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Der mögliche Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union unter Berücksichtigung der Staatsschuldenkrise

©2012 Bachelorarbeit 97 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
Die Staatsschuldenkrise in Europa beschäftigt u.a. Politiker, Ökonomen, Juristen, Sozialforscher nun seit circa vier Jahren. Sie hat sich zu einer großflächigen, tiefgreifenden und nachhaltigen Störung der (Volks-)Wirtschaften entwickelt.
Lange Zeit nachdem der oberste olympische Gott Zeus der Sage nach die phönizische Prinzessin Europa in Gestalt eines Stieres entführte und sich zu eigen machte, stehen seit 2008 Ereignisse in Griechenland erneut im Fokus des Interesses. Das Land stand mit einer konsequenten Beharrlichkeit jahrelang im Mittelpunkt des europäischen Krisengeschehens. Der Euro, die europäische Gemeinschaftswährung, deren Symbol (€) auf das griechische Epsilon zurückgeht, ist ausgerechnet durch Ereignisse in Griechenland in seiner Existenz gefährdet.
Der Aufbau dieser Arbeit folgt der logischen, zeitlichen Abfolge des Krisengeschehens. Es beginnt mit einer kurzen Einführung in die Institution Europa und die Entstehung der Europäischen sowie der Währungsunion, welche die Tragweite und die Wichtigkeit einer solchen Institution herausstellen soll. Des Weiteren soll damit die enorme Kraft und Impulsstärke, die von dieser Einrichtung ausgehen kann, unterstrichen werden. Der zweite Teil befasst sich mit der Weltwirtschaftskrise, in welcher die Staatsschuldenkrise eine wichtige Rolle spielt. Dieser Abschnitt soll dem Leser einen Eindruck über das Ausmaß und die Tiefe der Krise geben. Hier wird untersucht, wie es zu einer solchen kam, wo die tieferen Gründe hierfür liegen und wie der Krise bislang begegnet wurde. Der abschließende dritte Abschnitt beschäftigt sich mit einem möglichen Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union sowie den möglichen Auswirkungen auf Deutschland und die Europäische Union. Die Darstellung der sich hieraus ergebenden möglichen Konsequenzen ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.
Aufgrund der noch fortwährenden Entwicklung des Themas wurde der 1. September 2012 als Endpunkt der vorliegenden Betrachtungen festgelegt. Spätere Ereignisse können aus Gründen der Praktikabilität nicht berücksichtigt werden.
Das altgriechische Wort krisis hat neben der bekannten eine zweite Bedeutung: die Wendung zum Besseren, das Aufräumen. Die Hoffnung auf die Entfaltung einer solch heilsamen Kraft ist u.a. bislang der Antriebsmotor für alle Verfechter des Euro.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Morwinsky, Oliver: Der mögliche Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union
unter Berücksichtigung der Staatsschuldenkrise, Hamburg,
Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-1542-1
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Rheinische Fachhochschule Köln, Köln, Deutschland, Bachelorarbeit, Oktober 2012
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Printed in Germany

Gliederung
Inhalt
Seite
A.
Einleitung... ..................1
B. Die
Europäische
Union... ..................2
I.
Historische und politische Entstehung...
...2
II.
Die Entwicklung in Europa... ..................4
III.
Die Währungsunion... ..................5
1. Der Vertrag von Maastricht... ..................7
2. Die
Maastricht-Kriterien... ..................9
IV.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts... .................11
V. Zwischenfazit...
...13
C. Die
Weltwirtschaftskrise...
I.
Die Entstehung der Krise...
...14
...14
1. Die
Immobilienblase... ................15
2. Lehman
Brothers... ................18
II.
Der Weg von der Finanz- zur Staatsschuldenkrise... ................20
1. Das Agieren der Europäischen Zentralbank während der
Krise...
...23
2. Das
Target-System... ................28
III.
Politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise... ................32
1. Das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz... ................33
2. Die Installation und Ausgestaltung der EFSF und des
ESM...
...34
a. Die
Europäische
Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). ...34
b. Der
Europäische
Stabilisierungsmechanismus
(ESM).
...36
IV. Zwischenfazit... .................40

D.
Griechenland... ................41
I.
Die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes... ................41
II.
Die Aufnahme in die Währungsunion... ................43
III.
Die Weltwirtschaftskrise erreicht Griechenland...
...46
IV. Innerstaatliche
Probleme Griechenlands... ................48
V.
Maßnahmen der EU / Griechenlands als Reaktion auf die
Krise...
...50
VI. Der
Austritt
Griechenlands aus der EU... ................51
1. Juristisch... ................52
2. Wirtschaftlich... ................54
3. Technokratisch... ................55
VII.
Die Auswirkungen auf Deutschland und die EU... ................56
VIII. Die
No-Bail-Out-Klausel... ................59
1. Finanzielle
Beihilfe... ................61
2. Rettungsmaßnahmen
für
Griechenland / den Euro... ................62
IX. Zwischenfazit... ................65
E.
Fazit...
...66
Anhang
Abbildungsverzeichnis...
...70
Abkürzungsverzeichnis... .................71
Literatur- und Quellenverzeichnis...
...72

1
A. Einleitung
Die Staatsschuldenkrise in Europa beschäftigt u.a. Politiker, Ökonomen, Juristen,
Sozialforscher nun seit circa vier Jahren. Sie hat sich zu einer großflächigen, tiefgrei-
fenden und nachhaltigen Störung der (Volks-)Wirtschaften entwickelt.
Lange Zeit nachdem der oberste olympische Gott Zeus der Sage nach die phönizi-
sche
1
Prinzessin Europa in Gestalt eines Stieres entführte und sich zu eigen machte,
stehen seit 2008 Ereignisse in Griechenland erneut im Fokus des Interesses. Das Land
stand mit einer konsequenten Beharrlichkeit jahrelang im Mittelpunkt des europäischen
Krisengeschehens. Der Euro, die europäische Gemeinschaftswährung, deren Symbol
() auf das griechische Epsilon zurückgeht, ist ausgerechnet durch Ereignisse in Grie-
chenland in seiner Existenz gefährdet.
Der Aufbau dieser Arbeit folgt der logischen, zeitlichen Abfolge des Krisengeschehens.
Es beginnt mit einer kurzen Einführung in die Institution Europa und die Entstehung der
Europäischen sowie der Währungsunion, welche die Tragweite und die Wichtigkeit
einer solchen Institution herausstellen soll. Des Weiteren soll damit die enorme Kraft
und Impulsstärke, die von dieser Einrichtung ausgehen kann, unterstrichen werden.
Der zweite Teil befasst sich mit der Weltwirtschaftskrise, in welcher die Staatsschul-
denkrise eine wichtige Rolle spielt. Dieser Abschnitt soll dem Leser einen Eindruck
über das Ausmaß und die Tiefe der Krise geben. Hier wird untersucht, wie es zu einer
solchen kam, wo die tieferen Gründe hierfür liegen und wie der Krise bislang begegnet
wurde. Der abschließende dritte Abschnitt beschäftigt sich mit einem möglichen Austritt
Griechenlands aus der Europäischen Union sowie den möglichen Auswirkungen auf
Deutschland und die Europäische Union. Die Darstellung der sich hieraus ergebenden
möglichen Konsequenzen ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.
Aufgrund der noch fortwährenden Entwicklung des Themas wurde der 1. September
2012 als Endpunkt der vorliegenden Betrachtungen festgelegt. Spätere Ereignisse
können aus Gründen der Praktikabilität nicht berücksichtigt werden.
Das altgriechische Wort krisis hat neben der bekannten eine zweite Bedeutung: die
Wendung zum Besseren, das Aufräumen.
2
Die Hoffnung auf die Entfaltung einer solch
heilsamen Kraft ist u.a. bislang der Antriebsmotor für alle Verfechter des Euro.
1
Die Phönizier waren ein Volk des Altertums, das hauptsächlich in Phönizien im Bereich des
jetzigen Libanons und Syriens lebte.
2
Vgl. Siedenbiedel, Christian in Bankenschreck?, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,
30.09.12, Nr. 39, S. 37.

2
B. Die Europäische Union
Die Europäische Union (EU) ist nicht nur ein Bund 27 nationaler Staaten sondern sie
vereint auf einer Fläche von 4.324.782 Quadratkilometern eine Bevölkerung von knapp
500 Millionen Menschen.
3
Sie ist die Verkörperung bzw. Umsetzung einer Friedens-
idee. Durch die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit sollte ein gemeinsamer
Binnenmarkt erschlossen werden. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist er der größte
gemeinsame Markt der Welt.
4
Zu den Errungenschaften dieser mehrstaatlichen
Einigung gehört u.a. die Einführung, Durchsetzung und Sicherung der (europäischen)
Grundfreiheiten:
1. Warenverkehrsfreiheit (Artikel 23 ­ 31 EGV
5
),
2. Personenverkehrsfreiheit (Artikel 39 ­ 48 EGV),
3. Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 ­ 55 EGV) und
4. Kapitalverkehrsfreiheit (Artikel 56 ­ 60 EGV).
Die Grundwerte der EU (Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechts-
staatlichkeit und Achtung der Menschenrechte) sind mit Unterzeichnung des Vertrages
von Lissabon im Jahre 2009 in der ,,Charta der Grundrechte"
6
verankert worden. Die
Ziele der Europäischen Union und der daraus entstandenen Gemeinschaftswährung,
dem Euro, sind: Friede, Wohlstand und Fortschritt. Dies ergibt sich aus der Präambel
des Maastrichter EG-Vertrages.
I.
Historische und politische Entstehung
Die Europäische Union entstand aus dem Zusammenschluss sechs europäischer
Länder (Deutschland, Belgien, Niederlande, Frankreich, Italien und Luxemburg) mit
dem Ziel, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu schaffen und etablieren.
Die Erklärung des französischen Außenministers, Robert Schuman, vom 9. Mai 1950
7
,
in welcher er verkündete, die französische und deutsche Kohle- und Stahlproduktion in
Zukunft einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen, markierte den Beginn dieser
Entwicklung. Darauf aufbauend gründeten die sechs vorgenannten Länder 1952 die
3
Vgl. o.V., in Leben in der EU, o.J., http://europa.eu (abgerufen am 15.09.12).
4
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Angaben zum ,,Markt" der EU, 24.09.09,
http://www.bpb.de (abgerufen am 15.08.12).
5
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
6
Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union, 30.03.2010, C 83/02; s.a. o.V., Charta der Grund-
rechte der EU, 30.03.10, http://eur-lex.europa.eu (abgerufen am 29.07.12).
7
Der 9. Mai ist Europatag; vgl. o.V., Europatag, o.J. http://europa.eu (abgerufen am 15.09.12).

3
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).
8
Damit wurde erstmals ein
gemeinsamer Markt (für Kohle und Stahl) geschaffen.
9
Die Intention war, dass eine
stärkere wirtschaftliche und politische Verflechtung der europäischen Staaten ein gutes
Präventiv ist, um kriegerischen Auseinandersetzungen vorzubeugen. In diesem
Kontext ist auch die vorgenannte Rede von Robert Schuman zu sehen: ,,Die Zusam-
menlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird [...] die Bestimmung jener Gebiete
ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste
Opfer sie gewesen sind."
10
Fünf Jahre später versammelten sich die sechs Länder erneut in Rom, um dort am
25. März 1957 die sog. ,,Römischen Verträge" zu unterzeichnen. Schon bei der Unter-
zeichnung dieser Verträge und der daraus folgenden Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft
(EURATOM), trafen in der Bundesrepublik zwei verschiedene Denkrichtungen, wie sich
Deutschland in Zukunft in Europa positionieren sollte, aufeinander. Zum einen die des
damaligen Bundeswirtschaftsministers, Ludwig Erhard, und die des damaligen Bun-
deskanzlers, Konrad Adenauer. Letzterer wollte Deutschland in die Europäische Staa-
tenfamilie wieder eingliedern und im Verbund mit den europäischen Partnern einen
gemeinsamen Markt für Wirtschaft und Handel schaffen. Erhard war hingegen der
Meinung, dass es für die wirtschaftliche Stabilität und vor allem im stetigen Versuch
einen Spitzenplatz innerhalb der europäischen oder gar weltweiten Wirtschaft zu er-
obern, am besten sei, sich auf den Weltmarkt als Ganzen zu konzentrieren. Die dama-
lige Devise lautete ,,Unser Feld ist die Welt". Erhard hatte die Befürchtung, dass durch
die Gründung der EWG ,,eine Insel der Desintegration in einer mittlerweile freier ge-
wordenen Welt"
11
entstünde. Er befürchtete eine zu starke Fokussierung auf den
Binnenhandel zwischen diesen Ländern, welche sich als eine gewisse Abschottung
nach außen ausdrücken könnte. Schlussendlich konnte sich Adenauer ­ wenn auch
durch politischen Druck seitens der Bündnispartner ­ mit seiner Position durchsetzen.
Dies zeigt, dass es schon seit der Gründung einer europäisch geprägten politischen
Union Unstimmigkeiten über deren genaue Fahrtrichtung gab. Der eingeschlagene
Weg führte letzten Endes im Jahre 1992 zur Unterzeichnung des Maastrichter Vertra-
ges, welcher u.a. die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten verfolgte.
8
Vgl. Rittner/Dreher, in Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 3 Nr. 2.
9
Vgl. Ruelling/Ioannou-Naoum-Wokoun, in Die Europäische Union: Geschichte, Institutionen,
Recht, Politiken, S. 6.
10
Vgl. o.V., Rede von Robert Schumann 09.05.1950, o.J.
http://europa.eu (abgerufen am
15.09.12).
11
Vgl. Abelshauser, Werner in It's not the economy, stupid! Die politische Ökonomie der euro-
päischen Integration in der Krise, Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften, 1/2010,
S. 12; s.a. http://www.zse.nomos.de (abgerufen am 17.07.12).

4
Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer sagte in seiner Rede vom
25. März 1957 in Rom, dass mit der Unterzeichnung dieser Verträge ,,auf allen wesent-
lichen Gebieten des sozialen und wirtschaftlichen Lebens [...] über die bloße Zusam-
menarbeit hinaus ein echter europäischer Zusammenschluss, der die Gewähr der
Dauer in sich trägt", entstanden ist.
12
II. Die Entwicklung in Europa
Die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden vor allem durch zwei Verträge
geprägt: Der Vertrag von Maastricht (Gründung der Europäischen Union; 1992/1993)
13
und der Vertrag von Amsterdam (1999). Letzterer führte das sog. ,,Schengener Ab-
kommen"
14
aus dem Jahre 1985 (welches jedoch erst zehn Jahre später praktisch um-
gesetzt wurde) in die EU ein.
15
Im Jahr dieser Umsetzung traten Finnland, Österreich
und Schweden der Union bei. Der Vertrag von Nizza aus dem Jahre 2003 brachte
erstmals die Diskussion um eine europäische Grundrechtscharta in Gang. Den daran
angelehnten Gedanken einer europäischen Verfassung hat man ebenfalls verfolgt,
jedoch scheiterte 2005 ein Versuch, diese europaweit einzuführen. Der europäische
Integrationsgedanke schien politisch schon fortgeschrittener zu sein, als das die
Lebenswirklichkeit und Empfindungen der Menschen in Europa zuließ. Die letzte Ände-
rung der europäischen Verträge datiert aus dem Jahre 2009. Hier trat der Vertrag von
Lissabon
16
in Kraft, welcher sich aus zwei Verträgen zusammensetzt. Der erste befasst
sich mit Modifizierungen des alten EU-Vertrages und nimmt dessen rechtliche Stellung
ein (EUV).
17
Dieser soll das Konzept und die Struktur der zukünftigen Union beschrei-
ben. Der zweite betrifft den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (EGV),
welcher in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
integriert wurde, und ihn gleichzeitig ersetzt.
18
Dieser regelt ­ wie der Name schon
vermuten lässt ­ die Arbeitsweise der Union.
19
Der Vertrag von Lissabon sollte die
Union ,,demokratischer, transparenter und effizienter" machen; sie sollte vor allem
handlungsfähig bleiben.
20
Um dies zu erreichen, wurden die Mitspracherechte der
nationalen Parlamente gestärkt, zudem wurde das Amt des ,,Hohen Vertreters für die
12
Vgl. Adenauer, Konrad in Adenauer ­ Heuss, Unter vier Augen, S. 221.
13
S. hierzu B. III. 1.
14
Dadurch wurden die Passkontrollen innerhalb der europäischen Grenzen abgeschafft.
15
Vgl. o.V., Umsetzung des Schengener Abkommens, Auswärtiges Amt, 29.05.12,
http://www.auswaertiges-amt.de (abgerufen am 29.07.12).
16
Unterzeichnet in Lissabon am 13.12.07, in Kraft getreten am 01.12.09.
17
Vgl. Calliess, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 7.
18
Vgl. Ribhegge, Hermann in Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik, S. 76.
19
Vgl. Schwarze, in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 1 EUV Rn. 4.
20
Vgl. Auswärtiges Amt, in Denkschrift zum Vertrag von Lissabon, AS-RK 2007, 11.12.07, S. 2.

5
Außen- und Sicherheitspolitik" geschaffen. Die Europäische Union erhält durch den
Vertrag eine einheitliche Rechtspersönlichkeit (Artikel 47 EUV) und ist Rechtsnachfol-
gerin der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 1 EUV). Außerdem wurden weitere
Politikfelder für die gemeinsame Zusammenarbeit aufgenommen, wie z.B. die Bekämp-
fung von Kriminalität und Terrorismus oder die Energie- und Klimapolitik.
21
Auch die
Möglichkeit eines Austritts aus der EU wurde hier erstmals implementiert (Näheres
dazu unter D. VI. 1.). Ein bisher niemals dagewesener Akt, welcher, wenn nicht als
Paradigmenwechsel, so zumindest als Zeichen des großen Einflusses und Eindrucks
der weltweiten Wirtschaftskrise auf die EU gedeutet werden kann.
III. Die
Währungsunion
Die europäische Währungsunion setzt sich aus den EU-Mitgliedsstaaten auf dem Ge-
biet einer gemeinsamen Währungspolitik zusammen. Sie wurde 1999 durch elf Staaten
errichtet. Dazu gehörten neben Deutschland noch Belgien, Finnland, Frankreich,
Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Griechen-
land trat 2001 bei (Näheres dazu unter D. II.). Mit Slowenien (2007), Malta und Zypern
(2008), der Slowakei (2009) und Estland (2011) traten dem Bund fünf weitere Staaten
bei. Alle übrigen EU-Mitgliedsländer sind laut Vertrag dazu verpflichtet der Wirtschafts-
und Währungsunion beizutreten, sofern sie die im Maastrichter Vertrag festgelegten
Konvergenzkriterien erfüllen (Näheres dazu unter nachfolgender Ziffer 2.). Eine Aus-
nahme bilden hier lediglich die Staaten Dänemark und Großbritannien, die eine sog.
,,Opting-Out-Klausel" ausgehandelt haben, mit welcher sie selbst bestimmen können,
ob sie der dritten Stufe (siehe Abbildung 1) der Wirtschafts- und Währungsunion
(WWU) - welche u.a. die Einführung des Euro behandelt ­ beitreten möchten oder
nicht, sofern sie die Konvergenzkriterien erfüllen.
22
Die drei Stufen der WWU wurden 1988 von einem vom Europäischen Rat eingesetzten
Gremium unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten der Europäischen
Kommission, Jacques Delors, entwickelt. Neben den Mitgliedsstaaten sind auch die
nationalen Notenbanken und die Europäische Zentralbank (EZB) Teil der Währungs-
union. Zusammen bilden sie das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Die
Zusammensetzung aus EZB und den nationalen Notenbanken stellt die zweistufige
Währungsverfassung dar.
21
Vgl. o.V., Anmerkungen über die Änderungen im Vertrag von Lissabon, o.J.,
http://www.bundesregierung.de (abgerufen am 15.09.12).
22
Vgl. Lenz, Carl Otto in Lenz, EG-Vertrag ­ Kommentar, Erklärungen zu Dänemark, Anhang 4
Teil B Anlage 1.

6
Abbildung 1 Die drei Stufen der Wirtschafts- und Währungsunion
(Quelle: http://www.ecb.int/ecb/history/emu/shared/img/emu_stages_de.jpg)
Damit sollte der föderale
Charakter der Europäischen
Union erhalten bleiben.
23
Die
EZB besitzt hierin das Mono-
pol der Geldpolitik. Durch die
Währungsunion hat sich das
Verhalten der Nationalbank
(jetzt: EZB; früher die natio-
nalen Zentralbanken) geän-
dert. Die nationalen Banken
schauten seinerzeit (vor der
WWU) lediglich auf ihre ei-
genen Staaten und deren
(wirtschaftliche) Entwicklung
und passten ihre Maßnah-
men dementsprechend an.
Durch den einheitlichen
Zusammenschluss der Länder muss sich die EZB jetzt an Durchschnittswerten der
gesamten Union orientieren und kann sich (in der Regel) nicht den spezifischen Um-
ständen einzelner Mitgliedsstaaten anpassen. Auch konnten die einzelnen Notenban-
ken ihre Instrumente, welche sie einsetzten, selbst bestimmen. Die EZB muss, um zum
einen der Diskriminierung vorzubeugen und die gleiche Effizienz bei der Geldmengen-
steuerung zu gewährleisten, überall die gleichen Instrumente ­ mit derselben Intensität
­ einsetzen.
24
Die WWU ist zwar fester Bestandteil der Europäischen Union, dennoch weisen beide
Bereiche einige Unterschiede auf. So ist die Wirtschaftspolitik weder Gegenstand der
ausschließlichen Zuständigkeit der EU (Art. 3 AEUV) noch Gegenstand der geteilten
Zuständigkeit von Union und Mitgliedsstaaten (Art. 4 AEUV).
Sie belässt sie vielmehr im Zuständigkeitsbereich der einzelnen Mitgliedsstaaten,
jedoch verknüpft mit vielseitigen Koordinationspflichten (Art. 5 AEUV). Hier kommt es
somit nicht zu einer gemeinsamen Politik ­ wie dies bspw. in der Agrarpolitik schon der
Fall ist ­ es herrscht vielmehr eine intergouvernementale
25
Zusammenarbeit vor.
23
Vgl. Pernice, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 a Rn. 9.
24
Vgl. Ribhegge, Hermann, in Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik, S. 115.
25
Diese liegt vor, wenn Mitgliedsstaaten in bestimmten Bereichen ihre Hoheitsrechte behalten
haben und auf völkerrechtlicher Basis über zwischenstaatliche Programme miteinander arbei-
ten.

7
Die Formulierungen des Artikels 120 AEUV ,,ihre Wirtschaftspolitik" und ,,die Mitglieds-
staaten und die Union" bringen ausdrücklich zur Geltung, dass eine ausschließliche
und einheitliche EU-Wirtschaftspolitik noch nicht vorgesehen ist. Es sind heute (noch)
die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten und die der Union zu unterscheiden.
26
Bei der Währungsunion kam es stattdessen zu einer Vergemeinschaftung im klassi-
schen Sinne. Der Union wird hier in der Geld- und Währungspolitik die ausschließliche
Zuständigkeit zugesprochen (Art. 3 I lit. C, 127, 219 AEUV).
27
Die Schaffung einer Währungsunion und die gleichzeitig damit verbundene Einführung
der Einheitswährung des Euros ist dazu imstande, einen Integrationsschub zu bewir-
ken, welcher in anderen Politikbereichen so nicht möglich wäre. Die politische Gemein-
schaft wird ­ auch zu ihrem Selbstzweck ­ im Hinblick auf die schrumpfende Bedeu-
tung der einzelnen europäischen Staaten in der Weltgemeinschaft ­ gestärkt. Gleich-
wohl ist es nicht zu übersehen, dass eine reine Währungsunion, ohne die Vergemein-
schaftung der Wirtschaftspolitik und der damit verbundenen Anpassungen der
wirtschaftlich so unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Währungsunion, ein Fehler
war, welcher in der jetzigen Finanz- und Wirtschaftskrise schonungslos offengelegt
wird.
28
1.
Der Vertrag von Maastricht
Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) wurde am 7. Februar 1992 in Maas-
tricht geschlossen. Er tritt an die Stelle der Römischen Verträge (insbesondere des
EWG-Vertrages; EWGV) und repräsentiert eine der größten Leistungen der jüngeren
europäischen Vergangenheit. Mit diesem wurde nicht nur formal der Ausdruck ,,Euro-
päische Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) durch ,,Europäische Gemeinschaft" (EG)
ersetzt, es war gleichzeitig die Gründung der Europäischen Union und somit ein Schritt
näher zur Vollendung der europäischen Integration. Der EWGV trat am
1. November 1993 in Kraft und ließ die EU fortan auf drei Säulen
29
ruhen:
Die erste Säule ist die Europäische Gemeinschaft (welche aus den vorgenannten
EG-Gründungsverträgen von 1957 hervorging und im Maastrichter Vertrag noch einmal
26
Vgl. Hattenberger in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 120 AEUV Rn. 4; vgl. Kempen in
Streinz, EUV/AEUV, Art. 120 AEUV Rn. 1.
27
Vgl. Kempen in Streinz, EUV/AEUV, Art. 119 AEUV Rn. 8; vgl. Hatje in Schwarze, EU-
Kommentar, Art. 119 AEUV Rn. 16.
28
Vgl. Häde in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 119 AEUV Rn. 17; vgl. Kempen in Streinz,
EUV/AEUV, Art. 119 AEUV Rn. 9.
29
Vgl. Bitterlich, in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, Art. 1 EUV Rn. 5.; vgl.
Geiger, in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 7.

8
vertieft wurde). Daneben stehen auf den Säulen zwei und drei die gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit der Justiz- und Innenpolitik. Während
der EWGV noch als Kernstück die wirtschaftliche Union, mit der Zollunion und der
Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes hatte, war der Vertrag von Maastricht der
Grundstein zur Gründung einer politischen Union.
30
Manifestiert wurde dies auch u.a.
durch die Einführung der Unionsbürgerschaft.
31
Sie steht für ein gemeinschaftsweites
Aufenthaltsrecht, aktives und passives Wahlrecht zum Europäischen Parlament uvm.
Sie ersetzt nicht die (nationale) Staatsangehörigkeit, sondern ist lediglich akzessori-
scher Natur.
32
Dennoch unterstreicht sie den Willen der europäischen Staatslenker,
Europa hin zu einer Einheit zu führen und zu formen. In Artikel 2 des
EG-Vertrages wurde sodann von der bisherigen ,,schrittweisen Annäherung der Wirt-
schaftspolitik der Mitgliedsstaaten" Abstand genommen und stattdessen von der
,,Aufgabe der Gemeinschaft [...] zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer
Wirtschafts-
und Währungsunion" gesprochen.
33
Der Vertrag beinhaltete
zudem die Verpflichtung der Mitgliedsländer zur Errichtung einer Währungsunion. Da-
mit wurde ein Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende eine einheitliche Währung,
unterlegt mit einer einheitlichen Geldpolitik und verknüpft mit einer Europäischen Zent-
ralbank, deren oberstes Ziel die Preisstabilität ist, stehen sollte.
34
Dieses hat der
Bundestag in seiner Erklärung zu den Maastrichter Verträgen auch noch einmal deut-
lich gemacht, indem er in der gemeinsamen Entschließung der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und FDP sagte, dass ,,die Stabilität der Währung unter allen Umständen
gewährleistet sein muss."
35
Der Vertrag von Maastricht stärkte nicht nur den europäischen Integrationsgedanken,
er ermöglichte es Europa zudem, am immer größer und wichtiger werdenden globalen
Handel teilzuhaben. Mit ihm stürzte jedoch auch eine der letzten Bastionen der alten
Wirtschaftswelt: Die Beschränkung und Kontrolle des Finanzmarktkapitalismus. Die
Entwicklung der Konvergenzkriterien war einer ihrer Folgen.
36
30
Vgl. Schwarze, in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 1 EUV Rn. 4; vgl. Rittner/Dreher, in Euro-
päisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 1.
31
Vgl. Calliess in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 24.
32
Vgl. Lenz, Carl Otto, in Lenz, EG-Vertrag ­ Kommentar, Art. 8 EGV Rn. 2.
33
Vgl. Langguth/Lenz, in Lenz, EG-Vertrag ­ Kommentar, Art. 2 EGV Rn. 1.
34
Vgl. Langguth/Lenz, in Lenz, EG-Vertrag ­ Kommentar, Art. 2 EGV Rn. 6.
35
Vgl. Läufer, Thomas in Europäische Gemeinschaft ­ Europäische Union, Entschließung des
Deutschen Bundestages zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union; BT-
Drs. 12/3906 v. 02.12.92.
36
Vgl. Wehr, Andreas in Griechenland, die Krise und der Euro, S. 159.

9
2. Die
Maastricht-Kriterien
Bei der Konstruktion der Währungsunion wurden im Vertrag von Maastricht verschie-
dene Kriterien festgesetzt, mit deren Hilfe festgestellt wird, ob ein Land Mitglied der
Gemeinschaftswährung werden kann oder nicht. Damit sollte erreicht werden, dass
eine wirtschaftliche und fiskalische Konvergenz bei allen Teilnehmern vorhanden ist.
37
Dies ist eine wichtige Voraussetzung zur Sicherung des Zieles der Währungsgemein-
schaft, der Geldwertstabilität. Dies kommt vor allem in den Artikeln 121 AEUV, welcher
die allgemeine autonome Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten kontrolliert sowie be-
gutachtet und 126 AEUV, der sich im Speziellen mit der Haushaltspolitik befasst und
die Haushaltsdisziplin überwacht, zum Ausdruck.
38
Sie sollen zudem die Vision eines
idealen Währungsraumes, welcher sich durch große Flexibilität, Integration und gute
wirtschaftliche Strukturen auszeichnet, unterstützen. Die Kriterien lauten wie folgt:
1. Preisniveaustabilität
Die Inflationsrate wird an einer bestimmten Wertgröße festgemacht. Diese be-
stimmt sich aus den drei Ländern mit den geringsten Inflationsraten des letzten
Jahres. Der Beitrittskandidat darf keine Inflationsrate aufweisen, welche höher als
1,5 % der Werte der drei vorgenannten Länder ist.
2. Wechselkursstabilität
Der Wechselkurs des Eintrittskandidaten muss sich zwei Jahre in Folge vor der
Prüfung innerhalb bestimmter Schwankungsbreiten des Europäischen Währungs-
systems bewegt haben.
3. Haushaltdefizit
Die Verschuldung bzw. das Defizit des öffentlichen Haushaltes darf die Drei-
Prozent-Marke nicht überschreiten. Gemessen wird dies am Bruttoinlandsprodukt
(BIP).
4. Zinsstabilität
Die Zinsstabilität misst sich anhand der drei Länder mit den niedrigsten
Inflationsraten im Vorjahr. Diese dienen als Messgröße für die langfristigen
nominalen Zinsen, welche nicht mehr als zwei Prozent darüber liegen dürfen.
37
Vgl. von Zanthier, Bettina in Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer
Union in der Europäischen Union des Maastrichter Vertrages, S. 30; vgl. Rittner/Dreher, in
Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 47.
38
Vgl. Häde in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 136 AEUV Rn. 1.

10
5. Staatsverschuldung
Diese darf nicht höher als 60 % des BIPs sein. Ein Land mit einer höheren Ver-
schuldung darf dem Währungsgebiet jedoch unter der Voraussetzung stetig
sinkender Schulden beitreten.
Diese Kriterien verdeutlichen das Bemühen zur Konstruktion einer effektiven und idea-
len Währungsunion. Sie verdeutlichen aber auch gleichzeitig die Schwachstelle des
EU-Vertrages. Die größte ist wohl das Fehlen etwaiger Sanktionen bei Verstößen von
Teilnehmern gegen die Kriterien. Zudem ist in einigen Formulierungen des Vertrages
zu erkennen, dass eine Aufweichung der Kriterien durchaus möglich ist. So sind bei-
spielsweise Referenzwerte in ,,der Nähe" des Kriteriums zu erreichen und die Teilneh-
merländer haben sich ,,zu bemühen" diese zu erfüllen.
39
Schlussfolgernd daraus lässt
sich sagen, dass die Politik das letzte Wort über den Beitritt eines Landes haben und
sich dieses Privileg nicht aufgrund schlechter wirtschaftlicher Daten berauben
lassen wollte.
Eventuelle Sanktionen gegen Staaten der Union, welche gegen Regelungen des Ver-
trages verstoßen haben, sind politisch nur schwer um- bzw. durchsetzbar. Gerade im
Falle von souveränen Staaten, die zum Teil noch Gründungsmitglied der EWG sind,
kam dieses politische Privileg zum Vorschein. Dies ist vor allem gut am Beispiel Itali-
ens zu sehen, dessen (bewusste) Verstöße bzw. Vertuschungen gegen die Kriterien
wissend hingenommen worden sind (,,Italien habe die Bedingungen für einen dauerhaf-
ten Defizit- und nachhaltigen Schuldenabbau nicht erfüllt und stelle ein besonderes
Risiko für den Euro dar"
40
), da man sich nicht dazu im Stande sah, ein Gründungsmit-
glied zu bestrafen oder gar öffentlich zu rügen. Dies war vor allem in Deutschland zu
erkennen. Dessen Politiker wollten nicht den ,,Lehrmeister" in Europa spielen. Eine
Führung Europas unter deutschem Taktstock wurde, gerade aus historischer Sicht
betrachtet, als nicht empfehlenswert empfunden. Nicht unerwähnt dürfen auch die aus
nationalem Eigeninteresse begründeten von Deutschland und Frankreich begangenen
Verstöße gegen die Kriterien bleiben.
39
Vgl. Ribhegge, Hermann in Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik, S. 112.
40
Notiz vom damaligen Präsidenten des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes Horst
Köhler an Bundeskanzler Helmut Kohl; vgl. Böll, Sven, u.a. in Operation Selbstbetrug, Der
Spiegel, 07.05.2012, Nr. 19/2012, S. 24.

11
IV. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Der weitere Weg Deutschlands bzw. Europas wird zu einem guten Stück vom deut-
schen Verfassungsgericht mitbestimmt oder zumindest kommentiert. In jüngster Ver-
gangenheit hat es sich sogar dazu entschlossen, eine dreimonatige Beratungszeit für
die Entscheidung über die Verfassungskonformität des Europäischen Finanzstabilisie-
rungsmechanismus (EFSM) in Anspruch zu nehmen. Dies stellt insofern eine Beson-
derheit dar, als dass diese Zeitnahme auch als bewusster Gegenentwurf zum bisheri-
gen Krisenmanagement der Politik gesehen werden kann. Auf der Grundlage von Zeit-
not entscheiden Regierungen über Hilfspakete in Milliardenhöhe, ohne vorher das Par-
lament hierüber anzuhören. Diesem Prozess wollten sich die Verfassungsrichter be-
wusst entziehen. Vielleicht bedurfte es gerade diesen Schrittes, um eine gewisse
,,Entschleunigung" in die zum Teil sehr hitzig geführte Debatte einzuführen. Dies könn-
te nach Meinung einiger Ökonomen die Risikobereitschaft der Investoren wieder stär-
ken. Es lässt sie die Möglichkeit bedenken, dass es eben doch die Alternative Trans-
ferunion gibt, in der ihre unternehmerischen Risiken hauptsächlich vom Steuerzahler
getragen werden. Dies ist sogar empirisch erwiesen. Der Ökonom Brian Gunia
41
hat
herausgefunden, dass ,,die moralische Güte von Entscheidungen zunimmt, wenn die
Akteure sich Zeit lassen".
42
Die oben erwähnte Entscheidung hat nicht nur verfassungsrechtliche Relevanz, sie
verdeutlicht auch das Verhältnis zwischen dem deutschen Grundgesetz und der Idee
der europäischen Integration. Es befasst sich somit auch mit der Frage, wie weit die
EU mit ihrem Selbstverständnis einer ,,immer engeren Union" (Art. 1 2. Absatz EUV)
gehen kann, ohne dass es zu verfassungsrechtlichen Problemen in den einzelnen Mit-
gliedsstaaten kommt. Die Frage, was genau unter einer ,,engeren Union" zu verstehen
ist und welcher Endzustand erreicht werden soll, lässt der Vertrag unbeantwortet.
43
Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach zur europäischen Integration
Stellung genommen. In seinem Urteil zum Maastricht-Vertrag aus dem Jahre 1993 hat
es ein Problemfeld der EU gelöst.
44
Es bestand in dem Zwist, ob es sich bei dieser um einen lockeren Staatenbund oder
um einen konkreten Bundesstaat handele. Die Lösung bestand in der Schaffung einer
41
Assistant Professor an der John Hopkins Universität in Baltimore, USA.
42
Vgl. Hank, Rainer in Kontemplation, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15. Juli 2012,
Nr. 28, S. 29.
43
Vgl. Pechstein, in Streinz, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 3.
44
Vgl. BVerfG, Urteil vom 12.10.1993, 2 BvR 2134/92, 204.

12
vorbildlosen Neuschöpfung des ,,Staatenverbundes".
45
Dennoch ist die derzeitige
Konstellation noch unausgereift, sofern man über eine stufenweise Integration eine
europäische Zentralregierung etablieren möchte. Es fehlt hier noch die typische sog.
,,Kompetenz-Kompetenz". Diese stellt die Möglichkeit dar, aus eigener Kraft neue Zu-
ständigkeiten zu schaffen. In der Maastricht-Entscheidung fand das Gericht noch einen
Spagat zwischen dem europafreundlichen Artikel 23 GG, welcher die europäische
Einigung zum Ziel setzt und der nationalen Souveränität.
46
In Kombination mit der
Präambel des Grundgesetzes wird dem Staate nach Artikel 23 GG somit ein Integrati-
onsauftrag (in die EU) erteilt, welcher gar als Staatsziel aufgefasst werden darf.
47
Die Ermächtigung des deutschen Bundestages bzw. der Regierung, die Rettungsmaß-
nahmen durchzuführen, stützt sich auf das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz
48
vom 7. Mai 2010. Dieses wurde schon zwei Wochen später, am 21. Mai 2010, durch
das Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetz
49
ergänzt, welches die Rechtsgrundlage
für die Schaffung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bildete.
Gegen die Schaffung dieses Instrumentes bzw. für die Abgabe von Garantien und die
Gewährung von bilateralen Krediten hatten sechs Privatpersonen Verfassungsbe-
schwerde eingereicht. (Die Frage, ob diese Instrumente gegen europäisches Recht
verstoßen, wird im Abschnitt D. VIII. ausführlich behandelt).
Im Kern dieser Beschwerde hatte das Gericht zu entscheiden, ob ein grundrechtsglei-
ches Recht aus Artikel 38 GG verletzt ist. Es ging um die Frage, ob dem vom Volk ge-
wählten Bundestag essentielle Kompetenzen entzogen werden können. Das Bundes-
verfassungsgericht hat Artikel 38 GG zum Grundrecht auf Demokratie stilisiert. Der
Bundestag, als oberster Vertreter des Volkes, darf keine ,,Kernbereiche politischer
Selbstbestimmung"
50
aufgeben. ,,Gegen eine mit Artikel 79 Abs. 3 GG unvereinbare
Entäußerung von Kompetenzen durch das Parlament selbst muss sich der Bürger ver-
fassungsgerichtlich zur Wehr setzen können."
51
Die Einbeziehung der Ewigkeitsklausel
aus Artikel 79 GG dient als oberste Grenze, welche den Schutz der Verfassung
definiert, hier im Speziellen: das Demokratieprinzip.
52
Das Bundesverfassungsgericht
45
Vgl. Ipsen, in Allgemeines Verwaltungsrecht, Abschnitt V. Rn. 119; s.a. BVerfG, Urteil vom
30.06.2009 ­ 2 BvE 2/08, Rn. 276 ff.; s.a. Calliess, in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 EUV
Rn. 36.
46
Vgl. Doerfert, Carsten in ZJS, 01/2012, S. 106.
47
Vgl. Uerpmann-Wittzack, in von Münch/Kunig, GG, Art. 23 GG, Rn. 7; vgl. von Zanthier,
Bettina in Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer Union in der
Europäischen Union des Maastrichter Vertrages, S. 70.
48
Vgl. Doerfert, Carsten in ZJS, 01/2012, S. 107; BGBl. I 2010, S. 537.
49
Vgl. Doerfert, Carsten in ZJS, 01/2012, S. 107; BGBl. I 2010, S. 627.
50
BVerfG, Urteil vom 07.09.2011 ­ 2 BvR 987/10, Rn. 101.
51
BVerfG, Urteil vom 07.09.2011, a.a.O.
52
Vgl. Bryde, in von Münch/Kunig, GG, Art. 79 GG Rn. 40.

13
hat in seinem Urteil festgestellt, dass der deutsche Bundestag ,,seine Budgetverantwor-
tung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure
übertragen [darf]."
53
In seinem Lissabon-Urteil
54
hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass das
Grundgesetz ausschließt, dass sich Deutschland an der Errichtung eines europäischen
Bundesstaates direkt oder indirekt beteiligt; dies erfordere vielmehr eine neue Verfas-
sung. Die Richter aus Karlsruhe haben hierdurch eine konkrete, feste Grenze gezogen.
Es hat sich somit selbst in eine missliche Lage hineinmanövriert. In dieser riskiert es
einen möglichen zukünftigen Konflikt, welcher entstehen könnte, wenn die Gründung
eines solchen europäischen Bundesstaates allein an Deutschland scheitern würde.
55
Mit ihrer Ansicht treten die Verfassungsrichter des Jahres 2012 noch hinter die Ansicht
der Verfassungsrichter des Jahres 1948 zurück. Diese besaßen eine deutlich weiter-
gehende Vorstellung von der Integration Europas. Sie waren durch die historischen
Begebenheiten geprägt, welche ein Zusammenwachsen Europas und die gleichzeitige
Stärkung und Einbindung Deutschlands in ein vereintes Europa als unumgängliche
Prävention gegen einen möglichen neuen kriegerischen Konflikt sahen. In dieser Zeit
entstand durch Winston Churchill auch die Formulierung der ,,Vereinigten Staaten von
Europa"
56
.
Im deutschen Grundgesetz findet sich dieser Wunsch in der Präambel wieder, in wel-
cher es heißt, dass das deutsche Volk ,,von dem Willen beseelt" sei, ,,als gleichberech-
tigtes Glied in einem vereinten Europa" zu dienen.
V. Zwischenfazit
Mit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht und der damit verbundenen
Gründung der Europäischen Union, wurde ein großer Schritt in Richtung Frieden,
Wohlstand und Einigkeit innerhalb Europas getan. Jahrhundertelange Feindschaften
wurden begraben (z. B. Deutschland ­ Frankreich) und im Sinne einer gemeinsamen
Wertschöpfung, eine neue Grundlage geschaffen.
Die Errichtung einer Währungsunion war aus politischer Sicht der nächste logische
Schritt. Die hierfür entworfenen Mitgliedskriterien waren und sind sinnvoll, jedoch
53
BVerfG, Urteil vom 07.09.2011 ­ 2 BvR 987/10, Rn. 125.
54
BVerfG, Urteil vom 30.06.2009 ­ 2 BvE 2/08, Absatz-Nr. (1 - 421).
55
Vgl. Doerfert, Carsten in ZJS 1/2012, S. 108.
56
Vgl. Churchill, Winston in einer Rede an der Universität Zürich vom 19. September 1946; s.a.
o.V., Rede von Winston Churchill vom 19.09.1946, o.J. http://europa.eu/ (abgerufen am
05.09.12).

14
wurden sie nicht ganz zu Ende gedacht. Man blendete vielerlei Faktoren einfach aus.
Vor allem wollte man nicht wahrhaben, dass ein Land einmal gegen die Kriterien (be-
wusst) verstößt und die EU sodann zum Handeln gezwungen wäre. Auch eine Mög-
lichkeit des Handelns seitens des betroffenen Landes (siehe ,,Fehlende Austrittsmög-
lichkeit") wurde nicht bedacht. Dennoch bleibt die Grundidee eine gute. Auch das
Bundesverfassungsgericht hat dies so gesehen, wenn auch mit einigen Einschränkun-
gen. Generell sollte das Gericht Leitplanken für den Weg einer europäischen Union
setzen und ihm keine Steine in den Weg legen.
C. Die
Weltwirtschaftskrise
Wenn die USA niesen, bekommt der Rest der Welt Schnupfen. Dieses alte Börsen-
sprichwort, welches dem großen britischen Ökonomen und Politiker, John Maynard
Keynes, zugerechnet wird (,,[...] when America sneezes the rest of the world catches
cold"), war selten zutreffender, als in der heutigen Zeit, denn die größte Wirtschafts-
und Finanzkrise seit 1929 hat ihren Ursprung in Übersee.
I.
Die Entstehung der Krise
In die Öffentlichkeit trat die Finanzkrise am 15. September 2008, dem Tag der
Insolvenz der amerikanischen Investmentbank ,,Lehman Brothers" (Lehman). Ihren
vorläufigen Höhepunkt erreichte sie am 10. Oktober 2008, dem ,,Schwarzen Freitag".
An diesem Tag brachen die Kurse der Börsen weltweit in einem bislang nicht bekann-
ten Ausmaße ein. Sie sackten um 18,2 % ab; selbst am ,,Schwarzen Donnerstag", dem
24. Oktober 1929, brachen die Kurse ,,nur" um 10,1 % ein.
57
Das Vertrauen in die
Marktwirtschaft bzw. den Kapitalismus des Westens, in ein System, was als bestes und
letztgültiges Wirtschaftssystem betrachtet wurde, zerbrach.
Die Ursache für die derzeitige Krise kann jedoch auch etwas abstrakter betrachtet wer-
den. Eine These ist, dass die Krise aufgrund der zu laschen Regulierung des Finanz-
sektors herbeigeführt wurde. Die Aufhebung des 1933 beschlossenen ,,Glass-Steagal-
Acts" im Jahre 1999, welcher vornehmlich die Trennung von Geschäfts- und
Investmentbanken vorsah und den Eigenhandel
58
der Geschäftsbanken unterbinden
57
Vgl. Sinn, Hans-Werner in Kasino-Kapitalismus, S. 16.
58
Damit ist der Handel mit Finanzinstrumenten wie Wertpapieren, Derivaten oder auch Geld
gemeint, welcher nicht konkret mit dem Kundengeschäft zusammenhängt.

15
sollte, ist einer der deutlichsten Belege hierfür. Bisher glaubte man an die ,,Effizienz
von Märkten" sowie an die ,,statistische Vorhersehbarkeit" dieser.
59
Der Glaube an diese Rationalität von Märkten ist in der Wirtschaftswissenschaft weit
verbreitet.
60
Unter diese Haube ist auch das Bekenntnis zu effizienten und selbstregu-
lierenden Märkten zu fassen. In der Finanzkrise hat dieses Bild starken Schaden
genommen. Die Einbildung einiger Akteure auf den Finanzmärkten, den Markt (lang-
fristig) schlagen zu können, ist mehr als fraglich. Denn eigentlich ist es unmöglich den
Markt zu schlagen, da dieser ja effizient ist. Die Preise spiegeln in ihm die Informati-
onstransparenz und ­effizienz wieder. Kritiker bemängeln, dass sich der Sektor zu sehr
,,frei bewegen" konnte, was letztendlich zu einem Marktversagen führte. Dem liegen
zwei Fakten zugrunde: Externe Faktoren und das ,,Handeln in Stellvertretung". Gerade
letzteres ist in der heutigen Zeit sehr häufig, in der die meisten finanzstarken Unter-
nehmen Kapitalgesellschaften sind, also Gesellschaften, in denen die Leitungs- und
Eigentumsstruktur voneinander getrennt ist. Dies erhöht die Möglichkeit, dass ein
Entscheidungsträger, der nicht direkt bzw. persönlich unter den Folgen seiner Fehlent-
scheidung zu leiden hat, weniger das Risiko scheut, als etwa ein Entscheidungsträger
einer Personengesellschaft, in der die Leitungs- und Eigentumsstruktur
(in der Regel) identisch ist.
61
1. Die
Immobilienblase
Bei der Untersuchung einer Krise solchen Ausmaßes, wie wir sie derzeit erleben, darf
die Suche nach deren Grund nicht die Marktmechanismen an sich ignorieren. Hierbei
ist insbesondere das Phänomen der Blasenbildung zu hinterfragen. Wie entsteht eine
solche und was zeichnet sie aus? Nach der Definition des Gabler Wirtschaftslexikons
sind dies ,,Abweichungen eines Assetpreises von seinem Fundamentalwert"
62
. Der
Assetpreis kann sich auf Immobilien, Aktien, Anleihen oder Rohstoffe beziehen. Diese
Abweichung resultiert häufig durch eine unrealistische Erwartungshaltung der
Individuen. Sie gehen davon aus, dass eine bestimmte Entwicklung aus der Vergan-
genheit sich dementsprechend oder sogar noch besser in der Zukunft weiterführen
59
Vgl. Peukert, Helge in Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, S. 163.
60
Vgl. Stiglitz, Joseph in Im freien Fall, S. 334.
61
Vgl. Stiglitz, Joseph in Im freien Fall, S. 41.; hier verweist er auch auf John Maynard Keynes
in: Die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (1936), Kapitel 12, in
dem dieser vom kurzsichtigen Verhalten von Investoren sehr beunruhigt war. Keynes ,,verglich
sie mit einem Preisrichter bei einem Schönheitswettbewerb, der nicht die seines Erachtens
schönste Person auswählt, sondern sich an dem mutmaßlichen Urteil anderer ausrichtet.".
62
Vgl. Gabler, Theodor, Gabler Wirtschaftslexikon, Spekulationsblase, o.J.
http://wirtschaftslexikon.gabler.de (abgerufen am 31.07.12).

16
lässt. Dies wird auch als systemische Irrationalität bezeichnet, welche ­ wenn sie in
großem Maße vorkommt ­ konjunkturelle Schwankungen auslösen kann. Hiervon gibt
es zwei Arten.
Einmal den irrationalen Überschwang, welcher zu einem Boom führt und einer dem-
entsprechenden Spekulationsblase. Zum zweiten aus einem irrationalen Pessimismus,
welcher zu einem Abschwung führt. Im vorliegend zu behandelnden Thema ist für uns
jedoch der Überschwang interessant. Dieser entstand bei der Entwicklung der Häuser-
preise in den USA, welche sich zu einer Immobilienspekulationsblase entwickelten.
Unter der Präsidentschaft von Bill Clinton wurde der 1977 eingeführte ,,Community
Reinvestment Act" (CRA) im Jahre 1995 mit einer Gesetzesnovelle verstärkt, und zwar
dahingehend, dass versucht wurde die Grundidee, jedem Amerikaner steht ein eigenes
Haus zu, mit Anreizen für Banken und bspw. Makler zu verwirklichen. Dies wurde vor
allem im Hinblick auf die Verwahrlosung von Afroamerikanern, Hispanics und weiteren
Einwandergruppen in den Slums verfolgt.
63
Um auch den wirtschaftlich schlechter ge-
stellten Bevölkerungsschichten eine Möglichkeit zur Finanzierung eines Eigenheims zu
ermöglichen, wurden im Zuge der Durchführung des CRA, die Bonitätsanforderungen
der Banken gesenkt und die maximale Beleihungsgrenzen bei den Immobilien erhöht.
Es wurden Anreize geschaffen. Bislang war es üblich, die Immobilie bis höchstens
80 % des Wertes zu belasten. Die restlichen 20 % mussten durch Eigenkapital gedeckt
werden. Da es eher unwahrscheinlich war, dass die Immobilie innerhalb des Kreditzeit-
raumes 20 % ihres Wertes verlieren würde, war dies relativ sicher. Zudem wurden in
dieser Zeit hauptsächlich ,,rückgriffsfreie" Kredite vergeben. Bei dem Ausfall eines sol-
chen Kredites verliert der Kreditnehmer höchstens das Beleihungsobjekt, die Bank
kann jedoch nicht auf die privaten Vermögenswerte des Schuldners zugreifen.
64
Zu
vergleichen ist dies in grober Weise mit der Haftung eines Gesellschafters in einer
GmbH, in der der Gläubiger seine Forderungen auch nur über den Geschäftsanteil
(sprich das Gesellschaftsvermögen) und nicht über das Privatvermögen des Gesell-
schafters geltend machen kann; eine Art Kredit mit beschränkter Haftung.
Die Kreditnehmer wurden somit ­ zumindest unterbewusst ­ dazu verführt, Immobilien
zu kaufen, die ihre finanziellen Möglichkeiten überschritten. Dies geschah mit dem
Argument, dass sie aufgrund des Wertzuwachses der Immobilie Gewinn machen
würden und so nichts verlieren könnten.
65
Hier kam ein Anreiz zur Geltung: Die Banken
kassierten dementsprechend Gebühren für ihre Dienste, welche sich nach der Höhe
und der Anzahl der Kredite richteten.
63
Vgl. Sinn, Hans-Werner in Kasino-Kapitalismus, S. 120.
64
Vgl. Stiglitz, Joseph in Im freien Fall, S. 126.
65
Vgl. Peukert, Helge in Die große Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise, S. 46.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783842815421
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Fachhochschule Köln – Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2014 (März)
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Titel: Der mögliche Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union unter Berücksichtigung der Staatsschuldenkrise
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