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Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen Amerika und Europa (THIP) insbesondere auf Deutschland

von Philipp Borngässer (Autor:in)
©2015 Bachelorarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Das frühe 21. Jahrhundert hat, bedingt durch eine Konjunkturkrise sowie eine Misere der internationalen Finanzmärkte, zu einer Abkühlung für die wachstumsorientierte Weltwirtschaft geführt. Fieberhaft wird nach Möglichkeiten gesucht die Konjunktur anzukurbeln, da selbst aufstrebende Staaten wie China ihre Wachstumsziele verfehlen und das globale Wirtschaftswachstum zunehmend in Richtung Rezession tendiert. Freihandelszonen versprechen eine Steigerung der Wirtschaftsleistung, Arbeitsplätze, neue Chancen für die Industrie und günstigere Waren für Konsumenten.
Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP) genannt, ist ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union. Befürworter sehen in dem Abkommen, welches seit 2013 verhandelt wird, eine große Chance für die westlichen Volkswirtschaften. Kritiker und Umweltaktivisten prognostizieren ein Absenken der europäischen Standards. Insbesondere befürchten sie, dass Unternehmen bei zu erwartender Schmälerung des Gewinns die gesetzgebenden Staaten vor einem privaten Schiedsgericht verklagen könnten.
Das Freihandelsabkommen THIP hat bei einer Ratifizierung weitreichende Folgen für die Wirtschaft und auf soziale und politische Strukturen. Von Befürwortern wird das Abkommen gelobt und als unabdingbar bezeichnet, Kritiker sehen darin ein trojanisches Pferd. Da hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, vermischen sich in der Öffentlichkeit Tatsachen und Hypothesen. Eine faktenorientierte und volkswirtschaftliche Analyse des THIPAbkommens ist für die Bestimmung der Auswirkungen unerlässlich.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... III
Abkürzungsverzeichnis... IV
1
Einleitung ... 1
1.1
Problemstellung ... 1
1.2
Ziel dieser Arbeit... 2
1.3
Vorgehensweise und Aufbau ... 2
2
Theoretische und geschichtliche Grundlagen: Freihandelszone ... 3
2.1
Begriffserklärung ... 3
2.1.1
Freihandelsabkommen ... 3
2.2
Begriffsabgrenzung ... 4
2.3
Die geschichtliche Entwicklung des Freihandels ... 4
2.4
Die Rolle des GATT-Abkommens und der WTO ... 6
2.5
Motive für den Freihandel ... 10
2.6
Motive für protektionistische Maßnahmen... 18
2.7
Ökonomische Integrationsformen ... 21
2.8
Handelshemmnisse ... 25
2.8.1
Tarifäre Handelshemmnisse ... 25
2.8.2
Nicht tarifäre Handelshemmnisse ... 28
3
Überblick bestehender Freihandelszonen und Abkommen ... 33
3.1
Globale Freihandelsabkommen ... 34
3.2
Freihandelsabkommen der europäischen Union ... 37
4
Das Transatlantische Freihandelsabkommen ... 38
4.1
THIP Inhalte ... 38
4.2
Verhandlungen über die Transatlantische Freihandelszone ... 41
4.2.1
Ausgangssituation der Transatlantischen Freihandelszone ... 41
4.2.2
Struktur des Verhandlungsprozesses ... 43
4.2.3
Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen ... 45
4.3
Interessen der potentiellen Mitglieder ... 50
4.4
THIP in der Öffentlichkeit ... 53
4.5
Analogien und Rückschlüsse zum NAFTA... 55
5
Wirtschaftliche Folgen der Transatlantischen Freihandelszone ... 58
5.1
Die erwarteten gesamtwirtschaftlichen Folgen ... 58

II
5.1.1
Handelsstrukturen ... 59
5.1.2
Pro-Kopf-Einkommen ... 61
5.1.3
Arbeitsmarkt ... 63
5.2
Auswirkungen auf Deutschland ... 66
5.2.1
Auswirkungen auf den Handel und die Wirtschaftsleistung
Deutschlands allgemein ... 66
5.2.2
Branchenspezifische Auswirkungen innerhalb Deutschlands ... 68
6
Kritische Betrachtung ... 69
7
Fazit ... 72
8
Quellen ... i
8.1
Literaturquellen ... i
8.2
Internetquellen ... iii
Selbstständigkeitserklärung ... Fehler! Textmarke nicht definiert.
Lebenslauf ... Fehler! Textmarke nicht definiert.

III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vergleich der komparativen Kosten ... 12
Abbildung 2: Produktionsmenge bei Autarkie... 13
Abbildung 3: Komparativer Kostenvorteil ... 14
Abbildung 4: Freihandel Wirtschaftsleistung ... 15
Abbildung 5: Nutzen eines Wechsels zum Freihandel ... 16
Abbildung 6: Skaleneffekte durch Freihandel ... 18
Abbildung 7: Tabelle der ökonomischen Integrationsformen ... 24
Abbildung 8: Wirkung von Importzöllen ... 27
Abbildung 9: Liste der nicht tarifären Handelshemmnisse ... 29
Abbildung 10: Wirkung von Exportsubventionen ... 30
Abbildung 11: Wirkung von Importquoten ... 32
Abbildung 12: Handel der EU mit den Maghreb-Staaten und Osteuropa ... 59
Abbildung 13: Handel zwischen GIIPS-Staaten und den USA ... 60
Abbildung 14: Veränderung des Handels der USA und Kanadas... 61
Abbildung 15: Veränderung des realen Pro-Kopf-Einkommens in der EU ... 62
Abbildung 16: Weltweite Veränderung des realen Pro-Kopf-Einkommens ... 63
Abbildung 17: Veränderung des Arbeitsmarktes und des Reallohnes weltweit .. 64
Abbildung 18: Prognose der geschaffenen Arbeitsplätze durch THIP ... 65
Abbildung 19: Veränderung des deutschen Außenhandels mit traditionellen
Partnern ... 67
Abbildung 20: Veränderung des deutschen Außenhandels mit den GIIPS-Staaten
... 67
Abbildung 21: Veränderung des deutschen Außenhandels mit den BRICS
Staaten ... 68
Abbildung 22: Sektorale Handelseffekte von THIP auf EU-US-Handel ... 69

IV
Abkürzungsverzeichnis
AFTA
ASEAN Free Trade Area
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BRICS
Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika
CAFTA
Central America Free Trade Agreement
CAFTA-DR
Dominican Republic-Central America Free Trade Agreement
CEFTA
Central European Free Trade Agreement
CETA
Comprehensive Economic and Trade Agreement
DCFTA
Deep and Comprehensive Free Trade Area
EFTA
European Free Trade Association
EH
Einheit
FHZ
Freihandelszone
GAFTA
Greater Arab Free Trade Agreement
GATS
General Agreement on Trade in Services
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
GIIPS
Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien
GIS
Geographisches Informationssystem
ITO
International Trade Organization
KMU
Kleine und mittelständige Unternehmen
NAFTA
North American Free Trade Agreement
SAFTA
South Asian Free Trade Area
TAFTA
Trans-Atlantic Free Trade Area
THIP
Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
TPP
Trans-Pacific Partnership
TPSEP
Trans-Pacific Strategic Economic Partnership
TRIPS
Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights
WTO
World Trade Organization

1
Einleitung
,,Ich glaube, das wäre ein historisches Projekt, das den großen Möglichkei-
ten einer neuen transatlantischen Agenda entspricht."
1
(Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel)
Das frühe 21. Jahrhundert hat, bedingt durch eine Konjunkturkrise sowie
einer Misere der internationalen Finanzmärkte, zu einer Abkühlung für die
wachstumsorientierte Weltwirtschaft geführt. Fieberhaft wird nach Möglich-
keiten gesucht die Konjunktur anzukurbeln, da selbst aufstrebende Staaten
wie China ihre Wachstumsziele verfehlen und das globale Wirtschafts-
wachstum zunehmend in Richtung Rezession tendiert. Freihandelszonen
versprechen eine Steigerung der Wirtschaftsleistung, Arbeitsplätze, neue
Chancen für die Industrie und günstigere Waren für Konsumenten.
,,[...] in Zeiten der Euro-Krise schienen die Vorteile hochwillkommen, die
Experten errechnet hatten: ein Wachstumsschub von 0,5 Prozent pro Jahr
und 160.000 neue Arbeitsplätze allein in Deutschland."
2
(Spiegel Online)
Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP) genannt, ist ein geplantes
Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und
der Europäischen Union. Befürworter sehen in dem Abkommen, welches
seit 2013 verhandelt wird, eine große Chance für die westlichen Volkswirt-
schaften. Kritiker und Umweltaktivisten prognostizieren ein Absenken der
europäischen Standards. Insbesondere befürchten sie, dass Unternehmen
bei zu erwartender Schmälerung des Gewinns die gesetzgebenden Staaten
vor einem privaten Schiedsgericht verklagen könnten.
1.1 Problemstellung
1
FAZ (10/2014)
2
Spiegel Online (10/2013)

2
Das Freihandelsabkommen THIP hat bei einer Ratifizierung weitreichende
Folgen für die Wirtschaft und auf soziale und politische Strukturen. Von Be-
fürwortern wird das Abkommen gelobt und als unabdingbar bezeichnet, Kri-
tiker sehen darin ein trojanisches Pferd. Da hinter verschlossenen Türen
verhandelt wird, vermischen sich in der Öffentlichkeit Tatsachen und Hypo-
thesen. Eine faktenorientierte und volkswirtschaftliche Analyse des THIP-
Abkommens ist für die Bestimmung der Auswirkungen unerlässlich.
1.2 Ziel dieser Arbeit
Diese Bachelorarbeit setzt sich mit den volkswirtschaftlichen Grundlagen
einer Freihandelszone und den Folgen für die Weltwirtschaft auseinander.
Mit Hilfe von Partialanalysen werden die Effekte einer protektionistischen
sowie einer offenen Handelspolitik aufgezeigt. Durch genaue Betrachtung
und Zusammenstellung der vorhandenen Fakten soll ein detaillierter Über-
blick über den momentanen Stand des THIP-Abkommens gegeben werden.
Anschließend wird mit Hilfe der Bertelsmann Studie eine Prognose zu den
Auswirkungen des Abkommens gegeben. Darauf aufbauend wird durch
Verbindung der theoretischen volkswirtschaftlichen Grundlagen und Ana-
lyse der Bertelsmann Studie eine Handlungsempfehlung zum Freihandels-
abkommen THIP und möglichen Anpassungen gegeben.
1.3 Vorgehensweise und Aufbau
Im Anschluss an die Einleitung werden in Kapitel 2 die wesentlichen Grund-
lagen einer Freihandelszone erläutert. Insbesondere wird in diesem Ab-
schnitt auf die geschichtliche Entwicklung der ökonomischen Integrations-
form eingegangen sowie volkswirtschaftliche Grundlagen und die Folgen
einer protektionistischen und einer offenen Handelspolitik aufgezeigt.
Kapitel 3 behandelt die wichtigsten Freihandelsabkommen weltweit und mit
der Europäischen Union. Schwerpunkte liegen auf dem Gründungsjahr, den
Mitgliedsstaaten und den Zielen der Abkommen.

3
Kapitel 4 gibt einen Überblick über die Verhandlungen und Ergebnisse des
THIP-Abkommens. Ferner wird die Wirkung von THIP auf die Öffentlichkeit
aufgezeigt und Analogien zu dem Freihandelsabkommen NAFTA herge-
stellt.
Vor dem Hintergrund der theoretischen Grundlagen zur Freihandelszone
gibt Kapitel 5 eine Prognose zu den wirtschaftlichen Konsequenzen des
THIP für die Weltwirtschaft und Deutschland. Diese Analyse baut auf der
Studie der Bertelsmann Stiftung auf, welche im Jahr 2013 die makro- und
mikroökonomischen Folgen des THIP-Abkommens untersucht hat.
Am Ende dieser Arbeit folgen die kritische Betrachtung und das Fazit.
2
Theoretische und geschichtliche Grundlagen: Frei-
handelszone
2.1 Begriffserklärung
2.1.1 Freihandelsabkommen
In der Literatur wird das Abkommen als ein Vertrag gehandelt, der zwischen
den Vertragsparteien Handelshemmnisse abbauen und Wachstum bringen
soll. Diese enthalten oft Regelungen zu Urheberrechten, Subventionen und
Industriestandards. Tarifäre und nicht tarifäre Maßnahmen, wie Einfuhrver-
bote und Einfuhrkontingente, werden abgeschafft. Dies basiert auf dem Mo-
dell der komparativen Kostenvorteile, wonach Wohlfahrtsgewinne durch
freien Handel für die beteiligten Staaten entstehen. Freihandelsabkommen
behandeln allerdings Drittstaaten mit einer autonomen Außenhandelspoli-
tik.
3
3
Krugman/ Obstfeld (2006): 208.

4
2.2 Begriffsabgrenzung
TAFTA: Trans-Atlantic Free Trade Area
TTIP: Transatlantic Trade and Investment Partnership
THIP: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
Diese drei Begriffe sind immer wieder in verschiedenen Lektüren vorzufin-
den. Sie bezeichnen alle den völkerrechtlichen Vertrag über das Freihan-
delsabkommen zwischen Nordamerika und Europa. Der Begriff THIP ist die
deutsche Übersetzung des Begriffes TTIP. Beide Begriffe sind in der
deutsch- und englischsprachigen Literatur am häufigsten vorzufinden. Der
deutsche Begriff THIP wird in der folgenden Bachelorarbeit als Begriff für
das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika
und der Europäischen Union verwendet.
2.3 Die geschichtliche Entwicklung des Freihandels
In der früheren Zeit waren vor allem Zölle an Stadttoren oder Brücken neben
den Steuern die wichtigste Einnahmequelle. Dies führte zu einem stark ein-
geschränkten Handel durch erhöhte Kosten für den Warenverkehr. Erst im
Jahr 1353 handelten Portugal und England eine gegenseitige Handelsfrei-
heit aus, welche auf 50 Jahre festgesetzt wurde. Dieser Vertrag zwischen
Edward III. von England und Portugal war nicht für das ganze Land be-
stimmt, sondern umfasste lediglich die See- und Handelsstädte Lissabon
und Porto.
4
Jean Bodin entwickelte um 1500 n. Chr. einen frühen Merkantilismus, wel-
cher auch als Bullionismus (Bullion = Goldbarren) bezeichnet wird. Dieser
nahm an, dass das wirtschaftliche Wohl und die militärische Stärke eines
Staates alleine durch den Besitz von Edelmetallen bestimmt wird. Um eine
4
Anderson (2013): 134.

5
positive Handelsbilanz und eine Zunahme an Gold und Edelmetallen zu er-
wirtschaften, erließen die europäischen Staaten wirtschaftspolitische Maß-
nahmen. So wurden beispielsweise hohe Zinssätze erhoben, was Investo-
ren dazu bewegen sollte, in das Inland zu investieren. Darüber hinaus
wurde jegliche Ausfuhr von Edelmetallen verboten.
5
Das 17. - 18. Jahrhundert wurde maßgeblich durch den Begriff des Merkan-
tilismus geprägt. Trotz verschiedener Wirtschaftsstrukturen der europäi-
schen Staaten hatten ihre wirtschaftspolitischen Ziele und Methoden viele
Gemeinsamkeiten. Die Wirtschaftspolitik war durch ein Streben nach Über-
schüssen im Außenhandel geprägt, um die politische und wirtschaftliche
Macht zu erhöhen. Die Merkantilisten erkannten früh, dass eine Einfuhr von
Fertigwaren lediglich die Geldmenge verringerte und den Wirtschaftskreis-
lauf negativ beeinflusste. So sollten die Einfuhr von Rohstoffen und der Ex-
port von Fertigwaren gefördert und Dienstleistungen im eigenen Land voll-
bracht werden. Dies sollte zu einer verstärkten Einnahme von Geld und
Edelmetallen führen, was eine aktive Handelsbilanz zur Folge hätte. Regie-
rungen folgten diesen Annahmen, förderten Exporte aktiv und hemmten Im-
porte durch Zölle.
6
Die erste Freihandelsperiode geht auf das Jahr 1860 zurück. In dem Cob-
den-Chevalier-Vertrag, benannt nach dem Unternehmer und Politiker
Richard Cobden, war eine Meistbegünstigungsklausel enthalten. Diese sah
vor, bessere Handelserleichterungen für Drittstaaten auch dem Partner des
Vertrages zu gewähren. Daraufhin reduzierte Frankreich seinen extremen
Protektionismus gegen englische Importe und Großbritannien schaffte
seine tarifären Handelshemmnisse gegen den Nachbarstaat Frankreich ab,
worauf ein erster annähernder Freihandel folgte.
7
In der Zwischenkriegszeit kam es zum Erliegen des Freihandels. Durch
Misstrauen und um Wirtschaftsbranchen vor dem internationalen Wettbe-
werb zu schützen, kam es erneut zum Protektionismus. Diese Maßnahmen
leisteten einen erheblichen Beitrag zur Weltwirtschaftskrise 1920.
8
5
Piekenbrock (2009): 278.
6
Knortz/ Laudenberg (2013): 13.
7
Schmoeckel (2008): 409-410.
8
Rodrik (2011): 75.

6
Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde wieder auf eine offenere Außen-
handelspolitik gesetzt. Auf diese wird im anschließenden Kapitel eingegan-
gen.
2.4 Die Rolle des GATT-Abkommens und der WTO
In der heutigen Zeit wird das Recht in der internationalen Außenwirtschaft
stark durch die World Trade Organization (WTO) in Genf geprägt.
9
Dieser
Abschnitt bietet einen Überblick über die Gründung der WTO sowie die Fol-
gen für die Außenwirtschaftspolitik.
·
GATT
1947 sollte der internationale Handel freiheitlich gestaltet werden. Diese
Entwicklung war durch die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren und
den zweiten Weltkrieg erheblich behindert worden. Die sogenannte Ha-
vanna-Charta sollte die Gründung einer International Trade Organization
(ITO) beschließen. Diese kam jedoch durch innenpolitische und verfas-
sungsrechtliche Probleme in den Vereinigten Staaten nie zustande. An-
stelle der Institution ITO trat vorläufig das allgemeine Zoll- und Handelsab-
kommen (GATT) am 1. Januar 1948 in Kraft. Das GATT war allerdings keine
eigene Organisation und hatte nur die Form eines internationalen Handels-
abkommens ohne Rechtspersönlichkeit. Durch diesen Umstand bedingt
musste sich das GATT seine Stellung in der Weltwirtschaft erst erarbeiten.
Das Abkommen hatte zum Ziel den Protektionismus und die hohen Zölle
aufzuheben. Zudem sollten u.
a. anderem die Realeinkommen und die Pro-
duktion gesteigert werden.
10
9
Altmann (2001): 400.
10
Tietje (2003): IX.

7
Das GATT lässt sich in drei Grundprinzipien unterteilen:
1. Liberalisierung
Liberalisierung bedeutet, dass der Protektionismus auf allen Ebenen be-
kämpft wird. So war vorgesehen tarifäre Handelshemmnisse vorläufig ab-
zubauen, nicht tarifäre Handelshemmnisse wurden generell verboten.
11
2. Gleichstellung
Die im GATT-Abkommen vereinbarte Meistbegünstigungsklausel schrieb
vor, dass sich alle Vertragspartner untereinander gleich behandeln müssen.
Dieses Prinzip der Nichtdiskriminierung verfolgt den Ansatz, dass jedem
Staat der günstigste Zollsatz zugesichert werden muss, welcher für Dritt-
staaten existiert. Einer Bildung von Handelsblöcken und deren möglicher
Diskriminierung von Drittländern sollte vorgebeugt oder rückgängig ge-
macht werden.
Zudem besagt die zweite Ausführung im Bereich der Gleichstellung die In-
ländergleichbehandlung. Inländische und ausländische Güter dürfen nicht
durch Rechtsvorschriften diskriminiert werden. Hinzukommend müssen
gleiche Marktzutrittsbedingungen für in- und ausländische Hersteller gel-
ten.
12
3. Reziprozität
Die Reziprozität schreibt gegenseitige Gleichbehandlung vor. So müssen
Handelsvorteile die einem Staat eingeräumt werden mit umgekehrten Han-
delserleichterungen, die in ihrer Zweckmäßigkeit gleich sind, beantwortet
11
Blank/ Clausen/ Wacker (1998): 22.
12
Ünsal (1999): 15.

8
werden. Für weniger entwickelte Länder gilt die Regelung der bedingungs-
losen Gleichbehandlung nicht. Diese sind von einer Gegenleistung ausge-
nommen.
13
Das GATT-Abkommen entwickelte sich kontinuierlich weiter, die inhaltli-
chen Aufgaben wurden ständig erweitert. In der Kennedy-Runde 1964 -
1976 wurde abgesehen vom reinen Schwerpunkt auf den Zollabbau auch
ein Anti-Dumping Code eingeführt. Zusätzlich folgte in der siebten Verhand-
lungsrunde 1973 - 1979 die Einführung des Subventions-Codes. Eine ver-
pflichtende Rechtsordnung für alle GATT-Mitglieder war nicht durchsetzbar.
Aufgrund des neuen Protektionismus, bedingt durch die Rezession des Öl-
preisschocks von 1973, kam es zur Uruguay-Runde im Jahr 1986.
14
Diese Verhandlungsrunde zog sich über einen Zeitraum von sieben Jahren
bis 1993. Zusätzlich zur Regelung des Warenhandels wurde allen Mitglieds-
staaten die Notwendigkeit einer Rechtsprechung für den Diensthandel und
dem Schutz des geistigen Eigentums bewusst. Um eine Durchsetzung und
Überwachung der Welthandelsrechte zu gewährleisten, schlug Kanada die
Gründung einer internationalen Handelsorganisation vor. Auf der Marra-
kesch-Konferenz 1995 konnte die neue Rechtsordnung in Kraft treten und
die WTO nahm offiziell ihre Arbeit auf.
15
·
Die Welthandelsorganisation
Die WTO hat derzeit 160 Mitgliedsstaaten, zu denen Jemen im Jahr 2014
als letztes Land beigetreten ist. Ihr zentraler Sitz ist in Genf von wo aus die
Organisation Handels- und Wirtschaftspolitik betreibt und eine liberale Au-
ßenhandelspolitik verfolgt. Das WTO-Abkommen und deren Aufgaben um-
fasst das bisherige GATT-Basisabkommen mit zusätzlichen Nebenabkom-
men, auf die u. a. im folgenden Absatz eingegangen wird.
13
Blank/ Clausen/ Wacker (1998): 22.
14
Tietje (2003): X.
15
Altmann (2001): 401-402.

9
Nach Blank/ Clausen/ Wacker (1998) umfassen die Hauptfunktionen der
WTO die folgenden Punkte:
·
,,Betreuung der multilateralen Handelsabkommen
·
Forum für multilaterale Verhandlungen
·
Mithilfe bei der Lösung von Handelskonflikten
·
Überwachung nationaler Handelspolitiken
·
Kooperation mit anderen internationalen Institutionen"
16
Die Hauptfunktionen lassen sich zu zwei Kernaufgaben zusammenfassen:
Die Koordination und Streitschlichtfunktion zwischen den Mitgliedsländern.
Sie ermöglichen eine Realisierung der Rechtsordnung im gemeinsamen In-
teresse. Daher wurden verschiedene Organe innerhalb der WTO gegrün-
det. Das Hauptorgan ist die Ministerkonferenz, welches als politisches Leit-
organ in der Organisation verankert ist. In der Hierarchie darunter befinden
sich die drei Räte der WTO, welche die laufende Arbeit leiten. Diese sind
der allgemeine Rat, das handelspolitische Prüforgan und das Streitbeile-
gungsorgan. Das handelspolitische Prüforgan beschäftigt sich mit den in
der Uruguay-Runde entstandenen Zoll- und Handelsabkommen. Der allge-
meine Rat mit dem Schutz des geistigen Eigentumsrechtes, auch TRIPS
genannt, und das Streitbeilegungsorgan mit dem allgemeinen Dienstleis-
tungsabkommen, auch GATS genannt.
17
Darüber hinaus gibt es vier weitere Komitees, welche dem allgemeinen Rat
unterstellt sind. Es handelt sich hierbei um:
·
Komitee für Handel und Entwicklung
·
Komitee für Zahlungsbilanzbeschränkungen
·
Komitee für Haushalts-, Finanz- und Verwaltungsfragen
·
Komitee für Handel und Umwelt seit 1995
16
Blank/ Clausen/ Wacker (1998): 24.
17
Tietje (2003): XIII-XIV.

10
Aufgabe des Komitees ist es, dem allgemeinen Rat über das aktuelle Ge-
schehen zu berichten.
18
Diese Organe innerhalb der WTO sind dafür zuständig die Grundsätze über
die Meistbegünstigung, Inländerbehandlung und Gegenseitigkeit bei allen
Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Zudem dienen sie der Liberalisierung, wel-
che eine Einführung von Zöllen verbietet. Bestehende Zölle können aller-
dings beibehalten werden. Ausnahmen gibt es hier, wie auch im GATT-Ab-
kommen, für Entwicklungsländer. Somit fordert die WTO lediglich eine ver-
tiefende Liberalisierung und keinen bedingungslosen Freihandel. Dies ist
aufgrund der vielen Ausnahmen innerhalb der WTO und der unvereinbaren
Interessen der Mitgliedsstaaten in der heutigen Zeit auch nicht möglich.
19
2.5 Motive für den Freihandel
Freihandel gilt als Ziel der Außenhandelspolitik und wird nach Voigt (1992)
wie folgt definiert:
,,Der dezentrale Austausch von Handlungsrechten durch private Wirt-
schaftssubjekte über nationalstaatliche Grenzen hinweg, der von den
Regierungen der Nationalstaaten nicht eingeschränkt wird."
20
Die Grundlage zur Theorie des Freihandels schufen der Nationalökonom
Adam Smith (1723 - 1790) und der Wirtschaftswissenschaftler David Ri-
cardo (1772 - 1823).
21
·
Adam Smith
18
Blank/ Clausen/ Wacker (1998): 26-28.
19
Altmann (2001): .402-403.
20
Voigt (1992): 17.
21
Blank/ Clausen/ Wacker (1998): 1.

11
Adam Smith ging in seinem Werk von 1776 ,,An inquiry into the Nature and
Causes of the Wealth and Nations" auf die Vorteile der internationalen Ar-
beitsteilung ein. Seine Annahmen standen im starken Gegensatz zu denen
der Merkantilisten, welche die Idee der positiven Handelsbilanz verfolgten.
Smiths Argumentation war simpel und grundlegend. So zeigte er die Wirt-
schaftsführung eines Familienhaushaltes auf und übertrug diese auf die ge-
samte Volkswirtschaft. Nach seiner Argumentation würde ein Schneider
sich niemals selbst die Schuhe anfertigen, sondern diese beim Schuhma-
cher in Auftrag geben. Seine Arbeitskraft würde er lieber in die Tätigkeit
stecken, die er am besten kann und seinen Mitmenschen gegenüber einen
Vorteil hat. Dies auf die Volkswirtschaft übertragen bedeutet, dass ein Land
nicht alles selbst herstellt, sondern Produkte handelt, die andere Staaten
besser oder billiger produzieren können, im Austausch mit Waren in deren
Herstellung es Produktionsvorteile besitzt. Smith geht davon aus, dass
Volkswirtschaften in unterschiedlichen Produkten Kostenvorteile besitzen.
Das soll bei einer Beschränkung der Produktion auf Waren mit einem Kos-
tenvorteil und deren Handel zu einem erhöhten Jahresertrag der Volkswirt-
schaft führen.
22
·
David Ricardo
David Ricardo war britischer Wirtschaftswissenschaftler und prägte die klas-
sische Nationalökonomie mit seiner Idee der komparativen Kostenvorteile.
In seiner ,,Theorie Principles of Political Economy and Taxation" aus dem
Jahr 1817 stellte er fest, dass für den internationalen Handel nicht die ab-
soluten Preise entscheidend sind, sondern die komparativen Kosten. Das
heißt die Preisverhältnisse, die auf den unterschiedlichen Produktivitätsun-
terschieden beruhen, wie z. B. Know-how Vorteile.
23
22
Sell (2003): 160-161.
23
Sell (2003): 161.

12
Nach Mankiw/ Taylor definiert sich der komparative Kostenvorteil wie folgt:
,,Der Opportunitätskostenvorteil eines Produzenten bei der Erzeu-
gung eines bestimmten Guts."
24
Diese Theorie lässt sich anhand eines fiktiven Zahlenbeispiels erläutern.
Betrachtet werden die Länder Portugal und Großbritannien. Die Güter Wein
und Tuch sind in der Qualität der Herstellung in beiden Ländern gleichwer-
tig, einziger Produktionsfaktor ist Arbeit.
25
Abbildung 1: Vergleich der komparativen Kosten
[Quelle: In Anlehnung an Haas (2005): 196]
Wie man der Abbildung 1 entnehmen kann, benötigt Portugal für die Pro-
duktion von einer Einheit Wein 30 und für eine Einheit Tuch 90 Arbeitsein-
heiten. Großbritannien dagegen benötigt für eine Einheit Wein lediglich 20
Arbeitseinheiten und für eine Einheit Tuch 40 Arbeitseinheiten. Somit pro-
duziert Großbritannien beide Güter absolut günstiger, wodurch ein absolu-
ter Kostenvorteil entsteht. Trotz dieses absoluten Kostenvorteils seitens
Großbritanniens lohnt sich eine Spezialisierung und ein Außenhandel für
beide Länder. Denn in Arbeitseinheiten gerechnet kostet eine Einheit Tuch
in Großbritannien zwei Einheiten Wein. Dagegen kostet in Portugal eine
Einheit Tuch drei Einheiten Wein. Daraus lässt sich schließen, dass eine
24
Mankiw/ Taylor (2012): 65.
25
Haas (2005): 195.

13
Einheit Tuch in Großbritannien kostengünstiger produzierbar ist als in Por-
tugal. Umgekehrt gilt dies für eine Einheit Wein, welche in Portugal lediglich
1/3
Tuch kostet, in Großbritannien jedoch ½ Tuch. Daraus wird deutlich,
dass Großbritannien einen komparativen Kostenvorteil bei Tuch hat, Portu-
gal einen Kostenvorteil bei Wein.
26
Abbildung 2: Produktionsmenge bei Autarkie
[Quelle: In Anlehnung an Haas (2005): 196]
Wie in Abbildung 2 zu sehen, stehen Portugal 2160 Einheiten (EH), Groß-
britannien 6480 EH Arbeit zur Verfügung. In dieser Ausgangssituation, wel-
che die Produktionsmenge bei Autarkie darstellt, setzt jedes Land die eine
Hälfte seines Produktionsfaktors für Wein, die andere Hälfte für Tuch ein.
27
26
Haas (2005): 195.
27
Haas (2005): 196.

14
Abbildung 3: Komparativer Kostenvorteil
[Quelle: In Anlehnung an Haas (2005): 197]
In Abbildung 3 geht es von der Autarkie zur Spezialisierung und zum Handel
über. Großbritannien und Portugal konzentrieren sich auf das Gut, in wel-
chem sie einen komparativen Kostenvorteil besitzen. Großbritannien lenkt
240 EH Arbeit aus Wein in die Produktion von Tuch um. Portugal verlagert
450 EH Arbeit von Tuch in Wein. Durch den gegenseitigen Handel und die
Spezialisierung erhöht sich die Ausbringungsmenge. Somit kommt es zu
einer Wohlfahrtserhöhung ohne einen zusätzlichen Ressourceneinsatz.
28
·
Heckscher-Ohlin-Modell
Auf die zuvor beschriebene Theorie der komparativen Kostenvorteile von
David Ricardo baut das Heckscher-Ohlin-Modell der schwedischen Ökono-
men Eli Filip Heckscher und Bertil Ohlin auf. Die Theorie der beiden Wirt-
schaftstheoretiker besagt, dass die unterschiedliche Ausstattung von Volks-
wirtschaften, mit den Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit, zu komparati-
ven Vorteilen führt. Danach konzentriert sich die Volkswirtschaft auf die Her-
stellung und den Export der Produkte, welche den reichlich vorhandenen
Faktor in der Produktion am intensivsten nutzen. Bei Spezialisierung und
Handel kommt es unter idealtypischen Annahmen zwischen den Volkswirt-
28
Haas (2005): 196-197.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783956364440
ISBN (Paperback)
9783956367885
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Worms
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Note
1,7
Schlagworte
Volkswirtschaftslehre Freihandel Freihandelszone THIP TTIP Deutschland

Autor

  • Philipp Borngässer (Autor:in)

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