Fühlen, was andere fühlen
Empathie in Abhängigkeit von Berufsgruppe und Berufserfahrung
					
	
		©2015
		Bachelorarbeit
		
			
				61 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				In der vorliegenden Untersuchung wird die Empathiefähigkeit in Abhängigkeit von Berufsgruppe (sozial vs. nicht-sozial) und Berufserfahrung (mit vs. ohne Berufserfahrung) erfasst. Dabei sollen die Variablen Geschlecht, Alter, Geschwister und Kinder als mögliche Kovariaten berücksichtigt werden. Insgesamt 1676 Personen beantworteten zwei Fragebögen zur Erfassung der Empathiefähigkeit.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kovariablen Geschlecht und Alter einen Einfluss auf die Empathiefähigkeit haben. Nachdem diese Faktoren kontrolliert wurden, zeigte sich ein bedeutsamer Effekt der Berufsgruppe auf die Empathiefähigkeit: Personen, die einen sozialen Beruf ausüben bzw. anstreben sind empathischer als Personen, die einen nicht-sozialen Beruf ausüben oder anstreben. Für die Berufserfahrung konnte kein positiver Effekt auf die Empathiefähigkeit nachgewiesen werden und die Interaktion von Berufsgruppe und Berufserfahrung erlangte keine statistische Signifikanz: Personen, die in einem sozialen Beruf arbeiten und somit über Erfahrungswissen verfügen, sind demnach nicht am empathischsten.
Methode und Ergebnisse werden kritisch hinterfragt und Implikationen für die weitere Forschung und Praxis diskutiert.
			
		
	Die Ergebnisse zeigen, dass die Kovariablen Geschlecht und Alter einen Einfluss auf die Empathiefähigkeit haben. Nachdem diese Faktoren kontrolliert wurden, zeigte sich ein bedeutsamer Effekt der Berufsgruppe auf die Empathiefähigkeit: Personen, die einen sozialen Beruf ausüben bzw. anstreben sind empathischer als Personen, die einen nicht-sozialen Beruf ausüben oder anstreben. Für die Berufserfahrung konnte kein positiver Effekt auf die Empathiefähigkeit nachgewiesen werden und die Interaktion von Berufsgruppe und Berufserfahrung erlangte keine statistische Signifikanz: Personen, die in einem sozialen Beruf arbeiten und somit über Erfahrungswissen verfügen, sind demnach nicht am empathischsten.
Methode und Ergebnisse werden kritisch hinterfragt und Implikationen für die weitere Forschung und Praxis diskutiert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2 
Inhaltsverzeichnis 
Zusammenfassung ... 1
Theoretischer Hintergrund ... 3
Einleitung ... 3
Empathie ...  4
Empathietheorie ... 5
Empathie bei sozialen Berufen ... 7
Eigenschaft versus Fähigkeit ...  9
Einflussfaktoren auf die Empathiefähigkeit ...  9
Vorliegende Untersuchung ...  11
Methode ... 
14
Versuchspersonen ...  14
Versuchsmaterial ...  16
Versuchsdurchführung ... 18
Ergebnisse ... 
19
Reliabilitätsanalysen ... 19
Beurteilerübereinstimmung ... 19
Kovarianzanalysen ... 21
Diskussion ... 
27
Zusammenfassung der Ergebnisse ... 27
Kritische Betrachtung der Methode ... 28
Kritische Betrachtung der Ergebnisse ...  30
Implikationen für die zukünftige Forschung ...  32
Literaturverzeichnis ... 35
Abbildungsverzeichnis ... 40
Tabellenverzeichnis ... 40
Anhang ... 
41
Anhang A. Online-Fragebogen exportiert aus SosciSurvey ... 41
3 
Theoretischer Hintergrund 
Einleitung 
Als Ben seinen Großeltern berichtet, dass er sein Abitur erfolgreich 
abgeschlossen hat, brechen sie mit ihm gemeinsam in Jubel aus, als wenn sie selbst vor 
kurzem erst die Abiprüfung bestanden hätten. Anna schießen die Tränen in die Augen, 
als sie erfährt, dass die Mutter ihrer besten Freundin gestorben ist. Max verspürt einen 
unwillkürlichen Schmerz, als er sieht wie eine Tür zugeschlagen wird und sein Freund 
sich dabei die Finger zwischen Tür und Rahmen einklemmt. Alle haben eins 
gemeinsam: Empathie. ,,Freude an der Freude und Leid am Leid des Anderen, das sind 
die besten Führer der Menschen" sagte bereits Albert Einstein (1931, zitiert nach 
Einstein & Calaprice, 2005, S. 131). Das Zusammenleben der Menschen würde ohne 
Empathie nicht gelingen. Empathie ist ohne Frage eine wichtige Fähigkeit. Sie 
ermöglicht uns zu erkennen, wie sich eine andere Person fühlt oder was diese vielleicht 
denkt (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004). Empathie erlaubt uns, die Absichten 
anderer zu verstehen, ihr Verhalten vorherzusagen und ein Gefühl zu erleben, welches 
durch die Emotion anderer ausgelöst wird. Kurz gesagt, ermöglicht uns die Empathie in 
der sozialen Welt effektiv zu interagieren (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004). Es gibt 
dennoch interindividuelle Unterschiede im Ausmaß des Erlebens der Empathie. Warum 
ist eine Person empathischer als die andere? Gibt es Merkmale, in denen sie sich 
unterscheiden? Empathie spielt besonders in sozialen Berufen eine essentielle Rolle, 
wie zum Beispiel bei der Beziehung zwischen Therapeut und seinem Patienten (Burns 
& Nolen-Hoeksema, 1992; Clark, 2010; Rogers, 1975).  
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, sowohl den Einfluss der Berufsgruppe als 
auch den Einfluss der Berufserfahrung bezogen auf die Empathiefähigkeit von Personen 
zu untersuchen. Dazu wird zunächst eine Definition der Empathie gegeben und es 
werden verwandte Konstrukte sowie Komponenten der Empathie beschrieben. Des 
Weiteren wird ein Überblick gegeben über den aktuellen Forschungsstand in Bezug auf 
soziale Berufe und die Erfahrung in einem sozialen Beruf zu arbeiten. Der empirische 
Teil soll Aufschluss über die durchgeführte Untersuchung liefern. Dazu werden zum 
einen die Methode mit der Darstellung der verwendeten Messinstrumente und zum 
anderen die Auswertung und die Ergebnisse vorgestellt. Im Anschluss werden die 
Ergebnisse interpretiert und diskutiert.  
4 
An dieser Stelle ist noch anzumerken, dass auf geschlechtsneutrale 
Formulierungen aus Gründen der Einfachheit und der besseren Lesbarkeit verzichtet 
wurde. Im Text sind immer beiderlei Geschlechter gemeint. 
Empathie 
Definition. Das Wort ,,empathy" wurde von Titchener im Jahr 1909 als eine 
Übersetzung des deutschen Wortes ,,Einfühlung" eingeführt (S.21). Der Begriff 
Empathie stammt ursprünglich vom griechischen Wort ,,empatheia" (Leidenschaft) ab, 
was sich aus ,,en" (in) und ,,pathos" (Gefühl) zusammensetzt. Trotz der offensichtlichen 
Bedeutung von Empathie gibt es Schwierigkeiten dieses Konzept zu definieren (Baron-
Cohen & Wheelwright, 2004). Bis zum heutigen Zeitpunkt existiert keine allgemein 
gültige Definition von Empathie (Leiberg & Anders, 2006; Singer & Lamm, 2009). 
Davis (1983) versteht unter Empathie im Allgemeinen die Reaktionen einer Person auf 
die beobachteten Erfahrungen anderer.  
Abgrenzung. Es existieren verwandte Konstrukte, die eindeutig von Empathie 
abgegrenzt werden können, die jedoch häufig mit Empathie in Beziehung gebracht und 
daher auch zum Teil verwechselt werden. Verwandte Begriffe der Empathie sind 
beispielsweise Gefühlsansteckung, Sympathie und Mitgefühl.  
Sowohl bei Empathie als auch bei Gefühlsansteckung übernimmt man die 
Gefühle einer anderen Person. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass man bei 
Empathie zwischen eigenen und fremdinduzierten Gefühlen differenzieren kann. Dies 
kann bei der Gefühlsansteckung jedoch nicht voneinander abgegrenzt werden und 
darum handelt man so, als ob das Gefühl der anderen Person von einem selbst ausgeht 
(Hsee, Hatfield & Carlson, 1990). Gefühlsansteckung ist vor allem bei Säuglingen und 
Kleinkindern zu beobachten. Wenn eines der Kinder anfängt zu schreien, schreien die 
anderen Kinder kurz darauf ebenfalls (Singer & Lamm, 2009).  
Unter Sympathie versteht man die meist unbewusste emotionale Zuneigung 
zwischen zwei Menschen. Cialdini (2007) konnte belegen, dass Sympathie primär bei 
einer Person entsteht, wenn Ähnlichkeiten mit der anderen Person existieren oder die 
Person diese Ähnlichkeiten nur vermutet. Die gemeinsame emotionale Verbundenheit 
von zwei Personen, also die ,,gemeinsame Wellenlänge" ist sowohl bei Empathie als 
auch bei Sympathie vorhanden. Dennoch kann Empathie nicht mit Sympathie 
5 
gleichgesetzt werden, da beide etwas gänzlich Unterschiedliches bedeuten. Empathie 
bezieht sich auf Verständnis, während Sympathie meist im Sinne der Zuneigung 
verstanden wird (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004).  
Auch Empathie und Mitgefühl können nicht als dasselbe Konstrukt betrachtet 
werden, da Mitgefühl als ein Bestandteil und als eine unspezifische Voraussetzung der 
Empathie angesehen wird. Laut Hojat (2007) ist Mitgefühl als affektive Komponente in 
Empathie enthalten. Empathie und Mitgefühl unterscheiden sich insofern, dass bei 
Empathie die Gefühle mit denen der beobachteten Person kongruent sind, während 
Mitgefühl nicht unbedingt geteilte Emotionen umfasst (Singer & Lamm, 2009). Fühlt 
man beispielsweise mit einer traurigen Person mit, würde man bei Empathie ebenfalls 
Trauer empfinden. Mitgefühl würde sich hingegen in Bedauern oder mitfühlender 
Anteilnahme äußern (Singer & Lamm, 2009). 
Empathietheorie 
Affektive und kognitive Empathie. In der Literatur wird Empathie von zwei 
unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven dominiert. Seit langem wird Empathie 
entweder als affektives oder als kognitives Konstrukt beschrieben (Baron-Cohen & 
Wheelwright, 2004).  
Der affektive Ansatz definiert Empathie als eine emotionale Antwort eines 
Beobachters auf einen emotionalen Zustand einer anderen Person und hebt die 
Angemessenheit der emotionalen Antwort hervor (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004). 
Fühlt man Trauer aufgrund des Verlustes eines Freundes, so steht dies in keinem 
Zusammenhang zu Empathie, da die Emotion egozentrisch, wenn auch angemessen ist. 
Damit eine Emotion als Empathie eingeordnet werden kann, muss die Emotion eine 
Konsequenz der Emotion einer anderen Person sein (Baron-Cohen & Wheelwright, 
2004). Der affektive Aspekt der Empathie umfasst also das Erleben einer emotionalen 
Reaktion im eigenen Inneren, die durch den Gefühlszustand einer anderen Person 
hervorgerufen wird. Es wird mitgefühlt und eine emotionale Verbindung mit der Person 
hergestellt (Bölte & Pforte, 2007). Affektive Empathie bedeutet sich genauso zu fühlen 
wie eine andere Person (Gladstein, 1983), es geht demzufolge vor allem um das Fühlen 
und Teilen der Gefühle anderer (Berg, Majdan, Berg, Veloski & Hojat, 2011). 
6 
Der kognitive Ansatz bezeichnet Empathie hingegen als eine Fähigkeit, die 
Gefühle und Gedanken anderer Personen zu erkennen und zu verstehen (Baron-Cohen 
& Wheelwright, 2004), ohne notwendigerweise zum Beispiel Mitleid zu empfinden 
(Bölte & Pforte, 2007). Gladstein (1983) bezeichnet die kognitive Empathie als eine 
intellektuelle Perspektivübernahme, also als eine Fähigkeit, sich in die Lage einer 
anderen Person zu versetzen und ihre Gefühle nachvollziehen zu können, ohne aber die 
korrespondierenden Gefühle selbst erleben zu müssen (Davis & Franzoi, 1991). Die 
Fähigkeit zur kognitiven Empathie wird häufig auch als ,,Theory of Mind" bezeichnet. 
Diese Bezeichnung lässt sich nicht gut ins Deutsche übersetzen und ist insofern etwas 
unglücklich gewählt, weil es sich nicht um eine Theorie, sondern um eine Fähigkeit 
handelt (Bölte & Pforte, 2007). Die Theory of Mind besagt, dass eine Person in der 
Lage ist sich und anderen Personen mentale Gefühlszustände zuzuschreiben (Premack 
& Woodruff, 1978). 
Empathie als multidimensionales Konstrukt. Inzwischen wird Empathie als ein 
Konzept angesehen, das sowohl kognitive als auch affektive Komponenten beinhaltet 
(Paulus, 2009). Die Autoren Baron-Cohen und Wheelwright, (2004) sprechen sich dafür 
aus, dass beide Ansätze gleichermaßen notwendige Bestandteile für eine Definition von 
Empathie sind und nehmen an, dass kognitive und affektive Komponenten in den 
meisten Fällen gemeinsam auftreten und nur schwer voneinander zu trennen sind. Es 
lässt sich also festhalten, dass unter Empathie die Kapazität verstanden wird, sich in 
andere Menschen hineinzudenken und hineinzufühlen. Auch neurobiologische Studien 
stützen diese Annahme: Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren deuten darauf hin, 
dass bei kognitiven und affektiven empathischen Prozessen jeweils unterschiedliche 
Regionen im Gehirn aktiviert werden (Singer, 2006). Laut Davis (1980) bestehen die 
kognitive und affektive Komponente der Empathie aus einem Interdependenzsystem, in 
welchem sie sich beide gegenseitig beeinflussen. Empathie ist somit ein komplexes 
multidimensionales Konzept (Davis, 1980, 1983) und wird in der vorliegenden Arbeit 
auch als solches verstanden. 
Vier-Komponenten-Modell. Eines der in der wissenschaftlichen Forschung am 
stärksten etablierten Modelle dürfte das Vier-Komponenten-Modell von Davis (1980, 
1983) sein. Nach ihm gliedert sich Empathie in vier Subdimensionen: 
(1) Perspektivenübernahme,  (2) Fantasie, (3) empathische Anteilnahme und 
(4) persönlicher Distress. Die Perspektivübernahme reflektiert die Tendenz oder die 
Fähigkeit die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und sich in ihre Situation 
7 
hineinzudenken. Die Fantasie-Empathie wird als Tendenz bezeichnet, sich mit Figuren 
in Filmen, Romanen, Theaterstücken oder anderen fiktiven Situationen zu identifizieren. 
Die empathische Anteilnahme reflektiert Gefühle von Wärme, Mitgefühl und Sorge um 
andere Personen in unangenehmen realen Situationen (Davis, 1980, 1983). Die 
konzeptionelle Unterscheidung zwischen fiktiven und realen Auslösern der Empathie, 
wird damit begründet, dass für Reaktionen auf reale Situationen möglicherweise andere 
Verarbeitungsprozesse erforderlich sind als für Reaktionen auf fiktive Gegebenheiten 
(Leibetseder, Laireiter, Riepler & Köller, 2001). Beim persönlichen Distress können 
unangenehme Gefühle von Angst und Unbehagen erlebt werden, welche aus der 
Beobachtung negativer Erfahrungen anderer resultieren (Davis, 1980, 1983; Paulus, 
2009). Diese Gefühle sind aber nicht an die andere Person gerichtet, sondern es handelt 
sich eher um persönliche, egozentrische Gefühle des Unbehagens, während die 
empathische Anteilnahme fremdorientierte Gefühle umfasst (Hall, Davis & Conelly, 
2000). Die drei Komponenten empathische Anteilnahme, Fantasie und persönlicher 
Distress können laut Davis (1980) der affektiven Empathie zugeordnet werden, während 
die Skala Perspektivübernahme der kognitiven Empathie zuzurechnen ist.  Angesichts 
der relativen Unabhängigkeit der vier Komponenten sind eine Vielzahl von 
Konstellationen der Empathie möglich (Davis, 1980). Trotzdem ist bislang nicht 
vollständig geklärt, wie und auf welche Weise die verschiedenen 
Empathiekomponenten miteinander in Beziehung stehen. Davis (1980) konnte belegen, 
dass je stärker die Tendenz zur Perspektivübernahme ausgeprägt ist, desto geringer ist 
der persönliche Distress und desto stärker ist die empathische Anteilnahme für andere 
ausgeprägt. 
Empathie bei sozialen Berufen 
Bevor näher auf Empathie bei sozialen Berufen eingegangen wird, wird 
zunächst definiert was in der vorliegenden Untersuchung unter sozialen Berufen 
verstanden wird. Das Wort ,,sozial" hat seinen Ursprung im lateinischen Wort 
,,socialis", bedeutet ,,gesellschaftlich" und ist sinnverwandt mit den Begriffen 
,,gemeinnützig" und ,,hilfsbereit" (Duden, 2014). Der Bereich der sozialen Berufe ist in 
Deutschland ungeordnet, unscharf und unübersichtlich. Es existiert bisher keine 
einheitliche Definition, welche Berufe dem sozialen Arbeitsfeld zugeordnet werden 
können. Die vorliegende Studie stützt sich in Bezug auf die Zuordnung der Berufe auf 
8 
die folgende Definition: Der Sozialberuf ist ein ,,Beruf, bei dem die Arbeit 
hilfsbedürftigen Mitmenschen gewidmet ist" (Duden,  2014). Demzufolge können 
diejenigen Berufe den sozialen Berufen zugeordnet werden, die zum Gegenstand haben, 
Menschen sowohl zu begleiten, sie zu beraten und zu erziehen als auch ihnen zu helfen, 
sie zu unterstützen, zu pflegen und ihnen in verunsicherten Situationen Halt zu geben.  
In vielen sozialen Berufen wird Empathie als essentieller Bestandteil der 
Tätigkeit betrachtet. Dies konnte zum Beispiel bei Therapeuten (Burns & Nolen-
Hoeksema, 1992; Rogers, 1975), aber auch bei anderen sozialen Berufen, wie bei 
Ärzten (Adler, 2007), Beratern (Clark, 2010) oder medizinischem Pflegepersonal 
(Olson, 1995) nachgewiesen werden. Empathie ist bei sozialen Berufen also von großer 
Bedeutung, sie begünstigt eine gute Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient 
(Duan & Hill, 1996) und steuert entscheidend zu einer effektiven Therapie bei (Burns & 
Nolen-Hoeksema, 1992; Hall et al., 2000). In der Studie von Burns und Nolen-
Hoeksema (1992) sollten Patienten angeben, wie empathisch sie ihre Therapeuten 
wahrnehmen. Es zeigte sich, dass sich Patienten, die von Therapeuten mit den höchsten 
Empathiewerten therapiert wurden schneller von ihrer Erkrankung erholten als 
Patienten, die von Therapeuten mit den niedrigsten Empathiewerten behandelt wurden. 
Hall und Kollegen (2000) untersuchten, ob Unterschiede zwischen Psychologen, die im 
Bereich Lehre und Forschung beschäftigt sind und Psychologen, die in der klinischen 
Praxis arbeiten, in Bezug auf Empathie existieren. Dazu wurden die Psychologen mit 
leidenden Menschen konfrontiert. Klinische Psychologen neigten im Vergleich zu 
wissenschaftlich tätigen Psychologen eher zur Perspektivübernahme, empathischen 
Anteilnahme und zeigten weniger persönlichen Distress. In einer Untersuchung von 
Hassenstab, Dziobek, Rogers, Wolf und Convit (2007) zeigten Psychotherapeuten im 
Vergleich zu Personen, die keine Erfahrung in sozialen Berufen besitzen bessere Werte 
in Bezug auf kognitive Empathie. Psychotherapeuten haben folglich eine bessere 
Fähigkeit mentale Gefühlszustände anderer Personen richtig zu erkennen. Auch in der 
Untersuchung von Pühringer (2012) konnte gezeigt werden, dass Klinische Psychologen 
und Berater höhere Werte in den Dimensionen Perspektivübernahme und empathische 
Anteilnahme sowie geringere Werte in der Dimension persönlicher Distress aufzeigen, 
verglichen mit Personen aus nicht-sozialen Berufen. 
9 
Eigenschaft versus Fähigkeit 
Es stellt sich die Frage, ob Empathie eine Persönlichkeitseigenschaft oder eine 
erlernbare Fähigkeit darstellt. Dieser Frage liegen zwei mögliche Modelle zugrunde. Für 
manche Wissenschaftler gilt Empathie als eine Persönlichkeitseigenschaft (Buie, 1981; 
Davis, 1983; Leibetseder et al., 2001) und wird zum Beispiel als ,,dispositional 
empathy" (Davis, 1983, S.167) bezeichnet. Diesem Standpunkt unterliegt die 
Überzeugung, dass Personen eher geneigt sind einer Beschäftigung nachzugehen, die 
mit ihren Interessen übereinstimmt (Holland, 1996). Holland (1996) postuliert, dass die 
Persönlichkeit einen kausalen Einfluss auf die Berufswahl ausübt. Gemäß dieser 
Annahme fühlen sich Menschen auf natürliche Weise solchen Berufen hingezogen, die 
ihnen die Möglichkeit bieten, sich konsistent zu ihren persönlichen Neigungen und 
Vorlieben zu verhalten und vermeiden Berufe, die Verhalten erfordern, welche im 
Widerspruch zu ihren natürlichen Neigungen stehen (Hall et al., 2000). In Anbetracht 
dessen dürfte die Arbeit im sozialen Kontext für diejenigen zukünftigen Erwerbstätigen 
mit hoher empathischer Anteilnahme, einer hohen Fähigkeit zur Perspektivübernahme 
und geringem persönlichen Distress attraktiver sein als für diejenigen zukünftigen 
Erwerbstätigen, die diese Eigenschaften nicht teilen (Hall et al., 2000).  
Demgegenüber steht ein anderes Modell, welches annimmt, dass Empathie eine 
erlernbare Fähigkeit ist. Duan und Hill (1996) definieren Empathie als einen aus 
mehreren Phasen bestehenden und auf Erfahrung basierenden Prozess. Es stellt sich die 
Frage, ob die Erfahrung in einem sozialen Beruf zu arbeiten, eine positive Wirkung auf 
die Empathiefähigkeit hat. Machado, Beutler und Greenberg verglichen 1999 in ihrer 
Untersuchung erfahrene Therapeuten mit Psychologiestudenten, die einen Beruf als 
Therapeut anstrebten. Es stellte sich heraus, dass Therapeuten aufgrund ihrer Erfahrung 
bessere Fähigkeiten aufwiesen, das emotionale Erleben von Klienten zu erfassen als 
jüngere Personen, die den gleichen Beruf anstrebten.  
Einflussfaktoren auf die Empathiefähigkeit 
Bezüglich der Empathiefähigkeit konnten sowohl Unterschiede zwischen 
Männern und Frauen als auch zwischen jüngeren und älteren Personen gefunden 
werden. Darüber hinaus kann man aus der Literatur den Schluss ziehen, dass auch die 
Geschwisteranzahl und das Vorhandensein von eigenen Kindern Einfluss auf die 
10 
Empathiefähigkeit nehmen könnte. Im Folgenden wird auf diese vier Aspekte näher 
eingegangen. 
Geschlecht. Es konnte in zahlreichen Studien belegt werden, dass Frauen im 
Vergleich zu Männern empathischer sind (Baron-Cohen, Jolliffe, Mortimore & 
Robertson, 1997; Baron-Cohen & Wheelwright, 2004; Davis, 1980, 1983; Davis & 
Franzoi, 1991; Eisenberg & Lennon, 1983; Hall, 1978; Hoffman, 1977). Davis (1980, 
1983) konnte beispielsweise zeigen, dass Frauen in allen vier Empathiekomponenten 
höhere Werte erzielten als Männer, wobei der größte Unterschied für die Fantasie-
komponente bestand.  
Alter. Hinsichtlich eines denkbaren Effektes des Alters auf die 
Empathiefähigkeit gibt es zum Teil widersprüchliche Befunde. Bei Längsschnittstudien 
zur Untersuchung der Empathie anhand einer Selbstbeurteilung der Personen konnten 
bislang drei unterschiedliche Muster beobachtet werden. Während in der Untersuchung 
von Helson, Jones & Kwan (2002) eine Abnahme der Empathie über die Zeit zu 
beobachten war, nahm die Empathie in der Studie von Davis und Franzoi (1991) bei 
denselben Personen über die Zeit zu. Die Mehrheit an Studien kommt allerdings zu dem 
Schluss, dass die Empathiefähigkeit über die Jahre hin unverändert bzw. stabil bleibt 
(Eisenberg et al., 2002; Grühn, Rebucal, Diehl, Lumley & Labouvie-Vief, 2008). Im 
Gegensatz dazu verweisen die meisten Querschnittsstudien auf einen negativen 
Zusammenhang von Empathie und Alter. Jüngere Personen zeigten demnach höhere 
Empathiewerte als ältere Personen, sodass von einer Abnahme der Empathiefähigkeit 
auszugehen ist (Grühn et al., 2008). Richter und Kunzmann (2011) schlussfolgern aus 
diesen entgegengesetzten Ergebnissen, dass die Altersunterschiede in den 
Querschnittsstudien nicht auf Alterseffekte, sondern vielmehr auf Kohorteneffekte 
zurückzuführen sind. Ältere Kohorten weisen demzufolge geringere Empathiewerte auf 
als jüngere Kohorten. 
Geschwister. Ein wesentliches Übungsfeld für Empathie stellt die Beziehung zu 
Geschwistern dar. Die Wirkung von Geschwistern auf die Empathiefähigkeit ist in der 
Forschung unter der Vermutung untersucht worden, dass sich Geschwister infolge einer 
intensiven Wechselbeziehung eine hohe Empathiefähigkeit aneignen. So drückten 
beispielsweise in einer Untersuchung von Dunn und Kendrick (1982) 24 bis 30 Monate 
alte Kinder zu 40% empathische Anteilnahme gegenüber ihren acht Monate alten 
Geschwistern aus und diese Häufigkeit wächst nur sechs Monate später sogar auf 65% 
11 
an. Die Kinder drückten auf den Gesichts- und Gefühlsausdruck von Unbehagen ihres 
Geschwisters Betroffenheit aus und spendeten ihnen Trost indem sie ihren Geschwistern 
Spielzeug oder Essen anboten. Geschwister sind also von großer Bedeutung für die 
Entwicklung von Empathie, da die Fähigkeit sich in andere hineinversetzen zu können 
durch Geschwisterbeziehungen gelernt wird. Dass die Geschwisterbeziehung für die 
Entwicklung der Empathie eine große Rolle spielt wurde bislang allerdings nur bei 
Kleinkindern untersucht (Dunn & Kendrick, 1982).  
Kinder. Bekanntlich müssen Eltern in der Lage sein, die emotionalen Signale 
ihres Kindes wahrzunehmen und richtig zu interpretieren (Ainsworth, Bell & Stayton, 
1974). Zum Beispiel müssen Eltern auf emotionale Signale, wie Weinen reagieren und 
sie müssen wissen, ob und wann ihr Kind Hunger oder Durst hat. Daraus lässt sich 
ableiten, dass Eltern empathischer sein könnten als Personen ohne Kinder, da sie in der 
Lage sein müssen, die Sicht ihres Kindes zu übernehmen, um nicht nur prompt, sondern 
auch angemessen auf Signale des Kindes zu reagieren (Ainsworth et al., 1974). 
Vorliegende Untersuchung 
In zahlreichen Untersuchungen konnte belegt werden, dass Empathie in einigen 
sozialen Berufen eine bedeutende Rolle spielt, unter anderem bei Therapeuten (Burns & 
Nolen-Hoeksema, 1992; Rogers, 1975), Ärzten (Adler, 2007), Beratern (Clark, 2010) 
oder medizinischem Pflegepersonal (Olson, 1995). Bisher hat man jedoch nur 
spezifische Berufe bezüglich der Empathie untersucht. Um aber allgemein eine Aussage 
treffen zu können, ob Personen aus sozialen Berufen empathischer sind, wird in dieser 
Arbeit eine Vielzahl sozialer Berufe untersucht und mit nicht-sozialen Berufen 
verglichen. Man hat außerdem feststellen können, dass Therapeuten aufgrund ihrer 
Erfahrung bessere Fähigkeiten aufwiesen, das emotionale Erleben von Patienten zu 
erfassen als Psychologiestudenten, die den gleichen Beruf anstrebten (Machado et al., 
1999). Angesichts dieser Ergebnisse, sollten Berufstätige, die im sozialen Bereich 
arbeiten aufgrund ihrer Erfahrung höhere Empathiewerte aufweisen als Personen, die 
einen sozialen Beruf anstreben. Folglich dürften Personen, die einen sozialen Beruf 
ausüben am empathischsten sein. Da eher von denjenigen zukünftigen Erwerbstätigen 
mit hoher empathischer Anteilnahme, einer hohen Fähigkeit zur Perspektivübernahme 
und geringem persönlichen Distress ein Beruf im sozialen Bereich angestrebt wird (Hall 
12 
et al., 2000), sollten Personen, die einen sozialen Beruf anstreben empathischer sein als 
Personen, die einen nicht-sozialen Beruf ausüben.  
Bisherige Untersuchungen in Bezug auf Empathie haben entweder 
Psychotherapeuten mit Berufstätigen nicht-sozialer Berufe (Hassenstab et al., 2007), 
Psychotherapeuten mit Psychologiestudenten (Machado et al., 1999), oder Klinischen 
Psychologen mit Psychologen aus Forschung und Lehre (Hall et al., 2000) verglichen. 
Allerdings gibt es noch keine Untersuchung, die Unterschiede bezüglich der 
Empathiefähigkeit zwischen Personen, die einen sozialen Beruf anstreben, Personen, die 
einen sozialen Beruf ausüben, Personen, die einen nicht-sozialen Beruf anstreben sowie 
Personen, die einen nicht-sozialen Beruf ausüben, erforscht. 
Es lässt sich zusammenfassen, dass es in der Literatur sehr viele Belege dafür 
gibt, dass Frauen im Vergleich zu Männern empathischer sind (Baron-Cohen et al., 
1997; Baron-Cohen & Wheelwright, 2004; Davis, 1980, 1983; Davis & Franzoi, 1991; 
Eisenberg & Lennon, 1983; Hall, 1978; Hoffman, 1977). Daneben konnten in 
vergangenen Querschnittsuntersuchungen ein negativer Zusammenhang zwischen Alter 
und Empathie festgestellt werden (Davis & Franzoi, 1991; Eisenberg et al., 2002; Grühn 
et al., 2008; Helson et al., 2002; Richter & Kunzmann, 2011). Da man auch in der 
vorliegenden Studie von Geschlechtsunterschieden zugunsten der Frauen und 
möglichen Alterseffekten ausgehen kann, scheint es sinnvoll zu sein sowohl das 
Geschlecht als auch das Alter als Kovariate zu berücksichtigen. Auch 
Geschwisterbeziehungen spielen eine große Rolle für die Entwicklung von Empathie 
(Dunn & Kendrick, 1982). Dies wurde bisher allerdings nur bei Säuglingen und 
Kleinkindern untersucht. Ob Geschwister auch im Erwachsenalter einen Einfluss auf die 
Empathie haben, wurde bisher noch nicht erforscht. Denkbar wäre, dass Personen, die 
als Einzelkind, also ohne Geschwister, aufgewachsen sind ein niedrigeres Ausmaß der 
Empathiefähigkeit besitzen als Personen, die mit mindestens einem Geschwisterkind 
aufgewachsen sind. Aus diesem Grund wird die Anzahl der Geschwister als weitere 
Kovariate einbezogen. Des Weiteren ist bekannt, dass Eltern in der Lage sein müssen, 
die emotionalen Signale ihres Kindes wahrzunehmen und richtig zu interpretieren 
(Ainsworth et al., 1974). Daraus lässt sich ableiten, dass Eltern empathischer sein 
könnten als Personen ohne Kinder. Daher wird in dieser Studie als weitere Drittvariable 
miterfasst, ob die Probanden Kinder haben oder nicht. 
13 
Ziel der Untersuchung. In der vorliegenden Arbeit soll der Einfluss der 
Berufsgruppe (sozial vs. nicht-sozial) und der Berufserfahrung (Berufserfahrung vs. 
keine Berufserfahrung) unter Berücksichtigung der vorgenannten Variablen 
(Geschlecht, Alter, Anzahl der Geschwister, Kinder) bezogen auf die Empathiefähigkeit 
von Personen untersucht werden. Schüler und Studenten sind der Gruppe ohne 
Berufserfahrung (Berufswunsch) zugeordnet, wohingegen Auszubildende der Gruppe 
mit Berufserfahrung (Berufsausübung) zugeordnet sind, da Auszubildende während 
ihrer Ausbildung bereits arbeiten und somit als Berufstätige angesehen werden können. 
Hypothesen. Auf Basis des beschriebenen theoretischen Hintergrundes können 
folgende Hypothesen abgeleitet werden: 
1.  Personen, die einen sozialen Beruf ausüben bzw. anstreben sind 
empathischer als Personen, die einen nicht-sozialen Beruf ausüben bzw. 
anstreben. 
2.  Berufstätige sind empathischer als Personen, die einen Beruf anstreben. 
3.  Personen, die einen sozialen Beruf ausüben sind am empathischsten.
14 
Methode 
Versuchspersonen 
An der vorliegenden Untersuchung nahmen insgesamt 1710 Versuchspersonen 
teil, von denen 34 ausgeschlossen werden mussten, da zwölf von ihnen noch 
unschlüssig bezüglich ihres Berufswunsches waren, sieben keine oder nur ungenaue 
Angaben zum aktuellen Beruf gemacht haben und 15 Personen niemals berufstätig 
waren. Somit ergab sich letztendlich eine Stichprobe von 1676 Personen, von denen 
581 männlich (34.7%) und 1095 weiblich (65.3%) waren. Das Alter der Probanden 
variierte zwischen 14 und 71 Jahren mit einem durchschnittlichen Alter von 28.77 
Jahren (SD = 10.33). Insgesamt 1306 Probanden (77.9%) hatten keine Kinder und 279 
Teilnehmer (16.6%) keine Geschwister. Die meisten Teilnehmer (n = 774, 46.2%) 
wuchsen mit einem Geschwisterkind, 22.5% der Probanden mit zwei Geschwistern, 
9.2% mit drei, 3.8% mit vier und nur 1.7% mit fünf oder mehr Geschwistern auf. Es 
handelt sich um eine Stichprobe mit einer überdurchschnittlich hohen Bildung: 831 
Probanden (49.6%) gaben an das Abitur, allgemeine oder fachgebundene 
Hochschulreife zu haben, weitere 361 Personen (21.5%) hatten bereits einen 
Hochschulabschluss. Die restlichen 28.4% waren Schüler, Personen mit Hauptschul- 
bzw. Volksschul-, Realschulabschluss, einem Abschluss der Polytechnischen 
Oberschule, ohne oder einem anderen Abschluss. Die Werte zur formalen Bildung 
können aus Tabelle 1 entnommen werden. Knapp die Hälfte der Probanden (n = 778, 
46.4%) war erwerbstätig, 152 Probanden (9.1%) befanden sich in einer Ausbildung, 
4.5% gingen noch zur Schule, 578 Teilnehmer (34.5%) gaben an zu studieren und die 
restlichen 5.5% waren nicht mehr berufstätig. Die Angaben zur momentanen 
Beschäftigung sind in Tabelle 2 zu finden.  
Details
- Seiten
 - Erscheinungsform
 - Originalausgabe
 - Erscheinungsjahr
 - 2015
 - ISBN (PDF)
 - 9783956365836
 - ISBN (Paperback)
 - 9783956369278
 - Dateigröße
 - 3.2 MB
 - Sprache
 - Deutsch
 - Institution / Hochschule
 - Bergische Universität Wuppertal – Psychologie
 - Erscheinungsdatum
 - 2015 (November)
 - Note
 - 1,3
 - Schlagworte
 - Empathiefähigkeit Sozialer Beruf Affekt Kognitive Empathie Socisurvey
 - Produktsicherheit
 - Diplom.de