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Weibliche und männliche Körperhaltungen

Ein kultureller Vergleich

©1991 Diplomarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Die Art, wie wir uns bewegen, wie wir stehen oder lachen, bestimmt, wie wir auf andere Menschen wirken. Der Eindruck, den wir so hinterlassen, hat eine große Bedeutung für unser soziales Leben: Wir gewinnen Freunde, oder Menschen bleiben uns fern; das Einstellungsgespräch mit dem Personalchef hat Erfolg, oder es hat eine Ablehnung zufolge. Unsere außersprachlichen Verhaltensweisen können oftmals wichtiger sein als das, was wir sprachlich äußern. Das noch so große sprachliche Talent, das Fachwissen an den Tag zu legen, wird den Personalchef dann nicht beeindrucken, wenn der Bewerber dabei eine „steif-verkrampfte“, mit zusammengepreßten Beinen sitzende und ständig den Blick senkende Haltung einnimmt.
So selbstverständlich und geläufig uns diese Erkenntnis ist, umso erstaunlicher ist es doch, dass diesem Aspekt zwischenmenschlicher Beziehung – zumindest in der westlichen Welt – noch immer zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Während Kindern in der Schule die gesprochene und geschriebene Sprache mit großem Eifer beigebracht wird (und dieser Eifer sie auch später in Studium und Beruf, in denen rhetorische Fähigkeiten entscheidend zum Erfolg beitragen, verfolgt), bleibt „Körpersprache“ als explizites Lernziel unberücksichtigt.
Mein Interesse innerhalb dieses Themenbereichs gilt vor allem dem Aspekt Macht und der Frage danach, wie sich Macht im nonverbalen Verhalten ausdrückt. Die Alltagserfahrung lehrt uns, daß der erhobene Zeigefinger, die auf die Hüften gestemmten Arme oder das Eindringen in Territorien anderer Gesten und Verhaltensweisen dominanter Personen sind; hingegen ein gesenkter Kopf oder zusammengepresste Beine Haltungen ängstlicher, sich unterordnender Personen sind.
Sowohl in (subjektiven) Erfahrungsberichten als auch in der relativ jungen nonverbalen Kommunikationsforschung zeigt sich, daß es häufiger Männer als Frauen sind, die die dominanten nonverbalen Verhaltensweisen zeigen. Dies entspricht der generellen Vormachtstellung der Männer in patriarchalischen Gesellschaften.
Mein weiteres Interesse gilt einem Vergleich zweier Kulturen: Während in der deutschen Gesellschaft die traditionellen Vorstellungen über Geschlechtsrollen zunehmend abgelehnt werden, junge Eltern immer mehr Wert auf die Erziehung von Söhnen und Töchtern legen, zeigt sich in der Türkei ein noch stark konservatives Rollenverständnis.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... 5
I Theoretischer Teil ... 7
1 Nonverbale Kommunikation ... 7
1.1 Begriffsdefinitionen und Forschungsrichtungen ... 7
1.2 Geschichtlicher Hintergrund ... 9
1.3 Nonverbales Verhalten: genetisch versus kulturell ... 10
1.4 Körperhaltungen unter physiologischem Aspekt ... 11
1.5 Zusammenfassung ... 13
2 Der Körper als Ausdruck innerer Zustände ... 13
2.1. Emotionen ... 14
2.2 Nonverbales Verhalten und Einstellung ... 15
2.3. Nonverbales Verhalten und Persönlichkeit ... 16
2.4 Zusammenfassung ... 17
3 Der Körper als Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen ... 17
3.1 Der Begriff ,,Macht" und Machtdimension ... 17
3.2 Die vertikale Dimension: oben und unten ... 20
3.3 Körperentspanntheit ... 22
3.4 Territorium ... 23
3.5 Berührungen ... 25
3.6 Geschlechtstypische Unterschiede im nonverbalen Verhalten ... 26
3.6.1 Begriffsdefinitionen ... 27
3.6.2 Theorien zu Geschlechterunterschieden ... 28
3.6.3 Die vertikale Dimension ,,oben" und ,,unten" ... 33
3.6.4 Körperentspanntheit ... 35
3.6.5 Territorium ... 35
3.6.6 Körperhaltungen ... 36
3.6.7 Berührungen ... 38
3.7 Zusammenfassung ... 38
4 Geschlechtstypische Unterschiede und nonverbales Verhalten im Kulturvergleich ... 39
4.1 Die Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft ... 39
4.1.1 Ihre Stellung in der islamischen Religion ... 39
4.1.2 Ihre politisch-rechtliche Stellung ... 41
4.2 Interkulturelle Untersuchungen zu Geschlechterunterschieden ­ Geschlechtsrollen-
Stereotype... 43
4.3 Interkulturelle Untersuchungen zu nonverbaler Kommunikation ... 44
4.4 Zusammenfassung und Ableitungen für die Fragestellungen ... 46
II Methodischer Teil ... 48
5 Beobachtungsstudie ... 48
5.1 Hypothesen ... 48
5.2 Methode ... 49
5.2.1 Durchführung ... 49
5.2.2 Material ... 50
5.2.3 Auswertung ... 50
5.3 Ergebnisse ... 52

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5.4 Diskussion ... 60
6 Erhebung zu Körperhaltungen ... 62
6.1 Hypothesen ... 62
6.2 Methode ... 62
6.2.1 Fragebogen ... 62
6.2.2 Die türkische Version des Fragebogens ... 64
6.2.3 Durchführung ... 64
6.3 Ergebnisse ... 67
6.4 Diskussion ... 75
Schlussbemerkungen ... 77
Literaturverzeichnis ... 78
Anhang ... 84

5
Einleitung
Die Art, wie wir uns bewegen, wie wir stehen oder lachen, bestimmt, wie wir auf andere
Menschen wirken. Der Eindruck, den wir so hinterlassen, hat eine große Bedeutung für
unser soziales Leben: Wir gewinnen Freunde, oder Menschen bleiben uns fern; das Ein-
stellungsgespräch mit dem Personalchef hat Erfolg, oder es hat eine Ablehnung zufolge.
Unsere außersprachlichen Verhaltensweisen können oftmals wichtiger sein als das, was
wir sprachlich äußern. Das noch so große sprachliche Talent, das Fachwissen an den Tag
zu legen, wird den Personalchef dann nicht beeindrucken, wenn der Bewerber dabei eine
,,steif-verkrampfte", mit zusammengepreßten Beinen sitzende und ständig den Blick sen-
kende Haltung einnimmt.
So selbstverständlich und geläufig uns diese Erkenntnis ist, um so erstaunlicher ist es
doch, dass diesem Aspekt zwischenmenschlicher Beziehung ­ zumindest in der westli-
chen Welt ­ noch immer zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Während Kindern in der
Schule die gesprochene und geschriebene Sprache mit großem Eifer beigebracht wird
(und dieser Eifer sie auch später in Studium und Beruf, in denen rhetorische Fähigkeiten
entscheidend zum Erfolg beitragen, verfolgt), bleibt ,,Körpersprache" als explizites Lern-
ziel unberücksichtigt.
Mein Interesse innerhalb dieses Themenbereichs gilt vor allem dem Aspekt Macht und
der Frage danach, wie sich Macht im nonverbalen Verhalten ausdrückt. Die Alltagserfah-
rung lehrt uns, daß der erhobene Zeigefinger, die auf die Hüften gestemmten Arme oder
das Eindringen in Territorien anderer Gesten und Verhaltensweisen dominanter Personen
sind; hingegen ein gesenkter Kopf oder zusammengepresste Beine Haltungen ängstlicher,
sich unterordnender Personen sind.
Sowohl in (subjektiven) Erfahrungsberichten als auch in der relativ jungen nonverbalen
Kommunikationsforschung zeigt sich, daß es häufiger Männer als Frauen sind, die die
dominanten nonverbalen Verhaltensweisen zeigen. Dies entspricht der generellen Vor-
machtstellung der Männer in patriarchalischen Gesellschaften.
Mein weiteres Interesse gilt einem Vergleich zweier Kulturen: Während in der deutschen
Gesellschaft die traditionellen Vorstellungen über Geschlechtsrollen zunehmend abge-
lehnt werden, junge Eltern immer mehr Wert auf die Erziehung von Söhnen und Töchtern
legen, zeigt sich in der Türkei ein noch stark konservatives Rollenverständnis. Statistiken
zu Einschulungsquoten, relative Prozentzahl der Studentinnen oder im Gesetz verankerte
Beeinträchtigungen der Freiheitsrechte der Frauen zeigen, dass der Status der türkischen
Frau in ihrer Gesellschaft weitaus unter dem Status der westlichen Frau liegt. Wenn sich

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das Machtverhältnis zwischen Gruppen in ihren nonverbalen Verhaltensweisen äußert, so
müßte dies deutlicher zwischen Gruppen auftreten, bei denen das Machtgefälle größer ist.
In der vorliegenden Arbeit wird daraus ableitend versucht, die graduelle Unterschiedlich-
keit der nonverbalen Kommunikation zwischen den Geschlechtern in der türkischen und
deutschen Gesellschaft aufzuspüren und zu beschreiben. Wichtig ist mir in diesem Zu-
sammenhang auch der Bezug zu kulturellen und religiösen Bedingtheiten.
Als Einstieg in das Thema werden zu Beginn der Arbeit allgemeine Informationen zum
Themenkomplex ,,nonverbale Kommunikation" gegeben. Dann folgt die Darstellung
einiger Untersuchungsergebnisse bezüglich des Zusammenhanges zwischen nonverbalem
Verhalten und Emotionen, Einstellungen und Persönlichkeit. Dieses Kapitel habe ich
,,Der Körper als Ausdruck innerer Zustände" genannt, da sich hier der Blick hauptsäch-
lich auf das Individuum richtet. Erst im nächsten Kapitel wird dann das Hauptaugenmerk
auf nonverbales Verhalten als ,,Regulation zwischenmenschlicher Beziehungen" gerich-
tet. Hier wird zunächst allgemein Körpersprache als Indikator für Unter- und Überord-
nung erörtert. Danach werden ­ unter Bezugnahme auf generelle Geschlechterunterschie-
de ­ die Forschungsergebnisse zu Unterschieden ,,weiblicher" und ,,männlicher" Körper-
sprache dargelegt.
Im methodischen Teil lege ich meine Photo-Studie vor, welche aus Aufnahmen von tür-
kischen und deutschen Erwachsenen besteht, deren Köperhaltungen analysiert werden. Es
liegt bereits eine ähnliche deutsche Studie vor, der allerdings keine quantitativ-statistische
Methode zugrunde liegt. Mich interessiert, ob sich in meiner Analyse die Haltungsunter-
schiede von Frauen und Männern, wie sie dort und in anderen Untersuchungen festge-
stellt wurden, wiederholt zeigen würden, und ob sich meine Erwartung, daß sich die Hal-
tungsunterschiede in der Türkei stärker zeigen, bestätigt. Eine Befragung zu Körperhal-
tungen mit einer Stichprobe von deutschen und türkischen Erwachsenen soll zusätzliche
Informationen liefern.

7
I
T
HEORETISCHER
T
EIL
1 Nonverbale Kommunikation
Unter diesem Kapitel befinden sich allgemeine Aussagen zum Themenkomplex nonver-
bale Kommunikation. Vorab werden Begriffe definiert und die Forschungsrichtungen
kurz dargestellt. Nach einem Einblick in den historischen Hintergrund folgt der Punkt
genetische versus kulturelle Determiniertheit; anschließend wird nonverbales Verhalten ­
konkret Körperhaltungen ­ unter physiologischem Aspekt betrachtet.
1.1 Begriffsdefinitionen und Forschungsrichtungen
Zum Phänomen außersprachlichen Verhaltens gibt es bisher keine einheitliche Bezeich-
nung, doch wird von den meisten Autoren ,,nonverbale Kommunikation" als Sammelbe-
griff benutzt.
Synonym zu nonverbale Kommunikation werden auch die Bezeichnungen nichtverbale,
averbale, nicht-linguistische, außersprachliche Kommunikation bzw. nicht-verbales,
averbales, ... Verhalten; vokales, nonvokales Verhalten; Körpersprache, Körpersignale,
Ausdruck oder Ausdrucksverhalten benutzt.
Nonverbales Verhalten umfaßt folgende Verhaltensaspekte:
x Köperkontakt;
x Körperbewegungen und -haltungen; wobei sich der Begriff ,,Körperhaltung" nach
der Definition von Wallbott (1084, S. 146) ,,auf eine Person bezieht, wie diese ih-
re Extremitäten anordnet oder wie sie relativ zu den drei räumlichen Dimensio-
nen sitzt, steht oder liegt, wobei es unerheblich ist, ob sie mit einer Person inter-
agiert oder nicht";
x äußere Erscheinung (z. B. Kleidung);
x nichtverbale Aspekte des Sprechens (z. B. Sprechgeschwindigkeit, Tonfall);
x räumliche Faktoren (z. B. interpersonale Distanz).
Die Funktion der verbalen wie auch der nonverbalen Kommunikation ist die Übermitt-
lung von Information.
,,Durch Zeichenkomplexe übertragene Mitteilungen reduzieren Ungewißheit
durch Information über die Identität und den kognitiven, affektiven und appetti-

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tiven Zustand von S sowie über dessen Beziehung zu Personen und Objekten
seiner Umwelt." (Scherer, 1984, S. 17)
Aus der nonverbalen Kommunikationsforschung haben sich Teildisziplinen herausgebil-
det, die spezielle Aspekte des nonverbalen Verhaltens untersuchen. So beschäftigt sich
beispielsweise die Kinesik mit Körperbewegungen in sozialen Interaktionen (vgl. Bird-
whistel, 1968, 1970).
Das Raumverhalten von Interaktionspartnern ist Untersuchungsgegenstand der Proxemik.
Hall (1964, 1966) ist der Begründer dieser Forschungsrichtung. Er hat die interpersonalen
Distanzen (Intimabstand, informell-persönlicher Abstand, sozial-konsultativer Abstand,
formeller Abstand) ausgearbeitet.
Die Ausdruckspsychologie ist die Lehre vom Ausdruck in seiner Erscheinung und psy-
chologischen Bedeutung. Sie beschäftigt sich ebenfalls mit Mimik, Gestik etc., schließt
jedoch statisch-morphologische Elemente des Ausdrucks wie die Physiognomie (z. B.
Gesichtszüge) und von der Person losgelöste Objekte wie Handschrift (Graphologie) und
Kunstwerke mit ein (vgl. Kirchhoff, 1965). Die Ausdruckspsychologie ist von der neue-
ren Kommunikationsforschung insofern abzugrenzen, als hier Interaktionsprozesse kaum
berücksichtigt werden ­ so beziehen sich die Aussagen hauptsächlich auf Persönlich-
keitsmerkmale und pathologische Erscheinungen ­, und Hypothesen nicht empirisch ab-
gesichert werden.
Nach Wallbott (1984) sind in der neueren Forschung vorwiegend zwei unterschiedliche
Strömungen der amerikanischen Verhaltenswissenschaften festzustellen:
x Die linguistisch-anthropologisch orientierte Forschungsrichtung betont die Paral-
lelität verbalen und nonverbalen Verhaltens und verwendet hauptsächlich lingui-
stische Methoden und Beschreibungsansätze (vgl. Trager, 1958; Scheflen, 1965;
Birdwhistel, 1970).
x Die ethnologisch-psychologisch orientierte Forschungsrichtung setzt den
Schwerpunkt auf die Ausdrucksfunktion nonverbaler Verhaltensweisen und ihre
diagnostische Verwendbarkeit und zieht eher quantitativ-statistische und experi-
mentelle Untersuchungsmethoden heran (vgl. Exline, 1972; Ekman & Friesen,
1974; Argyle, 1969; Mehrabian, 1972).
Von einer Theorienbildung steht die nonverbale Kommunikationsforschung noch weit
entfernt. Obgleich das Interesse an nonverbalen Verhaltensweisen innerhalb der Ge-
schichte der Psychologie weit zurückreicht, läßt sich erst seit einigen Jahren eine stärkere

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Forschungsaktivität feststellen. Den Mangel an Theorienbildung begründet Scherer
(1984, S. 13) wie folgt: ,,Da unter nonverbaler Kommunikation eigentlich nur eine An-
sammlung von Verhaltensweisen verstanden wird, die u. U. kommunikative Funktion
übernehmen können ..."
In dieser Arbeit werde ich die Gebiete Mimik, Gestik, Körperbewegungen und vokale
Aspekte des nonverbalen Verhaltens ­ obwohl hierzu eine Reihe wichtige Untersuchun-
gen vorliegen ­ weitgehendst außer Acht lassen und vielmehr den Aspekt Körperhaltun-
gen und mit der Körperhaltung verbundene Verhaltensweisen wie Raumverhalten, Kör-
perkontakt und Körperentspanntheit herausgreifen. Dies gilt vor allem für das dritte Kapi-
tel. Für den interessierten Leser sind jedoch die wichtigsten Quellen zu den nicht behan-
delten Bereichen angegeben.
1.2 Geschichtlicher Hintergrund
Daß die Erscheinungsform des Körpers ­ ob in Ruhe oder Bewegung ­ Aufschluß über
die inneren Zustände des Individuums gibt, wurde schon in der Zeit der großen Philoso-
phen und Dichter thematisiert.
lm Gesamtwerk Aristoteles' (384 v.Chr. ­ 322 v.Chr.) findet sich bereits eigens für dieses
Thema ein Buch mit dem Titel ,,Ausdruck" (vgl. Gohlke, 1947).
Die Ärzte der Antike wandten sich den körperlichen wie auch den geistigen Krankheiten
zu. Sie erarbeiteten Typologien, denen Menschen ihrem Erscheinungsbild nach zugeord-
net wurden. Aufbauend auf Hippokrates stellte der römische Arzt Galen 200 Jahre nach
Christi vier Typen auf: der Sanguiniker zeichnet sich durch Temperament und Lebhaftig-
keit aus, der Phlegmatiker ist ein ruhiger, langsamer und schwerfälliger Mensch, der Cho-
leriker ist leidenschaftlich, reizbar und jähzornig und der Melancholiker schwermütig und
pessimistisch.
Erste Untersuchungen der Beziehung zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Aus-
drucksverhalten mittels physiognomischer Analysen wurden von Lavater (1775­1778)
vorgenommen. Mit Analogieschlüssen wie ,,Die Person hat ein weiches Gesicht, ein wei-
cher Charakter beinhaltet ein weiches Gesicht, also hat diese Person einen weichen Cha-
rakter" wurde versucht, Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und
Physiognomie herzustellen (vgl. Hermann & Lantermann, 1985).
Neuere Ansätze zur Erstellung von Typologien unterscheiden sich von den älteren haupt-
sächlich durch den Versuch, die vermuteten Zusammenhänge zwischen Erscheinungsbild
und Verhalten wissenschaftlich nachzuweisen. Als bekannter Vertreter der Konstitutions-

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typologie ist hier Kretschmer (1951) zu nennen. Ausgehend von der Körperform einer
Person schloß er auf Persönlichkeitseigenschaften, wie: Der leptosom-schizothyme Typ
hat ein geringes Körpergewicht, schmale Schultern, dünne Arme usw. und ist überemp-
findlich, kühl und introvertiert.
Experimente, die dieses Konzept bestätigen sollten, lieferten zwar erwartungsgemäße
Ergebnisse, sie wurde aber zurecht kritisiert, da auf jegliche Signifikanzprüfung verzich-
tet wurde, Versuchspersonenstichproben nicht repräsentativ waren und der Alterseinfluß
nicht kontrolliert wurde. In anderen Untersuchungen, in denen diese Faktoren berücksich-
tigt wurden, konnten keine Zusammenhänge zwischen Körperbau und Persönlichkeit
festgestellt werden (vgl. Amelang & Bartussek, 1985).
Andere Aspekte des Ausdrucksverhaltens wie Bewegung und Stimme wurden von deut-
schen Ausdruckspsychologen, die sich auf die Typologien von Kretschmer u. a. stützten,
untersucht. Aus Untersuchungen des Ganges beispielsweise kam man zu dem Schluß, daß
Phykniker gerundete, flüssige, harmonische und anmutige Bewegungen zeigen, während
bei Leptosomen eher steife, eckige, verkrampfte und gespannte Bewegungen zu beobach-
ten sind (vgl. Jacobson, 1938).
Trotz methodischer Mängel, so werden beispielsweise Begriffe nicht operational defi-
niert, ist der Ansatz der Typologien und der Ausdruckspsychologie durchaus nicht über-
holt. Im Bereich der Psychiatrie und auch in neueren populärwissenschaftlichen Büchern
zur Körpersprache wird auf deren Aussagen Bezug genommen.
1.3 Nonverbales Verhalten: genetisch versus kulturell
Der Verhaltensforscher Darwin (1872) nahm an, daß Gefühlsregungen, die sich in Mimik
und Gestik zeigen, bei allen Menschen ähnlich und genetisch festgelegt seien.
Bruner und Taguri (1954) stellten dieser Annahme entgegen, daß es keine Anzeichen für
angeborene, unveränderliche Verhaltensmuster als Ausdruck spezifischer Gefühlsregun-
gen gibt.
Eine Synthese zwischen den beiden Extremen von vollständig genetischer Determiniert-
heit und vollständig kultureller Determiniertheit fanden die Wissenschaftler Ekman, Frie-
sen und Sorenson in den sechziger Jahren. Sie postulierten, daß es ,,angeborene Hirnrin-
denprogramme" gibt, die bestimmte Affekte mit spezifischen, universellen Formen der
Mimik koppeln, vor allem bei den primären Affekten Freude, Überraschung, Furcht usw.
Gleichzeitig erwähnten sie auch ,,... in der Kindheit erlernte Ausdrucksformen und Re-

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geln, die nach gesellschaftlicher Rolle und demographischen Merkmalen und von Kultur
zu Kultur variieren." (Zitiert nach Fast, 1979, S. 20)
Eine Reihe neuerer interkultureller Untersuchungen (z. B. Tomkins, 1962, 1963; Izaard,
1968, 1971; Triandis & Lambert, 1958) sprechen für einen interaktionistischen Stand-
punkt. Als Vertreter dieses Standpunktes formuliert Scheflen (1964):
,,Die anatomische Grundlage menschlichen Verhaltens wird durch die biologi-
sche Form bestimmt und durch genetische Mechanismen übermittelt, aber jede
Kultur formt das Potential menschlicher Handlungen entsprechend den eigenen
Traditionen [...] Um also die Bedeutung von Gesten, Körperhaltungen, Stimm-
modulationen und sogar affektiver Ausdrucksformen zu verstehen, ist es not-
wendig, nach Kulturen, Klassen, Institutionen zu unterscheiden." (In: Scherer
& Wallbott, 1984, S. 153)
Einige Beispiele interkultureller Untersuchungen finden sich gesondert unter Kapitel 4.5.
1.4 Körperhaltungen unter physiologischem Aspekt
Buytendijk (1956) betrachtet Körperhaltungen nach physiologisch-gesundheitlichen Ge-
sichtspunkten und geht in seinem Buch u. a. der Frage nach, welche Haltungen die
zweckmäßigsten sind.
Den Zusammenhang zwischen der Muskelaktivität ­ und somit bestimmter Haltungen ­
und dem Gefühl der Sicherheit erläutert der Autor wie folgt:
,,Befinden wir uns in einem labilen Gleichgewicht, dann sind unsere Muskeln
mehr gespannt, als es zum Stehen an sich notwendig wäre und dies um so mehr,
je weniger gesichert das Gleichgewicht ist, je mehr wir uns als gefährdet emp-
finden [...] Wer schon einmal in einer Dachrinne, [...] oder auf einem Bergrand
gestanden hat, weiß das aus Erfahrung." (Buytendijk, 1956, S. 119)
Eines der von Souriau aufgestellten Haltungsgesetze besagt, daß der Mensch zu einer
Haltung mit geringstmöglichen Spannungen und stabilem Gleichgewicht neigt, die nicht
nur bequem und wenig mühsam ist, sondern auch ein Gefühl größerer Sicherheit gibt.
Befinden sich keine Stützpunkte in der Nähe (zum Anlehnen, Festhalten etc.), finden wir
sie am Körper. Wir stützen z. B. den Kopf auf die Hand.
Buytendijk schränkt ein, daß die häufig eingenommenen Haltungen nicht nur aus dem
Bedürfnis nach stabilem Gleichgewicht und aus dem Prinzip der geringsten Spannungen
erklärt werden können, denn:

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,,Die vorzugsweise eingenommenen Haltungen scheinen mir durch ihren Aus-
drucksgehalt stark traditionell gebunden zu sein, so daß sie auch charakteristi-
sche und individuelle Unterschiede zeigen. Außerdem haben die durch die Be-
wegungen in den Körperteilen ausgelösten Empfindungen keineswegs die glei-
che Bedeutung für das Erleben unserer Leiblichkeit und für unsere Stimmun-
gen." (S. 110)
Der bekannte Pantomime Morris (1983) erläutert den Spannungszustand des Körpers wie
folgt:
,,Wenn jemand ganz locker ist, reagiert er auf den kleinsten elektrischen
Schock. Sobald er verkrampft, muß man die Impulsstärke vergrößern. [...] Für
die menschliche Kommunikation gilt das gleiche. Wenn jemand ganz locker ist,
nimmt er Informationen leichter und genauer auf; ist er verkrampft, so geht das
nur langsam und lückenhaft. Jemand ist aufgeschlossen oder verschlossen, sa-
gen wir dann." (S. 38 f.)
Das zweite Haltungsgesetz von Souraiu besagt, daß wir nach einem optimal angenehmen
Körpergefühl streben, welches wir durch eine asymmetrische Haltung erreichen. Bei der
asymmetrischen Haltung verlagern wir das Körpergewicht auf die eine Körperseite bzw.
auf das eine Bein oder den einen Arm und lassen die andere Seite ruhen. Diese örtliche
intensive Spannung ist uns scheinbar weniger unangenehm als eine weniger intensive
aber ausgedehnte Spannung bei der symmetrischen Haltung. Dies erklärt, warum wir
beim Sitzen z. B. gern eine schiefe Haltung einnehmen, die Beine übereinanderschlagen
usw.
Schildbachs (1940) Untersuchungen zu Körperschwankungen im Stehen haben ergeben,
daß die Schwankungen bei zusammengenommenen Hacken mit einem Winkel von 30 bis
45° zwischen den Füßen am geringsten sind. Bei Spreizung der Beine von zwei Fußbrei-
ten sind die Schwankungen noch geringer. Es gibt jedoch wichtige individuelle Unter-
schiede.
Zur Frage der zweckmäßigsten Fußhaltung scheint es keine einheitliche Meinung unter
den Wissenschaftlern zu geben. Während einige die Haltung mit nach außen gestellten
Füßen für die ,,natürliche" halten, stellen die anderen dem entgegen, daß die parallele
Fußstellung unter den Naturvölkern weit verbreitet sei.
Nach seiner historischen, soziologischen, anatomischen und funktionellen Analyse der
Fußhaltung kommt Gaulhofer (1930) zu dem Sch1uß, daß das Stehen mit nach außen
gestellten Füßen traditionell bedingt sei.

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Die Betrachtung der Körperhaltungen aus physiologischer Sicht könnte möglicherweise
breiter angelegt werden. Doch die (wenigen) Bücher aus dem Bereich Physiologie über
Körperhaltungen, die mir zugänglich waren, machen keine Aussagen über spezifische
Haltungen. Zudem geht aus dem bisher gesagten bereits hervor, daß zwar Haltungen im
Groben an die anatomischen Grundlagen des Körpers gebunden sind, die vielfältigen
feineren Variationen jedoch maßgeblich von kulturellen Einflüssen, d. h. von der Psyche
des Individuums abhängen.
Das Schlußwort sei dem Physiologen Kochner (1976, S. 11) überlassen:
,,Das enge und untrennbare Zusammenspiel von Leib und Seele, der Einfluß des
leiblichen Geschehens auf das des seelischen und umgekehrt, drückt sich gera-
de in der Ha1tung aus."
1.5 Zusammenfassung
Das Interesse am nonverbalen Verhalten geht in der Geschichte des Menschen weit zu-
rück. So wurde der menschliche Ausdruck in Dichtungen, philosophischen Schriften und
auch im medizinischen Bereich thematisiert. Nach einer langen Zeit von Desinteresse
zeigt sich in jüngerer Zeit wieder eine wachsende Zuwendung zum Thema nonverbalen
Verhaltens. Aus der nonverbalen Kommunikationsforschung liegen bereits, wenn auch
wenige, interessante Befunde vor.
Die Diskussion um die Universalität außersprachlichen Verhaltens brachte eine Reihe
kulturvergleichender Studien hervor, deren Ergebnisse teilweise eine genetische Determi-
niertheit, teilweise eine Kulturbedingtheit nonverbaler Verhaltensweisen nahelegen. So
scheinen Ausdrücke bestimmter Gefühlsregungen genetisch weitergegeben zu werden,
während andere außersprachliche Verhaltensweisen, wie die Körperhaltung, kulturell zu
variieren. Die Betrachtung aus physiologischer Sicht zeigt, daß die menschliche Anato-
mie nur einen bestimmten Rahmen für individuell differierende Haltungen setzt.
2 Der Körper als Ausdruck innerer Zustände
In diesem Kapitel wird nonverbales Verhalten unter den Aspekten Emotionen, Einstel-
lungen und Persönlichkeitseigenschaften betrachtet, d. h. im Vordergrund steht hier zu-
nächst das Individuum. Da in dieser Arbeit der sozialpsychologischen Sicht, die im näch-
sten Kapitel folgt, mehr Bedeutung beigemessen wird, werden hier die oben genannten
Aspekte, die sich ohnehin mit den darauf folgenden Erörterungen überschneiden, nur kurz
dargestellt.

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2.1. Emotionen
Das Gesicht wird, wie die lange Tradition der wissenschaftlichen Untersuchungen des
Gesichtsausdrucks zeigt, als wichtiger Ausdrucksort von Emotionen angesehen. Es hat
eine hochdifferenzierte und komplexe Muskulatur, die eine große Zahl unterscheidbarer
Gesichtsausdrücke erlaubt und somit vielfältige Gefühle, Stimmungen und Befindlichkei-
ten auszudrücken vermag.
Daß auch der Körper wichtige Informationen über die Emotionen gibt, zeigten Ekman
und Friesen in mehreren Untersuchungen. Sie konnten nachweisen, daß der Kopf einer
Person eher Informationen über die Art der Emotionen gibt, der Körper hingegen infor-
mativer ist für die Intensität der Emotionen:
,,Körperpositionen, die eine scheinbar mühelose Ruhe ausdrücken, werden als
Ausdruck geringer Emotionsintensität angesehen; dagegen warden Körperposi-
tionen, die steif erscheinen, so als ob sie besondere Mühe zu ihrer Aufrecher-
haltung erforderten, als Ausdruck hochintensiver Emotionen erlebt." (Ekman &
Friesen, 1967; zitiert nach Lermer, 1981, S. 219)
Die Autoren differenzieren zwischen Körperbewegungen und Körperpositionen. Dem-
nach können Körperbewegungen Informationen über mittlere bis hohe Intensität der
Emotionen vermitteln, während Körperpositionen den ganzen Spielraum der Intensität
mitteilen können.
Ekman und Friesen glauben, daß u. U. Körperbewegungen und -haltungen eine reliablere
Quelle von Informationen ist als das Gesicht. Sie verweisen auf den Sozialisierungspro-
zeß, in dem wir gelernt haben, unser Gesicht zu kontrollieren. ,,Mache kein unfreundli-
ches Gesicht", ,,Guck` nicht so gelangweilt" sind uns aus der Kindheit bekannte Sätze.
,,Das Gesicht scheint der geschickteste nonverbale Kommunikator zu sein und
ist vielleicht der beste nonverbale ,Lügner`, der nicht nur Informationen zu-
rückhalten, sondern auch Mimik simulieren kann, die mit einem Gefühl assozi-
iert ist, das die Person in keiner Weise erlebt." (Ekman & Friesen, 1984, S. 50)
Der bekannte Zoologe und Verhaltensforscher Morris (1977) weist darauf hin, daß Men-
schen sich in Interaktionen hauptsächlich anschauen, d. h. der Blick mehr auf die Kopf-
gegend des Partners gerichtet ist. Deswegen neigen wir dazu ­ so der Autor ­ diesen Teil
des Körpers zu verstellen. Die Körperteile, die von der Blickrichtung des Interaktionpart-
ners weiter entfernt ist, werden weniger bewußt kontrolliert, und geben deswegen eher
Aufschluß über das tatsächliche Befinden der Person. Ein Beispiel hierfür ist ein völlig

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entspannter Gesichtsausdruck und im Gegensatz dazu eine angespannt pressende Beinhal-
tung.
Buytendijk (1956) beschreibt seine Beobachtungen hinsichtlich des Zusammenhanges
zwischen Körperhaltung und Emotion wie folgt:
,,Bei Freude gerät man ,außer sich`, es erweitert sich der Brustkorb, die Arme
werden ausgestreckt, ausgebreitet oder gehoben. Es dehnt und streckt sich die
Gestalt. Das umgekehrte geschieht bei Kummer. Dann duckt man sich, der
Brustkorb fällt ein, der Kopf wird zwischen die Schultern gezogen [...]" (S. 238)
Psychoanalytiker betrachten nonverbales Verhalten im allgemeinen als Widerstandsphä-
nomen, sei es als Unfähigkeit des Ausdrucks, als Furcht, Übertragungsinhalte zu verbali-
sieren, oder als Unterdrückung emotionaler Spannungen. So heißt es bei Dunbar (1960,
S. 226 f.):
,,Unter den stärksten Widerständen gegen Psychotherapie sind solche, die ge-
lernt haben, das skelettmuskuläre System als eine unerforschbare Rüstung zu
verwenden." (Zit. nach Lermer, 1981, S. 230)
Wie sich der Widerstand in der Haltung äußert, expliziert Greenson (1973, S. 384):
,,Starrheit, Steifheit oder eine zusammengerollte Schutzhaltung können Abwehr
anzeigen. Vor allem ist jede unveränderte Position, die eine ganze Stunde lang
[...] beibehalten wird, immer ein Zeichen von Widerstand."
2.2 Nonverbales Verhalten und Einstellung
Nach Breed (1972) kann nonverbales Verhalten als genauerer Messungsweg für die Ein-
stellungssysteme einer Person genutzt werden als verbale Mitteilungen, da letztere aus
Höflichkeit kontrolliert und somit tatsächliche Einstellungen verschleiert werden.
Mehrabian (1968) ließ Versuchspersonen die Einstellung von Kommunikatoren zum Ge-
sprächspartner beurteilen. Geringe Distanz zum Adressaten, offene Arm- und Beinhal-
tung und entspannte Haltung (leichtes Vorbeugen des Oberkörpers) des Kommunikators
reflektierten eine positivere Einstellung als hohe Distanz, geschlossene und gespannte
Haltung.
Eine Reihe weiterer Untersuchungen zeigen den Zusammenhang zwischen Blickkontakt /
interpersonaler Distanz und positiver und negativer Einstellung bzw. Sympathie und An-
tipathie. So wird zu bevorzugten Personen häufiger Blickkontakt hergestellt, wie auch zu

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unsympathischen Personen größere Distanz gehalten wird (vgl. Mehrabian & Friar, in:
Scherer & Wallbott, 1984).
2.3. Nonverbales Verhalten und Persönlichkeit
Wie bereits aus Kapitel 1.2 hervorgeht, wurde der Körper einer Person in der frühen Ge-
schichte bis hin zur Ausdruckspsychologie Mitte des 20. Jahrhunderts als Informations-
quelle besonders für die Persönlichkeit des Individuums betrachtet.
Auch in der neueren nonverbalen Kommunikationsforschung wird, neben anderen Aspek-
ten, der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und nonverbalem Verhalten geprüft.
Untersuchungsgegenstand bilden hier zumeist aus dem Bereich vokalen Verhaltens
Stimmqualität, Klang, Sprechgeschwindigkeit usw., im Bereich des nonvokalen Verhal-
tens Blickkontakt, Raumverhalten, Körperhaltung und -bewegung, deren Beziehung zu
interpersonalen Persönlichkeitseigenschaften wie Extraversion/Introversion, Domi-
nanz/Submission, Ge1assenheit / soziale Ängstlichkeit untersucht wird. Einige Ergebnis-
se sollen im folgenden kurz dargestellt werden:
Goldman und Eisler (68) konnten zeigen, daß eher dominante und extravertierte Personen
schneller sprechen, während eher introvertierte und weniger dominante Personen mit
mehr Verzögerungspausen und damit generell langsamer sprechen.
Niallory und Miller (1958) fanden, daß dominante Personen mit lauterer und tieferer
Stimme sprechen, weniger dominante hingegen mit leiserer und höherer Stimme.
Strongman und Champness' (1968) Untersuchungen zu Blickverhalten zeigen, daß hoch-
dominante Personen Blickkontakt weitaus länger halten als niedrigdominante. (Alle Un-
tersuchungen aus: Hermann & Lantermann, 1985, S. 382 f.)
Sich stützend auf Untersuchungsergebnisse fasst Argyle (1969; in: Scherer & Wallbott;
1984, S. 282 ff.) zusammen:
Dominante nehmen eine entspannte Haltung ein mit erhobenem Kopf, haben eher einen
ernsten Gesichtsausdruck im Gegensatz zu dem nervös-beschwichtigenden Lächeln des
Nichtdominanten. Der Dominante unterbricht den Partner öfter und behält länger das
Wort, so kontrolliert er die Interaktion, und er ist aggressiver als der Submissive.
Ängstliche Personen nehmen eine entspannte und linkische Haltung ein, machen ruckar-
tige Bewegungen, haben einen gespannten Gesichtsausdruck, halten weniger Blickkon-
takt als der Gelassene. Sie sprechen schneller und machen dabei viele Sprechfehler, der
Tonfall ist gehaucht bei relativ kurzen Äußerungen.

17
2.4 Zusammenfassung
Es wurde gezeigt, daß Untersuchungen vorhandene, intuitive Alltagserfahrungen bestäti-
gen: Die allgemeine emotionale Verfassung, Einstellungen gegenüber Personen und Per-
sönlichkeitsmerkmale offenbaren sich in der Körpersprache des Menschen. Dabei glau-
ben die Autoren an die höhere Aussagekraft des nonverbalen als des verbalen Verhaltens.
3 Der Körper als Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen
Durch nonverbale Verhaltensweisen werden nicht nur Emotionen, Einstellungen oder
individuelle Persönlichkeitsmerkmale signalisiert, sondern es wird auch ausgedrückt ­
und dies besonders durch das Medium der Körpersprache ­ welchen sozialen Rang der
Einzelne in der gesellschaftlichen Hierarchie hat. Diese ungeschriebenen und kaum the-
matisierten nonverbalen Verhaltensregeln funktionieren im Allgemeinen erstaunlich gut.
Wir wissen z. B., daß kein Angestellter das Büro des Chefs ohne anzuklopfen betritt,
nahe an ihn herangeht, die Hand auf seine Schulter legt und so sein Anliegen kundtut,
während uns der umgekehrte Fall, d. h. wenn der Chef sich gegenüber dem Angestellten
in solcher Weise verhält, durchaus nicht wundert.
Es sind die Statusunterschiede unserer Interaktionspartner, auf die wir unser Verhalten
teils bewußt, teils unbewußt abstimmen.
Goffmann (1971) beschreibt in seinem Essay ,,Über Ehrerbietung und Benehmen" ein
Allgemeinprinzip, auf das er durch Einzelbeobachtungen in einem Krankenhaus gekom-
men ist: dem Prinzip symmetrischer Beziehungen zwischen Statusgleichen und asymet-
rischer zwischen Über- und Untergeordneten. Demnach können Gleichgestellte sich beim
Vornamen ansprechen, beide haben das gleiche Recht, sich auf den Stuhl des anderen zu
setzen oder sich zu berühren. In der Beziehung zwischen Statusungleichen hingegen hat
der eine Rechte, die dem anderen verwehrt bleiben.
Bevor im Einzelnen nonverbales Verhalten im Hinblick auf Machtverhältnisse erörtert
wird, sollen vorkommende Begriffe definiert werden.
3.1 Der Begriff ,,Macht" und Machtdimension
Es kann davon ausgegangen werden, daß es in jeder Kultur eine gesellschaftliche Struktur
gibt, in der eine mehr oder weniger ausgeprägte hierarchische Ordnung gebildet wird und
ein oder einige Anführer existieren. Morris (1969, S. 72) formuliert das wie folgt:

18
,,Man muß lange suchen, um eine menschliche Gesellschaft zu finden ohne Prä-
sidenten oder König, ohne Anführer oder ,Ältere`, ohne Propheten, ganz ohne
Wesen, die einen größeren Einfluß ausüben als die übrigen Individuen."
Witte (1985) weist darauf hin, daß bereits im Tierreich vielfältige Machtstrukturen zu
erkennen sind, ,,so daß eine evolutionstheoretische Basis für Formen der Über-
/Unterordnung existieren mag" (S. 123).
Mit dem Phänomen ,,Macht" bzw. ,,Machtstreben" beschäftigt sich vor allem die sozial-
psychologische Gruppenforschung, wobei auch hier eine einheitliche Definition des Be-
griffs ,,Macht" fehlt. Weber (1972, S. 28) definierte Macht als ,,jede Chance, innerhalb
einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen,
gleichviel worauf diese Chance beruht". Eine ähnliche Definition findet sich auch bei
Dahl (1957, S. 201): ,,A hat in dem Ausmaß Macht über B als er B dazu veranlassen
kann, etwas zu tun, was B sonst nicht tun würde."
Diese Definitionen sind zu bemängeln, da hier Macht als ein Ding, das man besitzen
könnte, erscheint (A ,,hat" Macht) und da die Rolle des B vernachlässigt wird.
Emerson (1962) weist darauf hin, daß Macht die Eigenschaft einer sozialen Beziehung
ist, und nicht das Attribut einer Person. Auch Olsen (1970 b) und Wrong (1968) betonen,
daß Macht als dynamischer Prozeß, nicht als fester Besitzstand aufzufassen sei.
Collings und Raven (1969) definieren Macht mit dem Begriff ,,Einfluß". Danach ist so-
ziale Macht der potentielle Einfluß von A auf B; wobei Einfluß als eine Änderung einer
Kognition, Einstellung, eines Gefühls oder Verhaltens von B, die auf A zurückgeführt
werden kann, verstanden wird.
In der Literatur werden synonym zu Macht auch die Begriffe Einfluß, Kontrolle, Autori-
tät, Dominanz und Status benutzt.
Andere Autoren grenzen diese Begriffe unterschiedlich stark voneinander ab. Beispiels-
weise rücken Sherif und Sherif (1969, S. 140) Status nahe an Macht heran, wenn sie Sta-
tus als ,,die Stellung des Einzelnen in der Hierarchie von Machtbeziehungen innerhalb
einer sozialen Einheit" definieren, wohingegen Henley (1977) Status als den ,,Schein"
von Macht bezeichnet, der nicht zu wirklicher Macht verhilft.
Dominanz wird in der Psychologie allgemein als die Persönlichkeitstendenz verstanden,
andere beeinflussen und beherrschen zu wollen. Autorität ist eine z. B. durch Gesetze
legitimierte Macht.

19
All diese Begriffe erscheinen nach solchen kurzen Charakterisierungen als Aspekte der
Macht, die mehr oder weniger mit der Macht verbunden sind und die als Macht auftreten
können, nicht aber müssen. In diesem Sinne kann der Begriff ,,Macht" als Sammelbegriff,
die Bezeichnungen ,,Status", ,,Dominanz" etc. als dessen Elemente aufgefaßt werden.
(Zur Diskussion über Machtdefinitionen vgl. Schneider, 1977; einen Überblick über die
Theorien zur sozialen Macht gibt Witte, 1985.)
Henley (1977, S. 34) verweist auf die subtile Art der Machtausübung:
,,Vielleicht denken wir bei Macht eher an Befehle, Drohungen and massive
Zwänge und sehen nicht, wo täglich (indirekt) Macht über uns ausgeübt wird
oder wir sie selbst üben [...] Diese indirekten Einflüsse unseres Alltags erschei-
nen oft in der Gestalt von Gesten, die Macht signalisieren und Dominanz absi-
chern."
Konkreter bezogen auf Körperhaltungen stellt Mühlen-Achs (1984, S. 60) fest: ,,Macht
und Ohnmacht eines Menschen lassen sich an seiner Haltung ablesen." Und er bezeichnet
dies als ,,Körperpolitik". Dies soll im folgenden erörtert werden anhand der Dimensionen
1.
die vertikale Dimension ,,oben" und ,,unten",
2.
Körperentspanntheit,
3.
Territorium/Körperhaltungen und
4.
Berührungen.
Um einen Einblick in die Untersuchungsmethoden der nonverbalen Kommunikationsfor-
schung zu geben, werde ich einige Untersuchungen genauer beschreiben, die meisten
gebe ich verkürzt wieder. Auch kann hier keine Kritik an den Methoden einzelner Unter-
suchungen geleistet werden. Zusammenfassend läßt sich kritisch bemerken, daß
1.
die Operationalisierung der zu prüfenden Variablen in vielen Untersuchungen un-
terschiedlich ist (Kriterium für Körperentspanntheit ist in einer Untersuchung das
Übereinanderschlagen der Beine, in einer anderen das Vorbeugen oder Rück-
wärtsbeugen des Oberkörpers etc.);
2.
die Untersuchungsbedingungen unterschiedlich sind (die Versuchspersonen sol-
len z. B. Urteile über gezeichnete Figuren oder über reale Personen abgeben);
so daß die Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse fraglich erscheint.

20
3.2 Die vertikale Dimension: oben und unten
Begriffe und Redewendungen wie ,,hochkommen", ,,erniedrigen", ,,sich klein vorkom-
men" finden ihre symbolische Entsprechung in den Körperhaltungen. Daß wir solche
Bezeichnungen in vielen Sprachen finden können, mag ebenfalls darauf hindeuten, daß es
sich beim Prinzip der Über- und Unterordnung um eine Universale handelt.
Den Körper klein machende Gesten gelten als Demutsverhalten. Beim Gebet kniet man
sich beispielsweise, oder man geht ganz zu Boden, um so die Unterwerfung vor dem
Allmächtigen zu symbolisieren. Die tiefe Beugung oder der höfische Knicks der Damen
vor dem König oder der Königin sind Körperverkleinerungen, die dem Gegenüber die
Untertänigkeit darstellen.
Dominanz wird ausgedrückt, indem die volle Körpergröße betont wird. Man denke an
den aufrechten Gang oder den gehobenen Kopf.
Morris (1977) erwähnt Untersuchungen, die zeigen, wie die Vorstellung ,,Kleinheit =
Untertan" tatsächlich berufliche Erfolgschancen beeinträchtigen kann. Die Untersuchun-
gen ergaben, daß in der Regel Bischöfe größer sind als einfache Geistliche, Universitäts-
professoren größer als College-Präsidenten und Verkaufsleiter größer als Verkäufer sind.
Statistische Zahlen zeigen, so der Autor, daß es zum Weiterkommen besser ist, wenn man
einen Kopf größer ist.
Wilson (1968) stellte in einer Untersuchung Gruppen von Erstsemestlern einen Mann vor,
dessen Körpergröße zu schätzen war. Sein angeblicher Status (akademischer Grad) wurde
variiert. Es zeigte sich, daß die geschätzte Größe in dem Maße stieg, in dem der Status
des Mannes höher angegeben wurde.
Eine Art Körpervergrößerung stellt auch der erhöhte Steh- oder Sitzplatz dar. Der Thron
des Königs ist auf hohem Podest plaziert, von wo er auf seine Untertanen herabschauen
und dirigieren kann. Wohl nicht so pompös, aber doch ,,oben" sind die Büros der Vorge-
setzten. Je statusniedriger die Angestellten sind, auf desto weiter unten gelegener Etage
sind ihre Räume, bis hin zum Pförtner am Eingang der Gebäude.
Charly Chaplins Film ,,Der große Diktator" zeigt auf lustige Weise, wie ein Kampf um
die höhere Position aussehen kann: Chaplin als Hitler und Oakie als Mussolini sitzen
nebeneinander beim Friseur, um sich rasieren zu lassen. Beide mit Rasierschaum im Ge-
sicht und mit weißen, großen Tüchern an den Stühlen gefesselt, versuchen nun jeweils
den anderen zu zeigen, wer der größere Führer ist. Die Demonstration der eigenen Über-

21
legenheit erfolgt dann über den Hebel des höhenverstellbaren Stuhles. Krampfhaft versu-
chen beide, ihren Stuhl noch höher zu drehen als der andere.
Daß Menschen, die ,,höher" stehen als andere, auf uns tatsächlich dominanter erscheinen,
zeigt eine Untersuchung von Spiegel und Machotka (1974). Sie ließen Urteile über ge-
zeichnete Figuren abgeben. Die stehenden Figuren (männliche Dyaden, s. Abb. 3.1) wa-
ren in unterschiedlicher Höhe plaziert. Sie guckten sich entweder an, guckten geradeaus
oder neigten den Kopf nach unten. Der ,,höhere" Mann wurde als der dominantere der
Dyade eingeschätzt; in allen Variationen der Kopfhaltung ­ außer wenn er den Kopf neig-
te ­ wurde er als der Überlegenere und Wichtigere beurteilt. Wenn er den anderen an-
schaute, wurde er außerdem als der Aktivere eingeschätzt. Der Mann mit gesenktem Kopf
wurde als der Untergeordnete, Unbedeutende und Bescheidene eingeschätzt.
Abb. 3.1 Zwei von neun Variationen. Aus: Spiegel und Machotka, 1974, ,,Acrotropic Displace-
ments and Head Positions", S. 260
Auch Schwartz, Tesser und Powell (1982) kamen zu diesem Ergebnis. Die Versuchsper-
sonen hatten zu entscheiden, welche von zwei gezeichneten Figuren die dominantere ist,
und sie sollten ihre Wahlfigur mit einem ,,D" markieren. Die Figuren wurden
1.
unterschiedlich hoch,
2.
rechts und links,
3.
vorn und hinten plaziert und
4.
die eine Figur wurde sitzend, die andere stehend dargestellt.

22
Es wurde erwartet, daß die höher, rechts, vorn stehenden und die sitzenden Figuren do-
minanter wahrgenommen werden. Das Ergebnis war, daß die höher stehende Figur zu
73 % als dominant, zu 27 % als nicht dominant eingestuft wurde, und es zeigte somit, daß
die vertikale Dimension in der räumlichen Anordnung gegenüber den anderen Variablen
wichtigster Indikator für die Beurteilung von Dominanz war.
Die Hypothese, daß die sitzende Figur im Vergleich zur stehenden dominanter einge-
schätzt wird (das Sitzen ist eine bequeme Haltung und ist deshalb das Privileg der Über-
geordneten), bestätigte sich nicht. Doch heißt es bei der Beschreibung der dargestellten
Figuren:
,,In standing position, the figures appear with legs about 12 inches appart and
one hand placed in a pocket; in sitting positon, the figures appear on a plain
chair with legs crossed and hands placed together on the lap." (S. 11b)
Diese Beschreibung läßt vermuten, daß vielmehr die allgemeine Körperhaltung der Figu-
ren beurteilt wurde als das Sitzen/Stehen, da offenbar die sitzende Figur in einer insge-
samt geschlossenen Haltung, die stehende hingegen in einer eher offenen, entspannteren
Haltung präsentiert wird. Dazu machen die Autoren jedoch keine Aussagen.
3.3 Körperentspanntheit
Die Beziehung zwischen dem Spannungszustand des Körpers einer Person und dem so-
zialen Status des Interaktionspartners wurde mehrfach untersucht.
Goffmann (1961a) fand, daß Besprechungen eines psychiatrischen Stabs bei den Teil-
nehmern mit niedrigem Status (Assistenten) größere Spannung auslösen als bei den Teil-
nehmern mit höherem Status.
Mehrabian und Friar (1969) bestätigen dieses Ergebnis. Die Versuchspersonen sollten mit
einem Adressaten kommunizieren und sich dabei vorstellen, daß ihr Gegenüber einen
bestimmten Status hat. Sie wurden angewiesen, sich so hinzusetzen, wie sie es in der
entsprechenden tatsächlichen Situation tun würden. Trotz dieser fragwürdigen Untersu-
chungsbedingung zeigte sich, daß die Versuchspersonen gegenüber Adressaten mit nied-
rigem Status eine entspanntere Haltung einnahmen (Seitwärtslehnen um 8,5°) als gegen-
über Adressaten mit höherem Status (Seitwärtslehnen um 4,5°).
Mehrabian (1972) konnte auch zeigen, daß eine entspannte Körperhaltung eines Kommu-
nikators signifikant mehr Meinungsänderung (Indikator für Einfluß) beim Interaktions-
partner bewirkte als eine nichtentspannte Haltung. Maß für die Entspannung und Ge-

23
spanntheit des Körpers waren symmetrische (z. B. Beine parallel nebeneinander gestellt)
und asymmetrische (z. B. Beine übereinandergeschlagene) Haltungen.
3.4 Territorium
Aus der Tierwelt sind zahlreiche Beispiele für territoriales Verhalten vorhanden. Daß es
auch für den Menschen wichtig ist, eine persönliche Raumzone um den Körper zu haben,
gehört zur Alltagerfahrung. Wir wollen nicht von jedem berührt werden; überfüllte Busse,
Kaufhäuser usw. sind uns unangenehm und erzeugen Streß; betreten wir das Wartezim-
mer beim Arzt und sehen, dass mehrere Sitzplatze frei sind, setzen wir uns nicht direkt
neben eine Person, sondern lassen einen freien Stuhl dazwischen.
Es gibt eine Reihe Untersuchungen, in denen die Beziehung zwischen Territorialverhalten
und sozialem Status bzw. Dominanz geprüft wurde. King (1966) beobachtete diesbezüg-
lich das Verhalten von Kindern. Er stellte fest, daß Vorschulkinder zu anderen Kindern,
die sich zuvor in eine dominante Position brachten, größeren Abstand hielten.
In der Untersuchung von Burns (1964) spielten zwei Schauspieler in einer Reihe von
Stummfilmen jeweils abwechselnd die Rolle eines leitenden Angestellten ­ dieser saß im
Büro hinter einem Schreibtisch ­ und die Rolle des ihn aufsuchenden Mitarbeiters. Die
Zuschauer hatten die Aufgabe, beide Personen mit Statusbegriffen zu beschreiben. Die
Beurteilungen sahen wie folgt aus: Wenn der Mitarbeiter in der Tür blieb und von hier
aus zum Leiter sprach, war sein Status am niedrigsten; ging er bis zur Mitte des Raumes,
wurde sein Status höher geschätzt; und ging er direkt zum Schreibtisch und stellte sich
vor den anderen, hatte er den höchsten Status. Wie weit der Mitarbeiter den persönlichen
Raum des Angestellten betrat, gab also den Beurteilern Auskunft über seinen sozialen
Status.
In einer Feldstudie untersuchten Sundstrom und Altmann (1974) das Raumverhalten von
Jungen (zwischen 12,5 und 15 Jahren) in einem Heim. Es stellte sich heraus, daß die
hochdominanten Kinder (mit einer Befragung erfaßt) die bevorzugten Räume und Plätze
wie TV-Raum, Billardtisch häufiger in Anspruch nahmen als die weniger dominanten
bzw. die weniger dominanten Kinder traten diese Plätze den dominanteren ab.
Wie eine Person allein mit ihrem Körper Macht ausdrücken kann, beschreibt Molcho
(1983) anhand von Sitzhaltungen:
,,Posiert sich einer mit seinem vollen Körpergewicht auf der ganzen Sitzfläche,
so erklärt er damit: Mir steht das hier zu, ich bleibe eine Weile und lasse mich
nicht so leicht abservieren. [...] Sitzt ein Mensch nur auf dem halben Stuhl, als

24
wolle er einem anderen genügend Platz lassen, so fehlt ihm einiges an Selbst-
bewußtsein. Wahrscheinlich atmet er auch nur sparsam, um anderen nicht Sau-
erstoff wegzunehmen. Diese Menschen opfern sich für den anderen und sehen
ihre Existenzberechtigung darin, ihnen zu dienen." (S. 103)
Zur Haltung im Stehen heißt es u. a.:
,,Wenn einer auf breiten Beinen mit fest aufgestellten Füßen dasteht, signali-
siert das den Anspruch auf stabilen, ausreichenden Grund, den er mit seinem
Körper in Anspruch nimmt ­ auf Territorium. Eine kleine Standfläche dagegen
zeigt die Ängstlichkeit, ja nicht zu viel Platz einzunehmen, zeigt Unsicherheit,
Unterordnung und den vorherigen Verzicht auf territorialen Anspruch und
Kampf." (S. 88)
Den Haltungsunterschied zwischen den Dominanten und Unterwürfigen illustriert Wex
(1980) anhand einer Photographie von Dick und Doof: Dick steht mit gespreizten Beinen,
seine Hand ist drohend auf Doof gerichtet, während Doof mit zusammengepreßten Bei-
nen und nach innen gerichteten Füßen sitzt, die Arme eng am Körper, Hände auf dem
Schoß zusammengenommen, und der Drohung mit abgewandtem Kopf und nervös-
beschwichtigendem Lächeln begegnet.
Spiegel und Machotka (1974) variierten die Armstellung der gezeichneten Figuren. Die
Figuren, die ihre Arme vom Körper am weitesten weghielten (Hände auf die Hüften ge-
stemmt), wurden von den Versuchspersonen als die herrischsten, kältesten, stärksten und
unerbittlichsten Personen eingeschätzt. In einem anderen Set von Zeichnungen (Darstel-
lung von je drei Personen) wurde die gestikulierend dargestellte Figur als die allen ande-
ren überlegene und wichtigste beurteilt; die mit den Händen auf die Hüften gestemmt
stehende Figur als die zweitdominante und die Figur, die etwas abseits stand und die
Hände hinter dem Rücken verschränkt hielt, am unbedeutendsten, untergeordnetesten und
bescheidensten empfunden.
McGinley et a1. (1975) konnten zeigen, daß eine ,,offene" Körperhaltung eines Kommu-
nikators mehr Meinungsänderung bei seinem Gegenüber bewirkt als eine ,,geschlossene"
Körperhaltung. ,,Offene" Haltung war hier: zurückgelehnt, Beine ausgestreckt, Knie of-
fen, Ellenbogen vom Körper weg, Hände und Arme nach außen gehalten. ,,Geschlossene"
Haltung war: Ellenbogen nahe am Körper, Arme gekreuzt, Hände gefaltet auf dem Schoß,
die Knie zusammengepreßt, die Füße zusammen und Beine gekreuzt beim Knie oder
beim Knöchel. Die Person mit der offenen Haltung wurde bei einer anschließenden Be-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1991
ISBN (eBook)
9783956363887
Dateigröße
3.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Psychologisches Institut
Erscheinungsdatum
2014 (November)
Note
2+
Schlagworte
Deutsch Mann Frau Gender Studies Türkisch Muslim Türkei Macho
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Titel: Weibliche und männliche Körperhaltungen
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