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„Sportler ist, wer raucht und trinkt und trotzdem seine Leistung bringt.“

Eine qualitative Studie zu ausgewählten Klischees über Sportstudierende

©2014 Bachelorarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

„Sportler ist, wer raucht und trinkt und trotzdem seine Leistung bringt“ (Schumann, 2013) - wer kennt dieses abgedroschene Vorurteil über Sportstudierende nicht?
Wie bereits der deutsche Rapper Danger Dan in einem seiner Songs beschrieb, existiert ein typisches Bild über Studierende innerhalb der sozialisierten Bevölkerung Deutschlands. Durch zugeschriebene Attribute wie beispielsweise ‚faul’ oder ‚politisch desinteressierter als früher’ entwickelt die Gesellschaft des 21sten Jahrhunderts eine Charakterisierung, welche unzulässig empirisch überprüft ist. Dennoch kursieren unzählige dieser Behauptungen, welche den Studierenden, in dieser Arbeit speziell den Sportstudierenden möglicherweise ‚in einem falschen Licht dastehen lassen’. Aus diesem Grund soll diese Studie dem Phänomen der Klischees über Sportstudierende ergründen und Eingangsfragen wie ‚Wie entstehen Klischees? Wie werden sie transportiert? Und was haben Behauptungen wie diese für Folgen?’ beantworten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


o 8.5.3 Kontext: Kulturelles Umfeld und individueller
50
Hintergrund
o 8.5.4 Strategie: Abgrenzung
53
o 8.5.5 Konsequenzen: Ambivalentes Ansehen eines
55
Sportstudierenden
· 8.6 Schlussfolgerung der praktischen Studie
57
· 8.7 Anmerkung
58
· 8.8 Ausblick
59
9 Fazit
60
Quellenverzeichnis
Anhang
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1 Einleitung
,,Sportler ist, wer raucht und trinkt und trotzdem seine Leistung bringt" (Schumann, 2013)
- so lautet nicht nur der Titel der vorliegenden Bachelorarbeit, sondern auch eines der
gängigsten Klischees über Sportstudierende in der aktuellen Gesellschaft.
Wie bereits der deutsche Rapper Danger Dan in einem seiner Songs beschrieb, existiert ein
typisches Bild über Studierende innerhalb der sozialisierten Bevölkerung Deutschlands.
Durch zugeschriebene Attribute wie beispielsweise ,faul' oder ,politisch desinteressierter
als früher' entwickelt die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts eine Charakterisierung, welche
unzulässig empirisch überprüft ist. Dennoch kursieren unzählige dieser Behauptungen,
welche den Studierenden, in dieser Arbeit speziell den Sportstudierenden möglicherweise
,in einem falschen Licht dastehen lassen'. Aus diesem Grund soll diese Studie dem
Phänomen der Klischees über Sportstudierende ergründen und Eingangsfragen wie ,Wie
entstehen Klischees? Wie werden sie transportiert? Und was haben Behauptungen wie
diese für Folgen?' beantworten.
Die Schwerpunkte der Arbeit werden hingegen erst zum Ende der Auswertung mit Hilfe
der ausgewählten Methodik der ,Grounded Theory' sichtbar. Daher kann es vorkommen,
dass die Intentionen der Studie erst nach vollständiger Betrachtung des Gefüges aus allen
Bestandteilen dieser Abhandlung deutlich werden. Um eventuelle Missverständnisse
vorwegzunehmen, sollen bereits an dieser Stelle Ziele der Studienarbeit benannt werden.
Zum einen soll durch eine Aufarbeitung des sozialgesellschaftlichen Themas des Klischees
im Allgemeinen die theoretische Grundlage für die praktische Studie gelegt werden. Zum
anderen zielt die Studie selber auf eine Darstellung des Phänomen des Klischees, einen
Erklärungsansatz dessen, sowie auf Denkanstöße dies betreffend innerhalb der
Gesellschaft ab.
Da es sich bei dieser Forschungsarbeit um ein bisher nicht untersuchtes Thema handelt,
wird in Form einer explorativ qualitativen Studie der Gegenstand zunächst im Allgemeinen
beleuchtet. Dies widerspricht keinesfalls dem Titel, der die Untersuchung ausgewählter
Klischees betont. Während der Auswertung werden neben allgemeinen Informationen eben
auch einzelne Klischees betrachtet und überprüft. Wie letztendlich deutlich wurde,
ermöglicht diese Arbeit eine Basis für weitere Beobachtungen desselben Sachverhalts.
Inspiriert durch die Abschlussarbeit eines jungen Studenten der Leibniz Universität
Hannover, welcher das Sozialverhalten von Studierenden des Studiengangs Soziale Arbeit
untersuchte, entstand der erste Ideenansatz, das eigene Studienfach als

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Forschungsgegenstand zu betrachten. Nach eingehender Recherche wurde deutlich, dass
neben mentalitäts- und selbstbildbezogenen Untersuchungen keine weiteren empirischen
Studien zum Forschungsfeld ,Sportstudierender' existieren. Motiviert durch diesen
Umstand generierte sich nach und nach der Gedanke, nicht allein das Sozialverhalten,
sondern vielmehr den Sportstudierenden (an sich) als Mittelpunkt der ausgehenden Studie
zu sehen. So entstand schließlich der erste Entwurf des Forschungsobjektes.
Beginnend mit der theoretischen Einführung in das Thema, werden Grundbegriffe der
Soziologie erläutert und voneinander abgegrenzt, um Klarheit in der weiteren
Untersuchung zu erlangen. Anschließend folgt die Charakterisierung eines (Sport-)
Studierenden, welche aus Printmedien recherchiert und schriftlich festgehalten wurde. Um
einen Einblick in das Forschungsinteresse des Themas zu ermöglichen, wird in Kapitel 5
eine kurze Erläuterung diesbezüglich gegeben. An dieser Stelle beginnt der empirische
Teil der vorliegenden Arbeit. Durch die Beschreibung der Methoden und Vorgehensweise
wird der weitere Ablauf dargelegt und ein Überblick über die praktische Studie gegeben.
Bevor die eigentliche empirische Untersuchung beginnt, erfolgt eine Voruntersuchung in
Form eines Fragebogens. Danach wird zuerst der verwendete Forschungsansatz der
Mehrperspektivenanalyse begründet und dargestellt. Des Weiteren wird eine kurze
Einführung in die Forschungs-, sowie ausführliche Erläuterungen zur Daten- und
Analysemethodik durchgeführt. Das Kernstück der Studie bildet die Auswertung, welche
durch die gewählte Forschungsmethode in fünf Abschnitten kategorisiert ist. Nach
Schlussfolgerung und Anmerkung zu der Studie beendet ein Ausblick den empirischen
Teil dieser Arbeit. Das Fazit dient abschließend als Zusammenfassung der Ergebnisse,
Diskussion im Gesamtkontext sowie inhaltlicher Reflexion als systematisches Schlusswort
dieser Bachelorarbeit.

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2 Begrifflichkeiten
Beginnend mit definitorischen sowie inhaltlichen Erläuterungen zu den Begriffen Image,
Stereotyp, Vorurteil und Klischee, soll am Ende dieses Kapitels deutlich sein, inwiefern sie
voneinander abzugrenzen sind. Auch wenn diese häufig synonym verwendet werden,
thematisieren sie verschiedene semantische Bereiche und erhalten somit für diese Arbeit
einen unterschiedlichen Bedeutungswert. Mit Hilfe von soziologischer Fachliteratur,
Einträgen in Lexika sowie Theorien bezüglich der Ausdrücke wird im ersten Teil des
theoretischen Abschnitts sowohl die Wortherkunft als auch die gesellschaftliche
Entwicklung der vier Begriffe untersucht. Des Weiteren werden Gemeinsamkeiten und
Unterschiede aufgezeigt, Verwendungsgebiete und Funktionen erläutert.
Letztendlich dient dieses Kapitel einem theoretisch grundierten Einstieg in den
Themenbereich der gesellschaftlichen Verurteilung im 21. Jahrhundert. Somit stellt es die
wissenschaftliche Basis für die folgende Untersuchung der anschließenden Kapitel dar.
2.1 Image
Der Imagebegriff, wie er in der heutigen Gesellschaft geltend ist, wurde erstmals 1956 von
dem Ökonom Boulding als neue verhaltenswissenschaftliche Orientierung geprägt (vgl.
Trommsdorff, 2000, S. 222). Aus dem Englischen stammend, bedeutet dieser Begriff
wörtlich übersetzt etwa ,Bild' oder ,Vorstellung'. Ein Image umfasst alle abstrakten und
subjektiven Eindrücke eines Individuums oder einer Gruppe, welche sich auf bestimmte
Objekte beziehen. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich ,,die ganzheitliche, stabile,
schematisch vereinfachte, durchaus mit Wertungen versehene Vorstellung" (Trommsdorff,
2000, S. 222). von oben genanntem Objekt. Diese können dabei sowohl Personen,
Verhalten, als auch Einstellungen, Gruppen, Städte oder Institutionen und Firmen sein.
Images basieren auf vergangenen Wahrnehmungen sensorischer Stimulationen und
entwickeln sich durch direkte oder indirekte Informationsquellen mit Hilfe der
Vorstellungskraft (vgl. Koschnick, 1992, S. 487). Laut W. J. Koschnick kann der
Imagebegriff in verschiedenen sensorischen Formen auftreten. Neben den gängigsten, wie
(teil-) verbal, visuell und akustisch, kann er auch olfaktorisch und taktil vorkommen.
Durch die oben genannten Eigenschaften erleichtern solche Images die Kategorisierrung

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von Individuen oder Gruppen und beeinflussen somit das konkrete Handeln sowie
Wahrnehmung und Urteilsvermögen.
Neben dem Ökonom Boulding hat sich auch Erhard Thiel in seinem Buch ,,Sport und
Sportler- Image und Marktwert" (1991) mit dem Begriff des Images beschäftigt. Hier legt
er vier wesentliche Funktionen dar, welche ein Image zu erfüllen hat. Zum einen erwähnt
er die ,knowledge function'. Hiermit ist die Bewältigung der Umwelt durch Images
gemeint. Sie sind also eine Vertretung für vorhandenes Wissen. Als ,ego defensive
function' beschreibt Thiel die ,,selbstbestätigende Wirkung" (Thiel, 1991, S. 55). Bezieht
man diese Funktion auf das Konsumverhalten, wird so folgendes deutlich: Individuen
ziehen die Produkte vor, welche ihrer Meinung nach von Images begleitet werden, die
dazu beitragen, ihr Selbstbild näher an das des Idealbildes der Gesellschaft zu rücken. Hier
lässt sich eindeutig der ,,Imagetransfer" nach Trommsdorff wiederfinden, welcher im
Abschnitt der Imageforschung näher erläutert wird. Die ,value expressive function' gilt,
wie der Name schon andeutet, als ,,Wertausdruck" (Thiel, 1991, S. 56). Menschen eignen
sich Produkte an, dessen Image die Meinung anderer über sie selbst beeinflussen soll. Das
Produkt soll somit das wertende Image auf sie übertragen. Als letzte Funktion nennt Thiel
die ,adjustive function'. Diese drückt aus, dass Images bei der Anpassung helfen (vgl.
Thiel, 1991, S. 56). In Anlehnung an Funktion drei, die der Abgrenzung dient, verhilft
Funktion vier zur Zugehörigkeit. Durch die ausgewählten Produkte grenzt der Konsument
sich auf der einen Seite zwar von der Masse ab, bekennt sich aber gleichermaßen zu denen,
die konsumtechnisch die gleiche Wahl treffen (vgl. Thiel, 1991, S. 55-56).
Der Begriff Image ist äußerst komplex zu messen, da er von diffusen Eigenschaften wie
Abstraktheit oder unbewusster, nicht immer einheitlicher Ausprägung innerhalb einer
Gruppe begleitet wird. Dennoch gibt es nach Trommsdorff (2002) spezielle Ratings, deren
Ergebnisse durch besondere Fragebatterien Imagepositionen erkennbar machen können.
Anders als Trommsdorff erläutert Thiel (1991) vier Verfahren, welche versuchen ein
Image zu erforschen. Verfahren eins stammt aus der Psychoanalyse und versucht mit
tiefenpsychologischen ,,Tiefeninterviews" das Unterbewusstsein der Probanden zu
ergründen. Verfahren zwei entwickelt Polaritätenprofile, indem Versuchspersonen
Eigenschaften angeboten werden, welche sich als Pole gegenüberstehen. Je nach
empfundener Ausprägung dieser Eigenschaften, hat sich der Versuchsteilnehmer nun auf
einer Skala von ,sehr gut' bis ,sehr schlecht' für eine der beiden Richtungen zu
entscheiden.

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Einen weiteren Versuch, den Imagebegriff zu erforschen, stellen sogenannte ,,projektive
Verfahren" dar. In dieser Methode sollen Rollenspiele dazu beitragen, dass die Befragten
sich ungehemmt und ehrlich zu vorliegenden Bildern äußern.
Das vierte Verfahren, welches E. Thiel erläutert, ist der ,,Vergleich mit dem idealen
Produkt (...) Hier wird das Profil des ,,idealen Produktes" mit bestehenden Angeboten
verglichen." (Thiel, 1991, S. 56).
Entwickelt hat sich diese Imageforschung aus der ,,Vorurteils- und Stereotypenforschung,
der Wahrnehmungs- insbesondere Personenwahrnehmungsforschung sowie aus der
Einstellungs- bzw. Atitüdenforschung" (Trommsdorff, 2002, S. 222). Besonders häufig
wird diese Art der Forschung heute in der Marketingbranche verwendet. Durch das
Erfassen des Images eines bestimmten Produktes, ist es möglich, dieses zu transferieren
und somit den Verkaufserfolg einer ausgewählten Marke auf ein neu entwickeltes Produkt
zu übertragen. Auf Basis dieser Imagedaten wird versucht, eine optimale Produktpolitik zu
entwickeln (vgl. Trommsdorff, 2002, S. 222). Dieser Imagetransfer erinnert stark an Thiels
,,Vergleich mit dem idealen Produkt" (Thiel, 1991, S. 56).
Zusammengefasst geben ,,Images [...] Menschen, Sachen, Organisationen ein Gesicht. Das
Image ist sowohl Leitlinie wie auch Persönlichkeit und Charakter." (Thiel, 1991, S. 54).
2.2 Stereotyp
Der Begriff ,Stereotyp' kennzeichnet ,,in der Psychologie (die) Bezeichnung eines
Denkens und Verhaltens nach feststehenden Orientierungen, die häufig zu Vorurteilen,
Starrheit und Vereinfachung bei der Beurteilung von Personen oder Sachen führen, z.B.(...)
Politikern (korrupt, opportunistisch) usw. Die Bildung von Stereotypen ist im gewissen
Umfang für jeden Menschen zur Erleichterung der Orientierung notwendig und Teil des
sozialen Lernens." (Recker, 2000, S. 651). Psychologisch betrachtet, steht die
Begrifflichkeit ,Stereotyp' also für den Habitus von Individuen oder Gruppen, der sich von
eingefahrenen, bereits bestehenden Grundsätzen ableitet. Außerdem wird dem Stereotyp
die Aufgabe der Erleichterung des Orientierens zugeschrieben und dieses als festen
Bestandteil des gesellschaftlichen Daseins betitelt.
Aus soziologischer Sicht beinhaltet der Ausdruck jedoch weitreichendere Aspekte. Als
Vorstellungen über Individuen oder Gruppen und Objekte umfasst ein sozialer Stereotyp

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eine gewisse Voreingenommenheit der Betroffenen gegenüber. Ein weiteres Merkmal
findet sich in der wissenschaftlichen Grundierung wieder. Durch nicht ausreichend
faktische Beweise lässt sich der Begriff des Stereotypen charakterisieren. Darüber hinaus
ist anzumerken, dass der Ausdruck erst ab einem gewissen Maße an Bekanntheit
Berechtigung findet.
Laut dem ,,Sportwissenschaftlichen Lexikon" von Peter Röthig (2003) hat ein Stereotyp
vor allem zwei Aufgaben im Sport: Zum einen soll er zur Erleichterung von
Identifikationsprozessen beitragen, zum Beispiel um einen Sportler oder ein gesamtes
Team durch Sympathie attraktiver erscheinen zu lassen (vgl. Röthig, 2003, S. 302). Zum
anderen besteht durch Stereotypie die Ausdrucksmöglichkeit für bestimmte emotionale
Bedürfnisse, welche Röthig als expressive Funktion zusammenfasst (vgl. Röthig, 2003, S.
302). Überdies kreieren Stereotypen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Sinn für
soziale Solidarität wird gestärkt (vgl. Koschnick, 1993, S. 1630 ff.).
Auch Walter Lippmann, ein einflussreicher US-amerikanischer Journalist, Schriftsteller
und Medienkritiker, beschäftigte sich bereits in seinem Buch ,,Public Opinion" (1922)
intensiv mit dem Begriff Stereotyp. Er beschreibt diesen Ausdruck als ausgedachte,
adaptierte, gruppenbezogene Vorstellung über die wesentliche Natur einer
Personengruppe. Sie dient zur Vereinfachung von psychischen Prozessen, welche auf die
Wahrnehmung eingeschränkt bleiben. Ebenso helfen sie, das Verhalten gegenüber diesen
Gruppen zu erklären (vgl. Lippmann, 1922, in Koschnick, 1993, S. 1630 ff.). In seinem
Werk versucht Lippmann die damalige Problematik der politischen Beeinflussung durch
Stereotypie aufzuzeigen. Durch nicht erlebte Realitäten wurden die Bürger mit
gesellschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert, die nicht nachweisbar waren. Sie mussten
sich also auf Informationsquellen wie Zeitung, Gerüchte oder politische
Öffentlichkeitsarbeit verlassen. ,,The only feeling that anyone can have about an event he
does not experience, (...) is the feeling aroused by his mental image of that event."
(Lippmann, 1922, S. 13). Dieses mentale Bild, von dem Lippmann spricht, wird von oben
genannten Informationsquellen geprägt, das die Grundlage von Stereotypen darstellt. Der
Bürger entwickelt seine eigene Pseudo-Realität und wird dadurch bereits in den zwanziger
Jahren politisch stark beeinflusst (vgl. Lippmann, 1922, in Koschnick, 1993, S. 1630 ff.).
Damals wie heute übernehmen Individuen die vorgelebten Formen von Stereotypen der
Gesellschaft, anstatt sich eigene Bilder aufgrund persönlicher Wahrnehmung zu
verschaffen. Laut Lippmann sind Beurteilungen und Wertungen feste Bestandteile dieser
Stereotypen: ,,The stereotypes are loaded with preference, suffused with affection or
dislike, attached to fears, lusts, strong wishes, pride, hope. Whatever invokes the

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stereotype is judged with the appropriate sentiment." (Lippmann, 1922, S. 119).
Stereotypen sind somit unter anderem von Vorlieben, Ablehnung, starken Wünschen und
Hoffnungen geprägt und erlangen erst durch bestimmte Gefühle Berechtigung.
Wie viele Soziologen, betont auch Lippmann die Schwierigkeit der Begriffsabgrenzung.
Häufig wird der Ausdruck des Vorurteils synonym verwendet. Dieser bezieht sich laut dem
Journalisten jedoch auf Glaube oder Meinung, während Stereotypen Gedanken und
Überlegungen widerspiegeln. Ebenso wenig kann von einer starken Vereinfachung von
Eigenschaften der Außenwelt die Rede sein. Diese werden lediglich beinhaltet. Eindeutig
lässt sich jedoch festhalten, dass ein Stereotyp ein Gedanke ist, der nicht auf bewiesene
Hypothesen gründet. Vielmehr wird er in einigen oder allen zugrunde liegenden Fakten
missverstanden (vgl. Lippmann, 1922, in Koschnick, 1993, S. 1631).
Überdies wird der Ausdruck des Stereotyps häufig mit dem psychologischen Bereich der
Verdrängung in Verbindung gebracht. Hier richten sich Gefühle der Feindseligkeit, Ärger
oder Sorge direkt gegen Objekte, die nicht Ursprung dieser Emotionen sind. Lippmann
spricht in diesem Fall von ,scapegoats', sogenannten Sündenböcken (vgl. Lippmann, 1922,
S. 246). Diese Scapegoat-Theorie findet im Bereich der Stereotypie jedoch keine weitere
Bedeutung.
Einen speziellen Fall stellt die Attribution in der Stereotypenforschung dar. Sie umfasst die
menschliche Neigung, beobachtete Aktionen von Personen zu hinterfragen und nach dem
Grund der Tat zu suchen. In der Forschung wird dieses Phänomen unter
Attributionstheorie festgehalten (vgl. Lippmann, 1993, in Koschnick, 1993, S. 1631).
Abgeleitet von der metallischen Form des schriftlichen Abklatsches deutet der Begriff auf
eine gewisse Starrheit und Inflexibilität hin. Dennoch sind Stereotypen nicht automatisch
mit Ablehnung verbunden.
Letztendlich verursachen sie durch schnelle Ausbreitung positive oder negative
Assoziationen bei Zuhörern. Ganz nach dem Prinzip des Yin und Yang erläutert Lippmann
die Berechtigung von positiven wie negativen Stereotypen: ,,Besides hero-worship there ist
the exorcism of devils. By the same mechanism through which heroes are incarnated,
devils are made." (Lippmann, 1922, S. 10). Der Mensch ist dauerhaft bestrebt, sein Leben
im Gleichgewicht zu halten und eine gewisse Harmonie einzustellen. Hierfür benötigt er
neben den positiven Einstellungen ebenso negative Sichtweisen, um das Gleichgewicht zu
gewährleisten.

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2.3 Vorurteil
Ein Vorurteil, synonym auch als Voreingenommenheit oder vorgefasste Meinung
verwendet, ist die ,,negative Einstellung gegenüber sozialen Gruppen" (Stephan, 2002, S.
677), wobei sich diese Haltung auch gegen Individuen, Institutionen, Nationen,
wissenschaftliche Themen sowie Technik und Kultur richten kann (vgl. Six, 2002, S. 677).
Diesbezüglich ist es angemessener von ,,sozial nicht akzeptierte(n) Bewertungsmuster(n)
(...)" zu reden, ,,die auf sämtliche soziale Sachverhalte angewendet werden können." (Six,
2002, S. 677).
Eine ausführlichere Erläuterung bietet Wolfgang J. Koschnick in seinem
,,Standardwörterbuch für die Sozialwissenschaften": ,,Any belief, whether correct or
incorrect, held without proper consideration of, or even defiance of, the evidence. It is an
attitude (...) which predisposes individual to make negative judgments about persons,
objects, concepts, or groups, prios to objective evaluation." (Koschnick, 1993, S. 2147).
Erweitert um den Aspekt der Wertung, beinhaltet Koschnicks Definition erstmals die
Frage nach dem Wahrheitsgehalt eines Vorurteils. Es ist eine vereinfachte, feindselige
Einstellung gegenüber Gruppen oder Individuen, und damit mehr als eine Wertung ohne
bewiesene Fakten (vgl. Koschnick, 1993, S. 2147). Darüber hinaus, ist ein Vorurteil erst
namensberechtigt, wenn es auch durch neu erworbene Informationen keine Korrektur
zulässt.
Die traditionelle Erfassung von Vorurteilen durch Fragebögen wurde in den letzten Jahren
zunehmend weiterentwickelt. Die Itemformulierung zur Datenerhebung soll
undurchsichtiger und indirekter gestaltet werden um den Testpersonen die Ergebnisse
unvorhersehbar erscheinen zu lassen.
Ein neueres Verfahren entwickelten Greenwald, McGhee und Schwartz 1998 im ,,Journal
of Personality and Soclal Psychology", indem durch Reaktionszeitmessung Vorurteile
erfasst werden sollen. Diese ,,implizierten Assoziationstests" (IAT) gehen davon aus, dass
gut verknüpfte Merkmale und Objekte eine schnellere Reaktionszeit hervorrufen, als
weniger schnell abrufbare kognitive Verbindungen (vgl. Six, 2002, S. 678).
Wie nun ein Vorurteil entsteht, teilt Endruweit in vier Klassen unterschiedlicher
Entstehungstheorien ein. Theorie eins stammt aus der Entwicklungspsychologie. Durch
Studien- und Phasenmodelle wird erklärt, wie ein Vorurteil gebildet wird. Diese sind
jedoch häufig nicht empirisch überprüft. Die zweite Theorie befasst sich mit
soziologischen und soziokulturellen Aspekten. In diese Kategorie gehören unter anderem
,,die Theorie des realistischen Gruppenkonfliktes" nach Sherif und ,,die Theorie des

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symbolischen Rassismus" (Six, 2002, S. 678) nach Kinder und Sears. Verfechter dieser
Entstehungstheorien gehen davon aus, dass der Ursprung von Vorurteilen sowie
Stereotypen in der uneinheitlichen Verteilung von Autorität und Interesse liegt (vgl. Six,
2002, S. 678). Eine weitere Annahme zur Genese stellt die ,,vorurteilsvolle
Persönlichkeitsentwicklung" (Six, 2002, S. 678) dar. Dieser psychodynamische Ansatz
erklärt durch die Entwicklung des Ichs, Es und Über-Ichs (nach Adorno), wie Vorurteile
bereits in der Kindheit durch Erziehung weitergegeben und gefestigt werden können (vgl.
Six, 2002, S. 678). Letztendlich erwähnt Six die kognitive Richtung der Entstehung. Laut
dieser Theorie werden sogenannte ,Outgroups'
1
schnell diskriminiert. Es zeigt sich, dass
Gruppenzugehörigkeit ein wichtiger Bestandteil der eigenen Identitätenaufwertung ist.
Vorurteile entwickeln sich hier also aufgrund von Selbstwertproblematiken des
vorurteilenden Individuums.
Studien beweisen, wie schnell durch Kategorisierung Vorurteile gebildet werden. Sie
erweisen sich als starr, schwer änderbar und äußerst schwer zu ignorieren, sobald eine
soziale Gruppe bewertet werden soll und diese Ziel eines Vorurteils ist.
Auch Koschnick bietet eine Erklärung über den Ursprung von Vorurteilen. Seine Grafik
,,Theoretical and Methodological Approaches to the Study oft the Causes of Prejudice"
(1993) berücksichtigt neben historischen Zusammenhängen, umfassenden soziokulturellen
sowie situationsbedingten Faktoren auch interpersonelle Dynamik, phenomenologische
Kriterien des verurteilten Individuums, ebenso wie den Charakter der Zielgruppe.
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1 ,,A group of people excluded from or not belonging to one's own group, especially when viewed as
subordinate or contemptibly different" (The American Heritage Dictionary of the English Language, 2000)

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Abbildung 1: Theoretical and Methodological Approach of the Study of the Causes of Prejudice,
(nach Koschnick, 1993, S. 2147)
Die Grafik ist als ein Modell der Entwicklung eines Vorurteils, beginnend beim
historischen Zugang bis hin zum verurteilten Objekt zu betrachten. Horizontal in sechs
Abschnitte gegliedert, lässt die Form der Abbildung erkennen, dass sich das entstehende
Vorurteil im Laufe des Prozesses immer weiter zuspitzt. Beeinflusst wird diese Genese
lediglich von situationsbedingter sowie persönlicher und dynamischer Sozialisation, wie
zwischen Abschnitt drei und vier gekennzeichnet ist. In Abschnitt fünf wird die Bedeutung
der Reaktion beider Parteien aufgezeigt. Laut Koschnick sind also die besten
Voraussetzungen für ein Vorurteil negative Verhaltensweisen, die einer Zielgruppe von
einem Mitglied der Outgroup, aufgrund persönlicher und weniger umwelt- oder
sozialbedingter Faktoren zugeschrieben werden (vgl. Koschnick, 1993, S. 2147).
Betroffen von Vorurteilen und Diskriminierung sind meistens ethnische Gruppen oder
anderweitige Minderheiten. Der Ausdruck ,Minderheit' bezieht sich hierbei nicht auf die
Zahl der Gruppenzugehörigen, sondern auf das soziale Ansehen der Gruppe. Vorurteile
und Diskriminierungen richten sich ausschließlich auf Basis der Mitgliedschaft einer
solchen Gruppe gegen die Person, lassen somit die individuellen Eigenschaften außer Acht
(vgl. Koschnick, 1993, S. 2147).
Solche sozialen Einstellungen bestehen laut Koschnick aus drei Komponenten. Zum einen
werden alle Gedanken und Überlegungen bezüglich der Zielgruppe unter ,kognitive
Komponente' zusammengefasst. Der zweite Bestandteil betrifft die affektive Ebene und

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beinhaltet sämtliche Gefühle die Zielgruppe betreffend. Als dritten Aspekt beschreibt
Koschnick die Verhaltenstendenzen der jeweiligen sozialen Gemeinschaften. Werden diese
drei Komponenten auf den Begriff des Vorurteils bezogen, lassen sich folgende deutliche
Muster erkennen: kognitive Aspekte sind vereinfacht oder gänzlich falsch, die affektive
Ebene ist geprägt von sehr negativen Beurteilungen wie Feindseligkeit oder sogar Hass,
die Verhaltenstendenzen reichen bis zur Diskriminierung (vgl. Koschnick, 1993, S. 2147).
Diese Einstellungen, aus denen Vorurteile bestehen, haben laut Koschnick unterschiedliche
Ursachen. Soziologen und Anthropologen thematisieren in Ihrer Forschung zu
Entstehungsgründen den sozialen Kontext, die soziokulturellen Einflüsse, wie zum
Beispiel die Populationsdichte oder die zunehmende Urbanisierung der heutigen
Gesellschaft.
So
soll
zum
Beispiel
das
Stadtleben
das
menschliche
Zusammengehörigkeitsgefühl zerstören, für Frustration, Ungewissheit und Unsicherheit
sorgen. Darüber hinaus trägt die natürliche Sozialisation und Erziehung bei Kindern sowie
Neulingen in einer Gesellschaft dazu bei, dass bestehende Meinungen und Werturteile
während der Anpassung an ein neues Umfeld übernommen werden. Nach soziologischer
Betrachtung sind somit das soziale Lernen und die Konformität wichtige Aspekte in
Hinblick auf Vorurteile (vgl. Koschnick, 1993, S. 2148).
Der psychodynamische Erklärungsansatz betrachtet wiederum eher die individuellen
Faktoren und untersucht somit eine andere Seite als anthropologische Annahmen. In Frage
gestellt wird hierbei die ,,funktionierende" (Koschnick, 1993, S. 2148) oder
,,nichtfunktionierende" (Koschnick, 1993, S. 2148) Persönlichkeit der verurteilten Person.
Gemeint ist damit die charakterliche Stärke derjenigen Person, gegen die sich die
Vorurteile richten (vgl. Koschnick, 1993, S. 2148).
Der dritte und letzte Zugang, um Vorurteilsbildung zu verstehen, basiert auf
phenomenologischer Herangehensweise. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen eine
subjektive Realität entwickeln, indem sie durch Sinneswahrnehmungen individuelle
Weltbilder produzieren. Diese subjektive Realität beeinflusst das Handeln zunehmend und
ist dafür verantwortlich, wie eine Person auf objektive Gegebenheiten reagiert (vgl.
Koschnick, 1993, S. 2148). Die Reaktion richtet sich somit nicht nach der Objektivität des
verurteilten Objektes, sondern nach der subjektiven Wahrnehmung des Verurteilenden.
Nimmt beispielsweise eine Person feindseliges oder sogar drohendes Verhalten einer
Gruppe ihr gegenüber wahr, tritt sie dieser mit Angst und Argwohn gegenüber. Sie neigt
dazu, objektive Ereignisse anders zu interpretieren und unterstützt somit die Festigung des
Vorurteils. Dieses Phänomen wird als ,kognitive Dissonanz' beschrieben (vgl. Koschnick,
1993, S. 2148). Die individuelle Wahrnehmung spielt eine entscheidende Rolle, so schreibt

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Koschnick in seinem Soziologielexikon: ,,In different situations and with different
individuals, different causes are more or less important: for some it may be the individual's
inadequate personality; for others, the social learning environment." (Koschnick, 1993, S.
2148).
Die In- und Outgroup- Beziehung lässt ein eindeutiges Muster erkennen. Während die
eigene Gruppe, also die Ingroup automatisch eine positive Assoziation hervorruft, werden
Verhaltensweisen der Outgroups in erster Linie als negativ bewertet (vgl. Koschnick,
1993, S. 2148).
2.4 Klischee
Der Begriff ,Klischee' stammt ursprünglich aus dem Französischen (cliché) und bedeutet
übersetzt Abklatsch, Nachbildung oder Schablone (vgl. Wilpert, 2001, S. 416). Ein
vorgefertigter Druckstock wurde Anfang des 19. Jahrhunderts, ähnlich dem heutigen
Stempel, erstmals aus Zink erstellt und mit Schrift oder Motiven für Zeitungen sowie
Bücherdrucke verwendet (vgl. Moll, J.u.). So wie ein immer wiederverwendbarer Stempel
fand das Klischee seinen Weg in die Umgangssprache und wird heute für ,,abgedroschene,
wiederholt verwendete Redensart[en] oder Meinung[en]" (Moll, J.u.). verwendet Laut dem
deutschen Soziologen Siegfried Lamnek ist ein Klischee ,,eine relativ fest eingefahrene,
verkürzte, selektive Vorstellung von einem sozialen Phänomen" (Lamnek, 2000, S. 335).
Diese Vorstellungen stimmen jedoch nicht unbedingt mit der Realität überein. Häufig ist
auch von ,Schubladendenken' in der Literatur die Rede. Dieser Ausdruck rührt daher, dass
der Mensch gedanklich alles ordnen möchte um einen Überblick zu behalten. Es liegt in
seiner Natur, Informationen in Kisten (,Schubladen') zu packen um in bestimmten
Momenten Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. An dieser Stelle unterscheidet sich ein
Authist von nicht authistischen Individuen. Ein Authist ist nicht in der Lage, unwichtige
Informationen herauszufiltern und diese in ,,Schubladen unterzubringen". Diese Person
leidet also an einer immensen Reizüberflutung.
Klischees basieren wie Stereotypen und Vorurteile auch auf dem Prinzip der
Kategorisierung, was bereits das ,Schubladendenken' verdeutlicht. Als alltagstaugliche
Verallgemeinerung liegt ihr Schwerpunkt vor allem in zwischenmenschlicher,
Kommunikation und nicht im kognitiven oder semantischen Bereich (vgl. Zijderveld,
1979, S. 33). So bemerkt Sternkopf, dass ,,das Klischee (...) im Unterschied zum Stereotyp

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nicht in erster Linie durch seinen Inhalt gekennzeichnet [ist], sondern durch die Häufigkeit
des Gebrauchs" (1998, S. 120). Dieser Fakt stellt den ersten und bedeutungsvollsten
Unterschied zwischen dem Klischee und dem Stereotyp dar. Der Soziologe geht sogar
soweit zu behaupten, dass alle Stereotypen Klischees sind, aber nicht alle Klischees
Stereotypen (vgl. Zijderveld, 1979, S. 28). ,,Stereotypes carry all the characteristics of
clichés, but possess in addition the moral and metaphysical dimensions (...). In Short, all
sterotypes are clichés, but not all chlichés are stereotypes" (Zijderveld, 1979, S. 28). Ein
Stereotyp ist also ein Klischee, besitzt jedoch zusätzlich die moralische sowie
metaphysische Dimension, die dem Klischee fehlen.
Diese wertneutralen Verallgemeinerungen dienen dazu, ,,Einstellungen ohne größere
geistige und kommunikative Anstrengungen zu formulieren (...) ohne die inhaltliche Tiefe
dieser Einstellungen ausloten und rechtfertigen zu müssen" (Heinemann in Ahmann, 2012,
S.93). Die Hauptaufgabe von Klischees besteht also in der Reduktion gedanklicher und
kommunikativer Anstrengung. Sie vermeiden Reflexionen und werden gedankenlos
gebraucht, genau das macht sie so alltagstauglich (vgl. Zijderveld, 1979, S. 29). Durch
diese Verallgemeinerung erzeugen sie ein Gefühl der Gemeinschaft und unterstützen die
Stabilisierung des individuellen und kollektiven Seelenlebens (vgl. Ahmann, 2012, S. 102).
Drüber hinaus dienen Klischees der Vereinfachung von ,,komplexe(m) Spezialwissen einer
arbeitsteilig aufgebauten Leistungsgesellschaft" (Seeber, J.u., S.261), sodass auch der
Durchschnittsbürger Zugang zu solchen Inhalten erhält. Diese stark vereinfachten und
häufig auch verfälschten Inhalte, werden häufig von spitzfindigen Journalisten in der
täglichen Zeitung verbreitet, denn was die Masse versteht, setzt sich durch (vgl. Ahmann,
2012, S. 100). Ein Beispiel für dieses Phänomen wäre die Zeitung ,Bild'. Runtergebrochen
auf alltagstaugliche Informationen erreicht sie jede Bildungsschicht und macht so mehr
oder weniger komplexes Spezialwissen für den durchschnittlichen Bürger zugänglich. Des
weiteren hat ein Klischee, ebenso wie ein Image, ein Stereotyp oder ein Vorurteil eine
gewisse Unterhaltungsfunktion (vgl. Seeber, J.u., S.260).

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2.5 Abgrenzung der Begriffe Image, Vorurteil, Klischee und Stereotyp
Auf den ersten Blick erscheinen die Begriffe Image, Vorurteil, Klischee und Stereotyp als
selbsterklärend. Häufig im Alltag benutzt, handelt es sich zwar nicht um wissenschaftliche
Fachbegriffe, wer sich allerdings mit diesen Termini eingehender beschäftigt wird
feststellen, dass sie keineswegs so einfach zu erläutern sind. Eine Charakteristik, die alle
vier Ausdrücke gemeinsam haben, ist unumstritten der Versuch des Individuums, durch
Gebrauch eines dieser Begrifflichkeiten eine gewisse Ordnung in seine Umwelt zu
bekommen.
Um nun eine Abgrenzung zwischen Vorurteilen, Images, Klischees und Stereotypen
entwickeln zu können, benötigt es genauster Betrachtung. Häufig werden diese Begriffe
synonym verwendet, ohne ihre genaue Bedeutung zu hinterfragen.
Am schwierigsten aufzuzeigen ist die Grenze zwischen Stereotyp und Vorurteil. Ahmann
unterscheidet hier auf der einen Seite die quantitativen und auf der anderen die qualitativen
Unterschiede. Unter quantitativen Aspekten erwähnt Klein in Ahmanns Buch ,,Das
Trügerische am Berufsbild des Übersetzers" (2012), dass ein Stereotyp gegenüber dem
Vorurteil nicht automatisch eine Herabsetzung des Objekts bedeutet. Ein negatives
Stereotyp ist Kleins Meinung nach eine Menge von Vorurteilen (vgl. 2012, S.91). Ein
weiterer quantitativer Unterschied wird durch die Gebrauchsform angedeutet. Während
Vorurteile häufig gesammelt und in der Mehrzahl auftreten, gibt es den Begriff des
Stereotyps idiomatisch korrekt verwendet im Plural nicht (vgl. Klein, 2012, S.91).
Unter qualitativen Abweichungen zitiert Ahmann O'Sullivan: ein Stereotyp wird heute als
,,eine eher wertneutrale Entität
2
gesehen" (2012, S. 91-92) während ein Vorurteil negativ
ausgerichtet ist. Ebenso ist es weiter gefasst als ein Stereotyp und schließt affektive sowie
konative Komponenten ein (vgl. O'Sullivan, 1989, S 24-25). Des Weiteren ist der
kognitive Aspekt bei Vorurteilen stärker ausgeprägt. Ein Stereotyp hingegen kann als
bildliche oder sprachliche Repräsentation angesehen werden und stellt eine kognitive
Zuordnung dar, während ein Vorurteil eine generelle Haltung eines Objektes gegenüber
ausdrückt (vgl. Ahmann, 2012, S. 101).
Basierend auf der in Kapitel 2.3 beschriebenen Begriffserklärung erläutert Bernd Six in
Endruweits und Trommsdorffs ,,Wörterbuch der Soziologie" eine Korrelation zwischen
beiden Ausdrücken. Wenn ein Stereotyp ein stärker mit Kategorisierung verbundenes
Urteil ist, ist ein Vorurteil ein stärker mit Bewertung verknüpftes Urteil (vgl. Six, 2002,
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
2
Entität= ,,in der Scholastik das Dasein, im Unterschied zum Wesen (Sosein)"
(
Bertelsmann Lexikon, 2003,
S. 380
)

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S.678). Sie grenzen sich dementsprechend durch die Ausprägung der Merkmale ab, nicht
durch die Merkmale per se.
Ganz elementar sieht Lippmann den Unterschied zwischen beiden Bereichen. In
Koschnicks Standard- Wörterbuch für die Sozialwissenschaften schreibt er dem Stereotyp
Ausdrücke wie Gedanken oder Überlegungen zu, während ein Vorurteil Glaube und
Meinung darstellt. Darüber hinaus beschreibt er ein Stereotyp als den kognitiven Teil eines
Vorurteils (vgl. Lippmann (1922) in Koschnick (1993) , S. 1631).
Eindeutiger abzugrenzen vom Stereotyp ist der Begriff Klischee. Anders als bei einem
Stereotyp, liegt der Schwerpunkt laut Zijderveld bei einem Klischee in der
zwischenmenschlichen, alltäglichen Kommunikation und nicht im semantischen oder
kognitiven Bereich, wie bereits in Kapitel 2.4 erklärt. Überdies besitzt ein Stereotyp im
Gegensatz zu einem Klischee eine moralische sowie metaphysische Komponente (vgl.
Zijderveld, 1979, S. 28). Ahmann sieht den deutlichstens Unterschied zwischen Stereotyp
und Klischee jedoch in der Quantität des alltäglichen Gebrauchs. Klischees würden viel
häufiger Verwendung finden und in der heutigen Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit als
ein Stereotyp bekommen (2012, S. 102).
Der Begriff des Images lässt sich von den anderen dreien durch seine wechselseitige
Abhängigkeit abgrenzen, die zwischen Produkt oder Objekt und Rezipient besteht.
Darüber hinaus ist der Begriff ,Image' stark visuell geprägt, da er in der heutigen
Gesellschaft fast ausschließlich von Massenmedien bestimmt wird (Ahmann, 2012, S. 81).
Ferner deckt Ahmann eine Parallele zwischen den Komponenten Image und Vorurteil auf.
Beide beinhalten affektive Bestandteile, ein Image jedoch zusätzlich einen größeren Anteil
kognitiver Elemente. Es kann somit umfassender als ein Vorurteil oder ein Stereotyp
beschrieben werden (vgl. Ahmann, 2012, S. 80).
Abschließend wird deutlich, dass eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten zwar
möglich ist, jedoch soziologisch als auch wissenschaftlich immer noch sehr umstritten ist.
Im weiteren Verlauf der Ausführung wird vorwiegend mit dem Begriff des Klischees
gearbeitet, der in Kapitel 2.4 erläutert wurde.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783956365430
ISBN (Paperback)
9783956368875
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta – Combined Studies
Erscheinungsdatum
2015 (August)
Note
1,3
Schlagworte
Klischee Sportstudierende Sportler Vorurteil qualitative Studie Grounded Theory Sportstudent
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Titel: „Sportler ist, wer raucht und trinkt und trotzdem seine Leistung bringt.“
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