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Ich habe mein Leben zurück

Persönliche Assistenz und Lebensqualität bei körperlicher Behinderung

©2013 Diplomarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Zusammenfassung
Titel:
„Ich habe mein Leben zurück“
Persönliche Assistenz und Lebensqualität bei körperlicher Behinderung
Zielsetzung: Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit Persönlicher Assistenz und Lebensqualität bei körperlicher Behinderung. Ziel war es, neben den Erfahrungen, welche körperbehinderte Menschen mit Persönlicher Assistenz machen, vor allem Herausforderungen und Schwierigkeiten zu verdeutlichen. Theoretischer Bezugsrahmen war dabei die Lebensqualitätsforschung mit ihren unterschiedlichen Ansätzen, wobei insbesondere auf die Lebensqualität bei Behinderung eingegangen wurde. Methodik: Es wurden acht problemzentrierte Interviews mittels Leitfaden geführt. Nach einer wörtlichen Transkription wurden diese mittels zusammenfassender Inhaltsanalyse ausgewertet. Ergebnisse: Lebensqualität wird bei den körperlich behinderten Menschen, die an dieser Untersuchung teilnahmen, sehr stark mit Selbstbestimmung assoziiert jedoch auch Freizeit und das Leben in den eigenen vier Wänden gehören für die interviewten Personen zur Lebensqualität. Zu den größten Herausforderungen gehören für die interviewten Personen die Personalsuche, Konfliktlösung mit den AssistentInnen und der Umgang mit den Behörden. Fazit: Trotz der zum Teil negativen Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz und der immer wieder auftretenden Konflikte die entstehen, gaben alle Interviewpartner an, dass sich ihre Lebensqualität im Gegensatz zur vorherigen Wohnform verbessert hätte.
Schlüsselwörter: Lebensqualität, Selbstbestimmung, körperliche Behinderung, Persönliche Assistenz

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Hackl, Jasmina: Ich habe mein Leben zurück. Persönliche Assistenz und
Lebensqualität bei körperlicher Behinderung, Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2014
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-2782-0
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2014
Zugl. FH Joanneum Graz, Graz, Österreich, Diplomarbeit, 2013
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© Diplom.de, Imprint der Diplomica Verlag GmbH
Hermannstal 119k, 22119 Hamburg
http://www.diplom.de, Hamburg 2014
Printed in Germany

I
Vorwort
Für diese Masterarbeit war es mir besonders wichtig ein Thema zu wählen, das mich
interessiert. Da ich selbst als persönliche Assistentin arbeite war für mich von Anfang an klar,
dass ich für meine Masterarbeit ein Thema aufgreife, welches sich mit Persönlicher Assistenz
und körperlicher Behinderung befasst. Diese Masterarbeit stellte eine große Herausforderung
für mich dar, weil ich meine persönliche Sichtweise zum Thema Persönliche Assistenz
erweitern musste. Es ging auch darum, einen kritischen Standpunkt zur Thematik zu
gewinnen, was nicht sehr leicht gefallen ist, da ich durch meine eigenen Erfahrungen mit
persönlicher Assistenz eine sehr positive Grundhaltung zur Thematik hatte.
Danken möchte ich hiermit allen, die mir bei der Erstellung dieser Masterarbeit behilflich
waren. Insbesondere gilt mein Dank der ,,Erzherzog Johann Gesellschaft", die mich finanziell
bei der Erstellung der Masterarbeit unterstützte.

II
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ... I
Abstract ... V
Zusammenfassung ... VI
1. Einleitung
...
1
1.1. Definitionen
...
3
1.1.1. Selbstbestimmt Leben ... 3
1.1.2. Persönliche
Assistenz
...
3
1.1.3. Der Kompetenzbegriff im Modell der persönlichen Assistenz ... 4
1.1.4. Körperliche
Beeinträchtigung / Behinderung ... 5
2. Theoretische
Grundposition - Lebensqualität... 8
2.1. Begriffliche
Dimensionen und Konzepte ... 9
2.2. Philosophische
Ansätze ... 12
2.3. Gesundheitswissenschaftlicher Ansatz... 13
2.4. Lebensqualität
und
Behinderung ... 14
2.5.
Bezug zur Persönlichen Assistenz ... 18
3.
Relevanz und Problemdarstellung ... 20
3.1. Persönliches
Budget
in
der Steiermark ... 24
3.2. Kritische
Überlegungen zum ,,Persönlichen Budget" ... 28
3.3. Fremdbestimmung
in
Institutionen
...
31
3.4. Fremdbestimmung
durch Persönliche Assistenz ... 33
4. Forschungsfragen
... 35
5. Geschichtlicher
Hintergrund
der
,,Selbstbestimmt Leben" Bewegung ... 36
6. Methodik
...
38
6.1. Methodische
Grundposition
­ symbolischer Interaktionismus ... 38
6.2. Forschungsdesign
... 39
6.2.1. Erhebungsmethode: Das problemzentrierte Interview ... 39
6.2.2. Begründung
-
Erhebungsmethode ... 40

III
6.3. Auswahlstrategie:
Sampling ... 40
6.3.1. Theoretisches
Sampling
... 40
6.3.2. Einschlusskriterien
...
41
6.3.3. Ausschlusskriterien
...
41
6.4. Reflexion der Interviews ... 42
6.5. Datenanalyse ... 44
6.5.1. Qualitative
Inhaltsanalyse nach Mayring ... 44
6.5.2. Begründung
Datenanalyse ... 46
6.5.3. Ablauf der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ... 46
6.5.4. Ablauf der Kategorienbildung ... 48
6.6. Grenzen der Untersuchung ... 50
7. Ergebnisse
...
52
7.1. Überblick
über die InterviewpartnerInnen ... 52
7.1.1. Demographische
Daten ... 52
7.1.2. Familie
und
Wohnsituation
...
53
7.1.3. Behinderung
... 54
7.1.4. Persönliche
Assistenz
...
54
7.2. Ergebnisse
aufgrund des Kategoriensystems ... 55
7.2.1. Selbstbestimmung
...
55
7.2.2. Gesundheit
... 58
7.2.3. Fremdbestimmung
...
60
7.2.4. Vorteile von Persönlicher Assistenz ... 63
7.2.5. Nachteile, Schwierigkeiten und Herausforderungen bei einem Leben mit
Persönlicher Assistenz ... 65
7.2.6. Konfliktfelder
Helfer ­ Empfänger ... 69
7.3. Interpretation der Kategorien im Sinne der Fragestellungen ... 72
7.4. Zusammenfassung
der
Ergebnisse
...
80
8. Schlussfolgerungen und Diskussion ... 82

IV
9. Resümee
...
84
10. Literaturverzeichnis
... 86
10.1. Internetquellen ... 90
11. Abbildungs-
und
Tabellenverzeichnis ... 91
12. Anhang
... 92
12.1. Interviewleitfaden ... 92

V
Abstract
Title: "I have my life back" Personal assistance and quality of life for the handicapped.
Objective: The subject of this thesis was to show the effects of the personal assistance in
view of quality of life for the handicapped. Also the experiences physically disabled make
with personal assistance were evaluated. Another aim was to clarify difficulties and
challenges these people face with personal assistance. The theoretical background was
about the quality of life with different approaches and particularly the quality of life with
disability. Methodology: Eight problem-centered interviews with physically disabled were
conducted. After a literal transcription these were evaluated with a summarizing content
analysis. Results: Quality of life among physically disabled, who took part in this study, was
strongly associated with self-determination. Leisure and living in their own homes were also
important factors for their quality of life. The biggest challenges were the recruitment of
staff, solving conflicts with the assistants and dealing with the authorities. Conclusion:
Despite negative experiences and the recurring conflicts with personal assistance all
interviewed physically disabled said that their quality of life had improved in contrast to the
previous form of living.
Key words: quality of life, self-determination, physical disability, personal assistance,

VI
Zusammenfassung
Titel:
,,Ich habe mein Leben zurück"
Persönliche Assistenz und Lebensqualität bei körperlicher Behinderung
Zielsetzung: Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit Persönlicher Assistenz und
Lebensqualität bei körperlicher Behinderung. Ziel war es, neben den Erfahrungen, welche
körperbehinderte Menschen mit Persönlicher Assistenz machen, vor allem
Herausforderungen und Schwierigkeiten zu verdeutlichen. Theoretischer Bezugsrahmen war
dabei die Lebensqualitätsforschung mit ihren unterschiedlichen Ansätzen, wobei
insbesondere auf die Lebensqualität bei Behinderung eingegangen wurde. Methodik: Es
wurden acht problemzentrierte Interviews mittels Leitfaden geführt. Nach einer wörtlichen
Transkription wurden diese mittels zusammenfassender Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Lebensqualität wird bei den körperlich behinderten Menschen, die an dieser
Untersuchung teilnahmen, sehr stark mit Selbstbestimmung assoziiert jedoch auch Freizeit
und das Leben in den eigenen vier Wänden gehören für die interviewten Personen zur
Lebensqualität. Zu den größten Herausforderungen gehören für die interviewten Personen
die Personalsuche, Konfliktlösung mit den AssistentInnen und der Umgang mit den
Behörden. Fazit: Trotz der zum Teil negativen Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz und
der immer wieder auftretenden Konflikte die entstehen, gaben alle Interviewpartner an, dass
sich ihre Lebensqualität
im Gegensatz zur vorherigen Wohnform verbessert hätte.
Schlüsselwörter: Lebensqualität, Selbstbestimmung, körperliche Behinderung, Persönliche
Assistenz

1
1.
Einleitung
Im ersten Kapitel soll der Leser an die Thematik Persönliche Assistenz herangeführt werden,
indem Ziel und Forschungsfragen sowie die wichtigsten Definitionen der Masterarbeit
beschrieben werden. Im zweiten Kapitel wird die theoretische Grundposition ­
Lebensqualitätsforschung - durch verschiedene Ansätze beschrieben. Im Teil zur Relevanz
und Problemdarstellung folgen Ausführungen zum Persönlichen Budget in der Steiermark
sowie kritische Überlegungen dazu. Des Weiteren geht es um Fremdbestimmung in
Institutionen sowie durch Persönliche Assistenz. Im Kapitel 4 werden nochmals die
Forschungsfragen angeführt, welche sich aus den vorherigen Kapiteln ableiten. Anschließend
folgt ein kurzer historischer Überblick zur ,,Selbstbestimmt-Leben-Bewegung". Kapitel 6
beschäftigt sich mit der Methodik dieser Masterarbeit. Es werden das Forschungsdesign mit
Erhebungsmethode, die Auswahlstrategie mit Einschluss- und Ausschlusskriterien sowie eine
Reflexion der Interviews angeführt. Abschließen wird dieses Kapitel die Beschreibung der
Datenanalyse sowie die Grenzen der Untersuchung. Kapitel 7 widmet sich der Darstellung
der Ergebnisse durch einen Überblick über die Interviewpartner, Ergebnisse aufgrund des
Kategorienschemas sowie einer Interpretation des Kategorienschemas im Sinne der
Forschungsfragen. Am Ende des Kapitels zu den Ergebnissen steht eine Zusammenfassung.
Diese Masterarbeit schließt mit den Kapiteln Schlussfolgerung und Diskussion sowie einem
Resümee ab.
,,Wie Gesundheit, so hat auch ,,Selbstbestimmung" einen suggestiven Klang. Wer
wollte nicht autonom leben, in Freiheit und Unabhängigkeit? Aktuell gilt der
Begriff als zentrale Leitlinie der Behindertenpolitik" (Waldschmidt, 2003)
In Österreich besteht ein Konsens darüber, dass ,,ambulant vor stationär" stehen sollte. Für
diese Arbeit wird ambulant so verstanden, dass Menschen mit körperlicher Behinderung in
ihren eigenen vier Wänden mit Unterstützung von Persönlicher Assistenz leben können.
Unter stationär wird in diesem Kontext ein Leben in institutionellen Einrichtungen
verstanden. In der Realität zeigt sich noch immer häufig, dass diese Forderung nur auf dem
Papier zu bestehen scheint.
,,Für sich lebst sorgen können, das heißt, sein Leben selbstständig zu gestalten, unabhängig
zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen und nach ihnen zu handeln, kurz, das heißt
Selbstbestimmung. In unserer Gesellschaft wird davon ausgegangen, dass behinderte

2
Menschen nicht zur Selbstsorge fähig sind. Sie gelten als Objekte der Fürsorge und weniger
als aktiv handelnde, vernünftige Subjekte. Denn schließlich leben sie häufig in personalen
und strukturellen Abhängigkeiten, sind von professionellen Helfern umgeben und wohnen
dauerhaft in institutionellen Zusammenhängen" (Waldschmidt, 2003).
Das Modell der Persönlichen Assistenz stellt eine Alternative für Menschen mit Behinderung
dar um ein möglichst selbstbestimmtes Leben abseits von institutionellen Einrichtungen zu
führen.
Diese Masterarbeit hat zum Ziel, aufzuzeigen welche positiven als auch negativen
Erfahrungen in Bezug auf Lebensqualität und Gesundheit auftreten, wenn körperbehinderte
Menschen sich für ein Leben mit Persönlicher Assistenz entscheiden. Persönliche Assistenz
bedeutet ein hohes Maß an Organisation und stellt körperlich behinderte Menschen vor
Herausforderungen, die sie täglich bewältigen müssen. Deshalb soll in dieser Masterarbeit
insbesondere auf Probleme und Schwierigkeiten körperlich behinderter Menschen mit
Persönlicher Assistenz eingegangen werden, um dadurch neue Wege aufzeigen zu können,
dieses Modell zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Die leitenden Forschungsfragen, die in dieser Masterarbeit beantwortet werden sollen und
aufgrund des Konzepts Lebensqualität sowie durch die Problemdarstellung zur
Behindertenpolitik in der Steiermark erstellt wurden, sind:
x Welche Erfahrungen machen körperbehinderte Menschen in Bezug auf Lebensqualität
und Gesundheit mit Persönlicher Assistenz?
x Welche Hindernisse und Herausforderungen ergeben sich bei einem Leben mit
Persönlicher Assistenz und wie gehen körperbehinderte Menschen mit
Konfliktsituationen bei Assistenz um?
x Welche Bedürfnisse und Wünsche haben körperbehinderte Menschen bezüglich einer
Verbesserung des Lebens mit Persönlicher Assistenz?

3
1.1.
Definitionen
Um in weiterer Folge ein einheitliches Verständnis der verwendeten Begriffe zu bekommen,
werden die wichtigsten Definitionen angeführt.
1.1.1.
Selbstbestimmt Leben
Eine einheitliche Definition von Selbstbestimmung existiert nicht. Die ,,Selbstbestimmt Leben
Bewegung" versteht den Begriff als Forderung gegen Diskriminierung, Fremdbestimmung
und Aussonderung beeinträchtigter Menschen (vgl. Franz, 2002, S. 16).
,,Im Kontext des Selbstbestimmt Leben Paradigmas verstehen sich behinderte Menschen als
Expertinnen und Experten in eigener Sache, die die von ihnen benötigten Hilfen
selbstbestimmt mittels Schaffung echter Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihres Lebens in
allen Bereichen organisieren wollen"(Franz, 2002, S. 15).
Steiner (1999) definiert Selbstbestimmung als ,,das Recht, seine Angelegenheiten selbst zu
ordnen" (Steiner, 1999, S. 104).
In dieser Arbeit möchte ich den Begriff ,,Selbstbestimmtes Leben" als ein Grundrecht des
Menschen verstehen, welches insbesondere körperlich behinderten Menschen ein von
institutionellen Einrichtungen, sachlichen und personellen Zwängen unabhängiges Treffen
von Entscheidungen ermöglichen soll.
1.1.2.
Persönliche Assistenz
Persönliche Assistenz wird in dieser Arbeit als Hilfestellung zur Bewältigung des alltäglichen
Lebens von behinderten Menschen verstanden. Fremdbestimmung soll dadurch möglichst
reduziert und ein eigenständiges Leben ermöglicht werden. Der Assistenznehmer entscheidet
eigenverantwortlich wann, wo und wie Hilfe benötigt wird. Die Art, der Umfang und Inhalt
der Hilfeleistung durch einen Assistenten richtet sich nach dem individuellen Bedarf und der
jeweiligen Lebenssituation der Assistenznehmer. Persönliche Assistenten ersetzen die
körperliche Beeinträchtigung zum Beispiel Motorik eines behinderten Menschen. Der
Lebensalltag in den eigenen vier Wänden wird von den behinderten Menschen selbst
organisiert. Dadurch wird der Hilfeempfänger gleichzeitig zum Arbeitgeber, wenn es sich um
das Arbeitgebermodell der persönlichen Assistenz handelt. Es besteht jedoch auch die

4
Möglichkeit sich den Hilfebedarf über Assistenzorganisationen (Verein, Genossenschaft)
organisieren zu lassen. Je nach Organisationsform der Persönlichen Assistenz ­
Arbeitgebermodell oder Assistenzorganisation ­ ergeben sich mehr oder weniger
Kompetenzen über die der körperbehinderte Mensch verfügen muss, wenn er/sie mit
Persönlicher Assistenz leben möchte (vgl. Franz, 2002, S. 41ff).
Der Begriff ,,persönlich" soll verdeutlichen, dass die Assistenz sich an den Bedürfnissen der
behinderten Person auszurichten hat und deren Vorstellung vom Leben. Es geht auch nicht
in erster Linie um die Bereitstellung von pflegerischen Hilfen. Begriffe wie Pflege, Betreuung
und Fürsorge bedeuten oft, dass die Betroffenen nicht in der Lage sind für sich selbst zu
sorgen oder Entscheidungen im Alltag und in der Lebensplanung zu treffen (vgl. Österwitz,
1994).
1.1.3.
Der Kompetenzbegriff im Modell der persönlichen Assistenz
Personalkompetenz:
Wenn das Arbeitgebermodell gewählt wird, werden auch die persönlichen AssistentInnen
selbst angemeldet und es entsteht ein Arbeitsverhältnis, das unter Einhaltung des
Arbeitsrechtes auch wieder beendet werden kann. Zur Personalkompetenz gehören die
Personalsuche, die Anstellung und die Einschulung vor Ort des Assistenten.
,,Die Ausübung der Personalkompetenz trägt im erheblichen Maße dazu bei, die
Menschenwürde auf Hilfe angewiesener Menschen zu wahren und ihnen eine
selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen" (Franz, 2002, S. 41).
Wenn Persönliche Assistenz über eine Assistenzorganisation organisiert wird, steht den
behinderten Menschen offen, ob sie selbst Assistenten auswählen möchten oder lieber aus
dem Pool der Organisation Assistenten wählen.
Anleitungskompetenz
,,Im Rahmen der Anleitungskompetenz leiten Assistenznehmer ihre persönlichen Assistenten
entsprechend ihrer Bedürfnisse an und legen fest, welche Tätigkeiten wie zu leisten sind"
(Franz, 2002, S. 41).

5
Dazu ist es notwendig genaue Arbeitsanweisungen zu geben, was voraussetzt, dass die
Assistenznehmer sich über ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Klaren sind.
Organisationskompetenz
Organisationskompetenz umfasst die Erstellung von Dienstplänen, Festlegung des
Arbeitsbereiches, des Arbeitsortes und des Arbeitsumfanges. Somit organisieren
Assistenznehmer Art und Umfang ihrer Pflege und Unterstützung flexibel und selbstständig.
Finanzkompetenz
Die betroffenen körperbehinderten Menschen verfügung eigenverantwortlich über den
Einsatz der finanziellen Mittel, indem sie beispielsweise mit dem Kostenträger abrechnen und
ihre Assistenten selbst entlohnen. Die behinderten Arbeitgeber sind dementsprechend auch
verpflichtet, sämtliche formale Pflichten zu erfüllen (vgl. Franz, 2002, S.42).
Im Rahmen des Arbeitgebermodelles müssen behinderte Menschen über alle vier
Kompetenzen (Personal-, Anleitungs-, Organisations- und Finanzkompetenz) verfügen. Wird
die Assistenz über eine Assistenzorganisation organisiert, können Personal- und
Finanzkompetenz ausgelagert werden.
1.1.4.
Körperliche Beeinträchtigung / Behinderung
Der Begriff der körperlichen Behinderung oder Beeinträchtigung ist ein viel diskutierter in der
Fachliteratur. Darf man überhaupt von Behinderten sprechen oder ist es eher angebracht
von ,,Menschen mit besonderen Bedürfnissen" zu sprechen? Menschen mit einer körperlichen
Behinderung unterscheiden sich von anderen ,,normalen oder gesunden" Menschen meist nur
durch einen Rollstuhl den sie fahren, haben jedoch dieselben Bedürfnisse wie andere
Menschen auch. Deshalb wird in dieser Arbeit immer von Menschen mit körperlicher
Behinderung die Rede sein.
Die Definition der WHO (World Health Organization) aus dem Jahr 1999 unterscheidet
zwischen struktureller und funktionaler Schädigung (structural and functional impairments),
und statt von Funktionsbeeinträchtigung (disability) ist die Rede von Aktivität (activity). Des

6
Weiteren wurde der Begriff Behinderung (handicap) durch ,,participation" im Sinne der
Teilhabe an der Gesellschaft ersetzt (Franz, 2002, S. 11).
,,Der Behinderungsbegriff der ICF (International Classification of Functioning, Disability and
Health) ist der Oberbegriff zu jeder Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines Menschen.
Der Begriff der Funktionsfähigkeit eines Menschen umfasst alle Aspekte der funktionalen
Gesundheit.
Eine Person ist funktional gesund, wenn vor dem Hintergrund ihrer Kontextfaktoren ­
(personen- und umweltbezogen):
1.
ihre körperlichen Funktionen (einschließlich des mentalen Bereichs) und
Körperstrukturen denen eines gesunden Menschen entsprechen (Konzepte der
Körperfunktionen und -strukturen)
2.
sie all das tut oder tun kann, was von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem
(ICD) erwartet wird (Konzept der Aktivitäten)
3.
sie ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, in der Weise und dem
Umfang entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne gesundheitsbedingte
Beeinträchtigung der Körperfunktionen oder ­strukturen oder der Aktivitäten
erwartet wird (Konzept der Teilhabe)" (ICF Kurzversion zu Ausbildungszwecken,
2010).
,,Behinderung im Sinne des Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur
vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder
Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als
voraussichtlich sechs Monaten" (bizeps info online, 2011)
Einen weiteren Erklärungsansatz bieten die ,,Disability Studies". Darunter versteht man
,,Studien über oder zur Behinderung" (Waldschmidt 2003, S. 12, zitiert in Hermes, 2003, S.
15) oder ,,Behinderungswissenschaft" (Degener 2003, S. 23, zitiert in Hermes, 2003, S. 15).
Ziel ist die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen mit Behinderung.

7
Disability Studies unterscheiden zwei Ansätze:
1.
Medizinische/individuelle Erklärungsansätze von Behinderung:
Disziplinen wie Medizin, Psychologie und Heil- und Sonderpädagogik beschäftigten sich mit
diesem Ansatz. ,,Behinderung wird als körperliche, psychische oder kognitive Abweichung
von einem gesellschaftlichen Normalzustand verstanden" (Waldschmidt 2003, S. 15, zitiert in
Hermes, 2003, S. 16). Behinderung ist hier Folge eines individuellen Problems (Krankheit,
Vererbung, Unfall) und wird zum Hauptmerkmal des Individuums, hinter dem andere
Merkmale und Eigenschaften zurücktreten.
Die Situation ist nicht änderbar und Behinderte werden wie Patienten behandelt.
Waldschmidt schreibt hierzu: ,,Wie Patienten befinden sich auch die von Behinderung
Betroffenen häufig in untergeordneten Positionen und machen Erfahrungen der Abhängigkeit
und Herabwürdigung, sie sind von professionellen Helfern umgeben und leben in
Krankenhäusern oder ähnlichen institutionellen Zusammenhängen. Kurz, wie Patienten sind
auch behinderte Menschen schnell Objekt von Fürsorge und Paternalismus und gelten eher
nicht als Wesen, die zur Selbstbestimmung fähig seien" (Waldschmidt 1999, S. 24, zitiert in
Hermes 2003, S. 17).
2.
Soziales Modell von Behinderung:
Dieses Modell ist Grundlage für die Disability Studies. Behinderung wird als sozial verliehener
Status betrachtet.
Hauptprobleme behinderter Menschen seien ausgrenzende gesellschaftliche Bedingungen,
eingeschränkter Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und massive Vorurteile (vgl. Oliver
1996, S. 33; Priestley 2003, S. 26ff., zitiert in Hermes, 2003, S. 19). Verdeutlicht wird dieser
Ansatz am Beispiel zweier Rollstuhlfahrerinnen mit denselben körperlichen
Beeinträchtigungen. Die eine lebt in der Stadt ­ hier ist Barrierefreiheit eher gegeben und die
zweite lebt am Land ­ wo kaum gesellschaftliche Teilhabe aufgrund von Barrieren möglich
ist.
Es geht darum ein positives Bild von behinderten Menschen in der Öffentlichkeit zu erlangen
und darum Barrieren gegenüber der gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen zu
identifizieren und abzubauen.

8
2.
Theoretische Grundposition - Lebensqualität
Der wissenschaftliche, somit theoretische Hintergrund, der für diese Masterarbeit leitend ist,
ist das Konzept Lebensqualität.
Körperbehinderte Menschen befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis, das durch Hilfe-
und Pflegebedarf bestimmt ist, wodurch sich die subjektive Lebensqualität verändert. ,,Je
höher der Grad der Hilfebedürftigkeit ist, desto stärker sinken Gesundheits- und
Lebenszufriedenheit ab"
(Weick, 2006, S. 14, zitiert in Oberholzer, 2013, S. 146). Es zeigt
sich jedoch, dass sowohl positive sowie negative Lebensereignisse nur zu kurzfristigen
Zufriedenheitsveränderungen führen. In diesem Zusammenhang spricht man vom
Zufriedenheitsparadoxon. Wenn man die Lebensqualität von körperbehinderten Menschen
erfassen möchte, muss davon ausgegangen werden, dass diese nicht schlechter bewertet
werden muss als von körperlich gesunden Menschen. Schwierige Lebensumstände müssen
nicht notwendigerweise zu einer schlechteren Bewertung des subjektiven Wohlbefindens
bzw. der Lebenszufriedenheit führen. Das körperliche Funktionsvermögen ist zwar wichtig,
jedoch nicht alleinige Komponente der Lebensqualität (vgl. Fröhlich et. al, 2010, S. 37).
,,Wenn Behinderte scheinbar paradox behaupten, sie seien nicht behindert, dann bezweifeln
sie im Allgemeinen nicht das Vorliegen einer Schädigung sie können tatsächlich nicht hören,
nicht gehen, haben Sprachstörungen. Sie bestreiten vielmehr, dass damit eine
Einschränkung ihrer relevanten Handlungsmöglichkeiten bzw. eine Einschränkung ihrer
Lebensqualität vorliegt" (Schramme, 2003, S. 180).
Menschen mit einer erheblichen körperlichen Behinderung erkennen häufig neue Sinn- und
Wertvorstellungen, insbesondere in den Beziehungen zu anderen Menschen, den
Erwartungen an das Leben und den neugewonnenen Fähigkeiten, Prioritäten zu setzen und
Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden (vgl. Fröhlich et. al, 2010, S. 37).
Menschen mit Behinderungen sind aufgrund ihrer Einschränkung auf permanente
Kompensation bzw. Hilfsmittel angewiesen. So benötigen Querschnittsgelähmte einen
Rollstuhl, um sich fortbewegen zu können. Darüber hinaus brauchen körperbehinderte
Menschen Unterstützung im Lebensalltag welche sie durch Persönliche Assistenz bekommen
können. ,,Die konkreten Lebensumstände spielen demnach eine gewichtige Rolle bei der
Frage, wie ein Zustand zu beurteilen ist" (Schramme, 2003, S. 183).

9
2.1.
Begriffliche Dimensionen und Konzepte
Die Anzahl der Zugänge zur Lebensqualität sind so vielfältig wie die individuellen
Bedeutungen, der Menschen ihrer persönlichen Lebensqualität zuschreiben. Innerhalb von
verschiedenen Kulturkreisen sowie je nach persönlicher Einstellung variiert die
Lebensqualität, wodurch auch Schwierigkeiten bei der Messung auftreten. ,,Einige Konzepte
gehen davon aus, dass Lebensqualität nur für einen einzelnen Menschen wirklich
beschreibbar sei und damit zwischen verschiedenen Menschen nicht wirklich vergleichbar.
Inzwischen besteht jedoch gute Evidenz dafür, dass unter der Voraussetzung gleicher
Messinstrumente, auch etwas so subjektiv Empfundenes wie Lebensqualität zwischen
unterschiedlichen Personen verglichen werden kann"
(Pöllmann et. al, 2004, S. 154). Im
Folgenden sollen verschiedene Ansätze und Definitionen erläutert werden.
Lebensqualität ist ein Begriff den man meint im Alltag leicht erklären zu können, allerdings
wird der Begriff oft synonym mit Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit verwendet, was es
schwierig macht, Lebensqualität zu definieren und abzugrenzen. Die Forschung zur
Lebensqualität ist interdisziplinär angelegt und hat in den vergangenen Jahrzehnten an
Bedeutung gewonnen. In vielen Bereichen der Medizin wird insbesondere die
gesundheitsbezogene Lebensqualität herangezogen, um den Erfolg von Behandlungen zu
evaluieren, während es in den Sozialwissenschaften vor allem um die subjektive
Wahrnehmung von Lebensqualität geht. Dementsprechend wird in der wissenschaftlichen
Diskussion der Lebensqualitätsbegriff äußerst heterogen verwendet.
Die WHO (World Health Organization) definiert Lebensqualität als:
,,individual's perception of their position in life in the context of the culture and value systems
in which they live and in relation to their goals, expectations, standards and concerns. It is a
broad ranging concept affected in a complex way by the person's physical health,
psychological state, level of independence, social relationships, personal beliefs and their
relationship to salient features of their environment"
(WHOQOL, 1997).
Die WHO versteht Lebensqualität als multidimensionales Konstrukt, das die subjektive
(Selbst-)Wahrnehmung einer Person hinsichtlich ihrer Stellung im Leben in Relation zur
Kultur und den Wertesystemen widerspiegelt. Darüber hinaus schließt dieser Ansatz die
Ziele, Erwartungen, Maßstäbe und Anliegen der Person mit ein (vgl. Fröhlich et. al, 2010, S.
36).

10
Pöllmann et. al (2004, S. 154) verstehen die WHO Definition als ,,ein Arbeitskonzept, das in
komplexer Weise beeinflusst wird durch die körperliche Gesundheit, den psychischen
Zustand, den Grad der Unabhängigkeit, die sozialen Beziehungen und die hervorstehenden
Eigenschaften der Umwelt".
Häufig wird die Lebensqualität als allgemeines Gefühl der Zufriedenheit beschrieben.
,,Quality of life is a feeling of overall life satisfaction, as determined by the mentally alert
individual whose life is being evaluated" (Meeberg, 1993, S. 37, zitiert in Oberholzer, 2013,
S. 147).
Ein weiterer Zugang zum Begriff Lebensqualität ist die Aufgliederung in verschiedene
Lebensbereiche. Zu den meist genannten Bereichen zählen das materielle, physische bzw.
gesundheitsbezogene, soziale und das emotionale Wohlbefinden sowie konkrete
Produktivitätsaspekte, Beziehungen und die Sicherheit.
,,Quality of life is multidimensional in construct including physical, emotional, mental, social,
and behavioral components" (Janes et al., 2004, S. 654, zitiert in Oberholzer, 2013, S. 148).
"Quality of life is defined as an overall general well-being that comprises objective
descriptors and subjective evaluations of physical, material, social and emotional well-being
together with the extent of personal development and purposeful activity, all weighted by a
personal set of values" (Felce et al, 1995, S. 60, zitiert in Oberholzer, 2013, S. 148).
"Quality of life is a concept that reflects a person`s desired conditions of living related to
eight core dimensions of one`s life: emotional well-being, interpersonal relationships,
material well-being, personal development, physical well-being, self-determination, social
inclusion, and rights" (Schalock, 2000, S. 121, zitiert in Oberholzer, 2013, S. 148).
Durch diese Definitionen wird sichtbar, dass Lebensqualität ein umfassendes Konzept
darstellt, welches in fast allen Bereichen des Lebens eine Rolle spielt.
Einig ist sich die Wissenschaft darüber, dass Lebensqualität von objektiven
Lebensbedingungen wie Einkommen oder materieller Sicherheit aber auch von subjektiven
Aspekten wie individuellen Wünschen und Werten abhängt. Der Ansatz von Wolfgang Zapf
und Wolfgang Glatzer (1984) stellt eine Synthese der objektiven Indikatoren und subjektiven

11
Wahrnehmungen und Bedeutungen von Lebensqualität dar. Glatzer und Zapf definieren
Lebensqualität als, ,,[...] gute Lebensbedingungen, die mit einem positiven subjektiven
Wohlbefinden zusammengehen" (Glatzer et. al, 1984, S. 23, zitiert in Oberholzer, 2013, S.
151). Glatzer und Zapf entwickelten das Modell der vier Wohlfahrtspositionen, welches
objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden gegenüberstellt.
Abbildung 1: Wohlfahrtspositionen nach Zapf (Zapf, 1984, S. 25, aus Oberholzer, 2013, S. 152)
Die Koinzidenz von guten Lebensbedingungen und positiven Wohlbefinden ist die
erstrebenswerteste Kombination und wird als ,,Well-being" bezeichnet. Deprivation ist das
genaue Gegenteil, hier treffen schlechtes Wohlbefinden und schlechte Lebensbedingungen
aufeinander. Dissonanz - oder auch als Unzufriedenheitsdilemma bezeichnet - besteht, wenn
trotz guter objektiver Lebensbedingungen Unzufriedenheit mit dem subjektiven
Wohlbefinden besteht. Adaption hingegen ist die Kombination von schlechten
Lebensbedingungen und einem guten subjektiven Wohlbefinden und ist gleichzusetzen mit
dem Zufriedenheitsparadoxon (vgl. Noll, 2000, S. 11).
Ein weiterer Ansatz, der subjektive und objektive Lebensqualität verbindet, ist der ,,im
Rahmen der ,,Comparative Scandinavian Welfare Study" entwickelte Lebensqualitätsansatz
des finnischen Soziologen Erik Allardt (1973, 1993)" (Noll, 2000, S. 10).
Allardt (1973, 1993, zitiert in Noll, 2000, S. 10) hat ein breites Konzept von Lebensqualität
entworfen, das sich auf einen ,,basic needs approach" stützt und drei Kategorien von
Grundbedürfnissen unterscheidet:
Having:
In dieser Kategorie befinden sich Aspekte des Wohlstands bzw. die materielle Dimensionen
des Lebensstandards wie zum Beispiel ökonomische Ressourcen, Wohnbedingungen,
Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Bildung und Umweltverhältnisse.
Loving:
Hierunter fallen alle Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialen Kontakten wie z.B.
Nachbarschaft, Familie und Verwandtschaft, Freundschaftsbeziehungen, Kontakte am
Arbeitsplatz sowie Aktivitäten und Beziehungen in Vereinen.

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Being:
Hier geht es schließlich um Optionen, Beteiligung und Selbstverwirklichung zum Beispiel
politische Aktivitäten, Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten sowie Möglichkeiten zu
sinnvoller Arbeit und Freizeitbetätigung (vgl. Noll, 2000, S. 10).
2.2.
Philosophische Ansätze
Fragen, die sich mit der Lebensqualität von Menschen und Gesellschaften auseinandersetzen,
haben bereits eine lange Geschichte, mit der sich sehr früh bereits große Denker
beschäftigten.
Aristoteles geht davon aus, dass Menschen ihr ganzes Potential realisieren müssen um ein
,,gutes Leben" zu erreichen. Emanuel Kant hingegen postuliert, dass Menschen moralisch
handeln müssen um in einer ,,guten Gesellschaft" zu leben (vgl. Diener & Suh, 1997, S. 189).
In der Philosophie werden drei größere Ansätze zur Lebensqualität von Menschen und
Gesellschaften unterschieden.
Der erste Zugang beschreibt Charakteristika eines guten Lebens nach normativen Idealen
basierend auf Religion, Philosophie oder anderen Systemen. Zum Beispiel können Menschen,
aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen daran glauben, dass ein gutes Leben Hilfe für
andere Menschen bedeutet. Dieser Zugang ist stark verbunden mit subjektiven Erfahrungen
und Wünschen von Individuen und somit besonders relevant für die Identifikation von
sozialen Indikatoren in den Sozialwissenschaften.
Der zweite Zugang definiert ein gutes Leben anhand der Befriedigung von Bedürfnissen.
Menschen würden demnach nach Dingen streben, die ihre Lebensqualität verbessern. Die
Lebensqualität einer Gesellschaft wird bei diesem Zugang danach festgelegt, ob Menschen
sich die Dinge leisten können, welche sie sich wünschen. Dieser Ansatz zur Nützlichkeit oder
dem guten Leben, basierend auf die Auswahlmöglichkeiten von Menschen, unterstützt vor
allem das moderne ökonomische Denken.
Der dritte Ansatz zur Lebensqualität ist in Hinblick auf die Erfahrungen von Individuen zu
sehen. Wenn eine Person ihr Leben als gut und lebenswert beschreibt, dann ist es auch so.
Bei diesem Ansatz stehen Faktoren wie Freude und Zufriedenheit im Vordergrund und sind

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somit am relevantesten in der subjektiven Lebenszufriedenheit-Tradition der
Verhaltenswissenschaften (vgl. Diener & Suh, 1997, S. 190).
2.3.
Gesundheitswissenschaftlicher Ansatz
In den Gesundheitswissenschaften wird gesundheitsbezogene Lebensqualität im
Zusammenhang mit dem Befinden und dem Handlungsvermögen von Personen mit
Einschränkungen gesehen. ,,Gesundheitsbezogene Lebensqualität ist ein multidimensionales
Konstrukt, das körperliche, emotionale, mentale, soziale, spirituelle und verhaltensbezogene
Komponenten des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit (des Handlungsvermögens) aus
der subjektiven Sicht der Betroffenen beinhaltet" (Pöllmann et. al, 2004, S. 154).
Nach Schumacher et. al (zitiert in Fröhlich et. al, 2010, S. 36) und Pöllmann et. al (2004, S.
154) spielen vier Dimensionen eine besondere Rolle:
1.
Krankheitsbedingte körperliche Beschwerden, die von vielen Patienten als primäre
Ursache für Einschränkungen der Lebensqualität betrachtet werden
2.
Psychische Verfassung (u. a. allgemeines Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und
emotionale Befindlichkeit)
3.
Krankheitsbedingte funktionale Einschränkungen im alltäglichen Leben (Beruf,
Haushalt, Freizeit etc.)
4.
Ausgestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Interaktionen sowie
diesbezügliche Einschränkungen
Demnach kann gesundheitsbezogene Lebensqualität anhand einer Vielzahl von Dimensionen
stattfinden und analysiert werden. Im Einzelnen:
x Emotional well-being: hierzu gehören Sicherheit, ein stabiles und vorhersagbares
Umfeld sowie positives Feedback durch Andere
x Interpersonal relations: sich in einer Gemeinschaft aufgenommen fühlen sowie
geregelte Beschäftigung
x Personal development: Ausbildung und zielgerichtete Aktivitäten einer Person
x Physical well-being: Gesundheitsfürsorge, Mobilität, Wohlgefühl und gesunde
Ernährung
x Self-determination: Wahlmöglichkeiten, persönliche Kontrolle, Entscheidungen und
persönliche Zielsetzung

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x Social inclusion: ungezwungene Unterstützung, integrierendes Umfeld und
Partizipation am gesellschaftlichen Leben
x Rights: Recht auf Besitz und Privatsphäre, eine rechtliche Prozessordnung und eine
barrierefreie Umgebung (vgl. Fröhlich et. al, 2010, S. 36).
2.4.
Lebensqualität und Behinderung
,,Menschenleben ist wesenhaft gekennzeichnet durch permanente selbstbestimmte
Einflussnahme auf das eigene Wohlbefinden. Mit der Realisierung seines
Autonomiepotenzials verwirklicht der Mensch seine Existenz. Dies gilt für alle Menschen
gleich. Menschen mit ­ sehr schweren ­Behinderungen machen keine Ausnahme" (Hahn,
2008).
Das Konzept Lebensqualität gilt als Schlüsselkonzept wenn es darum geht Untersuchungen
auf die Wirkung von professionellen Hilfesystemen, wie es auch die Persönliche Assistenz
darstellt, auf die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung anzustellen.
Nach Hennessey & Mangold (2012) ergänzt das Konzept Lebensqualität das objektive Bild
der Behinderung der ,,International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)
der WHO. Ein Zusammenspiel von guten Lebensbedingungen mit einem positiven
Wohlbefinden kann als Fortführung des Normalisierungsprinzips, welches auf die objektiven
Lebensbedingungen abzielt, gesehen werden.
Hennessey & Mangold (2012) betonen, dass neben den objektiven Lebensbedingungen vor
allem subjektive Faktoren an der Entstehung von Lebensqualität beteiligt sind.
Empowerment-Prozesse und das Instrument des Persönlichen Budgets, würden durch das
Konzept Lebensqualität unterstützt, da es die Sicht des Menschen mit Behinderung in den
Mittelpunkt stellt. Damit kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass objektive und vor
allem subjektive Faktoren der Lebensqualität bei Menschen mit Behinderung von besonderer
Bedeutung sind.
Die vier universalen subjektiven Faktoren, welche einen hohen Einfluss auf die
Lebensqualität der Menschen mit Behinderung haben, wurden der Selbstbestimmungstheorie

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783842827820
ISBN (Paperback)
9783842877825
Dateigröße
754 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FH Joanneum Graz
Erscheinungsdatum
2014 (Juni)
Note
2
Schlagworte
Lebensqualität Selbstbestimmung körperliche Behinderung Persönliche Assistenz
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Titel: Ich habe mein Leben zurück
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