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Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR: Analyse möglicher Auswirkungen und Empfehlungen für den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf

©2014 Bachelorarbeit 72 Seiten

Zusammenfassung

Die Anfang 2014 veröffentlichten Meldungen über extrem hohe Strafen für Banken im Zusammenhang mit der Manipulation von Referenzzinssätzen werfen erneute Fragen über die Verlässlichkeit und die Integrität der internationalen Finanzmärkte auf. Die „London Interbank Offered Rate“, kurz LIBOR, ist ein auf täglicher Basis ermittelter Referenzzinssatz, der angibt, zu welchen Konditionen Banken bereit sind, sich untereinander Geld zu leihen. Dieser bildet die Grundlage für eine Vielzahl von Finanzprodukten. Die Höhe des LIBOR - gemäß dem Urteil verschiedener Gerichte - wurde offenbar über mehrere Jahre hinweg manipuliert. Die Summe des von diesem Referenzzinssatz abhängigen Finanzvolumens ist nicht genau bestimmbar. Je nach Quelle variiert der Betrag von 300 bis 600 Billionen Dollar. Ebenso ist nicht exakt abschätzbar über welchen Zeitraum Banken falsche Meldungen bei der Ermittlung des LIBOR bzw. EURIBOR gemacht haben. Die meisten Quellen beziehen sich auf den Zeitabschnitt von 2005 bis 2009.
Es ist bis heute nicht abschließend geklärt, welche Institutionen und Einzelpersonen in die Manipulation verwickelt waren. Auch in diesem Punkt gibt es divergierende Angaben.
Die bisherige Berichterstattung in Bezug auf die Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR konzentriert sich Stand April 2014 auf zwei wesentliche Aspekte. Zum einen die Aufdeckung der an der Manipulation beteiligten Finanzinstitute und zum anderen die Darstellung der bereits erhobenen Strafzahlungen. Die Konsequenzen für den Finanzmarkt sowie den einzelnen Marktteilnehmer treten dabei zunächst in den Hintergrund. Daher beschäftigt sich die erste Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit mit der Darstellung der möglichen Auswirkung der Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR auf das Finanzsystem bzw. einzelne Marktteilnehmer.
Aufgrund der hohen Relevanz verlässlicher Referenzzinssätze wird in der Öffentlichkeit eine Vielzahl von Reformierungsvorschlägen diskutiert. Abgeleitet aus den wesentlichen Schwachstellen des LIBOR-Systems beantwortet die zweite Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit den sich aus der Manipulation ergebenden Handlungsbedarf.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Krupp, Carsten: Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR: Analyse möglicher
Auswirkungen und Empfehlungen für den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf,
Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2014
PDF-eBook-ISBN: 978-3-95636-324-5
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2014
Zugl. Hochschule Ludwigshafen am Rhein, Ludwigshafen, Deutschland, BWL, 2014
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Printed in Germany

II. Verzeichnis der Abbildungen
i
Inhaltsverzeichnis
II. Verzeichnis der Abbildungen
... iii
III. Verzeichnis der Tabellen
... iv
IV. Verzeichnis der Anlagen
... v
V. Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
... vi
1. Grundlagen
... 1
1.1. Hintergrund der Arbeit
... 1
1.2. Forschungsfrage und theoretischer Bezugsrahmen
... 3
1.3. Themenabgrenzung
... 4
1.4. Gang der Untersuchung
... 5
2. Konstrukt von LIBOR als Beispiel eines Referenzzinssatzes
... 6
2.1. Grundlagen des Referenzzinssatzes LIBOR
... 6
2.1.1. Arbeitsdefinition des Referenzzinssatzes
... 6
2.1.2. Datenerhebung und Auswertung für den Referenzzinssatz LIBOR
... 8
2.1.3. Mittelbare und unmittelbare Anwendungsbereiche/ Nutzungsmöglichkeiten
... 10
2.1.4. Beaufsichtigung der Ermittlung des Referenzzinssatzes LIBOR
... 12
2.2. Bedeutung der Referenzzinssätze für die Geldpolitik von Notenbanken am
Beispiel der EZB
...15
3. Anreize zur Manipulation von Referenzzinssätzen ­ eine Analyse auf
Basis der Agency-Theorie
... 18
3.1. Grundgedanke der Agency-Theorie
...18
3.2. Verschiedene Erscheinungsformen der Agency-Theorie
...19
3.3. Anwendung der Agency-Theorie auf den Referenzzinssatz LIBOR
...23
3.3.1. Konzeptionelle Vorüberlegung
... 23
3.3.2. Credit-Signaling
... 24
3.3.3. Monetäre Anreize
... 26
4. Analyse der Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR und ihre
Auswirkungen
... 27
4.1. Exkurs: Zum Begriff der Manipulation
...27
4.2. Schwachstellen mit Manipulationspotenzial im Prozess der
Datengenerierung des Referenzzinssatzes LIBOR
...28
4.2.1. Berechnungsgrundlage des LIBOR
... 28
4.2.2. LIBOR-Banken-Panel
... 29
4.2.3. Fehlende Konkurrenz von alternativen Referenzzinssätzen
... 33
4.3. Exemplarische Analyse der Auswirkung von
Referenzzinssatzmanipulationen
...33
4.3.1. Konzeptionelle Vorüberlegung
... 33
4.3.2. Zinsvariable Anleihe ­ Betrachtung von Szenarien
... 35
4.3.3. Zinsvariables Darlehen ­ Betrachtung von Szenarien
... 36

II. Verzeichnis der Abbildungen
ii
4.3.4. Ableitung gesamtwirtschaftlicher Schäden
... 37
5. Handlungsbedarf/ Vorgeschlagene Maßnahmen
... 38
5.1. Konzeptionelle Vorüberlegung
...38
5.2. Stärkung/ Verbesserung des bestehenden ,,LIBOR-Konzepts"
...40
5.2.1. Grundlegende Anpassungen
... 40
5.2.2. Externe Aufsicht und Regulierung
... 44
5.3. Konstruktion und Etablierung alternativer Referenzzinssätze
...45
5.3.1. Erfordernis neuer/ alternativer Referenzzinssätze
... 45
5.3.2. Hemmnisse bei der Einführung neuer/ alternativer Zinssätze
... 46
5.3.3. Anforderungen an die Gestaltung alternativer Referenzzinssätze
... 47
5.3.4. Overnight index swap (OIS)
... 48
6. Fazit
... 49
VI. Literaturverzeichnis
... 51

II. Verzeichnis der Abbildungen
iii
II. Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1 Geschätzte Kosten für ausgewählte Banken durch Zivilklagen
infolge des Libor-Skandals im Jahr 2012 ... 2
Abbildung 2 Bestandteile des LIBOR-Zinssatzes ... 8
Abbildung 3 Anwendungsbereiche finanzwirtschaftlicher Benchmarks ... 10
Abbildung 4 Strukturen des LIBOR Systems ... 13
Abbildung 5 Entwicklung des 3-Monats-LIBOR US Dollar im Jahr 2008 ... 17
Abbildung 6 Prinzipal-Agent-Beziehungen im Erstellungsprozess
des
Referenzzinssatzes LIBOR ... 23
Abbildung 7 Entwicklung des LIBOR-OIS Spread von 2006 bis 2009 ... 24
Abbildung 8 Durchschnittlicher Tagesumsatz
in verschiedenen Geldmarktsegmenten ... 25
Abbildung 9 Transaktionen im unbesicherten Interbankenmarkt von LIBOR
Panel Banken im Jahr 2011 ... 29
Abbildung 10 Verwendung des LIBOR differenziert
nach
Finanzinstrumenten ... 34
Abbildung 11 Die Verwendung des LIBOR als Referenzzinssatz ... 41
Abbildung 12 Arten von Schuldverschreibungen ... 59

III. Verzeichnis der Tabellen
iv
III. Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1 Die Klassifikation verschiedener Vertragsbeziehungen mit
asymmetrischer Information ... 20
Tabelle 2 Finanzinstitute des US-Dollar LIBOR Panel und Mitgliedschaft dieser
in der BBA ... 31

IV. Verzeichnis der Anlagen
v
IV. Verzeichnis der Anlagen
Anlage 1 Produkterläuterung zinsvariable Anleihe ... 59
Anlage 2 Szenarien Betrachtung zinsvariable Anleihe ... 62
Anlage 3 Produkterläuterung zinsvariables Darlehen ... 63
Anlage 4 Szenarien Betrachtung zinsvariables Darlehen ... 65

V. Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
vi
V. Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
LIBOR London Interbank Offered Rate
EURIBOR
Euro Interbank Offered Rate
BBA British Bankers' Association
EONIA Euro Overnight Index Average
EFTA European Free Trade Association
ESMA
European Securities and Markets Authority
EBA European
Banking Authority
ISDA International Swaps and Derivatives Association
HGB Handelsgesetzbuch
IFRS
International Financial Reporting Standards
LPBAUG LIBOR
Panel
Banks and Users Group
WKN Wertpapierkennnummer
PLC
Public Limited Company
EZB Europäische
Zentralbank
FSA
Financial Services Authority
OTC Over-the-counter
OIS
Overnight index swaps
US GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
OIS
Overnight Index Swap
OIR
Overnight Index Rate
ABS
Asset Backed Security
CDO
Collateralized Debt Obligation
BGB Bürgerliche
Gesetzbuch
StGB Strafgesetzbuch

1. Grundlagen
1
1. Grundlagen
1.1. Hintergrund der Arbeit
Die Anfang 2014 veröffentlichten Meldungen über extrem hohe Strafen
1
für
Banken im Zusammenhang mit der Manipulation von Referenzzinssätzen wer-
fen erneute Fragen über die Verlässlichkeit und die Integrität der internationalen
Finanzmärkte auf. Die ,,London Interbank Offered Rate", kurz LIBOR, ist ein auf
täglicher Basis ermittelter Referenzzinssatz, der angibt, zu welchen Konditionen
Banken bereit sind, sich untereinander Geld zu leihen. Dieser bildet die Grund-
lage für eine Vielzahl von Finanzprodukten. Die Höhe des LIBOR - gemäß dem
Urteil verschiedener Gerichte - wurde offenbar
über mehrere Jahre hinweg ma-
nipuliert. Die Summe des von diesem Referenzzinssatz abhängigen Finanzvo-
lumens ist nicht genau bestimmbar. Je nach Quelle variiert der Betrag von 300
2
bis 600
3
Billionen Dollar. Ebenso ist nicht exakt abschätzbar über welchen Zeit-
raum Banken falsche Meldungen bei der Ermittlung des LIBOR bzw. EURIBOR
gemacht haben. Die meisten Quellen beziehen sich auf den Zeitabschnitt von
2005 bis 2009.
4
Gestützt wird diese Angabe durch die von der FSA am 27 Juni
2012 erhobene Strafe über 59,5 Millionen Pfund
5,6
gegen Barclays PLC. Grund-
lage dieser Strafzahlung war die Manipulation des LIBOR und EURIBOR durch
einzelne Derivatehändler in der Zeit zwischen Januar 2005 und Juli 2008.
7
Für
einen weit größeren Manipulationszeitraum sprechen die Erfahrungen eines
Wertpapierhändlers bei Morgan Stanley. Bereits in seinen ersten Tagen bei der
Investment Bank im Jahr 1991 wurde er, laut einem Artikel der Financial Times
vom 26 Juli 2012, mit der Manipulation des LIBOR konfrontiert.
8
Es ist bis heute nicht abschließend geklärt, welche Institutionen und Einzelper-
sonen in die Manipulation verwickelt waren. Auch in diesem Punkt gibt es di-
vergierende Angaben. Jedoch ist mittlerweile erwiesen, dass Großbanken wie
die UBS, HSBC Royal Bank of Scotland, Deutsche Bank sowie mindestens 13
1
Vgl. Dowideit (2013)
2
Vgl. Meyer et. al. (2012)
3
Vgl. Bächstädt / Pietrzak (2012), S. 19
4
Vgl. o.V. (2012c)
5
Insgesamt wurden von den amerikanischen und britischen Regulierungsbehörden Geldstrafen i.H.v. 270
Millionen Pfund gegen Barclays erhoben Vgl. Gallu (2012); aufgrund der besseren Veranschaulichung
wurde der Betrag von US Dollar in Pfund umgerechnet
6
Vgl. FSA (2012), S. 4
7
Vgl. FSA (2012), S. 1­2
8
Vgl. Keenan (2012)

1. Grundlagen
2
weitere Finanzinstitutionen eine tragende Rolle gespielt haben. Die Vielzahl
veröffentlichter E-Mails von beteiligten Personen zeigt, wie einfach die Abspra-
che bei der Beeinflussung des LIBOR war.
9
Im Februar 2014 erschien im Wall
Street Journal der Artikel: ,,Libor: Spider Network".
10
In diesem stellen die Auto-
ren die Verbindungen zwischen den Finanzinstitutionen und einzelnen Individu-
en visuell dar. Durch das daraus entstehende ,,Spinnennetz" wird die hohe
Komplexität des Systems zur Manipulation von LIBOR-Daten greifbar. Wie auch
zahlreiche andere Quellen gehen die Verfasser auf die Summe der bisher er-
hobenen Strafen in Höhe von schätzungsweise 5 Milliarden Dollar ein. Diese
enorme Summe veranschaulicht das Ausmaß der Manipulation.
(Vgl. Abbildung 1)
Abbildung 1 Geschätzte Kosten für ausgewählte Banken durch Zivilklagen infolge des Libor-
Skandals im Jahr 2012
Quelle: Statista
11
Durch die Höhe der Geldstrafen wird einerseits die Größenordnung des Scha-
dens angedeutet, die Marktteilnehmern entstanden sein dürfte, andererseits
wird die Bedeutung von zuverlässigen Referenzzinssätzen für das internationa-
le Finanzsystem signalisiert.
9
Vgl. o.V. (2012b)
10
Vgl. Juan / Enrich (2014)
11
o.V. (2014k)

1. Grundlagen
3
1.2. Forschungsfrage und theoretischer Bezugsrahmen
Die bisherige Berichterstattung in Bezug auf die Manipulation des Referenz-
zinssatzes LIBOR konzentriert sich Stand April 2014 auf zwei wesentliche As-
pekte. Zum einen die Aufdeckung der an der Manipulation beteiligten Finanzin-
stitute und zum anderen die Darstellung der bereits erhobenen Strafzahlungen.
Die Konsequenzen für den Finanzmarkt sowie den einzelnen Marktteilnehmer
treten dabei zunächst in den Hintergrund. Daher beschäftigt sich die erste For-
schungsfrage der vorliegenden Arbeit mit der Darstellung der möglichen Aus-
wirkung der Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR auf das Finanzsystem
bzw. einzelne Marktteilnehmer.
Aufgrund der hohen Relevanz verlässlicher Referenzzinssätze wird in der Öf-
fentlichkeit eine Vielzahl von Reformierungsvorschlägen diskutiert. Abgeleitet
aus den wesentlichen Schwachstellen des LIBOR-Systems beantwortet die
zweite Forschungsfrage den sich aus der Manipulation ergebenden Hand-
lungsbedarf.
Neben der Beantwortung der zwei Forschungsfragen wird diese Arbeit dem Le-
ser die Bedeutung und Konstruktion von Referenzzinssätzen am Beispiel des
LIBOR näherbringen.
Aufgrund verschiedener Vertragsbeziehungen im Erstellungsprozess des
LIBOR bildet die Prinzipal-Agent-Theorie den theoretischen Bezugsrahmen.
Diese soll zum einen das Spannungsverhältnis zwischen Prinzipal und Agent
verdeutlichen und zum anderen einen Teil zur Beantwortung der zweiten For-
schungsfrage beitragen.
Einige der im Verlauf der Arbeit aufgeführten Quellen entsprechen nicht einem
strengen Anspruch an Wissenschaftlichkeit (Methodik, Beweisführung, empiri-
sche Untermauerung). Dieser Mangel ist der Aktualität des Themas und der
Tatsache geschuldet, dass die meisten beteiligten Fachexperten aus verständ-
lichen Gründen nicht zu der heiklen Problematik publizieren. Jedoch: auch
wenn die eine oder andere Quellen eher explorativ ist, enthalten sie wesentli-
che Grundaussagen und tragen zur Aufarbeitung des Vorgefallenen und zur
Erzeugung von Transparenz bei. Aus diesem Grunde erscheint es vor dem Hin-
tergrund der gesamten Datenlage nicht nur vertretbar, sondern geradezu erfor-
derlich auch die eine oder andere explorative Quelle anzuführen.

1. Grundlagen
4
1.3. Themenabgrenzung
Die Abgrenzung der vorliegenden Arbeit erfolgt in drei Dimensionen; sachlich,
zeitlich, räumlich.
Neben der Manipulation des LIBOR wurden anscheinend auch andere Refe-
renzzinssätze wie beispielsweise der EURIBOR manipuliert.
12
Die Ausarbeitung
beschränkt sich auf die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem LIBOR.
Nach der Veröffentlichung des ,,The Wheatley Review of LIBOR final report"
13
im September 2012 wurden entscheidende Änderungen an der Kalkulationsme-
thode
14
des LIBOR vorgenommen.
Um die Schwachstellen des LIBOR sowie die Anreize zur Manipulation korrekt
darzustellen bildet die Konstruktion des LIBOR vor diesen Veränderungen die
Grundlage der Arbeit.
Des Weiteren erfolgt eine sachliche Abgrenzung bezüglich der Auslegung der
Definition des LIBOR. In der Literatur wird die Aussage des Referenzzinssatzes
unterschiedlich interpretiert. Grundlegend sind zwei Sichtweisen zu erkennen.
Zum einen wird der LIBOR als Anlagezinssatz und zum anderen als Kreditzins-
satz für Finanzmittel im unbesicherten Interbankenmarkt verstanden.
Die British Bankers' Association (BBA), die für die Erstellung des LIBOR ver-
antwortlich ist, äußert sich auf ihrer Homepage in Bezug auf die Interpretation
widersprüchlich. ,,[...] rate at which a bank could go into the London interbank
money market and obtain funding in reasonable market size, for a given maturi-
ty and currency."
15
Aus diesem Zitat geht der LIBOR eindeutig als Kreditzins-
satz hervor. An anderer Stelle beschreibt die BBA den LIBOR jedoch als Einla-
genzinssatz. ,,It is based on offered interbank deposit rates contributed in ac-
cordance with the instructions to bbalibor contributor banks."
16
Die EZB be-
zeichnet in ihrem Monatsbericht für Oktober 2013 den LIBOR als Zins für unbe-
sicherte Interbankenkredite.
17
Es existiert eine Vielzahl von Quellen, die sowohl
die eine als auch die andere Interpretation bestätigen.
12
Vgl. Bächstädt / Pietrzak (2012), S. 21
13
Analog des Vorgehens in der Literatur wird dieser im Folgenden als Wheatley Report bezeichnet
14
Zunächst erfolgten die Anpassungen noch unter der Verantwortung der BBA; im weiteren Verlauf wurde
die Verantwortung zur Erstellung des LIBOR auf die Intercontinental Exchange Benchmark Administration
Ltd. übertragen Vgl. o.V. (2014a)
15
o.V. (2014i)
16
o.V. (2014q)
17
Vgl. European Central Bank (2013), S. 79­80

1. Grundlagen
5
In dieser Arbeit wird der LIBOR als Zinssatz für Kredite im Interbankenmarkt
verstanden. Hierfür spricht, dass ein wesentlicher Anreiz der Manipulation des
Referenzzinssatzes, dessen Signalwirkung im Finanzmarkt war. Durch die Ver-
öffentlichung gemeldeter Zinssätze einzelner Banken konnten Marktteilnehmer
auf die Bonität der Finanzinstitute schließen. Dieser Effekt wird Credit-Signaling
oder auch Stigma Effekt (Vgl. Punkt 3.3.2.) genannt. Sein Ursprung begründet
sich in der Bonitätskomponente des Referenzzinssatzes (Vgl. Punkt 2.1.1.)
Im Gegensatz dazu hätte die Veröffentlichung von Anlagezinssätzen einer Bank
keine Signalwirkung gehabt.
Es erfolgt eine zeitliche Abgrenzung auf die Ereignisse ab dem Jahr 2005. Die-
se bilden nicht nur den Kernpunkt der Berichterstattung in den Medien, sondern
auch den Fokus der Untersuchungen einzelner Institutionen.
Da der LIBOR als Referenzzinssatz in seiner Anwendung nicht auf einen spezi-
ellen Raum begrenzt ist, repräsentiert der internationale Finanzmarkt die räum-
liche Abgrenzung.
1.4. Gang der Untersuchung
Im folgenden Gliederungspunkt wird die Vorgehensweise dieser Arbeit erläu-
tert:
Der erste Abschnitt behandelt das Konstrukt des LIBOR als Referenzzinssatz.
Die Kenntnis der LIBOR Definition, sowie dessen Datenerhebung und Auswer-
tung, sind Grundvoraussetzung zum späteren Verständnis der Schwachstellen.
Die mittelbaren und unmittelbaren Anwendungsbereiche des LIBOR bilden den
Ausgangspunkt für den, im dritten Schritt folgenden analytischen Teil. Anschlie-
ßend wird zum Verständnis der geforderten Reformierung des LIBOR-Konzepts
auf die bestehenden Aufsichtsstrukturen eingegangen. Im Hinblick auf die gro-
ße Bedeutung für das Finanzsystem bilden fehlende Kontrollmechanismen auf
der Ebene des LIBOR einen Kernpunkt der angeführten Kritik. Nachfolgend
wird die Relevanz verlässlicher Referenzzinssätze für die Geldpolitik am Bei-
spiel der Europäischen Zentralbank skizziert.
Im zweiten Schritt bildet der theoretische Bezugsrahmen den Anknüpfungs-
punkt zur Darstellung der Anreize einer Manipulation von Referenzzinssätzen.
Neben der Darstellung verschiedener Prinzipal-Agent-Beziehungen im Kalkula-

2. Konstrukt von LIBOR als Beispiel eines Referenzzinssatzes
6
tionsprozess des Referenzzinssatzes erfolgt die Erläuterung der Grundlagen
sowie der Erscheinungsformen der Prinzipal-Agent-Theorie.
Aufbauend auf den Grundlagen des LIBOR aus dem ersten Schritt werden im
analytischen Teil zunächst die Schwachstellen des Systems aufgezeigt. Des
Weiteren soll die exemplarische Analyse einer Anleihe sowie eines Darlehens
die Basis zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage nach den Auswirkun-
gen der Manipulation geben. Im Anschluss daran erfolgt die Ableitung gesamt-
wirtschaftlicher Schäden für das Finanzsystem.
Resultierend aus den Schwachstellen des LIBOR werden im fünften Abschnitt
der Arbeit Vorschläge zur Verbesserung seiner Ermittlung angeführt. Somit be-
antwortet dieser Teil die zweite Forschungsfrage nach dem aus der Manipulati-
on abgeleiteten Handlungsbedarf. Dafür ergeben sich zwei unterschiedliche
Ansatzpunkte, einerseits die Reformierung des bestehenden LIBOR-Konzepts
und andererseits die Konstruktion und Etablierung alternativer Referenzzinssät-
ze.
Im letzten Teil erfolgt eine zusammenfassende Darstellung der wesentlichen
Erkenntnisse aus der vorliegenden Arbeit.
2. Konstrukt von LIBOR als Beispiel eines Referenzzinssatzes
2.1. Grundlagen des Referenzzinssatzes LIBOR
2.1.1. Arbeitsdefinition des Referenzzinssatzes
Da in der folgenden Arbeit unterschiedliche Segmente des internationalen Fi-
nanzmarktes angesprochen werden, erfolgt zunächst ihre Abgrenzung. Inner-
halb des Finanzmarktes differenziert man zwischen: Geldmarkt, Kapitalmarkt,
Kreditmarkt und Markt für Finanzderivate.
18
Auf dem Geldmarkt werden kurz-
fristige
19
Finanzmittel unter professionellen Marktteilnehmern gehandelt. In der
Eurozone besteht dieser ausschließlich aus Banken. Daher spricht man auch
von einem reinen Interbankenmarkt.
20
Dieser gliedert sich in einen besicherten
und unbesicherten Teil. Die Differenzierung erfolgt hinsichtlich der Frage, ob für
die jeweiligen Transaktionen, Sicherheiten zwischen den Marktteilnehmern
ausgetauscht werden. Der Kapitalmarkt bezeichnet den Teil des Finanzsys-
18
Vgl. Zantow / Dinauer (2011), S. 47­48
19
Bis 12 Monate Laufzeit
20
Vgl. Fecht (2013), S. 1

2. Konstrukt von LIBOR als Beispiel eines Referenzzinssatzes
7
tems, auf dem mittel- bis langfristige Finanzmittel in Form von Wertpapieren
gehandelt werden. Der Begriff der Mittelfristigkeit umfasst alle Gelder mit einer
Laufzeit größer 12 Monaten. Unter dem Begriff Kreditmarkt versteht man den
Handel von Fremdkapital, dass nicht durch Wertpapiere verbrieft ist. Finanzde-
rivate werden auf gleichnamigen Märkten gehandelt. Referenzzinssätze wie der
LIBOR konzentrieren sich auf die Abbildung des Geldmarktes.
Die ,,London Interbank Offered Rate", ist ein Indikator für Finanzierungskosten
auf der Grundlage von unbesicherten Interbankenkrediten. Die Verantwortung
für die Erstellung sowie die Veröffentlichung liegt bei der British Bankers'
Association. Der Referenzzinssatz wird an jedem Handelstag um 11 Uhr Lon-
doner Zeit, durch die Befragung fest definierter Banken, ermittelt. Dabei melden
die befragten Finanzinstitute Daten auf der Basis folgender Frage:
,,At what rate could you borrow funds, were you to do so by asking for and then
accepting interbank offers in a reasonable market size just prior 11 am?"
21
Die Berechnung des LIBOR erfolgt in zehn verschiedenen Währungen mit un-
terschiedlichen Laufzeiten. Die Fälligkeiten reichen von Übernachtkrediten bis
zu Krediten mit zwölf Monaten Laufzeit.
Die Entstehung des LIBOR steht in enger Verbindung mit der Entwicklung des
Londoner Marktes für Forward Vereinbarungen und synthetisierter Kredite ab
dem Jahr 1980.
22
Diese Finanzinstrumente schufen das Bedürfnis nach einer
einheitlichen Finanzierungskosten-Benchmark. Hervorgegangen aus den ,,BBA
Interest Settlement Rates"
23
wurde der LIBOR im Januar 1986 von der BBA
zum ersten Mal veröffentlicht. Zunächst erfolgte die Kalkulation lediglich für drei
Währungen: US Dollar, Japanischer Yen und Sterling. Im Lauf der Zeit stieg die
Anzahl der Währungen und Laufzeiten weiter an.
Die Definition des LIBOR (Stand Januar 2012) besteht seit der Reformierung
1998. Vor diesem Zeitpunkt bildete die Frage: ,,At what rate do you think inter-
bank term deposits will be offered by one prime bank to another prime bank for
a reasonable market size today at 11 am?"
24
die Grundlage zur Generierung
des LIBOR. Um die Auswirkung der Änderung der Definition des Referenzzins-
21
o.V. (2014i)
22
Vgl. o.V. (2014b)
23
Bestandteil der ,,BBA standard for Interest Swap rates"; Standardisierte Bedingungen fürs Swap Ge-
schäfte
24
Vgl. o.V. (2014i)

2. Konstrukt von LIBOR als Beispiel eines Referenzzinssatzes
8
satzes zu verstehen, werden in diesem Gliederungspunkt zunächst die Be-
standteile des LIBOR auf Basis der Definition vor 1998 erklärt.
Resultierend aus dem Zeitwert des Geldes bildet der risikofreie Zinssatz (,,risk
free rate") das Fundament eines Referenzzinssatzes. Hinzu kommt ein Lauf-
zeitaufschlag (,,term premium") sowie ein Liquiditätsaufschlag (,,liquidity premi-
um").
25
In einem ,,normalen" Zinsumfeld wächst das ,,term premium" mit stei-
gender Laufzeit an. Das ,,liquidity premium" steht für das Maß der Handelbarkeit
eines Anlageinstruments. Je liquider der Handel eines bestimmten Finanzin-
struments, desto geringer der Liquiditätsaufschlag.
Die Änderung der Adressierung ,,prime bank" in ,,you", innerhalb der Fragestel-
lung der LIBOR Kalkulation, führte zur Implementierung eines Bonitätsrisikos
(,,credit risk premium")
26
. Dieses signalisiert die Ausfallwahrscheinlichkeit eines
Kreditnehmers. Nachfolgende Abbildung stellt die Bestandteile des LIBOR gra-
fisch dar.
Abbildung 2 Bestandteile des LIBOR-Zinssatzes
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tabb & Grundfest
27
Die folgenschweren Auswirkungen dieses Wandels werden im weiteren Verlauf
der Arbeit (3.3.2.) erläutert.
2.1.2. Datenerhebung und Auswertung für den Referenzzinssatz LIBOR
Der LIBOR wird im Auftrag der BBA durch Thomson Reuters erstellt und veröf-
fentlicht. Trotz einiger Veränderungen, seit der Etablierung im Jahr 1986 hat
sich an der Art der Datengenerierung nichts geändert. Die Befragung verschie-
dener Banken nach deren Refinanzierungskosten am unbesicherten Interban-
kengeldmarkt bildet dabei seit 26 Jahren (Stand 2012) das Fundament der Be-
rechnung. Im Banken-Panel
28
sind je nach Währung zwischen 6 und 18 Finan-
zinstitute enthalten. Die BBA wählt diese anhand von drei Kriterien aus, nämlich
25
Vgl. Tabb / Grundfest (2013), S. 9; Vgl. Hiroshi (2013), S. 5
26
Vgl. Thießen (2013a), S. 92
27
Vgl. Tabb / Grundfest (2013), S. 30
28
Bezeichnung für den ,,Kreis" der befragten Banken
LIBOR
Risk free
rate
Term
Premium
Liquidity
Premium
Credit
risk
Premium

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783956363245
ISBN (Paperback)
9783956366680
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Erscheinungsdatum
2014 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
LIBOR London Interbank Offered Rate Zinsmanipulation Schwachstellen des LIBOR Reformierung des LIBOR-Systems LIBOR-Manipulation Referenzzinssatz Unbesicherter Internbankengeldmarkt LIBOR-Banken-Panel
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Titel: Manipulation des Referenzzinssatzes LIBOR:  Analyse möglicher Auswirkungen und Empfehlungen für den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf
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