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Sexualität im Alter in stationären Einrichtungen unter Einbezug der Demenz

©2011 Bachelorarbeit 100 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
In Vorbereitung auf diese Arbeit kam ich mit zahlreichen Menschen über den Titel meiner Ausarbeitung ins Gespräch. Es war sehr erstaunlich, die vielfältigen Reaktionen der anderen aufzugreifen. Denn schließlich ist der Titel so unmissverständlich, dass sehr wohl deutlich ist, worum es mir geht.
Von Fachfremden wurde das Thema eher erschreckend aufgegriffen. Ihr Blick sagte mir, dass man über so etwas doch nicht ernsthaft eine Abschlussarbeit schreiben kann.
Doch kommt man mit ihnen ins Gespräch und erklärt die Präsens und Aktualität der Thematik, so weckt man viel Interesse und wird mit zahlreichen Fragen überschüttet. Diese Gruppe von Menschen ist häufig in der deutschen Bevölkerung vorzufinden. Auf der einen Seite scheinen sie aufgeklärt und auf der anderen Seite existieren so viele Fragen zum Thema. So auch im Bereich der Demenzerkrankung. Denn hierzu sind ebenfalls viele ungeklärte Fragen in den Köpfen der Menschen aufgetaucht.
Neben der Auseinandersetzung mit der Demenzerkrankung ist vor allem ein Bezug zur Sexualität alter Menschen sehr wichtig. Denn die Sexualität im Alter galt über viele Jahrzehnte als ein Tabuthema in der Gesellschaft. Man denkt darüber einfach nicht nach, ob alte Menschen immer noch ein Bedürfnis nach sexueller Aktivität haben oder diese gar ausleben. Alterssexualität im heutigen Zeitalter ist also immer noch ein sehr schambehaftetes Thema in der allgemeinen Bevölkerung.
Kommt zu der Alterssexualität die Erkrankung der Demenz hinzu, entsteht bei vielen Angehörigen und Mitarbeitern in stationärer Einrichtungen eine zunehmende Belastung im Umgang mit den alten Menschen.
Im Austausch mit Fachkundigen aus den verschiedenen Arbeitsbereichen, wie Gerontologie, Pflege, Sozialer Arbeit und Medizin stellt man fest, dass diese Thematik unmittelbar einen großen Redebedarf hervorruft. Jeder hat aus seiner Praxiserfahrung einen Teil dazu beizutragen und kommt aus der Komplexität gar nicht mehr heraus.
Ein wesentlicher Faktor im Austausch mit Professionellen war mir, herauszufinden, welchen Stellenwert die Sexualität im Alter in der Ausbildung von Pflegepersonal derzeit hat. Exemplarisch habe ich eine Umfrage an Altenpflegeschulen durchgeführt, welche verdeutlicht, in wie weit das Thema überhaupt in der Ausbildung präsent ist und wie stark es gewichtet wird. [...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1. Das Alter
2.2. Sexualität
2.2.1. Dimensionen von Sexualität
2.2.1.1. Die Lustdimension
2.2.1.2. Die Fortpflanzungsdimension
2.2.1.3. Die Beziehungsdimension
2.3. Alterssexualität
2.3.1. Biologische Veränderungen im Hinblick auf die Sexualität im Alter
2.3.1.1. Veränderungen & Sexualstörungen bei der Frau
2.3.1.2. Veränderungen & Sexualstörungen bei dem Mann
2.4. Demenz

3. Die altersbedingten Veränderungen aus der Perspektive Betroffener bzw. Angehöriger von Demenzkranken
3.1. Die Sicht von älteren Frauen & Männern auf die altersbedingten Veränderungen im sexuellen Bereich mit Bezug auf den Starr-Weiner-Report (1982)
3.2. Veränderungen durch eine Demenz
3.2.1. Die Diagnose von Demenz & die Sicht der Angehörigen
3.2.2. Demenz und der Einfluss auf die Sexualität der Betroffenen
3.2.3. Der Einfluss vom Zusammenspiel der Demenz & Sexualität auf die Angehörigen
3.2.3.1. (Ehe-)Partner
3.2.3.2. Familie & enge Freunde

4. Alterssexualität in stationären Einrichtungen
4.1. Sexualität: Herausforderung und Konfrontationspotential für Pflegepersonal
4.2. Sexualität bei gesunden Heimbewohnern
4.3. Sexualität & Demenz im stationären Bereich
4.3.1. „Dirty old man“
4.3.2. Erschwerte Kommunikation
4.4. Bewältigungsansätze des Personals
4.4.1. Praktisches Hilfsmittel – die Gummipuppe –
4.4.2. Der Besuch einer Prostituierten
4.5. Folgen für die Pflege

5. Eine Umfrage zur Ausbildung von Pflegepersonal

6. Fachliche Lösungsansätze
6.1. Pflegepersonal weiterbilden und unterstützen
6.2. Angehörige schulen
6.3. Pflegestützpunkte in Rheinland-Pfalz

7. Analyse des Case Managements als spezifische Lösung der Sozialen Arbeit

8. Schlussbemerkung

9. Literaturverzeichnis

10. Anhang

Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In Vorbereitung auf diese Arbeit kam ich mit zahlreichen Menschen über den Titel meiner Ausarbeitung ins Gespräch. Es war sehr erstaunlich, die vielfältigen Reaktionen der anderen aufzugreifen. Denn schließlich ist der Titel so unmissverständlich, dass sehr wohl deutlich ist, worum es mir geht.

Von Fachfremden wurde das Thema eher erschreckend aufgegriffen. Ihr Blick sagte mir, dass man über so etwas doch nicht ernsthaft eine Abschlussarbeit schreiben kann.

Doch kommt man mit ihnen ins Gespräch und erklärt die Präsens und Aktualität der Thematik, so weckt man viel Interesse und wird mit zahlreichen Fragen überschüttet. Diese Gruppe von Menschen ist häufig in der deutschen Bevölkerung vorzufinden. Auf der einen Seite scheinen sie aufgeklärt und auf der anderen Seite existieren so viele Fragen zum Thema. So auch im Bereich der Demenzerkrankung. Denn hierzu sind ebenfalls viele ungeklärte Fragen in den Köpfen der Menschen aufgetaucht.

Neben der Auseinandersetzung mit der Demenzerkrankung ist vor allem ein Bezug zur Sexualität alter Menschen sehr wichtig. Denn die Sexualität im Alter galt über viele Jahrzehnte als ein Tabuthema in der Gesellschaft. Man denkt darüber einfach nicht nach, ob alte Menschen immer noch ein Bedürfnis nach sexueller Aktivität haben oder diese gar ausleben. Alterssexualität im heutigen Zeitalter ist also immer noch ein sehr schambehaftetes Thema in der allgemeinen Bevölkerung.

Kommt zu der Alterssexualität die Erkrankung der Demenz hinzu, entsteht bei vielen Angehörigen und Mitarbeitern in stationärer Einrichtungen eine zunehmende Belastung im Umgang mit den alten Menschen.

Im Austausch mit Fachkundigen aus den verschiedenen Arbeitsbereichen, wie Gerontologie, Pflege, Sozialer Arbeit und Medizin stellt man fest, dass diese Thematik unmittelbar einen großen Redebedarf hervorruft. Jeder hat aus seiner Praxiserfahrung einen Teil dazu beizutragen und kommt aus der Komplexität gar nicht mehr heraus.

Ein wesentlicher Faktor im Austausch mit Professionellen war mir, herauszufinden, welchen Stellenwert die Sexualität im Alter in der Ausbildung von Pflegepersonal derzeit hat. Exemplarisch habe ich eine Umfrage an Altenpflegeschulen durchgeführt, welche verdeutlicht, in wie weit das Thema überhaupt in der Ausbildung präsent ist und wie stark es gewichtet wird.

Nicht das Alter eines Menschen ist ausschlaggebend für Unterstützungs- und Hilfemaßnahmen, sondern gerade die älteren Generationen sind mit ihren Bedürfnissen wahr zu nehmen und zu akzeptieren.

Alte Menschen haben das gleiche Recht auf professionell ausgebildetes Personal, wie Jüngere. Das bedeutet, dass sensibel mit ihren Bedürfnissen und Einschränkungen im Alltag umgegangen werden muss.

Besonders das Thema der Alterssexualität in stationären Einrichtungen spielt für das Pflegepersonal eine zentrale Rolle. Hinzu kommen weitere Herausforderungen mit alten Menschen, die an Demenz erkranken. Es verändert sich nicht nur ihre Fähigkeiten zur Selbständigkeit, sondern auch der Bereich von sexueller Aktivität kann beeinträchtig sein. Das Krankheitsbild der Demenz nimmt mit dem Alter stark zu und bei Betrachtung des demographischen Wandels, ist das Thema derzeit an Aktualität und Präsens kaum zu übertreffen.

Die Ausarbeitung verfolgt das Anliegen, Defizite der Alterssexualität unter Einbezug der Demenzerkrankung in den stationären Einrichtungen und auch im familiären Kontext genauer zu betrachten. Dies geschieht, in dem die Angehörigen, professionell Pflegenden und die alten Menschen in den Fokus gerückt werden. Durch die defizitäre Datenlage zu diesem Thema, wurden nur wenige Quellen zur direkten Befragung an Betroffenen gefunden.

Starr & Weiner widmeten sich im Jahr 1982 diesem besonderen Tabuthema (Alterssexualität). Ihre Ergebnisse ermöglichten mir einen genaueren Aufschluss und fanden in einem wesentlichen Maße Einfluss in diese Arbeit.

In einem Interview mit dem Pflegeheimleiter Jürgen Engel wurden Einblicke in den stationären Arbeitsalltag und dessen Herausforderungen ermöglicht, die einen wesentlichen Beitrag zur Ausarbeitung leisteten.

Das Ziel der Bachelor-Thesis ist die Darstellung und Sensibilisierung für die Thematik der Sexualität alter Menschen. Diese wird im stationären Kontext betrachtet und unter dem Einbezug der Demenzerkrankungen vertieft.

2. Grundlagen

2.1. Das Alter

Jeder Mensch möchte alt werden, aber keiner will alt sein

(vgl. Wettstein 2005, 107).

Diese Aussage ist wohl weitgehend bekannt. Sie macht deutlich, dass es für junge Menschen ein Ziel ist alt zu werden, doch wenn man es dann ist, wünschen sich viele wieder ihre jungen Jahre zurück. Es scheint mir daher so, dass der Status des „alt-Seins“ eher negativ besetzt ist, da man davon ausgeht, nicht mehr für sich selbst sorgen zu können. Man ist stets auf Hilfe von anderen angewiesen.

Doch das muss nicht so sein. Eine 76-Jährige meint auf die Frage, ab wann ein Mensch „alt“ sei, dass sie diese Bezeichnung einer Person zuteilen würde, die so „ungefähr 80“ Jahre alt ist (vgl. Starr & Weiner 1982, 30f). Erstaunlich, wie subjektiv dieser Begriff gedeutet wird. Genauso komplementär, wie die Frau mit ihren 76 Jahren das Alter versteht, so finden sich zahlreiche unterschiedliche Definitionen, die versuchen einen numerischen Wert für den Begriff festzulegen. Die Erklärungen stellen jedoch nur einen Versuch dar, dem Altersbegriff eine ungefähre Zahl zuzuordnen.

Der Altersforscher Hartmut Radebold (1992, 13ff) nennt zur Hilfe der Definition des Alters bspw. den frühen Eintritt eines Beamten in den Ruhestand. Er erklärt, dass dies damals mit 65 Lebensjahren ein Messwert für den „Eintritt in das Alter“ (ebd.) war. Heute jedoch, wird der Begriff eher für die über 70-Jährigen und die „noch Älteren“ (ebd.) verwendet.

Die Psychologie gibt an, dass man im Alter von 65 bis 80 Jahren dem höheren Erwachsenenalter angehört. Und erst ab dem 80. Lebensjahr, nennt man die Lebensspanne dann das „hohe Alter“ (vgl. Oerter & Montada 2008, 366).

Das statistische Bundesamt (2010) gliedert die hohen Altersphasen in die Altersspannen von 60-80-Jährigen und der Kategorie 80 Jahre und älter.

Die Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland

Im Folgenden werden die Zahlen des statistischen Bundesamtes (2010) genauer erläutert, anhand deren sich der Bevölkerungsanteil in Deutschland von 1950 und/bis 2008 darstellt. Es verdeutlicht, welchen Wandel die Bevölkerungsstruktur in 58 Jahren vollzogen hat.

Die Veränderung in der Altersstruktur nimmt großen Einfluss auf dessen soziale Strukturen und Institutionen. Denn während bei einer Überbevölkerung alter Menschen besonders die Pflege und medizinische Versorgung in den Mittelpunkt rückt, spielt bei einer ausgeprägt jungen Generation die Kinder- und Jugendhilfe eine wesentliche Rolle.

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Die vorliegenden Graphiken zeigen, dass der Bevölkerungsanteil der unter 20-Jährigen in Deutschland von 30,4% im Jahr 1950 auf 19% zurückgegangen ist. Die 20-40-Jährigen sind lediglich um 1,8% innerhalb der 58 Jahre gesunken. Wobei der Anteil der 40-60 Jährigen um 2,2% gestiegen ist. Hier wird bereits deutlich, dass eine Verschiebung stattgefunden hat und die 1950 noch junge Generation heute die alte Generation darstellt.

Blickt man nun auf die Alten, ab 80-Jährigen, fällt auf, dass sich ihr Anteil um 4% erhöht hat. Wir reden also folglich von einer aktuellen Zunahme des Bevölkerungsanteils von Menschen ab 80 Jahren innerhalb Deutschland.

Der anhaltende Rückgang der Geburtenrate, verbunden mit der Zunahme der mittleren Altersstruktur (40-60-Jährigen) und den steigenden Lebenserwartungen, führt zwangsläufig zu einem erhöhten „Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung“ (Denzler et al. 1989, 19). Man redet hier vom demographischen Wandel.

Zusammenfassend nennt Bautier (2005, 1ff), dass zwischen 2014 und 2050 die Bevölkerungszahl um 7,9 Millionen Menschen zurückgehen wird. Damit prognostiziert er den stärksten Bevölkerungsrückgang in Deutschland.

Den Anteil der sehr alten Menschen kennzeichnet Bautier (ebd.) mit dem Alter von 80 Jahren und mehr. Diese Bevölkerungsgruppe dürfte innerhalb Deutschlands um 13,6% bis zum Jahr 2050 ansteigen und nimmt in der EU hinter Italien (14%) Rang zwei ein.

2.2. Sexualität

Bei dem Begriff der Sexualität wird einem der Eindruck vermittelt, dass ein jeder ihn versteht und weiß, um was es sich handelt.

Viele Menschen sind der Überzeugung, dass zur Sexualität nur der reine Geschlechtsakt gehört. Um diesen Mythos aufzuheben, wird im Folgenden darauf eingegangen, dass Sexualität mehr umfasst, als ausschließlich die körperliche Dimension.

Dass dem so ist, greift z. B. auch die Sexualbegleiterin Nina De Vries (2008, 28) auf, indem sie sagt, dass Sex mehr sei, als die genitale Lust.

Für das sexuelle Erleben und Verhalten spielen drei Dimensionen eine große Rolle.

Dies sind die biologischen, psychologischen und sozialen Dimensionen, welche ineinander greifen und sich in einer Wechselbeziehung zueinander befinden.

Somit erfüllt Sexualität mehrere Funktionen (vgl. Beier & Loewit 2004, 22).

2.2.1. Dimensionen von Sexualität

Diese Wechselbeziehungen unter den drei Faktoren sind von wesentlicher Bedeutung. Denn entstehen Probleme in einer oder mehreren Dimensionen, so kann das schwerwiegenden Einfluss auf die sexuell, partnerschaftliche Beziehung nehmen. Wenn bspw. die Dimension der Fortpflanzung altersbedingt wegfällt und die Frau unfruchtbar wird, kann dies psychische Störungen auslösen und sich somit negativ auf die Sexualität mit ihrem Partner auswirken. Es bleibt festzuhalten, dass ein Ausbleiben, Wegfall oder eine ungleiche Gewichtung der Dimensionen zu unzufriedener Sexualität führen können.

2.2.1.1. Die Lustdimension

Die Lustdimension erfüllt die Funktion, Sexualität als etwas Angenehmes wahrzunehmen. Das Erleben in dieser Dimension führt zu positiv wahrgenommenen Erregungsgefühlen, wie bspw. das Erlangen eines Orgasmus. Es geht hierbei um die Bedeutung, Lustgewinn durch alle möglichen Arten von sexueller Stimulation zu erfahren (vgl. Beier & Loewit 2004, 22). Es gilt jedoch geschlechtertypische Unterschiede zu treffen. Denn Jungen nehmen mit Eintritt in die Pubertät bereits automatisch durch die Ejakularche (erstmaliger Samenerguss) ein Lusterleben war. Bei den Mädchen hingegen tritt dies nicht direkt mit ihrer Menarche (erste Regelblutung) ein. Sie müssen erst für sich selbst herausfinden, wie sie zu einem sexuellen Erregungshöhepunkt kommen können, um dieses Lusterleben zu erfahren (vgl. ebd., 24).

Zimmer (1985, 108) definiert, dass Frauen Sexualität ausschließlich zur Befriedigung ihres Partners erleben und wahrnehmen. Sie erfüllen somit primär die Interessen des männlichen Partners. Dabei tritt die eigene sexuelle Befriedigung der Frau in den Hintergrund.

In einem Fallbeispiel erzählt Zimmer von einer Klientin, die 15 Jahre lang ihrem Mann zuliebe Sex gemacht hat und ihm die eigene Befriedigung lediglich vorspielte. Erst „als sie bei ihrer kleinen Tochter entdeckte, daß [!] diese mit den Genitalien spielte, kam es der Frau zu Bewußtsein [!], daß [!] sie für sich nie den Anspruch gehabt hatte, körperliche Befriedigung zu erreichen“ (ebd.).

2.2.1.2. Die Fortpflanzungsdimension

Diese Dimension beschäftigt sich mit der Möglichkeit zur Fortpflanzung durch Sexualität. Während der Mann die Fähigkeit zur Fortpflanzung bis zum hohen Lebensalter beibehält, kommt es bei der älter werdenden Frau durch biologische Veränderungen zu Einschränkungen. Die Phase der Frau, in der sie schwanger werden kann, bewegt sich in der Zeitspanne zwischen der Pubertät (und der damit verbundenen Menarche) und dem Eintritt der Menopause (letzte Regelblutung). Ist das Klimakterium (die Wechseljahre) ausgeklungen, ist eine Schwangerschaft (Fortpflanzung) für die Frau nicht mehr möglich (vgl. Beier & Loewit 2004, 22ff; Beier et al. 2005, 9).

2.2.1.3. Die Beziehungsdimension

Sexualität steht in dieser Dimension im Kontext von Beziehung. Der sexuelle Kontakt erfüllt hier innerhalb der Beziehung die Funktion, die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen zu stillen. Das Gefühl von Sicherheit, Vertrauen zum Partner, sich angenommen fühlen, Geborgenheit, Akzeptanz und die Nähe, spielen eine wesentliche Rolle. Es handelt sich hierbei nämlich um psychosoziale Grundbedürfnisse, die innerhalb einer Beziehung durch sexuelle Kommunikation befriedigt werden können. Bei dieser Art der Befriedigung handelt es sich um eine sinnliche und einzigartige Ausdruckweise, die dazu führt, dass der Partner zur Erfüllung findet. Die Beziehungsebene kann somit als eine Dimension verstanden werden, die durch den sexuellen Körperkontakt und die damit verbundene intime Zweisamkeit, die psychosozialen Grundbedürfnisse stillt (vgl. Beier & Loewit 2004, 22).

Grond (2001, 91) spricht davon, dass die Beziehungsdimension von Sexualität im Falle von Krankheiten immer wichtiger wird, „auch wenn z.B. sexuelle Lusterfahrung erschwert ist“ (ebd.).

2.3. Alterssexualität

In Fachliteratur wird oft die Anmerkung vorgenommen, dass es im engeren Sinne gar keine Alterssexualität gibt. Denn jeder Mensch wird schließlich mit seiner Form von Sexualität alt (vgl. Beier et al. 2005, 117). Durch solche Annahmen ist es schwer, zu einer genauen Definition der Alterssexualität zu gelangen.

Doch Ebberfeld (2005, 21) versucht den Begriff mit der „aktiven Sexualität im Alter“ zu definieren. Sie nutzt zum besseren Verständnis einen weiteren Erklärungsansatz. Danach wird die Alterssexualität als letzte Phase menschlicher Sexualität angesehen, die mit einem numerisch festgelegten Alter beginnt. Jedoch macht sie keine konkrete Angabe zu dem Eintrittsalter (vgl. ebd.).

Im Hinblick auf die biologischen Veränderungen alter Menschen, wird die Sexualität im Alter sehr unterschiedlich gelebt. Die Bandbreite reicht hier von sexueller Abstinenz, über die sexuell-genitale Lust, bis hin zum einfachen Austausch von Zärtlichkeit, wie bspw. das Küssen oder Streicheln.

Der Sexualitätsbegriff gewinnt im Alter zunehmend an Bedeutung in der Betrachtung seiner Ganzheitlichkeit. Das bedeutet, der Blick wird auf die drei genannten Dimensionen von Sexualität gerichtet und nicht nur auf eine.

Vor allem ist Sexualität im Alter für viele mehr als die Ausübung des reinen Geschlechtsaktes. Sie wird verstanden als die Erlangung eines intensiven Lustgefühls, das durch intimen Körperkontakt entsteht, wobei dies unabhängig von den Lebensjahren eines Menschen zu betrachten ist (vgl. Sydow 1992, 9).

Das Erlangen dieses Wohlgefühls über den intimen Hautkontakt bzw. den sexuellen Körperkontakt, „bleibt für alle Menschen lebenslang unentbehrliche Grundlage für Gesundheitserhaltung und Krankheitsverarbeitung“ (Beier & Loewit 2004, 22). Daher darf es „im Rahmen der Diagnostik und Behandlung nicht als beliebiger Faktor allgemeiner Lebensqualität unterschätzt werden“ (ebd.).

Die Sexualität im Alter gewinnt zunehmend an Bedeutung im Zusammenhang mit der Befriedigung von vorherrschenden psychosozialen Grundbedürfnissen. Denn diese bleiben bis ins hohe Alter erhalten. Und weiter führt Sexualität zu einem gesteigerten Wohlbefinden, einer besseren Lebensqualität und mehr Vitalität. Somit wirkt sie sich positiv auf die Gesundheit des Menschen aus (vgl. Schmiedeknecht 2008, 31).

Eine Einschränkung im Sexualverhalten kann z. B. durch die abnehmende körperliche Fitness des älter werdenden Menschen eintreten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ebenfalls die Bedürfnisse nach Geborgenheit, Vertrauen, Sicherheit und Nähe verloren gehen.

2.3.1. Biologische Veränderungen im Hinblick auf die Sexualität im Alter

Das Älterwerden hinterlässt bei jedem Menschen seine Spuren. Dies trifft sowohl für Männer, als auch für Frauen zu. Man erkennt es bspw. an den manifesten Indikatoren, wie der erschlaffenden Haut, den ergrauenden Haaren, der nachlassenden Sehkraft oder dem verstärkten Haarausfall. Aber auch die Veränderungen im Genitalbereich können starken Einfluss auf das Leben eines alternden Menschen nehmen. Jedoch muss nicht jede der im Folgenden angeführten Veränderungen zwangsläufig negativ gewertet werden.

Fakt ist, dass jeder alte Mensch letzten Endes mit seinem alternden Körper und den damit verbundenen Veränderungen konfrontiert wird. Diese Auseinandersetzung dient nicht zuletzt auch der Beziehung zum Partner und dem damit verbundenen erfüllten (Sexual-)Leben.

Der GesundheitsBrockhaus (2001, 46) hält fest, dass „die Zahl der Geschlechtsakte bei lange zusammenlebenden Paaren mit dem Alter abnimmt“ (ebd.). Die Ursache kann in den biologischen Veränderungen begründet sein, denkbar sind aber auch andere Auslöser.

Auf Ausführungen von Problemlösungsstrategien bei Sexualstörungen wird in der weiteren Ausarbeitung verzichtet und auch die psychischen Störungen werden nur randläufig angeschnitten. Jedoch bleibt anzumerken, dass die biologischen Veränderungen mit den psychischen Problemen eng verbunden sind und sich wechselseitig beeinflussen.

2.3.1.1. Veränderungen & Sexualstörungen bei der Frau

Jede Frau macht mit dem Älterwerden biologische Veränderungen durch, die das Sexualleben mehr oder weniger beeinflussen. Doch in wie weit diese Veränderungen negativ oder positiv zu werten sind, entscheidet jede Frau selbst. Während Dannemann (1991, 136) bspw. angibt, dass ein Kennzeichen des Alterns einer Frau die verminderten sexuellen Wünsche sind, nennen Starr & Weiner (1982, 16), dass sich das sexuelle Verhalten bis zum Alter von 60 Jahren nur sehr wenig verändert. Selbst nach 60 Jahren gingen diese Veränderungen nur sehr langsam vor sich (vgl. ebd.).

Was geschieht in Körper einer alternden Frau? Der weibliche Organismus beginnt sich zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr im so genannten Klimakterium (Wechseljahre) zu verändern. In dieser Phase kann ein gesteigertes sexuelles Verlangen aufkommen. Begründet wird dies in den weiterhin gebildeten Hormonen, die luststimulierende Wirkung haben. Des Weiteren wird die Angst vor ungewollter Schwangerschaft genommen. Denn mit den Wechseljahren verringern sich die monatlichen Blutungen einer Frau und hören schließlich ganz auf, was zur Folge hat, dass eine Frau nach ihrem Klimakterium unfruchtbar ist (vgl. Der GesundheitsBrockhaus 2001, 46; Kahn 1937, 58).

Während auf der einen Seite von gesteigertem Lustempfinden gesprochen wird, können im Alter auch sexuelle Störungen auftreten.

Die Veränderungen einer älter werdenden Frau und mögliche sexuelle Störungen sind im Folgenden exemplarisch erläutert.

Zunächst ist der Geschlechtsakt in vier Reaktionszyklen einzuteilen. Diese treffen sowohl für die Frau, als auch für den Mann zu.

Die erst Phase bildet die Lustentwicklung. Hierbei geht es darum, bei der Partnerin ein Lustgefühl zu entfachen, um zum geschlechtlichen Höhepunkt zu gelangen. Diese Lust kann jedoch durch verschiedene Faktoren gemindert werden. Denn ältere Frauen in den Wechseljahren weisen oftmals in zeitlichen Perioden eine vermehrte Schweißproduktion auf, die sich durch Hitzewallungen bemerkbar macht (vgl. Kahn 1937, 58). Dadurch dass diese auch nachts auftreten, klagen Frauen über mangelnden Schlaf. Die Folge ist, nicht ausgeruht zu sein und weniger Interesse am Geschlechtsverkehr zu entwickeln.

Es fehlt daneben aber auch die Energie, um den Akt zu vollziehen (vgl. Westheimer 2008, 77). Diese Veränderung ist ein Beispiel für die geminderte Lust am Geschlechtsverkehr.

Des Weiteren bilden sich durch den sinkenden Östrogenspiegel kleine Schamlippen, Klitoris (Empfindungszentrum der Frau), Uterus (Gebärmutter) und Ovarien (Eierstöcke) zurück. Die Wände der Scheide werden dünner und glatter. Weil die weichen Polsterungen der zahlreichen Falten im Genitalbereich wegfallen, ist die Vagina (Scheide) nicht mehr so elastisch, die Öffnung verengt und die Scheide wird insgesamt kürzer und enger (vgl. Grond 2001, 44f; Westheimer 2008, 72). Das Eindringen eines erigierten Gliedes kann somit durch die verengte Öffnung der Scheide und die zurückgegangene Elastizität zu Schmerzen führen. „Appetenz“ ist der sexualmedizinische Fachbegriff für diese mangelnde oder fehlende Motivation zum Geschlechtsverkehr. Diese Störung stellt heute eine der häufigsten Sexualprobleme von Frauen dar. Es handelt sich hierbei nicht ausschließlich um eine genitale Funktionsstörung, sondern um das Ausbleiben der Lust zum Geschlechtsverkehr (vgl. Beier et al. 2005, 188f).

Die zweite Phase des Geschlechtsaktes beschäftigt sich mit der Erregung der Frau. Dietz-Grygier (1999, 141) geht darauf ein, dass es bei der älteren Frau etwas länger dauert, bis sich sexuelle Erregung einstellt. Denn durch das Sinken des Östrogenspiegels, ist die vaginale Lubrikation langsamer und nicht mehr so ergiebig, wie noch zuvor. Es kann zu einem Juckreiz oder Brennen der Scheide kommen und durch die trockene Vagina kann das Eindringen des erigierten Penis sehr schmerzhaft oder unmöglich sein.

Die Vaginalkontraktionen während des Orgasmus sind ebenfalls reduziert.

Vagina und Uterus kontrahieren nicht mehr so rhythmisch, sondern eher spastisch und es kommt zu „reflexhaften, unwillkürlichen Verkrampfungen der Scheidenmuskulatur“ (Zimmer 1985, 8), beziehungsweise der „vaginalen Ringmuskulatur“ (ebd., 111). Es kann zu Unbehagen und sogar zu Schmerzen im Unterleib und in den Beinen führen. Hinzukommt, dass eine direkte Stimulation der Klitoris ebenfalls Schmerzen verursachen kann (vgl. Dietz- Grygier 1999, 141; Grond 2001, 44f; Der GesundheitsBrockhaus 2001, 48; Zimmer 1985, 111; Beier et al. 2005, 3). Dieses Phänomen bezeichnet man als Vaginismus. Es handelt sich dabei um einen Scheidenkrampf, bei dem eine „Verkrampfung des äußeren Drittels der Scheide und der Beckenbodenmuskulatur“ (Beier et al. 2005, 226) auftritt. Die Ausprägungen solcher Verkrampfungen können sich sehr unterschiedlich gestalten. Ein Eindringen des Gliedes ist jedoch nicht möglich. Wird dennoch der Versuch unternommen, können die Schmerzsymptome noch verstärkt werden. Eine Frau mit vaginistischen Reaktionen dieser Art hat es schwer einen Koitus zu erlangen.

Es kann zu einem Vermeidungsverhalten und Appetenz (Interessenverlust am Geschlechtsverkehr) führen (vgl. Beier et al. 2005, 196).

Die dritte Phase setzt sich mit dem Erlangen eines Orgasmus beziehungsweise eines sexuellen Höhepunktes auseinander. Hier können Störungen aus unterschiedlichen Gründen vorliegen. So kann z. B. die verringerte Schwellung der Klitoris einen Orgasmus unterdrücken (vgl. Der GesundheitsBrockhaus 2001, 48). Denn die Klitoris ist das Empfindungszentrum der Frau im genitalen Bereich. Fehlt die Möglichkeit sie genügend zu stimulieren, bleibt ein Orgasmus aus.

Eine weitere Ursache des fehlenden Höhepunktes der Frau ist „die Verlangsamung des Blutflusses in die Beckenregion bei sexueller Erregung“ (Westheimer 2008, 72). Auch hier ist das Eindringen des Gliedes unmöglich.

Treten diese sexuellen Störungen beim Geschlechtsverkehr eines älteren Paares auf, so kann erschwert hinzukommen, dass der Mann für seinen Orgasmus längere Zeit benötigt (siehe Kapitel 2.3.1.2). Durch die anfälligere, trockene Scheide kann es zusätzlich zu vaginalen Blutungen kommen (vgl. Westheimer 2008, 73).

Die letzte und vierte Phase des Geschlechtsaktes bildet die Entspannungsphase. Hier liegen keine bekannten Störungen vor (vgl. Beier et al. 2005, 161). Möglicherweise kann jedoch das baldige Einschlafen eines Partners nach dem Geschlechtsverkehr als störend empfunden werden. Denn so bleibt das gemeinsame Entspannen aus und es entsteht ein voneinander lösen, ohne dass der eine Partner das vielleicht schon möchte. Für ihn wären ggf. noch einige Streicheleinheiten angenehm, um nicht abrupt in die Entspannung fallengelassen zu werden.

Neben den bereits genannten Veränderungen und den daraus möglicherweise resultierenden Störungen, kommt es im Alter zu einem Absinken des pH-Wertes des Vaginalsekrets. Dieses wird daraufhin weniger sauer und hat zur Folge, dass sich der Schutz gegen Keime reduziert. Die Wahrscheinlichkeit an einer Harninfektion (atrophische Vaginitis) zu erkranken ist somit erhöht. Da auch der Tonus einer älter werdenden Frau schwächer wird, kann es weiter zur Harninkontinenz und Entzündungen der Harnblase (Zystitis), sowie der Scheide (Vaginitis) kommen (vgl. Westheimer 2008, 72).

Ein weiteres Problem stellt die „nervöse Reizblase“ (Westheimer 2008, 78) bei älteren Frauen dar. Tritt diese nur leicht auf, bedeutet es, dass die Frau im Tagesverlauf öfter die Toilette aufsuchen muss. In der schwereren Form kann es zur Inkontinenz führen und Ängste darüber verursachen, während dem Geschlechtsverkehr Urin zu verlieren. Es gibt daher Frauen, die bereits im Vornherein auf die Sexualität verzichten, um gar nicht erst in diese schambehaftete Situation zu gelangen (vgl. ebd.).

Nach der Menopause kann sich das Leben einer Frau jedoch wieder regulieren. Ruth Westheimer (2008, 77) führt hier an, dass die Symptome nach einiger Zeit von selbst verschwinden und die Energie wieder zurückkommt, sobald die Frau ihre nächtliche Ruhe wieder erlangt hat.

Somit bleibt festzuhalten, dass die Wechseljahre Einfluss auf das Sexualleben einer Frau nehmen können, vor allem wenn sie unerwartet und unvorbereitet hereinbrechen. Doch es muss sich hierbei keinesfalls um ein „Todesurteil für das Sexualleben“ (Westheimer 2008, 65) handeln.

2.3.1.2. Veränderungen & Sexualstörungen bei dem Mann

Männer erleben mit dem Älterwerden ebenfalls eine biologische Veränderung durch den sinkenden Hormonspiegel (vgl. Westheimer 2008, 90). Doch in Abgrenzung zum weiblichen Geschlecht, wird hier nicht der Begriff der Wechseljahre verwendet.

In der ersten Phase (Lustphase) spielen vor allem die psychosexuellen Faktoren eine Rolle in Bezug auf mögliche Appetenzstörungen. Das Vermeiden oder Einstellen von Unlust am Geschlechtsverkehr resultiert beim alten Mann im Besonderen aus der Angst, keine Erektion zu erlangen. Diese psychosexuellen Störungen sind daher nicht immer nur biologisch begründbar, sondern können anderweitig hervorgerufen werden (vgl. Westheimer 2008, 90). Im Jugendalter sind solche Störungen kaum denkbar. Denn hier benötigt ein Mann oftmals lediglich einen geringen Reiz und einen Bruchteil von Sekunden, um bspw. durch das Betrachten einer attraktiven Frau, zu einer Erektion zu gelangen. Diese „psychogene Erektion“ (Westheimer 2008, 86) wird mit den Jahren geringer und kann ganz verloren gehen (vgl. ebd., 65f).

Die Wichtigkeit des Vorspiels beim alten Mann, muss in Bezug auf die zweite Phase des Geschlechtsaktes (Erregungsphase) besonders in den Blick genommen werden. Der Mann muss sich bewusst machen, dass das Vorspiel bereits beginnen sollte, bevor sie sich mit seiner Partnerin ins Bett begibt (vgl. Westheimer 2008, 48). So bleibt beiden mehr Zeit zur Erregung und keiner fühlt sich nicht unter Druck gesetzt.

Um die dritte Phase (des Orgasmuserlebens) zu erlangen, wird mehr Zeit benötigt, um zum sexuellen Höhepunkt zu gelangen. Dessen muss man sich bewusst werden.

Wenn es dann zu einem Orgasmus kommt, ist die Intensität des empfundenen sexuellen Höhepunktes in der Regel geringer als früher (vgl. Westheimer 2008, 107; Der GesundheitsBrockhaus 2001, 46; Dietz-Grygier 1999, 140). Des Weiteren kann sich die Erektion des alten Mannes nach dem Orgasmus schneller abbauen und eine erneute Erektion mehr Zeit benötigen (vgl. Dietz-Grygier 1999, 140). Der zeitliche Rahmen für den Aufbau einer weiteren Erektion liegt zwischen wenigen Minuten und Tagen (vgl. Westheimer 2008, 86, 107; Der GesundheitsBrockhaus 2001, 46).

Eine der häufigsten sexuellen Störungen beim Mann ist seine zunehmende Erektionsunfähigkeit. Das Erektionsvermögen nimmt mit steigendem Alter immer mehr ab und „auch die Menge des ausgeschleuderten Ejakulats verringert sich“ (vgl. Der GesundheitsBrockhaus 2001, 46; Westheimer 2008, 86). Diese „nachlassende Potenz“ (GesundheitsBrockhaus 2001, 46) ist zwischen 40 und 50 Jahren beim Mann zu verzeichnen (vgl. ebd.).

Man gebraucht hierfür die Begriffe „Erektionsstörung“ oder „Impotenz“.

Allgemein meint eine Erektionsstörung die „unvollständige Versteifung der Schwellkörper (ebd., 48)“. Diese Veränderung vermittelt dem männlichen Geschlecht „nicht mehr funktionieren zu können – wobei das Funktionieren sich in der Erektion zeigen muß [!]“ (ebd.) und es „wird als Einbruch in das männliche Selbstwertgefühl erlebt“ (ebd.). Man redet hier auch vom „Verlust der männlichen Rolle“ (Dietz- Grygier 1999, 141) oder der „Mannesschwäche“ (Kahn 1937, 172).

Im medizinischen Bereich spricht man von der „erektilen Dysfunktion“ (Westheimer 2008, 85). Sie schreitet oftmals sehr langsam fort, so dass es zu Beginn noch sein kann, dass der Mann eine Erektion hat, wobei sie immer seltener wird und irgendwann, trotz körperlicher Stimulation, gar nicht mehr stattfindet (vgl. ebd., 89). Eine weitere Problematik ergibt sich daraus, dass sein Glied zwar steif wird, die Härte jedoch nicht für eine Penetration ausreicht. Für Männer ist es oft schwer zu verkraften, wenn ihre Erektion nicht lange gehalten werden kann (vgl. Westheimer 2008, 89).

Die erektile Dysfunktion bedeutet allerdings nicht, dass es nie mehr möglich ist, eine Erektion zu erlangen. Wenn keine schwerwiegenden Erkrankungen vorliegen und die Ursache (wie bspw. verminderte physische Stimulation) behoben wird, sind auch im Alter noch Erektionen möglich (vgl. ebd., 107, 88, 65f). Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass „Männer weiterhin Orgasmen erleben“ (ebd., 107) können, auch wenn es zu keiner Erektion kommt (vgl. ebd.). Diese werden in der Regel durch alternative Stimulation des „Penis mit der Hand oder oral“ (ebd.) bewirkt.

In der vierten Phase (Entspannungsphase) treten auch beim Mann keine bekannten Störungen auf (vgl. Beier et al. 2005, 161).

Es gibt neben den genannten biologischen Veränderungen von Mann und Frau im Prozess des Älterwerdens auch zahlreiche andere Faktoren, wie z. B. Krankheiten, die Einfluss auf ihr Sexualleben nehmen können. Zu diesen altersbedingten Krankheiten können bspw. Depressionen, Herzleiden, Bluthochdruck, Schlaganfall, schmerzhafte Arthritis, Diabetes, Krebs, Demenz und Schwerhörigkeit gehören (vgl. Westheimer 2008, 114ff).

Doch „für beide Geschlechter gilt, daß [!] es möglich ist, trotz der Altersveränderungen das Geschlechtsleben bis ins hohe Alter fortzuführen“ (Dietz- Grygier 1999, 140), allerdings nur, wenn bei beiden die körperliche Gesundheit so vorhanden ist, dass sie noch zum Geschlechtsverkehr fähig sind.

2.4. Demenz

Bei der Demenzerkrankung handelt es sich um ein mögliches Krankheitsbild des Alters. Aufgrund der zunehmenden Präsens dieser Erkrankung, wird im Weiteren näher darauf eingegangen. Allerdings werden jegliche Darstellungen zu Behandlungsmethoden ausgespart.

Definition

Der Begriff Demenz kommt von dem lateinischen Wort „Dementia“ und bedeutet „ohne Geist“. Es handelt sich um ein Krankheitsbild, dass die WHO (Weltgesundheitsorganisation) in der ICD-10 als „Verhaltensstörung“ klassifiziert, die psychisch bedingt ist (vgl. Dimdi 2008).

Im Allgemeinen bezeichnet es die Abnahme von geistigen Fähigkeiten, die vor allem das Gedächtnis und die Intelligenz betreffen (vgl. Grond 2005a, 128) . Dieser Abbau ist organisch bedingt und führt im weiteren Krankheitsverlauf zu einer verstärkten Verringerung der intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen (vgl. Schöpf et al. 2003, 36).

Mit der Demenz kommt es zu Defiziten in den folgenden Fähigkeiten:

- Kognitionen (z.B. Gedächtnisstörungen, Sprachverständnisstörungen, Orientierungsstörungen, Störungen im Denkvermögen und in der Urteilsfähigkeit),
- Emotionen (z.B. Schreien, verbale Aggression) und
- im Sozialen (Pflegeverweigerung, zunehmende soziale Isolation, Ablehnen von Hilfe, erhöhte Reizbarkeit oder Apathie) (vgl. Wettstein, A. 2005, 117; Rösler & Supprian 2009, 207f).

„Das klinische Bild wird geprägt durch (…) die Beeinträchtigung in den persönlichen Aktivitäten des täglichen Lebens wie Waschen, Ankleiden, Essen, persönliche Hygiene usw.“ (Rösler & Supprian 2009, 207). Des Weiteren treten Störungen von Bewegungsabläufen auf.

Ursache

Die Demenzerkrankung kann sowohl Männer, als auch Frauen „gleichen Alters mit ähnlich hoher Wahrscheinlichkeit“ (Deutsche Alzheimer Gesellschaft 2010, 2) treffen. Die höhere Lebenserwartung von Frauen gegenüber Männern trägt jedoch dazu bei, dass anteilsmäßig mehr Frauen von dieser Krankheit betroffen sind. So leiden etwa 70% der Frauen und ca. 30% der Männer an einer Demenz (vgl. Deutsche Alzheimer Gesellschaft 2010, 2).

Manche Formen von Demenz sind genetisch bedingt und somit vererbbar. Andere werden durch Infektionen oder Gefäßschädigungen (=vaskuläre Demenz) hervorgerufen. Darüber hinaus „können sogenannte neurodegenerative Erkrankungen die Ursache für eine Demenz sein“ (Brand & Markowitsch 2005, 14). Wobei sie „auch die Folge einer anderen (Hirn)erkrankung sein kann“ (ebd.).

Daneben tragen übermäßiger Konsum von Drogen und Alkohols dazu bei (siehe Korsakow Syndrom), dass die Krankheit hervortritt.

„Die weitaus häufigste Ursache einer Demenz ist jedoch die Alzheimer-Krankheit.“ (Der GesundheitsBrockhaus 2001, 370) Hierbei handelt es sich um eine gehirnorganisch Erkrankung (vgl. ebd., 138).

Eine weitere Form bildet die Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Hierbei werden Eiweiße im Gehirn verändert. Dadurch dass diese veränderten Eiweiße nicht mehr abgebaut werden können, lagern sie sich ungehindert „in großen Mengen in den Nervenzellen“ (Der GesundheitsBrockhaus 2001, 370) ab und die betroffenen Zellen sterben.

Diese Demenz schreitet sehr schnell voran und führt innerhalb von sechs Monaten zum Tod des Patienten (vgl. ebd.).

Häufigkeit

Demenz ist nach der Berliner Altersstudie (BASE) mit 14% der > 70-Jährigen „die häufigste psychische Krankheit im Alter“ (Helmchen et al. 2010, 209).

Dies macht „umgerechnet auf die Bevölkerung der über 65jährigen eine Prävalenz von 6% (ohne leichte Formen)“ (ebd.).

„Während bei den 70jährigen in BASE noch keine Demenzerkrankungen gefunden wurden, betrug ihr Anteil bei den 90jährigen mehr als 40%.“ (ebd.)

In den nachfolgenden 40 Jahren wird ein stetiger Anstieg der Krankenzahlen in Deutschland vorhergesagt. So dass in 2050 von etwa 23,5 Millionen Menschen über 65 Jahren mit ca. 2.620.000 Kranken gerechnet wird. Das bedeutet, dass innerhalb von 10 Jahren (im Vergleich zu 2040) 423.000 Personen mehr an Demenz erkranken.

Rösler & Supprian (2009 ,207) bestätigen diese Prognosen mit ihrer Annahme, dass aufgrund der soziodemographischen Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten mit einer starken Zunahme der Demenzkrankheiten gerechnet werden muss. Auch Gatterer (2008, 7) erklärt, dass Erkrankungen an Demenz mit dem Alter ansteigen und eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellen.

Hierzu brachte Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft im August 2010 die Zahlen der Neuerkrankungen von Demenzen in Abhängigkeit zum Alter heraus. Die Graphik hebt hervor, dass in der Altersspanne zwischen 65-69 noch ein geringer Anteil an Neuerkrankungen zu verzeichnen ist. Doch bereits die Altersgruppe der 70-74-Jährigen weist eine Verdoppelung der Neuerkrankungen auf. Und die Altersspanne der 80-84-Jährigen kommt auf eine Gesamtzahl von 80.000 Neuerkrankten.

Kurz (2010, 5) nennt, dass „die Zahl der alten Menschen weiterhin zunehmen wird“ und „bis zum Jahr 2050 mindestens mit der Verdoppelung der Krankenzahlen zu rechnen“ ist.

„Unter den Alterskrankheiten des Gehirns nehmen die Demenzen primär degenerativer und vaskulärer Genese einen besonderen Rang ein. Rund 90% aller primären Demenzen entfallen auf die beiden zahlenmäßig herausragenden Gruppen der Demenz vom Alzheimer Typ und der Demenz vom vaskulären Typ (gefäßbedingt). Die Demenz von Alzheimer Typ herrscht mit 60 bis 70% vor, die Demenz vom vaskulären Typ macht 20 bis 30% aus, und der Anteil einer gemischten Gruppe liegt bei 15- 20%. Bei etwa 10-20% der dementiellen Erkrankungen finden sich „sekundäre Demenzen“, d.h. Erkrankungen, die auf potentiell reversiblen Ursachen beruhen und damit auch jetzt schon prinzipiell behandelbar sind.“ (Denzler et al. 1989, 20f)

„In Deutschland leben gegenwärtig etwa 1,2 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Allein zwei Drittel dieser Personen sind von der Alzheimer- Krankheit betroffen. Jährlich kommen 250.000 Neuerkrankungen hinzu. Zurückhaltende Schätzungen gehen von etwa 1,4 Millionen Demenzkranken bis zum Jahr 2020 und 2 Millionen Demenzkranken bis zum Jahr 2050 aus. Trotz erheblicher Forschungsanstrengungen gibt es noch keinen Durchbruch in Prävention und Therapie.“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010a)

Verlauf der Erkrankung

Werden die Tätigkeiten des Gehirns bzw. des Geistes (lat. mens) in der Form beeinträchtig, dass Bewegungsabläufe gestört sind, eine getrübte Sinneswahrnehmung vorherrscht, das Denken und Erinnern schwerfallen und sich die Psyche verändert, dann entsteht eine Demenz (vgl. Der GesundheitsBrockhaus 2001, 370).

Sind Nervenbahnen in den Regionen der Großhirnrinde „nicht mehr ausreichend versorgt“ (Der GesundheitsBrockhaus 2001, 370), kommt es mit „der Zeit zu Gedächtnisverlust, Depressionen und labilen Gefühlszuständen.“ (ebd.) Bei einer anderen Form der Demenz „werden schon in mittleren Jahren Zellen der Großhirnrinde im Stirnbereich aus unbekannten Gründen abgebaut. Persönlichkeitsveränderungen sind die Folge. Die Patienten verhalten sich zunächst träge und indifferent, später sind sie distanzlos und regelrecht enthemmt“ (ebd.).

Bei einer leichten Demenz ist die Selbständigkeit des Betroffenen noch nicht stark eingeschränkt. Er hat i.d.R. gewisse (noch recht geringe) Beeinträchtigungen in den alltäglichen Abläufen und weist bereits kognitive Defizite auf. Bei einer mittelschweren Form ist der Erkrankte auf regelmäßige Hilfe von anderen angewiesen. Er verliert zunehmend seine Selbständigkeit. Zwischen der mittelschweren und schweren Demenz wird bereits das Verhalten des alten Menschen beeinflusst. Man spricht von Verhaltensauffälligkeiten. Leidet ein alter Mensch dann an der schweren Demenz, so benötigt er ständige Betreuung und ist absolut pflegebedürftig (vgl. Laux & Möller 2008, 85, Schöpf et al. 2003, 36).

Formen der Demenz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Laux & Möller 2008, 77

Behandlung

Da es keine Möglichkeit gibt, die Demenz im medikamentösen Sinne zu behandeln und zu heilen, bleibt zu sagen, dass die Stadien irreversibel sind und somit keine Heilung stattfinden kann. Die Irreversibilität der Krankheit bedeutet, dass Demenz in ihrem jeweiligen Stadium nicht umkehrbar ist. Und durch die Schädigung im Zentralnervensystem greift sie stets den ganzen Menschen an und führt somit zwangsläufig zum Tod (vgl. Der GesundheitsBrockhaus 2001, 370).

3. Die altersbedingten Veränderungen aus der Perspektive Betroffener bzw. Angehöriger von Demenzkranken

Dass es Sexualität im Alter gibt, wurde bereits genauer dargestellt. Nun soll es darum gehen, in wie weit die Betroffenen, alten Menschen, Aussagen über ihre Alterssexualität machen. Wir stellen uns den Fragen, wie die Sexualität im Alter erlebt wird und welchen Einfluss die biologischen Veränderungen tatsächlich nehmen. Die Auseinandersetzung dreht sich um die tatsächlichen Veränderungen auf die Praktiken der Sexualität und ihre möglichen Einschränkung.

Sicherlich bleibt zu sagen, dass es an jedem sexuell aktivem Paar selbst liegt, ob es die Sexualität im Alter noch lebt, oder sie durch Experimente wiederbelebt und damit versucht auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen. Aber auch die Frage nach der Beendigung des Sexuallebens im Alter wird geforscht.

Es bleibt anzumerken, dass die Sexualität im Alter eine ganz neue Herausforderung darstellt. Dies bedeutet für den Einen möglicherweise, dass er sich im höheren Lebensalter immer noch an seiner sexuellen Aktivität erfreut, und für den Anderen ist es eine Befreiung aufgrund seines Alters, davon Abstand nehmen zu können.

Es werden nun Aussagen von Frauen und Männern bezüglich ihres Erlebens von Sexualität im Alter genauer betrachtet. Hierzu wird im Besonderen Bezug auf die amerikanische Befragung von Starr & Weiner (1982) genommen, die sich mit der „Liebe und Sexualität in reiferen Jahren“ auseinandersetzt. Die Befragten Menschen im höheren Lebensalter berichten über ihr Sexualverhalten.

Die Studie liegt zwar bereits einige Jahre zurück, aber dennoch scheint sie mir sehr geeignet. Denn sie gibt sehr präzise Informationen über die unterschiedlichen Bereiche zum Thema der Alterssexualität preis und ermöglicht einen Einblick in die Welt der Betroffen.

Im zweiten Teil dieses Kapitels betrachten wir Veränderungen, die durch eine Demenzdiagnose für die Angehörigen eintreten können. Dabei richtet sich der Fokus auf die Auswirkungen im Sexualleben der Erkrankten.

3.1. Die Sicht von älteren Frauen & Männern auf die altersbedingten Veränderungen im sexuellen Bereich mit Bezug auf den Starr-Weiner-Report (1982)

Menschen im Alter können immer noch sexuelle Wesen sein

Trotz aller biologischen Umstellungen, die die Menopause bei älteren Frauen mit sich bringen, kann Sexualität im Alter dennoch sehr präsent sein und erfüllend gelebt werden. Eine 82-jährige Frau erzählt Renate Daimler (1991) von ihren Empfindungen im sexuellen Bereich: „Ich habe mein ganzes Leben lang die Vorstellung gehabt, wenn der Sex aufhört, hört das Leben auf. Aber der Sex hört ja nicht auf. Er ist immer da, in Form von Träumen, von Vorstellungen, von Onanie. Es ist keinesfalls so, daß [!] man müde wird und daß [!] einen die Lust verläßt [!]. Gottseidank!“ (ebd., 37) Diese Frau bezieht klar Stellung und macht deutlich, dass Sexualität im Alter dazugehört. Aber neben dieser Darstellung sind auch Frauen zu nennen, die sich mit ihrem sexuellen Verlangen im höheren Lebensalter unwohl fühlen. Denn, „es gibt ältere Menschen, die sofort versuchen, ihre Gefühle zu unterdrücken, wenn sie eine sexuelle Erregung spüren. Sie denken, das sei in ihrem Alter nicht mehr angemessen. Vor allem, wenn der oder die Betroffene keinen Partner hat. Dabei ist das selbstverständlich sehr wohl „angemessen“. Ihr Sexualleben ist nicht damit abgeschlossen, dass Sie ein bestimmtes Alter erreicht haben.“ (Westheimer 2008, 70) Hinzukommt, dass es zahlreiche Menschen gibt, die nach ihrem „50., 60., oder sogar 70. Lebensjahr mit den besten Sex ihres Lebens hatten.“ (ebd. 2008, 37) Und auch Radebold (1992) gibt an, dass die psychosexuellen Veränderungen im Alter „unverändert befriedigende sexuelle Kontakte bis über das 80. Lebensjahr hinaus ermöglichen (ebd., 79).“

Es bleibt also festzuhalten, dass der biologische Organismus des Menschen eine sexuelle Aktivität bis ins hohe Lebensalter ermöglicht, und sich alte Menschen dafür nicht schämen müssen, nur weil die Gesellschaft ihnen das so vorgibt. Im Allgemeinen wird dieses Thema tabuisiert und man trifft auf große Verwunderung, wenn ältere Menschen davon reden, dass sich der Sex im Alter verbessert hat. Denn 35,7% (41% der Frauen, 27,1% der Männer) sprechen von einer derartigen Verbesserung. Gerade deshalb, sollten alte Menschen durchaus weiterhin als sexuelle Wesen angesehen und akzeptiert werden (vgl. Starr & Weiner 1982, 249).

Der Ruhestand und das „Aus“ von ungewollten Schwangerschaften

Mit dem Alter verändert sich bei vielen auch die berufliche Situation. Denn wie bereits in den Grundlagen (Kapitel 2.) zum Altersbegriff erläutert, spielt der Eintritt in den Ruhestand eine wesentliche Rolle für den Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Diese Veränderung stellt ebenfalls einen möglichen Einflussfaktor für das Sexualleben dar. Starr & Weiner (1982) wollten es genauer wissen und fragten Betroffene, in wie weit sich das Sexualleben im Ruhestand (durch ggf. neugewonnene freie Zeit) verändert habe. Die Befragten teilen zu 23,9% (23,3% der Männer, 24,3% der Frauen) mit, dass es sich verbessert hat, wobei 59,6% von einem gleichgebliebenen Zustand sprechen und 16,5% offenbaren eine Verschlechterung in diesem Bereich (vgl. ebd., 266).

Eine 71-jährige Witwe äußert, dass der Ruhestand mehr Lust auf Sex macht. „Man ist entspannt und ausgeruht.“ (ebd., 201) Ein Witwer (74 Jahre) bemerkt, dass es großartig sei, weil man nun „Dinge tun kann, die man vorher nicht konnte.“ (ebd., 200) „Es ist besser. Man ist ruhig, nicht nervös, nicht besorgt. Keine Kinder im Weg.“ (ebd., 205) Diese Formulierungen von den Alltagsexperten berichten davon, dass die Sexualität im Ruhestand durchaus seine Vorzüge mit sich bringen kann. Wobei die letzte Aussage von einer 68 Jahre alten Witwe noch darauf eingeht, dass auch Kinder eine Rolle dabei spielen können, wie Sexualität im Alter gelebt und vor allem genossen werden kann. Es soll an dieser Stelle vorgebracht werden, dass ein zusätzlich, positiver Faktor das Ausbleiben einer ungewollten Schwangerschaft sein kann. So bekennt eine 73 Jahre alte Witwe, dass es in der Jugend mit dem Sex wegen der Schwangerschaft ein übereiltes Unternehmen voller Sorgen war. Erst später dann habe sie es viel erfreulicher empfunden (vgl. ebd., 46). Eine Verheiratete 72-jährige erklärt: „Als ich jung war, hatte ich Angst vor Schwangerschaft.“ (ebd., 101) Diese Angst kann sich mit der Beendigung des Klimakteriums verflüchtigen und zu einem entspannten Umgang mit der Sexualität führen. Neben der Angst waren manche Frauen froh, nach dem Kinderkriegen endlich die Sexualität überwunden zu haben (vgl. S. 82, Z. 3ff).

So klingen die folgenden Aussagen von älteren Frauen weniger verwunderlich, wenn sie sich dazu bekennen, dass die nachlassende Sexualität im Alter sie nicht negativ belastet hat. „Bin eigentlich zufrieden, daß [!] ich damit fertig bin.“ (Sydow 1992, 80), sagt eine 59-Jährige. Weiter gibt eine 64-Jährige an: „Der kann nicht mehr, na ja … weil ich ja nie so erpicht darauf war – war das nich´- nur ich wunderte mich dann mal und dann sagte er, ja, also, das ging nicht mehr. Und da muß [!] ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich war darüber ganz froh (ebd.).“

Gründe für/gegen sexuelle Aktivität in reiferen Jahren

Neben der Zufriedenheit über eine zurückgegangene praktische Umsetzung von Sexualität im Alter, können auch andere Gründe in den Vordergrund rücken, wieso man sexuell aktiv ist, ohne es wirklich zu wollen. Eine 70-jährige Frau beschreibt, dass sie die Sexualität dafür nutzt, um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Sie will nicht alleine sein. Von sich aus hat sie überhaupt nie das Bedürfnis nach Sexualität und führt die Aktivität in dem Bereich eher auf die vermehrten Begierden des Mannes zurück. Als ihre Euphorie in der Beziehung nachgelassen hat, stellt sie fest, dass die sexuellen Wünsche ebenfalls geringer wurden. Auch wenn ihr der Geschlechtsakt immer unwichtiger wurde, so verlangte der Partner weiterhin ihre Bereitschaft dafür. Sie ergab sich seiner Befriedigung und sorgte dafür, dass ihr Mann „sexuell nicht verhungerte“ (Starr & Weiner 1982, 107f).

Diese Frau hat im Älterwerden ihr Interesse oder das Bedürfnis nach sexuellen Begierden als stark nachlassend erlebt, und durch das andauernde Verlangen des Mannes weiterhin für seine Befriedigung gesorgt, aus Angst alleine zurückzubleiben und niemanden mehr als Halt zu haben. Auch solche Faktoren sollten berücksichtigt werden, wenn man von der Alterssexualität spricht. Nicht jeder macht es aus Freude am eigentlichen Geschlechtsakt, sondern daneben nehmen soziale Bedürfnisse (nach Wärme, Nähe, Zweisamkeit, Sicherheit) eine wichtige Rolle ein.

In der weiteren Betrachtung kann die Aussage getroffen werden, dass es einem im Alter eher gelingt, die eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zurückzustecken. „Man finde [!] mehr Gelegenheiten, die Wünsche und Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen. Auch in der Partnerschaft (…) könne man eher die eigenen Wünsche zugunsten des Ehepartners zurückstellen.“ (Kruse 1991, 83) So werden von vielen die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht mehr wahrgenommen und lediglich der Verlust an sexuellem Interesse bemerkt.

Starr & Weiner (1982) haben bei ihrer Erhebung aufgedeckt, dass 71,7% (81,6% der Männern, 66% der Frauen) sich durch sexuelle Handlungen befriedigt fühlen, wobei 22,9% mitteilen, dass sie es nur „manchmal“ sind und lediglich 5,4% (3,4% der Männer, 6,6% der Frauen) gaben an, dass sie keine Befriedigung erhalten (vgl. ebd., 256). Weiter wurde geschildert, dass 39,9% sich nicht befriedigt fühlen und auch nichts dagegen unternehmen, wobei 19,9% masturbieren, 17,8% wütend und frustriert sind, 17,8% weitermachen und 4,6% lenken sich anderweitig ab (vgl. ebd.). Es wirkt doch verwunderlich, dass knapp 40% der unbefriedigten Betroffenen nicht mit dem Partner darüber reden und ihn darüber in Kenntnis setzen, dass etwas fehlt, um voll zufrieden zu sein.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842818705
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Fachhochschule Mainz – Soziale Arbeit
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
2,0
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Titel: Sexualität im Alter in stationären Einrichtungen unter Einbezug der Demenz
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