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Naturzustand nach der Zivilisation. Vergemeinschaftung und ihre Probleme in Zeiten der Zombie-Apokalypse

Am Beispiel der US-amerikanischen Fernsehserie "The Walking Dead"

©2016 Masterarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Menschen in der postapokalyptischen Welt der Serie "The Walking Dead" ihre Sicherheit und menschlichen, sowie bürgerlichen Rechte zurückerobern können, indem sie eine funktionsfähige und adäquate Staatsform herauszufinden versuchen. Sie soll ihnen dazu verhelfen, einen prototypischen Staat zu gründen und auf diese Weise den Naturzustand zu verlassen. Das Leben außerhalb einer Gemeinschaft stellt alle grundlegenden menschlichen Rechte und Freiheiten infrage und bildet eine große Gefahr für Werte wie Existenz, Menschlichkeit und Moral ab.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


8. Die Zivilisationszonen ... 57
9. Genre ... 61
9.1. Genres und The Walking Dead ... 61
9.1.1. Der postapokalyptische Film ... 62
9.1.2. Zombies! ... 67
10. Der narrative Rahmen ­ das wahre Gefängnis der Überlebenden ... 69
10.1. Schritt Eins: Suche nach einer Zuflucht ... 69
10.2. Schritt Zwei: Ein passender Ort wird gefunden ... 72
10.3. Schritt Drei: Der Ort wird zombifiziert ... 74
10.4. Schritt Vier: Die Gruppe ergreift die Flucht ... 76
11. Die problematische Vergemeinschaftung ... 78
11.1. Die Farm von Hershel Greene ... 79
11.2. Der Governor und sein Woodbury ... 84
11.3. Rick Grimes und das Gefängnis ... 91
12. Fazit ... 100
Quellenverzeichnis ... 103
Filmverzeichnis ... 108
Abbildungsverzeichnis ... 109

1
1. Einleitung
Die US-amerikanische Fernsehserie The Walking Dead, die zum ersten Mal im Jahr 2010
vom Sender AMC
1
ausgestrahlt wurde, verfügt heute, sechs Jahre später, über einen
unumstrittenen Kultstatus. Sie soll als zentraler Gegenstand und Forschungsartefakt der
Analyse dieser Arbeit dienen. Die Pilotfolge der letzten sechsten Staffel wurde allein in den
USA von den unsagbaren 14,6 Millionen Zuschauer live im Fernsehen verfolgt
2
. Die Serie
erzählt die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die im 21. Jahrhundert den Ausbruch
einer ungewöhnlichen Apokalypse erleben: Plötzlich verwandeln sich bereits verstorbene
Einwohner aus Atlanta in menschenfressende Kreaturen. Die Menschheit erweist sich als
unfähig, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern, was dazu führt, dass die Anzahl der
Todesopfer und daher auch die der Zombies rapide steigt. Daraus ergibt sich auf Dauer ein
Zustand, der keine Züge der Zivilisation mehr trägt: Die Kommunikation in allen Arten von
Netzen ist nicht mehr möglich, die Infrastruktur funktioniert nicht mehr, es gibt keine
medizinische Versorgung und das Militär und die Regierung scheitern bei ihrem Versuch, die
kapitalistische Ordnung zu retten. Das Ergebnis ist eine völlig neue Welt und an der Spitze
der Nahrungskette steht nicht mehr der Mensch, sondern der Zombie. Diese neue
Weltordnung, die den gewöhnlichen Alltag in der diegetischen Welt der Serie darstellt, wirft
mehrere existenzielle Fragen auf, aus deren Hintergrund in der Arbeit stets ausgegangen
werden soll.
In der ersten Staffel stellt der Protagonist Rick Grimes die provokative Frage, ob in dieser aus
den Fugen geratenen Welt die Regeln der Zivilisation noch gültig seien. Es stellt sich schnell
heraus, dass sie nicht mehr beachtet werden können. Die Menschen müssen sich deviant
verhalten und konstant auf der Hut sein. Es wird der Frage nachgegangen, wie sie unter den
neuen postapokalyptischen Bedingungen handeln müssen, um als Teil einer Gemeinschaft
überleben zu können. Anhand der Unmöglichkeit, in der neuen Umgebung individuell zu
handeln, um am Leben zu bleiben, wird die These vertreten, dass man einer Gemeinschaft
bedarf, innerhalb deren man seinen Beitrag für das Wohl der Anderen leisten muss und im
Gegenzug Hilfe und Unterstützung bekommt. Im Laufe des Zusammenlebens entstehen viele
externe und interne Konflikte. Sie sind verhängnisvoll für die Prozesse der
Vergemeinschaftung und verurteilen sie oft zum Scheitern.
Es wird der Versuch unternommen, den Zustand, der nach dem Ausbruch der Seuche auf
Erden herrscht, als einen Naturzustand nach der Zivilisation zu beschreiben. Mit dem Begriff
des Naturzustandes haben sich viele Philosophen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen
1
Vgl. www.amc.com
2
Vgl. The Walking Dead: http://deadline.com/2015/10/the-walking-dead-ratings-season-6-debut-
sunday-night-fottball-amc-1201577117/

2
Bereichen befasst. Er wird in der Zeit vor der Entstehung der Kultur und der uns bekannten
Zivilisation angesiedelt, in den frühen Ursprüngen der menschlichen Existenz. Dadurch, dass
er dem Individuum keine Freiheiten und Rechte einräumen und vor allem keine Sicherheit
anbieten kann, fällt es den ProtagonistInnen, die über einen zivilisierten Hintergrund verfügen,
sehr schwer, sich zu adaptieren.
Die Arbeit vertritt die folgenden drei zentralen Thesen, die zum Schluss verifiziert oder
falsifiziert werden:
· Die Welt, in der sich die ProtagonistInnen in The Walking Dead befinden, weist
mehrere Züge eines klassischen Naturzustandes auf und ist als solcher zu beschreiben;
· Die Überlebenschancen innerhalb einer Gruppe sind höher, was zu (zwangsläufigen)
Prozessen der Vergemeinschaftung führt;
· Aufgrund folgender Faktoren, die ausführlich kommentiert werden, scheitert die
Gruppe daran, an einem sicheren Ort auf Dauer Fuß zu fassen und ist gezwungen,
immer wieder zu fliehen: Die Struktur und der narrative Rahmen der Serie, sowie die
internen und externen Konflikte, mit denen die Gemeinschaften nicht imstande ist,
umzugehen;
Die vorliegende Arbeit ist in elf Kapitel eingeteilt. Zunächst wird im zweiten Kapitel kurz in
die Geschichte, die Entstehung der Serie und des amerikanischen Senders AMC eingeführt.
Um die Zugehörigkeit von The Walking Dead zum Qualitätsfernsehen zu bestätigen, wird die
Serie im Kontext dieses modernen Begriffs untersucht. Weil es von mehreren Merkmalen
bestimmt wird, werden sie im dritten Kapitel erläutert. Anschließend wird die Innovation der
Produktion vorgestellt, die die Subgenres des Zombiefilms und des postapokalyptischen
Films mit der Form der Fernsehserie koppeln. Berücksichtigt werden hier noch die
Staffelstruktur und die seriellen Elemente. Die Thesen werden aus zwei Perspektiven
aufgestellt und entwickelt. Den Kern der philosophischen Perspektive bilden im Kapitel Fünf
die Werke Leviathan von Thomas Hobbes und Zwei Abhandlungen über die Regierung von
John Locke. Mithilfe dieser zwei zentralen Theorien des Staatswesens und der modernen
Politik werden Einblicke in den besonderen Charakter des diegetischen Naturzustandes
gewonnen, die in die darauffolgende Analyse einfließen sollen. In diesem Kapitel werden
zentrale Begrifflichkeiten wie Bürgergesellschaft und Naturzustand geklärt. Kapitel Sechs
wirft Licht darauf, nach welchen Regeln die Welt in The Walking Dead funktioniert und stellt
sie als eine mediale Umsetzung des klassischen Naturzustandes dar. Kommentiert werden die
zentralen Faktoren, die zu den intensiven Prozessen der Vergemeinschaftung führen. Das

3
siebte Kapitel setzt dieses Thema fort und kombiniert die philosophische mit der
medienwissenschaftlichen Perspektive. Die Vorteile des Lebens in einer Krisengemeinschaft
und die größere Überlebenschancen werden hervorgehoben. Kapitel Acht befasst sich mit den
Zivilisationszonen, die ein Ergebnis der Vergemeinschaftung sind. Sie werden detaillierter
beschrieben und in einer Tabelle statistisch erfasst. Das neunte Kapitel erläutert die
Bedeutung des Genres bzw. der Subgenres, die die Serie prägen. Es handelt sich vor allen
Dingen um die Merkmale, die der Zombiefilm und der Endzeitfilm mit sich bringen. Dem
narrativen Rahmen, der sich anhand der ersten fünf Staffeln von The Walking Dead
herausgebildet hat, widmet sich Kapitel Zehn. Dieser besteht aus vier kleineren Schritten, die
die Gemeinschaft von Rick Grimes auf dem Weg zur Vergemeinschaftung gehen muss. Sie
führen zum letzten elften Kapitel, dessen Ziel ist, die wichtigsten Zivilisationszonen und die
Gründe für die gescheiterte Vergemeinschaftung zu analysieren. Erläutert werden sowohl die
internen Konflikten zwischen den ProtagonistInnen, als auch die externen
Auseinandersetzungen mit anderen Überlebenden oder mit den Zombies.

4
2. AMC und The Walking Dead
Der Sendebeginn des amerikanischen Fernsehsenders AMC geht auf das Jahr 1984 zurück.
Die damalige Ausrichtung des Programms, dessen Akzent auf die Ausstrahlung von
Hollywood-Klassikern
3
gesetzt war, unterscheidet sich allerdings stark von der heutigen.
Charakteristisch für den Sender bis Ende der 90er-Jahre sind die Vorliebe für Klassiker im
Zeitraum zwischen 1900 und 1950, sowie die komplett ausgeschlossene Werbung. Die erste
Eigenproduktion des Senders und somit auch der erste Hauch der kommenden
Programmänderung war die Serie Remember WENN (American Movie Classics, 1996-98).
4
Nach der Jahrtausendwende hat sich AMC für eine spürbare Umstellung des Programms und
seines künftigen Konzepts entschieden. Er konzentrierte sich weniger stark auf die
Filmklassiker und strahlte Filme aus einem breiteren Spektrum aus. Auch
Werbeunterbrechungen wurden eingeführt. Der erste große Durchbruch ist dem Sender vor
allem durch die Fernsehserien gelungen, die er für sich produzieren ließ. Als durchaus
erfolgreich haben sich zuerst Mad Men (Lionsgate TV, 2007-15) und Breaking Bad (Sony
Picture TV, 2008-13) erwiesen.
2.1. Die Entstehung der Fernsehserie
Am 31. Oktober 2010 startete in den USA
5
die Serie The Walking Dead (Circle of Confusion,
Valhalla Motion Pictures, 2010-), die auf dem Comic von Robert Kirkman und Tony Moore
basiert. Die Idee stammt von Frank Darabont und Kirkman, die auch als Produzenten
mitverantwortlich sind. The Walking Dead hat unter den Fans der Comicreihe und des
Zombiegenres für großes Aufsehen gesorgt und gilt aktuell als Spitzenreiter in folgenden
Kategorien: Beste Fernsehserie, Postapokalyptischer Film und Zombie-Invasionsfilm.
Alle fünf Staffeln, die bisher ausgestrahlt wurden, erzielten sehr gute Einschaltquoten. Die letzte
sechste Staffel, deren Start in den USA am 11. Oktober 2015 war, steht auf Platz 3 in der Kate-
gorie ,,Best Season Opener" mit 14,6 Millionen Zuschauer. 9,4 Millionen davon sind in der Ziel-
gruppe der Erwachsenen zwischen 18 und 54 Jahren.
6
Was diese Zielgruppe betrifft, schneidet die
sechste Staffel von The Walking Dead sogar besser ab als das gewöhnlich vom breitesten
Publikum verfolgte Fußballliga-Event in den USA am Sonntagabend, die Sunday night football.
3
Der damalige Name des Senders lautete American Movie Classics (AMC). Er wird zwar seit 2002
nicht mehr verwendet, aber die Abkürzung ist bis heute erhalten geblieben.
4
Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/AMC_(TV_channel)
5
In den USA wurde die Pilotepisode zum ersten Mal im Rahmen des s.g. Fearfest auf AMC gezeigt.
Während des Festes, das gewöhnlich innerhalb der letzten zehn Tage im Oktober stattfindet, werden vor allem
Horrorfilme und ­serien ausgestrahlt. In Deutschland war der Serienstart am 5. November 2010 auf VOX.
6
Vgl. Kozma, Alicia: Leave it all behind: The Post-Apocalyptical Renunciation of Technology in The
Walking Dead. In: Murali Balaji: Thinking Dead. What the zombie apocalypse means. Lexington Books,
Plymotuh, 2013. S. 141-159.

5
Nachdem Frank Darabont die ersten Comichefte von The Walking Dead für sich als Leser
entdeckt hatte, war er von der Idee begeistert, das gleiche Konzept in einer Fernsehserie zu
übertragen und umzusetzen. Dabei sollten nicht die wandelnden Toten im Vordergrund stehen,
sondern die Menschen und die Herausforderungen, die sie ständig begleiten. Ein Gedanke, der
sich für die Serie als fundamental erwiesen hat, sie auszeichnet und so beliebt bei Fans und
Zuschauern macht. Für die beiden Produzenten, Darabont und Kirkman, die den Grundstein
für die Serie legten, war der Anfang jedoch nicht erfolgversprechend. Die Sender, bei denen
sie ihr Projekt vorgestellt hatten, waren von ihm nicht überzeugt und wollten es auch nicht
finanzieren. Nach zahlreichen Absagen wurde das Projekt zeitweilig stillgelegt, bis AMC und
die Produzentin Gale Anne Hurd Interesse an der Serie zeigten.
Durch die Gestalt des Zombies, die im Kino durch Filme wie Resident Evil
7
oder die Romeros
Dead-Filme
8
enorm an Popularität gewann, stiegen die Erfolgschancen der Serie. Heutzutage
gehört der Zombie in die Gruppe der Mainstream-Monster nicht nur im Kino und Fernsehen,
sondern auch allgemein in der populären Kultur.
Dabei hat auch der hohe Bekanntheitsgrad der Comichefte eine wichtige Rolle gespielt.
Anhand der bisher veröffentlichten Ausgaben konnte man die Entwicklung der Figuren und
der Handlung verfolgen und über verfügte über eine hervorragende Basis für die Pilotfolge
Days gone bye, sowie die restlichen fünf Folgen der ersten Staffel. Aus dieser Quelle konnten
Kirkman und Darabont ausreichend Material, Inspiration und Ideen für die Serie schöpfen.
Doch den beiden war es von Anfang an klar, dass sie keine billige Kopie des Comics kreieren
wollen. Ihnen schwebte eine Serie vor, die auf den eigenen Beinen stehen und eine vom
Comic unabhängige Story
9
besitzen sollte.
Was AMC an der Produktion einzigartig fand und in dieser Arbeit berücksichtigt wird, ist der
serielle Charakter der Serie. Im Unterschied zu den oben genannten Zombiefilmen, deren
Zahl in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat, ist The Walking Dead ein Kosmos für
sich. Die Serie strebt es an, den Alltag der Überlebenden in der Apokalypse Folge für Folge
zu schildern und immer tiefere Einblicke in ihr Leben zu geben, was essenzielle Fragen
aufwirft.
7
Resident Evil (2002 - ). Produktionsländer: Deutschland, USA, Frankreich, Kanada. Regie: Paul
Anderson, Alexander Witt, Russel Mulcahy. Drehbuch: Paul Anderson. Constantin Film International, Davis
Films/Impact Pictures.
8
Die Dead-Reihe (1968-2009) von George Romero ist nicht nur für den Zombie-Horror prägend,
sondern allgemein für das Horror-Genre ab dem Ende der 70er Jahre bis heute. Mit den bisher sechs Filmen der
Reihe, bei denen er Regie geführt hat, aber auch für Schnitt und Buch verantwortlich gewesen ist, schafft er es,
die Figur des Zombies im modernen Hollywood-Kino durchzusetzen. An seinem Beispiel orientieren sich viele
Filmemacher, die in dem Genre tätig sind.
9
Figuren wurden für die Serie extra neu erfunden und einige, die bereits im Comic existierten, handeln
in bestimmten Momenten anders, bleiben länger oder weniger am Leben usw. Einige Charaktere wie z.B. Beth
existieren nur in der Serie. So bleibt der Überraschungseffekt erhalten.

6
2.2. Die Showrunner
Als Produzent, Autor und Showrunner der ersten Staffel agierte Frank Darabont
10
, der als
Erster die Filmrechte von Kirkman erworben hatte. Darabont, der ein amerikanischer
Regisseur ungarischer Herkunft ist, war bereits durch seine Arbeit an The Shawshank
Redemption
11
und The Green Mile
12
bekannt. Die zwei Produktionen sind
Literaturverfilmungen von Werken von Stephen King, die somit auch dem Horrorgenre
zuzuordnen sind. Obwohl Darabont als Vater der Serie gilt, wird er vom AMC im Juli 2011
entlassen, da seine Budgetvorstellungen von The Walking Dead stark von diesen des Senders
abweichen. Im Interview mit TV Guide
13
begründet er seine Trennung von der Serie
folgendermaßen:
I don't understand the thinking behind, "Oh, this is the most successful show in the history of basic
cable. Let's gut the budgets now." I never did understand that and I think they got tired of hearing me
complain about it.
Nachdem Darabont entlassen wurde, gab es andere Showrunner, die ihre Spuren bei der Serie
hinterlassen haben. Ab der zweiten Staffel übernahm Glen Mazzara die Serie und ab Staffel
Vier - Scott Gimple. Beide waren davor Autoren in The Walking Dead und haben das
Drehbuch für mehrere Folgen geschrieben, so dass ihnen die Atmosphäre der Serie bereits
bekannt war.
10
Der Autor der Comicreihe hatte mehrere Angebote für die Verfilmungsrechte bekommen, doch die
meisten aufgrund des zu großen ideellen Unterschieds bei der Umsetzung abgelehnt. Was seine Aufgaben bei
der Fernsehserie von AMC betrifft, ist er als Produzent und Chefautor an der Entwicklung aktiv.
11
The Shawshank Redemption. Deutscher Titel: Die Verurteilten. Regie: Frank Darabont. Drehbuch:
Stephen King, Frank Darabont. Castle Rock Entertainment, USA, 1994.
12
The green mile. Regie und Drehbuch: Frank Darabont. Castle Rock Entertainment, Warner Bros., USA,
1999.
13
Frank Darabont im Gespräch mit TV Guide: Exclusive: Frank Darabont on His New TNT Show and
Leaving The Walking Dead: http://www.tvguide.com/news/frank-darabont-interview-1042003/

7
3. The Walking Dead und 'Quality TV'
Sowohl die Prozesse der Vergemeinschaftung, als auch die Probleme, die dabei entstehen,
hängen mit dem seriellen Charakter der Produktion zusammen, auch wenn das für die
ZuschauerInnen auf den ersten Blick und ohne tiefgreifende strukturelle Analyse nicht
bemerkbar ist. Im folgenden Kapitel soll unter Berücksichtigung bestimmter Einflüsse der
Serialität auf die Dramaturgie, die Entwicklung der Figuren und den Aufbau der Serie
eingegangen werden. Die Gründe für die (gescheiterte) Vergemeinschaftung sollen, anhand
von konkreten Textbeispielen illustriert werden.
Um die Serie adäquat in den medienwissenschaftlichen Kontext einordnen zu können, müssen
an dieser Stelle einige Kategorien und Merkmale definiert werden. In der aktuellen
Fernsehlandschaft wird immer häufiger ein Begriff verwendet, der einer relativ neuen
Entwicklung geschuldet ist. Es geht um das so genannte 'Quality Television' oder 'Quality TV'.
Dieser Terminus technicus ist in der Medienwissenschaft immer noch umstritten, welche
Serien dieser Kategorie angehören, welche nicht und weshalb. Hauptsächlich ergibt sich
daraus das Bedürfnis, die zentralen Merkmale, über die eine Serie verfügen soll um unter den
Begriff des 'Quality TV' zu fallen, zu definieren. Wenn dies einmal geleistet wird, soll die
Zugehörigkeit von The Walking Dead zum qualitativen Fernsehen anhand einiger Beispiele
untermauert werden.
Die Fernsehserie wurde bis zum Ende der 1990er-Jahre aus medienwissenschaftlicher Sicht
sehr stark aufgrund ihres Unterhaltungswertes kritisiert. Negativ sind vor allen Dingen die
Aussagen über ihre Ästhetik, Oberflächlichkeit und mangelnde Qualität, die sie als leicht
vorhersehbar, nicht ideenreich und veralteten Mustern folgend beschreiben.
14
Doch in den
letzten 15 Jahren sind wir Zeugen einer qualitativen Wiederauferstehung dieser Gattung, die
durch eine neue Welle von Regisseuren und Drehbuchautoren wieder hochgeachtet wird und
ins Zentrum nicht nur des öffentlichen Interesses, sondern auch des wissenschaftlichen
Diskurses
15
gerückt ist. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, The Walking Dead als
ein Produkt des 'Quality TV' zu bezeichnen. Hierzu werden einige der wichtigsten Kriterien
für dieses Genre näher betrachtet.
3.1. Hybridität
Im Laufe der Jahre haben sich in der Serienforschung mehrere Begriffe etabliert, die die
grundlegenden Prinzipien einer Serie umfassen. Je nachdem, ob die Folgen in sich
14
Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart, J. B. Metzler, 2007.
15
Serien werden heute sehr häufig aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und analysiert. Es ist
nicht nur die Medien- bzw- die Filmwissenschaft, die sie als Gegenstand in Rücksicht nimmt, sondern ferner
auch die Soziologie, Psychologie, Philosophie usw.

8
abgeschlossen sind oder nicht, ob das Figurenensemble immer dasselbe bleibt oder in jeder
Folge eine neue Konstellation hat und ob sie als potentiell unendlich zu bezeichnen sind,
ergeben sich diverse Hauptdefinitionen. Als einige Beispiele kann man die am weitesten
verbreiteten von ihnen aufführen: Episodenserie, Soap Opera, Serial (Fortsetzungsserien),
Mehrteiler, Reihe etc. Diese Serienformen variieren in Bezug auf die verschiedenen Studien
und die Autoren und sind abhängig von dem Stand, dem Ziel, dem Artefakt und den
Methoden der entsprechenden Forschung. So lassen sich bei einigen Studien mehrere Formen
unterscheiden, wie z.B. Single play oder Telenovela, die bei anderen nicht vorkommen.
16
Für
das 'Quality TV' ist die schwierige Differenzierung der genauen Serienform prägend. Das
liegt daran, dass diese Serien eine neue Dimension aufmachen, indem sich mehrere
unterschiedliche Formen vermischen. Für das heutige Publikum sind die Parameter, die eine
reine Serienform anbietet offensichtlich nicht mehr komplex genug. Der Rahmen des Alten
muss gesprengt werden, wenn man auf höhere Einschaltquoten hoffen will. In diesem
Zusammenhang schreibt Creeber:
This increasing hybridity of televison drama (particularly the apparent merging between the serials,
series and soap opera) means that the unique style and structure of the television serial is probably not
always as pronounced as it once was. However, it also means that the serial form is increasingly
flexible, that it can adopt various genre styles and structures within its loosely defined narrative
structure. While it is true that the series are now emulating serials and that the serials are now emulating
series, it is also equally true that narrative fluidity between types of drama are more flexible than ever
before.
17
Das ist das erste ausschlaggebende Kriterium, das von der Serienforschung anerkannt wird:
Die Vermischung von mehreren Formen in eine neue, komplexere Form. Das Ergebnis davon
wird noch als Hybridität einer Serie bezeichnet. In Hinblick auf die Vermischung der drei
Formen, die Creeber erwähnt, der Episodenserie (Series), Soap Opera und der
Fortsetzungsserie (Serials) kann man konstatieren, dass einige Merkmale, die für sie typisch
sind, die hybride Form gleichzeitig prägen. Nun stellt sich die Frage, ob The Walking Dead
einen hybriden Charakter hat oder nicht. Um dies zu untersuchen, werden im Folgenden die
Eigenschaften der Serie überprüft, die von anderen Formaten übernommen worden sind.
Das Figurenensemble in The Walking Dead besteht aus einer festen Gruppe von
Hauptakteuren, die in allen Staffeln vorhanden ist: Rick und Carl (83 Folgen), Daryl (81
16
Vor allem werden die Klassifikationen von Gunther Eschke und Rudolf Bohne, Kathrin Rothemund
und Glen Creeber in Betracht gezogen.
17
Creeber, Glen: From small to Big Drama. In: Serial Television. Big Drama on the Small Screen.
London, British Film Institute, 2004. S. 1-18.

9
Folgen), Carol (80 Folgen), Magie (76 Folgen), Glenn (73 Folgen) und Michonne (64 Folgen).
Das sind die sieben Figuren mit den meisten Auftritten
18
, deren genaue Anzahl in Klammern
angegeben ist. Es gibt auch ein breiteres Spektrum an Nebendarstellern wie Shane und der
Governor (je 20 Folgen) oder Merle (17 Folgen), die als Widersacher agieren und das Leben
der Gruppe erschweren sollen. Dieser Erscheinung begegnet Kathrin Rothemund, wenn sie
die Episodenserie charakterisiert:
Die Episodenserie stellt eine Abfolge von in sich abgeschlossenen Episoden dar, die sich durch
gleichbleibende Figuren und ein wiederkehrendes Erzählprinzip auszeichnen. Der stabile Zustand zu
Beginn der jeweiligen Folge wird gestört ­ häufig durch variierende Nebendarsteller ­ und muss durch
die Hauptfiguren wieder hergestellt werden, um ein Weiterführen der Serie zu ermöglichen.
19
Von The Walking Dead kann man also behaupten, dass die Hauptfiguren auf Dauer gleich
bleiben und sich die Antagonisten, außer der Zombiemasse, abwechseln. Außerdem ist durch
die Staffeln hindurch auch ein wiederkehrendes Prinzip zu beobachten, dem sich ein anderer
Kapitel widmet.
20
Für die Soap Opera sieht Rothemund folgende Merkmale als zentral:
· Prinzipielle Unendlichkeit;
· Das Vorhandensein eines großen Figurenstammes;
· Die Dramaturgie ist eine 'Zopfdramaturgie', es gibt also mehrere Handlungsstränge,
die gleichzeitig ablaufen, einander durchkreuzen und sich entwickeln;
· Hohes Maß an Redundanz, damit der Einstig für neue Zuschauer leichter gemacht wird.
Ausgehend von der narrativen Struktur der Serie
21
kann behauptet werden, dass sie
unumstritten auf Unendlichkeit hin konzipiert ist. Von einer letzter Staffel und einem großen
Finale ist zurzeit überhaupt nicht die Rede, da The Walking Dead in der Serienlandschaft sehr
gut abschneidet und sich über ein festes Publikum freuen kann. Die Serie ist auch nicht von
Anfang an auf ein endgültiges Ende ausgerichtet und geplant worden.
Es mag zwar einen zentralen Handlungsstrang geben, der auf das Ziel der Überlebenden
zusammengefasst werden kann: Wo finden sie Schutz, Sicherheit und Lebensmittel, was die
Handlung am intensivsten nach vorne treibt. Doch es lassen sich im großen Ganzen viele
18
Stand der Statistik: 2. Februar 2016.
19
Rothemund, Kathrin: Komplexe Welten. Narrative Strategien in US-amerikanischen Fernsehserien.
Berlin, Bertz und Fischer, 2013. S. 16-18.
20
Vgl. Kapitel 4.3. Staffelstruktur.
21
Vgl. Kapitel 10. Der narrative Rahmen.

10
Handlungsstränge verfolgen, die unterschiedliche Figuren und Figurenkonstellationen
betreffen: Alle internen und externen Konflikte zwischen den Individuen und den Gruppen,
die Liebesgeschichten oder die persönliche Entwicklung einer Figur. Der häufige Wechsel der
Perspektiven ist ein Instrument der Filmemacher, das sie zu dem Zweck nutzen, die
Geschehnisse rund um einige Figuren an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit zu
erzählen. Dies trägt dazu bei, dass die Narration über mehrere Schichten aufgebaut wird und
den komplexen Eindruck der Serie vor Augen führt. Mit Redundanz sind die Informationen
gemeint, die die Zuschauer unbedingt brauchen, um den Kern der Serie begreifen zu können.
Damit dies für ein potentielles neues Publikum erleichtert wird, werden sie konstant
wiederholt. Auch hier lassen sich zahlreiche Beispiele nennen: Es wird immer wieder erwähnt,
dass die Zombies nur dann ausgeschaltet sind, wenn ihr Gehirn nicht mehr funktioniert.
Die dritte Serienform, die laut Creeber bei der Verschmelzung einer qualitativen Serie
vorhanden ist, ist die Fortsetzungsserie
22
. Hier sieht Kathrin Rothemund folgende
Hauptmerkmale:
· Episodenübergreifendes Erzählen mit einem Cliffhanger am Ende der jeweiligen Episode;
· Strikt definierte Abfolge der Folgen, sie können nicht in einer beliebigen Ordnung
ausgestrahlt werden;
· Wandlungsfähigkeit, also Entwicklung und Veränderung der Figuren;
· Entfaltung und Zusammenführung mehrerer Erzählstränge: 'Zopfdramaturgie';
· Partielle Finalität.
Das episodenübergreifende Erzählen und die strikte Abfolge liegen bei The Walking Dead
klar auf der Hand. Sie sind von der Staffelstruktur beeinflusst. Man kann sogar von einer
staffelübergreifenden Narration sprechen, die man am besten zu Ende einer und am Anfang
der nächsten Staffel festmachen kann.
23
Die partielle Finalität kann man sowohl auf der
Folgen,- als auch auf der Staffelebene beobachten, um klarzustellen, wie die Cliffhanger
funktionalisiert sind, um das Interesse des Publikums zu behalten.
Die Hybridität, die The Walking Dead in Bezug auf die Gattung und die Vermischung der
Serienformen aufweist, steht außer Zweifel. Alle Hauptmerkmale, deren Kombination die
Serienforschung als eine Voraussetzung für einen hybriden Charakter sieht, sind vorhanden.
Bezogen auf das Genre kann man auch behaupten, dass ein gewisser Grad an Hybridität besteht
24
.
22
Auf English noch unter dem Begriff Serials bekannt.
23
Etwas detaillierter wird auf diese These im Kapitel 4.3. Die Staffelstruktur eingegangen.
24
Das neunte Kapitel Genre in The Walking Dead wirft mehr Licht auf die Genrehybridität.

11
3.2. Multimedialität
Einige ältere Texte aus der Serienforschung bezeichnen die Tatsache, dass die Episodenserien
in einer bestimmten Reihenfolge ausgestrahlt werden müssen, als nachteilig. Dies ist im
Hinblick auf den Zeitraum ihrer Erscheinung (bis Ende der 90er Jahre) nachvollziehbar. Doch
im 21. Jahrhundert spielt diese Charakteristik der Serie eine beträchtliche Rolle bei der
Distribution dem Verkauf. Die Verbreitung und die Art und Weise, wie man heutzutage
Zugang zu den neusten Serien erhalten kann, ist nahezu unbegrenzt und betrifft das
Qualitätsfernsehen direkt. Die Produzenten bemühen sich stets um neue Verträge für die
Rechte der Serie, die ihre Verbreitung und Ausstrahlung auf unterschiedlichsten
Medienkanälen ermöglichen. DVDs werden heute immer mehr benutzt, um eine luxuriöse
Filmbox für alle Fans anzubieten. Sie beinhaltet nicht mehr nur alle Folgen einer Staffel,
sondern auch eine oder zwei DVDs mit den so genannten Bonus Materialien. So wird den
Zuschauern ein Blick hinter die Kulissen gewährt. Sie können sich Szenen anschauen, die
nach dem letzten Director's Cut doch herausgeschnitten wurden, oder über die Patzer der
Schauspieler lachen. Die neusten Distributionsformen sind aber online. Es handelt sich um
unterschiedliche Plattformen und Streams, bei denen man einen pauschalen Preis zahlt, um
ein bestimmtes Angebot von Serien zu erhalten. Die Popularität solcher Plattformen ist in
Deutschland in den letzten Jahren gewachsen. Netflix, Watchever, Amazone Prime und
Maxdome sind einige der führenden Unternehmen, die man hier erwähnen muss. Der Vorteil
hier ist, dass man ein praktisches Gesamtpaket von Serien mit allen bisher erschienenen
Staffeln bekommt und sich die Folgen bequem zu Hause anschauen kann. Mitunter ist auch
The Walking Dead eine der meist begehrten Serien. Teilweise sind auch Downloads möglich.
3.3. Rezeption
Die Serienforschung erkennt ein bestimmtes Publikum, das sich für 'Quality TV' interessiert
und das Phänomen verfolgt. Kathrin Rothemund definiert es in Anlehnung an Thompson und
Feuer als:
[...] ein ,,Qualitätspublikum", das im Besonderen als werberelevante Gruppe von großem Interesse für
die Macher ist. Unter diesen ,,blue chip demographics" wird eine Gruppe junger, gebildeter und
finanziell unabhängiger Konsumenten verstanden, die sich vermeintlich gar nicht für reguläres
Fernsehen interessieren.
25
Außer bei dieser Gruppe von ZuschauerInnen, sind bei der Rezeption der Serien einerseits die
Medien und andererseits die Wissenschaftler diejenigen, die zur Etablierung einer bestimmten
25
In: Rothemund, Kathrin: Komplexe Welten. S. 21.

12
und somit auch einer allgemeinen Qualität ihren Beitrag leisten. Bei den Medien handelt es
sich um eine rapide Verbreitung von positiven bzw. kritischen Rezensionen, die ihren Platz
auch in den sozialen Netzwerken finden. Sie können von Seite der Fans oder der
professionellen Kritiker kommen. Daraus resultiert ein großes mediales Echo von dem die
Serien womöglich stark profitieren. Wie bereits erwähnt, rückt die Serie auch ins Zentrum
einer Reihe wissenschaftlicher Studien, die sich nicht ausschließlich auf den Bereich der
Medienwissenschaften begrenzen lassen.
Ferner spielen auch Komponenten wie Stil, Innovationspotenzial, Anspruch auf ein höheres
künstlerisches Niveau, Land und Budget der Produktion, spezielle Effekte, Berühmtheit und
Popularität der Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren und Crew
26
eine große Rolle. Zu
diesem Punkt lässt sich sagen, dass The Walking Dead alle aufgezählten Kriterien erfüllt - im
Netz wird jede Pilotfolge und jedes Finale groß gefeiert, es haben sich Fandoms
herausgebildet, die viele Fans der Serie aus der ganzen Welt durch Kommunikation in Foren
vereinen. Das Team, das an der aktuellen sechsten Staffel gearbeitet hat, besteht aus 150
Mitgliedern - ein für eine Fernsehserie relativ großes Ensemble. Neben den dank The Walking
Dead sehr populär gewordenen Andrew Lincoln (Rick) und Norman Reedus (Daryl) sind
auch Filmemacher wie Robert Kirkman (der auch Autor der Comicreihe ist) und Greg
Nicotero präsent, die durch ihre Erfahrung, Innovation und ihr Streben nach Perfektion,
Großes leisten.
27
Am Ende dieses Kapitels lässt sich zusammenfassen, dass The Walking Dead im Hinblick auf
die drei großen Gruppen der Charakteristika - Hybridität, Multimedialität und Rezeption,
als eine qualitativ hochwertige Serie im Sinne des modernen Begriffs des 'Quality TV'
definiert werden kann. Sie beinhaltet die notwendigen Merkmale, was durch die genannten
Beispiele bewiesen wurde und weist dadurch einen hohen Grad an Komplexität in Struktur
und Narration auf.
26
Häufig werden Serien von einem Teil des Publikums aufgrund der Mitarbeit von bestimmten
Schauspielern, Regisseuren etc. besonders beliebt. Die Produzenten von The Walking Dead schaffen es, die
größten Stars (nicht nur Schauspieler) im Laufe der Staffeln am Board zu behalten und so auf die Qualität der
ersten Staffel aufzubauen und die Erwartungen der Fans erfolgreich zu erfüllen.
27
Der letzte ist einer der bekanntesten Künstler im Bereich der speziellen Effekte (special make-up
effects creator), der für eine Serie, die in der Zeit der Zombie-Apokalypse angesiedelt ist, ungemein wichtig ist.
Er ist unter anderem auch für seine Zusammenarbeit mit George Romero in Day of the Dead und Land of the
Dead (Vgl. AMC und die Fernsehserie) bekannt. Das neuste Projekt von Nicotero ist der neue Film von Quentin
Tarantino The Hateful Eight (USA, 2015).

13
4. Serialität in The Walking Dead
Diese Arbeit umfasst in ihrer Analyse die ersten fünf Staffeln der Serie, die bis zum Zeitpunkt
des Forschungsbeginns bereits im Fernsehen ausgestrahlt wurden und auf DVD zu erwerben
sind. Für das Verfolgen der Prozesse der Vergemeinschaftung und die Beantwortung der
Frage, welche Probleme dahinter stecken, muss der serielle Charakter unbedingt
berücksichtigt werden. Das, was die Serie als einzigartig und besonders innovativ im
Vergleich zu anderen auszeichnet, ist die Kombination des Zombie-Genres mit den seriellen
Elementen. Der Zombie war auf solche Weise bisher noch nie in einer Art Fernsehserie
involviert, sondern eher in großen Blockbustern wie World War Z
28
oder Zombieland
29
zu
sehen. Des Weiteren sind einige umfangreichere Reihen entstanden, die aber nur eine
begrenzte Episodenhaftigkeit aufweisen. Exemplarisch sind vor allem die Resident Evil-Filme
mit Milla Jovovich
30
und 28 Days Later
31
zu nennen, dessen Fortsetzung im August 2007 in
die Kinos kam. Die erste Reihe geht von 2002 bis 2017 und handelt von dem Kampf der
Hauptdarstellerin Alice, deren Aufgabe die Rettung der Menschheit vor den Zombies ist. Die
einzelnen Teile knüpfen zwar daran an, was in den vorherigen passiert ist, sie weisen aber
Autonomie auf und die ZuschauerInnen brauchen nicht unbedingt die Informationen aus den
alten Teilen, um einen der darauffolgenden zu verstehen. Es handelt sich in diesem Sinne um
unabhängige Handlungsstrukturen, die in sich selbst geschlossen sind und eine partielle
Serialität besitzen, die durch die Präsenz der Zombies und die Rolle der Hauptfigur bedingt ist.
Bei 28 Days Later kann man von einem großen Erfolg des ersten Teile reden, an dem die
Produzenten vor allem von DNA Films, eine Fortsetzung anschließen wollten. Durch den
zweiten Teil, 28 Weeks Later stellt der Film einen Zweiteiler dar, dessen serieller Charakter
weder vom Regieführenden, noch von den Protagonisten getragen wurde, sondern
ausschließlich vom Thema. Auch wenn man die Zuschauerquoten und das Interesse des
Publikums nicht mit diesen vom ersten Teil vergleichen kann, hat sich der Regisseur von 28
Days Later im Oktober 2015 in einem Interview mit Kino.de zu der Planung eines dritten
Films der Reihe und dazu kurz zu der aktuellen Entwicklung des Genres in den letzten Jahren
geäußert:
28
World War Z. USA, Malta, Paramount Pictures, 2013. Regie: Marc Forster, Drehbuch: Matthew
Carnahan, Drew Goddard u.a.
29
Zombieland. USA, Columbia Pictures, 2009. Regie: Ruben Fleischer, Drehbuch: Rhett Reese, Paul
Wernick.
30
Resident Evil (2002 - ). Produktionsländer: Deutschland, USA, Frankreich, Kanada. Regie: Paul
Anderson, Alexander Witt, Russel Mulcahy. Drehbuch: Paul Anderson. Constantin Film International, Davis
Films/Impact Pictures.
31
28 Days Later. UK, DNA Films, British Film Council, 2002. Regie: Danny Boyle, Drehbuch: Alex
Garland.

14
Er ist noch lange nicht fertig, aber es wurde bereits einige Arbeit investiert. Es befindet sich momentan
noch in einem Prozess und ich hätte keine Hemmung, daran beteiligt zu sein. Es ist faszinierend, was
mit dem Zombie-Genre passiert ist, seit wir den ersten Film gemacht haben.
32
Gemeint hat Danny Boyle hier den Boom des Subgenres Ende des 20. und Anfang des 21.
Jahrhunderts. In diesem Zeitraum haben die Zombie-Produktionen in der Popkultur nicht nur
in den USA, sondern auch im europäischen Kino an Popularität gewonnen.
Im Fall der Filme von George Romero hängt die Episodenhaftigkeit zum einen mit dem
Genre und zum anderen mit dem Regisseur selbst zusammen. Mit seiner Arbeit hat es Romero
geschafft, sich als Innovator und Wegbereiter dieses Subgenres zu etablieren und die
Grundlagen für eine erfolgreiche Wiederaufnahme und Blüte des Zombiefilmes zu schaffen.
Die oben erwähnten Filme und Reihen geben die vorhandene Serialität des Zombiefilmes bis
Oktober 2010 wieder. Von ihr kann man behaupten, dass sie sehr partiell ist und durch die
Wiederholung von bestimmten einzelnen Phänomenen, wie der Übernahme der Regie, einer
Hauptfigur oder dem übergeordneten Genre, zustande gekommen sind. Außerdem handelt es
sich bei allen kommentierten Filmen um die klassische Hollywood-Form, die grundsätzlich
eine Dauer von ca. 90 Minuten aufweist. In dieser Hinsicht hat der serielle Charakter von The
Walking Dead ab 2010, als die erste Staffel ins Fernsehen kam, viele Fans begeistert und im
Handumdrehen überzeugt, dass mit dem Stoff noch viel mehr erreicht werden kann, was
Dramaturgie, Narration und Aufbau, Komplexität und Tiefe der diegetischen Welt und der
Figuren anbelangt. Es ist die serielle Struktur, die neue Türen für die Filmemacher öffnet und
ihnen erlaubt, mit den Überlebenden, den Zombies und den hervorragend aufgebauten
Settings Großes im und für das Genre zu leisten. In diesem Zusammenhang spricht man von
einer neuen Art Fernsehen.
4.1. Die Rolle der Wiederholung und des Seriellen
Wie im vorherigen Kapitel bewiesen, verfügt The Walking Dead als 'Quality TV' über
komplexe Mechanismen, die das serielle Erzählen ermöglichen. Es ist von einem Komplex
die Rede, wenn die Mechanismen bzw. die Instrumente, die in den einzelnen Serienformen
(Episoden-, Fortsetzungsserie und Soap Opera) benutzt werden, bei hybriden Serien
zusammenkommen und zusammen funktionieren sollen. Im Folgenden soll dieses
Zusammenspiel genauer unter die Lupe genommen werden. Weil es einen höheren Grad der
32
In: 28 Months Later: Sequel zum Endzeitfilm 28 Weeks Later soll kommen.
http://www.kino.de/film/28-weeks-later-2007/news/28-months-later-sequel-zum-endzeitfilm-28-weeks-later-
soll-kommen/

15
Komplexität aufweist und die Prozesse innerhalb der Serien zeitlich und narrativ beeinflusst,
ist es notwendig zu untersuchen, wie die Vergemeinschaftung im Hintergrund der Aspekte der
Wiederholung dargestellt wird. Es soll dadurch zuerst einmal rein strukturell festgestellt
werden, inwiefern sie für die sich über fünf Staffeln hindurch erstreckende Narration von
Bedeutung ist.
Wenn sich eine Produktion als erfolgreich durchsetzt, spiegelt sich dies vor allem in
Einschaltquoten, Zuschauerzahlen, Werbeeinnahmen und gute Rezeption wider. Daraus
ergeben sich gute ökonomische Voraussetzungen für ihre Verlängerung, sprich für die
Produktion einer neuen Staffel. Da jede Serie eine bestimmte Zielgruppe von ZuschauerInnen
anstrebt, die je nach Beruf, Alter und Ausbildung unterschiedliche Interessen zeigen, wird von
den Filmemachern und Produzenten der Versuch unternommen, sie als konstante
ZuschauerInnen an der Serie zu binden. Sollte dies gelingen, hätte die Serie eine gute
Ausgangsposition, um diese Fandoms als Sprungbrett für das Drehen künftiger Folgen zu
nutzen und die diegetische Welt in Bezug auf Figurenentwicklung, Settings, narrative
Strukturen und Komplexität weiter auszubauen. Bemerkbar macht sich, so Creeber und Allen,
das Streben nach einer offenen Form:
[...] part of the appeal of serialisation lies in the ability to construct 'open' rather than 'closed' narrative
forms. While the single play tends to have a clearly defined narrative trajectory, like soap opera the
continuous nature of serial drama means that resolution is frequently delayed, conclusion is evaded and
the neat tying up for all major storylines generally avoided. [...] It is this 'paradigmatic complexity'
33
that has inspired so much serial drama, helping it to expand and redefine the narrative horizons of
television fiction as a whole.
34
Es etablieren sich also Strukturen, die die Offenheit und die potentielle Unendlichkeit der
Narration begünstigen. Die einzelnen Handlungen, die sich aus der Zopfdramaturgie ergeben,
sorgen ihrerseits dafür, dass der Rahmen der bisherigen Strukturen der Serien aus den 1970er
bis hin zu den 90er-Jahren, gesprengt wird. Den diegetischen Kosmos einer hybriden Serie
umfasst Creeber mit den Begriffen 'long-form drama' und 'megamovie'. Er sieht ganz klare
Tendenzen für die Entwicklung der Serienform 'Single Play'
35
hin zu einem 'megamovie':
33
Unter 'paradigmatical complexity' versteht sich ,,how particular events effect the complex network of
character relationships". Diesen Begriff übernimmt Creeber von Robert C. Allen (1995: 7-8).
34
Creeber, S. 4.
35
Das 'Single Play' beschreibt Creeber als ,,'One-off' drama that begins and ends within a single episode."

16
The progression from single play to 'megamovie' has not been without its problems or loses, but surely
this time is now ripe to celebrate the generic hybridity of television drama in the contemporary age, and
to take stock of its enormous achievements and remarkable possibilities.
36
Die erste Staffel von The Walking Dead besteht aus nur sechs Folgen und bildet somit auch
das kleinste Korpus der Serie. Aufgrund des großen Erfolgs haben sich die Filmemacher und
Produzenten rund um Robert Kirkman und Gale Anne Hurd geeinigt, weiter zu drehen. So
sind die folgenden Staffeln immer wieder um neue Folgen erweitert worden: Staffel Zwei
besteht aus 13 und die restlichen ­ immer aus 16 Folgen. Auf der Basis von diesen Angaben
kann man von einer Unsicherheit bzw. Vorsichtigkeit beim Start der Serie sprechen, die sich
im Nachhinein allerdings als unbegründet herausgestellt hat. Im Angesicht der enormen
Popularität, die The Walking Dead in den letzten sechs Jahren erlangt hat, sticht die
ökonomische Entscheidung für das Drehen von zuerst nur sechs Folgen hervor. Die Worte der
Produzenten selbst können dies nur bestätigen, denn die meisten waren von dem großen
Erfolg positiv überrascht. Im Sinne Creebers kann man hier von einer typischen Entwicklung
eines 'megamovies' reden: damit wird zwar nicht unbedingt ab der ersten Staffel gerechnet,
doch aufgrund der guten Dramaturgie und des Know-Hows, wie das Interesse des Publikums
aufrechtzuerhalten ist, entsteht ein sehr umfangreiches Werk, das über mehrere Staffeln und
Jahre hinausgeht und zu einem festen Bestandteil der Serienlandschaft wird.
4.2. Struktur von The Walking Dead
Nun stellt sich die Frage, wie diese Tendenzen auf die Vergemeinschaftung der Menschen
und die Probleme, die dabei entstehen, aus struktureller Sicht Einfluss nehmen können.
An dieser Stelle soll zuerst die Innovation der Serie miteinbezogen werden, die dem Subgenre
des Zombiefilms in einer seriellen Form ein Zuhause gibt. Dies schafft beste Voraussetzungen
dafür, den Plot samt allen seiner Haupt- und Nebenhandlungsstränge langfristig und nachhaltig
zu entfalten und immer komplexer zu gestalten. Dies liegt vor allem an der Möglichkeit,
umfangreiche Staffeln produzieren zu können, die viele Folgen enthalten. So kommt man bis
zum Schluss der fünften Staffel auf insgesamt 67 Folgen. In Stunden umgewandelt, wären das
zwei komplette Tage Fernsehen ohne Unterbrechungen. Es handelt sich also um ein sehr
weitreichendes Werk, dessen Zeitumfang es erlaubt, politische, soziologische und narrative
Strukturen auf Dauer zu erwägen und sie erzählerisch besser durchsetzen zu können, als dies im
Rahmen eines klassischen TV-Blockbusters möglich gewesen wäre.
36
Creeber, S. 15.

17
Da The Walking Dead Merkmale von mehreren Serienformen vereint, ist ihre
Zusammenwirkung anhand von Beispielen spannend zu verfolgen. Wie in der Episodenserie,
ist auch hier eine gewisse Abgeschlossenheit des Handlungsstrangs bzw. der
Handlungsstränge zu beobachten. So handelt die Folge Guts
37
davon, wie die neugebildete
Gruppe, die Rick informal anführt, das große Einkaufszentrum in Atlanta verlassen soll, ohne
von den Zombies auf der Straße bemerkt zu werden. Eine Herausforderung anderer Art muss
sich die Gruppe in Vatos
38
stellen, als Glenn von den auf den ersten Blick aggressiv
aussehenden Lateinamerikanern entführt wird. Seine Freunde sehen sich dann vor die
Aufgabe gestellt, ihn zu retten und zurück in das Camp zu bringen. Beide Missionen gelingen.
Diese zwei Haupthandlungsstränge werden innerhalb der beiden Episoden zu Ende erzählt
und dementsprechend auch endgültig abgeschlossen. Die Flucht aus dem Einkaufszentrum ist
erfolgreich gewesen und auf die Vatos trifft Ricks Gruppe im Laufe der kommenden Staffeln
überhaupt nicht mehr. Doch von ihren abwechselnden Mitgliedern wird stets verlangt,
derartige Schwierigkeiten durchzustehen, um nach vorne zu ziehen. Auch wenn die beiden
Folgen diese Geschehnisse in sich abschließen, gehört ihr Charakter zu einer großen Gruppe
von ähnlichen Vorkommnissen: geflohen wird quasi die ganze Zeit (am Beispiel des
Einkaufszentrums): die ProtagonistInnen fliehen aus dem Gefängnis, aus Woodbury, aus
Terminus, aus der Kirche etc. In diesem Sinne wiederholt sich ihre Flucht immer und immer
wieder. Unterschiedlich sind dabei die Settings, die Umstände, die zeitliche Dimensionen und
zum Teil auch das Figurenensemble.
Dasselbe trifft auf Glenns Entführung zu: im Laufe der Serie werden auch noch Andrea,
Magie, Hershel, Beth oder Bob von diversen Feinden oder außenstehenden Figuren bzw.
anderen Gemeinschaften entführt. Selbst Daryl, der einer der stärksten Kämpfer und
Charaktere ist, wird in Made to suffer
39
vom Governor erfasst und in Woodbury als Geisel
genommen. Später nutzt ihn der Governor für seine eigenen Zwecke, um ihn als die ,,Gefahr
von Außen" für seine Leute darzustellen und auf diese Weise die Unmöglichkeit, Herr der
Lage zu sein, zu verbergen. Immerhin wird bei allen Entführungen der Eindruck hinterlassen,
dass die Gruppe immer zusammenhält, unabhängig von der aktuellen Gefahr, in der sie
schwebt. Glenn und Magie werden durch eine gut geplante Rettungsaktion zurück ins
Gefängnis gebracht und Daryl findet allein den Weg zurück. Auch wenn Hershel und Beth
nicht gerettet werden können, und bei dem Versuch zu fliehen untergehen, geben die Anderen
nicht auf und lassen beide nicht in Stich, sondern gehen ein großes Risiko ein, um sie zu
befreien. Im Fall von Hershel, der vom Governor umgebracht wird, riskiert Rick mit seiner
37
Staffel 1, Folge 5, Guts. Regie: Michell MacLaren. AMC, 2010.
38
Staffel 1, Folge 4, Vatos. Regie: Johann Renck. AMC, 2010.
39
Staffel 3, Folge 8, Made to suffer. Regie: Billy Gierhart. AMC, 2012.

18
Entscheidung ihm zu helfen, das Gefängnis, das zu dieser Zeit der einzige sichere Ort ist, den
er und seine Leute haben. Wegen seiner Entscheidung wird es aber, infolge einer Schlacht,
zerstört. Beth wird im Grady-Memorial-Hospital von der Polizistin Dawn erschossen. Auch
hier geraten die Überlebenden in große Gefahr, aber eine potentielle Schießerei findet
schließlich doch nicht statt.
Bei genauerer Beobachtung kann man in diesem Sinne von bestimmten Handlungsmustern
reden, die sich in der einen oder anderen Form stets wiederholen. Aufgrund der Verfügbarkeit
über mehrere Folgen, fällt es den Filmemachern leichter, eine Reihe von bestimmten
Prozessen, wie die oben erwähnten, als durchgängig und konstant zu etablieren. Sie sind
wichtige Faktoren dafür, die Versuche zur Vergemeinschaftung übersichtlich darzustellen.
Diese einzelnen Versuche, auch wenn einige gescheitert sind, sind klare Beweise für die
Vergemeinschaftung in The Walking Dead. Es ist derweilen unmöglich, in solch einer Welt
allein unterwegs zu sein und gegen alle auf Kriegsfuß zu stehen. Das ist der wichtigste Grund,
warum die Menschen immer wieder zueinander finden (wollen): in einer Gemeinschaft hat
man auf Dauer viel bessere Überlebenschancen. Infolge dessen ergeben sich auch intimere
Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gruppe: Freundschaft, Dankbarkeit oder sogar
Liebe und Partnerschaft entstehen als Folge des Zusammenlebens. Und sie kommen dann
zustande, wenn man Krisen zusammen mit anderen überlebt. ,,Krise" ist nämlich ein
Schlüsselwort hier, weil die Krisen in The Walking Dead gang und gäbe sind. Ihre
mehrmalige Überwältigung und die Erfahrungen, die daraus resultieren, machen die
Überlebenden rund um Rick Grimes zu einer starken Gemeinschaft, die es pflegt, gegen
Zombies und Menschen zusammen zu kämpfen.
Dadurch, dass der Serie potentielle Unendlichkeit zugeschrieben wird, was mit anderen
Worten ein umfangreiches Werk bedeutet, kann man es sich leisten, viel Wert auf die
Beziehungen bzw. auf die Konflikte zwischen den einzelnen Individuen in (Ricks) Gruppe zu
legen. Von Vergemeinschaftung kann man dann sprechen, wenn sich jedes Individuum
danach strebt und sich es zum Ziel macht, mit anderen zusammen zu handeln. Dank der
Mehrzahl der Folgen, entpuppt sich die Möglichkeit, die Verhältnisse zwischen allen
Überlebenden genau und sehr intensiv zu schildern: Wer wen liebt, wer wen hasst und welche
Figuren gut befreundet sind. Es ergeben sich durch das breite Spektrum der Akteure Probleme,
bei der Inszenierung dieser Verhältnisse um in einem Zombie-Spielfilm ins Detail zu gehen.
In diesem Sinne trifft hier der Begriff des 'megamovies' von Creeber ideal zu. Das Publikum
von The Walking Dead ist sogar gewohnt, immer neue Einblicke ins private Leben der
Figuren vermittelt zu bekommen. Es ist zwar dieses große Konstrukt der Gemeinschaft, das
analysiert wird, doch wie bereits erwähnt, entsteht es aus den kleineren Prozessen innerhalb

19
dieser Gemeinschaft. So ergeben sich viele untergeordnete Handlungsstränge, die die
parafamiliären Beziehungen innerhalb der Gruppe behandeln. Als solche können die Vater-
Sohn bzw. Vater-Tochter-Beziehung, Liebesbeziehung, die Entwicklung einer guten
Freundschaft oder auch die Verhältnisse zwischen Familienmitgliedern angesehen werden.
Beispiele hierfür gibt es viele, sie sind vor allen Dingen von dem Figurenpersonal abhängig.
Da The Walking Dead über einen festen Cast verfügt, werden betont Bezüge unter ihnen
hergestellt: Rick-Carl, Hershel-Beth-Magie, Hershel-Glenn, Carol-Daryl erweisen sich als
zentrale Paare in den oben genannten Relationen. Auf sie wird von Folge zu Folge näher
eingegangen und so werden die Charaktere unmittelbar vor den Augen der ZuschauerInnen
langsam ausgebaut und um neue Züge, seien sie positiv oder negativ, erweitert.
Für die Durchsetzung dieses Eindrucks spielen der serielle Charakter und die variable
Wiederholung bestimmter Handlungsmuster eine sehr große Rolle. Sie machen für die
ZuschauerInnen einen erheblichen Unterschied aus im Vergleich zu einem 90-minütigen
Spielfilm aus diesem Subgenre, bei dem man sich als Regisseur und Drehbuchschreiber in
einem anderen Rahmen befindet, was Zeit, Dramaturgie und Etablierung der diegetischen
Welt anbelangt. Charaktere können zwar auch innerhalb von neunzig Minuten gut entwickelt
werden, aber die Serie weist einen deutlich höheren Komplexitätsgrad auf. Er kann dazu
verhelfen, Prozesse in der Diegese über Staffeln hindurch zu verfolgen und sie viel
detaillierter und mit Akzent auf bestimmten Elementen zu inszenieren. So bekommt das
Publikum, das regelmäßig die Serie verfolgt, durchaus tiefe und intime Einblicke ins Leben
der ProtagonistInnen und wird mit ihnen und der Welt, in der sie sich befinden, immer
vertrauter. Es geht um ein absichtliches Schaffen einer familiären Atmosphäre, an die sich das
Publikum auch anpasst und in einer neuen Folge etwas bereits Bekanntes erkennt und es mit
einem Artefakt oder Ereignis von vorherigen Episoden assoziieren kann.
4.3. Staffelstruktur von The Walking Dead
Wie bereits erwähnt, weisen die Staffeln der Serie eine unterschiedliche Anzahl von Folgen
auf. Man kann davon ausgehen, dass die Struktur, die sich ab der dritten Staffel durchsetzte,
am passendsten und aus dramaturgischer Sicht sehr ergiebig ist. Die Konstellation und die
Anzahl der Folgen der ersten und der zweiten Staffel weichen von dieser Struktur ab.
Rick Grimes und seine Gruppe sind sich in den ersten Tagen der Apokalypse nicht im Klaren,
wonach sie eigentlich suchen sollen und wie sie mit der neuen Situation umgehen müssen.
Auf die Idee, sich auf die Suche nach einem sicheren Ort zu begeben, was auch zu ihrem

20
Hauptziel wird, kommen die Überlebenden erst zum Schluss der ersten Staffel. Das ist ein
einleuchtender Grund dafür, dass innerhalb der ersten sechs Folgen keine festen Settings
konzipiert sind, die mehrere Episoden überdauern können. Dies geschieht zum ersten Mal in
Bloodletting
40
. Etabliert wird ab dieser Folge bis zum Staffelfinale, die Farm der Familie
Green. Nachdem Carl aus Versehen vom Jäger Otis, der eigentlich einen Hirsch im Visier
hatte, angeschossen wird, wird dieser von seinem Vater in die Farm gebracht. Dort kümmert
sich der Tierarzt und Besitzer des Gutes Hershel Green um ihn und bringt ihn aus der Gefahr.
Die endgültige Struktur der Serie findet sich erst in der dritten Staffel und setzt sich durch. So
werden die vorherigen 13 Folgen aus Staffel zwei um drei weitere ergänzt. Ihre Zahl beträgt
somit 16 Folgen. Als Neuerung wurde das so genannte Mid-Season Finale oder Finale mitten
in der Staffel eingeführt, was bisher nicht möglich gewesen war. Zum einen wurde es dadurch
verhindert, dass sich die Produzenten zu Sendebeginn nur für sechs Folgen entschieden hatten.
Vom Umfang her wäre es eine schlechte Idee gewesen bei so wenigen Episoden eins
einbauen zu wollen. Das Finale wäre nach der dritten Folge eingetreten und so wärem zwei
Teile aus jeweils drei Episoden entstanden, was in Hinblick auf den seriellen Charakter nicht
berücksichtigt werden konnte, da alles zu kurz gekommen wäre. Als dramaturgische
Entscheidung wäre es zum anderen schon wieder ein schlechter Einfall, schon die erste Staffel
mit einem Mid-Season Finale zu versehen. Sie dient viel mehr dazu, die Welt der Charaktere
und die Hindernisse, die sie überwinden müssen, in Szene zu setzen und für die
ZuschauerInnen so einzuführen, dass sie sich angesprochen fühlen. Auch für den Aufbau der
bisher erzeugten Spannung hätte ein Mid-Season-Finale bereits in der ersten Staffel eine
negative Wirkung gehabt, da sie aufgrund der Unbekanntheit der Akteure und der Diegese
noch nicht wirklich existiert.
Vom Erfolg des Starts ermutigt, können die Serienverantwortlichen zwar doppelt so viele
Folgen drehen wie zuvor, doch haben sie nicht den gleichen Aufbau wie der, der später
etabliert wird. Dadurch, dass das Mid-Season Finale bei der Erstausstrahlung auf AMC im
November 2011 zum Schluss von Folge 7 kommt, werden die restlichen sechs erst am 12.
Februar 2012 übertragen. Dadurch wirkt die narrative Dichte der zwei Blöcke nicht wirklich
regelmäßig verteilt: Es entsteht eher der Eindruck, dass in Teil Zwei viel mehr Relevantes
passiert, während die Figuren sich in den ersten sieben Episoden oft ziellos auf Greens Gut
aufhalten.
40
Staffel 2, Folge 2, Bloodletting. Regie: Ernest Dickerson. AMC, 2011.

21
Ab der dritten Staffel sieht ihr strukturelles Gerüst folgendermaßen aus: Sie soll aus 16
Folgen bestehen, nach der achten Folge ist ein Höhepunkt geplant, der die hohe Spannung
und das Interesse des Publikums aufrechterhalten kann
41
. Dadurch ergibt sich ein Cliffhanger,
der als ein Übergang zu dem zweiten Teil der Staffel fungieren soll
42
. Dies wird in allen
darauffolgenden Staffeln übernommen.
Man kann von einem festen Rahmen sprechen, der mit der story gefüllt werden soll. Dieser
Rahmen verfügt über drei tragende Säulen, die die Staffel in die bereits beschriebenen zwei
großen Blöcke teilt: Block Eins umfasst Folge 1 bis Folge 8 und Block Zwei umfasst Folge 9
bis Folge 16. Mit den drei tragenden Säulen sind die erste, die achte und die letzte Folge jeder
Staffel gemeint. Das sind die Schlüsselstellen, bei denen:
· Lösungen von bestimmten Problemen und Konflikten angeboten werden, bzw. wo sie
entstehen;
· Die Protagonisten etwas verlieren, was für ihre Existenz von großer Bedeutung ist.
Beispielsweise einen bisher geschützten Ort oder eine Zivlisationszone, ihre Hoffnung
oder ihren Kampfgeist;
· Wichtige Figuren sterben;
· Ein neuer Anfang gewagt oder ein zentrales Kapitel vom Leben der Akteure
abgeschlossen wird.
Im Großen und Ganzen sind an den Schlüsselstellen die Turnings Points angesiedelt. Es
handelt sich dabei um Ereignisse, die entscheidende Einflüsse auf das Leben der Akteure
haben können und ihre Schicksale in eine neue Richtung lenken.
Strukturell betrachtet sind die Schlüsselpunkte auch deswegen von großem Belang, da diese
Folgen mit bedeutenden Informationen versehen sind. Es werden Hinweise für
möglicherweise künftig entstehende Schwierigkeiten gegeben, sowie Tendenzen angedeutet,
in welche Richtung der eine oder andere Handlungsstrang sich entwickeln könnte. Sie werden
in den darauffolgenden Episoden, die zwischen den Turning Points liegen, weiter entfaltet.
41
Auch Staffel 7, die als letzte geplant wird und deren Pilotfolge im Oktober 2016 übertragen werden soll,
soll über 16 Episoden verfügen.
42
Je nach der Übertragungsform und dem Medium, die die ZuschauerInnen benutzen, um den Film zu
sehen, ergeben sich einige dimensionale Unterschiede. Sie betreffen die Zeit der Premiere, also der ersten
Ausstrahlung der neu erschienenen Staffel. Bisher wurde Folge 8, zu deren Schluss das Mid-Season Finale
ansteht, immer am ersten oder am zweiten Dezembertag ausgestrahlt. Um von der Fortsetzung erfahren zu
können, was als Nächstes geschieht, muss man zwei Monate bis Anfang Februar warten, wenn die neunte Folge
übertragen wird. Daraus resultiert ein Zeitfenster, das sich nach dem Cliffhanger aufmacht, um dann im Februar
neu aufgenommen zu werden. Für die NutzerInnen, die sich allerdings für eine DVD entschieden haben, gibt es
dieses Phänomen nicht, es bleibt nur bei der Übertragung der Premiere bestehen bzw. auch wenn man die
Premiere auf einer Online-Plattform verfolgt.

22
Die Konflikte werden zugespitzt, bis es zu ihrer Eskalation im Mid-Season bzw. im Finale am
Ende kommt. Um dies besser veranschaulichen zu können, wird folgendes Schema benutzt,
das die Hauptgeschehnisse an den Schlüsselstellen in Staffel Drei schildert. In der Pilotfolge
wird zunächst das neue Setting des Gefängnisses eingeführt: Mit einem guten Plan säubern es
die Protagonisten von den Zombies und versuchen dabei, sich möglichst wenigen Gefahren
auszusetzen. Nach seiner spektakulären Präsentation spielt das Setting des Gefängnisses eine
sehr bedeutende Rolle für die Serie, da es zum Schauplatz von mehreren Geschehnissen,
Schlachten und sogar von der Geburt von Lori wird. Es entwickelt sich, auch angesichts der
brillanten Inszenierung
43
, zu einem echten Kultort.
Im Laufe dieser Säuberung wird Hershel angegriffen und am Bein gebissen. Rick reagiert
umgehend und verwendet seine Axt, die in der Regel dem Töten von Zombies dient, als
ärztliches Utensil, um ein Bein zu amputieren. Da Hershel infolge dessen viel Blut verliert,
schwebt er in großer Lebensgefahr. Dies wird danach in jeder Folge stark thematisiert und
immer wieder neu aufgegriffen. Ein anderer Erzählstrang, der in der Pilotfolge angedeutet
wird und sich später als ernster Konflikt entpuppt, handelt von den fünf Häftlingen, die sich
nach den ersten Anzeichen von Chaos im Lagerraum verschanzt haben. Die
Auseinandersetzung mit ihnen zieht sich durch die komplette Staffel hindurch und wirft eine
Reihe fundamentaler Fragen auf: Darf man eine zweite Chance im Leben bekommen? Kann
man Fremden vertrauen? Sind alle Verurteilten schuldig und gefährlich? All diese Fragen
werden im Laufe der Serie angesprochen und teilweise auch beantwortet.
43
Es wird zu diesem Anlass viel spekuliert, wo die Dreharbeiten genau stattgefunden haben. An einigen
Stellen im Netz oder auch in der Fachliteratur oder Filmguides wird auf die Fassade von West Georgia
Correctional Facility verwiesen. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass große Teile des Sets im Hinterhof des
Produktionsstudios Riverwood in Senoia, Georgia nach dem Beispiel des Gefängnisses im Kirkmans Comicheft
aufgebaut wurden.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783961161003
ISBN (Paperback)
9783961166008
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bayreuth – Literatur und Medien
Erscheinungsdatum
2017 (März)
Note
1,9
Schlagworte
Medien Film Apokalypse Philosophie The Walking Dead TV-Serie Serie Zombies Germanistik Naturzustand Hobbes Locke
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Titel: Naturzustand nach der Zivilisation. Vergemeinschaftung und ihre Probleme in Zeiten der Zombie-Apokalypse
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