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Die ethnische Struktur in den baltischen Staaten im Spiegel der Volkszählungsergebnisse 2011

©2014 Diplomarbeit 147 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit den ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im Spiegel der Volkszählungen des Jahres 2011. Die baltischen Staaten haben eine teils gemeinsame Historie und teils wechselhafte Vergangenheit mit Russland als Sowjetrepubliken, welche die heutige ethnische Struktur massiv beeinflusst haben. Dabei ist der Umgang mit den ethnischen Minderheiten unterschiedlich: Funktioniert das Zusammenleben in Litauen zum überwiegenden Teil spannungsfrei, kommt es in Estland und Lettland immer wieder zu Interessenskonflikten.

Beginnend mit der Erklärung der Arbeitsgrundlagen und der Arbeitsmethodik sowie einer Abgrenzung des Untersuchungsgebietes werden am Beginn der Arbeit theoretische Überlegungen zu den Begriffen Ethnie, Nationalität und Minderheit angestellt. Anschließend werden die Typen der nationalen Minderheiten im Baltikum klassifiziert. Die historischen Grundlagen, und hier vor allem die „Russifizierung“ in der Zeit der Sowjetrepubliken, bilden bis heute die Grundlage für die aktuelle ethnische Verteilung in den baltischen Staaten. Rechtliche Grundlagen, und hier vor allem Fragen nach den Regelungen der Staatsbürgerschaft, aber auch die Verfassungen und die Minderheitengesetzgebungen werden in Kapitel Drei dieser Arbeit behandelt. Des Weiteren werden die für die Arbeit relevanten Verwaltungseinheiten und die Fragestellungen der Volkszählungen im Jahr 2011 beleuchtet.

Das vierte Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich mit den Konfessionen in den baltischen Staaten sowie der Bevölkerungsentwicklung in Estland, Lettland und Litauen. In den darauf folgenden Kapiteln wird die räumliche Verteilung der ethnischen Minderheiten sowie so genannte „Ausreißer“ aufgezeigt. Die in diesen Kapiteln gefertigten Karten bilden gleichzeitig den Hauptteil der vorliegenden Arbeit. Kapitel Acht bietet einen vergleichenden Blick auf die ethnischen Minderheiten im Baltikum.

Darauf folgend wird ein Blick auf die Minderheitenpolitik in den baltischen Staaten geworfen, wobei das Kapitel in die Punkte „Bildung und Sprache“, „Politische Mitbestimmung“ und „Medien der Minderheiten“ unterteilt ist. Die Arbeit schließen ein finales Resümee sowie das Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen und der Anhang ab.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3
Vorwort
Die Ausgangsbasis dieser Arbeit bildet eine Rucksackreise nach Estland, Lettland und
Litauen in den Sommermonaten des Jahres 2010. Daraus resultierend wurde eine Idee für die
Masterarbeit meines damaligen Studiums Umweltsystemwissenschaften mit Schwerpunkt
Geographie und Raumforschung entwickelt. Der Titel der 2012 finalisierten Arbeit lautet
,,Ethnische Minderheiten in Litauen". Zu diesem Zeitpunkt waren die Daten der im Jahr 2011
in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen durchgeführten Volkszählungen noch
nicht veröffentlicht. Auf Grund desssen ist die Idee gewachsen, diese aktuellen statistischen
Daten räumlich zu visualisieren und dabei einen weiter gefassten Fokus auf das gesamte
Baltikum zu werfen.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Schreibweise in der Arbeit an den
offiziellen Bezeichnungen der statistischen Ämter in Estland, Lettland und Litauen orientiert.
Die Namen der Landkreise (Estland), Bezirke und Republik-Städte (Lettland) und
Selbstverwaltungsgemeinden (Litauen) finden sich im Anhang dieser Arbeit.
In der Arbeit wurden bewusst männliche Pluralformen verwendet, diese schließen jedoch
ausdrücklich auch die weiblichen Pluralformen ein. Dies ist in keinster Weise diskriminierend
zu verstehen und dient alleinig dem besseren Textfluss beim Lesen, welcher ansonsten nicht
mehr gegeben wäre. Der in der Arbeit mehrmalig verwendete Ausdruck ,,Census" bezieht sich
auf die Volkszählung des jeweils angegebenen Jahres.
Vielen Dank an dieser Stelle an den wissenschaftlichen Betreuer dieser Arbeit, Prof. Peter
C
EDE
, der stets ein offenes Ohr für mich hatte und gute Hilfestellungen geben konnte. Ein
besonderes Dankeschön gebührt meiner Familie, die mich immer unterstützt hat, sowie
Miriam und Thomas für das Lektorat der Arbeit.

4
Zusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit den ethnischen Minderheiten in den
baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im Spiegel der Volkszählungen des Jahres
2011. Die baltischen Staaten haben eine teils gemeinsame Historie und teils wechselhafte
Vergangenheit mit Russland als Sowjetrepubliken, welche die heutige ethnische Struktur
massiv beeinflusst haben. Dabei ist der Umgang mit den ethnischen Minderheiten
unterschiedlich: Funktioniert das Zusammenleben in Litauen zum überwiegenden Teil
spannungsfrei, kommt es in Estland und Lettland immer wieder zu Interessenskonflikten.
Beginnend mit der Erklärung der Arbeitsgrundlagen und der Arbeitsmethodik sowie einer
Abgrenzung des Untersuchungsgebietes werden am Beginn der Arbeit theoretische
Überlegungen zu den Begriffen Ethnie, Nationalität und Minderheit angestellt. Anschließend
werden die Typen der nationalen Minderheiten im Baltikum klassifiziert. Die historischen
Grundlagen, und hier vor allem die ,,Russifizierung" in der Zeit der Sowjetrepubliken, bilden
bis heute die Grundlage für die aktuelle ethnische Verteilung in den baltischen Staaten.
Rechtliche Grundlagen, und hier vor allem Fragen nach den Regelungen der
Staatsbürgerschaft, aber auch die Verfassungen und die Minderheitengesetzgebungen werden
in Kapitel Drei dieser Arbeit behandelt. Des Weiteren werden die für die Arbeit relevanten
Verwaltungseinheiten und die Fragestellungen der Volkszählungen im Jahr 2011 beleuchtet.
Das vierte Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich mit den Konfessionen in den baltischen
Staaten sowie der Bevölkerungsentwicklung in Estland, Lettland und Litauen. In den darauf
folgenden Kapiteln wird die räumliche Verteilung der ethnischen Minderheiten sowie so
genannte ,,Ausreißer" aufgezeigt. Die in diesen Kapiteln gefertigten Karten bilden gleichzeitig
den Hauptteil der vorliegenden Arbeit. Kapitel Acht bietet einen vergleichenden Blick auf die
ethnischen Minderheiten im Baltikum.
Darauf folgend wird ein Blick auf die Minderheitenpolitik in den baltischen Staaten
geworfen, wobei das Kapitel in die Punkte ,,Bildung und Sprache", ,,Politische
Mitbestimmung" und ,,Medien der Minderheiten" unterteilt ist. Die Arbeit schließen ein
finales Resümee sowie das Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen und der Anhang ab.

5
Abstract
This diploma-thesis deals with the situation of ethnic minorities in the Baltic States of
Estonia, Latvia and Lithuania by the Census of the year 2011. The Baltic States have partly a
common history with Russia as they were Soviet republics, which has influenced today's
ethnic structure massively. However, the situation how to deal with ethnic minorities is
different in the three countries: In Lithuania the relation among ethnic minorities is quite good
whereas in Estonia and Latvia it is worse because of different interests.
At the beginning of the thesis the declaration of the working principles and working methods
are defined followed by a theoretical chapter dealing with the terms ethnicity, nationality and
minority. In addition, types of national minorities in the Baltic States are classified. The so
called "Russification" of the Soviet republics is still the common historical basis for the
current ethnic distribution in the Baltic States. Chapter three deals with the legal foundations,
whereas questions about citizenship, constitution and the minority legislation are investigated
in more detail. Furthermore, the relevant administrative units and the questions of the Census
in 2011 are presented.
Chapter four is about the religious confession and the population development in Estonia,
Latvia and Lithuania. Thereon the spatial distribution of ethnic minorities and so-called
"outliers" are being identified. These chapters are the main ones in this diploma-thesis.
Chapter eight then gives a comparative view on the ethnic minorities in the Baltic States. The
following chapter is about the policy on minorities and is divided into the subchapters
"Education and Language", "Political participation" and "Media of Minorities". The diploma-
thesis is concluded with a final summary, the list of working principles and the attachment.

6
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
Zusammenfassung
4
Abstract
5
Inhaltsverzeichnis
6
Abbildungsverzeichnis
8
Tabellenverzeichnis
10
1 Einleitung 12
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
12
1.2 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik
13
1.3 Lage des Untersuchungsgebietes
14
2 Theoretische Überlegungen 18
2.1 Ethnie / Ethnizität
19
2.2 Nationalität ­ nationale Minderheit
20
2.3 Minderheit
21
2.4 Typen nationaler Minderheiten im Baltikum
22
2.5 Minderheitenschutz als politisches Konzept
23
2.6 Historische Grundlagen des Baltikums
25
3 Rechtliche Grundlagen 26
3.1 Verfassungen in den baltischen Staaten
26
3.2 Minderheitengesetzgebung
28
3.3 Regelungen in der Frage der Staatsbürgerschaft
30
3.4 Verwaltungseinheiten in den einzelnen baltischen Staaten
32
3.5 Der Census 2011
33
4 Die Bevölkerung der baltischen Staaten 35
4.1 Konfessionen im Baltikum
35
4.2 Bevölkerungsentwicklung in Litauen
38
4.3 Bevölkerungsentwicklung in Lettland
43
4.4 Bevölkerungsentwicklung in Estland
48

7
5 Räumliche Verteilung der Minderheiten in Litauen 52
5.1 Ethnische Minderheiten in Litauen
52
5.2 Visualisierung in Litauen
58
5.3 Ausreißergemeinden in Litauen
61
6 Räumliche Verteilung der Minderheiten in Lettland 69
6.1 Ethnische Minderheiten in Lettland
69
6.2 Visualisierung in Lettland
72
6.3 Ausreißerbezirke und -republikstädte in Lettland
82
7 Räumliche Verteilung der Minderheiten in Estland 89
7.1 Ethnische Minderheiten in Estland
89
7.2 Visualisierung in Estland
94
7.3 Ausreißerlandkreise in Estland
100
8 Die ethnischen Minderheiten des Baltikums im Vergleich 105
9 Minderheitenpolitik 110
9.1 Bildung und Sprache
110
9.2 Politische Mitbestimmung
114
9.3 Medien der Minderheiten
117
10 Resümee und Ausblick 122
11 Verzeichnis der Arbeitsgrundlagen 125
11.1 Zitierte Literatur
125
11.2 Statistiken
128
11.3 Internetquellen
129
12 Anhang 134
12.1 Fragen zum Census 2011 in Litauen
134
12.2 Fragen zum Census 2011 in Lettland
135
12.3 Fragen zum Census 2011 in Estland
136
12.4 Ausreißergemeinden in Litauen
137
12.5 Ausreißerbezirke und -republikstädte in Lettland
140
12.6 Ausreißer-Landkreise in Estland
143
12.7 Verwaltungseinheiten im Baltikum
145

8
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Übersichtskarte der baltischen Staaten
15
Abb. 2: Berg der Kreuze ­ Weg
38
Abb. 3: Berg der Kreuze ­ Kreuze
38
Abb. 4: Entwicklung der ethnischen Minderheiten Litauens von 1959 bis 2011
40
Abb. 5: Bevölkerungsdichte der Selbstverwaltungsgemeinden Litauens in Einwohner/km²
2011
41
Abb. 6: Visualisierung der litauischen Bevölkerung in Litauen
42
Abb. 7: Bevölkerungsdichte der Bezirke und Republik-Städte Lettlands in Einwohner/km²
2011
44
Abb. 8: Entwicklung der ethnischen Minderheiten Lettlands von 1959 bis 2011
45
Abb. 9: Visualisierung der lettischen Bevölkerung in Lettland
47
Abb. 10: Bevölkerungsdichte der Landkreise Estlands in Einwohner/km² 2011
49
Abb. 11: Entwicklung der ethnischen Minderheiten Estlands von 1959 bis 2011
50
Abb. 12: Visualisierung der estnischen Bevölkerung in Estland
51
Abb. 13: Wasserschloss in Trakai
57
Abb. 14: Karäer-Haus in Trakai
57
Abb. 15: Visualisierung der ukrainischen Minderheit in Litauen
58
Abb. 16: Visualisierung der weißrussischen Minderheit in Litauen
59
Abb. 17: Visualisierung der russischen Minderheit in Litauen
60
Abb. 18: Visualisierung der polnischen Minderheit in Litauen
61
Abb. 19: Ausreißergemeinde Salcininkai 2011
62
Abb. 20: Ausreißergemeinde Visaginas 2011
63
Abb. 21: Ausreißergemeinde Trakai 2011
64
Abb. 22: Ausreißergemeinde Klaipeda Stadt 2011
65
Abb. 23: Ausreißergemeinde Klaipeda Umgebung 2011
66
Abb. 24: Ausreißergemeinde Vilnius Stadt 2011
67
Abb. 25: Ausreißergemeinde Vilnius Umgebung 2011
68
Abb. 26: Visualisierung der litauischen Minderheit in Lettland
72
Abb. 27: Visualisierung der polnischen Minderheit in Lettland
74
Abb. 28: Visualisierung der ukrainischen Minderheit in Lettland
76
Abb. 29: Visualisierung der weißrussischen Minderheit in Lettland
78
Abb. 30: Visualisierung der russischen Minderheit in Lettland
80

9
Abb. 31: Ausreißer Republik-Stadt Riga 2011
82
Abb. 32: Ausreißer Republik-Stadt Daugavpils 2011
83
Abb. 33: Ausreißer Bezirk Zilupe 2011
84
Abb. 34: Ausreißer Bezirk Smiltene 2011
85
Abb. 35: Ausreißer Bezirk Priekule 2011
86
Abb. 36: Ausreißer Bezirk Kraslava 2011
87
Abb. 37: Ausreißer Bezirk Incukalns 2011
88
Abb. 38: Visualisierung der finnischen Minderheit in Estland
94
Abb. 39: Visualisierung der weißrussischen Minderheit in Estland
95
Abb. 40: Visualisierung der ukrainischen Minderheit in Estland
96
Abb. 41: Visualisierung der russischen Minderheit in Estland
98
Abb. 42: Ausreißer Landkreis Hiiu 2011
100
Abb. 43: Ausreißer Landkreis Ida-Viru 2011
101
Abb. 44: Ausreißer Landkreis Lääne-Viru 2011
102
Abb. 45: Ausreißer Landkreis Saare 2011
103
Abb. 46: Ausreißer Landkreis Valga 2011
104
Abb. 47: Relativverteilung der Bevölkerung in Estland 2011
107
Abb. 48: Relativverteilung der Bevölkerung in Lettland 2011
108
Abb. 49: Relativverteilung der Bevölkerung in Litauen 2011
109
Abb. 50: Census 2011 - Frage 6 ­ Staatsbürgerschaft Litauen
134
Abb. 51: Census 2011 - Frage 13 ­ Ethnizität Litauen
134
Abb. 52: Census 2011 - Frage 14­ Muttersprache(n) Litauen
134
Abb. 53: Census 2011 - Frage 15 ­ weitere Sprachkenntnisse Litauen
134
Abb. 54: Census 2011 - Frage 16 ­ religiöse Zugehörigkeit Litauen
134
Abb. 55: Census 2011 - Fragen C06, C07 und C08 ­ Lettland
135
Abb. 56: Census 2011 - Fragen G01, G02 und G03 ­ Lettland
135
Abb. 57: Census 2011 - Frage A13 ­ Estland
136
Abb. 58: Census 2011 - Frage A14 ­ Estland
136
Abb. 59: Census 2011 - Fragen A15, A17 und A19 ­ Estland
136
Abb. 60: Census 2011 - Fragen A19A, A19B, A20 und A20A ­ Estland
137
Abb. 61: Verwaltungsebene ­ Landkreise in Estland
145
Abb. 62: Verwaltungsebene ­ Selbstverwaltungsgemeinden in Litauen
146
Abb. 63: Verwaltungsebene ­ Bezirke und Republikstädte in Lettland
147

10
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Liste der größten Städte Estlands 2011
16
Tab. 2: Liste der größten Städte Lettlands 2011
17
Tab. 3: Liste der größten Städte Litauens 2011
17
Tab. 4: Ausgewählte Kennzahlen der baltischen Länder
18
Tab. 5: Entwicklung des Minderheitenschutzes
25
Tab. 6: Staatsbürgerschaft in Estland 2011
31
Tab. 7: Staatsbürgerschaft in Lettland 2011
31
Tab. 8: Staatsbürgerschaft in Litauen 2013
32
Tab. 9: Verwaltungsebenen in den baltischen Staaten 2013
33
Tab. 10: Verteilung der Konfessionen in Estland 2011
35
Tab. 11: Verteilung der Konfessionen in Lettland 2006
36
Tab. 12: Verteilung der Konfessionen in Litauen 2011
37
Tab. 13: Vergleich der ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten 2011 in
Absolutzahlen
105
Tab. 14: Vergleich der ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten 2011 in
Relativwerten
106
Tab. 15: Entwicklung der Unterrichtssprache in Estland in den Jahren 2003 bis 2012
111
Tab. 16: Entwicklung der Unterrichtssprache in Lettland in den Jahren 2003 bis 2012
112
Tab. 17: Entwicklung der Unterrichtssprache in Litauen in den Jahren 2003 bis 2012
113
Tab. 18: Politische Parteien der ethnischen Minderheiten Litauens
116
Tab. 19: Parameter in den baltischen Staaten im Jahr 2011
122
Tab. 20: Ausreißergemeinde Salcininkai
137
Tab. 21: Ausreißergemeinde Visaginas
138
Tab. 22: Ausreißergemeinde Trakai
138
Tab. 23: Ausreißergemeinden Klaipeda Stadt und Klaipeda Umgebung
139
Tab. 24: Ausreißergemeinden Vilnius Stadt und Vilnius Umgebung
139
Tab. 25: Ausreißer Republik-Stadt Riga
140
Tab. 26: Ausreißer Republik-Stadt Daugavpils
140
Tab. 27: Ausreißer Bezirk Zilupe
141
Tab. 28: Ausreißer Bezirk Smiltene
141
Tab. 29: Ausreißer Bezirk Priekule
141
Tab. 30: Ausreißer Bezirk Kraslava
142

11
Tab. 31: Ausreißer Bezirk Incukalns
142
Tab. 32: Ausreißer Landkreis Hiiu
143
Tab. 33: Ausreißer Landkreis Ida-Viru
143
Tab. 34: Ausreißer Landkreis Lääne-Viru
143
Tab. 35: Ausreißer Landkreis Saare
144
Tab. 36: Ausreißer Landkreis Valga
144
Tab. 37: Verwaltungsebene ­ Bezirke und Republikstädte in Lettland Legende
148

12
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Die an dieser Stelle verfasste Magisterarbeit beschäftigt sich mit der ethnischen Struktur in
den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf
die Ergebnisse der Volkszählungen aus dem Jahr 2011 gelegt. Am Anfang der Arbeit werden
Begrifflichkeiten abgeklärt sowie historische Grundlagen behandelt, um in Folge dessen die
räumliche Verteilung der ethnischen Minderheiten und den aktuellen Stand der
Minderheitenpolitik in den einzelnen Staaten besser verstehen zu können. Die
Forschungsfragen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, lauten:
· Welche ethnischen Minderheiten siedeln in den baltischen Staaten Estland, Lettland
und Litauen?
· Wo siedeln Angehörige der ethnischen Minderheiten in den einzelnen Staaten?
· Können Veränderungen durch die aktuellen Volkszählungsergebnisse 2011
rückgeschlossen werden?
· Wie hat sich das Verhältnis der Minoritäten im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung
in den baltischen Staaten entwickelt und welche Probleme und Konflikte gibt es
aktuell?
· In welcher Form organisieren sich die ethnischen Minderheiten? Welche
Unterstützungen erfahren diese von staatlicher Ebene zur Bewahrung ihrer kulturellen
Identität?
· Welche Möglichkeiten des Unterrichts in der Muttersprache gibt es in Estland,
Lettland und Litauen?
In den Hauptkapiteln der Arbeit, dies sind insbesondere die Kapitel fünf bis acht, werden die
in den baltischen Staaten siedelnden ethnischen Minderheiten näher beleuchtet und es wird
auf ihre demographische Entwicklung eingegangen. Des Weiteren liegt der Fokus auf der
räumlichen Verteilung der ethnischen Minderheiten. Ziel der Arbeit ist die Visualisierung der
in den baltischen Staaten siedelnden Minderheiten in Form von selbst gefertigten Karten.
Dabei soll auch ein Schwerpunkt auf so genannte ,,Ausreißer" gelegt werden. Dafür wurden
einzelne Lankreise, Bezirke, aber auch Selbstverwaltungsgemeinden herausgenommen und

13
eingehender beleuchtet. In weiterer Folge werden Medien der ethnischen Minderheiten, die
politische Partizipation sowie die Situation des Unterrichts in der Muttersprache näher
beleuchtet. Am Ende der Arbeit steht ein vergleichendes Resümee, welches die aktuelle
Situation umreißt.
1.2 Arbeitsgrundlagen und Arbeitsmethodik
Die grundlegende Vorgehensweise am Beginn der Arbeit bestand in einem deduktiven
Ansatz. Zu diesem Zweck wurde möglichst alle für das Thema relevanten, und teilweise auch
halb-relevanten Informationen, zusammengetragen. Dies geschah durch eine intensive
Literaturrecherche in der Hauptbibliothek der Universität Graz, in der Institutsbibliothek am
Institut für Geographie und Raumforschung sowie in diversen Fachbibliotheken der
Universität. Außerdem wurde in der Nationalbibliothek sowie an der Universität Wien nach
Literatur gesucht und diverse Fachwerke per Fernleihe bestellt. In einem weiteren
Arbeitsschritt wurde eine Internetrecherche durchgeführt um tagesaktuelle Informationen zu
erhalten. Die Fülle an zusammengetragener Literatur wurde schließlich gesichtet und
anschließend die für das Thema relevanten Informationen herausgefiltert. Dabei wurde vor
allem auf den aktuellen Stand der Forschung geachtet.
Ein Teil der Diplomarbeit beschäftigt sich mit statistischen Daten in tabellarischer Form, aus
denen mit Hilfe des Programms Macromedia Freehand MXa visualisierende Karten
produziert wurden. Die Arbeitsmethodik kann daher als deskriptiv und analytisch bezeichnet
werden. Das statistische Material als Grundlage der Karten lieferten dabei die offiziellen
Online-Datenportale der baltischen Staaten, für Estland
S
TATISTICS
E
STONIA
, für Lettland
C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU OF
L
ATVIA
und für Litauen
S
TATISTICS
L
ITHUANIA
. Die
Aufbereitung der hergestellten Karten erfolgte dabei nach kartographischen Gesichtspunkten
und dient der besseren räumlichen Visualisierung. Als einheitliche Basis wurden Daten der
aktuellen Volkszählungen aus dem Jahr 2011 verwendet, welche online auf den Homepages
der Statistischen Ämter abrufbar sind. Zur besseren Vergleichbarkeit der in den baltischen
Staaten siedelnden ethnischen Minderheiten wurden jeweils eigene Karten für die einzelnen
Minderheiten gefertigt. Zusätzlich wurden Diagramme erstellt, welche den Anteil der
ethnischen Minderheiten in ausgewählten so genannten ,,Ausreißergemeinden" visualisieren.

14
1.3 Lage des Untersuchungsgebietes
Der heute allgemein gebräuchliche Terminus Baltikum erscheint erstmals in der Endphase des
Ersten Weltkriegs als Sammelbezeichnung für das deutsche Okkupationsgebiet auf den
Territorien der Ostseegouvernements des Russischen Reiches. Der Begriff ist von der so
genannten Selbstbezeichnung ,,Balten" abgeleitet, wie sich die Angehörigen der deutschen
Minderheit im späten 19. Jahrhundert selbst bezeichnet haben. Heute bezeichnen sich die
Bewohner der Staaten Estland, Lettland und Litauen häufig gemeinsam als ,,Balten".
(G
ARLEFF
2001, S.14)
Als so genannte "Baltische Staaten" (im Englischen Baltic states) werden die drei Staaten
östlich des Baltischen Meeres bezeichnet, also Estland, Lettland und Litauen. In der
Zwischenkriegszeit wurde auch Finnland den Baltischen Staaten zugerechnet. (M
AUDE
2010,
S.114)

15
Abb. 1: Übersichtskarte der baltischen Staaten
Arbeitsgrundlage:
U
NITED
N
ATIONS
1995
Estland ist der nördlichste der baltischen Staaten und weißt eine Fläche von 45.228 km² auf.
Das Land ist damit im Vergleich zu Lettland und Litauen flächenmäßig das kleinste im
Baltikum. Die Einwohnerzahl betrug zum Zeitpunkt der aktuellen Volkszählung im Jahr 2011

16
exakt 1.340.194 Personen, daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 29,6
Einwohner/km² (S
TATISTICS
E
STONIA
2013). Die höchste Erhebung des Landes ist mit 318 m
ü.M. der Suur Munamagi, der sich im Südosten Estlands befindet und gleichzeitig auch die
höchste Erhebung des Baltikums ist. Estland weist im Norden und Westen einen Zugang zur
Ostsee auf und grenzt im Osten an Russland und im Süden an Lettland. Insgesamt befinden
sich vor der estnischen Küste neunzehn bewohnte Inseln, von denen Saaremaa die größte ist.
Der Urbanisierungsgrad in Estland beträgt 69,5 %, daraus lässt sich schließen, dass 30,5 %
der Einwohner auf dem Land siedeln. (C
ENTRAL
I
NTELLIGENCE
A
GENCY
2013) Die fünf
größten Städte Estlands sind folgende:
Tab. 1: Liste der größten Städte Estlands 2011
Stadt
Einwohner (gerundet)
Tallinn 393.200
Tartu 97.600
Narva 58.700
Pärnu 39.700
Kohtla-Järve 37.200
Arbeitsgrundlage:
S
TATISTICS
E
STONIA
2013, in eigener Bearbeitung
Lettland liegt ,,im Herzen" des Baltikums und weißt eine Fläche von 64.589 km² auf. Das
Land ist damit im Vergleich zu Estland deutlich größer und weist ungefähr dieselbe Fläche
wie der südliche Nachbarstaat Litauen auf. Die Einwohnerzahl betrug zum Zeitpunkt der
Volkszählung im Jahr 2011 exakt 2.023.825 Personen, daraus ergibt sich eine
Bevölkerungsdichte von 32,1 Einwohner/km² (C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU OF
L
ATVIA
2013). Die höchste Erhebung des Landes ist mit 312 m ü.M. der Gaizina Kalns, welcher
östlich von Riga gelegen ist. Lettland weist einen Zugang zur Ostsee sowie im Nordwesten
zum Golf von Riga auf und grenzt an folgende Nachbarländer: Estland, Weißrussland,
Russland sowie Litauen, wobei das Land zu Litauen mit 576 km die längste und mit 171 km
zu Weißrussland die kürzeste Grenze aufweist. Der Urbanisierungsgrad in Lettland beträgt
68,0 %, das bedeutet, dass 32,0 % der Menschen auf dem Land siedeln. (C
ENTRAL
I
NTELLIGENCE
A
GENCY
2013) Die fünf größten Städte Lettlands, nach ihrer Einwohnerzahl
geordnet, sind:

17
Tab. 2: Liste der größten Städte Lettlands 2011
Stadt
Einwohner (gerundet)
Riga
658.600
Daugavpils
93.300
Liepaja
76.700
Jelgava
59.500
Jrmala 50.800
Arbeitsgrundlage:
C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU OF
L
ATVIA
2013, in eigener Bearbeitung
Litauen ist der südlichste der drei baltischen Staaten. Mit einer Fläche von 65.300 km² zählt
es im europäischen Kontext zu den kleineren Staaten und ist damit in etwa gleich groß wie
sein nördlicher Nachbar Lettland. Die Einwohnerzahl betrug zum Zeitpunkt der Volkszählung
des Jahres 2011 gesamt 3.329.000 Personen. Daraus ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von
49,7 Einwohner/km² (S
TATISTICS
L
ITHUANIA
2013). Rund 30 % der Fläche Litauens ist mit
Wald bedeckt und die höchste Erhebung ist mit 294 m ü.M. der Aukstojas, der im Hügelland
im Südosten des Landes liegt und zum Weißrussischen Höhenrücken gehört. Litauen besitzt
an der Westküste einen Zugang zur Ostsee und grenzt an folgende Staaten: im Norden und
Nordosten an Lettland, im Osten und Südosten an Weißrussland, im Südwesten an Polen
sowie im Westen an die Oblast Kaliningrad, welche zur Russischen Föderation gehört. Die
litauische Bevölkerung siedelt zu 33,0 % auf dem Land, daraus folgt, dass der
Urbanisierungsgrad 67,0 % beträgt. (C
ENTRAL
I
NTELLIGENCE
A
GENCY
2013) Die fünf größten
Städte Litauens, nach ihrer Einwohnerzahl geordnet, sind:
Tab. 3: Liste der größten Städte Litauens 2011
Stadt
Einwohner (gerundet)
Vilnius
524.400
Kaunas
316.000
Klaipeda
162.400
Siauliai
109.300
Panevezys
99.700
Arbeitsgrundlage: S
TATISTICS
L
ITHUANIA
2013, in eigener Bearbeitung

18
Im Folgenden nun eine Überblickstabelle mit ausgewählten Kennzahlen der in der Arbeit
behandelten baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen:
Tab. 4: Ausgewählte Kennzahlen der baltischen Länder
Fläche
(in km²)
Einwohner-
zahl *
Einwohner
pro km²
Haupt-
stadt
Relativer Anteil
ethnischer
Minderheiten *
Relativer Anteil
Titularnation *
Estland
45.228
1.340.194
29,6
Tallinn
31,05 %
68,95 %
Lettland
64.589
2.023.825
32,1
Riga
39,47 %
60,53 %
Litauen
65.300
3.329.000
49,7
Vilnius
15,84 %
84,16 %
* Daten der Volkszählungen 2011
Arbeitsgrundlagen: S
TATISTICS
L
ITHUANIA
2013,
S
TATISTICS
E
STONIA
2013 und C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU
OF
L
ATVIA
2013, in eigener Bearbeitung und Darstellung
Aus Tab. 4 ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass Litauen mit 49,7 Einwohner/km² die
höchste Bevölkerungsdichte der baltischen Staaten aufweist. Dem Gegenüber stehen die mit
29,6 Einwohner/km² bzw. mit 32,1 Einwohner/km² niedrigeren Werte für Estland und
Lettland. Die Einwohnerzahl betreffend kann festgehalten werden, dass die summierte
Einwohnerzahl von Estland und Lettland in etwa die Einwohnerzahl von Litauen ergeben.
Des Weiteren ist der relative Anteil der ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten
interessant: So ist der Anteil in Litauen mit 15,84 % relativ gering, wohingegen der Anteil in
Estland mit 31,05 % und Lettland mit 39,47 % deutlich höher ist. Im Umkehrschluss ist der
Anteil der Titularnation in Litauen mit 84,16 % relativ hoch, wohingegen er in Lettland und
Estland mit 60,53 % bzw. 68,95 % bedeutend geringer ist.
2 Theoretische Überlegungen
Die gemeinsame Sowjet-Vergangenheit der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen
legt einen Vergleich in Bezug auf die Behandlung der Minderheiten nahe, dennoch darf man
dabei bestimmte regionalhistorische und siedlungsgeographische Gegebenheiten nicht außer
Acht lassen. So stellte sich die Ausgangslage in Litauen nach 1989 anders dar als in Lettland
und in Estland. Durch die relativ homogene Zusammensetzung der Bevölkerung konnte man
in Litauen einen anderen Weg gehen, der sich auch in der Regelung der
Staatsbürgerschaftsfrage, der so genannten ,,Nulloption" im Jahr 1992, widerspiegelt hat

19
(T
HIELE
1999, S.63). Aufgrund der erfolgreichen Integration seiner ethnischen Minderheiten
gilt Litauen heute als einer der Musterschüler Europas in den mittel- und osteuropäischen
Staaten (T
RUMMER
2012, S.16). Die Ausgangslage in Estland und in Lettland, wo der Anteil
der Titularnation deutlich geringer als in Litauen war und ist, war ungleich schwieriger. So ist
zum Beispiel in Riga die Majoritätsbevölkerung mit aktuell rund 46 % die stärkste Ethnie in
der Stadt, die russische Minderheit ist mit knapp 40 % laut den Daten der Volkszählung 2011
jedoch fast genauso zahlreich vertreten (C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU OF
L
ATVIA
2013).
Bei der Suche nach Literatur stößt man auf umfangreiche Informationen über die
Minderheitensituation in Estland und Lettland, über Litauen findet man signifikant weniger
Literatur, was wohl daran liegt, dass es der am wenigsten untersuchte der baltischen Staaten
ist (T
RUMMER
2012, S.16).
2.1 Ethnie / Ethnizität
Ethnizität bedeutet eine gefühlsmäßige Volkszugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, weniger
eine faktische Zugehörigkeit. Ethnische Gruppen entstehen dabei durch Definitionsprozesse,
welche die Gruppen jedoch selbst vornehmen. Oft ist das, was eine Gruppe zu einer
ethnischen Gruppe macht, mehr Fiktion als Realität. (T
REIBEL
2008, S.186-187)
Elemente des Begriffs Ethnizität sind laut H
ECKMANN
folgende:
· Die Betonung der soziokulturellen Besonderheiten
· Gemeinsame historische und aktuelle Erfahrungen
· Die Vorstellung einer gemeinsamen Herkunft
· Eine kollektive Identität, die auf Selbst- und/oder Fremdzuschreibung beruht
· Ein auf ethnischen Grenzen beruhendes Zusammengehörigkeits- und
Solidaritätsbewusstsein
· Der Glaube an eine gemeinsame Zukunft (H
ECKMANN
1992, S.37)
Eine Definition des Begriffs der so genannten ,,Ethnie" nimmt P
ERCHINIG
vor, indem er
festlegt, dass dies eine Gruppe bezeichnet ,,die sich selbst in rollentranszendierenden,
klassen-, schicht- und geschlechtsunspezifischen sowie tendenziell das gesamte Alltagsleben
umfassenden Charakteristik als gegenüber ihrer Umwelt anders wahrnimmt und auch von
ihrer Umwelt als anders wahrgenommen wird." (P
ERCHINIG
1988, S.130) Der Gebrauch des

20
Begriffs ,,Ethnie" im Alltag und in Medien wird generell kritisch hinterfragt und diskutiert
(A
LVIR
2013).
2.2 Nationalität ­ nationale Minderheit
Nationalität und Nationalismus setzen sich aus gemeinsamen ideologischen Bausteinen wie
Sprache, Volk, Religion und Geschichte zusammen. Eine Nation wird durch Teilhabe an einer
gemeinsamen Gleichartigkeit begründet. (H
ECKMANN
1992, S.51-52) Die Begriffe der
Nationalität sowie des Nationalismus haben die letzten beiden Jahrhunderte der Menschheit
geprägt. Der Nationenbegriff kann dabei als ethnisches Kollektiv bezeichnet werden, das ein
ethnisches Bewusstsein einer Gemeinsamkeit zur Grundlage hat und politisch im
Nationalstaat organisiert ist. (H
ECKMANN
1992, S.57)
Eine spezielle Definition des Begriffs der Minderheit gibt es in Litauen nicht, jedoch wird er
auf jeden Fall auf litauische Staatsbürger angewandt, welche entweder einem Volk angehören
das in einem anderen Land die staatstragende Nation stellt, oder sich als eigene ethnische
Gruppe verstehen (S
CHMIDT
2005a, S.16). Der Entwurf eines neuen Minderheitengesetzes
sieht erstmalig die Definition einer nationalen Minderheit in Litauen vor. Wortwörtlich heißt
es dort: ,,National minority means a group of citizens of the Republic of Lithuania who have a
culture, religion or language different from those of the national majority and who are united
by the ambition to preserve their national identity." Eine Organisation einer nationalen
Minderheit soll demnach wie folgt definiert werden: "National minority organisation means
an organisation that unites persons belonging to a national minority, which operates
pursuant to the Law on Associations of the Republic of Lithuania, the Law on Public
Institutions of the Republic of Lithuania and the Law on Charity and Sponsorship of the
Republic of Lithuania."
(C
OUNCIL OF
E
UROPE
2011, S.13-14)
In Estland wird der Terminus einer nationalen Minderheit wie folgt verstanden: "The
Republic of Estonia understands the term "national minorities", which is not defined in the
Framework Convention for the Protection of National Minorities, as follows: are considered
as "national minority" those citizens of Estonia who
- reside on the territory of Estonia;
- maintain longstanding, firm and lasting ties with Estonia;

21
- are distinct from Estonians on the basis of their ethnic, cultural, religious or linguistic
characteristics;
- are motivated by a concern to preserve together their cultural traditions, their religion or
their language, which constitute the basis of their common identity." (C
OUNCIL OF
E
UROPE
1997)
Festzuhalten ist, dass der estnische Gesetzgeber bei der Festlegung des Minderheitenbegriffs
grundsätzlich einer traditionellen Völkerrechtsauffassung gefolgt ist, wonach nur estnische
Staatsangehörige, jedoch nicht Staatenlose oder Ausländer als Angehörige einer Minderheit
betrachtet werden. Diese, und nur diese, fallen unter die Bestimmungen zum
Minderheitenschutz. (S
CHMIDT
2004, S.18)
In Lettland wird der Begriff einer nationalen Minderheit folgendermaßen definiert: "The
Republic of Latvia [...] declares that the notion "national minorities" which has not been
defined in the Framework Convention for the Protection of National Minorities, shall, in the
meaning of the Framework Convention, apply to citizens of Latvia who differ from Latvians in
terms of their culture, religion or language, who have traditionally lived in Latvia for
generations and consider themselves to belong to the State and society of Latvia, who wish to
preserve and develop their culture, religion or language." (C
OUNCIL OF
E
UROPE
2005)
Grundsätzlich werden in Lettland aber staatenlose Personen Staatsangehörigen rechtlich
gleichgestellt. Leben Staatenlose dauerhaft und legal in Lettland, stehen ihnen die von der
Rahmenkonvention eingeräumten Rechtspositionen zu: ,,Dies gilt insbesondere für die nach
wie vor sehr große Gruppe der Bewohner Lettlands, die nach lettischem
Staatsangehörigkeitsrecht weder automatisch die lettische noch bisher durch Einbürgerung
die lettische oder eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben." (S
CHMIDT
2005b, S.15)
2.3 Minderheit
Der Minderheitenbegriff wird im alltäglichen Diskurs häufig verwendet, er steht so gut wie
immer einer Mehrheitsbevölkerung gegenüber. Jedoch steht die Minderheit der Mehrheit
nicht immer gleichberechtigt gegenüber, sie kann auch benachteiligt, diskriminiert oder
unterdrückt werden. Ein Charakteristikum einer Minderheit ist des Weiteren ihr spezielles
Verhältnis zum staatlichen System. (S
CHMIEDMEIER
2010, S.28)

22
Eine von C
APOTORTI
im Auftrag der Vereinten Nationen im Jahr 1977 entwickelte Definition
einer Minderheit, die international anerkannt ist, weist folgende Merkmale auf:
· Eine ethnisch, religiös oder sprachlich von der Mehrheit unterschiedliche
Bevölkerungsgruppe
· Zahlenmäßige Unterlegenheit
· Keine beherrschende Stellung
· Staatsangehörige des Wohnsitzstaates
· Will ihre Gruppenidentität bewahren
Niemand soll gegen seinen Willen in einer Minderheit festgehalten werden, deshalb wird
auch niemand gezwungen sich zu einer Minderheitengruppe zu bekennen. (C
APOTORTI
1979)
Diese Definition wurde im Jahr 1985 von D
ESCHÊNES
auf Bestreben der Vereinten Nationen
geringfügig geändert, so ist bei ihm nicht die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates,
sondern die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates eines der vier Merkmale
(H
UMANRIGHTS
.
CH
2013a).
2.4 Typen nationaler Minderheiten im Baltikum
Nationale Minderheiten können für Estland, Lettland und Litauen nach folgenden Typen
unterschieden werden:
· Die so genannten territorialen Minderheiten bezeichnen sich selbst als Minderheiten.
Sie leben aufgrund ihrer Tradition bereits sehr lange auf ihrem Gebiet und werden als
so genannte ,,Alteingesessene" angesehen. Sie können in einem kleinen geschlossenen
Siedlungsgebiet, aber auch verstreut über ein größeres Siedlungsgebiet leben. Als
Beispiel kann man die Minderheit der Tataren im Baltikum anführen.
· Des Weiteren gibt es Minderheiten, die den Status einer Minderheit durch die sich
verändernden Grenzverläufe in der Historie bekommen haben. Durch die
Verschiebung wird oftmals aus einer Majorität eine Minorität, die sich verschiedenen
Formen von Diskriminierungen ausgesetzt sieht.

23
· Als postkoloniale Minderheiten kann man jene bezeichnen, die vormalig die
dominierende Macht im Land waren und durch eine Veränderung hin zu einem neuen
souveränen Staat und einer Nationalbewegung zu einer Minorität wurden. Die
russische Minderheit und Angehörige der ehemaligen Sowjetunion können hier als
Beispiel für die baltischen Länder angeführt werden.
· Die Kategorie der Diaspora bezeichnet Minderheiten, die außerhalb ihres
Ursprunglandes Gruppen bilden, und sich dann zu dieser Gemeinschaft zugehörig
fühlen. Als Beispiele im Baltikum können hier Juden und Roma angeführt werden.
· Nach der Annexion Estlands, Lettlands und Litauens durch die Sowjetunion kamen,
bedingt durch die Industrialisierung der baltischen Staaten, Arbeitskräfte aus den
Teilrepubliken der Sowjetunion ins Baltikum. Diese Kategorie wird als
Arbeitsmigration bezeichnet. Als Beispiele hierfür können Russen, Weißrussen, aber
auch Ukrainer genannt werden.
· In die Kategorie Flüchtling einordnen kann man Personen, welche ihr Land aufgrund
von Terror, Diskriminierung oder Krieg verlassen mussten. Migranten dieser
Kategorie können sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch in jüngerer
Vergangenheit gefunden werden. (R
UNBLOM
und R
OTH
1993, S.9-11)
2.5 Minderheitenschutz als politisches Konzept
Das Rahmenübereinkommen des Europarates zeigt die Zielsetzung des politischen Konzeptes
des Minderheitenschutzes auf. Artikel 1 besagt, dass Minderheitenschutz nicht nur
Gegenstand auf nationaler Ebene ist, sondern auch Gegenstand internationaler Beziehungen:
,,Der Schutz nationaler Minderheiten und der Rechte und Freiheiten von Angehörigen dieser
Minderheiten ist Bestandteil des internationalen Schutzes der Menschenrechte und stellt als
solcher einen Bereich internationaler Zusammenarbeit dar." (B
UNDESKANZLERAMT
Ö
STERREICH
2011)
Im Rahmen der neuen Grenzziehungen nach Beendigung des Ersten Weltkrieges durch die
Pariser Vorortverträge kam es zu einer sich verkomplizierenden Minderheitensituation. Der
Minderheitenschutz entwickelte sich in Folge dessen in Richtung internationale Beziehungen
bzw. Völkerrecht. Die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verschärften durch ihre
Interessenspolitik die Nationalitätenkonflikte, und hier vor allem in Osteuropa, noch einmal

24
weiter. Das Hauptziel des 1920 gegründeten Völkerbundes war die Stabilisierung und
Sicherheit von internationalen Beziehungen, jedoch weniger der Schutz der einzelnen
menschlichen Würde. Voraussetzung für den Beitritt zum Völkerbund war der gleichzeitige
Beitritt zum Minderheitenschutzsystem des Völkerbundes, der zum Teil nur widerwillig
erfolgte. Manche Staaten ,,lehnten es sogar ab, sich am Minderheitenschutzsystem zu
beteiligen." (O
PITZ
2007, S.52-53)
Das Scheitern des Völkerbunds ging einher mit dem Scheitern eines ersten Versuchs eines
internationalen Minderheitenschutzsystems. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten den
Minderheitenschutz, dadurch wurde er nicht mehr als ein den Frieden erhaltender Faktor
gesehen, sondern im Gegenteil als ein den Krieg verursachender Faktor. Durch die
Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges kam es in der Folge zu einer Veränderung der
Perspektiven. Die Vereinten Nationen traten als Nachfolgeorganisationen des Völkerbunds in
Erscheinung, die Übernahme der Schutzfunktion wurde von den Vereinten Nationen jedoch
abgelehnt. Begründet wurde dies mit den Bevölkerungsverschiebungen durch den Zweiten
Weltkrieg, dadurch seien die zu schützenden Minderheiten nicht mehr vorhanden. (O
PITZ
2007, S.53-54)
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges kam es 1948 mit der Erklärung der Allgemeinen
Menschenrechte zu einem Meilenstein auf dem Gebiet des internationalen
Menschenrechtsschutzes. Der Minderheitenschutz verlagerte sich hingegen zurück auf eine
nationale Ebene. Die Minderheitensituation in Europa spaltete sich nach 1945 zwischen jener
in Ost- und jener in Westeuropa auf. Die sich abermals verschärfende Situation durch den
Kalten Krieg brachte zudem noch eine allgemeine Gefährdung der internationalen Sicherheit
mit sich. (O
PITZ
2007, S.55-56)
Die Entwicklung eines modernen europäischen Minderheitenschutzes kann mit der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der ein Perspektivenwechsel stattfand, datiert werden. Durch
die Entwicklung einer auf Toleranz gestützten pluralistischen Kultur wurden Minderheiten
seither als Bereicherung, und nicht mehr als Störfaktor, gesehen. Im Gegensatz zur
Zwischenkriegszeit, in welcher der Minderheitenschutz dem Ausgleich territorialer
Veränderungen diente, hatte man nun eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Moderner
Minderheitenschutz wird gemäß der Idee der universellen Menschenrechte als permanentes
Schutzsystem gesehen.

25
Tab. 5: Entwicklung des Minderheitenschutzes
Klassischer Minderheitenschutz
(Völkerbundzeit)
Moderner Minderheitenschutz
(ab der zweiten Hälfte im 20. Jahrhundert)
Ziel
Sicherheitsausgleich zwischen den
Staaten
Sicherheit zwischen den Staaten und in den
Staaten sowie Erhaltung und Entfaltung der
Minderheitengruppen (integration /
preservation)
Ebene
Errichtung auf internationaler Ebene
Rückkehr auf die internationale Ebene
Ausgestaltung
Temporäres Schutzsystem
Erweitertes Instrumentarium als permanentes
Schutzsystem
Arbeitsgrundlage: O
PITZ
2007, in eigener Darstellung
2.6 Historische Grundlagen des Baltikums
Die heutigen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen blicken auf eine lange, bewegte
und teilweise gemeinsame Historie zurück. Die Darstellung eines umfangreichen historischen
Ablaufes des Baltikum ist in dieser Arbeit nicht vorgesehen und würde wohl den Rahmen
sprengen. Deshalb wird an dieser Stelle auf Übersichtsdarstellungen der Geschichte der
heutigen baltischen Staaten verwiesen. Mit der allgemeinen Historie des Baltikums
beschäftigt sich zum Beispiel T
UCHTENHAGEN
2005 in seinem kompakten Werk ,,Geschichte
der Baltischen Länder". Des Weiteren bietet G
ARLEFF
2001 unter dem Title ,,Die baltischen
Länder" einen umfangreichen Überblick über die Historie des Baltikums an, wobei hier auf
die spezielle Situation der Minderheiten in den einzelnen Staaten eingegangen wird. Die für
die heutige ethnische Struktur in den baltischen Staaten historischen Ursachen werden in den
jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen ethnischen Minderheiten extra behandelt.
Prägend für die aktuelle ethnische Struktur der baltischen Staaten ist sicherlich auf der einen
Seite der Zweite Weltkrieg, in welchem die baltischen Staaten zwischen Hitler und Stalin
zerrieben worden sind. Auf der anderen Seite prägend war sicherlich die so genannte
,,Russifizierung" in den neu geschaffenen Sowjetrepubliken. Einhergehend mit der
Industrialisierung der Sowjetrepubliken kamen viele Arbeiter und Techniker aus der

26
Sowjetunion bzw. aus Nachbar-Republiken ins Baltikum. (G
ARLEFF
2001, S.172-177) Die
Abbildungen 4, 8 und 11 zeigen deutlich, dass diese ,,Russifizierung" bis Ende der 1980er-
Jahre andauerte.
3 Rechtliche Grundlagen
"In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen
solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen
Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu
bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen."
(U
NITED
N
ATIONS
1966 zitiert nach H
UMANRIGHTS
.
CH
2013b)
3.1 Verfassungen in den baltischen Staaten
Die Verfassung Litauens aus dem Jahr 1992 gewährt den Angehörigen ethnischer
Minderheiten individuelle Rechte, jedoch keine kollektiven. Die Errichtung eines
Ministeriums für nationale Minderheiten ist nur eine von zahlreichen Initiativen der
litauischen Regierung zur besseren Integration der ethnischen Minderheiten. (E
UROPÄISCHES
P
ARLAMENT
1999, S.16) Die Verfassung der Republik Litauen geht in Artikel 37 auf die
verfassungsmäßigen Rechte ein: ,,Citizens belonging to ethnic communities shall have the
right to foster their language, culture, and customs. " Des Weiteren besagt Artikel 45 der
litauischen Verfassung: ,,Ethnic communities of citizens shall independently manage the
affairs of their ethnic culture, education, charity, and mutual assistance. Ethnic communities
shall be provided support by the State." (L
IETUVOS
R
ESPUBLIKOS
S
EIMAS
1992) Festzuhalten
ist jedoch, dass in der litauischen Verfassung der Terminus "ethnic communities" gebraucht
wird und der Begriff ,,minority" nicht verwendet wird (T
RUMMER
2012, S.35).
Die Verfassung Estlands aus dem Jahr 1992, in der Fassung von 2003, sieht eine ganze
Reihe an minderheitenrelevanten Bestimmungen vor. So ist in § 8 Absatz 1 der estnischen
Verfassung geregelt, dass "jedes Kind, dessen einer Elternteil estnischer Staatsangehöriger ist
[...] kraft Geburt das Recht auf die estnische Staatsangehörigkeit [hat]." § 9 Absatz 1
bestimmt, dass "die in der Verfassung aufgezählten Rechte, Freiheiten und Pflichten aller und
des Einzelnen" für estnische Staatsbürger und für Staatenlose bzw. sich in Estland aufhaltende

27
Bürger ausländischer Staaten gleich sind. Die staatliche Unterstützung estnischer Staatsbürger
bzw. solcher, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzen, wird in § 28 Absatz 1 der
Verfassung angeführt. In § 30 Absatz 1 wird festgelegt, dass öffentliche Ämter
"ausnahmsweise auch Staatsangehörige ausländischer Staaten oder Staatenlose
wahrnehmen" können. § 37 Absatz 1 hält fest, dass jeder das Recht auf Bildung hat. Des
Weiteren präzisiert Absatz 4 den Paragraphen: "Jeder hat das Recht auf estnischsprachigen
Unterricht. Die Unterrichtssprache in Bildungseinrichtungen der Minderheiten wählt die
Lehreinrichtung." § 40 der estnischen Verfassung regelt die Religionsfreiheit und deren freie
Ausübung in Estland. Die politische Tätigkeit wird in § 48 geregelt, wo festgehalten ist, dass
Parteien nur estnische Staatsangehörige angehören dürfen. (S
CHMIDT
2004, S.56-67)
Die für die ethnischen Minderheiten Estlands entscheidenden Passagen in der Verfassung
finden sich in den Paragraphen 48 bis 52. § 48 regelt die politische Mitbestimmung und
schließt dabei staatenlose Personen aus: ,,Parteien dürfen nur estnische Staatsangehörige
angehören." § 49 besagt folgendes: "Jeder hat das Recht, seine Volkszugehörigkeit zu
bewahren." In § 50 geht es um die kulturelle Selbstverwaltung der Minderheiten: "Nationale
Minderheiten haben das Recht, im Interesse ihrer Volkskultur [...]
Selbstverwaltungseinrichtungen zu gründen." § 51 Absatz 2 regelt, dass Auskünfte und
Antworten staatlicher Behörden und örtlicher Selbstverwaltungen auch in der
Minderheitensprache zu geben sind, wenn "wenigstens die Hälfte der ständigen Einwohner
einer nationalen Minderheit angehört." § 52 Absatz 2 regelt den Gebrauch der
Geschäftssprache in den örtlichen Selbstverwaltungen, wenn "Estnisch nicht die Sprache der
Mehrheit der Einwohner ist." § 156 Absatz 2 regelt, dass jene Personen "bei den Wahlen zur
Abgeordnetenversammlung der örtlichen Selbstverwaltung [...] stimmberechtigt [sind], die
ständig auf dem Territorium dieser Selbstverwaltung wohnen." (S
CHMIDT
2004, S.67-69)
Die Verfassung Lettlands aus dem Jahr 1922, in der Fassung aus dem Jahr 2004, beinhaltet
folgende für die ethnischen Minderheiten relevanten Artikel:
· In Artikel 102 der lettischen Verfassung ist folgendes geregelt: "Jedermann hat das
Recht, sich in Vereinen, politischen Parteien und anderen gesellschaftlichen
Organisationen zu vereinigen."
· Artikel 109 besagt, dass "jedermann das Recht auf soziale Sicherheit" hat.

28
· Artikel 114 geht auf die Rechte in Lettland siedelnder ethnischer Minderheiten ein:
"Personen, die ethnischen Minderheiten angehören, haben das Recht, ihre Sprache
sowie ihre ethnische und kulturelle Identität zu entfalten." (S
CHMIDT
2005b, S.44-45)
3.2 Minderheitengesetzgebung
Die Gesetzgebungen sehen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen eine Reihe
von Gesetzen vor, welche die dort siedelnden Minderheiten betreffen. Im Folgenden werden
nun die wichtigsten genannt:
In der Minderheitengesetzgebung Estlands gibt es folgende die Minderheiten des Landes
betreffenden Gesetze (in Klammer jeweils das Jahr des Inkrafttretens):
· Gesetz über die Kulturautonomie der nationalen Minderheiten (1993/ idFv 2002)*
· Ordnung über die Führung und Verwendung der Nationalkataster der nationalen
Minderheiten (1996 - Regierungsverordnung)
· Vorschriften für die Wahl des Kulturrats der nationalen Minderheiten (2003)
· Ausgangspunkte der staatlichen Integrationspolitik Estlands zur Integration der
Nichtesten in die Gesellschaft Estlands (1998 - Beschluss der Staatsversammlung)
· Staatsangehörigkeitsgesetz (1995/ idFv 2003)*
· Ausländergesetz (1993/ idFv 2002)*
· Bildungsgesetz (1992/ idFv 2003)*
· Grundschul- und Gymnasiengesetz (1993/ idFv 2003)*
· Privatschulgesetz (1998/ idFv 2003)*
· Gesetz über Berufsschuleinrichtungen (1998/ idFv 2003)*
· Sprachgesetz (1995/ idFv 2002)*
· Gesetz über die Organisation der lokalen Selbstverwaltung (1993/ idFv 2002)*
* idFv = in der Fassung von
(S
CHMIDT
2004, S.69-152)
Der Gesetzgeber in Lettland hat gesetzestechnisch etliche Rechtsverordnungen und Gesetze
erlassen, welche die Minderheiten im Land betreffen. Im Folgenden eine Übersicht über die
wichtigsten Minderheitengesetze und Rechtsverordnungen:

29
· Gesetz über die freie Entwicklung nationaler und ethnischer Gruppen Lettlands und
deren Recht auf Kulturautonomie (1991/ idFv 1994)*
· Staatsangehörigkeitsgesetz (1994/ idFv 1998)*
· Gesetz über den Status der Bürger der ehemaligen UdSSR, die weder die
Staatsangehörigkeit Lettlands noch eines anderen Staates genießen (1995/ idFv 2000)*
· Gesetz über die Staatssprache (1999)
· Rechtsverordnung über die Bildung, Schreibweise und den Gebrauch von Ortsnamen,
Namen von Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, Gesellschaften
(Unternehmen) und Bezeichnungen von Ereignissen (2000)
· Rechtsverordnung über die Schreibweise von Vor- und Nachnamen (2000)
· Rechtsverordnung über die lettischen Bürgerpässe (1995/ idFv 1997)*
· Bildungsgesetz (1998/ idFv 2004)*
· Gesetz über die allgemeine Bildung (1999)
· Gesetz über religiöse Organisationen (1995/ idFv 1998)*
· Radio- und Fernsehgesetz (1995/ idFv 2003)*
· Gesetz über die Lokalverwaltungen (1994/ idFv 2005)*
· Gesetz über das Staatliche Büro für Menschenrechte (1996)
* idFv = in der Fassung von
(S
CHMIDT
2005b, S.46-95)
Von großer Bedeutung für die Minderheiten in Litauen ist das Gesetz über nationale
Minderheiten sowie die drei Staatsbürgerschaftsgesetze der Jahre 1989, 1991 und 2002. Des
Weiteren hat der Gesetzgeber in Litauen eine Reihe von Gesetzen erlassen, die für
Angehörige ethnischer Minderheiten im Land von Bedeutung sind. Die wichtigsten Gesetze
sind:
· Gesetz über nationale Minderheiten (1989/ idFv 1991)*
· Staatsbürgerschaftsgesetz (1989)
· Staatsbürgerschaftsgesetz (1991)
· Staatsbürgerschaftsgesetz (2002)
· Staatssprachegesetz (1995)
· Bildungsgesetz (1991/ idFv 2003)*
· Gesetz über die lokale Selbstverwaltung (1994/ idFv 1998)*

30
· Gesetz über die öffentliche Verwaltung (1999)
· Satzung des Seimas der Republik Litauen (1994/ idFv 2005)*
· Gesetz über die Versorgung der Öffentlichkeit mit Informationen (1996/ idFv 2004)*
· Gesetz über den staatlichen Rundfunk und das staatliche Fernsehen (1996/ idFv
2000)*
· Vereinsgesetz (1996)
· Gesetz über religiöse Gemeinschaften und Vereinigungen (1995)
· Gesetz über politische Parteien und Organisationen (1990/ idFv 1995)*
· Gesetz über die Ombudsmänner des Seimas (1998/ idFv 2004)*
* idFv = in der Fassung von
(S
CHMIDT
2005a, S.48-86)
3.3 Regelungen in der Frage der Staatsbürgerschaft
Basierend auf den Resultaten des Census im Jahr 2000 in Estland steht die Problematik der
großen Anzahl an so genannten ,,Staatenlosen" im Raum. Aus den Statistiken lässt sich
herauslesen, dass nur rund 40 % der Mitglieder ethnischer Minderheiten in Estland auch die
estnische Staatsbürgerschaft besitzen. Russische Staatsbürger sind rund 19 % der
Angehörigen ethnischer Minderheiten. Des Weiteren besitzen 38 % der Mitglieder ethnischer
Minderheiten in Estland überhaupt keine Staatsbürgerschaft. (T
AMMARU
et al. 2011, S.6) Die
Anzahl jener Personen ohne Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechten hat seit
2000 abgenommen (J
ÄRVE
2009, S.55-56). Die so genannten ,,Aliens", wie diese staatenlosen
Europäer auch genannt werden, sind eine Gruppe von rund 80.000 Personen, welche zum
überwiegenden Teil Russisch als Muttersprache haben. Diese Personen haben nach dem
Zerfall der Sowjetunion auch deren Staatsangehörigkeit verloren, gleichzeitig aber weder die
russische noch die estnische Staatsbürgerschaft erhalten. (H
ASEWEND
2013)
Das Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Jahr 1995 in Estland besagt, dass als
Staatsangehörige nur Staatsangehörige der Vorkriegsrepublik und deren Abkömmlinge
anerkannt werden. Alle anderen Personen müssen neben dem Aufenthalt von mindestens zwei
Jahren im Land auch Sprachkenntnisse nachweisen können, um eine Einbürgerung
beantragen zu können. (S
CHMIDT
2004, S.19)

31
Tab. 6: Staatsbürgerschaft in Estland 2011
Staatsbürgerschaft in Estland
Absolute Anzahl
Relativer Anteil
Total 1.294.236
100
%
Estland 1.101.761
85,13
%
Russland 89.913
6,95
%
Weißrussland 4.707
0,36
%
Lettland 1.739
0,13
%
Finnland 1.520
0,12
%
Ukraine 1.472
0,11
%
Litauen 1.343
0,10
%
Sonstige (inkl. Staatenlose Personen)
91.781
7,09 %
Arbeitsgrundlage: S
TATISTICS
E
STONIA
2013, in eigener Bearbeitung und Darstellung
Insgesamt besitzen laut den Ergebnissen der aktuellen Volkszählung 85,13 % der Einwohner
Estlands auch die estnische Staatsbürgerschaft. Fast 90.000 Personen (Relativwert: 6,95 %)
im Land sind russische Staatsangehörige. Der Wert der so genannten ,,Sonstigen", diese
Kategorie umfasst auch jene der staatenlose Personen, beträgt relativ 7,09 % der
Gesamtbevölkerung und weist somit einen absoluten Wert von fast 92.000 Personen auf.
Tab. 7: Staatsbürgerschaft in Lettland 2011
Staatsbürgerschaft in Lettland
Absolute Anzahl
Relativer Anteil
Total 2.070.371
100
%
Lettland 1.728.213
83,47
%
Russland 34.091
1,65
%
Litauen 2.999
0,14
%
Ukraine 2.618
0,13
%
Weißrussland 1.758
0,08
%
Sonstige (inkl. Staatenlose Personen)
300.692
14,52 %
Arbeitsgrundlage: C
ENTRAL
S
TATISTICAL
B
UREAU OF
L
ATVIA
2013, in eigener Bearbeitung und Darstellung
Insgesamt besitzen 83,47 % der dauerhaft in Lettland lebenden Personen auch die lettische
Staatsbürgerschaft. Auffallend hoch ist der Anteil der staatenlosen Personen, der inkl.
,,sonstiger" Staatsbürgerschaften 14,52 % ausmacht, das sind in absoluten Zahlen 300.000

32
Personen. Des Weiteren besitzen 1,65 % der Bevölkerung Lettlands die russische
Staatsbürgerschaft.
Litauen ist das ethnisch homogenste der baltischen Staaten, das zeigt sich auch bei der Frage
nach der Staatsbürgerschaft. So besitzen 99,19 % der in Litauen siedelnden Personen auch die
litauische Staatsbürgerschaft. Staatenlose Personen machen im Gegensatz zu Lettland und
Estland nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. Litauen hat dabei seinen
Bewohnern die so genannte ,,Nulloption" gewährt wodurch sich der hohe Anteil auch erklären
lässt (T
HIELE
1999, S.63).
Tab. 8: Staatsbürgerschaft in Litauen 2013
Staatsbürgerschaft in Litauen
Absolute Anzahl
Relativer Anteil
Total 2.971.900
100
%
Litauen 2.947.900
99,19
%
Russland 10.400
0,35
%
Weißrussland 2.700
0,09
%
Ukraine 1.800
0,06
%
Polen 1.200
0,04
%
Sonstige (inkl. Staatenlose Personen)
7.900
0,27 %
Arbeitsgrundlage: S
TATISTICS
L
ITHUANIA
2013, in eigener Bearbeitung und Darstellung
3.4 Verwaltungseinheiten in den einzelnen baltischen Staaten
Um die räumliche Visualisierung der ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten
Estland, Lettland und Litauen bestmöglich visualisieren zu können, ist es notwendig, dass die
jeweils optimale Verwaltungsebene in den einzelnen Staaten gewählt wird. Dabei sind einige
Kriterien zu berücksichtigen:
· Die Verwaltungsebene darf nicht zu großflächig sein um so genannte
,,Ausreißergemeinden" identifizieren zu können.
· Die Verwaltungsebene muss eine gewisse Einwohnerzahl aufweisen um
Verfälschungen und Verzerrungen ausschließen zu können.
· Aktuelle, für die kartographische Visualisierung notwendige statistische Daten des
Census 2011 müssen für die gewählte Verwaltungsebene vorhanden sein.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783956363702
ISBN (Paperback)
9783956367144
Dateigröße
16.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
struktur staaten spiegel volkszählungsergebnisse
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Titel: Die ethnische Struktur in den baltischen Staaten im Spiegel der Volkszählungsergebnisse 2011
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