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Der Wandel der Wirtschaft in eine Postwachstumsökonomie und die sich daraus ergebenen Konsequenzen

©2014 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Unser Wohlstand beruht auf Wirtschaftswachstum und nur weiteres Wirtschaftswachstum garantiert Wohlstand, so lautet eine gängige Meinung. Daher wird das Wirtschaftswachstum von Vielen vehement verteidigt. So auch im neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD in dem die Förderung des Wirtschaftswachstums vor allen anderen Punkten genannt wird. Jahrzehntelanges Wachstum hat den Bewohnern der Industrienationen in der Tat materiellen Wohlstand gebracht, gleichwohl befinden sich noch immer Milliarden Menschen, insbesondere in den Entwicklungsländern, in größter Armut. Kann demnach nur weiteres Wirtschaftswachstum diesen Menschen zu mehr Wohlstand verhelfen?

In den reichen Ländern geht es allerdings längst nicht mehr darum, die Grundbedürfnisse der Bewohner zu befriedigen. Die Gier nach immer mehr Luxus hat hier die Oberhand gewonnen. Die Konsequenzen dieser Wohlstandsmehrung werden jedoch beharrlich ausgeblendet. Bedingt durch die rücksichtslose Externalisierung der Kosten nehmen die ökologischen Schäden immer weiter zu. Daher ist dieses alte Zitat von Mahatma Gandhi aktueller denn je: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Zudem werden die Menschen der armen Länder mit Hungerlöhnen abgespeist, ein Ausweg aus der Armut ist für die Meisten reine Utopie. Eine Abkehr von einer auf Wachstum basierenden Wirtschaft und ein grundlegender Wertewandel scheinen zwingend notwendig.

Die Welt steckt folglich in einem Dilemma: Tatsächlich könnte ein Wirtschaftswachstum den Dritte-Welt-Ländern helfen aus dieser Armutsfalle zu entfliehen und an die reichen Nationen anzuschließen. Doch aufgrund der zunehmenden Umweltverschmutzung ist ein zusätzliches Wachstum als kritisch zu beurteilen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte für die Industrienationen die Postwachstumsökonomie darstellen. Diese postuliert als eine der Kernbestandteile neben einem Wachstumsstopp den Konsumverzicht. Diese und weitere Konsequenzen einer Postwachstumsökonomie werden im Laufe der Arbeit erörtert werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


7.1.1 Forcierung einer nachhaltigeren und lokaleren Wirtschaftsweise ... 30
7.1.2 Arbeitszeitverkürzung ... 31
7.2 Politische Konsequenzen ... 33
7.2.1 Steuerreformen ... 33
7.2.2 Umbau des Wirtschaftssystems ... 34
7.3 Konsequenzen für die Gesellschaft ... 35
7.3.1 Subsistenz ... 36
7.3.2 Suffizienz ... 37
7.3.3. Stärkung der Gemeinschaft ... 38
8. Fazit ... 38
Literaturverzeichnis ... III
Internetquellen ... V
Anhang ... VII

I
Abkürzungsverzeichnis
Abb. - Abbildung
BIP ­ Bruttoinlandsprodukt
bspw. ­ beispielsweise
bzgl. - bezüglich
etc. ­ et cetera
o.Ä. ­ oder Ähnliches
sog. - sogenannte
u.a. ­ unter anderem
z.B. ­ zum Beispiel
z.T. ­ zum Teil

II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Preisbereinigtes Wirtschaftswachstum im Bundesgebiet Deutschland in den
Jahren 1950 bis 2013. ... 6
Abbildung 2:
Wachstum des realen BIP nach Ländergruppen in den Jahren 2012-2016. ... 7
Abbildung 3:
Produktionsfunktion ... 10
Abbildung 4:
Kondratieffzyklen ... 14
Abbildung 5:
Lebenserwartung bei der Geburt in Jahren. ... 17
Abbildung 6:
Erwartete Anzahl an Ausbildungsjahren ... 18
Abbildung 7:
Der ökologische Fußabdruck der Menschheit im Vergleich zur ökologischen
Tragfähigkeit der Erde ... 20
Abbildung 8:
Was bedeutet Glück? ... 24
Abbildung 9:
Nachhaltige Entwicklung ... 27
Abbildung 10:
Aufteilung der Arbeitszeit in einer Postwachstumsökonomie. ... 32

1. Einleitung
Seite | 1
1. Einleitung
Unser Wohlstand beruht auf Wirtschaftswachstum und nur weiteres Wirtschaftswachs-
tum garantiert Wohlstand, so lautet eine gängige Meinung. Daher wird das Wirt-
schaftswachstum von Vielen vehement verteidigt. So auch im neuen Koalitionsvertrag
von CDU/CSU und SPD in dem die Förderung des Wirtschaftswachstums vor allen
anderen Punkten genannt wird.
1
Jahrzehntelanges Wachstum hat den Bewohnern der
Industrienationen in der Tat materiellen Wohlstand gebracht, gleichwohl befinden sich
noch immer Milliarden Menschen, insbesondere in den Entwicklungsländern, in größter
Armut. Kann demnach nur weiteres Wirtschaftswachstum diesen Menschen zu mehr
Wohlstand verhelfen?
In den reichen Ländern geht es allerdings längst nicht mehr darum, die Grundbedürfnis-
se der Bewohner zu befriedigen. Die Gier nach immer mehr Luxus hat hier die Ober-
hand gewonnen. Die Konsequenzen dieser Wohlstandsmehrung werden jedoch beharr-
lich ausgeblendet. Bedingt durch die rücksichtslose Externalisierung der Kosten neh-
men die ökologischen Schäden immer weiter zu. Daher ist dieses alte Zitat von Mahat-
ma Gandhi aktueller denn je: ,,Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber
nicht für jedermanns Gier."
2
Zudem werden die Menschen der armen Länder mit Hun-
gerlöhnen abgespeist, ein Ausweg aus der Armut ist für die Meisten reine Utopie. Eine
Abkehr von einer auf Wachstum basierenden Wirtschaft und ein grundlegender Werte-
wandel scheinen zwingend notwendig.
Die Welt steckt folglich in einem Dilemma: Tatsächlich könnte ein Wirtschafts-
wachstum den Dritte-Welt-Ländern helfen aus dieser Armutsfalle zu entfliehen und an
die reichen Nationen anzuschließen. Doch aufgrund der zunehmenden Umweltver-
schmutzung ist ein zusätzliches Wachstum als kritisch zu beurteilen. Einen Ausweg aus
diesem Dilemma könnte für die Industrienationen die Postwachstumsökonomie darstel-
len. Diese postuliert als eine der Kernbestandteile neben einem Wachstumsstopp den
Konsumverzicht. Diese und weitere Konsequenzen einer Postwachstumsökonomie wer-
den im Laufe der Arbeit erörtert werden.
1
Vgl. Bundesregierung: Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode, S. 13.
2
Zitate für Manager (2000), S. 13.

1. Einleitung
Seite | 2
Doch zunächst einmal sollen in Kapitel zwei der Begriff Postwachstumsökonomie und
die Unterschiede zu der heutigen Wirtschaftsweise verdeutlicht werden.
Gegenstand von Kapitel drei ist das Bruttoinlandsprodukt als wichtigste Messgröße für
die Wirtschaftstätigkeit einer Nation und dessen Entwicklung. Daraus ableitend ergibt
sich das Wirtschaftswachstum. Ebenfalls in Kapitel drei wird die in letzter Zeit immer
größer werdende Kritik an dem Bruttoinlandsprodukt und die verschiedenen Messwei-
sen behandelt werden.
Kapitel vier beschreibt ausführlich, welche Treiber die Wirtschaft zum Wachsen anre-
gen und versucht ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu erläutern. Es wird detail-
liert auf die Produktionsfunktion und deren Faktoren eingegangen. Neben der Produkti-
onsfunktion werden in diesem Kapitel drei weitere Einflussgrößen für das Wirtschafts-
wachstum aufgezeigt und beschrieben.
Das anschließende Kapitel fünf zeigt Gründe für und wider einer Postwachstumsöko-
nomie auf. Dabei wird klar werden, dass das bisherige Wirtschaftswachstum mit einer
massiven Externalisierung der Kosten auf die Umwelt einherging, dessen Folgen wir im
Moment immer mehr zu spüren bekommen. Ebenfalls wird deutlich werden, dass nicht
das Streben nach immer mehr materiellen Konsum uns Glück verspricht, sondern ande-
re Dinge für unser Glück verantwortlich sind. Zudem wird aufgezeigt werden, dass der
New Green Deal keinen Ausweg auf das oben genannte Dilemma darstellt. Gleichwohl
wird auf die Fürsprecher eines steten Wirtschaftswachstums eingegangen, die konstatie-
ren, dass Wirtschaftswachstum sehr wohl für Wohlstand verantwortlich ist.
Kapitel sechs zeigt zwei Ansatzpunkte einer Postwachstumsökonomie auf: Sie sollte
zum einen eine nachhaltige Wirtschaftsweise zum Gegenstand haben, zum anderen eine
Konsumreduktion beinhalten.
Den Grundlagen einer Postwachstumsökonomie und deren vielfältigen Konsequenzen
wird sich in Kapitel sieben gewidmet. Dabei wird klar werden, dass in einer Postwachs-
tumsökonomie nicht nur die Wirtschaft vor großen Umwälzungen stehen wird, ebenso
sind Politik und Gesellschaft von großen Umstellungen betroffen. Letztere wird sich
bspw. mit einem drastisch verminderten Konsumverhalten arrangieren müssen.
Kapitel acht rundet die Arbeit abschließend mit einem prägnanten Fazit ab.

2. Begriffsklärung Postwachstumsökonomie
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2. Begriffsklärung Postwachstumsökonomie
Gegenstand dieser Arbeit ist ein Wandel der Wirtschaft in eine Postwachstumsökono-
mie. Daher soll zunächst geklärt werden, welche Unterschiede eine Postwachstumsöko-
nomie zu unserer heutigen Wirtschaftsweise auszeichnen. Niko Paech liefert dafür eine
treffende Formulierung: ,,Als ,Postwachstumsökonomie` wird eine Wirtschaft bezeich-
net, die ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts über stabile, wenngleich mit einem
vergleichsweise reduzierten Konsumniveau einhergehende Versorgungsstrukturen ver-
fügt."
3
Eine der beiden Kernaussagen der obigen Definition ist, dass eine Postwachstums-
ökonomie kein Wachstum des BIP beinhaltet. Dies ist insofern von großer Bedeutung,
da im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass ein Anstieg des realen BIP eine
Wohlstandserhöhung für die Menschen impliziert (vgl. Kapitel 3.1, S. 4-5). Im Um-
kehrschluss bedeutet dies, dass eine Abnahme des Wirtschaftswachstums ceteris paribus
negative Auswirkungen auf den Wohlstand der Menschen haben müsste.
Deswegen scheint es widersprüchlich, dass Nico Paech in einer Postwachstumsökono-
mie von stabilen Versorgungsstrukturen spricht. Diese zweite Kernaussage verknüpft
Paech daher zugleich mit einem verminderten Konsumniveau, denn nur so kann bei
einem Nullwachstum ein stabiles Versorgungsniveau aufrechterhalten werden. Die zent-
rale Fragestellung in einer Postwachstumsökonomie lautet daher, ob und wie der mo-
mentane Lebensstandard ohne Wachstum gewährleistet werden kann.
Zweifellos muss eine Postwachstumsökonomie auch eine nachhaltige und ressourcen-
schonende Wirtschaftsweise implizieren, wie sie bspw. Tim Jackson fordert.
4
Nur so
kann eine absolute Entkopplung von Wirtschaftsleistung und Umweltbelastung erreicht
werden (vgl. Kapitel 5.2.1, S. 19-22). Die weiteren Konsequenzen einer Postwachs-
tumsökonomie und welche Maßnahmen auf Staat, Wirtschaft und die Gesellschaft zu-
kommen werden, wird im weiteren Verlauf der Arbeit erörtert.
Das nachfolgende Kapitel behandelt zunächst das Bruttoinlandsprodukt, welches für die
Wohlstandsmessung noch immer von zentraler Bedeutung ist.
3
Paech (2014), Grundzüge einer Postwachstumsökonomie
4
Vgl. Jackson (2011), S. 177-180.

3. Das Bruttoinlandsprodukt
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3. Das Bruttoinlandsprodukt
Das Bruttoinlandsprodukt, nachfolgend kurz BIP genannt, ist die derzeit am weitesten
verbreitete Messgröße für den Wohlstand einer Volkswirtschaft. In dem nachfolgenden
Kapitel wird zunächst die Begrifflichkeit erläutert und anschließend der Unterschied
von nominalen und realen BIP erklärt. Kapitel 3.2 geht anschließend auf die drei ver-
schiedenen Messweisen ein, während Kapitel 3.3 die Entwicklung des BIP im Laufe der
Jahre zeigt. Im letzten Kapitel dieses Abschnittes werden einige Kritikpunkte über das
BIP näher erläutert.
3.1 Begriffsklärung
Das BIP ist der Standard zur Messung der Leistung einer Volkswirtschaft. ,,Es ist der
gesamte Geldwert von allen Endprodukten und Dienstleistungen, die innerhalb der nati-
onalen Grenzen während einer Zeitperiode, normalerweise binnen eines Jahres, produ-
ziert werden."
5
Im Allgemeinen wird das BIP als das Maß für das Wohlergehen einer
Volkswirtschaft und ihrer Einwohner dargestellt, denn ,,der Lebensstandard eines Lan-
des hängt von der Fähigkeit ab, Waren und Dienstleistungen herzustellen."
6
Die Wohlstandsmessung erfolgt demnach über das BIP und wird in Geldeinheiten aus-
gedrückt. Görgens/Ruckriegel definiert Geld als ,,(..) ein standardisiertes Gut, mit dem
sich die Werte aller anderen Güter ausdrücken lassen (...)."
7
Der Wert des Geldes än-
dert sich im Laufe der Zeit, was mit dem Preisindex gemessen wird. Dieser bezieht sich
auf eine Reihe von Gütern einer Volkswirtschaft, bspw. auf den Warenkorb eines
durchschnittlichen 4-Personenhaushaltes, und drückt das allgemeine Preisniveau aus.
Steigt dieses an, so sinkt die Kaufkraft des Geldes. Diese Änderung nennt sich Inflation
und muss bei der Messung des realen BIP beachtet werden.
8
Das reale BIP kann wie folgt berechnet werden:
=
5
Stiglitz/Walsh (2008), S. 16.
6
Mankiw/Taylor (2012), S. 15.
7
Görgens/Ruckriegel (2007), S. 101.
8
Vgl. Siebert/Lorz (2007), S. 299.

3. Das Bruttoinlandsprodukt
Seite | 5
Der unangepasste Wert des BIP entspricht demnach dem nominalen BIP, während das
um das allgemeine Preisniveau korrigierte BIP dem realen BIP entspricht.
9
Die Betrachtung des realen BIP ist insofern von Bedeutung, da ein Anstieg des realen
BIP gleichzusetzen ist mit einem wirtschaftlichem Wachstum und dieses Wachstum
nach Mankiw/Taylor wiederum Wohlstandswachstum impliziert (vgl.
vorherige Sei-
te).
10
Im nachfolgenden Kapitel wird auf die drei verschiedenen Messweisen des Bruttoin-
landsproduktes eingegangen.
3.2 Die Messung des Bruttoinlandsproduktes
Das BIP kann auf dreierlei Arten berechnet werden, nach der Entstehungsrechnung, der
Verwendungsrechnung und der Verteilungsrechnung:
Bei der Entstehungsrechnung wird die wirtschaftliche Leistung aufgrund der
getätigten Produktion berechnet. Durch Abzug der Vorleistungen ergibt sich die Brut-
towertschöpfung jedes Wirtschaftsbereiches. Die Summe dieser Wertschöpfungen
ergibt dann das BIP.
11
Des Weiteren kann die Wirtschaftsleistung nach der im Produktionsprozess ent-
standenen Einkommen berechnet werden. Dies entspricht der Verteilungsrechnung,
die in Deutschland allerdings nicht explizit berechnet werden kann.
12
Die Verwendungsrechnung hingegen betrachtet alle getätigten Ausgaben in
einer Volkswirtschaft. Nachfolgende Identität zeigt auf, dass die Wirtschaftsleistung,
also der Wert aller produzierten Güter und Dienstleistungen, exakt den Ausgaben einer
Wirtschaft entspricht und umgekehrt:
Y C + I + G + NX
Das Y entspricht dem BIP und ist folglich die Summe aus den Konsumausgaben (C),
9
Vgl. Stiglitz/Walsh (2008), S. 16-19.
10
Vgl. Görgens/Ruckriegel (2007), S. 268.
11
Vgl. Bundesamt, S.331.
12
Vgl. ebd.

3. Das Bruttoinlandsprodukt
Seite | 6
den Investitionsausgaben (I), den Staatsausgaben (G) und den Nettoexporten (NX).
13
Im anschließenden Kapitel wird die Entwicklung des BIP in verschiedenen Ländern im
Laufe der Zeit betrachtet.
3.3 Die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes
Die Betrachtung der Entwicklung des BIP ist insofern von wesentlicher Bedeutung für
die Arbeit, da bereits in Kapitel 3.1, S. 4-5 deutlich gemacht wurde, dass ein Wachstum
des BIP eine Wohlstandsmehrung impliziert. Eine Abschwächung oder Stagnation des
BIP-Wachstums könnte daher zur Folge haben, dass der Wohlstand ebenfalls nicht wei-
ter wächst.
Demzufolge liefert eine Betrachtung der Entwicklung des BIP eines Landes eine Vor-
stellung davon, wie sich die Wirtschaft und somit der Wohlstand entwickelt haben.
Nachfolgende Abbildung zeigt die preisbereinigte Entwicklung des BIP im Bundesge-
biet Deutschland in den Jahren 1950-2013:
Abbildung 1:
Preisbereinigtes Wirtschaftswachstum im Bundesgebiet Deutschland in den Jahren
1950 bis 2013. Quelle: Statistisches Bundesamt, S. 315.
Die Wachstumsraten aus den Jahren 1950 bis 1970 lassen sich aufgrund konzeptioneller
und definitorischer Unterschiede nicht mit denen von 1970 bis 1991 gänzlich verglei-
13
vgl. Dornbusch u.a. (2003), S. 30.

3. Das Bruttoinlandsprodukt
Seite | 7
chen. Ebenso werden bei der Berechnung der einzelnen Zeiträume unterschiedliche Ba-
sisjahre zugrunde gelegt. Dennoch lässt sich ein eindeutiger Trend erkennen und zwar,
dass sich das Wirtschaftswachstum in den letzten 50 Jahren in Deutschland massiv ab-
geschwächt hat. In den 50er Jahren betrug das durchschnittliche Wachstum noch 8,2 %,
danach schwächte es sich immer weiter ab, erst auf durchschnittliche 4,4 % in den 60er
Jahren, dann auf 2-3 % bis 1990
14
. Seit gut 25 Jahren herrscht in Deutschland ein
Wachstum um die 1,5 %. Eine Umkehr zu einem deutlich höheren Wachstum ist nicht
in Sicht, im Gegenteil, die Entwicklung legt nahe, dass sich das Wachstum in Deutsch-
land immer mehr einem Nullwachstum, bzw. einem Wachstum nahe Null, annähert.
Weltweit ist die Wirtschaft von einem Nullwachstum allerdings weit entfernt, wie die
nachfolgende Grafik aufzeigt:
Abbildung 2:
Wachstum des realen BIP nach Ländergruppen in den Jahren 2012-2015
.
Quelle: Statista: Wachstum des realen BIP nach Ländergruppen.
Wie aus der Abbildung 2 deutlich erkennbar ist, herrscht ein signifikanter Unterschied
im erwarteten Wirtschaftswachstum zwischen den verschiedenen Ländergruppen. Das
Wachstum in den Industriestaaten wird aller Voraussicht nach in den kommenden Jah-
14
Die hohen Wachstumsraten in den 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts sind sicherlich dem mas-
siven Nachholbedarf und Mangel geschuldet, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ge-
herrscht hat.

3. Das Bruttoinlandsprodukt
Seite | 8
ren unter 2,5 % bleiben, während in Schwellen- und Entwicklungsländer mit einem in
etwa doppelt so hohen Wirtschaftswachstum rechnen können. Weltweit kann in den
Jahren 2014 und 2015 mit einem Wirtschaftswachstum von deutlich über 3 % gerechnet
werden.
Geht man, wie in Kapitel 3.1, S.4-5 erläutert, davon aus, dass ein Wirtschaftswachstum
mit einer Wohlstandsmehrung einhergeht, so bedeutet diese Entwicklung eine Aufho-
lung des Wohlstands der Länder mit niedrigem Einkommen gegenüber den Ländern mit
hohem Einkommen. Ebenfalls kann daraus geschlossen werden, dass die reichen Länder
aufgrund des niedrigen Wachstums mit einer ausbleibenden Wohlstandsmehrung rech-
nen müssen.
Obwohl das BIP der mit Abstand am weiten verbreitetste Gradmesser für die Wert-
schöpfung eines Landes ist, weist es dennoch einige eklatante Mängel auf, welchen sich
nachfolgendes Kapitel widmet.
3.4 Kritikpunkte am BIP
Einer der wichtigsten Kritikpunkte liegt in der Erfassung des BIP. Bestimmte Leistun-
gen, die nicht mit Preisen bewertet werden können, werden nicht in das BIP mit einbe-
rechnet. Dies betrifft insbesondere die Selbstversorgungswirtschaft und die Schatten-
wirtschaft. Für erstere wird der Anteil am ausgewiesenen BIP auf 30-50 Prozent ge-
schätzt, für letztere auf immerhin 10 Prozent. Der Anteil der Selbstversorgungswirt-
schaft ist in weniger gut entwickelten Ländern erfahrungsgemäß wesentlicher höher, als
in den Industrieländern. Somit wird das BIP in diesen Ländern, aber auch in den Indust-
rieländern, dort nur weniger stark, verzerrt.
15
Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin, dass das BIP den Wohlstand eines Landes nur un-
zureichend misst, denn die berechnete Wertschöpfung erfasst nur die materiellen Güter,
nicht aber die immateriellen. Freizeit, soziale Sicherheit und eine intakte Umwelt flie-
ßen nicht in das BIP mit ein. Dies bemängelt auch Hauff/Jörg und stellt fest, dass das
Wohlbefinden der Bürger zunehmend von einem steten Wirtschaftswachstum abgekop-
pelt wird.
16
15
Vgl. Neubäumer (2005), S. 222-223 und vgl. Görgens/Ruckriegel (2007), S. 34-35.
16
Vgl. Neubäumer (2005), S. 223-224 und vgl. Hauff/Jörg (2013), S. 9.

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Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783961160457
ISBN (Paperback)
9783961165452
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2016 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
Postwachstum Nachhaltigkeit Subsistenz Suffizienz Lokale Wirtschaft Konsumreduktion
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