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Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG

Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung

©2016 Bachelorarbeit 140 Seiten

Zusammenfassung

In den 1950er-Jahren begann Deutschland aufgrund eines Arbeitskräftemangels, der durch ein hohes Wirtschaftswachstum ausgelöst wurde, verstärkt Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Bis zum Anwerbestopp im Jahr 1973 kamen Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien sowie aus Jugoslawien als sogenannte Gastarbeiter in das Land, um den erhöhten Arbeitskräftebedarf auszugleichen. In diesem Jahr lebten ca. vier Millionen Menschen mit ausländischem Hintergrund in Deutschland. Anfang der 1990er-Jahre verstärkte sich die Immigration durch Kriege, durch Probleme in der Türkei sowie durch Ereignisse wie den „Fall des Eisernen Vorhangs“ oder der „ethnischen Säuberung“ im damaligen Jugoslawien. Dadurch lebten zu Beginn des Jahres 1996 ca. 7,5 Millionen Ausländer in Deutschland.
Bis zum Jahr 2008 schwächte sich die Zuwanderung stark ab, nahm seitdem jedoch jedes Jahr stärker zu. Dies ist dem Flüchtlingszustrom geschuldet, der aktuell ein stets präsentes Thema in allen Medien darstellt.
Die aktuellen Diskussionen thematisieren die Frage, wie der außerordentlich hohe Flüchtlingszustrom bewältigt werden kann. Hier ist die Politik genauso involviert wie die Wirtschaft und die deutschen Unternehmen: Erst im Jahr 2013 wurden bspw. neue Maßnahmen wie Richtlinien zu den Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern, über die Anerkennung von Asyl sowie zu den Asylverfahren und eine Verordnung über die Zuständigkeit für die Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern von europäischen Ländern eingeführt. Diese sollten das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) aus dem Jahr 1999 erweitern. Doch wie genau können die Unternehmen in Deutschland dazu beitragen, den starken Flüchtlingszustrom zu bewältigen? Schließlich war die Wirtschaft auch dazu in der Lage, die beschriebenen Zuwanderungen in der Vergangenheit zu meistern. Eine Antwort darauf könnte die berufliche Integration der Flüchtlinge sein, mit der sich die vorliegende Arbeit an einem konkreten Beispiel der Daimler AG beschäftigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


II
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Vorwort
Die vorliegende Bachelorarbeit ist im Rahmen des Abschlusses meines Ba-
chelorstudiums Business Administration an der Fachhochschule Erfurt ent-
standen.
Während meines sechsmonatigen Praktikums, das ich bei der Daimler AG
absolvierte, kam mir die Idee, eine Evaluation des dort angelaufenen Pro-
jekts ,,Brückenpraktikum für Flüchtlinge" durchzuführen. Diese Idee konnte
ich im Auftrag der Daimler AG in dieser Bachelorarbeit realisieren. Durch die
Arbeit sammelte ich viele wertvolle Erfahrungen und konnte äußerst herzli-
che und offene Menschen kennenlernen sowie mit ihnen zusammenarbeiten.
Die projektbezogene Arbeit sowohl mit den Flüchtlingen als auch mit allen
Beteiligten hat mir großen Spaß bereitet.
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mich in
den letzten Monaten unterstützt haben. Ich bedanke mich ganz herzlich bei
meinen Betreuern der Daimler AG, Fabian Lorenz und Harald Ulrich, die mir
immer sehr wertvoll zur Seite standen und wichtige Hinweise für den Erfolg
der Arbeit gaben. Mein Dank gilt außerdem allen Kollegen und Kolleginnen
bei der Daimler AG, die mir den Zugang zu benötigten Informationen erleich-
terten sowie mich beratend unterstützten. Es war schön zu sehen, dass allen
Projektbeteiligten das Brückenpraktikum sehr am Herzen lag und sie sich
gerne dafür einsetzten.
Zudem möchte ich mich bei Prof. Dr. Gerd Hofmeister und Dr. Eckard
Schwerd für die Betreuung und die konstruktive Kritik während der ganzen
Zeit bedanken, die mich in schwierigen Situationen weitergebracht hat.
Mein besonderer Dank gilt auch meinen Freunden und meiner Familie, die
mich immer motiviert haben. Zuletzt bedanke ich mich herzlich bei den zahl-
reichen ,,Korrekturlesern" meiner Arbeit, die mir wichtige Verbesserungsvor-
schläge gaben.
Lukas Keller
Stuttgart, am 25. Mai 2016.

III
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ... II
Abbildungsverzeichnis ... V
Tabellenverzeichnis ... VI
Abkürzungsverzeichnis ... VII
1.
Einleitung ... 1
2.
Flüchtlinge in der deutschen Gesellschaft ... 3
2.1
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Flüchtlinge ... 3
2.1.1
Personen mit Aufenthaltserlaubnis ... 4
2.1.2
Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung ... 5
2.2
Überblick über den aktuellen Flüchtlingsstrom ... 6
2.2.1
Hintergrund des aktuellen Flüchtlingsstroms ... 6
2.2.2
Zahlen und Daten zum aktuellen Flüchtlingsstrom ... 8
2.3
Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft ... 10
3.
Theorie zur beruflichen Integration von Flüchtlingen ... 11
3.1
Personalentwicklung ... 11
3.2
Diversity Management ... 12
3.3
Corporate Social Responsibility ... 13
4.
Beschreibung des Pilotprojekts Brückenpraktikum für Flüchtlinge
bei der Daimler AG ... 14
4.1
Überblick über das Projekt ... 14
4.2
Hintergrund des Projekts ... 15
4.3
Detaillierte Beschreibung des Projekts ... 17
4.3.1
Verantwortlichkeit ... 17
4.3.2
Vorbereitungen für das Praktikum ... 20
4.3.3
Aufbau ... 22
4.3.4
Ansprechpartner der Teilnehmer ... 25
4.3.5
Kommunikation ... 26
4.3.6
Veranstaltungen ... 27
4.3.7
Bezahlung ... 30

IV
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
5.
Evaluation des Pilotprojekts Brückenpraktikum für Flüchtlinge bei
der Daimler AG ... 32
5.1
Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen ... 32
5.1.1
Stichprobe und Ablauf der Evaluation ... 33
5.1.2
Vorgehen bei der quantitativen Datenerhebung ... 34
5.1.3
Vorgehen bei der qualitativen Datenerhebung ... 37
5.2
Ergebnisse ... 39
5.2.1
Organisatorisches ... 39
5.2.2
Arbeitseinsatz ... 44
5.2.3
Sprachkurs ... 46
5.2.4
Teilnehmer ... 48
5.2.5
Sprachtrainer ... 52
5.2.6
Fachbereiche ... 53
5.2.7
Paten ... 54
5.3
Auffälligkeiten bei der Auswertung des Datenmaterials ... 55
6.
Handlungsempfehlungen ... 57
7.
Ausblick und Fazit ... 61
Anhangsverzeichnis ... 63
Anhang ... 64
Quellenverzeichnis ... VIII

V
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Der Ablauf des deutschen Asylverfahrens ... 4
Abb. 2: Die zehn zugangsstärksten Herkunftsländer im Jahr 2015 ... 7
Abb. 3: Aufteilung des Projekts ... 20
Abb. 4: Zeitplan der Anfängergruppe in Mettingen ... 24
Abb. 5: Hauptsächlich verwendete Skala der Fragebögen ... 36
Abb. 6: Vorgehen bei der Auswertung des qualitativen Datenmaterials ... 39

VI
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Asylerstanträge im Jahr 2015 nach Geschlecht und Altersgruppen ... 9
Tab. 2: Kostenübersicht des Pilotprojekts ... 31

VII
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Abkürzungsverzeichnis
BAMF
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
CoC
Center of Competence
EASY-System
System zur Erstverteilung der Asylbegehrenden
HR
Human Resources
IAB
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
PT/A
Achsenproduktion im Werkteil Mettingen
SC/PT
Logistik im Werkteil Hedelfingen


1
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
1. Einleitung
In den 1950er-Jahren begann Deutschland aufgrund eines Arbeitskräfte-
mangels, der durch ein hohes Wirtschaftswachstum ausgelöst wurde, ver-
stärkt Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Bis zum Anwerbestopp im
Jahr 1973 kamen Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei,
Marokko, Portugal, Tunesien sowie aus Jugoslawien als sogenannte Gastar-
beiter in das Land, um den erhöhten Arbeitskräftebedarf auszugleichen. In
diesem Jahr lebten ca. vier Millionen Menschen mit ausländischem Hinter-
grund in Deutschland. Anfang der 1990er-Jahre verstärkte sich die Immigra-
tion durch Kriege, durch Probleme in der Türkei sowie durch Ereignisse wie
den ,,Fall des Eisernen Vorhangs" oder der ,,ethnischen Säuberung" im da-
maligen Jugoslawien. Dadurch lebten zu Beginn des Jahres 1996 ca. 7,5
Millionen Ausländer
1
in Deutschland.
2
Bis zum Jahr 2008 schwächte sich die Zuwanderung stark ab, nahm seitdem
jedoch jedes Jahr stärker zu.
3
Dies ist dem Flüchtlingszustrom geschuldet,
der aktuell ein stets präsentes Thema in allen Medien darstellt. ,,Artikel 1 der
Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als Person, die sich
außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder
in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer Rasse, Religi-
on, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Ver-
folgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann
oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann."
4
Die aktuellen Diskussionen thematisieren die Frage, wie der außerordentlich
hohe Flüchtlingszustrom bewältigt werden kann. Hier ist die Politik genauso
involviert wie die Wirtschaft und die deutschen Unternehmen: Erst im Jahr
2013 wurden bspw. neue Maßnahmen wie Richtlinien zu den Aufnahmebe-
dingungen von Asylbewerbern, über die Anerkennung von Asyl sowie zu den
Asylverfahren und eine Verordnung über die Zuständigkeit für die Aufnahme
1
Die maskuline Form soll in dieser Arbeit stets beide Geschlechter einbeziehen. Aus Gründen der
Lesbarkeit wird auf die Nennung beider Formen verzichtet.
2
Vgl. Seifert, W. (2012).
3
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016c).
4
UNHCR (2016).

2
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
und Registrierung von Asylbewerbern von europäischen Ländern eingeführt.
Diese sollten das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) aus dem
Jahr 1999 erweitern.
5
Doch wie genau können die Unternehmen in Deutsch-
land dazu beitragen, den starken Flüchtlingszustrom zu bewältigen? Schließ-
lich war die Wirtschaft auch dazu in der Lage, die beschriebenen Zuwande-
rungen in der Vergangenheit zu meistern. Eine Antwort darauf könnte die
berufliche Integration der Flüchtlinge sein, mit der sich die vorliegende Arbeit
an einem konkreten Beispiel der Daimler AG beschäftigt.
Zu Beginn gibt die Arbeit einen Überblick über die Flüchtlinge in der deut-
schen Gesellschaft (Kapitel 2) und beantwortet folgende Fragen: Welche
Möglichkeiten für Flüchtlinge gibt es, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu
erhalten? Wie viele Flüchtlinge kommen im Rahmen des aktuellen Zustroms
in Deutschland an, aus welchem Grund und wer genau sind sie? Welche
Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft sind damit verbunden?
Anschließend widmet sich die Thesis der Theorie zur beruflichen Integration
von Flüchtlingen und beschreibt, welche Themen für Unternehmen dabei zu
beachten sind sowie welche Vorteile damit zusammenhängen (Kapitel 3).
Im weiteren Verlauf beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit einem Praxis-
beispiel für die berufliche Integration von Flüchtlingen, nämlich dem Pilotpro-
jekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge bei der Daimler AG. Zunächst erfolgt
eine Beschreibung dieses Projekts, um Details über das Konzept und dessen
Umsetzung zu erfahren (Kapitel 4). Im Anschluss findet eine Evaluation des
Pilotprojekts statt, in der empirische Methoden angewandt werden, mit der
Absicht herauszufinden, ob es sich dabei um eine erfolgreiche Maßnahme
zur beruflichen Integration von Flüchtlingen handelt (Kapitel 5). Auf Basis der
Ergebnisse der Evaluation werden Handlungsempfehlungen dargestellt, die
der Verbesserung des Projekts dienen sollen (Kapitel 6).
Das letzte Kapitel der Arbeit gibt einen Ausblick, wie das Projekt fortgesetzt
wird und fasst in einem Fazit den Erfolg des Programms im Hinblick auf die
berufliche Integration von Flüchtlingen zusammen (Kapitel 7).
5
Vgl. Riedel, A. (2015).

3
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
2. Flüchtlinge in der deutschen Gesellschaft
Für die vorliegende Arbeit sind Kenntnisse der aktuellen Flüchtlingslage
sinnvoll. Daher wird in diesem Kapitel zuerst erklärt, wie Flüchtlinge über-
haupt Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten können. Außerdem wird
ein Überblick über Zahlen und Daten im Zusammenhang mit der Flüchtlings-
thematik gegeben sowie die Chancen und Risiken des Flüchtlingszustroms
für die deutsche Wirtschaft dargestellt.
2.1 Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Flüchtlinge
,,Welche Zugangsmöglichkeiten und -bedingungen zum Arbeitsmarkt für ge-
flüchtete Menschen bestehen, hängt maßgeblich von ihrem aktuellen Auf-
enthaltsstatus ab."
6
Der Aufenthaltsstatus eines Asylbewerbers wird während
des Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) identifiziert. Der Ablauf des deutschen Asylverfahrens wird in Abbil-
dung 1 dargestellt. Das Verfahren wird eingeleitet, indem der Geflüchtete
sein Asylgesuch bzw. -begehren erstmalig innerhalb des Bundesgebiets z.B.
bei den Grenzbehörden, Ausländerbehörden, Sicherheitsbehörden oder Auf-
nahmeeinrichtungen äußert. Durch das System zur Erstverteilung der Asyl-
begehrenden (EASY-System) wird diese Person anschließend einem Bun-
desland zugeteilt und der zuständigen Aufnahmeeinrichtung gemeldet. Diese
zahlenmäßige Verteilung der Asylbegehrenden auf die einzelnen Bundes-
länder wird anhand des Königsteiner Schlüssels vorgenommen, der jährlich
anhand des Steueraufkommens und der Bevölkerungszahl der jeweiligen
Länder neu berechnet wird.
7
Bei der zuständigen Außenstelle des Bundes-
amtes kann im nächsten Schritt persönlich ein Asylantrag gestellt werden.
Dieser wird im Rahmen des Dublin-Verfahrens geprüft, durch das die Zu-
ständigkeit der europäischen Staaten für die Prüfung des Antrags geregelt
wird, damit jeder Antrag nur durch einen Staat bearbeitet wird.
8
Ist Deutsch-
land für die Prüfung zuständig, wird der Asylantrag im nationalen Asylverfah-
ren geprüft, bevor schließlich der Asylantragsteller angehört wird. Am Ende
6
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016a).
7
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016e).
8
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016d).

4
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
dieses Prozesses kann dem Asylbewerber durch das BAMF ­ sofern der
Antrag nicht abgelehnt wurde ­ eine der folgenden Schutzarten zugeschrie-
ben werden: die Flüchtlingseigenschaft ggf. mit zusätzlicher Asylberechti-
gung, ein subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot.
9
2.1.1 Personen mit Aufenthaltserlaubnis
Abhängig von der zugesprochenen Schutzart erhält der Asylbewerber im
Sinne des Aufenthaltsrechts bzw. Bleiberechts eine Aufenthaltserlaubnis für
ein bis drei Jahre mit der Möglichkeit, diese zu verlängern oder in eine dau-
erhafte Aufenthaltserlaubnis zu wandeln. Mit einer solchen Aufenthaltser-
laubnis ist es den Asylbewerbern grundsätzlich möglich, uneingeschränkt
einer Beschäftigung in Deutschland nachzugehen und sogar eine selbst-
ständige Tätigkeit aufzunehmen. Lediglich wenn die Geflüchteten ein Ab-
9
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2015).
Sachentscheidungsmöglichkeiten
Anhörung des Asylantragstellers
Weitere Prüfung des Antrags im nationalen Asylverfahren bei Zuständigkeit
Deutschlands
Prüfung im Dublin-Verfahren
Persönliche Asylantragstellung bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamts
Meldung in der nach EASY zuständigen Aufnahmeeinrichtung
"Erstverteilung der Asylbegehrenden" (EASY) auf die Bundesländer
Erstmalige Äußerung des Asylgesuchs/-begehren innerhalb des Bundesgebiets
Abb. 1: Der Ablauf des deutschen Asylverfahrens
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2015).

5
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
schiebungsverbot erhalten, ist im jeweiligen Einzelfall durch die Ausländer-
behörde zu entscheiden, ob die Ausübung einer Beschäftigung genehmigt
wird.
10
Erhält ein Asylbewerber also den Schutzstatus der Flüchtlingseigen-
schaft ggf. mit einer zusätzlichen Asylberechtigung oder einen subsidiären
Schutz und damit verbunden eine Aufenthaltsgenehmigung, so ist dies die
einfachste Möglichkeit für ihn, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erhal-
ten.
2.1.2 Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung
Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, schon vor einem abgeschlossenen
Asylverfahren eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen zu dürfen.
Dann muss die Person eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung vorle-
gen können. Eine Aufenthaltsgestattung wird vom BAMF den Asylbewerbern
ausgestellt, die sich noch in einem laufenden Asylverfahren befinden. Damit
dürfen diese bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Deutschland leben
und unter bestimmten Bedingungen arbeiten. Eine Duldung bezeichnet da-
gegen eine Bescheinigung für die Aussetzung einer Abschiebung. D.h. Per-
sonen mit einer Duldung befinden sich nicht oder nicht mehr in einem Asyl-
verfahren oder erhielten einen negativen Bescheid ihres Asylantrags. Ihr
Aufenthalt in Deutschland wird jedoch wegen der Aussetzung ihrer Abschie-
bung noch geduldet. Beide Personengruppen haben nur bedingten Zugang
zum deutschen Arbeitsmarkt.
11
Genauso wie bei Asylbewerbern mit Abschiebungsverbot muss die zuständi-
ge Ausländerbehörde bei diesen Personen die Genehmigung zur Ausübung
einer Beschäftigung im Einzelfall prüfen. Zusätzlich kümmert sich die Aus-
länderbehörde um die Zustimmung der örtlichen Arbeitsagentur zur Beschäf-
tigung, da diese ebenfalls notwendig ist. Die Arbeitsagentur prüft im Rahmen
dieser sogenannten Vorrangprüfung, wie die Beschäftigung sich auf den Ar-
beitsmarkt auswirkt, ob Bevorrechtigte zur Verfügung stehen sowie die Ge-
staltung der konkreten Arbeitsbedingungen. Weiterhin ist zu beachten, dass
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, die in einer Aufnahmeeinrichtung
10
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016a).
11
Vgl. Ebenda.

6
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
wohnen müssen, grundsätzlich keine Beschäftigung aufnehmen dürfen.
Auch bei Personen, die eine Duldung besitzen, gibt es weitere Einschrän-
kungen. Wenn diese nämlich wegen Leistungen nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz eingereist sind, aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindern
oder aus einem sicheren Herkunftsland stammen und eine Ablehnung ihres
nach dem 31.08.2015 gestellten Asylantrags erhalten, dürfen sie ebenfalls
nicht beschäftigt werden.
12
Grundsätzlich besteht außerdem bei Asylbewerbern mit Aufenthaltsgestat-
tung sowie bei Ausländern mit einer Duldung ein Arbeitsverbot von drei Mo-
naten. Die oben genannte Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur entfällt
nach 15 Monaten. Nach vier Jahren haben diese beiden Personengruppen
uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
13
2.2 Überblick über den aktuellen Flüchtlingsstrom
,,Deutschland ist weltweit das Land mit den meisten Asylanträgen."
14
An die-
ser Stelle stellt sich die Frage, was die Ursachen dafür sind, dass so viele
Menschen Asyl in Deutschland beantragen. Darauf soll im Folgenden eine
Antwort gefunden sowie ein Überblick über Zahlen und Daten zum aktuellen
Flüchtlingsstrom dargestellt werden.
2.2.1 Hintergrund des aktuellen Flüchtlingsstroms
Die Gründe dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen und in einem ande-
ren Land Schutz suchen, sind mannigfaltig. So werden Menschen politisch
verfolgt, fliehen vor Krisen oder Konflikten oder hoffen auf ein besseres Le-
ben, da sie in ihrer Heimat arm oder arbeitslos sind und daher keine Per-
spektiven mehr sehen. Aber auch Bevölkerungswachstum, Umweltverände-
rungen oder der Klimawandel im Heimatland können Gründe für eine Migra-
12
Vgl. Ebenda.
13
Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2015).
14
Griesbeck, M. (2015), S. 30.

7
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
tion sein. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass Menschen ihren Familien-
angehörigen folgen, die zuvor selbst aus der Heimat geflohen sind.
15
Um herauszufinden, welche Gründe die Menschen des aktuellen Flüchtlings-
stroms zur Flucht bewegen, sollen die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge
betrachtet werden. Abbildung 2 zeigt die zehn zugangsstärksten Herkunfts-
länder im Jahr 2015.
Die Grafik berücksichtigt le-
diglich die Asylerstanträge
und schließt nicht die Asyl-
folgeanträge ein. Zu sehen
ist, dass die Asylbewerber im
Jahr 2015 zum Großteil aus
Syrien, Albanien und dem
Kosovo stammten. Aber auch
Afghanistan, der Irak, Serbi-
en, Eritrea, Mazedonien so-
wie Pakistan waren unter den
Top-Ten-Ländern vertreten.
Die meisten dieser Länder
sind Kriegs- und Krisenregio-
nen.
16
Die Hauptursachen für
den aktuellen Flüchtlingsstrom stellen somit politische Verfolgung bzw. Kri-
sen und Konflikte dar. Diese Konflikte wurden hauptsächlich durch den so-
genannten ,,Arabischen Frühling" zur Jahreswende 2010/2011 hervorgeru-
fen, während dem Demonstranten in vielen arabischen Ländern Forderungen
wie die Achtung der Menschenwürde, Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit an
die Regierung stellten sowie soziale und wirtschaftliche Perspektiven ver-
langten.
17
Unter den zehn zugangsstärksten Herkunftsländern gibt es jedoch
auch Länder wie bspw. Albanien, in denen kein Krieg, sondern große Armut
und Arbeitslosigkeit herrscht. Viele Menschen fliehen daher aus ihrer Heimat,
15
Vgl. Ebenda, S. 28 f.
16
Vgl. Pro Asyl (2016).
17
Vgl. Wieland, C. (2015).
Abb. 2: Die zehn zugangsstärksten Herkunftsländer im
Jahr 2015
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016c).

8
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
um dieser Wirtschaftslage zu entkommen.
18
Natürlich spielt auch der Nach-
zug der eigenen Familie eine wichtige Rolle bei den Ursachen für den aktuel-
len Flüchtlingsstrom. Viele der Asylbewerber in den letzten Jahren waren
Männer. Werden diese Menschen im Asylverfahren offiziell als asylberechtigt
und als Flüchtling eingestuft, ist es ihnen unter bestimmten Voraussetzungen
erlaubt, ihre Familie nachzuholen.
19
2.2.2 Zahlen und Daten zum aktuellen Flüchtlingsstrom
Im Jahr 2015 hat das EASY-System 1.092.000 Flüchtlinge erfasst, von de-
nen Schätzungen zufolge ca. 810.000 in Deutschland leben.
20
Es wurden im
selben Jahr insgesamt 476.649 Asylanträge vom BAMF entgegengenom-
men, wovon 441.899 Erstanträge und 34.750 Folgeanträge waren.
21
Hier ist
auffällig, dass die Zahl der erfassten Flüchtlinge um rund 615.000 Menschen
höher ist als die der Asylanträge. Das deutet darauf hin, dass diese Zahl an
Menschen noch keinen Asylantrag gestellt hat. Allerdings können bei dieser
Gruppe auch Menschen dabei sein, die mehrfach erfasst wurden, weiter-
oder zurückgereist sind, d.h. diese Zahl fällt tatsächlich niedriger aus.
22
Von den 441.899 Asylerstbewerbern wurden alleine über 40 Prozent durch
das Verteilungssystem EASY auf die Bundesländer Baden-Württemberg
(57.578), Bayern (67.639) und Nordrhein-Westfalen (66.758) verteilt, da die-
se die höchsten Quoten nach dem Königsteiner Schlüssel besaßen.
23
141.000 Flüchtlinge, von denen 110.000 im erwerbsfähigen Alter waren, er-
hielten im Jahr 2015 einen anerkannten Schutzstatus und hatten damit un-
eingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. 266.000 Asylverfah-
ren von Asylbewerbern im erwerbsfähigen Alter waren zum Jahresende 2015
noch nicht abgeschlossen.
24
18
Vgl. Bueß, K. (2014).
19
Vgl. Mitteldeutscher Rundfunk (2016).
20
Vgl. Brücker, H. (2016).
21
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016b).
22
Vgl. Mediendienst Integration (2016).
23
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016c).
24
Vgl. Brücker, H. (2016).

9
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Die Asylerstanträge können des Weiteren nach Geschlecht und Altersgrup-
pen eingeteilt werden (siehe Tabelle 1). So wurden im Jahr 2015 69,2 Pro-
zent der Anträge (305.584) von männlichen Personen gestellt. Asyl wird au-
ßerdem hauptsächlich von einer jüngeren Flüchtlingsgruppe beantragt. So
sind 24,8 Prozent (109.672 Personen) der Asylbewerber 18 bis 24 Jahre alt.
Die Gruppe der unter 30 Jährigen wird von 71 Prozent der Asylbewerber
dargestellt.
25
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betrachtete die Bil-
dung der im Jahr 2015 registrierten Asylbewerber und typisierte diese an-
hand ihres Bildungsstands. Nach dieser Untersuchung besuchten 31 Prozent
der mindestens 18-jährigen Flüchtlinge keine Schule oder nur die Grund-
schule (niedriges Bildungsniveau), 30 Prozent besuchten Mittel- oder Fach-
schulen (mittleres Bildungsniveau) und 36 Prozent gaben an, Fachhochschu-
len oder Universitäten besucht zu haben (hohes Bildungsniveau).
26
25
Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016c).
26
Vgl. Brücker, H. (2016).
Tab. 1: Asylerstanträge im Jahr 2015 nach Geschlecht und Altersgruppen
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016c).

10
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Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
2.3 Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft
Ein derart hoher Flüchtlingszustrom lässt sowohl Chancen als auch Risiken
für die deutsche Wirtschaft vermuten. Als Risiken werden hauptsächlich
Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung von Flüchtlingen im Niedriglohn-
Sektor genannt, da viele Asylbewerber ohne Deutschkenntnisse und berufli-
che Qualifizierung keine Chance auf gut bezahlte Tätigkeiten haben.
27
Auch
die Arbeitslosigkeit kann zugangsbedingt steigen.
28
Nach Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel gebe es mehr Chancen
als Risiken durch den Zuzug von Flüchtlingen.
29
Das IAB untersuchte bspw.
die Wirkungen der Flüchtlingszuwanderung auf das Erwerbspersonenpoten-
zial und fand heraus, dass dieses mittelfristig durch die Zuwanderung steigt
und vor allem in den jüngeren Altersgruppen positive Effekte bietet, da
dadurch die Alterung des Erwerbspersonenpotenzials geschwächt werden
kann.
30
In Deutschland herrscht aktuell außerdem ein Fachkräftemangel,
dem durch die berufliche Integration von Flüchtlingen möglicherweise entge-
gengewirkt werden kann.
31
Laut IAB löst die starke Flüchtlingszuwanderung
selbst einen Bedarf an Arbeitskräften aus, der sich vor allem in Bauberufen,
Lehrtätigkeiten, im Objekt-, Werte- und Personenschutz, in der öffentlichen
Verwaltung sowie im sozialen Bereich bemerkbar macht.
32
Durch diesen zu-
sätzlichen Arbeitskräftebedarf könnte die Arbeitslosigkeit in Deutschland wei-
ter verringert werden.
Durch die Beschreibung der Chancen ist erkennbar, dass die berufliche In-
tegration von Flüchtlingen in Deutschland eine große Rolle spielt, um die
deutsche Wirtschaft voranzutreiben.
27
Vgl. Haufe (2016).
28
Vgl. Weber, E. (2015).
29
Vgl. Tagesschau (2015).
30
Vgl. Fuchs, J, Weber, E. (2015).
31
Vgl. Heise online (2016).
32
Vgl. Weber, E. (2016).

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3. Theorie zur beruflichen Integration von Flüchtlingen
Berufliche Integration in Deutschland kann nur mithilfe geeigneter Maßnah-
men durch die Unternehmen zum Erfolg führen, für deren Umsetzung oft-
mals die Personalabteilungen zuständig sind. In diesem Kapitel wird ein kur-
zer theoretischer Überblick über die Themen gegeben, die für Personalabtei-
lungen bei der beruflichen Integration von Flüchtlingen relevant sind: Perso-
nalentwicklung, Diversity Management sowie Corporate Social Responsibilty.
3.1 Personalentwicklung
Ein wichtiges Feld des Personalmanagements ist die Personalentwicklung,
deren Definitionen sehr zahlreich sind. In dieser Arbeit soll unter Personal-
entwicklung folgendes verstanden werden:
Personalentwicklung sind ,,Maßnahmen zur Vermittlung von Qualifikationen, welche die
aktuellen und zukünftigen Leistungen von Führungskräften und Mitarbeitern steigern
(Bildung), sowie Maßnahmen, welche die berufliche Entwicklung von Führungskräften
und Mitarbeitern unterstützen (Förderung)."
33
Demnach lässt sich Personalentwicklung in die beiden Bereiche Bildung und
Förderung untergliedern. Für die berufliche Integration von Flüchtlingen ist
die Bildung relevant, die sich in Aus- und Weiterbildung aufteilt. Die Perso-
nalentwicklung dient nämlich der Erreichung der Organisationsziele.
34
Eines
dieser Ziele im Rahmen des allgemeinen Fachkräftemangels kann bspw. die
Sicherung von qualifizierten Fachkräften sein, die durch Aus- und Weiterbil-
dung erreicht werden kann. Vor allem die Berufsausbildung von Flüchtlingen,
die an einem beruflichen Einstieg und einem Existenzaufbau in Deutschland
interessiert sind, bietet den Unternehmen die Chance, dieses Ziel zu errei-
chen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Neben dieser soge-
nannten Into-the-job-Maßnahme, die der Einführung in den Arbeitsplatz dient
und zu der bspw. auch ein Praktikum zählt, gibt es On-the-job-Maßnahmen,
die für das Lernen am Arbeitsplatz und zur beruflichen Integration von
33
Stock-Homburg, R. (2013), S. 205.
34
Vgl. Krämer, M. (2012), S. 14 f.

12
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Flüchtlingen eingesetzt werden können.
35
Durch solche Maßnahmen, zu de-
nen z.B. die Einarbeitung oder die Begleitung durch einen Mentor gehören,
können vor allem Personen eingegliedert werden, die in ihrer Heimat schon
eine Berufsausbildung abschließen oder Berufserfahrungen sammeln konn-
ten.
3.2 Diversity Management
In der heutigen globalisierten Wirtschaft ist der Begriff des Diversity Mana-
gements für viele Unternehmen nicht fremd. Übersetzt man ,,Diversity" aus
dem Englischen wörtlich mit ,,Vielfalt" oder ,,Verschiedenheit", dann kann man
,,Diversity Management ... beschreiben als den bewussten Einsatz und die
Steuerung von personeller Vielfalt."
36
Diese Vielfalt kann sehr weit gefasst
werden und bezieht sich in der Unternehmenspraxis in der Regel auf die Di-
mensionen Alter, Geschlecht, kulturelle Herkunft, Religionszugehörigkeit,
Behinderung und sexuelle Orientierung.
37
Durch deren Management wird
versucht, die Individualität der Mitarbeiter zu fördern und diese als Vorteil für
das Unternehmen zu nutzen, um das Erreichen der unternehmerischen Ziele
zu verbessern.
38
Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom ist aktuell ins-
besondere die Dimension der kulturellen Herkunft zu betrachten, da die Ein-
gliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt die Integration von verschie-
denen Kulturen in die Belegschaft ermöglicht. Das Management der kulturel-
len Herkunft bietet die Chance, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Einstellun-
gen und Erfahrungen zu gewinnen und durch den weitgefassten Bewerber-
kreis für offene Stellen gegen den Fachkräftemangel vorzugehen.
39
Durch
die verschiedenen Einflüsse einer interkulturellen Belegschaft ist es außer-
dem möglich, neue Blickwinkel aller Mitarbeiter auf Probleme zu eröffnen
und diese effizienter und unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen-
gruppen zu lösen.
40
35
Vgl. Holtbrügge, D. (2015), S. 139 f.
36
Gutting, D. (2015), S. 3.
37
Vgl. Franken, S. (2015), S. 22 ff.
38
Vgl. Stangel-Meseke, M., Hahn, P., Steuer, L. (2015), S. 5 ff.
39
Vgl. Franken, S. (2015), S. 9.
40
Vgl. Stangel-Meseke, M., Hahn, P., Steuer, L. (2015), S. 8 ff.

13
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
3.3 Corporate Social Responsibility
Das Konzept der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmensfüh-
rung ­ in anderen Worten ,,Corporate Social Responsibility" ­ bringt das be-
triebliche Handeln in einen gesellschaftlichen Kontext. Es bezeichnet die
Prinzipien Rechenschaftspflicht, Transparenz, ethisches Verhalten, Geset-
zeskonformität, Berücksichtigung der Stakeholder-Interessen, Einhaltung
international anerkannter Richtlinien, Leitlinien, Normen und Selbstverpflich-
tungen sowie Achtung der Menschenrechte als Grundprinzipien für die
Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung.
41
,,Auch das Personalmanagement ist herausgefordert, sich mit der ethischen
Dimension auseinanderzusetzen, denn keine andere betriebliche Funktion
steht in engerem Zusammenhang mit dem Menschen!"
42
Der Aufruf, Flücht-
linge beruflich in Unternehmen zu integrieren, lässt sich deshalb durch das
Grundprinzip des ethischen Verhaltens von Corporate Social Responsibility
begründen. Dieses beinhaltet konkret die Prinzipien Integrität, Ehrlichkeit,
Fairness und Verantwortung und impliziert so einen verantwortungsbewuss-
ten Umgang mit gesellschaftlichen Gruppen, zu denen die Gruppe der
Flüchtlinge zu zählen ist.
43
Mögliche Maßnahmen, die Unternehmen bereits
zur Wahrnehmung dieser sozialen Verantwortung durchführen, sind bspw.
das Angebot von Sprachkursen für Flüchtlinge, Spenden an Hilfsorganisatio-
nen oder die Förderung des ehrenamtlichen Mitarbeiterengagements.
44
41
Vgl. Hardtke, A. (2010), S. 39.
42
Scholz, C. (2000), S.161.
43
Vgl. Hardtke, A. (2010), S. 42 f.
44
Vgl. UmweltDialog (2015).

14
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
4. Beschreibung des Pilotprojekts Brückenpraktikum für Flüchtlinge
bei der Daimler AG
Im Rahmen der aktuellen Flüchtlingssituation beteiligen sich viele Unterneh-
men aktiv an der Flüchtlingshilfe, um die oben genannten Chancen zu nut-
zen und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Das Enga-
gement der Unternehmen für die Integration der Migranten wird stetig größer
und es gibt bereits Betriebe, die mit gutem Beispiel vorangehen. Im vorlie-
genden Kapitel wird eines dieser Beispiele beschrieben, das sogenannte
,,Brückenpraktikum für Flüchtlinge bei der Daimler AG", das zunächst als Pi-
lotprojekt durchgeführt wurde. Bei der Daimler AG stellt die Flüchtlingshilfe
einen Kurs dar, den der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche maßgeblich
mitprägt. Er sieht in der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland eine gro-
ße Chance für die Wirtschaft: ,,.. im besten Fall kann es auch eine Grundlage
für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden ­ so wie die Millionen
von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Auf-
schwung der Bundesrepublik beigetragen haben."
45
Zu Beginn wird in Kapitel 4.1 ein kurzer Überblick über das Pilotprojekt ge-
geben, bevor in Kapitel 4.2 dessen Hintergrund vorgestellt wird. Eine detail-
lierte Beschreibung des Projekts findet anschließend in Kapitel 4.3 statt.
4.1 Überblick über das Projekt
Innerhalb des Pilotprojekts Brückenpraktikum für Flüchtlinge bot die Daimler
AG 40 Flüchtlingen die Chance, ein Praktikum im Unternehmen zu absolvie-
ren. Dieses Praktikum sollte die Brücke zum deutschen Arbeitsmarkt bilden,
weshalb das Projekt den Namen ,,Brückenpraktikum" trägt. Ziel dieses Pro-
gramms ist die Qualifizierung der Flüchtlinge für und Unterstützung bei der
Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.
46
Der erste Durchlauf des Programms, der Pilot, fand im Werk Untertürkheim
der Daimler AG statt. Dort startete am 09.11.2015 eine Gruppe bestehend
45
Frankfurter Allgemeine (2015).
46
Vgl. Daimler Communications (2015a).

15
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
aus 40 Flüchtlingen in das Brückenpraktikum. Die Teilnehmer kamen aus
Afghanistan, Eritrea, Gambia, Nigeria, Pakistan und Syrien. Die Auswahl der
Praktikanten wurde von der Bundesagentur für Arbeit und den zuständigen
lokalen Jobcentern Stuttgart und Esslingen übernommen. Ein wichtiges Kri-
terium dabei war, dass die Flüchtlinge bereits über eine Aufenthaltsgenehmi-
gung verfügten oder zumindest eine hohe Bleibechance in Deutschland vor-
zuweisen hatten. Über eine Praktikumsdauer von 14 Wochen wurden die
Teilnehmer in der Achsenproduktion im Werkteil Mettingen (PT/A) und der
Logistik im Werkteil Hedelfingen (SC/PT) eingesetzt, um Erfahrungen für ei-
ne Tätigkeit in der Industrieproduktion zu sammeln. Dieser Produktionsein-
satz nahm dreieinhalb Stunden der täglichen Arbeitszeit von sieben Stunden
in Anspruch. Die übrigen dreieinhalb Stunden waren für einen Sprachkurs
vorgesehen, um den Flüchtlingen die für die Arbeit und auch für das gesell-
schaftliche Leben erforderlichen Deutschkenntnisse zu vermitteln.
47
Im Laufe des Jahres 2016 wird das Programm auch in anderen Werken in
Deutschland eingeführt und dadurch insgesamt mehrere hundert Flüchtlinge
für den deutschen Arbeitsmarkt qualifiziert.
48
Voraussetzung dafür war je-
doch der erfolgreiche Verlauf des Piloten in Untertürkheim.
4.2 Hintergrund des Projekts
Doch was genau brachte einen Manager wie Dieter Zetsche dazu, sich mit
seinem Unternehmen aktiv in die Flüchtlingshilfe einzubringen und Flüchtlin-
ge für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren?
Der Auslöser von Projekten wie diesem ist die momentane Flüchtlingsprob-
lematik, die in ganz Europa ein hohes politisches und gesellschaftliches Inte-
resse nach sich zieht. Da die meisten Flüchtlinge keinen in Deutschland an-
erkannten Schulabschluss oder eine anerkannte Berufsausbildung besitzen,
gestaltet sich der Einstieg in das Berufsleben für diese Personen sehr
schwierig.
49
Unternehmen wie die Daimler AG versuchen daher, den Ar-
beitswilligen bei ihrem beruflichen Einstieg eine Unterstützung zu bieten.
47
Vgl. Daimler AG (2015b).
48
Vgl. Daimler Communications (2015b).
49
Vgl. Finanznachrichten (2015).

16
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Wilfried Porth, Vorstand für Personal und Arbeitsdirektor, IT & Mercedes-
Benz Vans der Daimler AG, ist der Meinung, dass ,,Zuwanderung ... für
Deutschland [eine Chance ist]. Als Unternehmen [nehme die Daimler AG
ihre] gesellschaftliche und soziale Verantwortung auch bei diesem Thema
sehr ernst und [helfe] bei der beruflichen und sozialen Integration. Mit dem
Brückenpraktikum [werde] Flüchtlingen unbürokratisch [ein] Weg in den Ar-
beitsmarkt geebnet."
50
Nach dem Praktikum unterstützt der Konzern zudem
die Flüchtlinge bei der Jobsuche, indem er die Teilnehmer an andere Unter-
nehmen, an Zeitarbeitsfirmen oder in eine Berufsausbildung vermitteln möch-
te.
51
Das Brückenpraktikum stellt somit einen Baustein der Flüchtlingshilfe der
Daimler AG dar. Neben dieser beruflichen Integration gibt es im Unterneh-
men Maßnahmen zur sozialen Integration, um den Flüchtlingen bei der Ein-
gliederung in die Gesellschaft zu helfen. Das Unternehmen beschäftigt sich
bspw. mit dem Aufbau eines Angebots zur Sprachenqualifizierung von
Flüchtlingen an Daimler-Standorten, stellt Fahrzeuge der eigenen Marke
Mercedes-Benz für gemeinnützige Organisationen zur Verfügung und orga-
nisierte eine Mitarbeiter-Spendenaktion. Im Rahmen dieser Aktion wurde den
Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, für die Flüchtlingsnothilfe des Deut-
schen Roten Kreuzes zu spenden, wodurch insgesamt ein Betrag von
300.666 Euro gesammelt werden konnte. Der Konzern verdoppelte die
Spenden schließlich, sodass dem Deutschen Roten Kreuz eine Summe von
601.332 Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung stand.
52
Projekte wie diese sind auch für den Betriebsrat der Daimler AG von großer
Wichtigkeit. So sagte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Daimler
AG, Michael Brecht, dass ,,das große Engagement [der] Beschäftigten und
des Unternehmens dafür, dass die Flüchtlinge bei [der Daimler AG] eine faire
Chance bekommen, .. ein starkes Zeichen der Solidarität [sei]."
53
50
Daimler Communications (2015b).
51
Vgl. Guhlich, A. (2015b).
52
Vgl. Anhang 1: Daimler AG, Hilfen für Flüchtlinge: Überblick und Zusatzinformationen, S. 64 ff.
53
Daimler AG (2015a).

17
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
4.3 Detaillierte Beschreibung des Projekts
,,Wer die Vergangenheit kennt, darf Flüchtlinge nicht abweisen. Wer die Ge-
genwart sieht, kann sie nicht abweisen. Wer an die Zukunft denkt, wird sie
nicht abweisen."
54
Diese Worte nutzte der Konzernchef der Daimler AG Diet-
er Zetsche am Vorabend der Internationalen Automobil-Ausstellung 2015,
um auf die Notwendigkeit der deutschen Flüchtlingshilfe hinzuweisen. Vom
Vorstandsvorsitzenden stammt außerdem der Impuls, die Flüchtlinge bei der
beruflichen Integration zu unterstützen. Wilfried Porth erhielt in seiner Funkti-
on als Vorstand für Personal und Arbeitsdirektor den Auftrag, Maßnahmen
im Rahmen beruflicher Integration umzusetzen, wodurch das Konzept des
Brückenpraktikums entstand. Im vorliegenden Kapitel werden die Details
dieses Projekts näher beschrieben.
4.3.1 Verantwortlichkeit
Als Vorstand für Personal und Arbeitsdirektor beauftragte Wilfried Porth den
ihm unterstehenden zentralen Bereich für Personal- und Arbeitspolitik mit der
Umsetzung des Projekts Brückenpraktikum. Bei einem derart großen und für
das Unternehmen bedeutungsvollen Projekt wie diesem war jedoch die Ex-
pertise aller drei Funktionen des Human Resources-Bereichs
55
gefragt: der
HR Business Partner, das Center of Competence (bzw. Center of Expertise)
und das Shared Service Center. Der HR Business Partner hat dabei die Auf-
gabe, die Führungskräfte zu beraten und zu unterstützen, wohingegen das
Center of Competence für die (Weiter-) Entwicklung und Steuerung moder-
ner Personalprozesse und -instrumente zuständig ist. Das Shared Service
Center soll HR-Prozesse effizient abwickeln und Standard-Mitarbeiterfragen
bearbeiten. Dabei müssen die drei Funktionen Hand in Hand arbeiten, um
reibungslose Abläufe garantieren zu können.
56
Der Bereich für Personal- und Arbeitspolitik (Center of Competence (CoC))
war maßgeblich für die Planung des Brückenpraktikums zuständig. Der erste
54
Karpstein, M. (2015).
55
Human Resources wird im Folgenden mit HR abgekürzt.
56
Vgl. Ulrich, D. (1997), S. 37 ff.

18
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Durchlauf des Programms sollte im Werk Untertürkheim stattfinden, wodurch
der Personalbereich Untertürkheim als Business Partner die operative Um-
setzung des Projekts übernahm. In Abstimmung mit dem CoC war das Per-
sonalmanagement somit für die Organisation vor Ort und die konkrete Durch-
führung zuständig. Dabei wurde es von HR Services der Daimler AG als
Shared Service Center bei operativen Aufgaben, wie bspw. der Vertrags-
und Zertifikaterstellung, unterstützt. Um eine erfolgreiche Umsetzung wäh-
rend der gesamten Projektlaufzeit gewährleisten zu können, gab es zudem
eine intensive Projektbegleitung, die auf der operativen Ebene vom Perso-
nalmanagement als Business Partner und auf strategischer Ebene vom Be-
reich für Personal- und Arbeitspolitik als CoC übernommen wurde.
Die Planung des Brückenpraktikums umfasste unter anderem schon die
Festlegung der Anzahl der Flüchtlinge, die bei der Daimler AG ein Praktikum
absolvieren konnten. Weitere Themen waren bspw. die Planung eines
Schichtmodells, das sich zu einer möglichst einfachen Umsetzung eignete,
die Planung des genauen Ablaufs des Praktikums und die Planung der In-
tegration eines Sprachkurses.
Aus der Planung lassen sich die Themen ableiten, die im Rahmen der Orga-
nisation des Pilotprojekts anfielen. Die beiden Begriffe ,,Organisation" und
,,Durchführung" werden zwar häufig synonym verwendet,
57
der hier intendier-
te Unterschied soll allerdings klar werden, wenn man die dahinterstehenden
Aufgaben betrachtet. Nachdem z.B. die Anzahl der Praktikanten festgelegt
war, konnte eine Auswahl der Teilnehmer stattfinden.
58
War die Planung ei-
nes geeigneten Schichtmodells und des genauen Ablaufs des Praktikums
abgeschlossen, konnten die entsprechenden Verträge erstellt sowie die ge-
nauen Einsatzorte und benötigte Räumlichkeiten festgelegt werden. Im An-
schluss an die Planung des praktikumsbegleitenden Sprachkurses konnte
ein Sprachinstitut ausgewählt und die Vorgehensweise der Sprachlehrer ab-
gestimmt werden. An diesen Beispielen ist zu erkennen, dass der Begriff
,,Organisation" hier alle Themen umfasst, die vor dem Start des Praktikums
zu erledigen waren. Bei diesen Aufgabengebieten wurde der Personalbe-
57
Vgl. Duden (2016a) und Duden (2016b).
58
Zur Auswahl der Teilnehmer vgl. auch Kap. 4.3.2, S. 20 ff.

19
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
reich Untertürkheim maßgeblich von Experten unterstützt. So wurde die
Auswahl der Teilnehmer von der Bundesagentur für Arbeit und den lokalen
Jobcentern übernommen. Die Verträge der Praktikanten wurden von HR
Services der Daimler AG erstellt. Um die organisatorische Umsetzung und
Gestaltung des Produktionseinsatzes der Praktikanten kümmerten sich die
jeweiligen Fachbereiche, in denen die Teilnehmer eingesetzt wurden.
Im Gegensatz zu ,,Organisation" werden unter dem Begriff ,,Durchführung"
nun alle Angelegenheiten verstanden, die ­ angefangen mit dem ersten Tag
des Praktikums ­ im Laufe des Programms zu erledigen waren. Darunter
zählen somit z.B. die Durchführung der Einführungs-, der Zwischen- und der
Abschlussveranstaltung
59
sowie die Durchführung des Sprachkurses. Auch
hierbei erhielt der Personalbereich Unterstützung. So wurde der Sprachkurs
von einem externen Sprachinstitut durchgeführt und der Produktionseinsatz
der Praktikanten von den jeweiligen Fachbereichen koordiniert.
Im Zuge der Projektbegleitung wurden vom Personalbereich Feedbackrun-
den mit den Fachbereichsvertretern und Mitgliedern des Betriebsrates abge-
halten sowie regelmäßige Gespräche mit den Kontaktpersonen der Flücht-
linge
60
geführt. Mitarbeiter des Personalbereichs besuchten die Praktikanten
außerdem während ihres Produktionseinsatzes, um einen genaueren Ein-
blick in ihren Arbeitsalltag und die Umsetzung des Praktikums von Seiten der
Fachbereiche zu erhalten. Weiterhin nutzte der HR-Bereich die Sprachkurse,
um in persönlichen Kontakt zu den Teilnehmern zu treten bzw. diesen zu
halten. Auf der strategischen Ebene fand ebenfalls eine Begleitung des Pro-
gramms durch das CoC statt, indem alle Beteiligten in regelmäßigen Mee-
tings zur Abstimmung und Besprechung des Projekts zusammenkamen. Für
den Erfolg des Projekts war außerdem ein intensiver Austausch des HR-
Bereichs mit Vertretern der Agentur für Arbeit und den Jobcentern während
der gesamten Projektlaufzeit maßgeblich verantwortlich. In deren regelmäßi-
gen Besprechungen wurden bspw. Informationen über den aktuellen Stand
sowie weitere Ideen ausgetauscht und gemeinsam anstehende Planungen
vorgenommen.
59
Für nähere Informationen zu den Veranstaltungen vgl. auch Kap. 4.3.6, S. 27 ff.
60
Für nähere Informationen zu den Kontaktpersonen vgl. auch Kap. 4.3.4, S. 25 f.

20
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Es wird außerdem deutlich, dass schon im Voraus, aber auch während des
gesamten Projekts regelmäßig Abstimmungen zwischen den verschiedenen
Beteiligten stattfinden mussten, da deren effizientes Zusammenspiel und
eine lückenlose Kommunikation essentiell für den Erfolg eines solchen Pro-
jekts sind. Abbildung 3 stellt die Aufteilung des Projekts mit den einzelnen
beispielhaften Bestandteilen der Planung, Organisation und Durchführung
grafisch dar.
4.3.2 Vorbereitungen für das Praktikum
Bereits vor Beginn des Praktikums waren verschiedenste Vorbereitungen
nötig, um einen reibungslosen Start und fließenden Ablauf des Programms
zu ermöglichen. So sind im Folgenden nähere Informationen zur Auswahl
der Teilnehmer, zu notwendigen Formularen, zur Vertragserstellung und zur
Festlegung des Sprachniveaus zu finden.
Die Auswahl der Teilnehmer des Brückenpraktikums durch die Bundesagen-
tur für Arbeit und die lokalen Jobcenter in Stuttgart und Esslingen hat den
Hintergrund, dass durch die Nähe dieser Institutionen zu Flüchtlingen auf-
enthaltsrechtliche Fragen schon im Vorhinein geprüft werden konnten. Au-
ßerdem musste dadurch kein Eignungstest stattfinden, der ­ hätte man ihn
im Rahmen der Einführungsveranstaltung durchgeführt ­ nicht mit dem Will-
kommenscharakter eines solchen Events vereinbar gewesen wäre. Sprachli-
che Barrieren hätten außerdem dazu führen können, dass der Zweck eines
Eignungstests und dessen Konsequenzen nicht klar gewesen wären. Die
Projektbegleitung und Abstimmung
Abb. 3: Aufteilung des Projekts
Quelle: Eigene Darstellung.
Planung
·Anzahl der Teilnehmer
·Schichtmodell
·Ablauf
·Integration Sprachkurs
Organisation
·Auswahl der
Teilnehmer
·Verträge
·Einsatzorte
·Räumlichkeiten
·Auswahl Sprachinstitut
Durchführung
·Veranstaltungen
·Produktionseinsatz
·Sprachkurs

21
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
Auswahl berücksichtigte Asylbewerber und Flüchtlinge, die von den Behör-
den anerkannt waren oder jene, die eine klare Perspektive auf ein Bleibe-
recht in Deutschland hatten.
61
Folgende Auswahlkriterien waren maßgebend:
· Die Bewerber mussten einen längeren Aufenthalt in Deutschland und
mindestens eine gültige Aufenthaltsgestattung vorweisen können.
62
· Bei den Bewerbern sollte optimaler Weise eine Vorerfahrung in der
Produktion bzw. im Metallwesen vorhanden sein, um eine Affinität zu
den Tätigkeiten während des Brückenpraktikums sicherzustellen.
· Zudem war ein hohes Interesse an einer Beschäftigung im Metallbe-
reich bei den Kandidaten wünschenswert, damit deren Motivation
während des gesamten Praktikums zu erwarten war.
· Nicht zu vernachlässigen war auch der Gesundheitsstand der Interes-
senten. Sie mussten deshalb bestimmte Untersuchungen und Impfun-
gen vorzeigen können, um für das Programm ausgewählt werden zu
können.
· Schließlich war es wichtig, dass die Kandidaten in der Nähe des Prak-
tikumsorts wohnhaft waren. Dadurch sollte gewährleistet werden,
dass ein Start des Arbeitstags pünktlich zum Frühschichtbeginn um
06:00 Uhr stattfinden konnte.
Die Agentur für Arbeit und die Jobcenter konnten schließlich 40 Kandidaten
identifizieren, die diese Auswahlkriterien erfüllten und an die Daimler AG für
die Teilnahme am Brückenpraktikum vermitteln. Die externen Institutionen
kümmerten sich des Weiteren um das Ausfüllen der notwendigen Formulare
durch die Praktikanten, wie bspw. das von HR Services bereitgestellte Ein-
trittsblatt für ein Praktikum, das alle für die Vertragserstellung benötigten In-
formationen sowie Angaben zur Sozialversicherung enthielt. Bei dem Vertrag
für die Teilnehmer handelte es sich um einen Praktikantenvertrag mit Son-
dermerkmal, da das Programm für die Teilnehmer in zwei Phasen aufgeteilt
wurde. Die erste Phase entsprach einer Maßnahme der Agentur für Arbeit
bzw. der Jobcenter, in der zweiten Phase wurden die Flüchtlinge als Prakti-
61
Vgl. Anhang 2: Daimler AG, Brückenpraktikum für Asylbewerber/Flüchtlinge: Fragen und Antworten
­ Gesamtübersicht, S. 69 ff.
62
Informationen zum Aufenthaltsstatus und den Zugangsbeschränkungen zum deutschen Arbeits-
markt für Asylsuchende wurden in Kap. 2.1, S. 3 ff. beschrieben.

22
Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG -
Das Pilotprojekt Brückenpraktikum für Flüchtlinge und dessen Evaluation für die weitere Implementierung
kanten bei der Daimler AG beschäftigt.
63
Die Rohfassung des Vertrags, der
vom Shared Service Center erstellt wurde, befindet sich im Anhang 3 dieser
Arbeit.
Auch eine Abfrage der vorhandenen Sprachkenntnisse der Teilnehmer er-
folgte im Voraus durch die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter. Die-
se Information war einerseits wichtig, um die Teilnehmer entsprechend ihres
Sprachniveaus vorläufig in Gruppen einteilen zu können, und andererseits
gab sie dem beauftragten Sprachinstitut eine erste Orientierung, um die
Sprachkurse angemessen gestalten zu können. Hierbei handelte es sich je-
doch nur um eine erste Einschätzung. Eine Validierung der Sprachkenntnis-
se durch die Sprachtrainer und endgültige Gruppenaufteilung geschah am
Welcome Day.
64
4.3.3 Aufbau
Um dem Anspruch gerecht zu werden, mit dem Brückenpraktikum eine Brü-
cke in den deutschen Arbeitsmarkt zu bauen, spielt Berufserfahrung eine
genauso große Rolle wie gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Daher
stellte das Brückenpraktikum bei der Daimler AG eine Kombination aus
Sprachkurs und Einsatz in einem Produktionsbereich dar und war insgesamt
auf eine Dauer von 14 Wochen angelegt.
65
In diesen 14 Wochen fand der Produktionseinsatz während des Pilotdurch-
laufs zum einen in der Achsenproduktion im Werkteil Mettingen und zum an-
deren in der Logistik im Werkteil Hedelfingen statt. Diese beiden Fachberei-
che erklärten sich bei der Erstkommunikation des Themas Brückenpraktikum
als Pilotbereiche bereit und wurden deshalb von der lokalen Personalabtei-
lung in Abstimmung mit dem Werkleiter Untertürkheim für das Pilotprojekt
ausgewählt. Auch die örtliche Nähe dieser zwei Bereiche zueinander bot sich
für deren Auswahl an. Die Praktikanten waren jeweils zur Hälfte auf die bei-
den Bereiche aufgeteilt, sodass 20 Personen in der Achsenproduktion und
20 in der Logistik arbeiteten. Damit die Teilnehmer beide Bereiche kennen
63
Auf diese beiden unterschiedlichen Phasen wird in Kap. 4.3.7, S. 30 f. näher eingegangen.
64
Vgl. Anhang 4: Daimler AG, To Do-Liste Brückenpraktikum, S. 78 ff.
65
Vgl. Automobilwoche (2015).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783961160853
ISBN (Paperback)
9783961165858
Dateigröße
11.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Erfurt – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
Flüchtling Praktikum Fachkräftemangel Asyl Integration
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Titel: Berufliche Integration von Flüchtlingen am Beispiel der Daimler AG
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