.10 (2016), S. 540.
93
IFRS Framework 49 (b) (2016), S. 18; Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 71.
94
IFRS IAS 37.10 (2016), S. 540.
95
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440.

21
In der Praxis lassen sich Rückstellungen in verschiedene Arten einteilen, z.B.:
96
· Rückstellungen für Pensionen,
· Rückstellungen für Personal,
· Rückstellungen für Steuern,
· Rückstellungen für Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen,
· Rückstellungen für Kunden- und Lieferantenverkehr,
· Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen,
· Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten,
· Rückstellungen für Restrukturierungen und weitere.
Für diese verschiedenen Rückstellungsarten sieht die Rechnungslegung eigene IFRS-Standards vor.
97
Liegen jedoch in diesem Zusammenhang keine speziellen Regelungen vor, gilt IAS 37 als lex
gerneralis.
98
Eine Ausnahme zu den oben beschriebenen Rückstellungsarten stellen
Restrukturierungsmaßnahmen in einem Unternehmen dar, da diese explizit vom Anwendungsbereich
des IAS 37 erfasst werden.
99
Einige Beispiele zur Veranschaulichung von Rückstellungen mit
spezifischen eigenen Standards sind:
100
· Fertigungsaufträge
(IAS
11)
· Ertragssteuern
(IAS
12)
· Leasingverhältnisse
(IAS 17 - ohne Operating-Leasingverhältnisse)
· Leistungen an Arbeitnehmer
(IAS 19)
· Unternehmenszusammenschlüsse
(IFRS 3)
· Versicherungsverträge
(IFRS
4)
In der vorliegenden Arbeit werden insbesondere die sonstigen Rückstellungsarten für Umweltschutz,
Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen sowie Rechtsstreitigkeiten genauer untersucht.
Der Grund für diese Entscheidung resultiert vor allem daraus, weil bilanzierende Unternehmen hierbei
die Möglichkeit haben, in erheblichem Maße bilanzielle Vorsorgen zu treffen und willkürlich
Bilanzpolitik in Form von Ergebnisglättungen durchzuführen.
Dabei können sich die sonstigen Rückstellungen in der Bilanz und wenig entscheidende Prozentzahlen
für- oder gegen einen Rückstellungsansatz stark auf die Bilanzsumme im Unternehmen auswirken,
aufgrund ihrer oftmals sehr hohen Rückstellungssummen in Mrd. Euro.
101
Der Bilanz von Bayer aus
dem Geschäftsjahr 2015 ist beispielsweise eine Rückstellungssumme ,,Anderer Rückstellungen" i.H.v.
6.785 Mio. Euro zu entnehmen, was einen Bilanzanteil von fast 10 % ausmacht.
102
Des Weiteren haben die sonstigen Rückstellungen Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung im
Unternehmen, da sie das Betriebsergebnis am Jahresende ca. mit 10 - 15 % beeinflussen können. Der
Gewinn- und Verlustrechnung von Bayer sind sonstige betriebliche Erträge in 2015 i.H.v. 1.110 Mio.
Euro zu entnehmen und sonstige betriebliche Aufwendungen i.H.v. 1.280 Mio. Euro, welche durchaus
Auswirkungen mit sich bringen.
103
96
Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 437 ff.; Heno (2016), S. 461.
97
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
98
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 648; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
99
IFRS IAS 37.9 (2016), S. 540; Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 71.
100
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 648 f.; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
101
Ulbig (2016), Vorlesungsskript Rückstellungen, S. 5.
102
Geschäftsbericht Bayer AG (2015), S. 232.
103
Geschäftsbericht Bayer AG (2015), S. 230.

22
Der einschlägige Rückstellungsstandard dieser Arbeit, der IAS 37, entspricht weitgehend dem üblichen
Aufbau der anderen internationalen Standards.
104
Zum besseren Verständnis soll die nachfolgende
Abbildung 5 dienen:
INHALT IAS 37
Anwendungsbereich IAS 37.00 - IAS 37.09
Katalog zentraler Begriffsdefinitionen und Konzepte IAS 37.10 - IAS 37.13
Bilanzansatzregeln IAS 37.14 - IAS 37.35
Bewertungsregeln IAS 37.36 - IAS 37.52
Behandlung von Erstattungen, Anpassungen und Verbrauch IAS 37.53 - IAS 37.62
Spezialprobleme und Grundregeln auf ausgewählte Sachverhalte IAS 37.63 - IAS 37.83
Abschließende Vorschriften zu Angabepflichten IAS 37.84 - IAS 37.92
Übergangsregeln IAS 37.93 - IAS 37.94
Erstmalige Anwendung IAS 37.95 - IAS 37.99
Abbildung 5: Inhalt des IAS 37
105
104
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 439.
105
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: IFRS IAS 37 (2016), S. 538; Pellens / Fülbier / Gassen /
Sellhorn (2014), S. 439 f..

23
Wie in Kapitel 3.1. erwähnt wurde, werden in der Bilanz eines IFRS-Abschlusses auch künftige
Risiken gezeigt, um eine angemessene bilanzielle Erfassung sicher zu stellen. Dazu schreibt die IAS 37
Vorschrift ein System mit abgestuften Passivierungs- und Berichterstattungspflichten vor, welches
abhängig von der Wahrscheinlichkeit zukünftiger finanzieller Belastungen ist. Muss das bilanzierende
Unternehmen zukünftig mit einem wahrscheinlichen Nutzenabfluss in kalkulierbarer Höhe rechnen, so
ist es dazu verpflichtet, eine Rückstellung zu bilden, d.h. zu passivieren.
106
Ist jedoch die
Eintrittswahrscheinlichkeit und / oder die abschätzbare Höhe der zukünftigen Belastung im
Unternehmen nicht ausreichend zu definieren, so kann / muss im Jahresbericht eine Eventualschuld
angegeben werden, die das Ereignis näher beschreibt.
107
Nach IFRS-Vorschriften wird Fremdkapital mit dem Begriff Schulden (liabilities) bezeichnet,
worunter auch Rückstellungen (provisions) fallen.
108
Gemäß IAS 37.10 sind unter Rückstellungen
solche Schulden zu verstehen, die in Bezug auf ihre Fälligkeit oder ihrer genauen Höhe ungewiss
sind.
109
Eine Rückstellung ist demnach eine ungewisse gegenwärtige Verpflichtung, resultierend aus
einem Ereignis der Vergangenheit, die zukünftig einen Abfluss wirtschaftlicher Ressourcen erwarten
lässt und einen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen verkörpert.
110
Eine Ausnahme in diesem Zusammenhang stellen Abgrenzungsposten dar. Dazu zählen beispielsweise
erhaltene Anzahlungen und quasi sichere künftige Verpflichtungen (accruals).
111
Diese stellen gemäß
IAS 37.11 in einem IFRS-Unternehmensabschluss eine sonstige Verbindlichkeit dar und keine
Rückstellung.
Die Abbildung 6 zeigt zusammenfassend die Unterscheidung unsicherer Schulden gemäß IAS 37:
Abbildung 6: Übersicht der unsicheren Schulden nach IAS 37
112
106
Aschfalk-Evertz (2010), S. 114.
107
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440; Heno (2016), S. 501.
108
Grünberger (2016), S. 187.
109
IFRS IAS 37.10 (2016), S. 540; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440.
110
Grünberger (2016), S. 187.
111
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440; Buschhüter / Striegel (2011), S. 958.
112
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Coenenberg / Haller / Schutze (2016), S. 453;
Aschfalk-Evertz (2010), S. 114.
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24
Die grafische Abbildung 6 zeigt, dass sich die unsicheren Schulden in drei Untergruppen einteilen
lassen. Dabei sind Rückstellungen von Eventualschulden und abgrenzbaren Schulden als Gruppe der
sonstigen Schulden zu unterscheiden.
Bei den abgegrenzten Schulden handelt es sich um Schulden aus erhaltenen Lieferungen oder
Leistungen, offenen Gütern oder erhaltenen Dienstleistungen in einem Unternehmen, über die noch
keine genaue Abrechnung oder Vereinbarung vorliegt. Hierbei kann es oft zu Schätzungen kommen,
hinsichtlich der Höhe und / oder Fälligkeit der Verpflichtung, jedoch ist der Grad der Unsicherheit
wesentlich geringer als bei einer Rückstellung.
113
Liegt in einem Unternehmen eine unsichere Schuld in Form einer Eventualschuld vor, erfüllt diese
nicht die in IAS 37 geforderten Definitions- und Ansatzkriterien einer Rückstellung und darf unter
keinen Umständen passiviert werden (IAS 37.27).
114
Eine Eventualverbindlichkeit wird in der Bilanz
nicht erfasst, über ihr künftiges Risiko muss jedoch gemäß IAS 37.86 im Anhang des IFRS-
Abschlusses berichtet werden.
115
Eine Eventualverbindlichkeit ist zwar eine Verpflichtung, kann aber
nicht als Rückstellung in der Bilanz angesetzt werden, weil:
116
· es entweder keine gegenwärtige Verpflichtung am Bilanzstichtag gibt,
· es sehr unwahrscheinlich ist, dass es bei Erfüllung der Verpflichtung zu einem
Ressourcenabfluss kommt, oder
· die Verpflichtungshöhe nicht verlässlich geschätzt werden kann.
Im Gegenteil zu Rückstellungen im Unternehmen, zeichnen sich Eventualschulden durch einen
wesentlich höheren Grad an Unsicherheit aus.
117
Das Gegenstück zu einer Eventualverbindlichkeit ist eine Eventualforderung. Dabei stellt eine
Eventualforderung einen Vermögenswert im Unternehmen dar, der aus einem Ereignis der
Vergangenheit resultiert und dessen Bestehen vom Eintritt oder Nichteintritt unsicherer in Zukunft
liegender Ereignisse abhängig ist. Auf diesen Vorgang hat das Unternehmen kaum Einfluss und darf
deshalb Eventualforderungen nicht bilanziell erfassen, sondern muss diese im Bilanzanhang
erläutern.
118
113
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 652; Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 453.
114
IFRS IAS 37.27 (2016), S. 546; Coenenberg / Haller / Schultze (2016), S. 453; Buschhüter / Striegel (2011), S. 962.
115
IFRS IAS 37.86 (2016), S. 556; Zimmermann / Werner / Hitz (2015), S. 262.
116
Petersen / Bansbach / Dornbach (2016), S. 305.
117
Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 650 f.; Aschfalk-Evertz (2011), S. 114.
118
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 443.

25
Wie sich aus der Schulddefinition des Rahmenkonzeptes ergibt, können Rückstellungen sowohl aus
rechtlichen Ansprüchen entstehen, als auch aus faktischen Verpflichtungen der Vergangenheit,
welchen sich das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, wie z.B.
Kulanzleistungen gegenüber Kunden (IAS 37.14).
119
Eine faktische Verpflichtung kann aus
Erwartungshaltungen aufgrund eines bisher üblichen Geschäftsgebarens entstehen oder aber auch aus
öffentlich angekündigten Maßnahmen (Tiefpreisgarantien).
120
Abbildung 7: Formen der Begründung einer Verpflichtung
121
In Kapitel 4 der Arbeit werden dazu die verschiedenen Rückstellungsarten des Bayer Konzerns
untersucht. Insbesondere wird dabei auf Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen,
Gewährleistungs- und Produkthaftungsverpflichtungen und auf Rückstellungen für
Rechtsstreitigkeiten näher eingegangen. Dabei ist beispielsweise zu sehen, dass Bayers Rückstellungen
für Umweltschutzmaßnahmen aus rechtlichen und faktischen Verpflichtungen resultieren, welche sich
aus Verträgen, verschiedenen Gesetzen oder gesellschaftlichen Annahmen ergeben.
119
IFRS IAS 37.14 (2016), S. 542; Grünberger (2016), S. 209.
120
Buschhüter / Striegel (2011), S. 959.
121
Eigene Darstellung der Verfasserin in Anlehnung an: Aschfalk-Evertz (2011), S. 113.
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26
3.3.
Ansatzkriterien von sonstigen Rückstellungen nach IAS 37
3.3.1.
Einführung
Im Gegenteil zum HGB, kennt die internationale Rechnungslegung nur Rückstellungen für
Verpflichtungen gegenüber Dritten (Außenverpflichtungen), welche an wesentlich strengere
Ansatzvoraussetzungen gemäß IAS 37 geknüpft sind. Konkret bedeutet das, dass ein absolutes
Ansatzverbot in der Bilanz für Aufwandsverpflichtungen besteht, welche aus einer Innenverpflichtung
resultieren.
122
Eine Ausnahme in diesem Zusammenhang, wie bereits kurz erwähnt, bilden die nach IAS 37
passivierungspflichtigen faktischen Verpflichtungen, beispielsweise Restrukturierungsrückstellungen,
welche eine Form von Aufwandsrückstellungen darstellen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen
erfüllen.
123
Im Klartext heißt das also, dass in einem IFRS-Abschluss ein ausschließliches Ansatzgebot oder
Ansatzverbot besteht. Bei der Nutzung von Ermessensspielräumen in Bezug auf
Ansatzvoraussetzungen können sich in diesem Zusammenhang jedoch einzelne faktische Wahlrechte
für Unternehmen heraus kristallisieren. Diese Möglichkeit ergibt sich dann, wenn
Rechnungslegungsgrundsätze keine Beachtung finden, weil sie bei ihrer Anwendung nur eine
unwesentliche Auswirkung im Unternehmensabschluss hätten. Aus diesem Grund wird der Grundsatz
der Vollständigkeit vom Grundsatz der Wesentlichkeit begrenzt.
124
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Fragen zum Thema Ansatz-, Bewertung-, Ausweis- und
Angabepflichten, welche im Rahmen der Bilanzierung von Rückstellungen zwingend zu beachten
sind.
3.3.2.
Ansatzkriterien
Eine Rückstellungsbilanzierung in einem Unternehmen erfolgt dann, wenn neben den beschriebenen
Definitionskriterien auch die vorgeschriebenen Ansatzvoraussetzungen nach IFRS erfüllt sind. Um
eine Rückstellung in einem Unternehmen zu passivieren, müssen die drei Schuldkriterien des
Frameworks nach IAS 37.14 vollständig erfüllt sein.
125
Das kumulative Vorliegen dieser
Grundvoraussetzungen löst dann die Pflicht aus, eine Rückstellung im Unternehmen zu bilden.
126
Zu den drei kumulativen Grundvoraussetzungen, die eine Ansatzpflicht einer Rückstellung begründen,
zählen:
127
· einem Unternehmen liegt eine gegenwärtige, rechtliche oder faktische Verpflichtung
gegenüber Dritten vor, die durch ein Ereignis aus der Vergangenheit begründet wurde,
· es ist wahrscheinlich, dass die Erfüllung der Verpflichtung zu einem Ressourcenabfluss mit
wirtschaftlichem Nutzen führt und
· eine zuverlässige Schätzung der Höhe der Verpflichtung ist möglich.
122
Wolz (2005), S. 193; Driesch / Riese / Schlüter / Senger (2016), S. 656.
123
Petersen / Bansbach / Dornbach (2016), S. 310; Aschfalk-Evertz (2011), S. 117 f..
124
Ruhnke / Simons (2012), S. 247.
125
IFRS IAS 37.14 (2016), S. 542; Baetge / Kirsch / Thiele (2014), S. 473; Kaiser (2013), S. 181.
126
Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440.
127
IFRS IAS 37.14 (2016), S. 542; Pellens / Fülbier / Gassen / Sellhorn (2014), S. 440 f..

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783961161300
ISBN (Paperback)
9783961166305
Dateigröße
18.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin – Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2017 (Mai)
Note
1,1
Schlagworte
Rückstellungen IFRS Bilanzpolitik Bayer AG Pharmaindustrie
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Titel: Bilanzielle Berücksichtigung von Risiken in der internationalen Rechnungslegung. Eine empirische Untersuchung am Beispiel eines ausgewählten DAX-30-Konzerns
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