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Messung kaufmännischer Handlungskompetenz in der beruflichen Bildung

Klassifikation und kritische Analyse ausgewählter Testverfahren

©2013 Masterarbeit 114 Seiten

Zusammenfassung

„Der Diagnostik von Kompetenzen kommt eine Schlüsselrolle für die Optimierung von Bildungsprozessen und für die Weiterentwicklung des Bildungswesens zu“ (Hartig/Jude 2007, S. 17). Ihre Bedeutung erschließt sich im beruflichen Bereich unter anderem aus dem Kontext der aktuellen Debatte um die Anerkennung von beruflichen Abschlüssen, die Gewinnung von Steuerungsinformationen für Akteure des Bildungssystems und den Leistungsvergleich im internationalen Kontext (vgl. Seeber et al. 2010, S. 8).
Mit der Entscheidung berufliche Handlungskompetenz als zentrales Leitprinzip der beruflichen Bildung zu implementieren (vgl. KMK 2007, S. 10), verbindet sich auch der Anspruch an die Erfassung der Outputkomponente der damit initiierten Gestaltung der Ordnungsmittel und Lehr- Lernarrangements in Form valider, reliabler und objektiver Assessment-Verfahren.
Die vorliegende Arbeit konzentriert ihre Bestrebungen dabei auf den Bereich kaufmännischer Berufsausbildungen und leitet eine mögliche Arbeitsdefinition kaufmännischer Handlungskompetenz aus theoretischen Modellen und aktuellen Forschungsbefunden her. Bei der Begutachtung der Möglichkeit der Messung dieses Konstrukts werden vier Messverfahren analysiert und klassifiziert. Die Auswahl der Verfahren erfolgte dabei unter Bezugnahme auf den deutschsprachigen Raum und die Nähe zur Zielsetzung der Erfassung kaufmännischer bzw. ökonomischer Kompetenzen, sowie in Anbetracht der Bekanntheit und Verfügbarkeit publizierter Forschungsergebnisse. Folgende Tests werden betrachtet:
Wirtschaftskundlicher Bildungstest
Ökonomische Kompetenzen von Maturandinnen und Maturanden
Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen
Kaufmännische Kompetenz in Ausbildungsgängen des Dualen Systems
Um ein systematisches Vorgehen bei der Prüfung dieser Testverfahren zu realisieren, wird ein Untersuchungsraster hergeleitet. Der Forschungsgegenstand bestimmt sich dabei durch nachfolgende Leitfragen:
1. Welchen Beitrag leisten die Verfahren der Messung des aufgestellten Konstrukts kaufmännischer Handlungskompetenz?
2. Was kennzeichnet die Vorgehensweise der Konzeption des jeweiligen Testverfahrens zur Realisierung empirisch gesicherter Ergebnisse?
3. Wie lassen sich die Verfahren bezüglich ihrer Einsatzmöglichkeiten klassifizieren?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tamm, Mirko: Messung kaufmännischer Handlungskompetenz in der beruflichen
Bildung. Klassifikation und kritische Analyse ausgewählter Testverfahren, Hamburg,
Diplomica Verlag GmbH 2014
PDF-eBook-ISBN: 978-3-95636-320-7
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2014
Zugl. Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland, Wirtschaftspädagogik, 2013
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Inhalt
1.
Einleitung und Beschreibung des Forschungsgegenstandes ... 1
2.
Bedeutungsrahmen der Messung kaufmännischer Handlungskompetenzen... 3
2.1.
Bedingungskontext bildungspolitischer Entscheidungen ... 3
2.2.
Paradigmenwechsel in der Steuerung des Bildungssystems ... 4
2.3.
Handlungsorientierung und Lernfeldansatz als didaktisch-curriculare
Leitideen der beruflichen Bildung ... 5
3.
Begriffliche Erfassung und Modellierung von Kompetenz ... 9
3.1.
Definitorische Abgrenzung des Kompetenzbegriffes ... 9
3.1.1.
Kognitions- und handlungsbezogene Basisströmungen ... 9
3.1.2.
Berufliche Handlungskompetenz und die Notwendigkeit der
Domänenabgrenzung ... 11
3.1.3.
Personale Voraussetzungen, Handlung und Performanz ... 13
3.2.
Modelle zur Abbildung von Kompetenz ... 15
3.2.1.
Kompetenzstrukturmodelle ... 15
3.2.2.
Kompetenzniveaumodelle ... 17
3.2.3.
Kompetenzentwicklungsmodelle ... 18
3.3.
Arbeitsdefinition kaufmännischer Handlungskompetenz ... 19
4.
Anforderungen an die Messung kaufmännischer Handlungskompetenz ... 23
4.1.
Untersuchungsraster zur Analyse von Messverfahren ... 23
4.2.
Zur Theorie-Empirie Problematik der empirischen Bildungsforschung ... 25
4.3.
Messmodellierung und Instrumentekonstruktion ... 26
4.3.1.
Gütekriterien psychometrischer Tests ... 26
4.3.2.
Messtheoretische Grundlagen ... 28
4.3.3.
Entwicklung von Messinstrumenten ... 31
4.4.
Dokumentation und Interpretation der Ergebnisse ... 35
5.
Analyse der Messverfahren ... 36

5.1.
Wirtschaftskundlicher Bildungstest (WBT) ... 36
5.1.1.
Theorie-Konzeptions-Herleitung ... 36
5.1.2.
Messmodellierung ... 37
5.1.3.
Verwertung der empirischen Ergebnisse und Befunde ... 40
5.1.4.
Herausforderungen des Forschungsprojektes ... 42
5.1.5.
Beitrag zur Erfassung kaufmännischer Handlungskompetenz ... 44
5.2.
Ökonomische Kompetenzen von Maturandinnen und Maturanden
(OEKOMA) ... 46
5.2.1.
Theorie-Konzeptions-Herleitung ... 46
5.2.2.
Messmodellierung ... 47
5.2.3.
Verwertung der empirischen Ergebnisse ... 51
5.2.4.
Herausforderungen des Forschungsprojektes ... 54
5.2.5.
Beitrag zur Erfassung kaufmännischer Handlungskompetenz ... 56
5.3.
Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen (ULME) ... 57
5.3.1.
Theorie-Konzeptions-Herleitung ... 57
5.3.2.
Messmodellierung ... 58
5.3.3.
Verwertung der empirischen Ergebnisse ... 62
5.3.4.
Herausforderungen des Forschungsprojektes ... 64
5.3.5.
Beitrag zur Erfassung kaufmännischer Handlungskompetenz ... 66
5.4.
Kaufmännische Kompetenz in Ausbildungsgängen des Dualen Systems
(KKAD) ... 67
5.4.1.
Theorie-Konzeptions-Herleitung ... 67
5.4.2.
Messmodellierung ... 70
5.4.3.
Verwertung der empirischen Ergebnisse ... 74
5.4.4.
Herausforderungen des Forschungsprojektes ... 77
5.4.5.
Beitrag zur Erfassung kaufmännischer Handlungskompetenz ... 79
6.
Klassifikation der Verfahren nach Einsatzmöglichkeiten ... 81
7.
Fazit ... 86

8.
Abbildungsverzeichnis ... 89
9.
Tabellenverzeichnis... 90
10.
Abkürzungsverzeichnis ... 91
11.
Literaturverzeichnis ... 92
12.
Anhang ... 103

1
1. Einleitung und Beschreibung des Forschungsgegenstandes
,,Der Diagnostik von Kompetenzen kommt eine Schlüsselrolle für die Optimierung
von Bildungsprozessen und für die Weiterentwicklung des Bildungswesens zu"
(Hartig/Jude 2007, S. 17). Ihre Bedeutung erschließt sich im beruflichen Bereich
unter anderem aus dem Kontext der aktuellen Debatte um die Anerkennung von
beruflichen Abschlüssen, die Gewinnung von Steuerungsinformationen für Akteure
des Bildungssystems und den Leistungsvergleich im internationalen Kontext (vgl.
Seeber et al. 2010, S. 8).
Mit der Entscheidung berufliche Handlungskompetenz als zentrales Leitprinzip der
beruflichen Bildung zu implementieren (vgl. KMK 2007, S. 10), verbindet sich auch
der Anspruch an die Erfassung der Outputkomponente der damit initiierten Gestal-
tung der Ordnungsmittel und Lehr- Lernarrangements in Form valider, reliabler
und objektiver Assessment-Verfahren.
Die vorliegende Arbeit konzentriert ihre Bestrebungen dabei auf den Bereich
kaufmännischer Berufsausbildungen und leitet eine mögliche Arbeitsdefinition
kaufmännischer Handlungskompetenz aus theoretischen Modellen und aktuellen
Forschungsbefunden her. Bei der Begutachtung der Möglichkeit der Messung die-
ses Konstrukts werden vier Messverfahren analysiert und klassifiziert. Die Aus-
wahl der Verfahren erfolgte dabei unter Bezugnahme auf den deutschsprachigen
Raum und die Nähe zur Zielsetzung der Erfassung kaufmännischer bzw. ökono-
mischer Kompetenzen, sowie in Anbetracht der Bekanntheit und Verfügbarkeit
publizierter Forschungsergebnisse
1
. Folgende Tests werden betrachtet:
Wirtschaftskundlicher
Bildungstest
Ökonomische Kompetenzen von Maturandinnen und Maturanden
Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen
Kaufmännische Kompetenz in Ausbildungsgängen des Dualen Systems
Um ein systematisches Vorgehen bei der Prüfung dieser Testverfahren zu realisie-
ren, wird ein Untersuchungsraster hergeleitet. Der Forschungsgegenstand be-
stimmt sich dabei durch nachfolgende Leitfragen:
1
In diesem Zusammenhang bedankt sich der Autor dieser Arbeit bei Prof. Dr. Beck für die Über-
mittlung eines unveröffentlichten Berichts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum
wirtschaftskundlichen Bildungstest (vgl. Beck 1993) und Prof. Dr. Schumann für das Übermitteln
einer im Druck befindlichen Publikation zum Projekt OEKOMA (vgl. Schumann im Druck).

2
1. Welchen Beitrag leisten die Verfahren der Messung des aufgestellten Kon-
strukts kaufmännischer Handlungskompetenz?
2. Was kennzeichnet die Vorgehensweise der Konzeption des jeweiligen
Testverfahrens zur Realisierung empirisch gesicherter Ergebnisse?
3. Wie lassen sich die Verfahren bezüglich ihrer Einsatzmöglichkeiten klassifi-
zieren?
Der Gang der Untersuchung wird dabei durch ein weiteres Kapitel mit einleiten-
dem Charakter initiiert, welches die determinierenden Systemfaktoren und bil-
dungspolitisch relevanten Entscheidungen skizziert. Diese geben der Messung
beruflicher Handlungskompetenzen die übergeordneten Bestimmungsprinzipien.
Das dritte Kapitel gibt zunächst eine zusammenfassende Darstellung der termino-
logischen Abgrenzungen von Kompetenz und deren Modellierungsmöglichkeiten,
bevor die bereits erwähnte Ableitung einer Arbeitsdefinition kaufmännischer Hand-
lungskompetenz erfolgt. Um die Analyse der Verfahren konsistent und regelgelei-
tet durchführen zu können, wird im vierten Kapitel eingangs ein Untersuchungs-
raster konstruiert und in der Folge Verfahrensweisen bei der theoretisch begrün-
deten Modellbildung und Messinstrumentekonstruktion erläutert. Im fünften Kapi-
tel erfolgt die Analyse der Verfahren auf Basis des Untersuchungsrasters. Das
sechste Kapitel stellt zusammenfassend die Stärken und Schwächen der einzel-
nen Testverfahren heraus und klassifiziert diese anhand möglicher Einsatzgebiete.
Im Rahmen des abschließenden Fazits werden die Forschungsergebnisse reflek-
tiert und Implikationen für zukünftig zu entwickelnde Messverfahren aufgezeigt.
Die nachfolgenden Abschnitte widmen sich zunächst der Erörterung des Begrün-
dungshintergrundes der Kompetenzmessung im Allgemeinen und der Erfassung
kaufmännischer Handlungskompetenzen im Speziellen.

3
2. Bedeutungsrahmen der Messung kaufmännischer Handlungskom-
petenzen
Bildung hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Überarbeitung ihrer Zielsetzung
und Funktion erfahren. Sie soll in einer komplexen, informationslastigen und
hochgradig dynamischen Umwelt nachhaltig agierende, reflektierende und gesell-
schaftsfähige Bürger schaffen. Bei Schüler(inne)n und Auszubildenden stilisiert sie
sich zum persönlichen Gut. Dieses gilt es im Kontext durchlässiger Bildungssys-
teme, variabler Berufsbilder und unterschiedlicher Beschäftigungstätigkeiten im
Laufe eines Erwerbslebens bei entsprechenden Institutionen nachzuweisen.
Das Bildungssystem ist momentan in einem Stadium der Anpassung. Unter dem
Primat eines neuen Bildungsverständnisses kommt es zu Umgestaltung und Neu-
anordnung von Zielsystemen, Instrumenten, Akteuren und Institutionen. Damit
verbunden ist die Erfassung von Leistungen, um im komparativen bzw. kriterialen
Maßstab systemisch-objektive und auch individuell-subjektive Anpassungen vor-
zunehmen und Bildung bilanzierbar zu machen.
Die folgenden Ausführungen sollen das funktionale Fundament dieser allgemeinen
Entwicklung darstellen und mit Blick auf den kaufmännisch-beruflichen Bereich die
Notwendigkeiten, Besonderheiten und Herausforderungen einer solchen Leis-
tungserfassung umreißen.
2.1. Bedingungskontext
bildungspolitischer Entscheidungen
Die Reformprozesse im Bildungswesen sind Resultat umfassender wirtschaftli-
cher, technologischer und gesellschaftlicher Transformationen (vgl. Edel-
mann/Tippelt 2008, S. 129). Internationalisierung, Globalisierung und Wissensori-
entierung stellen Megatrends unserer Zeit dar und generieren soziale und ökono-
mische Umbrüche (vgl. Achtenhagen/Winther 2011, S. 352). Arbeit und Beruf be-
gegnen diesen Faktoren mit einer erhöhten inhaltlichen, räumlichen und kommu-
nikativen Flexibilität ­ dabei entstehen neue Beschäftigungsstrukturen und For-
men der Arbeitsorganisation. Klassische Produktionsfaktoren werden zunehmend
durch intellektuelles Kapital substituiert (vgl. Edelmann/Tippelt 2008, S. 129f.;
Reetz 1999, S. 37).

4
Auch die erhöhte Komplexität der Bewältigung privater Lebenssituationen verortet
sich im Begründungskontext der aktuellen Reformbestrebungen. Individualisie-
rung
2
, bei erhöhten Freiheitsgraden zur Verwaltung einkommenssichernder Maß-
nahmen wie Kranken- und Rentenversicherung machen es notwendig, dass die
Bevölkerung befähigt wird, ökonomische Problemstellungen selbstbestimmend,
kommunikativ und organisatorisch zu lösen
3
. Nicht zuletzt die Banken- und Fi-
nanzkrise hat in diesem Zusammenhang die öffentliche Diskussion um die Erzie-
hung von mündigen Wirtschafts- und Gesellschaftsbürgern entfacht, welche in der
Lage sind grundsätzlich und alltagsrelevante ökonomische Sachverhalte zu
durchdringen und darauf basierende Entscheidungen zu fällen (vgl. Schumann et
al. 2010, S. 2f.). Ein erfolgreicher Übergang von Bildung in Beruf verlangt entspre-
chend nach flexiblen Individuen mit der Fähigkeit der eigenverantwortlichen Wis-
sensaneignung und ­anwendung.
Institutionalisierte Bildung begegnet diesen Kontextbedingungen durch ein verän-
dertes Zielgefüge bzw. Selbstverständnis (vgl. Gudjons 2008, S. 196ff.):
Zusammenführung von Berufs- und Allgemeinbildung
Vorbereitung auf Komplexitätszuwachs im Arbeitsleben
Befähigung zu selbstbestimmtem und sozialverantwortlichem Handeln
Einführung in die gesellschaftlichen Werte, Normen und Regeln sowie de-
ren kritische und reflexive Bewertung
Diese normative Neubestimmung der Bildung hatte auch Auswirkungen auf die
berufliche Bildung, insbesondere durch die Konzeption eines neuen Steuerungs-
systems und veränderter didaktischer und inhaltlicher Vorgaben.
2.2. Paradigmenwechsel in der Steuerung des Bildungssystems
Insbesondere der internationale Vergleich des deutschen Bildungssystems auf
Grundlage von PISA
4
nährte die Zweifel an der bisherigen Inputsteuerung (vgl.
Klieme et al. 2003, S. 11f.; Sloane 2007, S. 23). Es entwickelte sich die Konzepti-
on eines Bildungsmonitorings, bei welchem die Input-Output (bzw. Outcome)-
2
Diese drückt sich beispielsweise im deutlichen Anstieg an Singlehaushalten aus.
3
Das erhöhte Risiko der Altersarmut zeigt hierbei die Reichweite dieser Entscheidungen auf.
4
1997 hatten die TIMSS-Resultate bereits erste Erschütterungen verursacht, PISA führte dann zur
Bestätigung der Befürchtungen und ein Umbruch der Gestaltung der deutschen Bildungslandschaft
(vgl. KMK/IQB 2006, S.5).

5
Prozesskette nicht normativ-formal über zentral beschlossene Inputs gestaltet
wird, sondern durch ein System der Rechenschaftslegung auf vorab festgelegte
Output-Standards abzielt. Die evidenzbasierte Steuerungslogik erfolgt dabei nicht
monodirektional top-down, sondern führt zu einer veränderten Arbeits- und Ent-
scheidungsorganisation im Rahmen interinstitutioneller Aushandlungsprozesse
5
(vgl. Halbheer/Reusser 2008, S. 257; van Buer 2007, S. 496ff.).
Klare Zielvorgaben (Bildungsstandards), eine erhöhte Flexibilität zur Bewältigung
des Bildungsauftrags im individuellen Kontext und Rechenschaftspflicht einzel-
schulischen Handelns bilden somit die zentralen Strategien des Bildungsmonito-
ring (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia 2007, S. 67).
Durch die Herleitung von Standards aus den allgemeinen Bildungszielen (siehe
Kapitel 2.1.) sollen Leistungsfestlegungen formuliert werden, die nationale Gültig-
keit besitzen und zugleich im jeweiligen regionalen und institutionenspezifischen
Kontext verfolgt werden können. Leistungsvergleichstests dienen dabei der Gene-
rierung von Steuerungswissen, sowohl im Rahmen des nationalen Gesamtsys-
tems als auch als Basis individueller und einzelinstitutioneller Entscheidungen
6
.
Im Bereich der Allgemeinbildung ist die Entwicklung solcher Standards bereits
fortgeschritten
7
, ein Transfer auf den beruflichen Bildungsbereich jedoch durch
andersgeartete Zielsetzungen und institutionelle Rahmenbedingungen erschwert.
2.3. Handlungsorientierung und Lernfeldansatz als didaktisch-curriculare
Leitideen der beruflichen Bildung
Die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse und das allgemeine emanzipatori-
sche Bildungsverständnis (siehe Kapitel 2.1.) schlagen sich auch in der Formulie-
rung des Bildungsauftrags
8
der Berufsschule nieder:
5
Neben der Vorgabe entsprechender Bildungsstandards als Lernergebnisse im Sinne der Outputo-
rientierung, werden zudem umfassende Bestrebungen betrieben, Lehr- und Lernprozesse sowie
institutionelle Elemente über Qualitätsmanagementinstrumente (Schulprogramme, Evaluationen,
Schulinspektionen, Qualitätsstandards etc.) zu verbessern (vgl. Wagner/Rückmann/van Buer 2011,
S. 104ff.). Diese dienen meist systemebenenübergreifend als Steuerungs- und Informationskom-
ponenten.
6
Zur Mehrebigkeit des Handlungsgefüges siehe van Buer 2007, S. 497ff.
7
So wurden nach dem Primarbereich, dem Hauptschul- und Mittleren Schulabschluss 2012 ab-
schlussbezogene Regelstandards für die Allgemeine Hochschulreife in den zentralen Fächern ver-
abschiedet (vgl. KMK 2012).
8
Dieser ist im Besonderen definiert durch Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), die For-
mulierungen der KMK zu den Rahmenvereinbarungen für die Berufsschule (1991) sowie Handrei-

6
,,Die Berufsschule vermittelt eine berufliche Grund- und Fachbildung und erweitert
die vorher erworbene allgemeine Bildung. Damit will sie zur Erfüllung der Aufga-
ben im Beruf sowie zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer
und ökologischer Verantwortung befähigen" (KMK 1991, S. 2).
Die KMK stellt damit nicht ausschließlich das Erlernen allgemeinbildenden Theo-
riewissens bzw. die Fähigkeit zur Ausführung berufsspezifischer Arbeitshandlun-
gen in den Mittelpunkt der Lehr-Lernaktivitäten, sondern vielmehr den Erwerb be-
ruflicher Tüchtigkeit und individueller Mündigkeit (vgl. Breuer 2005, S. 11; Klie-
me/Hartig 2007, S. 23). Handlungskompetenz wird als Globalziel berufsbildender
Bestrebungen verstanden. Sie drückt sich in der Bereitschaft und Befähigung aus,
sich in beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Situationen eigen- und sozial-
verantwortlich sachgerecht denkend zu verhalten (vgl. KMK 2007, S. 10).
Die Ausgestaltung des Lehr-Lernprozesses erfolgt hierbei nicht mehr mit fachwis-
senschaftlich-theoriegeleiteter Fokussierung sondern manifestiert sich in der Nut-
zung des Bildungspotentials der realen Arbeitswelt und den in ihr verorteten Auf-
gaben. Dies äußert sich in ,,komplexeren, subjekt- und arbeitsorientierten Lern-
konzepten" (Berben 2008, S. 1), welche dem Grundsatz der Förderung beruflicher
Handlungskompetenz folgen (vgl. ebenda, S. 6).
Die curriculare Rahmensetzung wird dabei bestimmt durch Lernfelder
9
. Deren Or-
ganisation richtet sich an betrieblichen Arbeits- bzw. Geschäftsprozessen
10
aus
und soll handlungsorientiertes Lernen und Prüfen stimulieren. Durch anknüpfende
didaktisch-curriculare Einzelentscheidungen der Berufsschulen, soll eine Indivi-
dualisierung des Lernens und damit verbundene Diagnose- und Förderungsmög-
lichkeiten geschaffen werden (vgl. Berben 2008, S. 7; Gravert/Hüster 2001, S.
42ff.). Die Einbindung dieses Leitgedankens in ein Berufsbildungssystem, welches
angeschlossen an die Allgemeinbildung mit ähnlichen Steuerungsmechanismen
(siehe Kapitel 2.3.) funktioniert, muss auf Basis des Setzens und der Messung
entsprechender Outputs vollzogen werden.
chungen zur Erarbeitung curricularer Bestimmungen im berufsbezogenen Unterricht (1996) (vgl.
Rauner 2008, S. 107ff.).
9
Dies sind umschlossene Lerneinheiten, welche durch Ziele, Inhalte und Zeitrichtwerte näher spe-
zifiziert werden (vgl. KMK 2007, S. 17).
10
Beide Prozessarten dienen der Erreichung von Unternehmenszielen. Arbeitsprozesse beziehen
sich auf die Herstellung eines konkreten Produkts und sind warenbezogen. Sie sind geprägt durch
Arbeitsprozesswissen. Hingegen sind Geschäftsprozesse wertschöpfungsbezogen und richten sich
stärker auf das Gesamtunternehmen (vgl. Rebmann/Schlömer 2009, S. 2f.; Tramm 2004, S. 136).

7
2.3. Notwendigkeit und Problematik der Messung beruflicher Kompe-
tenzen
Die Komplexität und die bestehenden Normen des beruflichen Bildungsmodells
erschweren die Bestrebungen zum Übergang auf outputorientierte Steuerungsin-
strumente und damit einer Gleichschaltung mit der allgemeinen Bildung.
11
Die
Implementierung eines solchen Governance-Systems macht es notwendig, die
Zusammenhänge von Input- sowie Prozessvariablen und den resultierenden Er-
gebnissen und Wirkungen systematisch zu erfassen (vgl. Seeber et al. 2010, S.
8). Auch die Harmonisierung bzw. Transparenz von Berufsabschlüssen im europä-
ischen Raum ist eng gebunden an eine outputorientierte Erfassung von Leistun-
gen im Sinne empirisch abgesicherter Kompetenzmodelle
12
(vgl. ebenda, S. 5;
Baethge et al. 2006, S. 9). Die Bedeutung der Messung von Kompetenzen er-
schließt sich dabei nicht nur aus der systemischen Ebene, sondern auch aus insti-
tutioneller und individueller Perspektive. Eine Übersicht der Anwendungsfelder der
Kompetenzerfassung bietet Abbildung 1.
Abb. 1: Anwendungsfelder der Erfassung von Leistungen mit Kompetenzmodellen
vgl. Seeber et al. 2010, S. 8.
Problematisch im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Steuerungsinformati-
onen ist die derzeitige Inkompatibilität und mangelnde Operationalisierbarkeit der
Ordnungsmittel in der deutschen beruflichen Ausbildung mit dem Konstrukt der
Handlungskompetenz
13
(vgl. Breuer 2005, S. 16).
11
Problematisch ist hierbei insbesondere die Überlagerung von Zuständigkeiten des Bundes und
der Länder sowie die starke Fragmentierung des derzeitigen Input-Steuerungssystems (vgl. Rau-
ner 2009, S. 155ff.).
12
Die Diskussion zur Entwicklung eines europäischen Referenzsystems umfasst dabei insbeson-
dere die Erarbeitung eines europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) bzw. nationalen Qualifikati-
onsrahmens (NQR) und eines Leistungspunktesystems (ECVET) (vgl. Severing 2006, S. 21ff.).
13
Auch dem deutschen Prüfungswesen (IHK-Prüfungen) wird eine unzureichende Messung beruf-
licher Handlungskompetenzen attestiert (vgl. Klotz/Achtenhagen 2012, S. 4ff.).
Vergleichbarkeit von Leistungen
(national, international)
Empirische Fundierung
des DQR bzw. EQR
Bereitstellung von
Steuerungsinformationen
Ableitung individueller
Fördermaßnahmen
Informationsbasis zur Gestaltung
von Ordnungsmitteln
Zusammenhang von
Ausbildungs- und Berufserfolg
Entwicklung diagnostischer
Fähigkeiten bei Lehrkräften
Ausgestaltung von Lehr-
/Lernprozessen und -materialien

8
Die Durchsetzung eines Bildungsmonitorings ist gebunden an die Verabschiedung
anerkannter Leistungsindikatoren, wie sie die Bildungsstandards im allgemeinbil-
denden System darstellen. Verbände, Behörden sowie politische Akteure fordern
daher die Erarbeitung und Einführung länderübergreifender Bildungsstandards
und einen Leistungsvergleich im Rahmen eines Berufsbildungs-PISA (vgl. Breuer
2005, S. 2; Sloane 2007, S. 25f.).
Die Übertragung der in der Allgemeinbildung existenten Konzeption nationaler Bil-
dungsstandards auf die berufliche Bildung ist dabei recht problembehaftet (vgl.
Baethge et al. 2006, S. 18ff.; Dilger/Sloane 2005, S. 4ff.; Sloane 2007, S. 77ff.):
Struktur: Höhere Komplexität des Berufsbildungssystems (z.B. zwei o-
der mehr Lernorte in der dualen Ausbildung, Vielzahl unterschiedlicher
Bildungsgänge und -abschlüsse)
Didaktisches Konzept: Fachorientierung vs. Lernfeldausgestaltung
Kompetenzverständnis:
Kognitionstheoretischer Ansatz und Fachorien-
tierung vs. Handlungskompetenz und Domänenbezug
14
Die Messung von Leistungen durch Standards gestaltet sich im beruflichen Be-
reich entsprechend diffiziler. Das Lehr- Lernverständnis und die Komplexion der
Berufsbildung machen mehrdimensionale, fachübergreifende Messmodelle not-
wendig, die domänenspezifisch erschlossen werden. Neben diesen strukturellen
Herausforderungen bezüglich der Messmodelle, treten Differenzen im Bereich der
Skalierung und Niveaubildung auf (vgl. Dilger/Sloane 2005, S. 19ff.).
Hohe Einigkeit herrscht darüber, dass entsprechende Leistungsvergleiche nur
über die Messung von Kompetenzen erfolgen können. Die Mannigfaltigkeit der
definitorischen Abgrenzung des Kompetenzbegriffes und der Kompetenztypen
15
erschweren diese Aufgabe jedoch zusätzlich.
14
Auch in der Allgemeinbildung wird der Begriff Domäne verwandt, er ist hier jedoch gleichzuset-
zen mit Fächern. In der beruflichen Bildung ist die Definition der Domäne hingegen facettenreicher
(vgl. Dilger/Sloane 2005, S. 15 bzw. Kapitel 3.1.2.).
15
Die funktionale Relation des Begriffs findet ihren Ausdruck in Konstrukten wie Evaluations-, Ver-
handlungs-, Gesprächsführungskompetenz etc. (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 220).

9
3. Begriffliche Erfassung und Modellierung von Kompetenz
Kompetenz ist kein naturgegeben-abgrenzbares Phänomen. Ihre terminologische
Bestimmung gründet sich je nach fachwissenschaftlicher Färbung auf psychologi-
schen, linguistischen, soziologischen bzw. philosophischen Ansätzen. Um der
Forschungsfrage nachzugehen, welchen Beitrag die einzelnen Messverfahren zur
Erfassung kaufmännischer Handlungskompetenzen liefern, soll zunächst ein
Überblick der verschiedenen Kompetenzbegriffe gegeben werden. Darauf aufbau-
end, wird Handlungskompetenz im beruflichen Kontext näher beleuchtet und eine
Darstellung der geläufigsten Subkonstrukte vorgenommen.
3.1. Definitorische
Abgrenzung des Kompetenzbegriffes
Es ist schwierig, die in unterschiedlichen Forschungskontexten verwendeten Ab-
grenzungen der Kompetenz zu einer einheitlichen Definition zu aggregieren. Zu
divergent scheinen die Auffassungen der Fachrichtungen, auch im Hinblick auf
national-kulturelle Differenzen
16
(vgl. Baethge et al. 2006, S. 18; Klieme/Hartig
2007, S. 13; Edelmann/Tippelt 2008, S. 135f.; Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel
2011, S. 218f.). Zwei fundamentale Ansätze lassen sich dabei unterscheiden.
17
3.1.1. Kognitions- und handlungsbezogene Basisströmungen
Die kognitionsbetonte Sichtweise hat ihren Ursprung in den sprachwissenschaft-
lich geprägten Untersuchungen von Chomsky. Er definiert Kompetenz im Sinne
psychischer Dispositionen ­ innere Voraussetzungen, die die Basis menschlichen
Handelns bilden. Dieses äußert sich in der Performanz (siehe Kapitel 3.1.3.), wel-
che durch kontext- und personenabhängige Faktoren die Kompetenz reflektiert
18
(vgl. Chomsky 1969, S. 13f./ Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 220).
Darauf aufbauend, hat insbesondere Weinert die (kognitive) Kompetenzforschung
maßgeblich beeinflusst
19
. Er spezifiziert die inneren Voraussetzungen als mentale
Bedingungen in Form von vorhandenen bzw. erlernbaren kognitiven Fähigkeiten
16
Für eine Gegenüberstellung internationaler Ansätze der Klassifizierung von Kompetenzen in der
Berufsbildung siehe Baethge et al. 2006, S. 24.
17
Winther führt zudem eine in Großbritannien und Australien vorherrschende Sichtweise an, wel-
che ähnlich den in Deutschland diskutierten Schlüsselqualifikationen, aus arbeitsweltorientiert be-
wältigenden Fähigkeiten (generic skills) resultiert (vgl. Winther 2010, S. 18ff.).
18
Chomsky unterscheidet im Original zwischen Sprachkompetenz, der Fähigkeit des regelabgelei-
teten Sprechens und Sprachverwendung als konkreter situativer Sprachgebrauch).
19
Seine Kompetenzdefinition ist Basis der Bildungsstandards (vgl. Klieme et al. 2003, S. 72).

10
und Fertigkeiten. Das Abrufen dieser ist abhängig von Bereitschaften sozialer, mo-
tivationaler und volitionaler Prägung. Das menschliche Handeln ist dabei zielge-
richtet und zeichnet sich durch Problemlösen in spezifisch-variablen Situationen
aus (vgl. Weinert 2001, S. 27ff.). Weinert entkoppelt somit das motivatio-
nal/volitionale Element aus messtheoretischen Gründen und grenzt den Kompe-
tenzbegriff auf kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen ein (vgl Klie-
me/Hartig 2007, S. 18; Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 221).
Der zentrale Unterschied im Vergleich zur handlungsbezogenen Sichtweise ist
somit diese Externalisierung der Motivationskomponente, die jedoch als Determi-
nante theoretische bzw. empirisch-messtheoretische Betrachtung findet. Die Be-
wältigung der Anforderung selbst, durch Wissen und Können, wird als vordergrün-
dig erachtet (vgl. Rosendahl/Straka 2011, S. 5).
Handlungsbezogene Kompetenzauslegungen hingegen gehen davon aus, dass
über Wissensbestände hinausgehende Prozesse, Veranlagungen und Einstellun-
gen eines Individuums ebenfalls maßgeblich die situative Bewältigung von Anfor-
derungen bewirken (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 223). Diese
Sichtweise geht zurück auf die Arbeiten von Roth. Er interpretierte Kompetenz in
den 70er Jahren als Mündigkeit, welche sich in Selbst-, Sach und Sozialkompe-
tenz äußert. Dieser Trias aus Teilkompetenzen ermächtigt den Menschen zur ei-
genverantwortlichen, fachkundlichen und gesellschaftlichen Urteils- und Hand-
lungsfähigkeit (vgl. Roth 1971, S. 180).
Gemeinsam ist beiden Ansätzen, dass es sich bei Kompetenzen um erlernbare,
kontextualisierte Dispositionen handelt, welche zur Bewältigung unterschiedlicher
Situationen und Anforderungen problemlösend zum Einsatz kommen. Sie sind
damit gegenüber dem Konstrukt der Intelligenz abgegrenzt, da diese sich durch
generalisiertes, zeitlich stabiles und grundlegend an kognitiven Prozessen ausge-
richtetes Problemlösen charakterisieren lässt (vgl. Hartig/Klieme 2006, S. 131).
Die wirtschafts- bzw. berufspädagogische Sichtweise schließt am handlungsbezo-
genen Kompetenzverständnis an und differenziert den Begriff im Rahmen der
Handlungskompetenz weiter aus (vgl. Seeber et al. 2010, S. 3).

11
3.1.2. Berufliche Handlungskompetenz und die Notwendigkeit der Domä-
nenabgrenzung
Die Roth`schen Grundlagen und die in den 70er Jahren entstandene Diskussion
um die Schlüsselqualifikationen
20
begründen die heutige Prägung der berufspäda-
gogischen Forschung. Reetz stellte diese in den Bezug zu Kompetenzen und dif-
ferenzierte die Handlungskompetenz wie folgt aus (vgl. Reetz 1999, S. 41f.):
Sachkompetenz: allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit zum sachgerech-
ten und problemlösenden Handeln
Methodenkompetenz:
als
Erweiterung der Sachkompetenz verstandene
Fähigkeit zum Rückgriff auf Heurismen und Lösungsschemata
Selbstkompetenz: Fähigkeit zu moralisch selbstbestimmtem Handeln
Sozialkompetenz: Fähigkeiten zum kooperativen, sozialkritischen und
kommunikativen Handeln
Handlungskompetenz schließt dabei generelle und kontextspezifische Leistungs-
dispositionen zur Bewältigung von Situationen und Anforderungen sowie die hier-
zu notwendigen motivationalen Aspekte ein (vgl. Hartig/Klieme 2006, S. 128).
Die meisten Autoren und Forscher im beruflichen Bildungsbereich beziehen sich
auf das Modell von Reetz bzw. modifizieren dieses. Die Machbarkeitsstudie für ein
Berufsbildungs-PISA beispielsweise erweitert das Modell zu einem Kompetenzras-
ter. Dieses wird über die unterschiedlichen Kompetenzbereiche und individuellen
Fähigkeiten der Wissensaneignung und ­anwendung
21
aufgespannt (vgl. Baethge
et al. 2006, S. 38ff.). Von vielen Forschern wird das Konstrukt jedoch aufgrund
der problematischen Operationalisierung eingegrenzt (vgl. Seeber et al. 2010, S.
3). Beispielsweise beschränken sich Rosendahl und Straka zur Erfassung bank-
kaufmännischer Kompetenzen auf Fachkompetenzen und ordnen in kognitivisti-
scher Tradition andere innere Voraussetzungen in das deterministische Bedin-
gungsgefüge ein (vgl. Rosendahl/Straka 2011, S. 5). Diese Konzentration auf
kognitive Leistungsbereiche ist konzeptionell limitierend, aus pragmatischen
Gründen jedoch nachvollziehbar und weit verbreitet (vgl. Klieme 2004, S. 11).
20
Reetz greift Martens Problematik der Schlüsselqualifikationen auf. Diese zielen auf arbeitsmarkt-
bezogene Anforderungsprofile ab und weisen entlang von vier Typen (Basis- und Horizontalqualifi-
kationen, Breitenelemente, Vintagefaktoren) personale Kernvoraussetzungen für Arbeitskräfte aus
(vgl. Reetz 1999, S. 32f.).
21
z.B. Einstellungen, Motivation und Wissensarten

12
Die Zielsetzung des Forschungsinteresses ist maßgeblich für das zugrunde geleg-
te Kompetenzverständnis. Bei der Messung im beruflichen Bereich werden dabei
idealtypisch folgende Konzepte unterschieden (vgl. Achtenhagen 2007, S. 489):
Elementar-kognitive
Grundfähigkeiten
(Lesen, Schreiben, Rechnen etc.)
Berufsübergreifend-arbeitsbezogene
Kompetenzen (Selbstorganisation, Inter-
aktion in sozial-heterogenen Gruppen etc.)
Berufsfachliche Kompetenzen (Bewältigung spezifischer beruflicher Rollenan-
forderungen und Tätigkeiten)
Dieser Klassifikation liegt als Kriterium eine Art ,,Spannrichtung" zugrunde. Kompe-
tenzen sind funktional bestimmte Leistungsdispositionen, welche sich erst im situ-
ativen Lern- bzw. Arbeitskontext entfalten. Ihre direktionale Zusammenfassung
kann entsprechend elementar-punktuell, horizontal oder vertikal erfolgen. Letztere
kann als Erfassung im Rahmen einer beruflichen Domäne interpretiert werden.
Der Domänenbezug ist durch die funktionale Ausrichtung der beruflichen Bildung
an lebens- und arbeitsweltrealen Anforderungen für die Messung beruflicher Kom-
petenzen notwendig. Eine generische bzw. breite Anwendung von Schlüsselkom-
petenzen scheint illusorisch (vgl. Klieme 2004, S. 11). In der beruflichen Bildung
kann der Domänenbegriff
22
dabei als Konglomerat lebensrealer Aufgaben mit Be-
zug auf Handlungs- und Orientierungsfähigkeit in einem Berufsfeld umschrieben
werden (vgl. Winther 2010, S. 83). Berufliche Domänen werden durch einen
,,übergeordneten sinnstiftenden, thematischen Handlungskontext [... begründet
und entstehen ...] durch Klassifizierung von Tätigkeiten in einem ,gesetzten' Hand-
lungskontext" (Dilger/Sloane 2005, S. 19, nach Achtenhagen 2004, S. 22). Die
Grenzziehung ist dabei immer durch ein externes Validitätskriterium vorgegeben,
welches auf den Forschungszweck bzw. das zugrunde gelegte Bildungs- und
Kompetenzverständnis verweist (vgl. Winther 2010, S. 84).
Eine berufliche Domäne ist definiert durch, als Kategorien von Handlungen bzw.
Verhalten in beruflichen oder schulischen Situationen (Settings). Sie ist gleich oder
weniger als Handlungs- bzw. Wissensreichweiten eines Berufes oder Zusammen-
22
In diesem Zusammenhang können die elementar-punktuelle mit allgemein-kognitiven Fähigkei-
ten und die horizontale Klasse mit domänenübergreifenden Fähigkeiten beschrieben werden. Die
in der Allgemeinbildung gebräuchliche fachbezogene Spezifikation des Domänenbegriffes ist in der
Berufsbildung durch die Lernfeldausrichtung schwer möglich (siehe Kapitel 2.4.). Für eine ausführ-
liche Diskussion eines fachübergreifenden und damit modellvariierenden Domänenkonzeptes sie-
he Winther 2010, S. 79ff.

13
fassungen von Lernfeldern (vgl. ebenda, S. 83). Sie wird determiniert über typi-
sche ,,Inhalte, Konzepte, Theorien, Terminologien, Strategien, Arbeitsmethoden
und Repräsentationsformen" (ebenda, S. 66).
Bei der Messung beruflicher Handlungskompetenz werden Personen typischer-
weise mit, Anforderungen in Form von Aufgaben konfrontiert, welche der berufs-
realen Welt entlehnt sind. In Interaktion mit der Person und ihren internen Proposi-
tionen kommt es zur Lösung bzw. Nichtlösung der Aufgabe, wodurch sich Rück-
schlüsse auf die Kompetenz ziehen lassen. Auf die verantwortlichen Personen-
merkmale soll in der Folge kurz eingegangen werden.
3.1.3. Personale Voraussetzungen, Handlung und Performanz
Zur Bewältigung von Handlungsanforderungen dienen dem Individuum die jeweili-
gen Fertigkeiten und Fähigkeiten
23
, welche sich aus der Interaktion und Verknüp-
fung der personalen inneren Möglichkeiten des Handelns und der Wissensbasis
ergeben (vgl. Baethge et al. 2006, S. 39; Straka/Macke 2009, S. 15.).
Die Dispositionen zeichnen durch handlungs- und orientierungsgebende Aspekte
aus. Handlungsdispositionen sind insbesondere kognitive Prozesse und Wissens-
strukturen, die den Menschen in die Lage versetzen, Handlungen durchzuführen.
Die Intensität der Durchführung hängt von regulativen Aspekten ab. Diese Orien-
tierungsdispositionen beinhalten prädezisionale motivationale Elemente, welche
dem Handeln die Richtung geben und motivationale und volitionale Realisierungs-
elemente, welche die auszuführenden Aktionen aufrechterhalten, kontrollieren und
bewerten (vgl. Heckhausen/Heckhausen 2010, S. 3ff.; Straka/Macke 2009, S. 15).
Eine ähnliche Funktion erfüllen das Wertesystem und die Einstellungen der han-
delnden Person. Sie positionieren diese gegenüber Objekten, Inhalten oder Ereig-
nissen und begründen z.B. das Urteilsvermögen
.
Emotionen und Motivationen
sind dabei untrennbar mit Kognitionen verbunden (vgl. Edelmann 2000, S. 113).
Kognitive Prozesse ermöglichen die Herausbildung von Wissensstrukturen. Beide
bilden das kognitive Potential. Sie verantworten maßgeblich die kognitive Bewälti-
gung von Handlungsanforderungen. In ihrer Weiterentwicklung der Bloom`schen
Lernzieltaxonomien liefern Anderson und Krathwohl eine Möglichkeit, die beiden
Dimensionen des Lernens zu klassifizieren. Kognitive Prozesse werden in die
23
Zur Unterscheidung zwischen Fähigkeiten und Fertigkeiten siehe Kapitel 3.2.1.

14
sechs Oberkategorien Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Bewerten
und Erschaffen unterteilt. Bezüglich der Wissensstrukturen werden die Subkatego-
rien Faktenwissen, prozedurales, konzeptuelles und metakognitives Wissen unter-
schieden (vgl. Anderson/Krathwohl 2001, S. 46ff.).
Abb. 2: Komponenten des kognitiven Potentials
in Anlehnung an Anderson/Krathwohl 2001, S. 46ff.
Diese gespeicherten und abrufbaren Prozesse, Strukturen und Informationen er-
möglichen das dem Kompetenzbegriff inhärente Problemlösen
24
. Die dafür not-
wendige durchzuführende Handlung ist gemäß dem Modell der vollständigen
Handlung durch sechs Prozessstufen gekennzeichnet (siehe Abbildung 3).
24
Ein Problem ist gekennzeichnet durch einen unerwünschten Anfangszustand und ein Hindernis
zur Herbeiführung eines erwünschten Zielzustands (vgl. Edelmann 2000, S. 209).
Erinnern
Verstehen
Anwenden
Analysieren
Bewerten
Erschaffen
Fakten Konzepte
Prozeduren
Kognitives Potential
Metakognition
Kognitive Prozeduren
Wissensstrukturen
Wissen über
- Begriffe
- Details
- Elemente
spezifischer Fach-
disziplinen bzw.
Problemfelder
Wissen über
- Klassifikationen
- Kategorien
- Prinzipien
- Generalisierungen
- Theorien
- Modelle
- Strukturen
Wissen über
- Fähigkeiten
- Algorithmen
- Techniken
- Methoden
- Kriterien korrekter
Anwendung vorge-
nannter Kategorien
Wissen über
- Strategien
- Kontext
- Reflexionen
- eigene Fähigkeiten
zur Problemlösung,
kognitiven Anforde-
rungsbewältigung
Abb. 3: Modell vollständiger Handlung
aus: Tramm/Rebmann 1997, S. 14

15
Der Prozess der Handlungsausführung bzw. die damit zusammenhängenden be-
obachtbaren Fähigkeiten und das Handlungsergebnis, im Sinne des operativen
Outputs, werden als Performanz verstanden. Die zugrundeliegenden inneren Dis-
positionen repräsentieren hingegen die Kompetenz (siehe Kapitel 3.1.1.).
Die Messung von Kompetenz kann entsprechend auf Basis der Performanz erfol-
gen und stellt auf das generative Verhältnis beider Konstrukte ab (vgl. Winther
2009, S. 9). Sie kann jedoch auch durch Bestimmung vorgenannter Dispositionen
durchgeführt werden. Beide Verfahren machen eine entsprechende Modellbildung
notwendig, um das nicht-beobachtbare Konstrukt der Kompetenz auf Basis mess-
barer Variablen zu erheben (vgl. Seeber et al. 2010, S. 6).
3.2. Modelle
zur
Abbildung von Kompetenz
Die Entwicklung von Modellen basiert auf theoretischen Formulierungen von Hy-
pothesen bzw. Annahmen, die im Rahmen empirischer Untersuchungen überprüft
und zu bestätigten Modellen verdichtet werden. Sie ermöglichen die Transformati-
on theoretischer Konstrukte auf die Messebene und die Interpretation der ermittel-
ten Messwerte
25
(vgl. Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 224). Bezüglich der
Erforschung von Kompetenzen können drei Modelltypen unterschieden werden.
3.2.1. Kompetenzstrukturmodelle
Sie erfassen die Binnenstruktur der zu messenden Kompetenzen in Form von
Subdimensionen. Kompetenzstrukturmodelle können als theoretische Vorarbeiten
zur Erfassung der Kompetenzen eigesetzt werden und bieten damit z.B. die Mög-
lichkeit, differenzierte Messverfahren für die einzelnen Teildimensionen zu ver-
wenden (vgl. Achtenhagen/Winther 2008, S. 125). Sie können aber auch aus den
ermittelten Merkmalsausprägungen durch korrelative Zusammenhänge konstruiert
werden
26
. Eine Kombination beider Verfahren im Sinne einer Überprüfung der Mo-
dellannahmen ist dabei sinnvoll und wird in aktuellen Forschungsvorhaben prakti-
ziert (vgl. Seeber et al. 2010, S. 4).
25
Man kann hierbei zwischen Mess- und Analysemodellen differenzieren.
26
Winther vollzieht diese Trennung strenger und unterscheidet zwischen einer qualitativen Be-
schreibung der Teildimensionen durch Kompetenzstrukturmodelle im Sinne inhaltlich-semantischer
Variablen und dem Messmodell, welches daraus entsteht und anhand dessen die angenommene
Modellstruktur empirisch überprüft und gegebenenfalls modifiziert wird (vgl. Winther 2011, S. 133).

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17
3.2.2. Kompetenzniveaumodelle
Diese Modelle untergliedern das Kontinuum von Kompetenzen in Klassen und
beschreiben diese anhand qualitativer Kriterien. Quantitative Leistungswerte wer-
den zu Skalenabschnitten transformiert. Durch Bezug zu Anforderungscharakteris-
tika wird eine Beschreibung des Erfüllungsgrades der in diesen Klassen lokalisier-
ten Kompetenzen ermöglichen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von
kriteriumsorientierten Interpretationen. Durch die testwertbasierte Zuordnung indi-
vidueller Testpersonen zu den Klassen, können Rückschlüsse gezogen werden,
welche spezifischen Anforderungen diese Person zu bewältigen imstande ist (vgl.
Hartig/Klieme 2006, S. 133f.; Winther 2010, S. 40). Bei der Einteilung bzw. Be-
schreibung der Niveauklassen kann grundsätzlich zwischen zwei Verfahren unter-
schieden werden (vgl. Seeber et al. 2010, S. 5):
a) Bestimmung kritischer Schwellen nach Beaton und Allen
Die Einteilung der Skalen kann dabei willkürlich (z.B. durch Setzung gleich großer
Klassen), normenorientiert (z.B. durch Leistungsmittelwerte von Jahrgangsstufen)
oder durch traditionell-psychometrische bzw. Methoden der Item-Response-
Theorie (siehe Kapitel 4.2.2.) erfolgen. Für die Beschreibung der Niveauklassen
erfolgt dann eine post-hoc Analyse der Inhalte der Aufgaben, welche an den Klas-
sengrenzen bzw. Schwellen als Diskriminierungsmerkmal
29
fungieren (vgl.
Beaton/Allen 1992, S. 192f.).
b) Prädiktion von Itemschwierigkeiten unter Rückgriff auf Aufgabenmerkmale
Diese Methode basiert auf vorab festgelegten schwierigkeitsbestimmenden Anfor-
derungsmerkmalen. Diese theoriegeleiteten Annahmen führen zu spezifischen
Schätzungen der Aufgabenschwierigkeiten, welche dann mit den empirisch ermit-
telten Ergebnissen verglichen werden. Mittels Regressionsanalysen können die
Anforderungsmerkmale dann auf ihren Erklärungsgehalt bezüglich des Schwierig-
keitskriteriums überprüft werden. Die schwierigkeitsrelevanten Variablen dienen
dann der Beschreibung der Niveauklassen und bilden darüber hinaus die Basis
der Neukonstruktion von Aufgaben (vgl. Hartig 2007, S. 86ff.; Hartig/Klieme 2006,
S. 133ff.).
29
Dies sind Aufgaben, welche durch Testpersonen in der höheren Klasse zum größten Teil gelöst
und in der niedrigeren Klasse nicht gelöst wurden. Sie werden auf generalisierbare Merkmale hin
untersucht, die die Zugehörigkeit zu den entsprechenden Niveauklassen erklären können.

18
Die qualitative Beschreibung von Niveauklassen hat somit deutliche Vorteile ge-
genüber quantitativen Leistungsbeschreibungen mittels Intervall- oder Ordi-
nalskalen. Die Zuordnung von Personen zu kriterial interpretierten Klassen ermög-
licht eine teilkompetenzen- sowie fähigkeitsgenauere Vergleichbarkeit von Indivi-
duen sowie Gruppen
30
. Sie dienen insbesondere der besseren Kommunizierbar-
keit der Ergebnisse, sind jedoch immer verbunden mit Informationsverlusten und
suggerieren Gruppenzugehörigkeiten trotz interindividueller Heterogenität inner-
halb der Niveauklassen (vgl. Hartig 2007, S. 86).
3.2.3. Kompetenzentwicklungsmodelle
In engem Zusammenhang mit Niveauklassen können Entwicklungsmodelle be-
trachtet werden, wobei ihre Zielsetzung in der Ableitung entwicklungspsychologi-
scher Unterschiede zwischen Niveaustufungen zu verstehen ist (vgl. Winther
2010, S. 42). Sie geben Aufschluss über die sequentielle Abfolge der Herausbil-
dung von Kompetenzen und basieren auf den Annahmen, dass
1. das Erreichen einer Klasse, irreversibel das Verfügen über die diesem Ni-
veau zuordenbaren Fähigkeiten durch ein Individuum darstellt.
2. das Erreichen einer höheren Klasse die Fähigkeiten der niedrigeren Klasse
mit einschließt.
Dieses, der kognitiven Entwicklungspsychologie entlehnte Konzept, gilt jedoch als
sehr umstritten. Die Komplexität des Zusammenspiels der, dem Kompetenzkon-
strukt inhärenten, Subkonzepte und die interindividuellen sowie interkulturellen
Unterschiede in Wertesystemen, Denk- und Handelsweisen machen die Abbildung
in einem solchen Entwicklungsmodell zum jetzigen Zeitpunkt der Forschung kaum
vorstellbar (vgl. Helmke/Hosenfeld 2004, S. 63).
Zudem existieren Theorien, dass neben den Kompetenzniveauausprägungen ei-
nes Individuums auch dessen Strukturkomponenten der Kompetenz Veränderun-
gen im Zeitablauf obliegen können. So beschreibt Winthers ,,Modell der Kompe-
tenzentwicklung von der Ausbildung bis zum Beschäftigungsvollzug" die strukturel-
le Transformation kaufmännischer Kompetenz (vgl. Winther 2010, S. 259).
30
Sie sind damit die Voraussetzung eines System-Monitorings, welches auch intertemporale und
internationale Vergleiche zulässt (vgl. Hartig/Jude 2007, S. 24).

19
Kompetenzentwicklungsmodelle zielen damit auf den Charakter der Prozesshaf-
tigkeit des Lernens und einer entsprechenden Generalisierbarkeit des Lernfort-
schritts ab. Im Bereich der beruflichen Bildung geht es darum, ,, [...] wie sich im
Verlauf eines beruflichen Bildungsprozesses, insbesondere durch das Handeln in
beruflichen Situationen, Wissen und Erfahrungen kumulieren und so das inkorpo-
rierte Arbeitsvermögen der Person komplexer wird und sie Kompetenzen auf hö-
heren Stufen herausbildet. (Kettschau 2012, S. 7)"
Diese Ergebnisse können wertvolle Erkenntnisse für die Ausgestaltung von Ord-
nungsmitteln, Curricula und Unterrichtsplanung darstellen
31
. Die theoretische und
empirische Basis solcher Modelle ist jedoch limitiert: ,,Obgleich inzwischen zu-
nehmend in mehreren Studien der Fokus auf die Kompetenzentwicklung gelegt
wird, existieren hierzu kaum hinreichend elaborierte sowie ggf. testadäquate theo-
retische Grundlegungen, die eine Operationalisierung der Entwicklungen von
Kompetenzen erlauben." (Zlatkin-Troitschanskaia/Seidel 2011, S. 227)
3.3. Arbeitsdefinition
kaufmännischer Handlungskompetenz
Die Bestimmung des ,,Kaufmännischen" im Rahmen der Beruflichkeit
32
, macht es
zunächst notwendig, den Begriff des Berufes näher zu beleuchten.
Das skizzierte Bildungsverständnis (siehe Kapitel 2.1.) verdeutlicht, dass über eine
rein arbeitsmarktorientierte Qualifikationsentwicklung hinauszugehen ist und viel-
mehr soziostrukturelle als auch subjektbezogene Facetten berücksichtigt werden
müssen (vgl. Hellwig 2008, S. 259). Fürstenberg beschreibt Berufe als ,, [...] eine
spezifische Form der Erwerbstätigkeit, die auf einer relativ dauerhaften Verbin-
dung von systematisch in Lernprozessen erworbenen Qualifikationen mit entspre-
chenden Tätigkeitskomplexen beruht und ihrem Träger einen gesellschaftlich an-
erkannten Status sowie Handlungskompetenz im Rahmen sanktionierter Regel-
bindung vermittelt." (Fürstenberg 2000, S. 20)
31
Insbesondere die Arbeiten von Dreyfus und Dreyfus und ihr Novizen-Experten Modell hatten
einen Einfluss auf die entwicklungscharakteristische Gestaltung der Lehrplanentwicklung mit Be-
zug zu Arbeits- und Geschäftsprozessen (vgl. Kettschau 2012, S. 7).
32
Hierbei soll keine Differenzierung zwischen Beruf und Beruflichkeit vorgenommen werden (vgl.
Hellwig 2008, S. 252).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783956363207
ISBN (Paperback)
9783956366642
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftspädagogik
Erscheinungsdatum
2014 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
Kompetenz; kaufmännische Kompetenz; Messung; Handlungskompetenz; Large Scale Assessment; Wirtschaftspolitik
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Titel: Messung kaufmännischer Handlungskompetenz in der beruflichen Bildung
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