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Modellbildung und Simulation von photovoltaisch angetriebenen Wärmepumpensystemen

©2014 Masterarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Im Jahr 2012 entfiel knapp ein Viertel des Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland auf die Bereitstellung
von Raumwärme und Brauchwarmwasser in Privathaushalten. Die technische Umsetzung erfolgt dabei in aller Regel
noch immer auf der Basis von konventionellen Energieträgern. Verschiedene Untersuchungen zeigten jedoch, dass
stattdessen der Einsatz einer Wärmepumpe in Kombination mit einer lokalen photovoltaischen Stromerzeugung enorme
energetische und ökologische Potentiale eröffnet.
Neben zahlreichen Definitionen für bilanzielle Niedrigst- oder Plusenergiegebäude befassten sich bislang nur
wenige Arbeiten mit der tatsächlich erreichbaren Netzautarkie solcher Systeme.

Die vorliegende Ausarbeitung untersucht daher im Speziellen die Wechselwirkungen zwischen
Gebäude- und Anlagentechnik. Dazu werden u.a. Berechnungsmodelle für ein typisches Einfamilienhaus mit
variierenden energetischen Standards sowie für verschiedene Raumheizungssysteme, thermische und
elektrische Speicher, eine Leistungs-modulierende Wärmepumpe und eine Photovoltaik-Anlage erstellt. Ebenso
werden die gängigen hydraulischen Einbindungen aufgezeigt, bewertet und eine optimierte Variante vorgeschlagen.
Auf der Grundlage der hydraulischen Voraussetzungen wird auch ein detailliertes Regelungskonzept des
Kaltdampfprozesses einer Wärmepumpe vorgestellt.

Anhand der Simulationsstudien zeigt sich, dass selbst für ein hoch-wärmegedämmtes Gebäude mit maximaler
Photovoltaik-Belegung sowie thermischen und elektrischen Speichern einer üblichen Größenordnung keine vollständige
Autarkie zu erwarten ist. Höchstwerte der Netzunabhängigkeit ergeben sich mit etwa 60 - 70 %.
Als entscheidend stellt sich dabei der Einsatz eines elektrischen Speichers zum Ausgleich der tageszyklischen
Schwankungen zwischen Wärmebedarf bzw. Stromverbrauch und der solaren Einstrahlung heraus. Das Potential von
thermischen Speichern und Eigenstrom-optimierten Regelstrategien erweist sich unterdessen als gering, da das größte
Hindernis zu einer vollständigen Autarkie in der saisonalen Diskrepanz zwischen Photovoltaik-Strom und Wärmebedarf besteht.

Ferner wird ein thermisches Modell für einen sog. Photovoltaik-Luftkollektor erstellt. Die Grundidee zur Steigerung der
Wärmepumpen-Effizienz durch eine Vorerwärmung der Außenluft bei gleichzeitiger Kühlung der Photovoltaik-Zellen zeigt sich
dabei jedoch als kaum nutzbar.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Schaub, Michael: Modellbildung und Simulation von photovoltaisch angetriebenen
Wärmepumpensystemen, Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2015
PDF-eBook-ISBN: 978-3-95636-494-5
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2015
Zugl. Hochschule Biberach, Masterarbeit, 2014
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Hermannstal 119k, 22119 Hamburg
http://www.diplom.de, Hamburg 2015
Printed in Germany

iv
IInhalt
Erklärung ... iii
Nomenklatur ... vii
Abbildungen ... xiii
Vorwort ... xv
Kurzfassung ... xvi
Abstract ... xvii
1 Einleitung ... 1
1.1
Energiepolitische Einordnung ... 1
1.2
Betrachtungsansatz ... 2
1.3
Literatur ... 3
2 Modellbildung ... 5
2.1
Simulationsumgebung ... 5
2.1.1 Numerische Integrationsverfahren ... 6
2.2
Gebäudemodell ... 6
2.2.1 Raummodell ... 7
2.2.2 Speicherfähigkeit ... 8
2.2.3 Typgebäude ... 9
2.2.4 Lüftungswärmebedarf ... 11
2.2.5 Nutzungs- und Lastprofile ... 11
2.3
Raumheizung ... 13
2.3.1 Ventil ... 13
2.3.2 Wärmeübergabe ... 14
2.4
Hydraulische Einbindung ... 15
2.4.1 Einbindung ohne Heizungs-Pufferspeicher ... 16
2.4.2 Brauchwarmwasser ... 17
2.4.3 Puffer seriell im Vorlauf ... 18
2.4.4 Puffer seriell im Rücklauf ... 19
2.4.5 Parallele Einbindung ... 20
2.4.6 Bedarfsweise Puffereinbindung ... 23
2.5
Regelung von Kaltdampfprozessen ... 24
2.5.1 Methoden der Leistungsbeeinflussung ... 25
2.5.2 Regelungskonzept zur Drehzahlmodulation ... 26
2.6
Wärmepumpenmodell ... 29
2.6.1 Zustandsgrößen im Kältekreis ... 29
2.6.2 Wärmeübertrager ... 32

v
2.6.3 Verdichter ... 35
2.6.4 Frequenzumrichter ... 37
2.6.5 Abtauung ... 38
2.6.6 Verdampfer-Ventilator ... 39
2.6.7 Sensitivitätsanalyse ... 41
2.6.8 Validierung des Wärmepumpenmodells ... 42
2.7
Schichtenspeicher-Modell ... 45
2.7.1 Mathematische Beschreibung ... 46
2.7.2 Plausibilitätsprüfung ... 47
2.8
Photovoltaikmodell ... 48
2.8.1 Einfaches Temperaturmodell ... 49
2.8.2 Wechselrichter ... 51
2.8.3 Elektrischer Jahresertrag ... 51
2.9
Stromspeicher ... 52
2.9.1 Vereinfachtes Akkumulator-Modell ... 53
2.10 PV-Luftkollektor ... 54
2.10.1 Örtliche Diskretisierung ... 55
2.10.2 Wärmeübergänge ... 58
2.10.3 Sensitivitäten des Kollektormodells ... 58
2.10.4 Validierung des Kollektormodells ... 60
2.10.5 Systemintegration ... 61
2.11 Übergeordnete Regelung ... 62
2.11.1 Variante Standardregelung ... 62
2.11.2 Ansatz für PV-optimierte Regelstrategie ... 64
2.12 Meteorologische Datenbasis ... 65
2.12.1 Klimazone Biberach ... 65
2.12.2 Klimazone Potsdam ... 66
2.12.3 Konsistenz der solaren Strahlungsdaten ... 66
2.12.4 Approximation der Erdreichtemperatur ... 67
2.12.5 Vereinfachung effektive Himmelstemperatur ... 67
3 Simulationsstudien ... 68
3.1.1 Referenzvarianten ... 68
3.1.2 Gleichzeitigkeit von Photovoltaik-Ertrag und Wärmepumpenbetrieb ... 70
3.1.3 Einfluss des Pufferspeichers im Fußbodenheizungs-System ... 72
3.1.4 Verwendung eines Stromspeichers ... 73
3.1.5 Auswirkungen der PV-optimierten Regelstrategie ... 74
3.1.6 Veränderung der Speicherkapazitäten ... 75
3.1.7 Modulationsbereiche und Verdichter-Bauart ... 76

vi
3.1.8 Sperrzeiten EVU ... 79
3.1.9 PV-Luftkollektor ... 80
3.1.10 Einfluss der Klimadaten ... 83
4 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung ... 85
4.1
Methodisches Vorgehen ... 85
4.2
Systempotential ... 88
4.3
Ökologische Schlussbetrachtung ... 90
4.4
Ökonomische Schlussbetrachtung ... 91
4.5
Ausblick ... 92
Quellen ... xviii

vii
N
Nomenklatur
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
Lateinische Formelzeichen
a -
Absorptionsgrad
A m2
Fläche
b m
Breite
c
spezifische Wärmekapazität
(bei konstantem Druck)
C
Wärmekapazität
d -
Veränderung
D -
Konstante
h
spezifische Enthalpie
H m
Höhe
k
bzw. -
Wärmeübertragungsvermögen
/ Verlustkoeffizient (Wechselrichter)
K
Emissions-Konstante
(Wärmeübertrager-Modell)
l m
Länge
Massenstrom
n
- bzw.
Heizkörperexponent
/ Drehzahl (Verdichter)
p
Pa bzw. bar
Druck
P W
Leistung
q
bzw.
spezifische Wärmemenge

viii
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
Q kWh
Energie
Wärmestromdichte
W Wärmestrom
R
Widerstand
(engl. resistance)
s
spezifische Entropie
t s
Zeit
U
Wärmedurchgangskoeffizient
v
Geschwindigkeit
V m3
Volumen
Volumenstrom
x m
Weg
Griechische Formelzeichen
Wärmeübergangskoeffizient
variiert Differenz
- Wirkungsgrad
°C Temperatur
- bzw.
Liefergrad (Verdichter)
/ Wärmeleitfähigkeit
spezifisches Volumen
Rohdichte

ix
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
- Transmissionsgrad
Indices / Abkürzungen
*
isentrop (reibungsfrei, reversibel)
0
Startzeitpunkt
/ Verdampfung (Kaltdampfprozess)
AP Außenputz
AUL Außenluft
BT Bauteil
BW Brennwert
BWW
Brauchwarmwasser
C
Kondensation
(Kaltdampfprozess)
COP
Leistungszahl einer Wärmepumpe
(engl. coefficient of performance)
DA
Übergang Dämmung-Außenputz
/ Dach (Photovoltaik)
DÄ Dämmung
eff
effektiv
el
elektrisch
E
Wärmeerzeuger
EB Eigenbedarf
FBH Fußbodenheizung
FOL Fortluft

x
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
FU Frequenzumrichter
FWS Frischwasser-Station
geo geometrisch
hydr hydraulisch
Heiz Raumheizungssystem
i
intern
/ Abschnitt bzw. Segment
in
eingehend (engl.: input)
IM Übergang
Innenputz-Mauerwerk
IP
Innenputz
JAZ
Jahresarbeitszahl einer Wärmepumpe
konv konvektiv
KM Kältemittel
L
Raumluft
/ Luft (PV-Luftkollektor)
Lüft Lüftung
m
im
Mittel
max maximal
min minimal
M
Motor
/ Mantel (Hüllfläche Speicher)
MD Übergang
Mauerwerk-Dämmung

xi
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
MW Mauerwerk
N
Nennbetrieb bzw. Auslegungspunkt
/ Anzahl der Abschnitte bzw. Segmente
NK Nennkapazität
(Solarstrom-Speicher)
op
opak
out
ausgehend (engl.: output)
p
peak (unter Standard-Testbedingungen)
Pers Person
PV Photovoltaik
PVLK
Photovoltaik-Luftkollektor
rad radiativ
R
Raum
RL Rücklauf
RS Rückseite
S
Oberfläche (engl.: surface)
/ Querschnitt (Hüllfläche Speicher)
Sky
Himmel (engl.: sky)
Solar solare
Einstrahlung
th
thermisch
tr
transparent
TKW Trinkkaltwasser

xii
Formelzeichen Einheit
Bezeichnung
TWW
Trinkwarmwasser
ÜH überhitzt
UK unterkühlt
Umg Umgebung
vorh vorhanden
V
Verbraucher
Vent Ventilator
VL Vorlauf
WB Wärmebrücken
WF Wohnfläche
WP Wärmepumpe
WR Wechselrichter
WÜ Wärmeübertrager
ZUL Zuluft

xiii
A
Abbildungen
Abbildung 2.1: Ersatzschaltbild der Außenwand ... 8
Abbildung 2.2: Nord-West-Ansicht ... 10
Abbildung 2.3: Süd-Ost-Ansicht ... 10
Abbildung 2.4: Raumaufteilung EG ... 10
Abbildung 2.5: Raumaufteilung OG ... 10
Abbildung 2.6: Lastprofil Strom in Stundenauflösung ... 12
Abbildung 2.7: Lastprofil Brauchwarmwasser in Stundenauflösung ... 12
Abbildung 2.8: lineare Auskühlung ... 14
Abbildung 2.9: logarithmische Auskühlung ... 14
Abbildung 2.10: Hydraulische Einbindung ohne Heizungspuffer ... 16
Abbildung 2.11: Brauchwarmwasser-Erzeugung im Umschaltbetrieb ... 17
Abbildung 2.12: Heizungs-Pufferspeicher seriell im Vorlauf ... 18
Abbildung 2.13: Heizungs-Pufferspeicher seriell im Rücklauf ... 19
Abbildung 2.14: Heizungs-Pufferspeicher parallel eingebunden ... 20
Abbildung 2.15: Heizungs-Pufferspeicher bedarfsweise (parallel) eingebunden ... 23
Abbildung 2.16: Regelungskonzept im Kältekreis ... 27
Abbildung 2.17: Kältekreis im log p,h-Diagramm ... 30
Abbildung 2.18: Zonen im Verdampfer ... 32
Abbildung 2.19: Zonen im Verflüssiger ... 32
Abbildung 2.20: Wärmeübertragungsvermögen am Lamellenverdampfer ... 33
Abbildung 2.21: Wärmeübertragungsvermögen am Plattenverflüssiger ... 34
Abbildung 2.22: Verwendete Güte- und Liefergrade der Verdichter... 36
Abbildung 2.23: Wirkungsgradkennlinie Frequenzumrichter ... 37
Abbildung 2.24: Wirkungsgradkennlinien Axialventilator ... 40
Abbildung 2.25: Vergleich von Mess- und Simulationswerten der Heizleistung ... 44
Abbildung 2.26: Vergleich von Mess- und Simulationswerten des COP ... 45
Abbildung 2.27: Schichtenspeicher-Modell ... 46
Abbildung 2.28: Thermisches Verhalten des Schichtenspeichers ... 48
Abbildung 2.29: Temperaturmodell Photovoltaik ... 49
Abbildung 2.30: Photovoltaik-Stromertrag am Beispielstandort Biberach ... 52
Abbildung 2.31: Betriebsverhalten des Lithium-Ionen-Akkumulators ... 54
Abbildung 2.32: Temperaturmodell Photovoltaik-Luftkollektor ... 55
Abbildung 2.33: Vergleich der relevanten Kollektortemperaturen ... 59
Abbildung 2.34: Relevanz der Einflussgrößen auf die PV-Zelltemperatur ... 59
Abbildung 2.35: PV-Luftkollektorfläche ... 61
Abbildung 2.36: Detail PV-Luftkollektor ... 61
Abbildung 2.37: Standard-Regelungskonzept ... 63
Abbildung 2.38: Regelungskonzept für eine erhöhte Eigenstromnutzung ... 64
Abbildung 3.1: Jahresgang von PV-Strom, Wärmepumpe und Haushaltsgeräten ... 70

xiv
Abbildung 3.2: Wöchentlicher Lastgang von Ertrag und Verbräuchen im Januar ... 71
Abbildung 3.3: Wöchentlicher Lastgang von Ertrag und Verbräuchen im Juli ... 71
Abbildung 3.4: Volumenstrom FBH an einem Wintertag im Bestandsgebäude ... 72
Abbildung 3.5: Einfluss eines 5 kWh
NK
-Stromspeichers ... 73
Abbildung 3.6: Einfluss der Stromspeicher-Kapazität auf den Netzstrombedarf ... 75
Abbildung 3.7: Nutzbarkeit des PV-Stroms zur Pufferbeladung (24.-26. März) ... 76
Abbildung 3.8: Häufigkeit des Modulationsbetriebs sowie relative Drehzahlstufen ... 77
Abbildung 3.9: Verdichter-Leistungszahlen und Druckverhältnisse im Bestand ... 78
Abbildung 3.10: Verdichter-Leistungszahlen und Druckverhältnisse im Passivhaus ... 78
Abbildung 3.11: Auswirkungen der EVU-Sperrzeiten (mittlere Gebäudetemperatur) ... 80
Abbildung 3.12: Energieeinsparungen und -verluste mit PV-Luftkollektor ... 81
Abbildung 3.13: Veränderungen im Stromertrag durch den PV-Luftkollektor ... 82
Abbildung 3.14: Auswirkungen unterschiedlicher Klimadaten im Bestandsgebäude ... 83
Abbildung 3.15: Auswirkungen unterschiedlicher Klimadaten im Passivhaus ... 84
Abbildung 4.1: Jährlich zu erwartende Treibhausgas-Emissionen ... 90
Abbildung 4.2: Statische Kostenentwicklung ... 92

xv
V
Vorwort
Die vorliegende Master-Thesis entstand im Rahmen meines Studiums der Gebäudekli-
matik an der Hochschule Biberach.
Eine Motivation für diese Arbeit war es, eine Fragestellung aus dem Fachbereich der
Gebäudeklimatik in ihren theoretischen Zusammenhängen darzustellen, Lösungsansätze
zu erarbeiten und diese nach wissenschaftlichen Methoden zu analysieren und zu bewer-
ten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen einen Beitrag zur Steigerung der energetischen,
ökologischen und ökonomischen Effizienz in der Beheizung von Gebäuden leisten.
,,Technik ist die Anstrengung, Anstrengungen zu ersparen."
José Ortega y Gasset, spanischer Dichter und Kulturphilosoph (1883-1955)
Mein Dank für die umfangreiche fachliche Betreuung und Unterstützung gilt Herrn Prof.
Dr.-Ing. Alexander Floß sowie Herrn Prof. Dr. rer. nat. Stefan Hofmann und Herrn M.Sc.
Stefan Buffler vom Institut für Gebäude- und Energiesysteme der Hochschule Biberach.
Außerdem möchte ich meinen Eltern danken, deren moralische und finanzielle Unterstüt-
zung auch mein Master-Studium erst möglich gemacht hat.
Biberach, im Sommersemester 2014
Michael Schaub

xvi
K
Kurzfassung
Im Jahr 2012 entfiel knapp ein Viertel des Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik
Deutschland auf die Bereitstellung von Raumwärme und Brauchwarmwasser in Privat-
haushalten. Die technische Umsetzung erfolgt dabei in aller Regel noch immer auf der
Basis von konventionellen Energieträgern. Verschiedene Untersuchungen zeigten jedoch,
dass stattdessen der Einsatz einer Wärmepumpe in Kombination mit einer lokalen pho-
tovoltaischen Stromerzeugung enorme energetische und ökologische Potentiale eröffnet.
Neben zahlreichen Definitionen für bilanzielle Niedrigst- oder Plusenergiegebäude befass-
ten sich bislang nur wenige Arbeiten mit der tatsächlich erreichbaren Netzautarkie sol-
cher Systeme. Forschungsbedarf besteht ferner in einer differenzierten Betrachtung un-
terschiedlicher technischer Konfigurationen. Die vorliegende Ausarbeitung untersucht
daher im Speziellen die Wechselwirkungen zwischen Gebäude- und Anlagentechnik.
Dazu werden u.a. Berechnungsmodelle für ein typisches Einfamilienhaus mit variierenden
energetischen Standards sowie für verschiedene Raumheizungssysteme, thermische und
elektrische Speicher, eine Leistungs-modulierende Wärmepumpe und eine Photovoltaik-
Anlage erstellt. Ebenso werden die gängigen hydraulischen Einbindungen aufgezeigt, be-
wertet und eine optimierte Variante vorgeschlagen. Auf der Grundlage der hydraulischen
Voraussetzungen wird auch ein detailliertes Regelungskonzept des Kaltdampfprozesses
einer Wärmepumpe vorgestellt.
Anhand der Simulationsstudien zeigt sich, dass selbst für ein hoch-wärmegedämmtes
Gebäude mit maximaler Photovoltaik-Belegung sowie thermischen und elektrischen Spei-
chern einer üblichen Größenordnung keine vollständige Autarkie zu erwarten ist. Höchst-
werte der Netzunabhängigkeit ergeben sich mit etwa 60 - 70 %, wobei der Dämmstan-
dard einen Einfluss von ca. ± 20 % aufweist. Als entscheidend stellt sich dabei der Ein-
satz eines elektrischen Speichers zum Ausgleich der tageszyklischen Schwankungen zwi-
schen Wärmebedarf bzw. Stromverbrauch und der solaren Einstrahlung heraus. Das Po-
tential von thermischen Speichern und Eigenstrom-optimierten Regelstrategien erweist
sich unterdessen als gering, da das größte Hindernis zu einer vollständigen Autarkie in
der saisonalen Diskrepanz zwischen Photovoltaik-Strom und Wärmebedarf besteht.
Ferner wird ein thermisches Modell für einen sog. Photovoltaik-Luftkollektor erstellt. Die
Grundidee zur Steigerung der Wärmepumpen-Effizienz durch eine Vorerwärmung der
Außenluft bei gleichzeitiger Kühlung der Photovoltaik-Zellen zeigt sich dabei jedoch als
kaum nutzbar. So übersteigt der erhöhte Stromverbrauch des Antriebsventilators wei-
testgehend die Energieeinsparungen am Verdichter.
Außerdem werden einige System-spezifische Besonderheiten wie z.B. die Eignung unter-
schiedlicher Verdichter-Bauarten, die Relevanz von EVU-Sperrzeiten und die Auswir-
kungen variierender Klima-Randbedingungen innerhalb Deutschlands aufgezeigt.
Stichwörter: Modellbildung, Simulation, modulierende Wärmepumpe, Hydraulik, Photo-
voltaik, Speichersysteme, PV-Luftkollektor.

xvii
A
Abstract
In 2012, nearly a quarter of Germany's final energy consumption was caused by heating
demand and hot water supply of private households. Usually, the technical implementa-
tion is still based on conventional energy sources. However, various studies have shown
that instead the use of a heat pump in combination with a local photovoltaic power
generation opens up enormous energetic and ecological potentials.
Besides of numerous definitions regarding so-called nearly-zero- or plus-energy-buildings,
only a few studies investigated the effective achievable power self-sufficiency of such
systems. Research demand is also in an explicit consideration of the different technical
configurations. Hence, this elaboration focuses specifically on the interactions between
building- and plant-technology.
Therefor calculation-models of a typical German single-family house with varying energy
standards and of different room heating systems, thermal and electrical storages, a heat
pump with capacity-modulation and a photovoltaic system are created. Furthermore the
standard hydraulic integrations are illustrated, evaluated and an optimized variant is
proposed. Based on the hydraulic conditions, a detailed control design for the vapour-
compression cycle of a heat pump is also presented.
As a result of the simulation studies, it is shown that even for a highly insulated building
with a maximum photovoltaic occupancy as well as thermal and electrical storages of a
usual size, a complete self-sufficiency cannot be expected. Maximum values for the inde-
pendence from the electricity supply system arose with about 60 - 70 %, in which the
insulation standards has an impact of approximately ± 20 %. At this point, the use of
an electric accumulator to compensate the daily variations between heating demand re-
spectively electricity consumption and the solar radiation emphasizes as the most signif-
icant factor. The potential of thermal storages and self-consumption-optimized control
strategies are proved as low, because the biggest obstacle for a complete autarchy is the
seasonal discrepancy between photovoltaic power and heating demand.
Beyond that, this elaboration contains a thermal model of a so-called photovoltaic solar
air collector. The basic idea to increase the heat pump efficiency by preheating the out-
side air and a simultaneous cooling of the photovoltaic cells shows only a barely usability.
Thus, the increased power consumption of the drive fan mostly exceeds the energy sav-
ings at the compressor.
Finally, some system-specific features such as the suitability of different compressor
types, the relevance of power-blockade-periods from the energy supplier and the effects
of varying climatic conditions within Germany are demonstrated.
Keywords: modelling, simulation, capacity-modulating heat pump, hydraulics, photovol-
taics, storage systems, photovoltaic solar air collector.

1
11 Einleitung
Die Bereitstellung von Wärme stellt eine Kerndisziplin der technischen Gebäudeausrüs-
tung dar. So wurde der durchschnittliche Aufwandsanteil für Raumwärme und Brauch-
warmwasser im Jahr 2012 mit etwa 83 % des Energieverbrauchs von Privathaushalten
beziffert (vgl. [SBA 13], S. 2). Die hierfür angegebene absolute Menge von ca. 550 Mrd.
kWh macht rund 23 % des gesamten Endenergieeinsatzes der Bundesrepublik Deutsch-
land aus (vgl. [BWi 13], S. 22). Dabei wird der weitaus überwiegende Verbrauchsanteil
privater Haushalte noch immer aus konventionellen Energieträgern gedeckt. Der Zu-
wachs erneuerbarer Energien stellt sich dort lediglich mit einem Anstieg von etwa 7,5 %
auf knapp 13 % im vergangenen Jahrzehnt dar.
Betrachtet man die energiebedingten CO
2
-Emissionen, errechnen sich innerhalb eines
Jahres allein im Haushaltssektor etwa 1,24 t pro Person (vgl. [BWi 13], S. 50); ein enor-
mer Anteil, wenn man bedenkt, dass sich die zulässige Gesamtmenge der Pro-Kopf-Emis-
sionen für die Einhaltung des sog. 2-Grad-Zieles auf gerade einmal 2,7
beläuft (vgl.
[WBU 09] S. 2) und der Gesamtausstoß in Deutschland bei rund 9,5
liegt.
Durch den Einsatz eines Wärmepumpensystems können (je nach Gebäudeart und Erzeu-
ger-Effizienz) Emissions-Einsparungen in einer Größenordnung von 15 % bis 50 % ge-
genüber herkömmlichen Öl- oder Gas-Brennwertkesseln erzielt werden (vgl. [TUM 13],
S. 14 u. 19). Bei einer vollständigen Erzeugung des Antriebsstroms durch ein Photovol-
taiksystem ließen sich die verbleibenden CO
2
-Emissionen nochmals auf etwa ein Sechstel
reduzieren (vgl. [KEA 14] bzw. [WKA 07], S. 47).
Der Bundesverband Wärmepumpe e.V. geht in seiner Branchenstudie (vgl. [BWP 13], S.
34 ff.) von einer Steigerung des Marktanteils für Wärmepumpensysteme im Neubausektor
von derzeit ca. 30 % auf etwa 60 bis 70 % im Jahr 2030 aus. Für die Erneuerung der
Wärmeerzeuger im Gebäudebestand wird ein Zuwachs von gegenwärtig rund 5 % auf
gut 10 bis 20 % erwartet.
Am häufigsten kommen demnach mit einem Anteil von über 60 % im Jahr 2012 Luft-
Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Für die kommenden Jahre wird hier mit einem
weiteren Anstieg auf über 70 % gerechnet.
1.1 Energiepolitische Einordnung
Der Zubau erneuerbarer Energien in der bundesdeutschen Stromerzeugung bringt neben
den ökologischen Vorteilen auch einige technische Herausforderungen mit sich. So verän-
dert sich die Struktur der Energieversorgung fortlaufend weg von der klassischen zentra-
len Erzeugung in wenigen konventionellen Kraftwerken hin zu einer Dezentralisierung

2
mit zahlreichen Einzelerzeugern (vgl. [BWi 13], S. 18). Dabei ist zunächst eine teilweise
saisonale Kompensation der volatilen Stromerzeugung (viel Ertrag aus Windkraft in den
Wintermonaten und größte Ausbeute von Photovoltaikstrom im Sommer) festzustellen,
wie zuletzt der zeitliche Verlauf des tatsächlich produzierten Photovoltaik- und Wind-
stroms im Jahr 2013 belegt (vgl. [ISE 14], F. 13). Für einen weiteren Ausbau der Nutzung
erneuerbarer Energieträger werden jedoch vermehrt Speichertechnologien zur Abdeckung
der sog. Residuallast (verbleibende Stromlast nach Abzug der fluktuierenden bzw. nicht
regelbaren Leistung aus erneuerbaren Quellen) erforderlich (vgl. [ISE 13], S. 23 ff.).
Während für die saisonale Speicherung von überschüssigem Strom aus erneuerbaren
Energieträgern vor allem Technologien wie das Power-to-Gas-Verfahren (Herstellung von
Wasserstoff mit teilw. anschließender Methanisierung) in Frage kommen, können ther-
mische und elektrische Speicher in Gebäuden in erster Linie einen Beitrag zum Ausgleich
tageszyklischer Divergenzen zwischen Stromerzeugung und -verbrauch leisten.
Neben einer Umstrukturierung der Versorgungskapazitäten trägt auch eine Reduzierung
des Energieverbrauchs zu einem Rückgang der Treibhausgas-Emissionen bei. Als politi-
sches Instrumentarium verabschiedeten das Parlament und der Rat der Europäischen
Union daher im Jahr 2010 die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
(2010/31/EU), worin alle Neubauten ab dem Jahr 2021 verpflichtend als sog. Niedrigst-
energiegebäude auszuführen sind. Gemäß der Definition in Artikel 2, Absatz 2 der Richt-
linie soll ,,der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf [...] zu einem ganz
wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen -- einschließlich Energie aus
erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird -- gedeckt wer-
den".
Die derzeitige nationale Umsetzung der Niedrigstenergiegebäude verlangt jedoch (abhän-
gig von der Art des Energieträgers) lediglich regenerative Versorgungsanteile von 15 (z.B.
für Solarthermie) bis höchstens 50 Prozent (z.B. bei der Nutzung von Umweltwärme)
im Neubausektor (vgl. [EWG 11], § 5). Weiterführende Ansätze in Form von sog. Null-
bzw. Plusenergiehäusern beruhen überdies stets auf einem nur Jahres-bilanziellen Be-
trachtungsansatz (vgl. [Mus 10], F. 9 ff.). Demnach besteht bei derartigen Gebäuden
nicht etwa eine autarke Energieversorgung, sondern eine Nutzung des öffentlichen Ver-
sorgungsnetzes als saisonalen Energiespeicher in den Wintermonaten mit entsprechender
Einspeisegutschrift von überschüssigem Photovoltaikstrom im Sommer.
1.2 Betrachtungsansatz
Die dargestellten Zusammenhänge lassen erkennen, dass der Einsatz von Wärmepumpen
zur Bereitstellung von Raumwärme und Brauchwarmwasser in Verbindung mit einer
photovoltaischen Stromerzeugung einen erheblichen Beitrag zur Einhaltung der nationa-
len Emissionsziele und damit zur Eindämmung des anthropogenen Klimawandels leisten

3
kann. In der Praxis stellen sich bei einer solchen Systemkombination jedoch primär Fra-
gen zur zeitlichen Übereinstimmung zwischen Wärmebedarf und der Verfügbarkeit von
Solarstrom sowie zur Wirtschaftlichkeit. Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich daher
mit einer Abschätzung der tatsächlichen (lokalen) Verwendbarkeit von Photovoltaik-
Strom zur Gebäudebeheizung mit einem Wärmepumpensystem. Berücksichtigt werden
dabei sowohl verschiedene Gebäudestandards und variierende klimatische Randbedin-
gungen, als auch Einflüsse durch thermische und elektrische Speicher, Auswirkungen
übergeordneter System-Regelungen sowie unterschiedliche Verdichter-Bauarten.
Ferner wird eine Optimierungsvariante durch die Verwendung von sog. Photovoltaik-
Luftkollektoren betrachtet. Sie sollen durch die Vorerwärmung der Außenluft zu einer
Effizienzsteigerung der Wärmepumpe beitragen und dabei gleichzeitig den Ertrag der
Photovoltaik-Module durch eine aktive Kühlung steigern.
1.3 Literatur
Innerhalb der vergangenen fünf Jahre haben sich bereits einige wenige Betrachtungen
von Wärmepumpensystemen mit der nicht nur bilanziellen Berücksichtigung von Photo-
voltaik-Strom, sondern der tatsächlichen Eigenstromnutzung bzw. Autarkie befasst. Bin-
der und Kelm (vgl. [BuK 12], S. 299 ff.) beziffern die Eigenverbrauchsmenge von Photo-
voltaikstrom in konventionell beheizten Wohngebäuden beispielsweise mit rund 30 %. In
ihren Berechnungen wurde der Einsatz einer Wärmepumpe in Verbindung mit einem
thermischen Pufferspeicher betrachtet, dessen Fassungsvermögen abhängig vom Gebäu-
destandard zwischen 1.000 und 2.300 Litern variiert. Damit lasse sich der Eigenver-
brauchsanteil auf rund 40 % bei einem Passivhaus und auf bis zu 65 % in einem Altbau
steigern, während sich tatsächliche Netzautarkie bei etwa 30 bis 40 % bewege. Durch
den zusätzlichen Einsatz eines Stromspeichers in der Größenordnung von 5 kWh
el
nutz-
barer Kapazität erhöhe sich der Eigenverbrauchsanteil nochmals um etwa 10 %.
Kneiske et al. (vgl. [KuA 12]) machen sehr ähnliche Angaben und kommen zu dem
Schluss, dass zunächst weitere Untersuchungen im Hinblick auf einen Vergleich der Ener-
giebedarfe von verschiedenen Photovoltaik-Wärmepumpen-Systemvarianten nötig seien.
De Coninck et al. (vgl. [DuA 10]) befassen sich vordergründig mit den Auswirkungen
verschiedener übergeordneter Regelstrategien. Demnach lassen sich durch ein geeignetes
Speicherkonzept vor allem die Lastspitzen der Netzstromentnahme wirksam reduzieren.
Die Erkenntnisse von Kneiske et al. zur fehlenden Systembetrachtung derartiger Anla-
genkombinationen spiegeln sich beispielsweise in den Arbeiten von Binder und Kelm
wider. So wird u.a. die Wärmepumpe nur sehr vereinfacht und ausschließlich mit einer
konstanten Quellen-Temperatur von 10 °C (Erdreich) betrachtet. Die Untersuchungen

4
von De Coninck et al. beschränken sich hingegen streng auf eine Betrachtung des Win-
terfalles und vernachlässigen somit das Systemverhalten im Teillastbereich sowie die
(mittelfristigen) dynamischen Speichereffekte der Gebäude-Eigenmasse.
Der weiterführende Ansatz dieser Ausarbeitung besteht daher vor allem in der Berück-
sichtigung der Wechselwirkungen zwischen Gebäude- und Anlagentechnik. Hier seien
beispielsweise die Verwendung von Leistungs-modulierenden Wärmepumpen, Einflüsse
der hydraulischen Einbindung sowie eine Unterscheidung zwischen Fußboden- und Ra-
diatoren-Heizsystemen genannt.

5
22 Modellbildung
Die Abstraktion technischer bzw. physikalischer Systeme in mathematischen Modellen
dient im Allgemeinen als Werkzeug zur Interpretation von Wirkzusammenhängen für die
Lösung eines realen Problems oder zum Gewinn von neuen Erkenntnissen für die gezielte
Beeinflussung einer bestehenden Anwendung.
Unterschieden wird dabei vor allem das methodische Vorgehen (vgl. [PuK 12], S. 181 ff.
sowie [BuA 13], S. 11 ff.). Beispielsweise spricht man bei sog. Black-Box-Modellen von
induktiv, also aus Beobachtungen oder Messungen, abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten. Im
Gegensatz dazu besteht eine weitere gängige Herangehensweise darin, Modelle anhand
von physikalischen Zusammenhängen deduktiv herzuleiten. Ferner ist eine Einteilung in
lineare (Systemantwort ist proportional zum Eingangssignal) und nicht-lineare sowie sta-
tionäre (ohne Speichereffekte) und dynamische Modelle möglich. Allen Methoden liegt
jedoch das sog. Kausalitätsprinzip zugrunde, wonach eine Wirkung gleich dem Quotien-
ten von Ursache und Widerstand ist.
2.1 Simulationsumgebung
Im Bereich der thermisch-energetischen Gebäude- und Anlagensimulation hat sich bereits
eine Vielzahl von kommerziellen und nicht-kommerziellen Softwarelösungen mit unter-
schiedlichen Modellierungs- und Lösungsverfahren sowie Komplexitätsgraden etabliert.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier z.B. TRNSYS, TAS, Modelica/Dymola,
OpenStudio/EnergyPlus, Hottgenroth Gebäude-Simulation/ETU, Solar-Computer, IDA
ICE, Dynbil, mh-Software, HVACSIM+, CARNOT-Blockset sowie Polysun genannt.
Neben fertigen Softwarelösungen besteht ferner die Möglichkeit, eigene Modellierungs-
Ansätze in einer Fülle verschiedener Programmiersprachen und -umgebungen abzubilden.
Im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung eines Berechnungsmodells für einen Photo-
voltaik-Luftkollektor erscheint es daher sinnvoll, auf eine solche (offene) Simulationsum-
gebung zurückzugreifen.
Eine Mischung aus grafischer und textbasierter Programmierung zur Untersuchung von
unterschiedlichsten technischen und nicht-technischen Problemen mit numerischen Lö-
sungsverfahren bietet beispielsweise das Softwarepaket MATLAB/Simulink. Ihm wird
eine besondere Eignung zur Analyse von stationären sowie dynamischen Vorgängen zu-
gesprochen. Daher fände es eine enorme Verbreitung in industriellen und universitären
Lehr-, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen (vgl. [Pie 12], S. V).
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten zur Erstellung eigener Modelle bei verhältnismä-
ßig geringem Einarbeitungsaufwand wird im Weiteren ebenfalls auf MATLAB/Simulink
als Simulationsumgebung zurückgegriffen.

6
2.1.1 Numerische Integrationsverfahren
Als Lösungsalgorithmus für gewöhnliche Differentialgleichungen (engl.: ordinary differ-
ential equations) besteht in Simulink die Möglichkeit, zwischen verschiedenen expliziten
(unmittelbare Berechnung des Funktionswertes) und impliziten Ein- oder Mehrschritt-
Verfahren mit fester oder variabler Schrittweite zu wählen (vgl. [Pie 12], S. 163 ff.).
Im einfachsten Fall kommt das sog. Euler'sche Tangentenverfahren zum Einsatz. Hierfür
wird zunächst der Simulationszeitraum in eine beliebige Anzahl äquidistanter Intervalle
aufgeteilt. Unter der Annahme einer linearen Steigung des Funktionswertes in einem
Zeitschritt wird der neue Funktionswert am Ende des Zeitschritts angenähert. Die zu
ermittelnde Steigung innerhalb des (beliebig kleinen) Zeitschritts wird dabei definitions-
gemäß durch die Ableitung der Funktion beschrieben. Formell stellt das Euler'sche Tan-
gentenverfahren somit ein explizites Einschritt-Verfahren erster Ordnung dar, dessen Ge-
samtfehler (nach der vollständigen Simulation) proportional zur Zeitschrittweite ist.
In der Simulationspraxis technischer Systeme sei dieses Berechnungsverfahren jedoch
häufig zu ungenau (vgl. [KuS 11], S. 93), weshalb in Simulink standardmäßig das sog.
Runge-Kutta-Verfahren vierter Ordnung voreingestellt ist. Dabei werde eine Funktion
innerhalb eines Zeitschrittes mehrfach mit Hilfe von partiellen Ableitungen ausgewertet
und im Anschluss jede der berechneten Änderungen des Funktionswertes unterschiedlich
gewichtet. Zusätzlich finde eine automatisierte Steuerung der Schrittweite statt, indem
die Schätzwerte zweier festgelegter Fehlerordnungen (je höher die Fehlerordnung, desto
genauer das Lösungsverfahren) miteinander verglichen werden. Auf Basis der Abwei-
chung zwischen den Ergebnissen für die beiden Fehlerordnungen werde dann die Größe
der Zeitschrittweite bestimmt.
Mit einer Steigerung der Berechnungsgenauigkeit bzw. Häufigkeit des Funktionsaufrufes
erhöht sich jedoch unweigerlich auch die Rechenzeit. Als Kompromiss zwischen einem
möglichst geringen Berechnungsfehler und einem enormen Rechenaufwand wurde daher
mit hinreichender Genauigkeit das sog. ode23s Lösungsverfahren gewählt. Dabei handelt
es sich um ein implizites Lösungsverfahren dritter Ordnung mit variabler Zeitschritt-
weite, die durch eine Fehlerschätzung zweiter Ordnung gesteuert wird (vgl. [Pie 12], S.
170). Der Hauptvorteil eines impliziten Lösungsverfahrens ergebe sich dabei durch eine
hohe Berechnungsstabilität.
2.2 Gebäudemodell
Für die Simulation der dynamischen Wärmeübertragung in Gebäuden haben sich gemäß
VDI 6020 (vgl. [VDI 01], S. 20 ff.) drei wesentliche Modellierungsmethoden bewährt.
Zum einen besteht die Möglichkeit, die erläuterten numerischen Lösungsverfahren auf
sog. finite Differenzen anzuwenden. Dabei geht man für kleinste räumliche Abschnitte

7
(z.B. eines Bauteils) von einer homogenen Temperaturverteilung aus und bilanziert des-
sen Wechselwirkungen mit einem benachbarten Abschnitt.
Als zweite gängige Methode wird das Prinzip der Gewichtsfaktoren genannt, bei dem
einmalig die sog. Sprungantwort eines Systems analytisch berechnet wird und anschlie-
ßend per Superposition auf variierende Eingangssignale übertragen werden kann. Dieses
Verfahren biete grundsätzlich den Vorteil eines geringen Berechnungsaufwandes, was sich
unter Umständen jedoch (methodisch bedingt) zu Lasten der Genauigkeit auswirken
könne. Die Ursache hierfür liegt vor allem darin, dass sämtliche Systemparameter (wie
z.B. Wärmeübergangskoeffizienten) als konstant anzusetzen sind.
Die dritte Variante stellen sog. Ersatzmodelle dar, bei denen die von Beuken [Beu 36]
erkannte Analogie zwischen thermischen und elektrischen Größen auf die Gesetzmäßig-
keiten von elektrischen Widerstands-Kapazitäten-Netzwerken angewandt wird. Neben
einer bereits bei der Modellierung sehr hohen Genauigkeit eröffne die Abstraktion durch
Ersatzmodelle die Möglichkeit zur Nutzung standardisierter Lösungsverfahren mit Hilfe
der Matrizenrechnung. Tatsächlich ist auch in MATLAB/Simulink eine Eingabe- und
Lösungsroutine für diese sog. Zustandsraumdarstellungen (engl.: state-space-equations)
implementiert (vgl. [MAT 14]).
Nach der Methode der Ersatzmodelle wurde bereits von Becker, Koenigsdorff und Adl-
hoch (vgl. [BKA 09]) ein detailliertes Raummodell entwickelt und erprobt, welches daher
auch im Rahmen dieser Ausarbeitung zur Anwendung kommt.
2.2.1 Raummodell
Grundgedanke des verwendeten Raummodells ist eine konzentrierte Bilanzierung der
Wärmeübertragungsvorgänge in einem konvektiven und einem radiativen Knoten.
Der konvektive Bilanzknoten repräsentiert somit letztlich eine vereinfachte (homogene)
Raumlufttemperatur. Er wird entsprechend durch den konvektiven Wärmeaustausch mit
den opaken und transparenten Raum-Umschließungsflächen, dem Raumheizungssystem
(hier Radiatoren oder Fußbodenheizung), ggf. im Raum befindlichen Personen und sons-
tigen internen Wärmequellen beeinflusst. Als dynamische Komponente wird die Wärme-
kapazität der Raumluft betrachtet, die zusätzlich einer Veränderung durch Lüftung un-
terworfen ist. Für die Leistungsbilanz resultiert eine Differentialgleichung (Glei-
chung 2.1), die die zeitliche Veränderung der Raumlufttemperatur beschreibt.
ò
(Gl. 2.1)
Durch Integration des Temperaturgradienten (Gleichung 2.2) errechnet sich die aktuelle
Raumlufttemperatur am Ende eines Zeitschritts.
(Gl. 2.2)

8
Im radiativen Knoten werden die solaren Strahlungseinträge durch transparente Bauteile
sowie die Wärmeabstrahlung des Raumheizungssystems, von Personen und von allen
weiteren internen Wärmequellen zusammengefasst und gleichmäßig auf die Raumum-
schließungsflächen verteilt (Gl. 2.3).
(Gl. 2.3)
2.2.2 Speicherfähigkeit
Den wesentlich größeren Anteil der Wärme-Speicherkapazität eines Raumes bzw. Gebäu-
des stellt jedoch dessen Bauteilmasse dar. Über die Raumumschließungsflächen findet
außerdem der transmittive Wärmeaustausch mit der Umgebung statt. Diese wesentlichen
physikalischen Effekte werden im verwendeten Raummodell nach Becker, Koenigsdorff
und Adlhoch durch ein elektrisches Ersatzmodell beschrieben.
Dabei werden die Wärmedurchgangswiderstände jeder einzelnen Bauteilschicht und die
konvektiven Wärmeübergangswiderstände an die umgebende Raum- bzw. Außenluft in
Form von Ohm'schen Widerständen dargestellt. Zwischen jedem Widerstand berechnet
sich gemäß den Kirchhoff'schen Gesetzen der Temperaturwert für eine Kapazität, wobei
die Temperaturdifferenz zu einem benachbarten Knoten analog zur elektrischen Span-
nung betrachtet wird. Jede (thermische) Kapazität setzt sich dabei vereinfachend aus
der Summe der halben Wärmekapazität der jeweils angrenzenden Bauteilschichten zu-
sammen (siehe Abbildung 2.1).
Abbildung 2.1: Ersatzschaltbild der Außenwand
Die radiativen Wärmeeinträge aus dem Raummodell werden dem Temperaturknoten für
die raumseitige Bauteil-Oberflächentemperatur entsprechend einer Stromquelle zugerech-
net. Nach demselben Prinzip werden solare Strahlungseinträge sowie Abstrahlverluste
zum Himmel (i.d.R. als negativer Zahlenwert) bei außenliegenden Bauteilflächen berück-
sichtigt.

9
Beispielhaft seien die resultierenden Differentialgleichungen für die Temperaturverände-
rung an der raumseitigen Wandoberfläche (Gl. 2.4) und der Außenoberfläche (Gl. 2.5)
dargestellt.
(Gl. 2.4)
(Gl. 2.5)
Die Darstellungsform begünstigt dabei bereits die anschließende Überführung in die Mat-
rixschreibweise der Zustandsraumdarstellung (vgl. Kapitel 2.2), da in jedem Gleichungs-
term nur eine Eingangs- oder Zustandsgröße vorkommt. Eingangsgrößen sind in diesem
Beispiel die Raumlufttemperatur, die Außenlufttemperatur und die Strahlungslasten. Als
Zustandsgrößen werden die Bauteil-Temperaturknoten der Kapazitäten bezeichnet.
2.2.3 Typgebäude
Im Hinblick auf die Gebäudegeometrie soll ein möglichst repräsentatives Einfamilienhaus
abgebildet werden. Dazu kann auf umfangreiche Erhebungen zum Gesamtbestand der
Wohngebäude in der Bundesrepublik Deutschland zurückgegriffen werden (vgl. [IWU
11]). In einer weiteren Arbeit (vgl. [IBP 13], S. 29 f.) wurde daraus bereits ein fiktives
mittleres Typgebäude erstellt, wie in Tabelle 2.1 aufgeführt.
Tabelle 2.1: Fiktives Typgebäude
Tabelle 2.2: Reale Geometrie
Wohnfläche
in m2
135
Wohnfläche
in m2
130
Bruttovolumen
in m3
515
Bruttovolumen
in m3
477
Hüllfläche
in m2
352
Hüllfläche
in m2
363
Kompaktheit A/V
in m
-1
0,68
Kompaktheit A/V
in m
-1
0,76
Außenwandfläche
in m2
128
Außenwandfläche
in m2
158
Fensterfläche
in m2
30
Fensterfläche
in m2
20
Dachfläche
in m2
88
Dachfläche
in m2
104
Bodenplatte
in m2
88
Bodenplatte
in m2
81
Um die dynamischen Speichervorgänge innerhalb des Gebäudes abzubilden und somit
einen belastbaren zeitlichen Verlauf des Heizwärmebedarfs zu erhalten, war es jedoch
erforderlich, das fiktive Gebäude in eine reale Geometrie zu überführen (Tabelle 2.2).
Dabei werden sieben Räume (Flur/Treppenhaus, Wohnen, Küche, Bad, Schlafen, Kind 1
und Kind 2) betrachtet, für die jeweils eine Bilanzierung der Raumlufttemperatur nach
Gleichung 2.1 durchgeführt wird. Die Dachkonstruktion wurde als Satteldach mit einer
Neigung von 40° und optimaler Nord-Süd-Ausrichtung angenommen, wie in den Abbil-
dung 2.2 bis Abbildung 2.5 zu sehen ist.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783956364945
ISBN (Paperback)
9783956368387
Dateigröße
12.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
HBC Hochschule Biberach. University of Applied Sciences – Institut für Gebäude- und Energiesysteme
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
Modellbildung Simulation modulierende Wärmepumpe Hydraulik Photovoltaik Speichersysteme PV-Luftkollektor
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Titel: Modellbildung und Simulation von photovoltaisch angetriebenen Wärmepumpensystemen
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